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Bericht des

Bundesrathes an den Schweiz. Natiorialrath, betreffend die Konzession zum Bau einer Eisenbahn von St. Moritz nach Pontresina (Graubünden).

(Vom 3. Juli 1883.)

Tit.

Wir beehren uns, Ihnen hiemit vorzulegen: 1) den in Folge Ihres Beschlusses vom 21. April d. J., betreffend die Konzessionirung einer Eisenbahn von 8t. Moritz nach Pontresina, vom Kleinen Rathe des Kantons Graubünden eingeforderten Bericht vom 15. Juni 1883; 2) eine nachträgliche Eingabe des Konzessionspetenten, Herrn Badrutt zum Bad St. Moritz, vom 24. Juni 1883.

Aus der letztern Eingabe ergibt sich, daß, um der Beschwerde der Gemeinde Celerina wegen Schädigung des Gemeindewaldes und der Waide Rechnung zu tragen, eine Variante zu dem ursprunglich vorgeschlagenen Trace studirt worden ist, welche vom Statzersee an bis zum Austritt aus dem Gemeindewald von Celerina zum großen Theil über Moor- und Sumpfboden führe und von da an unter Beanspruchung von Privatland bis zur Wiedereinmündung in's ursprüngliche Trace sich dem Waldsaum entlang ziehe. Diese Variante werde eine Mehrlänge von 200 m. und eine Erhöhung der Bausumme um Fr. 10--18,000 bedingen, dagegen eine Ermäßigung der Steigungen auf höchstens 25 °/oo gestatten und so dem Betrieb

255 wieder zu gut kommen. Der Petent ist bereit, dieses Trace nöthigenfalls dem ursprünglichen zu substituiren.

Die Regierung des Kantons Graubünden spricht sich auf Grund eines von dem kantonalen Forstinspektor ausgearbeiteten Gutachtens für die Adoptirung dieser Variante aus, welche den Wald der Gemeinde Celerina soweit schone, daß von einer nur einigermaßen erheblichen Schädigung nicht gesprochen werden könne, ebensowenig von einer Schädigung des Waideareals, von dem nur noch etwa 2 1 /2 Hektaren für den Bahnbau erforderlich sein werden, wobei immerhin die Voraussetzung eine gehörige Abzäunung von Bahn und Waideland sei.

Im Uebrigen gehen die Einwendungen der Gemeinden dahin: 1) die projektirte Bahn sei von keinen Landesinteressen bedingt, und sie werde solche nicht fördern ; '2) die gegenwärtig vorhandenen Verkehrsmittel des Oberengadins genügen im vollsten Maß allen Bedürfnissen ; 3) das Trace der Bahn sei zudem derart, daß die große Zahl der fremden Gäste in ihrem Naturgenuß und in ihrer Erholung beeinträchtigt werden; 4) eine Eisenbahn schade Ponti-esina im Allgemeinen; 5} die Erstellung der Bahn werde den Ruin desjenigen Theils der Bevölkerung zur Folge haben, welcher sich mit Fuhrhalterei abgebe ; sie -würde auch 6) einen ungesunden Bauschwindel zu Ungunsten der kleineren, Hotels und Häuser mit Privatlogis hervorrufen.

,,Auf diese Einwendungen einzutreten, erachten wir", sagt, der Kleine Rath, ,,sei nicht in der Stellung unserer Behörde, die ja nicht die Konzession zu ertheilen hat.u Die Bundesversammlung möge beurtheilen, ob dieselben begründet seien und ob namentlich der Schaden, welchen die Lohn kutscherei erleide und der besonders in Celerina empfindlich sein werde, auf die Konzessionirung von Einfluß sein solle.

Wir vermögen zwar diese Ansicht nicht als richtig zu betrachten,, denn als Hüter und Wahrer der ihnen unterstellten Interessen sollen die Kantonsbehörden an den Konzessionsverhandlungen Theil nehmen.

Indessen glauben wir, eine weitere Vernehmlassuug des Kleinen.

Raths nicht veranlaßen und uns darauf beschränken zu sollen, unter Vorlage der heute vorhandenen Akten den Antrag auf Ertheilung der Konzession zu wiederholen. Den gemachten Einwendungen kommt weder im Einzelnen noch im Ganzen eine be-

256 rechtigte Bedeutung zu; diejenige, welche anscheinend erheblich ist, die Gefahr für die Lohnkutscherei, erscheint sofort in einem andern Lichte, wenn man den Ansprüchen der Kutscher diejenigen des verkehrenden Publikums gegenüber stellt. Wenn die Kantonsregierung zu ihrer zurückhaltenden Stellung gelangt, weil sie im Zweifel ist, ob sie die Vertretung derjenigen übernehmen dürfe, welche sich neuen Verkehrseinrichtungen entgegenstellen, so befinden sich die Bundesbehörden nicht in dieser Lage und sehen in der vorliegenden Sachlage keinerlei gesetzlichen Grund, um sich der Erstellung eines neuen verbesserten Verkehrsmittels zu widersetzen.

Dagegen sind wir der Ansicht, daß der Konzessionspetent bei seiner Offerte einer theilweisen Verlegung der anfanglich projektirten Linie behaltet werde, was indessen, da diese im Konzessionsentwurf1 nicht fixirt ist, eine Aenderung des letztern nicht nöthig macht.

.Der Forderung auf Abgrenzung der Bahn von den benachbarten Waiden ist durch die Vorschrift des zweiten Absatzes im Art. 16 .

des Eisenbahngesetzes von 1872 genügt.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 3. Juli 1883.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

L. Ruchonnet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bericht des Bundesrathes an den schweiz. Nationalrath, betreffend die Konzession zum Bau einer Eisenbahn von St. Moritz nach Pontresina (Graubünden). (Vom 3. Juli 1883.)

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