00.073-2 Botschaft über die Gewährleistung der Kapazität der südlichen Zulaufstrecken zur neuen Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) vom 13. September 2000

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, mit der vorliegenden Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf des Bundesbeschlusses über die bilaterale Vereinbarung zwischen dem Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation und dem Ministerium für Verkehr und Schifffahrt der italienischen Republik betreffend die Gewährleistung der Kapazität der wichtigsten Verbindungsstrecken zwischen der neuen Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) und dem italienischen Hochleistungsnetz (HLN).

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

13. September 2000

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

11136

Der Bundespräsident: Adolf Ogi Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

5858

2000-2100

Übersicht Am 2. November 1999 haben die Verkehrsminister der Schweiz und Italiens in Basel eine bilaterale Vereinbarung unterzeichnet, mit der ausreichende Kapazitäten bei den südlichen Zulaufstrecken für den Alpentransit gewährleistet werden sollen.

Diese Vereinbarung bezweckt langfristig die Realisierung von optimalen Verbindungen zwischen dem italienischen Hochleistungsnetz (HLN) und den EisenbahnAlpentransit-Achsen Lötschberg/Simplon und Gotthard, die einen Bestandteil des transeuropäischen Netzes der Europäischen Union bilden. Durch die Erleichterung des Zugangs zu den Wirtschaftszentren und die Reduktion der Reisezeit im Personenverkehr zwischen Mailand und Zürich, Bern und Lausanne auf rund zwei Stunden wird eine Verbesserung der Verkehrsqualität erzielt.

Mit der Unterzeichnung dieser Vereinbarung zeigen die beiden Staaten die Leitlinien auf, die sie bezüglich der Eisenbahninfrastruktur-Planung zu befolgen gedenken, ohne jedoch die entsprechenden Massnahmen genau zu definieren. Die dazugehörigen Massnahmen werden schrittweise und koordiniert eingeführt. Die Kapazität und Qualität der betroffenen Strecken sollen fortlaufend gemäss der Entwicklung des Bedarfs sowie der Eisenbahntechnik verbessert werden. Die Umsetzung der im Rahmen dieser Vereinbarung vorgesehenen Massnahmen wird von einem Lenkungsausschuss koordiniert. Aufgrund der Entscheidungen des Lenkungsausschusses werden die Eisenbahnunternehmungen die entsprechenden Massnahmen definieren und umsetzen.

Die Schweiz und Italien beabsichtigen damit, die Massnahmen im Bereich der Eisenbahninfrastruktur und des rationellen Streckenbetriebs zu ergänzen und die kurz-, mittel- und langfristig geplanten Vorhaben verbindlich festzulegen.

Kurzfristig werden punktuelle Massnahmen und Anpassungen des Lichtraumprofils durchgeführt. Mittel- und langfristig sind die Optimierung des Anschlusses an den Flughafen Malpensa sowie punktuelle Massnahmen und technische Verbesserungen vorgesehen, um auf den Achsen Lötschberg/Simplon­Novara und Mailand, Gotthard­Mailand und Novara die Kapazität zu erhöhen und die Reisezeit zu verkürzen.

Ausserdem soll zwischen Lugano und Mailand eine neue Strecke zum Anschluss der NEAT (Gotthard) an das HLN gebaut werden. Und schliesslich ist geplant, entsprechend der Entwicklung der Marktbedürfnisse Terminals für den
kombinierten Verkehr in Betrieb zu nehmen.

Bei der Finanzierung gilt der Grundsatz der Territorialität. Die Partnerschaft Öffentliche Hand/Privatwirtschaft wird in Erwägung gezogen, falls sie ein effizientes Mittel bei der Infrastrukturerstellung darstellt. Punktuelle Ausbauarbeiten zur Verhinderung von Engpässen in der Schweiz können über den Fonds für Eisenbahn-Grossprojekte finanziert werden. Die Verlängerung der NEAT bis nach Mailand könnte unter anderem im Rahmen der zweiten Etappe von BAHN 2000 unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Territorialität realisiert werden.

5859

Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Politische Lage

Das nächste Jahrzehnt steht im Zeichen grosser Eisenbahnprojekte. Zur Umsetzung einer Verkehrspolitik, die langfristig in der Lage ist, die Probleme im Zusammenhang mit der Mobilität zu lösen und eine nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten1, sollen in der Schweiz effiziente und den zukünftigen Bedürfnissen entsprechende Eisenbahninfrastrukturen gebaut werden (BAHN 2000, NEAT, Anschlüsse der Schweiz an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz)2. Mit denselben Zielsetzungen wird die Europäische Union (EU)3 das transeuropäische Eisenbahnnetz realisieren, das insbesondere für den kombinierten Verkehr und den Hochgeschwindigkeits-Reiseverkehr bestimmt ist4.

Da die Schweiz und die umliegenden EU-Länder ähnliche Ziele verfolgen, beabsichtigen sie, die Planung und Realisierung der vorgesehenen Verkehrsinfrastrukturen zu koordinieren5. Eine effiziente Verbesserung der alpenquerenden Schienenverbindungen zwischen den Schweizer Städten und den grossen Agglomerationen Europas ist nur durch die Integrierung der schweizerischen Vorhaben in die Vorhaben der EU möglich.

Der Grundsatz einer koordinierten Verkehrspolitik ist im Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Strasse (Landverkehrsabkommen)6 verankert; nach diesem Abkommen gehören die schweizerischen Eisenbahn-Alpentransversalen sowie die entsprechenden Zulaufstrecken eindeutig zum transeuropäischen Verkehrsnetz7.

