Bericht über das Ergebnis der EFTA- und WTO-Notifikationen des Entwurfs vom 1. März 2000 zu einer Änderung des Umweltschutzgesetzes vom 30. August 2000

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen den Bericht über das Ergebnis der EFTA- und WTONotifikationen des Ihnen mit Botschaft vom 1. März 2000 unterbreiteten Entwurfs zu einer Änderung des Umweltschutzgesetzes und beantragen Ihnen, davon Kenntnis zu nehmen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

30. August 2000

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

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Der Bundespräsident: Adolf Ogi Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2000-1855

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Übersicht Gemäss den geltenden staatsvertraglichen Verpflichtungen sind die Entwürfe von technischen Vorschriften vor deren Verabschiedung im Rahmen der EFTA und der WTO den anderen Vertragsparteien zur Stellungnahme vorzulegen. Das Ziel dieser so genannten Notifikationsverfahren besteht darin, allfällige Handelshemmnisse frühzeitig zu erkennen und berechtigten Einwendungen bereits im gesetzgeberischen Vorbereitungsverfahren Rechnung zu tragen. Da die Notifikationsverfahren im Zeitpunkt der Verabschiedung der Botschaft zu einer Änderung des Umweltschutzgesetzes noch nicht abgeschlossen waren, hat der Bundesrat beschlossen, den eidgenössischen Räten das Ergebnis dieser Verfahren zu gegebener Zeit nachzuliefern.

Die Notifikation der Änderung des Umweltschutzgesetzes im Bereich Biotechnologie hat im Rahmen des EFTA-Verfahrens, das auf informeller Basis auch die EU mit einbezieht, keine Reaktionen ausgelöst.

Im Rahmen des WTO-Verfahrens veranlasste die Notifikation (G/TBT/Notif.00/49) über die bevorstehende Gesetzesänderung hingegen die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) zu ausführlichen Kommentaren.

Die Bemerkungen der USA vom 3. April 2000 betreffen namentlich die drei folgenden Punkte: 1.

die Umsetzung des Verfassungsbegriffs «Würde der Kreatur»: Nach Auffassung der USA ist dieser Begriff unbestimmt, subjektiv und betrifft künftige Bewilligungen für den Gebrauch und die Produktion biotechnologischer Produkte. Die USA befürchten, dass als Folge dieses neuen Kriteriums biotechnologische Produkte einer strengeren Prüfung auf Umweltfolgen unterzogen werden könnten als konventionelle landwirtschaftliche Produkte.

2.

die Kennzeichnungspflicht für Produkte mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO): Die USA vertreten die Ansicht, dass eine Kennzeichnungspflicht nicht die beste Massnahme zur Information der Konsumentinnen und Konsumenten darstelle. Sie sind der Auffassung, dass sich Fragen hinsichtlich des Vollzuges sowie der Kosten für Konsumentinnen, Konsumenten, Produzentinnen und Produzenten stellen würden.

3.

die Haftpflichtbestimmungen für den Umgang mit GVO: Die USA stellen die Frage, wieso GVO gleich behandelt werden wie pathogene Organismen. Sie vertreten die Ansicht, dass keine Anhaltspunkte bestünden, die auf eine grössere inhärente Gefährlichkeit von GVO für die Umwelt schliessen lassen würden, als dies bei neuen, konventionell gezüchteten Pflanzen oder Tieren der Fall sei.

Im nachfolgenden Bericht ist eine ausführliche Zusammenfassung der Stellungnahme der USA und der schweizerischen Antwort sowie eine WTO-rechtliche Würdigung der von den USA vorgebrachten Einwände enthalten. Der Bericht kommt zum Schluss, dass das Risiko einer erfolgreichen Beschwerde gegen die Schweiz wegen der Gen-Lex-Vorlage als gering bezeichnet werden kann.

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Bericht 1

Ausgangslage

Am 1. März 2000 hat der Bundesrat über die Botschaft und einen Entwurf für eine Änderung des Umweltschutzgesetzes entschieden. Zu diesem Zeitpunkt waren die internationalen Notifikationsverfahren im Rahmen der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) und der Welthandelsorganisation (WTO) noch nicht abgeschlossen, weshalb der Bundesrat in Ziffer 1.2 der Botschaft (letzter Satz des Abschnitts «Internationale Handelsregeln», Seite 2400 des deutschen Textes) festhielt, dass das Ergebnis der Verfahren nach deren Abschluss den eidgenössischen Räten zur Kenntnis gebracht werde.

