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Bundesblatt

85. Jahrgang.

Bern, den 18. Oktober 1933.

Band II.

Erscheint wöchentlich. Preis 20 Franken im Jahr, 10 Franken im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr.

Einrückungsgebühr : 50 Kappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an Stämpfli & de in Bern.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zur Revision des Bundesgesetzcs vom 23. Dezember 1851 über die politischen und polizeilichen Garantien zugunsten der Eidgenossenschaft.

(Vom 9. Oktober 1938.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren um, Ihnen hiermit den Entwurf zu einem revidierten Bundesgesetze über die politischen und polizeilichen Garantien zugunsten der Eidgenossenschaft mit unserer Botschaft zu unterbreiten.

I.

Der Nationalrat, hai am 24. Juni 1919 eine Motion Holenstein angenommen des Wortlaute: «Der Bundesrat wird eingeladen, zu prüfen und Bericht zu erstatten, ob nicht das Bundesgesetz vorn 23. Dezember 1851 über die politischen und polizeilichen Garantien zugunsten der Eidgenossenschaft, insbesondere Ari. 1 und 2, im Sinne einer klaren Feststellung der Immunitätsrechte der Mitglieder der eidgenossischen Eäte einer Bevision zu unterziehen sei.» Bei Anlass der Debatte über die Immunität von Nationalrat Nicole wurde am 6. Dezember 1982 durch den Nationalrat die von der Kommission vorgelegte Motion angenommen, die lautete: «Der Bundesrat wird eingeladen, beförderlich eine Vorlage über Be vision des Bundesgesetzes vom 23, Dezember 1851 liber die politischen und polizeilichen Garantien zugunsten der Eidgenossenschaft im Sinne der Motion Holenstein aus dem Jahre 1919 einzubringen Der Standerat hat diese Schlussnahme am 29. März 1933 auch zu der seinigen gemacht.

Während die Anregung Holenstein vom Jahre 1919 nach heutiger Terminologie ein Prüfungspostulat war, haben die letzten übereinstimmenden Schlussnahmen der beiden Bäte unzweifelhaft den Charakter einer imperativen Bundesblatt. 85. Jahrg. Bd. II,

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.498 Motion. Sachlich sind sie auf das gleiche Ziel gerichtet, indem ausdrücklich eine Eevision im Sinne der Motion Holenstcin verlangt wird, also eine klare Feststellung der Irnmunitätsrechte der Mitglieder der eidgenössischen Bäte. Auch die mündlichen Ausführungen der Kommissionsreferenten beschränkten ausdrücklich die Aufgabe des Bundesrates auf eine Eevision der Art. l und 2 des zu revidierenden alten Gesetzes. Dies würde an sich selbstverständlich nicht hindern, dass der Bundesrat aus eigener Initiative die Revisionsvorschläge weiter ausdehne, falls ihm das als opportun oder gar notwendig erschiene. Wir haben uns aber -- um diese Frage gleich vorweg zu nehmen -- entschlossen, uns auf die Regehing der Immunitätsfrage zu konzentrieren. Wenn wir trotzdem noch den Art. 6 des alten Gesetzes unterdrückt, den Art. 12 etwas modifiziert haben, so bedeutet das nur die Berücksichtigung bereits früher eingetretener Revisionen, die teils ausdrücklich, teils implicite stattgefunden haben. Der alte Art, 6 ist durch Art. 80 des Bundesgesetzes über das Dienstverhältnis der Bundesbeamten vom 30. Juni 1927 expressis verbis aufgehoben worden. Die in Art. 12 des alten Gesetzes der Bundesversammlung zugewiesene Kompetenz zum Entscheide aller Konflikte, welche über die Anwendung des Garantiegesetzes entstehen, ist eingeschränkt worden durch Art. 179 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 22. März 1898. Hiernach sind vom Bundesgerichte als Staatsgerichtshof zu beurteilen Steuerstreitigkeiten zwischen Bund und Kantonen, wenn von dem einen oder andern Teile sein Entscheid angerufen wird. Somit sind Konflikte, welche über die Anwendung von Art. 7 des alten Garautiegesetzes entstehen, nicht von der Bundesversammlung, sondern von dem Bundesgerichte zu entscheiden; dem tragen wir Rechnung in der vorgeschlagenen Fassung des neuen Art. 14. -- Wenn aber so schon die Art. l, 2, 8, 6, 12 von der Revision ergriffen werden, so halten wir es für praktisch, formell das ganze Gesetz aufzuheben und durch das neu zusammengestellte zu ersetzen, wobei dann gleich auch Art. 18 mit seiner Übergangsbestimmung bereinigt werden kann. Dieses Vorgehen wird sich namentlich bei Neudrucken und Separatdrucken des Gesetzes dem Rechtsanwendenden dienlich erweisen.

II.

