Bundesgesetz über das Reisendengewerbe

Entwurf

vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf die Artikel 95 und 97 der Bundesverfassung sowie auf Ziffer II Absatz 2 Buchstabe a des Bundesbeschlusses vom 18. Dezember 19981 über eine neue Bundesverfassung, nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 28. Juni 2000 2, beschliesst:

1. Abschnitt: Gegenstand Art. 1 1 Dieses Gesetz regelt das Gewerbe von Reisenden, die Konsumentinnen oder Konsumenten Waren oder Dienstleistungen anbieten.

2

Das Gesetz: a.

gewährleistet, dass die Reisenden ihr Gewerbe im ganzen Gebiet der Schweiz ausüben können;

b.

legt zum Schutze des Publikums die Mindestanforderungen für die Ausübung des Reisendengewerbes fest.

3 Sammlungen

mit gemeinnützigem oder wohltätigem Zweck und freiwillige öffentliche Versteigerungen unterstehen kantonalem Recht.

2. Abschnitt: Bewilligung Art. 2

Bewilligungspflicht

1

Eine Bewilligung der zuständigen kantonalen Behörde braucht, wer gewerbsmässig: a.

1 2

Konsumentinnen oder Konsumenten Waren zur Bestellung oder zum Kauf anbietet, sei es im Umherziehen, durch das ungerufene Aufsuchen privater Haushalte oder durch den Betrieb eines befristeten Wanderlagers im Freien, in einem Lokal oder von einem Fahrzeug aus;

AS 1999 2556 BBl 2000 4186

4244

2000-0837

Reisendengewerbe. BG

2

b.

Konsumentinnen oder Konsumenten Dienstleistungen jeglicher Art anbietet, sei es im Umherziehen oder durch das ungerufene Aufsuchen privater Haushalte;

c.

ein Schaustellergewerbe oder einen Zirkus betreibt.

Der Kanton bestimmt die zuständige Behörde.

Art. 3 1

Ausnahmen von der Bewilligungspflicht

Keine Bewilligung braucht, wer: a.

seine Waren oder Dienstleistungen ausserhalb ständiger Verkaufsräumlichkeiten an einer von der zuständigen Behörde angesetzten, zeitlich und örtlich begrenzten öffentlichen Veranstaltung anbietet (Markt);

b.

an Ausstellungen oder Messen Waren oder Dienstleistungen zur Bestellung oder zum Kauf anbietet;

c.

eine Tätigkeit ausübt, für die er oder die Person, für welche er handelt, bereits eine behördliche Bewilligung erhalten hat.

2

Der Bundesrat kann den Betrieb eines befristeten Wanderlagers im Freien mit Waren wie selbst erzeugten Landwirtschaftsprodukten oder Zeitungen von der Bewilligungspflicht ausnehmen.

Art. 4

Bewilligungsvoraussetzungen für Reisende

1

Anrecht auf eine Bewilligung hat jedermann, es sei denn, er ist innerhalb der letzten zwei Jahre vor Einreichung des Bewilligungsgesuches wegen eines Vergehens oder Verbrechens verurteilt worden, für das die Ausübung des Reisendengewerbes eine Wiederholungsgefahr in sich birgt. Bei einer vollzogenen Freiheitsstrafe wird die Frist vom Zeitpunkt der Entlassung an gerechnet.

2

Zusammen mit dem Bewilligungsgesuch sind folgende Dokumente einzureichen: a.

der Handelsregisterauszug des Unternehmens, für das die gesuchstellende Person tätig ist, oder ein Identitätsausweis, sofern die gesuchstellende Person selbst oder das Unternehmen, für das sie tätig ist, nicht der Eintragungspflicht ins Handelsregister untersteht;

b.

der Strafregisterauszug der zuständigen Bundesstelle für in der Schweiz ansässige beziehungsweise eine gleichwertige Urkunde, Bescheinigung oder amtliche Beglaubigung für im Ausland ansässige gesuchstellende Personen;

c.

der Wohnsitznachweis;

d.

die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters oder der gesetzlichen Vertreterin, sofern die gesuchstellende Person unmündig ist oder ihr die Handlungsfähigkeit entzogen wurde.

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Reisendengewerbe. BG

3

Die Altersgrenze für jugendliche Reisende richtet sich nach Artikel 29 ff. des Bundesgesetzes vom 20. März 19983 über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel.

4

Der Bundesrat regelt die Einzelheiten.

Art. 5 Bewilligungsvoraussetzungen für Schausteller und Zirkusse 1 Unternehmen des Schausteller- und Zirkusgewerbes wird die Bewilligung erteilt, wenn:

2

a.

sie nachweisen, dass sie eine ausreichende Haftpflichtversicherung abgeschlossen haben; und

b.

die Sicherheit der von ihnen betriebenen Anlagen gewährleistet ist.

