zu 94.441 Parlamentarische Initiative Sexuelle Ausbeutung von Kindern.

Verbesserter Schutz (Goll) Bericht vom 23. August 1999 der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates Stellungnahme des Bundesrates vom 20. März 2000

Sehr geehrter Herr Präsident sehr geehrte Damen und Herren, Im Sinne von Artikel 21quater Absatz 4 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG, SR 171.11) nehmen wir nachstehend Stellung zum Bericht vom 23. August 1999 der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates «Änderung des Opferhilfegesetzes. Verbesserung des Schutzes von Opfern unter 16 Jahren».

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

20. März 2000

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

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Der Bundespräsident: Adolf Ogi Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

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2000-0814

Stellungnahme 1

Einleitung

Seit einigen Jahren wird das Problem der Kinder, die Opfer von Gewalt und von Straftaten gegen die sexuelle Integrität geworden sind, auf breiter Basis diskutiert, und es werden solche Fälle immer häufiger vor Gericht gebracht.

Am 16. Dezember 1994 reichte Frau Nationalrätin Christine Goll eine als allgemeine Anregung gefasste parlamentarische Initiative mit dem Titel «Sexuelle Ausbeutung von Kindern. Verbesserter Schutz» ein. Durch Einführung von Verfahrensbestimmungen sollte das psychische Trauma vermindert werden, welches Opfer von Sexualdelikten, insbesondere Kinder, durch das Strafverfahren erleiden können.

Am 3. Oktober 1996 hat der Nationalrat dieser parlamentarischen Initiative teilweise Folge gegeben. Die mit der Ausarbeitung eines Regelungsentwurfs betraute Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (nachstehend: Kommission) beantragt, das Bundesgesetz über die Hilfe an Opfer von Straftaten (OHG; SR 312.5) durch einen neuen Abschnitt 3bis über den Schutz der Persönlichkeit von Opfern unter sechzehn Jahren zu ergänzen.

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Stellungnahme des Bundesrates

2.1

Allgemeines

Der Bundesrat stimmt dem Entwurf der Kommission insgesamt zu. Er hält es für wichtig, die traumatisierende Wirkung, die ein Strafprozess beim Kind zeitigen kann, das Opfer von Gewalt oder von Sexualdelikten geworden ist, soweit als möglich zu verringern. Diese so genannte «Sekundärviktimisierung» ist denn auch häufig kaum geringer als der durch das Delikt zugefügte seelische Nachteil.

Das Anliegen, die Interessen des kindlichen Opfers zu wahren, darf freilich nicht dazu führen, dass die Grundrechte des Beschuldigten in einem Ausmass vermindert werden, das mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör unvereinbar wäre. Nach Auffassung des Bundesrates stellt der Entwurf der Kommission ein vernünftiges Gleichgewicht her zwischen den Interessen des Kindes und denen des Beschuldigten; dieser behält nach dem Entwurf das Recht, dem Kind Fragen zu stellen, und sogar in gewissen Fällen den Anspruch auf eine direkte Begegnung.

2.2

Bemerkungen zu den einzelnen Bestimmungen

2.2.1

Geltungsbereich; Mindestalter

Nach dem Entwurf sollen Kinder unter 16 Jahren geschützt werden, die Opfer von sexuellen Übergriffen oder einer anderen Straftat gegen die körperliche oder psychische Integrität geworden sind (vgl. Art. 2 Abs. 1 OHG; vgl. BGE 125 [1999] II 265). Entsprechend dem Vorschlag der Kommissionsminderheit ist der Bundesrat der Auffassung, dass diese Regelung auf alle Kinder unter 18 Jahren ausgedehnt werden sollte (vgl. Ziff. 2.3). Er stellt sich ferner die Frage, ob sich das vorge3767

schlagene Verfahren in gewissen Fällen nicht als zu schwerfällig erweisen könnte (z.B. bei Unfällen im Strassenverkehr).