Für die Mitglieder der Bundesbehörden hat das eidgenössische Recht schon von den Anfängen des Bundesstaates an Schutzbestimmungen aufgestellt!

welche deren politische Betätigung sichern sollten gegen Eingriffe, die auf dem Wege des Zivil- oder Strafprozesses gegen sie versucht werden könnten. Man dachte in jener Zeit vor allen an Eingriffe, die von kantonalen Behörden ausgehen könnten, zu deren Domäne ja die Rechtsverfolgung damals noch fast ausschliesslich gehörte. Der Schutz der Bundesorgane wurde sukzessive in zwei Gesetzen geordnet. Soweit eine Sanktion für Straftaten, welche mit Bezug auf die amtliche Stellung begangen wurden, in Frage kommt -- und zwar zivil- und strafrechtliche Sanktion ---, werden die Prozessvoraussetzungen und das Verfahren durch das Gesetz über die Verantwortlichkeit der eidgenössischen

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Behörden und Beamten vom 9. Dezember 1850 geordnet. Da dieses Gesetz von der heutigen Bevision nicht berührt werden soll, ist hier nur die rein praktische Frage zu erledigen, ob, wie im alten Garantiegesetz (Art. l, AI. 5), eine Verweisung auf das Verantwortlichkeitsgesetz aufgenommen werden soll, oder ob dieser Wegweiser entbehrlich sei. Er war vielleicht anno 1851 angesichts der Xeuheit der Materie eher berechtigt als heute und fügte sich auch gesetzesästhetisch als blosser Schlusssatz von Art. l einfacher ein, als wenn wir ihn nach der neu vorgeschlagenen Systematik der Immunitätsartikel dann als besondern Art. 6bi" anzuschliessen genötigt wären. An der materiellen Erledigung ändert weder die Einschaltung noch die Weglassung eines solchen ausdrücklichen Hinweises etwas. Wir schlagen die Weglassung der überflüssigen Bestimmung vor.

III.

Tm Garantiegesetz vom 28. Dezember 1851 hat sich der Gesetzgeber auseinandergesetzt mit dem Einfluss, den ein Strafverfahren wegen Delikten, welche sich nicht auf das Amt beziehen, auf die Ausübung dieses politischen Amtes in der Bundesbehörde haben könnte. Ausgeschieden ist hier eine allfällige Einwirkung der Ziviljustiz; wir lassen diese auch bei der Revision unberücksichtigt, da tatsächlich ernsthafte Kollisionen zwischen dieser Rechtspflege und der politischen Tätigkeit kaum zu befürchten sind und bis jetzt von keiner Seite eine Einbeziehung verlangt worden ist. --· Anders ist es mit der Strafrechtspflege, wo die persönliche Beanspruchung desjenigen, der in der Bolle des Angeschuldigten oder Angeklagten steht, namentlich wenn eine Verhaftung in Frage kommt, zur schwerwiegendsten Beeinträchtigung des politischen Mandates führen kann. Um dieser möglichen Kollisionen willen sind wohl in allen modernen Rechtsstaaten Immunitätsvorschriften aufgestellt worden.

Wann und wie weit sollen nun die Anforderungen einer geordneten Strafrechtspflege zurücktreten hinter dem Postulate einer ungehemmten Ausübung des politischen Mandates eines Straf verfolgten ? -- Wir haben uns hierüber sowohl nach grundsätzlicher Richtung als auch unter Berücksichtigung der wenigen praktischen Anwendungsfälle des alten Gesetzes während 80 Jahren seines Bestehens in unserm Berichte an den Nationalrat über die Frage der Immunität für Herrn Nationalrat Nicole vom 2. Dezember 1932 (Bundesbl.
1932, II, 997 ff.) ausgesprochen und gestatten uns um so eher hierauf zu verweisen, als sowohl die Erledigung jenes Berichtes wie die sich anschliessenden Motionen im wesentlichen unsere Schlussfolgerungen gutgeheissen haben. Wir gehen von der Grundidee aus, dass die Immunitätsvorschriften nicht etwa von dem Willen, den rechtmässigen Gang der Strafjustiz zu stören, getragen sind, sondern vom Misstrauen, dass die Straf Justiz zu einem ihr fremden Zwecke, zur Unterdrückung oder Beschneidung einer der Regierung oder anderer einflussreicher Kreise missbeliebigen politischen Tätigkeit missbraucht werden könnte, oder dass minderwichtigen Akten des Strafverfolgungsverfahrens aus Pedanterie das Übergewicht eingeräumt werde über vielleicht wichtige Betäti-

500 gung des politischen Amtes. Wie weit dar!' diesem Misstrauen, das ja bei Erlass des Immunitätsgesetzes ein rein, hypothetisches ist, in der Ausgestaltung der Schutzbestimmungen Kechnung getragen werden? -- Wir glauben, dass schon die wenigen Fälle, welche das Parlament und den Bundesrat bisher beschäftigt haben, doch einige Fingerzeige gegeben haben und uns namentlich in den Stand setzen werden, bisherige Unklarheiten für die Auslegung zu vermeiden.