2

Ergebnis des EFTA-Notifikationsverfahrens

Die Notifikation der Änderung des Umweltschutzgesetzes im Bereich Biotechnologie hat im Rahmen des EFTA-Verfahrens, das auf informeller Basis auch die EU einbezieht, keine Reaktionen ausgelöst.

3

Ergebnis des WTO-Notifikationsverfahrens

3.1

Übersicht

Im Rahmen des WTO-Verfahrens veranlasste die Notifikation (G/TBT/Notif.00/49) der geplanten Gesetzesänderungen die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) zu ausführlichen Kommentaren.

Die Bemerkungen der USA vom 3. April 2000 betreffen namentlich die drei folgenden Punkte: 1.

die Umsetzung des Verfassungsbegriffs «Würde der Kreatur»: Nach Auffassung der USA ist dieser Begriff unbestimmt, subjektiv und betrifft künftige Bewilligungen für den Gebrauch und die Produktion biotechnologischer Produkte. Die USA befürchten, dass als Folge dieses neuen Kriteriums biotechnologische Produkte einer strengeren Prüfung auf Umweltfolgen unterzogen werden könnten als konventionelle landwirtschaftliche Produkte.

2.

die Kennzeichnungspflicht für Produkte mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO): Die USA vertreten die Ansicht, dass eine Kennzeichnungspflicht nicht die beste Massnahme zur Information der Konsumentinnen und Konsumenten darstelle. Sie sind der Auffassung, dass sich Fragen hinsichtlich des Vollzuges sowie der Kosten für Konsumentinnen, Konsumenten, Produzentinnen und Produzenten stellen würden.

3.

die Haftpflichtbestimmungen für den Umgang mit GVO: Die USA stellen die Frage, wieso GVO gleich behandelt werden wie pathogene Organismen.

Sie vertreten die Ansicht, dass keine Anhaltspunkte bestünden, die auf eine grössere inhärente Gefährlichkeit von GVO für die Umwelt schliessen lassen würden, als dies bei neuen, konventionell gezüchteten Pflanzen oder Tieren der Fall sei.

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3.2

Wichtigste Bemerkungen im Einzelnen

Neben allgemeinen Kommentaren haben die USA auch zu einzelnen Artikeln der Gen-Lex-Vorlage spezifische Bemerkungen angebracht. Auf diese wird nachfolgend gestützt auf die Ausführungen in der schweizerischen Erwiderung zur USStellungnahme eingegangen.

Was bedeutet «Würde der Kreatur»?

Der Begriff «Würde der Kreatur» ist ein Begriff des schweizerischen Verfassungsrechts (Art. 120 Abs. 2 BV). Darunter wird ein inhärenter Wert verstanden, der nichtmenschlichen Lebewesen eigen ist und der es verbietet, diese Lebewesen bloss als Mittel zum Zweck anzusehen.

Die geplante Änderung des Umweltschutzgesetzes (SR 814.01, USG) ­

schränkt das Verfassungsprinzip der Würde der Kreatur auf Tiere und Pflanzen ein;

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hält fest, dass eine Missachtung vorliegen kann, wenn zentrale Eigenschaften und Lebensweisen eines Tieres oder einer Pflanze beeinträchtigt werden;

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hält fest, dass die Würde der Kreatur kein absoluter Wert ist. Gentechnische Veränderungen können einen ernsthaften Eingriff in die Würde der Kreatur bedeuten und dennoch keine Missachtung der Würde der Kreatur darstellen.

Voraussetzung ist, dass der Eingriff im Rahmen einer Güterabwägung gerechtfertigt werden kann.

Der Begriff der Würde der Kreatur wird auf Verordnungsebene weiter konkretisiert werden.

Wird das Kriterium der Würde der Kreatur auch auf landwirtschaftliche Tätigkeiten ohne Gentechnologie angewendet werden?