Es ist jedoch dem Entwurf nicht klar zu entnehmen, in welchem Zeitpunkt das Kind das fragliche Alter haben muss. Nach dem Wortlaut von Artikel 10bis Absätze 1 und 2 E-OHG scheinen die neuen Verfahrensbestimmungen auf Kinder anwendbar zu sein, die im Zeitpunkt der Straftat weniger als 16 Jahre alt waren. Artikel 10ter Absatz 1 E-OHG scheint dagegen zu verlangen, dass das Kind im Zeitpunkt des Verfahrens weniger als 16 Jahre alt ist, und Artikel 10quater E-OHG nennt gar kein bestimmtes Alter. Es erschiene sinnvoll, die Situation zu klären und die Regelung einheitlich zu gestalten.

Dafür bieten sich mehrere Lösungen an: ­

Das Kind ist weniger als 16 Jahre alt (oder, gemäss Bundesrat, weniger als 18 Jahre alt) im Zeitpunkt der Tat.

Angesichts der zehnjährigen Verjährungsfrist (vgl. Art. 187 Ziff. 6 StGB) könnte diese Lösung die Opfer schützen, die in ihrer Kindheit (z.B. im Alter von 12 Jahren) missbraucht wurden und bei Eröffnung des Strafverfahrens volljährig sind. In diesem Fall erscheinen aber die von der Kommission vorgeschlagenen Schutzmassnahmen nicht mehr gleichermassen zwingend.

­

Das Kind ist weniger als 16 Jahre alt (oder, gemäss Bundesrat, weniger als 18 Jahre alt), wenn das Strafverfahren eröffnet wird.

Diese ­ vom Bundesrat bevorzugte ­ Lösung erscheint logischer, da der aktuelle Nachteil für das Kind im Verfahren selber besteht und nicht mehr in der Straftat. Sie bezieht sich auf einen einfach zu bestimmenden Fixpunkt und hat so zusätzlich den Vorteil der Einfachheit und der Klarheit.

­

Das Kind ist weniger als 16 Jahre alt (oder, gemäss Bundesrat, weniger als 18 Jahre alt) im Zeitpunkt der jeweils aktuellen Verfahrenshandlung.

In diesem Fall würden die anwendbaren Regeln im Verlaufe des Verfahrens ändern, sobald das Kind das Alter von 16 Jahren erreicht hat; dies könnte zu praktischen Problemen führen. Diese Lösung könnte den Beschuldigten veranlassen, zusätzliche Untersuchungsmassnahmen zu verlangen, um so das Erreichen der Altersgrenze von 16 Jahren abzuwarten.

2.2.2

Begegnung des Opfers mit dem Beschuldigten (Art. 10bis E-OHG)

Der Bundesrat schliesst sich ebenfalls Artikel 10bis E-OHG an, der eine Begegnung zwischen dem Kind und dem Beschuldigten ausschliesst, wenn es sich um ein Sexualdelikt handelt (Abs. 1) oder, bei anderen Straftaten, wenn die Begegnung für das Kind zu einer schweren psychischen Belastung führen würde (Abs. 2).

Die Kommission behält allerdings zu Recht die Begegnung vor, wenn nur auf diese Weise der Anspruch des Beschuldigten auf rechtliches Gehör gewährleistet werden kann (Art. 10bis Abs. 3 E-OHG). Wie die Kommission in ihrem Bericht betont (Kommissionsbericht, Ziff. 61), kann der Anspruch auf rechtliches Gehör oft durch geeignete Kommunikationsmittel gewährleistet werden, beispielsweise mittels Videosystemen, die dem Beschuldigten ermöglichen, unmittelbar den Ausführungen des Opfers zu folgen, ohne sich notwendigerweise im selben Raum zu befinden.

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2.2.3

Einvernahme von Kindern, die Opfer von Straftaten geworden sind (Art. 10 ter E-OHG)

Artikel 10ter Absatz 1 E-OHG begrenzt die Anzahl Einvernahmen grundsätzlich auf zwei. Absatz 2 verdeutlicht, dass die Befragung von einem zu diesem Zweck ausgebildeten Ermittlungsbeamten durchgeführt werden muss, dass sie auf Video aufzuzeichnen und in einem Bericht festzuhalten ist und sie in einem für die Bedürfnisse des Kindes geeigneten Raum stattzufinden hat. Wenn nötig, können die Parteien eine zweite Einvernahme verlangen, bei welcher sie über den befragenden Beamten Fragen an das Kind stellen können (Abs. 3).