IV,

Bei der Abwägung der sich kreuzenden Interessen von Strafjustiz und Politik nach ihrer Bedeutung ist auf der einen Seite festzustellen, für welche Sehutzzeit die Immunität andauern soll, auf der andern Seite, welches Stadium der S t r a f v e r f o l g u n g in Betracht fällt. Während für die Bundesräte und die eidgenössischen Kommissarien wohl die ganze Dauer ihrer Amtstätigkeit als Schutzzeit gleichwertig in Betracht fällt und die Immunitätsmassnahmen sich auch dem anpassen müssen, ist für die eidgenössischen Parlamentarier speziell die politische Betätigung während der Dauer der Bundesversammlung das Schutzobjekt. Mit dieser Umschreibung dürfte genügend klargestellt sein, dass nicht etwa bloss die Sitzungstage oder gar nur die Sitzungsstunden des einen oder andern Eates in Betracht fallen, sondern die ganze Dauer vom Zusammentritt der Session bis zum Schlüsse der Session, die ja für beide Eäte die gleiche sein musa. Eine Ausdehnung des Schutzes auf die Kornmissionstätigkeit, die ja sicherlich auch sehr 'wichtig ist, ist kaum notwendig, da sich Kollisionen hier zeitlieh viel leichter vermeiden lassen; sie wäre schon deshalb schwierig, weil man dann den Entscheid über die Bewilligung oder Mcbtbewilligung der Immonität wohl nur der Kommission selbst -- also doch einem Zufalls-Gremium für diese Frage -- übertragen müsste. Es hat sich auch kein Bedürfnis für eine solche Ausdehnung gezeigt.

Während das alte Gesetz nur davon sprach, dass während der Bundesversammlung keine Verfolgung stattfinden (deutscher und italienischer Text) oder eingeleitet werden (französischer Text) dürfe, halten wir nun in der neu vorgeschlagenen Systematik drei Fälle auseinander: 1. Eine Strafverfolgung ist im Zeitpunkt des Zusammentritts der Bundesversammlung gegen den Abgeordneten noch gar nicht eröffnet worden. 2. Die Strafverfolgung hat vor Zusammentritt des Parlamentes eingesetzt, hat aber noch zu keinem rechtskräftigen Urteil geführt oder eine rechtskräftig verhängte Freiheits.strafe müsste noch nicht angetreten werden. 3. Das Parlamentsmitglied sitzt im. Momente des Zusammentritts bereits in Strafhaft,

Die erstgenannte Phase ist diejenige, welche für die Anwendung der Immunität am ehesten in Frage kommt. Einmal liegt hier das Misstrauen am nächsten, dass eine Strafverfolgung absichtlich ausgerechnet auf die Zeit verlegt worden sei, wo man damit einen politischen Gegner mundtot machen.

501 könne. Auf der andern Seite wird es häufig möglich sein, ohne Schaden für die spätere Durchführung der Strafverfolgung, diese, wenn sie noch gar nicht eingeleitet ist, um eine bis drei Wochen hinauszuschieben. Und endlich soll ja die Hemmung nicht eine absolute sein. Wo die Strafverfolgung keinen Aufschub erträgt, -wird eben die Bewilligung des zuständigen Rats von der Justizbehörde nachgesucht werden. Dieser Kat wird sicherlich, wo ihm die Notwendigkeit raschen Vorgehens dargetan werden kann, nicht seine schützende Hand über einen möglicherweise Unwürdigen halten, und die Justizbehörden werden sich ihrerseits hüten, illiquide Begehren zu stellen. Wir haben auch deshalb, weil es sich hier wohl stets um Dringlichkeitsfälle handeln dürfte, .das direkte Angehen des entscheidenden Eates durch die zur Verfolgung zuständige Polizei- oder Gerichtsbehörde vorgesehen. In liquiden Fällen kann der Bat ohne Bestellung einer Kommission entscheiden. Er muss überhaupt nur dann angerufen werden, wenn sein angeschuldigtes Mitglied nicht der Justizbehörde gegenüber auf das Immunitätsrecht verzichtet hat. Mit dieser letztern Regelung werden alle diejenigen Fälle ausgeschieden, wo das verfolgte Mitglied sich selbst schuldig bekennt ; es wird -- wenn es sich nicht um Bagatellen oder um politische Delikte handelt -- nur mit blankem Schild unter seineu Kollegen erscheinen wollen. -- Als letzte Kautele zugunsten der Justiz ist im Alinea 2 von Artikel l den Strafverfolgungsbehörden das Recht vorbehalten,, ohne vorausgehende Begrüssung des sonst zuständigen Rates eine Verhaftung wegen Fluchtverdachtes -- natürlich nach den hierfür bestehenden Voraussetzungen des Bundes- oder kantonalen Strafprozesses -- vorzunehmen oder vornehmen zu lassen. Uns scheint nämlich die Wahrscheinlichkeit einer Flucht über die Landesgrenze viel eher die Ausnahme von der vorausgehenden Zustimmung des Rates zu rechtfertigen, als das Ergreifen auf frischer Tat wie im alten Gesetze ; denn da könnte eher als dort eine dauernde Beeinträchtigung der Strafjustiz stattfinden. Oder soll wirklich die Justizbehörde mit offenen Augen zusehen müssen, wie ein Parlamentarier, der ein gemeines Verbrechen begangen hat, über die Grenze flieht, nur weil er nicht auf frischer Tat ertappt, sondern erst ein paar Stunden später als Täter entdeckt wurde ? -- Als
Sicherheitsventil gegen Missbrauch dieses Ausnahmerechts ist die unmittelbare Nachholung der Zustimmung vorgeschrieben ; auf deren Versäumnis ist in Art. 6 die nötige Sanktion gesetzt.

VI.

