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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des Robert Simon, Soldaten im Bataillon Nr. 68.

(Vom 28. November 1883.)

Tit.

Durch Urtheil des Kriegsgerichts der VI. Division vom 25. September 1882 wurde Robert Simon, 27 Jahre alt, verheiratet, Vater eines Kindes, Soldat bei der 1. Kompagnie des Bataillons Nr. 68, Fabrikarbeiter, von Dietikon, in Anwendung von Art. 19, litt, c, wegen Nothzucht zu einer Zuchthausstrafe von zwei Jahren verurtheilt, für die Dauer von sechs Jahren nach erstandener Strafe in der Ausübung des Aktivbürgerrechts eingestellt, aus dem Militärverbande ausgestoßen und in die Klasse der Militärsteuerpflichtigen eingereiht, zu einer Entschädigung an die Civilpartei von Fr. 80 und zu den Kosten des Prozesses im Sinne des Art. 395 des Militärstrafgesetzes verfällt.

Die aus den Untersuchungsakten resultirende thatsäohliche Unterlage dieses Urtheils ist folgende: Simon hat als Soldat des Bataillons Nr. 68 am Truppenzusammenzuge vom Jahre 1882 theilgenommen. Am 9. September war sein Bataillon in Veitheim bei Winterthur kantonnirt, und es erhielt Nachmittags das Sanitätspersonal den Auftrag, warmes Wasser für Soldaten des Bataillons zu einem Fußbade auf die Zeit von 4 auf 5 Uhr bereit zu halten. Die Zubereitungen zur Ausführung dieses Befehls wurden in einem Waschhause in Veitheim, welches als Küche für das Abkochen des Fleisches für das Bataillon diente, vorgenommen und Robert Simon war dazu kommandirt. Im Laufe des Nachmittags war Simon in dieser Küche

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anwesend, und zwar allein, indem noch eine zweite Küche im Pfarrhause zu demselben Zwecke eingerichtet war. Kinder aus Veitheim kamen hinzu aus Neugierde oder in der Absicht, Brod von den Soldaten zu erhalten, wie dies schon der Fall gewesen war.

Unter den Kindern befand sich auch die Anna Grob, Sehreiners, geboren den 22. November 1875, und ein Bruder derselben, Konrad Grob, geboren den 24. April 1873. Dieser wurde von dem dienstthuenden Wärter mit noch einem andern Knaben angehalten, Bänke herbeizuschaffen, welche zur Vornahme des Fußbades nöthig waren.

Jene dagegen stand als müßige Zuschauerin vor der Küche. Nachdem Simon seine Arbeiten im Waschhause beendigt hatte, hieß er das Mädchen ihm helfen, die Laden des Waschhauses zu schließen, indem er ihm ein Stück Brod versprach. Das Kind gehorchte.

Hierauf nahm Simon dasselbe in das Lokal hinein, verschloß von innen die Thüre und mißbrauchte es zu unzüchtigen Manipulationen,, deren Details wir hier wiederzugeben unterlassen.

Nachdem Simon das Mädchen solchergestalt während circa einer halben Stunde behandelt hatte, verabreichte er ihm ein Stück Brod und schickte es mit der Weisung fort, zu Hause nichts von dem Vorfalle zu sagen.

Das Benehmen des Kindes und seine Aeußerungen bei seiner Heimkunft um (3 Uhr Abends fielen indeß seiner Stiefmutter auf> und auf Befragen derselben erzählte es, was mit ihm im Waschhause durch den Soldaten vorgenommen worden war. Dem herbeigerufenen Bataillonsarzt gegenüber hat das Kind die gleichen Angaben wiederholt, worauf Anzeige gemacht und Strafuntersuchungeingeleitet worden ist. Simon hat nach anfänglichem Leugnen in der Untersuchung ein reumüthiges Geständniß abgelegt.

Nach dem Gutachten des Bezirksarztes Dr. Müller hat Anna Grob keine körperlichen Nachtheile davongetragen.

In einem Gesuch vom 9. November 1883 bittet Robert Simon um Begnadigung für den Strafrest ; er sagt, er habe unüberlegt gehandelt, aber alsbald die bitterste Reue gefühlt, und so sei es ihm jetzt noch, nicht nur, weil er sein begangenes Unrecht vollkommen einsehe und die Strafe als eine wohlverdiente anerkenne, sondern namentlich auch, weil er sehe, wie er seine arme Familie, Frau und Kind, dadurch in's Elend gebracht habe. Nicht nur um seinetwillen, sondern namentlich mit Rücksicht auf seine arme Familie, die ohne seine Hülfe nicht mehr bestehen könne, bitte er um Begnadigung.

Die Beamtenkonferenz der Strafanstalt Zürich ertheilt dem Petenten folgendes Zeugniß :

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,,Simon verblieb auf sein eigenes Begehren hin immer in Einzelhaft und verhielt sich dabei still und fleißig. Es waren nicht nur Worte, daß er sein Vergehen bereue, sondern sein ganzes Wesen und Verhalten gab Zeugniß von aufrichtiger Reue und Leid.

Er war für sich, suchte nicht Verkehr mit andern Gefangenen und arbeitete willig und gehorsam, was ihm aufgetragen ward. Sein Betragen gegen Beamte und Aufseher war stets bescheiden und anständig, so daß er sich in seiner ganzen bisherigen Strafzeit weder Tadel, noch Disziplinarstrafe zuzog. Seine Strafe trug er geduldig als eine wohlverdiente; und nicht sich selbst hat er beklagt, wohl aber seine arme Frau mit dem Kinde, die durch seine Strafe in große Dürftigkeit und Noth gerathen sind; hauptsächlich um ihretwillen bittet er nun auch, daß die hohe Bundesversammlung ihn begnadigen möchte; denn seine Frau-kann nicht genügend verdienen , um sich selbst und das Kind den langen Winter über ordentlich oder auch nur nothdürftig durchzubringen. Wenn ihm aber die Gnade der Entlassung zu Theil würde, so fände er alsbald Arbeit in Gattikon und könnte 1 seiner Familie aus Kummer und Sorgen heraushelfend --··*"·· Nach diesem Zeugniß darf wohl angenommen werden, daß Robert Simon das begangene Verbrechen tief bereut und daß nicht nur er allein, sondern eben so sehr auch seine Familie schwer darunter leidet. Allein die begangene Handlung an einem unmündigen Kinde ist so flagrant und verdammungswürdig, daß eineEuduktion des Strafmaßes um nahezu die Hälfte (10 Monate) auf dem Begnadigungswege, soll der Ernst der bezüglichen Strafbestimmung nicht in ganz auffallender Weise abgeschwächt werden, als viel zu weit gehend erscheint. Es dürfte jedoch allen Verhältnissen in weitgehendster Weise Rechnung getragen werden, wenn eine Herabsetzung der ausgesprochenen Strafe auf 18 Monate stattfindet, was wir uns Ihnen zu beantragen erlauben.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 28. November 1883.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident: L. Ruchonnel.

Des Kanzler der Eidgenossenschaft:

ßingier.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des Robert Simon, Soldaten im Bataillon Nr. 68. (Vom 28. November 1883.)

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05.12.1883

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733-735

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