Die Koordination von Planung und Bau der internationalen Zulaufstrecken sind Gegenstand von bilateralen Vereinbarungen, welche der Bund im Laufe der letzten Jahre mit Deutschland, Frankreich und Italien ausgearbeitet hat. Die Vereinbarung mit Deutschland über die nördlichen Zulaufstrecken der NEAT ist 1998 in Kraft

1

2 3

4

5

6 7

Diese Grundsätze ergeben sich aus Artikel 84 (alpenquerender Transitverkehr) und Artikel 73 (Nachhaltigkeit) der Bundesverfassung.

Die grossen Eisenbahnprojekte sind in Artikel 196, Absatz 3 (Ziffer 1 der Bundesverfassung aufgezählt.

Betreffend der Benützung des Wortes EU, siehe die erste Fussnote der Botschaft zur Genehmigung der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EG, BBl 1999 6128.

Beschluss 1692/96/EG des europäischen Parlamentes und des Rates vom 23. Juli 1996 über gemeinschaftliche Leitlinien für den Ausbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes.

Vgl. das Kapitel «Ziele» im allgemeinen Teil der Botschaft zur FinöV-Vorlage (96.059), BBl 1996 IV 638.

BBl 1999 6971 Artikel 33 und 34 des Landverkehrsabkommens.

5860

getreten8. Die Vereinbarung mit Frankreich wurde am 5. November 1999 in Genf unterzeichnet.

Anlässlich eines Treffens in Genua im Jahre 1996 brachten der italienische und der schweizerische Verkehrsminister ihre Absicht zum Ausdruck, die Planung der Eisenbahn-Infrastrukturvorhaben zu koordinieren. Zuvor hatten die wichtigsten Eisenbahnunternehmungen Gespräche geführt mit dem Ziel, die Zusammenarbeit im Bereich der Infrastruktur zu verstärken9. Mit der Unterzeichnung der vorliegenden Vereinbarung am 2. November 1999 in Basel hat die zuständige Arbeitsgruppe ihr Mandat erfüllt.

1.1.2

Rechtliche Situation

Artikel 6 und Anhang 4 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Güterverkehr auf Strasse und Schiene (Transitabkommen)10 beschreiben die Massnahmen im Bereich Infrastruktur und Planung, welche innerhalb der Gemeinschaft und insbesondere in Deutschland und Italien zu treffen sind. Diese Bestimmungen sind eine Ergänzung zu Artikel 5 und Beilage 2 dieses Abkommens, wonach sich die Schweiz verpflichtet, eine Reihe von Infrastrukturmassnahmen einzuführen, zu denen die neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) gehört. Diese Verpflichtungen werden in Artikel 34 des Abkommens zwischen der Schweiz und der EU über den Landverkehr bestätigt.

Die kurzfristigen Massnahmen (Korridor für den Huckepackverkehr) sind in der Vereinbarung zwischen dem Bundesminister für Verkehr der Bundesrepublik, dem Vorsteher des Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartements der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Verkehrsminister der Italienischen Republik über die Verbesserung des kombinierten alpenquerenden Güterverkehrs Schiene/Strasse durch die Schweiz (trilaterales Abkommen)11 präzisiert.

1.2

Kontext

1.2.1

Koordination der Infrastrukturpolitik mit Italien

Die bilaterale Vereinbarung zwischen dem Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation und dem Ministerium für Verkehr und Schifffahrt der Republik Italien über die Sicherung der Leistungsfähigkeit der Hauptstrecken zwischen den neuen schweizerischen Alpentransversalen (NEAT) und dem italienischen Hochleistungsnetz (HLN) definiert die Modalitäten einer koordinierten Infrastrukturpolitik zwischen den beiden Ländern.

Durch die verstärkte Koordination im Bereich Infrastruktur auf den südlichen Zulaufstrecken der NEAT entspricht die Vereinbarung dem Ziel, die schweizeri8 9

10 11

Die Vereinbarung mit der Bundesrepublik Deutschland ist am 2. Juni 1998 in Kraft g etreten. (Botschaft in BBl, 1996 III 404; SR 0.742.140.313.69 ; AS 2000 1831).

Die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) und die Ferrovie dello Stato (FS) haben am 13. September 1995 eine Absichtserklärung über die Planung der Massnahmen bezüglich der Verbindungsstrecken zwischen den beiden Eisenbahnnetzen verabschiedet.

Transitabkommen vom 2. Mai 1992 (SR 0.740.71).

Trilaterales Abkommen vom 3. Dezember 1991 (SR 0.740.79).

5861

schen Eisenbahnvorhaben in das Entwicklungsprogramm des Transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN) zu integrieren. Sie trägt damit zur Verlagerung des Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene auf europäischer Ebene bei. Sie setzt die koordinierte Verkehrspolitik fort, wie sie im Landverkehrsabkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft definiert wurde12.

Die Vereinbarung bezweckt ebenfalls, günstige Rahmenbedingungen für einen leistungsfähigen Eisenbahnverkehr zu schaffen, ausreichende Kapazitäten für den Transitverkehr zu gewährleisten sowie die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen, die es den Eisenbahnunternehmungen ermöglichen sollen, im internationalen transalpinen Reise- und Güterverkehr attraktive und wettbewerbsfähige Leistungen anzubieten und die Harmonisierung der Taktfahrpläne im Interesse einer Entlastung der Strasse zu gewährleisten.

Die Vereinbarung steckt den Aktions- und Kompetenzrahmen in Bezug auf die modulartig konzipierten Massnahmen im Bereich Eisenbahn-Infrastruktur, rationeller Streckenbetrieb und Interoperabilität des Rollmaterials ab.