Art. 2 der Vorlage regelt das Immunitätsverfahren für den Fall, als bereits vor Zusammentritt der Bundesversammlung eine polizeiliche oder gerichtliche Strafverfolgung gegen den Abgeordneten eingeleitet worden ist. Hier ist die Misstrauenspräsumtion, dass die Strafjustiz sich zur Magd der Politik hergegeben habe, noch bedeutend fernliegender als in den bisher behandelten Fällen- Und auf der andern Seite wird hier das Interesse daran, dass das einmal eingeleitete Verfahren ohne wesentliche Verzögerung durchgeführt werde, sehr häufig vorhanden sein, besonders wenn ausser dem angeschuldigten Abgeordneten auch andere Personen in den Prozess verwickelt sind, sei es als

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Mitbeschuldigte, sei es als Geschädigte. Es erscheint deshalb angezeigt, dass hier den Interessen der St-rafjustiz wenigstens insofern vermehrt Kechnung getragen werde, als nicht ihr, sondern dem Angeschuldigten die Einleitung des ImmunitätsVerfahrens zugewiesen wird. Er soll dartun, dass das Interesse an seiner politischen Tätigkeit prävaliert; der Entscheid hierüber wird auch hier der politischen Behörde vorbehalten, so dass also die Rechte des Parlamentes auch bei dieser Rollenverteilung unverkürzt bleiben. Die Notwendigkeit einer Immediateingabe an den entscheidenden Rat liegt hier nicht vor ; es kann sehr wohl der für die Anhängigmachüng der Parlamentsgeschäfte übliche Weg über den Bundesrat eingeschlagen werden. Der Bundesrat wird dann in der Lage sein, bis zum Beginn der Bundesversammlung das Gesuch mit den nötigen Unterlagen, eventuell auch mit seinem Berichte, an das zuständige Batspräsidium zu leiten.

Soll die Immunität in diesem Stadium gegenüber allen Handlungen der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte angerufen werden können? Hierzu besteht keine zwingende Notwendigkeit. Das ist im Palle Nicole auch von der damaligen Minderheit anerkannt worden. Weshalb sollte während der Dauer der Bundesversammlung nicht ein Strafregisteraus/ug über den Angeschuldigten eingeholt werden dürfen, weshalb nicht in der Voruntersuchung ein Zeuge einvernommen werden, bei dessen Abhörung jener nach der geltenden Strafprozessordnung nicht anwesend sein darf ? -- Die wichtigste Kollision tritt natürlich ein im Falle der Verhaftung, welche ihm die Erfüllung der parlamentarischen Pflichten, absolut verunmöghcht. Wir wollen ihm deshalb gegen diese Massnahme unter allen Uniständen die Möglichkeit der Anrufung des politischen Kollegiums ermöglichen, d. h. also sowohl für den Fall, als eine Untersuchungs- oder Sicherheitshaft bereits eingeleitet war, wie für den Fall, als sie während der Dauer der Bundesversammlung neu angeordnet wird, wie sogar für den Fall, als eine Strafhaft zwar bereits rechtskräftig verhängt, der Antritt aber noch nicht verfügt ist bei Beginn der Bundesversammlung. Und zwar gehen wir so weit, dass, wie in den beiden genannten Fällen, wo die Haft erst verfügt wird, sei es nun als Sicherheits- oder als Kollusionshaft, sei es als Strafhaft, die verfügende Justizbehörde nach Art. l, AI. 2, vorgehen,
also innerhalb 24 Stunden Gutheissung ihrer Verfügung verlangen inuss, sofern sie nicht durch schriftliche Zustimmung des Verhafteten hiervon befreit ist. Nur bei schon früher angeordneter Verhaftung hat der Verhaftete selbst das Immunitätsverfahren einzuleiten.

Das letztere gilt a fortiori auch für die Befreiung von andern Strafverfolgungsakten. Welches sind nun diese Akte, von denen der Angeklagte soll Befreiung verlangen können? Wir haben in Art. 2 die Vorladung zu wichtigen Verhandlungen genannt. Dieser Begriff mag etwas verschwommen erscheinen.

Wir wollten aber absichtlich die Entscheidung darüber, ob ein Rechtsakt so wichtig sei, dass seine Kollision mit der politischen Tätigkeit ausgeschaltet werden müsse, der politischen Behörde zuweisen; sie soll in dubio für den Vorgang des politischen Interesses entscheiden können. Als wichtige Verhandlungen

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werden, wie oben angedeutet, wohl stets diejenigen angesehen werden, bei welchen das Erscheinen des Angeschuldigten obligatorisch ist. sehr häufig aber auch diejenigen, bei welchen ihm die Anwesenheit auch nur fakultativ offen steht. Da die Immunität nicht gewährt werden muss, sondern nur gewährt werden k a n n , darf der politischen Behörde wohl auch hier das Zutrauen geschenkt werden, dass sie die Interessen der Straf justiz nicht ohne .Not beiseite stelle.

VII.