Der Bundesrat unterstützt diesen Vorschlag der Kommission. Er hält dafür, dass die vorgeschlagene Regelung einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen des Kindes und denen des Beschuldigten herstellt, welcher die Möglichkeit erhält, unter besonderen Umständen eine Einvernahme des Kindes im Rahmen der Hauptverhandlung zu verlangen (BGE 120 Ia 48; 116 Ia 289). Der Bundesrat hält jedoch aus Gründen der Klarheit, und um Missdeutungen vorzubeugen, folgende Präzisierungen für angebracht: ­

Aus Artikel 10ter Absatz 3 E-OHG scheint hervorzugehen, dass eine zweite Befragung nur möglich ist, wenn der Beschuldigte seine Rechte bei der ersten Einvernahme nicht wahrnehmen konnte. Dem Bundesrat erscheint diese Betrachtungsweise zu einschränkend. Die richterlichen Behörden sollten auch dann eine zweite Einvernahme anordnen können, wenn dies im Interesse der Ermittlungen (beispielsweise bei einem besonders verwickelten Sachverhalt) oder im Interesse des Kindes liegt. Denn es kann in gewissen Fällen angezeigt sein, ein Kind mehrmals zu befragen, um es nicht zu überfordern.

­

Es sollte zudem im Gesetzestext selber der formale Ablauf der Einvernahme verdeutlicht werden. Der Beschuldigte sollte bereits bei der ersten Einvernahme über die einvernehmende Person Fragen an das Kind stellen können.

Die besonderen Vorkehren für die erste Befragung (insbesondere Befragung durch geschulte Personen, geeignete Räumlichkeiten, Video-Aufzeichnung, Bericht über die Einvernahme) sollten ebenfalls bei den späteren Einvernahmen Anwendung finden (siehe in diesem Sinn Ziff. 6.2 des Kommissionsberichts).

­

Nach Artikel 7 Absatz 1 OHG kann sich das Opfer von einer Vertrauensperson begleiten lassen. Diese Vorschrift kann Probleme stellen, wenn die Vertrauensperson ein Elternteil des Kindes ist. Denn Vater und Mutter können auf das Kind Druck ausüben, an seiner Stelle antworten oder es in anderer Weise durch ihre Haltung oder ihre Anwesenheit beeinflussen. Der Bundesrat fragt sich daher, ob im Falle der Einvernahme nach Artikel 10ter E-OHG nicht die Möglichkeit vorgesehen werden sollte, die Anwendung von Artikel 7 Absatz 1 OHG auszuschliessen oder eine andere Vertrauensperson zu bezeichnen.

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2.2.4

Einstellung des Verfahrens (Art. 10quater E-OHG)

2.2.4.1

Einstellungsverfügung (Art. 10quater Abs. 1 E-OHG)

Artikel 10quater E-OHG führt, als Ausnahme, die Möglichkeit der zuständigen Behörde ein, das Strafverfahren einzustellen, sofern drei kumulative Voraussetzungen erfüllt sind: das zwingende Interesse des Kindes verlangt die Einstellung, das Kindesinteresse überwiegt das staatliche Interesse an der Strafverfolgung, das Opfer oder sein gesetzlicher Vertreter haben der Einstellung zugestimmt (Abs. 1 Satz 1).

Im Falle einer Einstellung müssen Kindesschutzmassnahmen geprüft und, wo nötig, angeordnet werden (Abs. 1 Satz 2).

Der Bundesrat stimmt auch diesem Vorschlag zu. Er hält es für angezeigt, die unterschiedlichen kantonalen Praktiken zu vereinheitlichen und den Strafbehörden aller Kantone die Möglichkeit zu geben, das Verfahren einzustellen, wenn die erwähnten drei Bedingungen erfüllt sind. Bei der Würdigung des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung wird man natürlich das Rückfallrisiko des mutmasslichen Täters zu Lasten des Opfers und anderer Kinder zu berücksichtigen haben. In ihrem Bericht nennt die Kommission als Beispiel den Fall der Bedrohung des Kindes durch den Täter. Dieses Beispiel erscheint jedoch etwas unglücklich (Kommissionsbericht Ziff. 3.2.1). Diese neue Vorschrift vermöchte gegenüber Tätern, die Drohungen ausstossen, nichts auszurichten. In solchen Fällen sollten die Strafbehörden daher ­ ausser wenn es unbedingt nötig ist ­ das Verfahren nicht einstellen.