Zusammen mit dem Bewilligungsgesuch sind folgende Dokumente einzureichen: a.

der Handelsregisterauszug des Unternehmens, für das die gesuchstellende Person tätig ist, oder ein Identitätsausweis, sofern die gesuchstellende Person selbst oder das Unternehmen, für das sie tätig ist, nicht der Eintragungspflicht ins Handelsregister untersteht;

b.

der Nachweis einer abgeschlossenen und ausreichenden Haftpflichtversicherung; und

c.

der Nachweis der Sicherheit.

3

Der Bundesrat regelt die Einzelheiten, namentlich die sachlichen und zeitlichen Anforderungen an die Sicherheit.

Art. 6

Bewilligungsvoraussetzungen für Personen mit Aufenthalt, Wohnsitz oder Sitz im Ausland

1 Ausländische Personen mit Aufenthalt, Wohnsitz oder Sitz im Ausland haben Anrecht auf eine Bewilligung, soweit sie die Voraussetzungen dieses Gesetzes erfüllen, unter Vorbehalt internationaler Vereinbarungen.

2

Die Bestimmungen des Ausländerrechts bleiben vorbehalten.

Art. 7 Erteilung der Bewilligung 1 Die zuständige kantonale Behörde erteilt die Bewilligung, wenn die Voraussetzungen nach Artikel 4 oder 5 erfüllt sind. Die Bewilligung wird in der Form einer Ausweiskarte erteilt; ausgenommen davon ist diejenige für das Schausteller- und Zirkusgewerbe.

2 Kommt eine Verweigerung nach Artikel 4 Absatz 1 in Frage, so holt die zuständige kantonale Behörde vorgängig bei der vom Bundesrat bezeichneten Bundesbehörde einen Vorbescheid ein. Die Bundesbehörde kann zur Entscheidfindung Einblick in die Strafakten der gesuchstellenden Person nehmen.

3

SR 822.11; AS 2000 1569

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Reisendengewerbe. BG

Art. 8

Abgabe von Ausweiskarten durch Unternehmen und Branchenverbände

1

Die zuständige kantonale Behörde kann ein Unternehmen ermächtigen, seinen Mitarbeitenden die Ausweiskarte abzugeben, wenn das Unternehmen Gewähr dafür bietet, dass seine Mitarbeitenden die Voraussetzungen nach diesem Gesetz erfüllen.

Unter den gleichen Voraussetzungen kann die zuständige kantonale Behörde einen Branchenverband ermächtigen, an Mitglieder, die Einzelkaufleute sind, Ausweiskarten abzugeben.

2

Das Unternehmen bzw. der Branchenverband meldet der zuständigen kantonalen Behörde die Mitarbeitenden bzw. die Mitglieder, die eine Ausweiskarte erhalten. Es bzw. er legt eine Kopie des Strafregisterauszuges der Reisenden bei. Die zuständige kantonale Behörde prüft stichprobenweise, ob die ermächtigten Unternehmen und Branchenverbände die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen.

3

Kommt eine Verweigerung nach Artikel 4 Absatz 1 in Frage, so leitet das Unternehmen bzw. der Branchenverband das Gesuch an die zuständige kantonale Behörde weiter. Diese holt den Vorbescheid nach Artikel 7 Absatz 2 ein und entscheidet.

Art. 9

Wirksamkeit und Geltungsdauer der Bewilligung

1

Wer die Bewilligung einer zuständigen kantonalen Behörde hat, kann das Reisendengewerbe auf dem ganzen Gebiet der Schweiz ausüben. Das Gleiche gilt für Personen mit einer Ausweiskarte eines Unternehmens oder eines Branchenverbandes, das bzw. der zur Abgabe der Ausweiskarte berechtigt ist.

2

Die Bewilligung ist persönlich und unübertragbar. Sie gilt ein Jahr lang.

3

Ausländischen Personen mit Aufenthalt, Wohnsitz oder Sitz im Ausland kann eine Bewilligung mit kürzerer Gültigkeitsdauer abgegeben werden.

4

Der Bundesrat erlässt die näheren Vorschriften über die Erteilung und Erneuerung der Bewilligung sowie über die Abgabe der Ausweiskarte.

Art. 10

1

Entzug der Bewilligung

Die zuständige kantonale Behörde entzieht die Bewilligung, wenn: a.

die Voraussetzungen für die Bewilligungserteilung nicht mehr erfüllt sind;

b.

keine Gewähr für eine ordnungsgemässe Ausübung des Reisendengewerbes mehr geboten ist.

2

Ausweiskarten, die von einem Unternehmen oder einem Branchenverband abgegeben wurden, werden auch von diesen entzogen.

3

Einem Unternehmen oder einem Branchenverband wird die Ermächtigung zur Abgabe der Ausweiskarten entzogen, wenn sie die Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen nicht mehr gewährleisten.