Art. 3 regelt einen Fall, der unter dem alten Eecht umstritten war. Wenn ein Strafverfahren durch rechtskräftigen Kichtersprucb erledigt und ins Stadium des Vollzugs übergegangen ist durch Anordnung der Strafhaft, so soll dem Bechte Genüge geleistet und kein Immunitätsanspruch mehr gewährt werden. Wir stellen hier wie in Art, 2 auf die Anordnung und nicht auf den Antritt der Haft ab. Damit wird auch die Frage ausgeschaltet, ob das Immunitätsrecht dadurch erschlichen werden könnte, dass der Verurteilte sich nicht stellt oder sich der bereits angetretenen Freiheitsstrafe durch Flucht entzieht. -- Nicht ausgeschlossen ist natürlich, dass die Vollstreckungsbehörde unter Umständen mit Rücksicht auf die Bundesversammlung den Strafantritt aufschieben oder den Vollzug unterbrechen kann, soweit das massgebende Vollzugsrecht dies gestattet. Das geschieht ja sehr häufig auch aus andern Gründen, namentlich familiärer oder wirtschaftlicher Natur; mit dem Immunitätsrechte hat dies dann aber nichts mehr zu tun.

VIII.

In Art. 4 nehmen wir die Bestimmungen von Art. l, AI. 2, des alten Gesetzes inhaltlich auf. Wir fügen auch hier bei, dass ein Immunitätsverfahren dann ausgeschlossen ist, wenn der Verfolgte darauf verzichtet. Ebenso erklären wir als anwendbar die Bestimmungen von Art. l, AI. 2, und Art. 2, AI. 2. -- Angefügt haben wir in einem zweiten Absätze die entsprechende Schutzbestimmung für die Mitglieder des Bundesgerichtes. Für die Bundesrichter hat diese Ausdehnung des Garantiegesetzes schon im ersten Gesetze über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 27, Juni 1874 in dessen Art. 12, AI. 2, und dann in etwas veränderter Fassung -- und mit Ausschluss der Gerichtsschreiber -- im Art. 15 des neuen Organisationsgesetzes vom 22. März 1893 stattgefunden. Umgekehrt ist dann im Jahre 1917 bei Schaffung des eidgenössischen Versicherungsgerichtes eine ähnliche Ausdehnung auf die Versicherungsrichter in den bundesrätlichen Entwurf-- wie es scheint, absichtlich -- nicht aufgenommen worden. Die nationalrätliche Kommission wollte dies ändern, unterlag aber im Plenum mit 51 gegen 24 Stimmen. In Diskussion standen freilich weniger die Immunitätsartikel als die Art. 5 und 6 des Garantiegesetzes, wie seinerzeit auch bei Beratung der Organisationsgesetze für das Bundesgericht. Wir wollen nun in unserer Vorlage an dein bisherigen Bechtszustand bezüglich der zu schützenden Behörden von uns aus nichts ändern.

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überlassen eine allfällige Initiative hiezu den Säten. Tatsächlich spielen die Immunitätsvorschriften. welche ja den Anlass zur heutigen Revision gegeben haben, weder für das Bundesgericht noch für das eidgenössische VersiVersicherungs--cherungsgerieht als unpolitische Behörden eine wesentliche Eolle Eine starke Denaturierung erfahren die Immunitätsbestimmungen bei der Ausdehnung auf Bundesrat, Bundesgericht und eidgenössische Kommis sarie dadurch, dass hier als Schutzzeit nicht die Dauer der Bundesversammlung in Frage kommen kann. Die politische Tätigkeit dieser Behörden -- soweit eine solche nach dem Gesagten überhaupt in Frage kommt -- erstreckt sich auf die ganze Dauer ihres Amtes bzw. bei den Kommissären ihres Auftrages.

Damit erhält aber die Kollision zwischen den Anforderungen der Strafjustiz einerseits, der politischen Betätigung anderseits eine viel weitergehende Bedeutung. Die Anwendung der Immunität auf eine ganze Amtsdauer oder gar auf aufeinanderfolgende Amtsdauern könnte sehr leicht den Charakter einer Rechts Verweigerung annehmen. Nun wird man freilich damit rechnen dürfen, dass schon die Mitglieder solcher Behörden nicht missbräuchlich den Schutz der Immunität in so weitgehender Weise anrufen, und ebenso, dass weder der Gesamtbundesrat noch das Bundesgericht zu einem solchen Missbrauche sich hergeben werden. Wir nehmen ohne weiteres an. dass der Immunitätsbeschluss dieser Behörden auch eine b e f r i s t e t e Immunität aussprechen dürfe, wobei die Bedeutung einer sofortigen Strafverfolgung gegenüber der gegenwärtigen politischen Inanspruchnahme des Angeforderten sachlich abgewogen werden kann. Und sodann gewinnt speziell für diese Fälle nun Art. 5, welcher überhaupt gegen die Gewährung der Immunität den Strafverfolgungsbehörden die Anrufimg der vereinigten Bundesversammlung einräumt, eine ganz besondere Bedeutung. Während es wohl nur bei recht zugespitzten Fällen der Immunitätsbewilligung für einen Abgeordneten zu einer solchen Anrufung der Bundesversammlung kommen durfte, würde eine auch Dur leichte Rechtsverweigerung seitens Bundesrat oder Bundesgericht sicherlich sofort der Anwendung dieses Rechtsmittels rufen: das blosse Vorhandensein des Artikels würde jedem Übeln Willen vorbeugen.

Nicht aufgenommen haben wir in die Revisionsvorlage das Alinea 4 von Art. 1. des alten Gesetzes,
worin gesagt wird, dass bei Verweigerimg der Immunität Überweisung an die Anklagekammer des Bundesgerichtes oder in unbedeutenden Fällen an die Gerichte des zuständigen Kantons stattfinde.