Wenn gleich der Bundesrat die Einstellung im Grundsatz begrüsst, möchte er doch einige Bemerkungen vorab formeller Natur zu einzelnen Punkten der Vorschrift anbringen, um allfälligen Missdeutungen vorzubeugen: ­

Artikel 10quater Absatz 1 Satz 1 E-OHG bestimmt, dass «Die zuständige Behörde (...) ein Strafverfahren einstellen [kann] (...).» Es ergibt sich klar aus dem Begleitbericht, dass allein eine richterliche Behörde die Einstellung verfügen kann (Kommissionsbericht, Ziff. 63). Für den Bundesrat stellt sich die Frage, ob dies nicht explizit im Gesetzestext erwähnt werden sollte (vgl.

in diesem Sinn Art. 66bis Abs. 3 StGB). Es sollte auch klargestellt werden, ob die Einstellung definitiv oder provisorisch ist. Eine «provisorische» Verfahrenseinstellung stellt nach Auffassung des Bundesrates indes keine zweckmässige Option dar. Denn wenn das Kind Jahre später seine Zustimmung zur Verfahrenseinstellung widerrufen könnte, weil es seine Interessenlage inzwischen anders beurteilt, wäre dies mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit kaum vereinbar. Die geplante Einführung einer Regelung, wonach die Verjährungsfrist für Sexualdelikte an Kindern bis zum vollendeten 18. Lebensjahr ruht, steht einer definitiven Verfahrenseinstellung nicht entgegen: Während das Ruhen der Verjährungsfrist die Einleitung eines Strafverfahrens auch noch Jahre nach der Tat ermöglichen soll, geht es im vorliegenden Fall um die Einstellung eines bereits eingeleiteten Strafverfahrens.

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Nur das urteilsfähige Kind soll seine Zustimmung zur Einstellung geben können. Fehlt ihm die Urteilsfähigkeit, ist seine Zustimmung wirkungslos.

Die zuständige Behörde muss in diesem Fall die Zustimmung vom gesetzlichen Vertreter des Kindes einholen. Es wäre vielleicht angezeigt, die Be-

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stimmung in diesem Sinn zu verdeutlichen (vgl. Art. 28 ff. StGB über den Strafantrag).

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Artikel 10quater Absatz 1, Satz 2 E-OHG bestimmt, dass «Diesfalls (das heisst bei Einstellung des Verfahrens) [...] mögliche Kindesschutzmassnahmen überprüft und wenn nötig angeordnet werden (müssen).» Es versteht sich, dass die Kindesschutzmassnahmen auch bei Nicht-Einstellung des Verfahrens angeordnet werden können und müssen. Artikel 358bis StGB hält in diesem Zusammenhang fest: «Stellt die zuständige Behörde bei der Verfolgung von strafbaren Handlungen gegenüber Unmündigen fest, dass weitere Massnahmen erforderlich sind, so informiert sie sofort die vormundschaftlichen Behörden.»

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Vorstellbar ist allenfalls auch, dass die zuständige Strafverfolgungsbehörde ermächtigt wird, selber Massnahmen anzuordnen, die vorher mit dem Täter ausgehandelt worden sind (z.B. Verbot, das Kind wiederzusehen, Ausübung des Besuchsrechts in Anwesenheit einer Drittperson, Durchführung einer Behandlung usw.). Dieser ­ neue ­ Gedanke dürfte sich aber schwerlich im Rahmen des OHG verwirklichen lassen; er sollte vielmehr bei der Erarbeitung des Entwurfs für eine eidgenössische Strafprozessordnung erörtert werden.

2.2.4.2

Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht (Art. 10quater Abs. 2 E-OHG)

Nach Artikel 10quater Absatz 2 E-OHG kann «gegen den letztinstanzlichen Einstellungsentscheid (...) Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht geführt werden.» Der Bundesrat möchte zwei Bemerkungen zu dieser Bestimmung anbringen: ­

