99.435 Parlamentarische Initiative Revision der Gesetzesbestimmungen über die parlamentarische Immunität Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates vom 13. August 1999

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren die Kommission unterbreitet Ihnen gemäss Artikel 21ter Absatz 3 in Verbindung mit 21quater des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG, SR 171.11) ihren Bericht und überweist ihn gleichzeitig dem Bundesrat zur Stellungnahme.

Die Kommission für Rechtsfragen beantragt, mit 7 gegen 6 Stimmen dem Entwurf zur Änderung des Verantwortlichkeitsgesetzes zuzustimmen (Minderheitsanträge sind beigefügt).

13. August 1999

Im Namen der Kommission

10817

Die Präsidentin: Christiane Brunner

646

2000-0152

Bericht I 1

Allgemeiner Teil Ausgangslage

Am 6. Mai 1999 hat die Kommission für Rechtsfragen gestützt auf Artikel 21ter Absatz 3 in Verbindung mit Artikel 21quater des Geschäftsverkehrsgesetzes1 beschlossen, den Räten mit einer parlamentarischen Initiative Änderungen der Bestimmungen über die parlamentarische Immunität im Verantwortlichkeitsgesetz2 (Art. 14) vorzuschlagen. Anlass dazu gaben die Auseinandersetzungen über die Bedeutung der parlamentarischen Immunität im Fall von Nationalrat Rudolf Keller (98.063) 3.

2

Arbeiten der Kommission

An ihrer Sitzung vom 13. August 1999 hat die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates die vorliegenden Gesetzesänderungen zu Handen des Ständerates verabschiedet. Entgegen der von der Kommissionpräsidentin am 16. Juni 1999 vor dem Ständerat geäusserten Absicht4, die Bestimmungen über die relative Immunität der Ratsmitglieder ersatzlos zu streichen, entschloss sich die Mehrheit der Kommission für Rechtsfragen nach eingehender Diskussion, den Artikel 14 des Verantwortlichkeitsgesetzes in Fortsetzung der seinerzeit zur parlamentarischen Initiative Rüesch (91.424) geführten Diskussion5 einschränkender zu formulieren, die relative Immunität für Ratsmitglieder aber grundsätzlich beizubehalten.

3

Erwägungen der Kommission

3.1

Allgemeines

Die parlamentarische Immunität6 will Parlamentarierinnen und Parlamentarier in der Ausübung ihrer politischen Tätigkeit schützen und somit ganz allgemein das Funktionieren des Parlaments sichern.

1 2 3 4 5

6

SR 171.11 SR 170.32 AB 1998 N 2760 ff. und 1999 N 639 ff.; AB 1999 S 5 ff. und 560 ff.

AB 1999 S 561 Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates vom 20. Januar 1994 (BBl 1994 II 848), Stellungnahme des Bundesrates vom 29. Juni 1994 (BBl 1994 III 1429); Beratungen im Ständerat (AB 1992 S 1269 ff., 1994 S 1003 ff. und 1995 S 982 f.

[Nichteintreten]) und im Nationalrat (AB 1995 N 1237 f.)

vgl. dazu: Lanz-Baur Regula, Die parlamentarische Immunität in Bund und Kantonen der schweizerischen Eidgenossenschaft, Zürich 1963 ; Wallimann-Bornatico Mariangela, Die Parlamentarische Immunität der Mitglieder des National- und Ständerates, in SJZ 1988 (89) 351; Gadient Brigitta M., Die parlamentarische Immunität im Bund, in: Parlament ­ Oberste Gewalt des Bundes, Festschrift Parlament, Parlamentsdienste (Hrsg.), Bern 1991

647

Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen drei Arten von Immunität: ­

Bei der sogenannten absoluten Immunität gemäss Artikel 2 Absatz 2 des Verantwortlichkeitsgesetzes, wonach Ratsmitglieder für ihre Voten im Rat oder in den Kommissionen nicht verantwortlich gemacht werden können, ist keine Aufhebung der Immunität möglich, da überhaupt kein Strafanspruch entsteht. Diese Immunität ist in Artikel 162 der neuen Bundesverfassung vom 18. Dezember 1998 ausdrücklich garantiert7.

­

Bei der Sessionsteilnahmegarantie gemäss Artikel 1 und 2 des Garantiegesetzes8, welche festlegt, dass für Delikte, die in keinem Zusammenhang mit der Amtstätigkeit stehen, die Strafverfolgung während der Session unzulässig ist, kann die Immunität in einem relativ einfachen Verfahren aufgehoben werden. Es genügt das schriftliche Einverständnis des oder der Betroffenen und bei dessen Fehlen die Zustimmung des Rates, dem der oder die Betroffene angehört.

­

Zwischen diesen beiden Arten von Immunität liegt die Immunität für Delikte, die mit der Amtstätigkeit in Zusammenhang steht, die sog. relative Immunität. Gemäss Artikel 14 des Verantwortlichkeitsgesetzes ist die Aufhebung dieser Immunität zwar möglich, aber nur durch Zustimmung beider Räte. Das Einverständnis des oder der Betroffenen ist als Aufhebungsgrund nicht vorgesehen, da die immunitätsrechtliche Unantastbarkeit ins Verhältnis zur Funktionsfähigkeit und somit zu den Interessen des Parlamentes als Ganzes zu setzen ist und folgerichtig die Entscheidung über die Aufhebung der Immunität allein diesem obliegt.