Die Anforderung von Artikel 29a USG ist auf jeden Umgang mit Organismen anwendbar und somit nicht auf die Gentechnologie beschränkt. Nur Artikel 29a Absatz 2 über die Güterabwägung nimmt Bezug auf die Gentechnologie. Damit ist indes nicht ausgeschlossen, dass in andern Fällen (z.B. Tierzucht) analog vorgegangen wird.

Was bedeutet der Begriff "Würde der Kreatur" im Tierschutzgesetz? Wie muss seine Beachtung nachgewiesen werden?

Der Verfassungsgrundsatz der Würde der Kreatur wird im Tierschutzgesetz durch Vorschriften konkretisiert, die sowohl die Zucht als auch die gentechnische Veränderung von Tieren (Wirbeltieren) betreffen. Grundsätzlich wird für gentechnische Veränderungen von Tieren das gleiche Verfahren angewendet wie seit 1981 beziehungsweise 1997 für die Bewilligung von Tierversuchen. Da es offensichtlich ist, dass gentechnische Veränderungen oftmals die Würde der Kreatur nicht beeinträchtigen, soll dem Bundesrat die Kompetenz erteilt werden, in diesen Fällen die Verfahren zu vereinfachen oder sogar aufzuheben.

Welche Rolle spielt die Ethikkommission in den Bewilligungsverfahren? Auf Grund welcher ethischen Werte entscheidet sie?

Am 28. April 1998 hat der Bundesrat die Eidgenössische Ethikkommission für die Gentechnik im ausserhumanen Bereich eingesetzt. Dieses beratende Gremium wird 5032

während der Gesetzgebungs- und Bewilligungsverfahren konsultiert und seine Stellungnahmen werden von den Behörden bei der Entscheidfindung miteinbezogen.

Diese Ethikkommission ist aus anerkannten Ethikerinnen und Ethikern sowie aus Fachleuten anderer Disziplinen wie Biologie, Medizin oder Recht zusammengesetzt.

Die Ethikkommission befasst sich zurzeit mit den Kriterien für die Güterabwägung.

Eintreffende Gesuche werden als exemplarische Fälle behandelt und vertieft im Hinblick auf allgemeinere Kriterien diskutiert.

Ethische Betrachtungen sind nicht Bestandteil der biologischen Risikobeurteilung.

Erst das Resultat der Risikobeurteilung wird unter Einbezug ethischer Kriterien bewertet.

Was bedeutet der Begriff «überwiegende öffentliche Interessen» im Sinne von Art ikel 29a Absatz 3 E-USG?

Überwiegende öffentliche Interessen sind Interessen wie beispielsweise die öffentliche Ordnung oder die nationale Sicherheit. Die Bestimmung, dass Bewilligungen abgelehnt werden können, wenn den Gesuchen überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen, bedeutet nicht, dass deren Beurteilung auf anderen als wissenschaftlichen Grundlagen erfolgt.

Gilt Artikel 29d Absatz 3 E-USG nur für den Umgang in der Umwelt oder auch für Lebensmittel? Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe e und Artikel 27b des Landwir tschaftsgesetzes verlangen bereits eine Kennzeichnung gentechnisch veränderter landwirtschaftlicher Produkte. Wie unterscheiden sich diese beiden Artikel von Artikel 29d Absatz 3 E-USG?

Das Kapitel Organismen des Umweltschutzgesetzes regelt den Umgang mit Produkten, die vermehrungsfähige Organismen enthalten oder aus solchen bestehen.

Produkte, die aus gentechnisch veränderten Organismen (GVO) hergestellt sind, diese aber in vermehrungsfähiger Form nicht mehr enthalten, fallen deshalb nicht unter die Bestimmungen der Kennzeichnungsvorschriften des USG.

Das Lebensmittelgesetz und das Landwirtschaftsgesetz kennen diesbezüglich weitergehende Vorschriften. Ihr Geltungsbereich ist zwar auf eine bestimmte Produktegruppe (z.B. Lebensmittel bzw. landwirtschaftliche Produkte) eingeschränkt, ihre Kennzeichnungsvorschriften gelten indessen auch für solche Produkte, die aus GVO hergestellt sind.

Wie stehen die Kennzeichnungsvorschriften dieser Gesetzgebung zu jenen der TBT-Notifikation in G/SPS/N/CHE/17?