Wenn wir nichts sagen, so wird es als selbstverständlich betrachtet werden, dass bei Verweigerung der Immunität eben diejenige Strafverfolgungsbehörde, welche als sachlich zuständige den Anspruch auf den Verfolgten erhebt, weiter nach den Bestimmungen des massgebenden Prozessgesetzes zu. funktionieren hat. Das kann eine polizeiliche Behörde, ein Untersuchungsrichter, eine Anklagekammer, ein Gericht oder eine Strafvollzugsbehörde sein. Ob es eine eidgenössische oder kantonale Behörde sein wird, hängt ebenfalls von der sachlichen Zuständigkeit ab. Da es sich ja nicht um Amtsdelikte handelt, ist nicht einzusehen, warum auch ein wichtiges gemeines Delikt -- denken wir an einen

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Totschlag -- an die Anklagekammer des Bundesgerichtes und nicht an die kantonale Behörde gewiesen werden müsste.

IX.

Das alte Gesetz enthält in seinem Art. 3 den Ansatz zum strafrechtlichen Schutze derlmmunitätsberechtigten gegen deniGarantiegesetze \vidersprechende Verhaftungen. Sowohl der Verhaftende als der den Haftbefehl Erlassende wird als strafbar erklärt, der erstere auch dann, wenn er auf Befehl seiner Überbehörde gehandelt hat. Voraussetzung ist stets, dass die Gesetzesverletzung wissentlich begangen wurde. Die Sanktion ist dann im Bundesstrafrecht vom 4, Februar 1853, Art. 60, nachgeholt worden, wonach die als Delikt erklärte Handlung mit der gleichen Strafe geahndet werden soll wie die öffentliche Beschimpfung der Bundesversammlung nach Art. 59 desselben Gesetzes.

Wir übernehmen nun diese Sanktion dadurch, dass wir den Art. 60 des Bundesstrafrechtes mit dem-Tatbestand unseres neuen Art. 6 auffüllen. Darin wird auch aufgenommen als Deliktstatbestand die Unterlassung des Bewillignngsgesuches innert der Frist von 24 Stunden, wenn die Fälle von Art. l, AI. 2.

oder Art. 2, AI. 2, vorliegen. Dagegen glauben wir die Frage, ob der Polizist, welcher auf ausdrücklichen Befehl der vorgesetzten Behörde eine gesetzwidrige Verhaftung vorgenommen hat, trotzdem strafbar bleibe, der Praxis überlassen zu dürfen und keinen Sonderfall hieraus konstruieren zu müssen, der noch dazu im Widerspruch mit Art. 28 des Bundesstrafrechts stehen würde. -- Es mag noch erwähnt werden, dass in der Praxis schon Auslegungsschwierigkeiten daraus erwuchsen, dass einzelne Kantone neben der eigentlichen Verhaftimg noch den Begriff der «vorläufigen Anhaltung» und dergleichen kennen und der Standpunkt vertreten wurde, diese sei durch die Immunitätsvorschriften nicht ausgeschlossen. Demgegenüber haben wir schon damals in den Bäten erklären lassen, dass wir diese Unterscheidung nicht akzeptieren, sondern bundesrechtlich nur den einen umfassenden Begriff der Verhaftung für jede durch polizeiliche und andere Strafverfolgungsorgane angeordnete Aufhebung der persönlichen Freiheit kennen.

Art. 4 des Garantiegesetzes wurde der heutigen Strafgesetzgebung und Organisation arigepasst. Zugleich wurden einige Streitfragen, die sich bei der Auslegung ergeben haben, durch eine klarere Fassung beseitigt. Die Bandesstrafgerichtsbarkeit wird, wie im geltenden Becht, nicht für alle Delikte gegen die in Art. 7 genannten Behörden vorgesehen, sondern bloss für solche Straftaten, durch die diese Personen in der Ausübung ihrer Amtstätigkeit gehindert werden können. Der Entwurf spricht nicht mehr von Verbrechen «gegen die Person» -- worunter Gewalttaten verstanden waren --, sondern von Vergehen gegen Leib und Leben und gegen die Freiheit. Für die Vergehen gegen die Ehre besteht die Bundesgerichtsbarkeit nur, wenn sich der Angriff auf die Amtsführung bezieht. Im Bundesstrafrecht ist für die Amts-

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ehrbeleidigung gegen bestimmte Behörden eine besondere Strafvorschrift enthalten (Art. 59). Mit dem Inkrafttreten des schweizerischen Strafgesetzbuches würde aber die Zuständigkeit des Bundesgerichtes wegfallen, wenn nicht das revidierte Garantiegesetz; eine Kompetenzbestimmung enthielte.

Die bestehenden Bestimmungen über die Zuständigkeit des Bundesgerichtes (Bundesassisen oder Bundesstrafgericht) in bezug auf die Verbrechen und Vergehen gegen den Bund und die Bundesgewalt (Art. 45 f. BStE) bleiben vorbehalten (Art. 112 der Bundesverfassung, 107 und 125 der Gerichtsorganisation, 73 des Bundesstrafrechts). Mit der Unterstellung von Verbrechen und Vergehen des kantonalen Hechtes unter die Bundesgerichtsbarkeit ist bestimmt, dass diese Straftaten in erster Linie durch das Bundesstrafgericht beurteilt werden müssen, dass aber eine Delegation an die kantonalen Behörden nach besonderem Beschluss des Bundesrates oder des Justiz-und Polizeidepartementes möglich ist.