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Nach dem Wortlaut von Artikel 10quater Absatz 2 E-OHG steht die Nichtigkeitsbeschwerde nur gegen den die Einstellung verfügenden letztinstanzlichen kantonalen Entscheid offen. Eine solche Bestimmung ist jedoch einerseits unnötig (denn die Nichtigkeitsbeschwerde ist schon nach den allgemeinen Regeln möglich, vgl. Art. 268 Ziff. 2 des Bundesstrafrechtspflegegesetzes, BStP, SR 312.01), andererseits unzureichend. Die Einstellung nach Artikel 10quater Absatz 2 E-OHG liegt im Interesse des Opfers. Es sollte daher von den üblichen Regeln abgewichen und dem Opfer die Möglichkeit eröffnet werden, sich auch gegen den eine Einstellung ablehnenden letztinstanzlichen Entscheid zu beschweren. Artikel 10quater Absatz 2 E-OHG sollte darum klarstellen, dass die Nichtigkeitsbeschwerde nicht nur gegen den die Einstellung verfügenden letztinstanzlichen kantonalen Entscheid zulässig ist, sondern gegen jeglichen Entscheid über die Frage der Einstellung (im Be-

Vgl. Gérard Piquerez, Précis de procédure pénale suisse, 2. A., Lausanne 1994, S. 484, Rz. 2590; Bernard Corboz, Le pourvoi en nullité à la Cour de cassation du Tribunal fédéral, in: Semaine judiciaire 1991, S. 57 ff. (69); Erhard Schweri, Eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen, Bern 1993, S. 66 f.; Frank Meister, L'autorité de poursuite et le classement pour des raisons d'opportunité en procédure pénale, Diss. Lausanne 1993, S. 368 f.

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sonderen den sie verneinenden). Dieses Rechtsmittel sollte dem Opfer offen stehen, aber auch dem kantonalen Staatsanwalt und dem Beschuldigten.

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2.2.5

Nach dem Bericht der Kommission soll mit der Nichtigkeitsbeschwerde «sichergestellt werden, dass das Bundesgericht den Entscheid mit voller Kognition prüft» (Kommissionsbericht, Ziff. 63 a.E.). Der Bundesrat macht in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass das Bundesgericht zwar die Rechtsfragen mit voller Kognition prüft (Art. 269 BStP), es aber an die Sachverhaltsfeststellungen der kantonalen Vorinstanz gebunden ist (Art. 277bis Abs. 1 BStP). Das Interesse des Kindes an einer Einstellung kann auch auf der Würdigung des Sachverhaltes beruhen. Es erscheint freilich ausgeschlossen, hier die Kognition des Bundesgerichts auf Sachverhaltsfeststellungen auszudehnen; denn eine solche Ausdehnung würde dem Ziel der Revision des Bundesrechtspflegegesetzes, das Bundesgericht zu entlasten, zuwiderlaufen.

Vorschriften über die Ausbildungs- und Finanzhilfe des Bundes (Art. 18 E-OHG)

Die Kommission schlägt vor, in Artikel 18 Absatz 1 OHG zu präzisieren, dass die Fachausbildung des Personals der Beratungsstellen für Verbrechensopfer den besonderen Bedürfnissen der jugendlichen Opfer von Gewalt- und von Sexualdelikten Rechnung tragen soll. Sie empfiehlt ferner, neben den bereits im Finanzplan vorgesehenen Mitteln, zusätzliche finanzielle Mittel für die Fachausbildung vorzusehen.

Der Bundesrat hat keine Einwendungen gegen den ersten Vorschlag. Hingegen ist er der Auffassung, dass sich die Finanzierung wenn immer möglich innerhalb des vom Finanzplan vorgegebenen Rahmens wird bewegen müssen.

2.3

Vorschlag der Minderheit

Eine Minderheit der Kommission möchte, dass die vorgeschlagenen besonderen Schutzmassnahmen auf alle Minderjährigen Anwendung finden und nicht allein auf Kinder unter 16 Jahren.

Mit der Kommissionsminderheit ist der Bundesrat der Auffassung, dass es nicht angezeigt ist, die Minderjährigen unter 16 Jahren und diejenigen zwischen 16 und 18 Jahren unterschiedlich zu behandeln. Er ruft in diesem Zusammenhang das Übereinkommen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (SR 0.107) in Erinnerung, welches als Kind jeden Menschen unter 18 Jahren definiert.

2.4

Zusammenfassung

Unter Vorbehalt der vorstehenden Bemerkungen stimmt der Bundesrat dem Entwurf der Kommission zu.

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