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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch -des Heinrich Morf, Soldaten im Bataillon Nr. 63.

(Vom 28. November 1883.)

Tit.

Heinrich M o r f von Buch a. L, gewesener Knecht in Hünikon,.

23 Jahre alt, ledig, war Soldat bei der III. Kompagnie des Bataillons 63 und hat als solcher an den Herbstübungen der VI. Division im Jahr 1882 theilgenommen. Am 8. September kantonnirte sein Bataillon in der Gemeinde Seen bei Winterthur. Die Mannschaft war theils in öffentlichen Lokalen, theils in Scheunen dortiger Einwohner untergebracht. Am gedachten Tage, Abends um 8 Uhr herum, traf Morf mit einem Kameraden, der in demselben Kantonnement stund, in der Wirthschaft zum Frohsinn in Seen zusammen.

Nachdem jeder von ihnen ein Glas Bier getrunken, einigten sie sich, noch in ein Privathaus zu gehen, um dort eine Flasche Wein zu trinken, weil der Wein bei Privaten billiger als im Wirthshause zu haben sei. Sie gingen in das Haus des Landwirths Hermann Müller.

Die Hausfrau war in der Küche, als sie hinkamen. Während Morfs Kamerad mit derselben ein Gespräch anknüpfte, verfügte sich Morf in die Wohnstube und entwendete daselbst eine an der Wand hängende silberne Taschenuhr mit Kette im Werthe von Fr. 21. 50.

Kaum war dies geschehen, als Frau Müller mit Morfs Kameraden in die Stube kam und den beiden Soldaten den verlangten Wein vorsetzte. Einige Zeit später kam auch der Ehemann Müller in die Stube und nahm sofort wahr, daß die Uhr nicht mehr an ihrer Stelle hing. Er beklagte sich über den Verlust und äußerte Ver-

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dacht, es dürfte dieselbe von einem der in seiner Scheune kantonnirten Soldaten entwendet worden sein. Morf rieth ihm, den Diebstahl beim Postenchef anzuzeigen, was Müller dann auch ohneWeiteres gethan. In der hierauf angehobenen Untersuchung lenkte sich der Verdacht doch alsobald auf Morf, von dem man wußte, daß er einen Moment einzig in dem Zimmer gewesen, aus welchem die Uhr verschwunden war. Und Morf legte dann auch schon im ersten Verhöre ein rückhaltloses Gestäodniß ab.

Im Fernern kam durch die Untersuchung zu Tage, daß sich Morf noch weiterer Vergehen schuldig gemacht habe. Er hat nämlich am 5. September bei dem Gemeinderath und Wirth Hatt in Henggart Fr. 15 erhoben, unter dem unwahren Vorgeben, er sei von der Ehefrau des Viehhändlers Schürtet beauftragt worden, dieses auf Rechnung ihres Ehemannes zu thun. Er hat ferner am 8. September bei Theodor Spieß in Rettungen Fr. 15 erhobenr unter dem falschen Vorgeben, daß sein Schwager, Konrad Hindei'müller, ihn beauftragt habe, dieses Geld aus dem Grunde zu verlangen, weil es ihm unmöglich geworden, in Hettlingen eine 100 Fr.Banknote zu wechseln. Morf mußte auch zugeben, daß er dea Versuch gemacht, beim Gemeindeammann Spieß Fr. 15 zu erheben, unter dem falschen Vorgeben, von seiner Schwester beauftragt worden zu sein, diese Summe auf Rechnung ihres Mannes zu verlangen.

Morf ist endlich geständig, bei zwei Soldaten je Fr. 5 entlehnt zu haben, zu einer Zeit, als er nicht im Falle war, die Rückerstattung in nahe Aussicht zu stellen, geschweige denn vorzunehmen.

Das Kriegsgericht der VI. Division hat sodann in seiner Sitzung auf dem Rathhause in Winterthur vom 25. September 1882 den Heinrich Morf in Anwendung der Artikel 34, 135 a und 153 des Militärstrafgesetzes wegen Diebstahls, Betrugs, Betrugsversuchs und leichtsinnigen Schuldenmachens zu einer l Smonatlicheri Zuchthausstrafe verurtheilt, für die Dauer von 3 Jahren, von der Erstehung der Zuchthausstrafe an gerechnet, in der Ausübung des Aktivbürgerreehts eingestellt, aus dem schweizerischen Militärverbande ausgestoßen und in die Klasse der Militärsteuerpflichtigen verwiesen.

Die Uhr wurde dem Landwirth Müller wieder restituirt, und die betrogenen Hatt und Spieß soll Morf nach dem Urtheil mit je Fr. 20 entschädigen.

In einem vom 9. dieses Monats datirten Gesuch bittet nun Morf die Bundesversammlung
um Begnadigung für den Rest der Zuchthausstrafe. Er versichert, daß er das Unehrenhafte und Unrechte seiner verbrecherischen Handlungen vollkommen einsehe und aufrichtig bereue, daß er die wohlverdiente Strafe sich zu Herzen

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genommen und sich bestreben werde, fortan ehrlich und redlich «einer Wege zu gehen. Die Unehre, aus der Armee ausgeschlossen 3.U sein, werde ihn stets an die begangenen Fehltritte erinnern und auch anspornen, die Achtung seiner Mitbürger wieder zu verdienen, und er werde dazu Gelegenheit finden, indem ihm ein Platz ·als Bauernknecht schon zugesagt sei.

Die Beamtenkonferenz der Strafanstalt Zürich empfiehlt das ·Gesuch des Petenten, indem sie sagt, der Mann habe sich während ·der Strafe ,, ernüchtert" und sehe mit aufrichtiger Reue ein, daß «er Unrecht gethan habe. Während seiner Strafzeit habe er zu keiner Klage Anlaß gegeben, sich fleißig zur Arbeit gehalten, stets willig und gehorsam gezeigt und es auch au einem anständigen Benehmen gegen seine Vorgesetzten nicht fehlen lassen. Die Beamten der Strafanstalt halten dafür, Morf habe sieh mehr nur von ·einem vorübergehend über ihn mächtig gewordenen Leichtsinn zum Verbrechen hinreißen lassen, als daß eine tiefer gehende Neigung ihn dazu geleitet habe, und heben hervor, daß Morf im Falle der Begnadigung sofort Aufnahme und Arbeit bei einem seiner Verwandten finden werde.

Nachdem Morf von der ihm auferlegten l ^jährigen Zuchthausstrafe bereits 14 Monate ausgehalteu und sich nach dem Zeug.niß der Beamtenkonferenz der Strafanstalt Zürich während dieser Zeit in allen Theilen wohl verhalten hat, so beantragen wir, es «lochte demselben der Rest der Zuchthausstrafe in Gnaden erlassen "werden.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommensten /Hochachtung.

B e r n , den 28. November

1883.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

L. Ruchonnet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des Heinrich Morf, Soldaten im Bataillon Nr. 63. (Vom 28. November 1883.)

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05.12.1883

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