Die Basistunnel am Lötschberg, am Gotthard, am Monte Ceneri und am Zimmerberg/Hirzel werden die Kapazität des Schienenverkehrs durch die Alpen erhöhen.

Der Ausbau der südlichen Zulaufstrecken und deren optimale Integrierung in das italienische Schienennetz sind jedoch unerlässliche Voraussetzungen, um die nötigen Rahmenbedingungen für eine Verlagerung des transalpinen Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene und die Umsetzung des Verfassungsartikels über den Schutz der Alpen13 zu schaffen.

1.2.2

Geplante italienische Anschlussstrecken im Kontext des Transeuropäischen Netzes der Europäischen Union

Zu den prioritären Vorhaben im Rahmen des Transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN) gehören: ­

Hochgeschwindigkeitsstrecke/kombinierter Verkehr Nord­Süd auf der Brennerachse zwischen Verona und München;

­

Hochgeschwindigkeitsstrecke/kombinierter Verkehr Frankreich­Italien: Lyon­Turin;

­

Flughafen Malpensa (Mailand).

Die ersten beiden Vorhaben befinden sich noch in der Phase der Machbarkeitsstudien und der Prüfung der Finanzierungsmöglichkeiten; der Flughafen Malpensa (1. Ausbauetappe) hingegen befindet sich seit Oktober 1998 bereits in Betrieb.

Ergänzt wird das TEN-Netz durch weitere Schlüsselverbindungen, d.h. Streckenabschnitte, welche für den Zusammenhang und die Kontinuität des Netzes wesentlich sind und deshalb prioritäre Behandlung verdienen. Die Achse Mailand­Basel (über den Gotthard und den Lötschberg) stellt eine dieser Schlüsselverbindungen dar.

12 13

Insbesondere Artikel 30­36 des Landverkehrsabkommens Art. 84 der Bundesverfassung

5862

1.3

Verhandlungen und Studien im Zusammenhang mit der Vereinbarung

1.3.1

Zusammensetzung und Mandat der Arbeitsgruppe

Am 22. November 1996 setzten der damalige italienische Minister für Verkehr und Schifffahrt, Claudio Burlando, und der Vorsteher des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation, Bundesrat Moritz Leuenberger, eine italienisch-schweizerische Arbeitsgruppe ein. Sie hatte den Auftrag: ­

zu prüfen, welche Massnahmen erforderlich sind, um kurz-, mittel- und langfristig die Kapazität der südlichen Zulaufstrecken zur NEAT und deren Anschluss an das italienische Hochleistungsnetz zu gewährleisten;

­

eine entsprechende bilaterale Vereinbarung vorzubereiten.

Neben den Vertretern des italienischen Ministeriums für Verkehr und Schifffahrt und des Bundesamtes für Verkehr gehörten der Arbeitsgruppe auch Vertreter der Ferrovie dello Stato S.p.A., der Schweizerischen Bundesbahnen AG sowie der BLS Lötschbergbahn AG an.

Die bilaterale Arbeitsgruppe hat einen Entwurf zu einer bilateralen Vereinbarung vorbereitet, die sich im Ansatz und Aufbau an die schweizerisch-deutsche Vereinbarung anlehnt, die zwischen dem Vorsteher des Eidgenössischen Verkehrsund Energiewirtschaftsdepartementes und dem Verkehrsminister der Bundesrepublik Deutschland über die Sicherung der Kapazität der nördlichen Zulaufstrecken zur neuen schweizerischen Eisenbahn-Alpentransversale abgeschlossen wurde.

1.3.2

Untersuchung über den Ausbau der Infrastruktur

Eine Ad-hoc-Unterarbeitsgruppe bestehend aus italienischen und schweizerischen Experten wurde gebildet, um die Planung zwischen den beiden Ländern in ihren wesentlichen Aspekten zu koordinieren. Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe stellte eine Schätzung hinsichtlich der künftig nötigen Eisenbahninfrastruktur-Kapazitäten an. Diese müssen mittel- und langfristig den Fluss des Alpentransitverkehrs gewährleisten können. In einer ersten Phase berechnete die Ad-hoc-Arbeitsgruppe auf Grund der Verkehrsprognosen die Anzahl Züge, die in Zukunft verkehren werden. Diese Prognosen stützen sich auf Annahmen bezüglich der zukünftigen Verkehrs- und Infrastrukturpolitik14.

In einer zweiten Phase berechnete die Ad-hoc-Arbeitsgruppe die Kapazität der betroffenen Strecken.

In der nächsten Phase wurde ein Vergleich zwischen der vorhandenen Kapazität und der vorausgesagten Anzahl Züge angestellt; so konnten jene Stellen aufgezeigt werden, wo es bei unveränderter Verkehrsinfrastruktur möglicherweise zu Kapazitäts14

Hinsichtlich des Reise- und Güterverkehrs stützt sich dieses Dokument auf die «Studie über die Entwicklung des transalpinen Verkehrs (Güter und Reisende) ­ Horizont 2010» aus dem Jahre 1998 ab, die von den Forschungsinstituten Prognos AG, Regional Consulting (HERRY) und ISIS im Auftrag der Europäischen Kommission (Generaldirektion Verkehr GD VII) erarbeitet wurde. Die Verkehrsbedarfszahlen wurden für das Jahr 2015 unter Berücksichtigung der folgenden jährlichen Wachstumsraten extrapoliert: ­ Personenverkehr: 1% jährlich ­ Güterverkehr: 2% jährlich

5863

engpässen kommen wird. Anschliessend wurde die Anzahl Züge berechnet, welche in Zukunft auf der Grundlage einer verbesserten Verkehrsinfrastruktur verkehren wird15.

