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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des Samuel Baumann von Villigen (Aargau).

(Vom 24. Mai 1883.)

Tit.

Samuel Baumann, 29 Jahre alt, ledig, Trainsoldat bei Batterie 31, von Villigen, Bezirk Brugg, wurde durch Urtheil des Kriegsgerichts der VI. Division vom 25. September 1882 wegen Diebstahls, in Anwendung von Artikel 132 e, 133 a und 136 b des Militärstrafgesetzbuches, zu einer Gefängnißstrafe von 12 Monaten, abzüglich 8 Tage Untersuchungshaft, verurtheilt, drei Jahre im Aktivbürgerrecht eingestellt, aus dem Militärverbande ausgestoßen und in die Klasse der Militärsteuerpflichtigen eingereiht, zum Schadenersatz und zu den Kosten des Verfahrens, gemäß Art. 395 des Militärstrafgesetzes, verfällt.

Der Thatbestand, der diesem Urtheile zu Grunde liegt, ist folgender : Die Batterie 31 kam am 11. September 1882 Abends von Feldmanövern nach Unterstammheim woselbst sie für Mannschaft und Pferde Kantonnement bezog. Baumann wurde mit der Mannschaft, welche mit ihm beim gleichen Geschütze diente, in einer Scheune untergebracht. Unter dieser Mannschaft befand sich auch der Trainsoldat Friedrich Hächler von Buchs. Derselbe meldete am folgenden Morgen seinem Hauptmann, es seien ihm in der Nacht während des Schlafes zirka Fr. 40 abhanden gekommen.

Der Verdacht fiel auf Baumann, weil derselbe früh Morgens dem Hächler einen Franken anbot, ,,damit er nicht ohne Geld sei", und von da an mehr Geld ausgab, als dies früher der Fall war.

1058 Auf der Heimfahrt, die von der Batterie 31 am 14. September von Bülach aus per Eisenbahn bewerkstelligt wurde, nahm der Batterie-Chef eine Untersuchung der Mannschaft vor, welche mit Hächler in der Nacht vom 11./12. das gleiche Kantonnement getheilt hatte, und hiebei fand sich auf Samuel Baumann ein Portemonnaie vor, welches von Hächler als das seinige anerkannt wurde. Baumann, über den Erwerb dieses Portemonnaie zur Rede gestellt, behauptete, dasselbe leer auf dem Parkplatze zu Unterstammheim gefunden zu haben. Er habe wohl gewußt, daß es Hächler gehöre, dasselbe aber nicht zurückgegeben, weil er den Gegenstand so gut brauchen könne wie Hächler. Daß er das Portemonnaie mit Inhalt entwendet, stellte er in Abrede.

Hierauf wurde Baumaun verhaftet. In dem folgenden Verhör legte derselbe ein umfassendes Geständniß ab. Er sagte, er habe beim Kantonnement in Unterstammheim Wache gehalten, und nachdem er gegen 12 Uhr abgelöst worden, sich zu seinem Lager begeben. Beim Sehein der Laterne habe er bemerkt, daß ein Portemonnaie neben Hächler im Stroh lag. Er habe den Entschluß gefaßt, dasselbe zu entwenden und diesen Entschluß ausgeführt, nachdem er sich versichert, daß er nicht beobachtet sei. Auf seinem Lager habe er den Inhalt des Portemonnaie gezählt und Fr. 38. 50 gefunden. Er fügte bei, daß er nun einsehe, einen großen Fehler begangen zu haben und daß es ihm leid sei.

Bei seiner Verhaftung hat Baumann noch Fr. 28. 90 auf sich getragen, die dem Damnifikaten restituirt worden sind.

In einer vom 26. April abhiu datirten Eingabe stellt nun die Mutter des Verurtheilten an die Bundesversammlung die Bitte, es möchte ihrem Sohne der Rest dei- Strafe in Gnaden erlassen werden. Sie sagt, sie sei eine arme betagte Wittwe (und könne sich ohne die Unterstützung ihres Sohnes fast nicht durchbringen. Der Sohn sei reumüthig und habe ihr unter lautem Weinen versprochen, sein Leben lang sich nie mehr an fremdem Eigenthum zu vergreifen. Im Sommer könnte er viel eher einen Dienst finden als im Spätherbst, wenn seine Strafzeit zu Ende sei.

Dem Bittgesuch seiner Mutter sehließt sich Baumann ,,reumüthig und mit dem Versprechen der Besserung"1 an.

Der Gemeinderath von Villigen bezeugt, daß Wittwe Baumann arm und in jüngster Zeit von der Gemeinde unterstützt worden sei, und fügt bei, es wäre zu wünschen, daß sie auch von ihren Kindern unterstützt würde, weßhalb das Gesuch ,,zur gutfindender) Entsprechung empfohlen werden könne."

1059 Und die Beamtenkonferenz der Strafanstalt Lenzburg sagt in einem Zeugniß vom 4. dieses Monats, Baumann habe sich in der Strafanstalt ,,ganz nach Vorschrift" verhalten.

Der Bundesrath bedauert, das Bittgesuch der armen Wittwe nicht empfehlen zu können.

Das Verbrechen, dessen sich Baumann schuldig gemacht hat, ist ein ausgezeichneter Diebstahl, weil er zum Nachtheil eines Kriegskameraden begangen worden, und fällt unter den besondern Erschwerungsgrund, daß er zur Nachtzeit verübt worden ist. Die gesetzliche Strafe besteht in Gefängniß von 6--12 Monaten oder Zuchthaus bis auf 4 Jahre. Das Kriegsgericht hat 12 Monate Gefängniß, abzüglich 8 Tage Untersuchungshaft, festgesetzt und dabei wohl allen billigen Rücksichten Rechnung getragen.

Die Zeugnisse von Villigen und Lenzburg sind mit Vorsicht aufzunehmen. Der Gemeinderath von Villigen sagt nicht, daß Baumann seine Mutter u n t e r s t ü t z t h a b e ; er sagt nur, es wäre zu wünschen, daß die arme Wittwe Baumann auch von ihren Kindern u n t e r s t ü t z t w ü r d e . Und die Beamten der S trafanstalt Lenzburg wissen auch nur, daß sich Baumann ,,ganz nach Vorschrift" verhält. Aber selbst die Bittstellerin darf nicht bestimmt behaupten, daß sie bis anhin von ihrem Sohne Unterstützung genossen habe; sie sagt nur, sie müsse nun die Unterstützung von seiner Seite entbehren.

Mehr als diese zweifelhaften Empfehlungen fällt aber ein bei den Akten liegendes Zeugniß des Gemeinderathes Villigen vom 19. September 1882 in Betracht. In demselben wird gesagt, Baumann sei vor mehreren Jahren auf einem Diebstahl von Fr. 25, den er beim Sektionschef Fehlmann begangen, ertappt worden. Er habe denselben reumüthig eingestanden und es sei diese Angelegenheit nicht vor den Strafrichter gezogen worden. Er sei ferner noch anderer diebischer Vergehen bezichtigt, es sei aber nie eine Untersuchung eingeleitet worden.

Unter diesen Umständen wüßten wir eine Begnadigung nicht zu motiviren und müssen deßhalb bei Ihnen beantragen, das Begnadigungsgesuch der Wittwe Maria Baumann, geb. Spillmann, sei abzuweisen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung.

. B e r n , den 24. Mai 1883.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Vizepräsident:

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des Samuel Baumann von Villigen (Aargau). (Vom 24. Mai 1883.)

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30.05.1883

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