Die in der
erwähnten Notifikation aufgeführten Kennzeichnungsvorschriften sind diejenigen der Freisetzungsverordnung vom 25. August 1999. Die Vorschriften dieser Verordnung basieren auf den bestehenden Kennzeichnungsbestimmungen des Umweltschutzgesetzes.

Die Kennzeichnungsvorschriften des USG-Entwurfes (Notifikation G/TBT/Notif.00/49) werden die Grundlage sein für die künftige, nachgeordnete Regelung auf Verordnungsebene. Sie erlauben wie bisher die Einführung von Schwellenwerten für Produkte, die nur Spuren von GVO enthalten, und ermöglichen die Einführung eines freiwilligen Kennzeichnungssystems für Produkte, die ohne gentechnische Verfahren entstanden sind.

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Wie können sich Hersteller gegen Haftungsklagen zur Wehr setzen, wenn eine Definition der Würde oder der Missachtung der Würde fehlt? Was bedeutet Schaden in diesem Zusammenhang?

Schaden ist gemäss schweizerischem Haftpflichtrecht ein Vermögensschaden, beispielsweise der Verlust des Lebens oder eine Verletzung der persönlichen Unversehrtheit, sofern sich dies wirtschaftlich auswirkt, der Verlust oder die Beschädigung von Eigentum sowie der Verlust von Einkommen. Die Verletzung der kreatürlichen Würde von Tieren oder Pflanzen ist vom Schadensbegriff nicht erfasst und somit keine Grundlage für Haftungsklagen.

Welche Anforderungen werden an den Schadensnachweis durch GVO gestellt?

Der Nachweis des Schadens obliegt nach schweizerischem Recht der Klägerschaft.

Grundsätzlich sind der Schaden und die Ursache dafür nachzuweisen. Unter bestimmten Voraussetzungen, d.h., wo ein vollständiger Nachweis vernünftigerweise nicht verlangt werden kann, können auf Grund der Bundesgerichtspraxis erleichterte Bedingungen gewährt werden.

Das Gesetz sieht eine Verjährungsfrist von 3 Jahren für Schadenersatzforderungen vor. Wie wurde dieser Zeitrahmen festgelegt?

Nach heutigem Schweizer Recht beträgt die relative Verjährungsfrist ein Jahr. Diese Frist wird generell als zu kurz und die Verlängerung auf drei Jahre als angemessen beurteilt. Das Europarats-Übereinkommen vom 21. Juni 1993 über die zivilrechtliche Haftung für Schäden durch umweltgefährdende Tätigkeiten sieht ebenfalls eine Frist von drei Jahren vor.

Artikel 59c E-USG bedeutet, dass die absolute Verjährungsfrist für Schäden gen erell auf 20 Jahre und spezifisch für gentechnisch veränderte und pathogene Org anismen auf 30 Jahre beschränkt sind. Warum werden GVO gleich behandelt wie pathogene Organismen?

Während pathogene Organismen als gefährlich eingestuft werden, ist bei gentechnisch veränderten Organismen die geringe Kenntnis über Langzeitfolgen der Grund für die besondere Regelung, insbesondere für die längere Verjährungsfrist von 30 Jahren.

Die Anforderung des Lebensmittelgesetzes, dass eine Gesundheitsgefährdung au sgeschlossen werden müsse, könnte sich als nicht zu erfüllende Vorschrift erweisen und faktisch als Verbot auswirken.

Die Anforderung von Artikel 9 des Lebensmittelgesetzes lautet «wenn nach den aktuellen Erkenntnissen der Wissenschaft
eine Gesundheitsgefährdung nicht ausgeschlossen werden kann». Eine Gesundheitsgefährdung muss somit nicht «vollständig» ausgeschlossen werden.

100 Prozent Gewissheit oder Nullrisiko gibt es nicht; solche Nachweise können demzufolge auch gar nicht verlangt werden. Die Risikobeurteilung gemäss Verordnung über die Bewilligung von GVO (VBGVO) stützt sich auf wissenschaftliche Grundlagen und enthält deshalb keine solchen Anforderungen. Die Beurteilung der Gesundheitsgefährdung muss nach dem Prinzip der substanziellen Gleichwertigkeit (substantial equivalence) erfolgen, d.h., der zu beurteilende Organismus muss mit andern bekannten Organismen bezüglich der Gesundheitsgefährdung verglichen werden. GVO-Produkte werden zugelassen, wenn sie, verglichen mit konventionellen Produkten, keine zusätzlichen Risiken bergen.