Schliesslich legte die Ad-hoc-Arbeitsgruppe einen Katalog von Massnahmen im Infrastrukturbereich vor, die nötig sein werden, um das gemäss den Prognosen zu erwartende Verkehrsaufkommen zu bewältigen. Da die Kapazitätsgrenze einer Strecke keine fixe Grösse darstellt, ging man davon aus, dass diese Grenze dann erreicht ist, wenn die Anzahl Züge pro Tag die bestätigte maximale Kapazität dieser Strecke um mehr als 10% übersteigt.

1.3.3

Gemeinsame Untersuchungen im Bereich kombinierter Verkehr

In der technischen Untergruppe «Huckepack-Korridor» waren Experten aus den Verkehrsministerien und den Eisenbahnunternehmungen der beiden Länder vertreten. Diese Untergruppe befasste sich mit Fragen in Bezug auf die kurz- und langfristigen Möglichkeiten der Schaffung einer rollenden Autobahn Deutschland­ Simplon­Italien (begleiteter kombinierter Verkehr). Sie erarbeitete die wesentlichen Eckdaten des Infrastrukturpotenzials, das für den nichtbegleiteten kombinierten Verkehr und die transalpine rollende Autobahn in Richtung Norditalien verfügbar ist.

1.4

Einbezug der Kantone

Für die an Italien angrenzenden und entlang der grossen transalpinen Eisenbahnachsen gelegenen Kantone kommt der vorliegenden bilateralen Vereinbarung grosse Bedeutung zu. Während der Gespräche mit Italien wurden die Vertreter der Kantone Wallis und Tessin regelmässig über den Gesprächsverlauf orientiert, und sie konnten im Rahmen einer Kontaktgruppe mit dem Bundesamt für Verkehr darüber diskutieren.

Die beiden angehörten Kantone unterstützen den Vereinbarungsentwurf.

2

Besonderer Teil

2.1

Inhalt der Vereinbarung

Die bilaterale Vereinbarung zwischen Italien und der Schweiz umfasst neben der Präambel zehn Artikel und drei Beilagen, welche einen integrierenden Bestandteil der Vereinbarung bilden.

15

Bau der NEAT-Strecken und der entsprechenden Zulaufstrecken

5864

2.2

Präambel

Die Präambel definiert ein Programm von Zielsetzungen im Hinblick auf eine optimale Bewirtschaftung der schweizerischen und italienischen Eisenbahninfrastruktur, um günstige Grundlagen für eine Verlagerung des Transitverkehrs durch die Alpen von der Strasse auf die Schiene zu schaffen.

Es wird darin ebenfalls grosses Gewicht auf die Zusammenarbeit zwischen den Eisenbahnunternehmungen gelegt, welche aufgefordert werden, einen attraktiveren und wettbewerbsfähigeren Güterverkehr sowie einen schnelleren, aufeinander abgestimmten und im Takt verkehrenden Personen-Fernverkehr anzubieten.

Weitere, von den Vertragsparteien bei der Erarbeitung der Vereinbarung berücksichtigte Elemente sind der Umweltschutz sowie der Anschluss der wirtschaftlich bedeutenden Regionen.

2.3

Zweck der Vereinbarung

Die bilaterale Vereinbarung bildet die erforderliche Grundlage für die kurz-, mittelund langfristige Koordinierung sowie für die Planung und den Bau einer leistungsfähigen Schienen-Infrastruktur, die es ermöglichen soll, die nötigen Kapazitäten zu gewährleisten und die Qualität des Güter- und Personenverkehrs auf der Schiene zwischen der Schweiz und Italien zu verbessern.

Sie bezweckt die Vermeidung von Engpässen auf dem Schienennetz der beiden Länder und von Kapazitätslücken in den Güterumschlagszentren. In qualitativer Hinsicht soll mit dieser Vereinbarung einerseits eine Verbindung zwischen der NEAT und dem transeuropäischen Schienennetz südlich der Alpen hergestellt und andererseits der Anschluss an die übrigen Infrastrukturanlagen des transeuropäischen Verkehrsnetzes gewährleistet werden, so z.B. an den Flughafen Malpensa, an die Terminals für den kombinierten Verkehr und ­ indirekt ­ an den Hafen von Genua. Damit sollen die Reisezeiten zwischen den grossen Wirtschaftszentren verkürzt werden.

Gemäss Artikel 1 sollen diese Zielsetzungen mit Massnahmen im Bereich der Bahninfrastruktur, der rationellen Streckenbewirtschaftung und der Interoperabilität des Rollmaterials erreicht werden.

2.4

Betroffene Regionen

Artikel 2 ­ ergänzt durch Beilage 1 ­ gibt die italienischen und schweizerischen Regionen an, die von im Rahmen dieser Vereinbarung berücksichtigten Bahnverbindungen bedient werden.

2.5

Von den Vertragsparteien geplante Leistungskenngrössen

Artikel 3 und Beilage 2 beschreiben die Leistungsmerkmale, welche die Vertragsparteien im Bereich Infrastruktur (technische Normen), Terminals (Ausbaunormen)

5865

und Qualitätsparameter (Reisezeiten) planen. Im Rahmen eines schrittweisen und koordinierten Ausbaus der Kapazitäten ist der grenzüberschreitende interregionale öffentliche Verkehr zu berücksichtigen.

2.6

Massnahmen

Wie bereits erwähnt, bezweckt die Vereinbarung in erster Linie, die Modalitäten einer koordinierten Infrastrukturpolitik zwischen der Schweiz und Italien zu definieren, und nicht eine detaillierte Festlegung der Massnahmen, die in beiden Ländern zur Verbesserung des Schienennetzes oder des Rollmaterials erforderlich sind.