XI.

Nach dem, was wir unter I von der Anpassung des neuen Gesetzes an das alte grundsätzlich erklärt haben, können wir uns über die folgenden Artikel kurz fassen. Art. 8 reproduziert den alten Art. 5 mit der aus dem Organisations gesetze für die Bundesrechtspflege herübergenommenen Ausdehnung der Domizilbestimmung auf die Bundesrichter. Auch zitieren wir nunmehr statt des Art. 84 der 48er Bundesverfassung den Art. 96 der 74er Verfassung. -- Der alte Artikel 6 ist, wie bereits früher ausgeführt, aufgehoben. Die Art. 9 bis 18 entsprechen den alten Art. 7 bis 11 ohne Veränderung. Art. 14 gibt sachlich den alten Art. 12 wieder, trägt aber der bereits erwähnten. Tatsache Eechnung, dass Streitigkeiten über die Auslegung von Art. 9 (neu) nunmehr dem Bundesgerichte zugewiesen sind, zuerst durch Art. 179 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege, der seither aufgehoben und durch Art. 18 des Bundesgesetzes über die eidgenössische Verwaltungs- und Disziplinarrechtspflege vom 11. Juni 1928 ersetzt worden ist. --- In Art. 15 und 16 wird, die formelle Aufhebung des alten Gesetzes ausgesprochen und der Bundesrat mit dem Inkraftsetzen des neuen beauftragt. Die Übergangsbestimmung des alten Art. 13 wird ausgemerzt, da sie nur noch historische Bedeutung hat.

Wir empfehlen Ihnen, den beiliegenden Gesetzesentwurf anzunehmen, und versichern
Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 9. Oktober 1988.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Schulthess.

Der Bundeskanzler: Kaeslin.

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(Entwurf.)

Bundesgesetz über

die politischen und polizeilichen Garantien zu Gunsten der Eidgenossenschaft.

Die Bundesversammlung der schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsieht einer Botschaft des Bundesrates vom 9. Oktober 1938, beschliesst:

Art. 1.

1

Gegen die Mitglieder des Nationalrates und des Ständerates kann während der Dauer der Bundesversammlung eine polizeiliche oder gerichtliche Verfolgung wegen Verbrechen oder Vergehen, welche sieh nicht auf ihre amtliche Stellung beziehen, nur mit ihrer eigenen Zustimmung oder mit Zustimmung des Rates, welchem sie angehören, eingeleitet werden.

2 Vorbehalten bleibt die vorsorgliche Verhaftung wegen Fluchtverdachts; für eine solche mus s von der anordnenden Behörde innert 24 Stunden die Zustimmung des Eates direkt bei diesem nachgesucht werden, sofern der Verhaftete nicht sein schriftliches Einverständnis zur Haft gegeben hat.

Art. 2.

Ist bei Beginn der Bundesversammlung gegen ein Mitglied der eidgenössischen Bäte bereits eine polizeiliche oder gerichtliche Strafverfolgung wegen der in Art. l genannten Straftaten eingeleitet, so hat dieses das Becht, gegen die Fortsetzung der bereits angeordneten Haft sowie gegen Vorladungen zu wichtigen Verhandlungen durch Vermittlung des Bundesrates den Entscheid des Eates, welchem es angehört, anzurufen. Die Eingabe hat keine aufschiebende Wirkung.

2 Für erst nach Beginn der Bundesversammlung angeordnete Verhaftungen gilt das Verfahren nach Art. l, Abs. 2.

1

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Art; 3.

Gegenüber einer durch rechtskräftiges Urteil verhängten Strafhaft, deren Antritt vor Beginn der Bundesversammlung angeordnet wurde, kann das Iinmunitätsrecht nicht angerufen werden.

Art. 4.

1

Gegen die Mitglieder des Bundesrates, den Bundeskanzler und eidgenössische B.epräsentanten oder Kommissäre ist eine Verfolgung im Sinne von Art. l nur mit ihrer Zustimmung oder derjenigen des Bundesrates zulässig.

ä Die entsprechende Strafverfolgung gegen einen Bundesrichter ist nur mit seiner Zustimmung oder mit derjenigen des Gesamtgerichtes zulässig.

3 Wo in den Art. l bis 3 auf Beginn oder Dauer der Bundesversammlung abgestellt wird, ist hier sinngemäss abzustellen auf Antritt oder Dauer des Amtes oder des erhaltenen Auftrags.

4 Art. l, Abs. 2, und Art. 2, Abs. 2, sind entsprechend amvendbar.

Art. 5.

Bei Verweigerung der Zustimmung zw. Strafverfolgung durch Bundesrat, Bundesgericht, Nationalrat oder Ständerat kann die Strafverfolgungsbehörde bei der vereinigten Bundesversammlung Beschwerde führen.

Wer -wissentlich ohne Zustimmung de= Verhafteten oder des üur Erteilung der Bewilligung zuständigen Kates eine Verhaftung der in den vorstehenden.