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GVO-Produkte werden beurteilt und zugelassen im Wissen um ein Restrisiko. Zugelassene Produkte werden deshalb einer Langzeitüberwachung unterstellt. Sollten in dieser Zeit neue wissenschaftlich begründete Informationen bezüglich der Gefährdung von Mensch und Umwelt bekannt werden, so kann eine erteilte Bewilligung jederzeit widerrufen werden. Für das Inverkehrbringen ist die Forderung, dass ein Produkt «nie ein Risiko darstellen könnte», keine Bewilligungsvoraussetzung.

Gestützt auf die heutige Rechtslage sind bereits verschiedene GVO-Produkte beurteilt und für das Inverkehrbringen bewilligt worden. Darunter sind Produkte mit Soja (Roundup-Ready), Mais (Bt176 und Bt11)1 sowie Vitamin B12. Die bestehende Praxis belegt, dass das Lebensmittelgesetz eine geeignete Rechtsgrundlage ist und keineswegs ein «unmöglicher, unvernünftiger Standard».

Die Vorlage sagt weder über die Art und Häufigkeit der Prüfung gentechnischer Produkte noch über die behördliche Kontrolle etwas aus.

Das Umweltschutzgesetz ist ein Bundesgesetz und enthält als solches nur die Grundanforderungen und Eckwerte. Es bietet in diesem Sinne die Rechtsgrundlage für die Prüfanforderungen. Detaillierte Vorschriften wie die Häufigkeit einer Überwachung oder die geeignete Testmethode werden nicht in Bundesgesetzen verankert, sondern in nachgeordneten Verordnungen.

Heute ist in der Praxis die DNA-Analyse das Standardverfahren für den Nachweis gentechnischer Veränderungen in Lebensmitteln, Futtermitteln und Saatgut. Für alle GVO-Produkte auf dem Schweizer Markt sind Screening Methoden verfügbar, die zuverlässig und weitverbreitet sind. Produkte werden von akkreditierten Laboratorien mit Hilfe validierter Methoden und zertifiziertem Material untersucht. Dies stellt die notwendige Rechtssicherheit und Gleichbehandlung sicher. Da Schwellenwerte für die Kennzeichnung von konventionellen Produkten bestehen, die Spuren von GVO enthalten, ist die Frage der Empfindlichkeit der Nachweismethoden für die bewilligten GVO-Produkte ohne Bedeutung.

Artikel 146a des Landwirtschaftsgesetzes hält fest, dass gentechnisch veränderte Nutztiere nur in Verkehr gebracht werden dürfen, wenn wichtige Gründe deren Produktion und Absatz rechtfertigen. Was sind in diesem Zusammenhang «wichtige Gründe»?

Nach heutigem Wissen können die Möglichkeiten und Entwicklungen
der Gentechnologie bei landwirtschaftlichen Nutztieren noch nicht abschliessend beurteilt werden. Dem Bundesrat wird deshalb die Kompetenz zuerkannt, eine Bewilligungspflicht vorzusehen und dafür das Kriterium «wichtige Gründe» zu konkretisieren.

Dieses Kriterium heute schon präzisieren zu wollen, wäre verfrüht. Unter den möglichen Applikationen der Gentechnologie im Nutztierbereich steht die Zucht krankheitsresistenter Rassen im Vordergrund.

Bei der Konkretisierung des Artikels 146a des Landwirtschaftsgesetzes wird der Bundesrat generelle Prinzipien wie diejenigen der Verhältnismässigkeit, Wissenschaftlichkeit und der Gleichbehandlung berücksichtigen und sich an den einschlägigen internationalen Standards und Empfehlungen orientieren.

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Am 27. Juli 2000 wurde ausserdem der Mais Mon810 als Lebens- und Futtermittel bewilligt.