Dennoch dient diese Vereinbarung den beiden Ländern als Leitlinie, was die eigentlichen Massnahmen anbelangt.

2.6.1

Ausbau der bestehenden Achsen und Neubaustrecken

Diese Massnahmen sind in Artikel 4 der Vereinbarung aufgezählt. Es handelt sich einerseits um kurzfristige Massnahmen, deren Realisierung innerhalb von vier bis sechs Jahren, d.h. vor der Eröffnung eines NEAT-Basistunnels, geplant ist, und um mittel- und langfristige Massnahmen, die je nach Bedarf nach der Eröffnung der NEAT-Basistunnels umzusetzen sind.

Kurzfristig wird in den kommenden Jahren der bereits im Transitabkommen von 199216 vereinbarte Ausbau der Simplonachse in Italien abgeschlossen. Es geht dabei insbesondere um die Vergrösserung des Lichtraumprofils für den Transport von Lastwagen mit einer Eckhöhe von 4 m und die Elektrifizierung der Strecke Domodossola­Borgomanero­Novara. Diese Arbeiten sind auf der schweizerischen Seite bereits abgeschlossen, auf der italienischen Seite steht ihr Abschluss in nächster Zukunft bevor.

Des Weiteren geht es bei den genannten kurzfristigen, punktuellen Massnahmen um die Erhöhung des Lichtraumprofils auf der Simplonachse (Abschnitt Arona­Premosello) zum Transport von High-cube-Containern. Auf der Gotthardachse wird kurzfristig das Lichtraumprofil der Luinolinie (Abschnitt Luino­Sesto Calende) zum Transport von High-cube-Containern erhöht. Ausserdem wird bei Sesto Calende die Luinolinie mit der Simplonachse verknüpft.

Bezüglich der mittel- und langfristigen Verbesserung des grenzüberschreitenden Streckennetzes sind zurzeit mehrere Studien im Gange. Zu erwähnen ist unter anderem die Studie, welche der Kanton Tessin, die Region Lombardei und die Eisenbahnunternehmungen über eine mögliche Sanierung der Strecke Mendrisio­ Varese durchführen. In Artikel 4 der Vereinbarung werden die drei Hauptziele der Ausbauten genannt. Es geht erstens darum, den Anschluss des Flughafens Malpensa an die Gotthard- und die Simplonachse zu verbessern. Zweitens sollen die Kapazitäten des Streckennetzes soweit ausgebaut werden, dass der prognostizierte Verkehr bewältigt werden kann und eine schrittweise Verkürzung der Reisezeit möglich wird. Angestrebt wird eine Reisezeit von gegen zwei Stunden zwischen Bern/Lau16

Vgl. Botschaft zum Transitabkommen und zur trilateralen Vereinbarung, BBl 1992 III 1057.

5866

sanne/Zürich und Mailand, wobei das Hauptaugenmerk auf optimale Anschlüsse in den Knotenbahnhöfen gelegt werden soll. Und schliesslich soll eine Neubaustrecke die Anbindung der NEAT an das italienische Hochleistungsnetz sicherstellen.

In der Schweiz wird dieser Ausbau durch den Fonds für die Finanzierung des öffentlichen Verkehrs (FinöV) ermöglicht. Das Schweizer Stimmvolk hat am 29. November 1998 mit 63,5 Prozent dem Bundesbeschluss über Bau und Finanzierung von Infrastrukturvorhaben des öffentlichen Verkehrs und damit der Modernisierung des Schweizer Eisenbahnnetzes zugestimmt. Im Zusammenhang mit dem Nord­Südverkehr sind insbesondere der Bau der Basistunnels am Monte Ceneri, Gotthard, Lötschberg und Zimmerberg/Hirzel sowie weitere punktuelle Massnahmen (NEAT und BAHN 2000) zu erwähnen. Da diese Massnahmen bereits beschlossen sind und sich teilweise schon in der Bauphase befinden, wurden sie nicht in die Vereinbarung aufgenommen.

In Italien sollen Massnahmen ergriffen werden, um die Streckenabschnitte der Gotthardachse (Monza­Mailand) und der Simplonachse (Gallarate­Rho­Mailand) zu entlasten. Die konkreten Massnahmen sind noch nicht definiert. Es wird eine optimale Kombination der Infrastrukturausbauten und der technischen Verbesserungen angestrebt. Gleichzeitig soll der Ausbau der Hauptverbindungen des norditalienischen Eisenbahnnetzes zum Transport von Güterzügen gemäss der AGTC17 vorangetrieben werden. Schliesslich soll als Verbindung zwischen der NEAT und dem italienischen Hochleistungsnetz eine Neubaustrecke erstellt werden. Die Streckenführung wurde noch nicht genauer definiert. Sie soll jedoch ausgehend vom CeneriBasistunnel entweder über Chiasso­Como oder über Varese nach Süden führen und westlich von Rho in die geplante Hochgeschwindigkeitslinie Turin­Mailand einmünden.

2.6.2

Terminals

Gemäss dem Alpenschutzartikel18 hat sich die Schweiz dazu verpflichtet, künftig den alpenquerenden Schwerverkehr zu einem grossen Teil von der Strasse auf die Schiene zu verlagern. Zur Erreichung der angestrebten Verlagerung sind hinreichende Terminalkapazitäten in Italien erforderlich.