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Reisendengewerbe. BG

Art. 11

Ausgeschlossene Waren und Dienstleistungen

1

Der Vertrieb von alkoholhaltigen Getränken durch Reisende ist verboten. Ausgenommen sind die Bestellungsaufnahme für vergorene Getränke sowie die Bestellungsaufnahme und der Verkauf vergorener Getränke auf dem Markt (Art. 3 Abs. 1 Bst. a). Die Bestimmungen des Alkoholgesetzes vom 21. Juni 19324 bleiben vorbehalten.

2

Der Bundesrat kann aus polizeilichen Gründen den Vertrieb weiterer Waren und Dienstleistungen durch das Reisendengewerbe einschränken oder ausschliessen.

3 Vorbehalten bleiben die bundesrechtlichen Bestimmungen, die das Anbieten von bestimmten Waren und Dienstleistungen durch Reisende untersagen, beschränken oder von einer besonderen Bewilligung abhängig machen.

3. Abschnitt: Gebühren Art. 12 1

Die Kantone erheben für die Erteilung, Erneuerung und den Entzug der Bewilligung eine Gebühr.

2

Der Bundesrat regelt die Höhe der Gebühr.

4. Abschnitt: Datenschutz Art. 13 1 Die zuständige kantonale Behörde bearbeitet die zur Erteilung, zur Erneuerung und zum Entzug der Bewilligung notwendigen Personendaten. Nur sie ist zum Zugriff auf diese Daten berechtigt; vorbehalten bleibt die Zugriffsberechtigung der zuständigen Bundesbehörde im Rahmen ihrer Aufsichtsfunktion.

2 Die zuständige kantonale Behörde kann Dritten, die ein berechtigtes Interesse nachweisen, bekannt geben, ob eine reisende Person eine Bewilligung hat.

3

Die zuständige Bundesbehörde bearbeitet die zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Personendaten, namentlich das Gesuch, den Strafregisterauszug sowie allfällige Strafakten der gesuchstellenden Person.

4 Der Bundesrat regelt den Betrieb des Informationssystems, die Kategorien der zu erfassenden Daten, die Aufbewahrungsdauer und die Datensicherheit.

4

SR 680

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Reisendengewerbe. BG

5. Abschnitt: Strafbestimmungen Art. 14 1

Übertretungen

Mit Haft oder Busse bis zu 20 000 Franken wird bestraft, wer vorsätzlich: a.

unvollständige, unrichtige oder irreführende Angaben macht, um in den Besitz einer Bewilligung zu gelangen;

b.

das Reisendengewerbe ohne Bewilligung ausübt;

c.

Ausweiskarten abgibt, ohne dazu ermächtigt zu sein;

d.

seinen Mitarbeitenden oder Mitgliedern die Ausweiskarte abgibt, ohne dass diese die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen;

e.

Waren oder Dienstleistungen anbietet, deren Vertrieb im Reisendengewerbe gegen Einschränkungen oder Verbote nach Artikel 11 Absatz 1 oder 2 verstösst;

f.

die Bewilligung bei der Ausübung des Reisendengewerbes nicht auf sich trägt.

2 Handelt die Täterin oder der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Busse bis zu 5000 Franken.

Art. 15

Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben

Für Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben, durch Beauftragte und dergleichen sind die Artikel 6 und 7 des Verwaltungsstrafrechtsgesetzes vom 22. März 19745 anwendbar.

Art. 16

Strafverfolgung

Die Strafverfolgung ist Sache der Kantone.

6. Abschnitt: Schlussbestimmungen Art. 17

Vollzug

1

Die Kantone vollziehen dieses Gesetz, soweit es nicht den Bund als zuständig erklärt.

2

Der Bundesrat beaufsichtigt den Vollzug des Gesetzes durch die Kantone.

Art. 18 Internationale Gewerbelegitimationskarte für Grossreisende Der Bundesrat regelt die Abgabe der internationalen Gewerbelegitimationskarte für Grossreisende im Sinne des Internationalen Abkommens vom 3. November 19236 zur Vereinfachung der Zollförmlichkeiten.

5 6

SR 313.0 SR 0.631.121.1

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Reisendengewerbe. BG

Art. 19

Ausführungsbestimmungen des Bundesrates

Der Bundesrat erlässt die Ausführungsbestimmungen.

Art. 20

Aufhebung bisherigen Rechts

Das Bundesgesetz vom 4. Oktober 19307 über die Handelsreisenden wird aufgehoben.

Art. 21

Übergangsbestimmungen

1

Ausweiskarten und Wandergewerbebewilligungen, die auf Grund des Bundesgesetzes vom 4. Oktober 19308 über die Handelsreisenden oder auf Grund bisherigen kantonalen Rechts ausgestellt worden sind, bleiben bis zu ihrem Verfall gültig.

2 Der Bundesrat regelt die sachlichen und zeitlichen Anforderungen an den Nachweis der Sicherheit von Anlagen im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b, die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits in Betrieb sind.

Art. 22 Referendum und Inkrafttreten 1 Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.

2 Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.

11028

7 8

BS 10 219 SR 943.1

4250