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WTO-rechtliche Würdigung der US-Stellungnahme

4.1

Einleitung

Im Folgenden soll kurz eine Einschätzung der wichtigsten WTO-relevanten Aspekte der US-Stellungnahme vorgenommen sowie der Handlungsspielraum aufgezeigt werden, den die internationalen Handelsregeln den nationalen Gesetzgebern in diesem Bereich einräumen. Dabei gilt es zu beachten, dass die WTO-Prinzipien und -Regeln kein starres, abgeschlossenes System darstellen. Sie werden vielmehr durch die Praxis und Beschlüsse der WTO-Mitgliedstaaten weiterentwickelt und durch die Rechtsprechung im Rahmen der WTO-Streitbeilegungsverfahren konkretisiert. Diese Entwicklung ist geprägt durch eine zunehmende Berücksichtigung von Umweltanliegen. Zudem besteht die Aussicht, dass die gegenwärtigen WTO-Regeln im Rahmen einer künftigen Verhandlungsrunde neu diskutiert werden. Die folgenden Ausführungen stellen daher eine Beurteilung auf der Grundlage der gegenwärtigen WTO-rechtlichen Rahmenbedingungen dar.

Die auf das GATT aufbauende WTO verfolgt das Ziel, durch die Schaffung einer offenen und transparenten multilateralen Handelsordnung günstige Voraussetzungen für nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu schaffen. Dazu wurden eine Reihe von Prinzipien und Regeln aufgestellt. Namentlich sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, gleiche Produkte gleich zu behandeln. Insbesondere müssen die Vertragsparteien Zugeständnisse, die sie einem anderen Staat gewährt haben, grundsätzlich an alle WTO-Vertragsparteien weitergeben (Prinzip der Meistbegünstigung) sowie ausländische Waren gleich wie gleichartige inländische Güter behandeln (Prinzip der Inländerbehandlung). Mengenmässige Beschränkungen sowie unnötige Handelshemmnisse sind zudem verboten. Der Grundsatz der Transparenz gebietet schliesslich, dass die handelsrelevanten Massnahmen offen zu legen sind. Diese auch für die Gen-Lex-Vorlage relevanten WTO-Regeln betreffen grundsätzlich den grenzüberschreitenden Handel und damit die Einfuhr von gentechnisch veränderten Organismen, sie befassen sich jedoch nicht mit dem Umgang mit Organismen in der Schweiz. Für die USA haben dagegen insbesondere die die Vermarktung gentechnisch veränderter Produkte betreffenden Regeln höchste Priorität. Dies drückt sich u.a. in Form von Verhandlungsvorschlägen im Rahmen der WTO, aber auch in ihrer Stellungnahme zur schweizerischen Notifikation der Gen-Lex-Vorlage aus.

4.2

Einzelne Elemente der US-Stellungnahme im Lichte der WTO

Schutz der «Würde der Kreatur» und Ethikkommission Mit der Gen-Lex-Vorlage soll der Verfassungsauftrag betreffend die Beachtung der Würde der Kreatur umgesetzt werden. Dazu wird der Grundsatz statuiert, dass bei Tieren und Pflanzen die Würde der Kreatur nicht missachtet werden darf. Zudem wird eine Ethikkommission geschaffen, die in beratender Funktion zu ethischen Fragen Stellung nimmt. Die WTO befasst sich grundsätzlich nicht mit allgemeinethischen Überlegungen. Solange derartige Überlegungen nicht zu Handelsbeschränkungen führen, die nicht durch von der WTO anerkannte Gründe wie den Schutz der Umwelt, der Gesundheit oder der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt werden können, wird daher kein Konflikt mit den Regeln der WTO geschaffen. So wirft denn auch die vorgeschlagene Voraussetzung, dass vor einer gentechnischen 5036

Veränderung des Erbmaterials von Tieren und Pflanzen eine Güterabwägung durchzuführen ist, keine WTO-relevanten Fragen auf, da diese Bestimmung nicht auf den grenzüberschreitenden Handel mit gentechnisch veränderten Organismen, sondern bloss auf die Vornahme von gentechnischen Veränderungen in der Schweiz anwendbar ist.