Grundsätzlich ist die Planung der Terminals eine Angelegenheit der jeweiligen Staaten. Erste Aufgabe der Schweiz und Italiens ist es, die Rahmenbedingungen für die Erstellung und den Ausbau von Umschlaganlagen festzulegen. Dazu gehört nicht unbedingt die Festlegung von Standorten. Diese sollen entsprechend dem Verkehrsaufkommen und gemäss den Bedürfnissen des Transportgewerbes bestimmt werden.

Die Schweiz befürwortet grundsätzlich den Bau von Terminals durch private Investoren.

Kurzfristig wird mit der Eröffnung des Huckepackkorridors über den Simplon der Terminal von Novara für die Rollende Autobahn in Betrieb genommen. Artikel 4 der Vereinbarung sieht vor, dass schrittweise mit der Entwicklung der Nachfrage im 17

18

Europäisches Abkommen über die grossen internationalen Strecken im kombinierten Verkehr und deren Nebenanlagen (AGTC), unterzeichnet am 1. Februar 1991 in Genf (92.048). Für die Schweiz trat dieses Abkommen am 20. Oktober 1993 in Kraft (AS 1993 2838).

Artikel 84 und 196 Ziffer 1 der Bundesverfassung.

5867

grenzüberschreitenden Güterverkehr der Ausbau der Terminals und die Erstellung von neuen Terminalanlagen südlich der Alpen und insbesondere in Norditalien erfolgen.

2.7

Mitarbeit der Eisenbahnunternehmungen

Die vorliegende Vereinbarung stellt lediglich eine Vereinbarung über die Planung im Bereich des Schienenverkehrs zwischen zwei Staaten dar. Wie aus Artikel 5 hervorgeht, ist es an den Eisenbahngesellschaften, insbesondere an den SBB, den FS und der BLS, die im vorliegenden internationalen Dokument geplanten technischen Massnahmen ­ mit Hilfe der Regierungen ­ umzusetzen.

2.8

Finanzierung

Hinsichtlich der Finanzierung haben sich die Vertragsparteien auf den Grundsatz der Territorialität geeinigt. Die Partnerschaft öffentliche Hand/Privatwirtschaft wird nicht ausgeschlossen (Art. 6). Die in der Vereinbarung für die Schweiz erwähnten mittel- und langfristigen Massnahmen können eventuell im Rahmen der zweiten Etappe von BAHN 2000 realisiert und finanziert werden19. Damit ist ein Ausbau der südlichen Zufahrtsstrecke zur NEAT dem allfälligen Ausbau der nördlichen Zufahrt mit einem neuen Juradurchstich, welcher auch aus Mitteln der zweiten Etappe Bahn 2000 finanziert würde, gleichgestellt. Alternativen resp. Ergänzungen dazu wären eine Mitfinanzierung im Rahmen des neuen Gesamtkredits für die Realisierung der NEAT («Objektkredit für Streckenausbauten auf dem übrigen Netz») für lokale Investitionen auf dem bestehenden Netz, oder einer künftigen Leistungsvereinbarung resp. einem Finanzierungsbeschluss mit Kostenplafond zwischen dem Bund und den Infrastruktur-Erstellern, wobei das normale parlamentarische Beschlussverfahren angewandt würde20. Voraussetzung für die Realisierung ist in jedem Fall die Ausweisung des Bedarfs.

2.9

Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien

Die Harmonisierung der technischen Parameter im internationalen Schienenverkehr, die Koordination und der Betrieb der Linien, der Zugang zum Schienenverkehrsmarkt, der Ausbau des kombinierten Verkehrs oder die Massnahmen zur Erleichterung des Grenzüberganges im internationalen Schienenverkehr sind Bereiche, in denen sich die Vertragsparteien zur Zusammenarbeit verpflichten (Art. 7 und Beilage 4).

19 20

Ziffer 232.42 der Botschaft vom 26. Juni 1996 über die Realisierung und Finanzierung der Infrastruktur des öffentlichen Verkehrs, BBl 1996 IV 638.

Vgl. dazu Artikel 8bis und Artikel 9 des Alpentransit-Beschlusses (SR 741.104).

5868

2.10

Simplonkonzession

Artikel 8 konstituiert ein pactum de negociando betreffend die zukünftige rechtliche Regelung der «Simplonkonzession», die Ende Mai 2005 ausläuft. Es können diesbezügliche Verhandlungen frühestens ab dem 1. Juni 2000 aufgenommen werden, damit die derzeitige Simplon-Regelung fristgerecht ersetzt werden kann. Exploratische Gespräche hierzu sind in Planung begriffen.

2.11

Vorgehen zur Konkretisierung der in der bilateralen Vereinbarung aufgeführten Massnahmen

Gemäss Artikel 9 wird ein Lenkungsausschuss eingesetzt, der sich mit Fragen des Vollzugs der Vereinbarung zu befassen hat. Im Grundsatz entspricht dieses Gremium dem Lenkungsausschuss in der zwischen Deutschland und der Schweiz getroffenen Vereinbarung über die nördlichen Zulaufstrecken sowie dem «Comité de pilotage» (Lenkungsausschuss) in der französisch-schweizerischen Vereinbarung über den Anschluss der Westschweiz an das französische Hochgeschwindigkeitsnetz.

Dieser Ausschuss soll ein Programm erarbeiten, das den Vollzug sowie die Finanzierungsmodalitäten der in der Vereinbarung enthaltenen Massnahmen regelt. Diese Form der Organisation ermöglicht eine rollende Planung.

Der Lenkungsausschuss setzt sich aus Vertretern der beiden Verkehrsministerien zusammen. Bei Bedarf können Vertreter der Eisenbahngesellschaften beigezogen werden. Es ist vorgesehen, dass jeder der beiden Staaten eine Arbeitsgruppe bestellt, die den Kontakt mit den betroffenen Regionen gewährleistet.