Artikeln unter Schutz gestellten Personen vornimmt oder verfügt oder die in Art. l, Abs. 2, vorgeschriebene Einholung der Bewilligung unterlägst, wird gemäss Art. 60 des Bundesgesetzes vom 4. Februar 1853 über das Bundes-, strafrecht der schweizerischen Eidgenossenschaft bestraft. Vorbehalten bleiben die vorsorglichen Verhaftungen nach Art. l, Abs. 2, und Art. 2, Abs. 2.

Art. 7.

1

Die Verbrechen und Vergehen gegen Leib und Leben und gegen die Freiheit, welche an Mitgliedern des Bundesrates oder an dem Bundeskanzler verübt werden, unterstehen der Bundesgcrichtsba-rkeit: ebenso die Verbrechen.

und Vergehen gegen die Ehre, soweit sie sich auf die Amtsführung der genannten Beamten beziehen..

2 Diese Straftaten unterstehen der Bundesgerichtsbarkeit ebenfalls, wenn sie gegen Mitglieder der Bundesversammlung oder des Bundesgerichts, gegen eidgenössische Geschworne, gegen den Bundesanwalt oder die eidgenössischen

509 Untersuchungsrichter, gegen Ersatzmänner und Vertreter dieser Beamten, oder gegen eidgenössische Repräsentanten oder Kommissäre verübt werden, während die genannten Personen sich im wirklichen Dienste des Bundes befinden.

3 Die Bestimmungen über die Zuständigkeit des Bundesgerichts in bezug auf Verbrechen und Vergehen gegen den Bund und die Bundesgewalt bleiben vorbehalten.

Art. 8.

Die Mitglieder des Bundesrates und des Bundesgerichtes und der Bundeskanzler behalten ihr politisches und bürgerliches Domizil in denjenigen Kantonen bei, in welchen sie verbürgert sind. Besitzen dieselben in mehreren Kantonen das Bürgerrecht, so sind sie mit Beziehung auf Art. 96 der Bundesverfassung als demjenigen Kantone angehörig «u betrachten, in welchem sie zur Zeit der Wahl ihren Wohnsitz hatten, und, in Ermangelung des Wohnsitzes m einem dieser Kantone, als demjenigen angehörig, in welchem das Bürgerrecht das ältere ist. Sie stehen unter der Hoheit und der Gesetzgebung des betreffenden Kantons, soweit ihre Eigenschaft als Privatpersonen in Frage kommt. Dieser Grundsatz bezieht sich jedoch nicht auf den Besitz von Liegenschaften und auf die indirekten Steuern.

Art. 9.

Die Bundeskasse und alle unter der Verwaltung des Bundes stehenden Fonds sowie diejenigen Liegenschaften, Anstalten und Materialien, welche unmittelbar für Bundeszweoke bestimmt sind, dürfen von den Kantonen nicht mit einer direkten Steuer belegt werden.

Art. 10.

Die Kantone sind für das Eigentum der Eidgenossenschaft verantwortlieh, sofern dasselbe durch Störung der öffentlichen Ordnung in ihrem Innern beschädigt oder entfremdet wird.

Art. U.

Wenn der Bundesrat wegen öffentlicher Unruhen die Sicherheit der Bundesbehörden am Bundessitze für gefährdet erachtet, so ist er, abgesehen von andern verfassungsmässigen Sicherheitsmassregehi, berechtigt, seine eigenen Sitzungen an einen andern Ort zu verlegen und auch die Bundesversammlung an den gleichen Ort einzuberufen.

Art. 12.

Sollte infolge von Aufruhr oder anderer Gewalttat der Bundesrat ausserstande sein, zu handeln, so ist der Präsident des Kationalrates oder bei dessen

510 Behinderung der Präsident des Ständerates verpflichtet, sofort die beiden gesetzgebenden Eäte in einem beliebigen Kantone zu versammeln.

Art. IS.

1

Die zum Gebrauche der Bundesbehörden bestimmten Gebäude stehen unter der unmittelbaren Polizei derselben.

2 Während der Sitzungen der Bundesversammlung übt jeder Bat die Polizei in seinem Sitzungssaale aus.

Art. 14.

1

Streitigkeiten, welche über die Anwendung dieses Gesetzes entstehen, gehören in die Zuständigkeit der vereinigten Bundesversammlung, Hievon ausgenommen sind die Streitigkeiten über die Anwendung von Art. 9, die dem Bundesgerichte zugewiesen sind.

2 Allfällig erforderliche provisorische Verfügungen hat der Bundesrat zu erlassen.

Art. 15.

Durch dieses Gesetz wird das Bundesgesetz vom 23. Dezember 1851 über die politischen und polizeilichen Garantien zugunsten der Eidgenossenschaft aufgehoben.

Art. 16.

Der Bundesrat bestimmt den Zeitpunkt d.es Inkrafttretens dieses Gesetzes,

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zur Revision des Bundesgesetzes vom 23. Dezember 1851 über die politischen und polizeilichen Garantien zugunsten der Eidgenossenschaft. (Vom 9. Oktober 1933.)

In

Bundesblatt

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Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1933

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

43

Cahier Numero Geschäftsnummer

3019

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

18.10.1933

Date Data Seite

497-510

Page Pagina Ref. No

10 032 124

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