Ungleichbehandlung gentechnisch veränderter und konventioneller Produkte Die Gen-Lex-Vorlage statuiert eine Ungleichbehandlung von gentechnisch veränderten und konventionellen, d.h. nicht gentechnisch veränderten Produkten. Die Frage, inwiefern gentechnisch veränderte und konventionelle Produkte als gleichartig zu betrachten sind, ist im Rahmen der WTO bisher noch nicht abschliessend geklärt worden. Die Schweiz vertritt jedoch die Meinung, dass es sich dabei nicht um gleichartige Produkte handelt. Dementsprechend ist eine Ungleichbehandlung auch zulässig. Doch selbst wenn von der Gleichartigkeit von gentechnisch veränderten und konventionellen Produkten ausgegangen würde, liesse sich u.E. eine Ungleichbehandlung rechtfertigen, wenn diese für die Verwirklichung berechtigter Ziele, namentlich die Verhinderung irreführender Praktiken, den Schutz der Gesundheit und Sicherheit von Menschen, des Lebens oder der Gesundheit von Tieren und Pflanzen oder der Umwelt notwendig ist.

Inverkehrbringen von GVO Der vorgeschlagene Artikel 29a Absatz 3 E-USG sieht vor, dass Bewilligungen für das Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Organismen verweigert werden können, wenn überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Gemäss WTORecht wäre dies z.B. aus Gründen des ordre public zulässig. Eine Verweigerung des Inverkehrbringens eines gentechnisch veränderten Organismus aus anderen als im Rahmen der WTO anerkannten Gründen könnte dagegen einen Konflikt zu den WTO-Verpflichtungen schaffen.

Haftpflicht Die WTO kennt keine Regeln betreffend das Haftpflichtrecht ihrer Mitgliedstaaten.

Allerdings darf ein nationales Haftpflichtregime die in 4.1 dargelegten Prinzipien nicht verletzen, namentlich darf es nicht derart ausgestaltet werden, dass es indirekt den Marktzugang für ausländische Produkte erschwert. Die in der Gen-Lex-Vorlage vorgesehene längere Haftungsdauer für gentechnisch veränderte Organismen ist aus WTO-rechtlicher Sicht unproblematisch, falls gentechnisch veränderte Organismen und
andere Organismen nicht als «gleichartig» gelten. Selbst wenn diese jedoch aus WTO-Sicht als gleichartige Produkte gelten würden, würde eine unterschiedliche Haftungsdauer für Schäden, die wegen des Umgangs mit gentechnisch veränderten Organismen entstanden sind, keinen Konflikt zu WTO-Recht schaffen, sofern die längere Haftungsdauer tatsächlich durch ein mit der gentechnischen Veränderung im Zusammenhang stehendes höheres Risiko oder eine höhere Ungewissheit begründet werden kann.

4.3

Schlussfolgerungen

Die oben erwähnten Ausführungen zeigen, dass aus WTO-rechtlicher Sicht für den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen ein relativ grosser Handlungsspielraum besteht. Problematischster Punkt dürften die Kriterien für die Zulassung 5037

von gentechnisch verändertem Saatgut sein. Hier gilt es insbesondere zu beachten, dass eine Nichtbewilligung des Inverkehrbringens von gentechnisch veränderten Organismen aus anderen als von der WTO anerkannten Gründen ein nicht zu unterschätzendes Konfliktpotenzial zur WTO schaffen würde. Die Verweigerung einer Bewilligung wäre nur zulässig, wenn dies für den Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen, der Umwelt, des ordre public oder der nationalen Sicherheit tatsächlich notwendig ist. Bei der Ausgestaltung der Ausführungsbestimmungen zur Gen-Lex-Vorlage und deren Anwendung wird zudem zu beachten sein, dass jene entsprechend den internationalen Verpflichtungen notifiziert werden und dass namentlich auch die Verfahren für den Nachweis gentechnischer Veränderungen nicht-diskriminierend und transparent sind und nicht zu unnötigen Handelshemmnissen führen. Wenn bei der weiteren Beratung der Vorlage sowie dem Erlass der Ausführungsbestimmungen den oben dargelegten Erwägungen Rechnung getragen wird, schätzen wir das Risiko einer erfolgreichen Beschwerde gegen die Schweiz wegen der vorgeschlagenen Gen-Lex-Vorlage grundsätzlich als gering ein.

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