Der Lenkungsausschuss ist beauftragt, ab 2005 alle fünf Jahre die Beilagen zur Vereinbarung zu analysieren und den Verkehrsministerien allfällige Änderungsvorschläge zu unterbreiten. Die Verkehrsministerien sind befugt, die Änderungen der Beilagen zu genehmigen, sodass diese Anpassungen nicht mehr dem Genehmigungs- und Ratifizierungsverfahren der nationalen Parlamente unterliegen.

Die Kantone werden regelmässig und umfassend über die Tätigkeiten des Lenkungsausschusses informiert. Insbesondere werden sie über die Abhaltung und die Traktandenliste der Sitzungen des Lenkungsausschusses orientiert.

2.12

Geltungsdauer der Vereinbarung

Artikel 10 legt die Modalitäten der Inkraftsetzung fest und bestimmt, dass die Vereinbarung ohne Kündigungsmöglichkeit bis Ende 2020 gültig ist. Nach diesem Zeitpunkt wird die Vereinbarung stillschweigend verlängert und kann vor Ablauf eines Kalenderjahres gekündigt werden.

5869

3

Auswirkungen

3.1

Auf den Bund

3.1.1

Finanzielle Auswirkungen

3.1.1.1

Allgemeines

Die Vereinbarung an sich hat kaum direkte Auswirkungen auf die Bundesfinanzen.

Sie bildet vor allem eine solide Grundlage für die koordinierte Planung der Eisenbahninfrastrukturen.

Grundsätzlich gilt für die vereinbarten Massnahmen das Territorialitätsprinzip. Die Schweiz muss nur auf ihrem Hoheitsgebiet Massnahmen finanzieren.

3.1.1.2

Anschluss der NEAT an das italienische Hochleistungsnetz

Der Anschluss der NEAT an das italienische Hochleistungsnetz und damit deren Verlängerung bis nach Mailand liegt im Interesse der Schweiz. Dessen Realisierung ist in der derzeitigen Planung nicht ausdrücklich spezifiziert, da sie ebenfalls vom Zeitplan der Realisierung der Hochleistungsstrecke Turin­Mailand abhängt. Diese Infrastruktur könnte jedoch aus Kapazitäts- oder Qualitätsgründen erforderlich sein.

Die Realisierung des entsprechenden Streckenabschnittes auf schweizerischem Gebiet könnte in diesem Fall im Rahmen der in Ziffer 2.8 genannten Finanzierungsgefässen realisiert werden.

3.1.1.3

Punktuelle Massnahmen auf dem schweizerischen Schienennetz

Für die punktuelle Beseitigung von möglichen künftigen Engpässen auf dem schweizerischen Schienennetz oder für die zusätzlichen Vorsignale für die höheren Geschwindigkeiten der Neigezüge können Mittel aus den Krediten für die zweite Etappe von BAHN 2000 oder die NEAT herangezogen werden; im Falle von kleineren Vorhaben besteht auch die Möglichkeit, diese im Rahmen von künftigen Leistungsvereinbarungen mit Ausgabenplafond zwischen dem Bund und den Eisenbahnunternehmungen zu regeln.

3.1.1.4

Huckepack-Terminals

Der Bund sieht vor, den Bau von Terminals zu fördern. Das Parlament hat diesen Grundsatz im Rahmen eines Pakets von flankierenden Massnahmen zum bilateralen Landverkehrsabkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union gutgeheissen, indem es insbesondere die für die mehrjährigen Programme vorgesehenen Kredite aufgestockt hat. Der finanzielle Beitrag der Schweiz wird ausschliesslich für Umschlaganlagen eingesetzt, welche klar definierte Kriterien hinsichtlich ihrer Zugänglichkeit, Effizienz und ihres Nutzens für die Schweiz zu erfüllen haben.

Aus diesem Grunde schliesst die Schweiz einen Beitrag zur Sanierung bestehender Huckepack-Terminals oder zum Bau neuer Terminals in Italien nicht aus.

5870

3.1.1.5

Volkswirtschaftliche Auswirkungen

Die Anschlussverbesserungen ans italienische Netz in Form von Infrastruktur- und Betriebsmassnahmen haben unzweifelhaft markante Vorteile volkswirtschaftlicher Natur (Geschäftsverkehr, Tourismus). Mit den Angebotsverbesserungen werden höhere Passagierfrequenzen erreicht, welche teilweise aus neu induziertem Verkehr, teilweise aus Verlagerungen aus den anderen Verkehrsträgern (Strasse, Flugverkehr) stammen. Genaue Zahlen können noch nicht angegeben werden, da auch noch kein konkretes Bauprogramm beschlossen ist.

3.1.2

Personelle Auswirkungen

Die Vereinbarung hat keine Auswirkungen auf den Personalbestand. Das Bundesamt für Verkehr verfügt über die nötigen Ressourcen zur Umsetzung der Vereinbarung im Rahmen des Lenkungsausschusses und zur Konkretisierung der Massnahmen.

3.1.3

Weiteres Vorgehen

Nach der Ratifizierung der Vereinbarung durch die Räte wird der Lenkungsausschuss seine Arbeit aufnehmen; dabei geht es um die Umsetzung der in der Vereinbarung enthaltenen Bestimmungen. Die beiden Vertragsparteien haben insbesondere darauf zu achten, dass gemäss Artikel 8 der bilateralen Vereinbarung ab dem 1. Juni 2000 Verhandlungen bzw. erste Gespräche über die Zukunft der Simplonkonzession beginnen können.

