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Kreisschreiben des

Bundesrathes an sämmtliche eidgenössischen Stände,, betreffend Maßnahmen gegen Viehseuchen.

(Vom 24. April 1883.)

Getreue, liebe Eidgenossen! · Wie Sie dem von unserm Handels- und Landwirthschaftsdepartement allmonatlich veröffentlichten Bulletin über den Stand; der Viehseuchen in der Schweiz entnommen haben werden, hat dieMaul- und Klauenseuche seit Beginn des laufenden Jahres an Ausdehnung stets zugenommen. Die Zahl der infizirten Ställe ist seit Anfang Januar von 42 auf 161 gestiegen. Nach Mittheilungen, welche uns seit dem Erscheinen des jüngsten Bulletins zugekommen sind, hat die Seuche im laufenden Monat in einigen Landestheilen eine noch größere Verbreitung erlangt, und es sind zur Stunde nur wenige Kantone von derselben verschont.

Der Ursprung dieser, die landwirtschaftliche Bevölkerung in.

hohem Grade schädigenden Epizootie wird in einer Reihe von Berichten auf die Einfuhr von Schlachtvieh aus Italien zurückgeführt, das zwar in anscheinend gesundem Zustande an der Grenze anlangt, aber bald nach seiner Ankunft am Bestimmungsorte krank befunden wird. Vereinzelte Einschleppungen der Seuche erfolgten auch aus dem Elsaß, aus Bayern und Oesterreich. Es ist deßhalb von verschiedenen Seiten das Gesuch anher gerichtet worden , es möchte die Einfuhr von Vieh aus den genannten Staaten bis auf Weiteres verboten werden.

Abgesehen davon, daß Grenzsperre wegen der Maul- und Klauenseuche nur in ganz außerordentlichen Fällen angehoben werden darf, und daß eine so weit gehende Maßregel, wie sie in den anher gerichteten Gesuchen verlangt wird, eine Schädigung, vieler anderer Interessen, deren Wahrung uns ebenfalls obliegt, zur Folge hätte, empfiehlt es sich auch deßhalb nicht, ein Vieheinfuhrverbot zu erlassen, weil, bei dem Stande der Seuchen in den meisten Kantonen der Schweiz selbst, es sich weniger darum handeln, kann, Maßnahmen gegen die Einschleppung aus dem Auslande zu ergreifen, als darum, Vorkehrungen gegen die Verbreitung im Inlande zu treffen, und weil zu befürchten ist, daß, da der. Gesundheitszustand des Viehes in der Schweiz eben auch kein befriedigender ist, Repressalien von Seiten des Auslandes nicht ausbleiben würden.

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Wir sind nun der Ansicht, daß das Bundesgesetz vom 8. Februar 1872 über polizeiliche Maßregeln gegen Viehseuchen und die darauf basirten Réglemente den mit der Vollziehung derselben betrauten Behörden und Organen genügend Mittel an die Hand geben, eine weitere Ausbreitung der Landplage zu verhindern. Insbesondere erachten wir, daß, wenn Stall- und Ortschaftsbann gehörig durchgeführt, die vorgeschriebenen Desinfektionen überall sorgfältig vorgenommen und Fehlbare streng bestraft werden, die Zahl der infizirten Ställe bald in erheblicher Weise abnehmen werde.

Da aber einerseits in der gegenwärtigen Jahreszeit der Viehverkehr theils wegen der landwirthschaftlichen Arbeiten, theils wegen der zahlreichen Viehmärkte an Ausdehnung zunehmen wird, andererseits der Auftrieb des Viehes auf die Alpen bevorsteht, scheint es nöthig, außerordentliche Maßnahmen zu ergreifen , und wir haben deßhalb beschlossen : 1. Sobald in einer Ortschaft Fälle von Maul- und Klauenseuche konstatirt worden sind , dürfen die Viehinspektoren für Rindvieh, Ziegen, Schafe und Schweine keine Gesundheitsscheine mehr ausstellen. Diese Vorschrift bleibt in Kraft bis zum 30. Juni 1883.

2. Die Gültigkeitsdauer der Gesundheitsscheine für Rindvieh,, Ziegen, Schweine und Schafe wird auf drei Tage vermindert.

3. Die Kantonsregierungen sind ermächtigt, anzuordnen, daß Thiere, welche aus verdächtigen Gegenden kommen oder mit der Bahn anlangen, einer achttägigen Quarantäne unterworfen werden.

4. Die Kantonsregierungen sind eingeladen, unserm Handelsund Landwirthschaftsdepartement (Abtheilung Landwirtschaft) vom Ausbruch, Ursprung und Verlauf ansteckender Thierkrankheiten den 1. und 15. jedes Monats Mittheilung zu machen.

Wir geben uns der Hoffnung hin, daß diese Maßnahmen ausreichen werden , eine Ausbreitung der Seuche zu verhindern, und daß Ihre Organe Alles aufbieten werden , dem Uebel Einhalt zu thun.

Wir benutzen auch diesen Anlaß, Sie, getreue, liebe Eidgenossen, sammt uns in den Machtschutz Gottes zu empfehlen.

B e r n , den 24. April 1883.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

L. Ruchonnet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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Kreisschreiben des Bundesrathes an sämmtliche eidgenössischen Stände, betreffend Massnahmen gegen Viehseuchen. (Vom 24. April 1883.)

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