3.2

Auf kantonaler Ebene

3.2.1

Finanzielle Auswirkungen

Da sich die Kantone an der Finanzierung der südlichen NEAT-Anschlussbauten nicht beteiligen müssen, kommen keine zusätzlichen finanziellen Aufwendungen auf sie zu.

3.2.2

Weiteres Vorgehen

Die betroffenen Kantone werden im Rahmen der normalen Verfahren ordnungsgemäss angehört. Die vom Bundesamt für Verkehr eingesetzte Kontaktgruppe wird die betroffenen Kantone regelmässig über den Verlauf der Arbeiten innerhalb des in Artikel 9 der Vereinbarung erwähnten Lenkungsausschusses informieren.

Wie im Falle der Verlängerung der Gotthardachse von Lugano nach Mailand kann der Lenkungsausschuss eine Begleitgruppe für ein oder mehrere Projekte einsetzen, die sich auch aus Vertretern der betroffenen schweizerischen Kantone und der italienischen Regionen zusammensetzt.

5871

3.3

Raumplanung und Umwelt

Bezüglich der Auswirkungen und der Verbindlichkeit für die nach- und nebengeordnete Planung verweisen wir auf die Aussagen im Sachplan AlpTransit vom 15. März 1999. Es entstehen durch die bilaterale Vereinbarung keine neuen Anforderungen für die Raumplanung, und die Vorgaben für die kantonale Richtplanung ändern sich nicht. Von erheblicher Bedeutung wird die Wahl des Korridors für die Streckenführung der Neubaustrecke zur Anbindung der NEAT an das italienische Hochleistungsnetz zwischen Lugano und Mailand sein. Dieser Entscheid wird zu einem späteren Zeitpunkt gefällt werden.

Die Auswirkungen auf die Umwelt sind grundsätzlich im Bericht über das Konzept BAHN 2000 und in der NEAT-Botschaft dargestellt. Diese Ausführungen sind nach wie vor gültig. Die grössten positiven Auswirkungen basieren auf der Verkehrsverlagerung von der Strasse bzw. dem Flugzeug auf die Schiene infolge der Attraktivitätssteigerung der Eisenbahn. Demgegenüber steht mit dem Bau von Neubaustrecken sowie dem entstehenden Mehrverkehr eine Beeinträchtigung von Landschaft, Natur und Umwelt.

Es ist unbestritten, dass bei Neu- und Ausbauprojekten sowohl während der Bau- als auch während der Betriebsphase für Anwohner Nachteile auftreten können. Durch die Einhaltung der Umweltnormen bei der Planung, der Realisierung und dem Betrieb bleibt jedoch der ökologische Vorteil der Eisenbahn gesichert. Die umweltrelevanten Fragen der in der bilateralen Vereinbarung festgehaltenen Planungsabsichten werden im Rahmen der projektbezogenen Planungsarbeit behandelt. Ein besonderes Augenmerk wird beispielsweise im Rahmen der Studien zur Neubaustrecke Lugano­Mailand auf die Umweltverträglichkeit und insbesondere auf die Problematik der Querung bzw. Umfahrung des Luganersees gelegt.

4

Legislaturplanung

Mit der vorliegenden Vereinbarung erhält die NEAT eine Anbindung an das transeuropäische Eisenbahnnetz und insbesondere an das Hochleistungsnetz; sie trägt damit zur Konkretisierung des Verfassungsartikels über den Alpenschutz bei und entspricht demnach dem Ziel Nr. 7 (R 15) des Bundesrates für die Legislatur 1999­ 2003.

5

Übereinstimmung mit dem europäischen Recht

Die Vereinbarung ist kompatibel mit dem europäischen Recht. Artikel 7 Ziffer 1 Absatz c bezieht sich auf die Netzzugangsbestimmungen, die im Artikel 24 und Beilage 1 Absatz 4 des Landverkehrsabkommens Schweiz-EU definiert sind. Die oben stehende Ziffer 1.1.2 hat bereits auf die Übereinstimmung mit anderen Instrumenten des internationalen Rechts hingewiesen.

5872

6

Rechtsgrundlagen

Die Kompetenz des Bundes zum Abschluss der bilateralen Vereinbarung zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Italien über die Gewährleistung der Kapazität der wichtigsten Strecken, welche die neuen schweizerischen Eisenbahn-Alpentransversalen (NEAT) an das italienische Hochleistungsnetz (HLN) anbinden, ergibt sich aus Artikel 54 der Bundesverfassung. Gestützt auf Artikel 166 Absatz 2 der Bundesverfassung unterliegt die Vereinbarung der Genehmigung durch die eidgenössischen Räte.

Gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d der Bundesverfassung unterstehen die völkerrechtlichen Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unbefristet und unkündbar sind, ob sie nun den Beitritt zu einer internationalen Organisation beinhalten oder eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung zur Folge haben. Wie in Artikel 10 angegeben gilt die Vereinbarung nur bis 2020. Ausserdem hat sie keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation zur Folge.

Die Vereinbarung bezweckt keine multilaterale Rechtsvereinheitlichung, sondern die Regelung der Planungsziele mit der Republik Italien, um die nötigen Kapazitäten im internationalen Personen- und Güterverkehr auf der Schiene zwischen der Schweiz und Italien zu gewährleisten. Der entsprechende Bundesbeschluss untersteht demnach nicht dem fakultativen Referendum.

11136

5873

Südliche Zulaufstrecken zur NEAT Übersicht über das Streckennetz und die in Erwägung gezogenen Massnahmen

5874