Die praktische Bedeutung der parlamentarischen Immunität ist nicht gross. Die Kasuistik beschränkt sich seit 1970 mit wenigen Ausnahmen auf die relative Immunität. Nationalrat und Ständerat haben aus der knappen gesetzlichen Regelung ihre eigene Praxis entwickelt, die aber immer wieder Anlass zu Diskussionen gab. 1991 verabschiedeten deshalb die früheren Petitions- und Gewährleistungskommissionen von National- und Ständerat Richtlinien für die Auslegung und Handhabung von Artikel 14 Absatz 1 des Verantwortlichkeitsgesetzes.

Mit seinem Grundsatzentscheid zur parlamentarischen Initiative Rüesch hielt der Ständerat am 15. Dezember 19929 jedoch fest, dass er zur Einschränkung der relativen Immunität insbesondere mit Blick auf die Abgrenzungsschwierigkeiten zur privaten/beruflichen und parlamentarischen Tätigkeit eine Änderung des Verantwortlichkeitsgesetzes für notwendig erachte, und er beschloss deshalb am 5. Oktober 1994 eine entsprechend einschränkendere Formulierung von Artikel 14 Absatz 1 des Verantwortlichkeitsgesetzes10. Weil es der Nationalrat aber in der Folge am 12. Juni 1995 ablehnte, auf die Vorlage einzutreten11, beschloss der Ständerat am 3. Oktober 1995 seinerseits, das Geschäft nicht weiter zu verfolgen12. Die erwähnten Richtlinien aus dem Jahre 1991 gelten deshalb weiterhin.

7 8 9 10 11 12

648

BBl 1999 I 198 SR 170.21 AB 1992 S 1269 ff.

AB 1994 S 1030 ff.

AB 1995 N 1237 f.

AB 1995 S 982 f.

3.2

Die heutige Regelung und die Praxis zu Artikel 14 Absatz 1 des Verantwortlichkeitsgesetzes

3.2.1

Voraussetzung für das Eintreten auf ein Immunitätsaufhebungsgesuch

Das Immunitätsaufhebungsverfahren setzt voraus, dass gegen die in Artikel 14 Absatz 1 des Verantwortlichkeitsgesetzes genannten Personen eine Strafverfolgung in Gang gesetzt werden soll wegen strafrechtlicher Handlungen, die sich auf ihre amtliche Tätigkeit oder Stellung beziehen. Eine solche Strafverfolgung bedarf der Ermächtigung der eidgenössischen Räte.

Die Prüfung erfolgt in zwei Schritten: Zunächst ist der Zusammenhang zwischen der geltend gemachten strafbaren Handlung und der amtlichen Tätigkeit oder Stellung des Parlamentariers zu untersuchen, bevor anschliessend der eigentliche Entscheid über eine allfällige Aufhebung der Immunität gefällt wird.

Begriffswesentlich ist demnach, dass die Handlung oder Unterlassung bei Anlass oder in Wahrnehmung parlamentarischer Aufgaben und Obliegenheiten vorgekommen sind. Wird der Zusammenhang bejaht, ist auf das Begehren um Aufhebung der Immunität einzutreten. Wird er verneint, erfolgt ohne weiteres die Beurteilung durch die Strafjustizbehörden.

3.2.2

Kriterien für den materiellen Entscheid

Zweiter Teil des Immunitätsaufhebungsverfahrens ist der Entscheid über die Frage, ob die Immunität aufzuheben sei oder nicht. Dabei ist eine Abwägung der öffentlichen Interessen vorzunehmen, nämlich zwischen dem öffentlichen Interesse an der ungehinderten Ausübung des parlamentarischen Mandats und damit der Funktionsfähigkeit der Volksvertretung insgesamt auf der einen Seite und dem ebenfalls öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung andererseits.

Diese Güterabwägung hat anhand sachlich vertretbarer Gründe zu erfolgen. Als Leitlinie hat die Verhältnismässigkeit zu gelten, das heisst, die Aufhebung bzw.

Nichtaufhebung der Immunität muss in Anbetracht aller Umstände des konkreten Falles als angemessene Reaktion auf Bedeutung und Gewicht des inkriminierten Verhaltens erscheinen. Die Abwägung darf füglich von der besonderen staatspolitischen Bedeutung der ungehinderten Ausübung des parlamentarischen Mandats und von der Funktion der Volksvertretung als oberste Gesetzgebungs- und Aufsichtsinstanz ausgehen und diesen Faktoren einen hohen Stellenwert beimessen.

Der Grundsatz der Angemessenheit berechtigt indes nicht, die Immunität generell oder schlechthin voranzustellen. Bei der Handhabung bleibt stets zu beachten, dass das Strafverfolgungsprivileg eine Ausnahme von dem ebenso allgemeinen Grundsatz der gleichmässigen Strafverfolgung (Offizialprinzip) darstellt. Immerhin gilt aber eben das Opportunitätsprinzip, das seinerseits Ausfluss des Gedankens der Angemessenheit ist. Es gestattet den eidgenössischen Räten, sich ein summarisches Urteil über die strafrechtliche Relevanz des Verhaltens zu bilden. Eine strafbare Handlung muss ernsthaft in Frage stehen, und es sind ausreichende Anhaltspunkte dafür namhaft zu machen. Selbst wenn eine strafbare Handlung anzunehmen ist, gestattet der Grundsatz der Angemessenheit und damit auch der Opportunität, Bagatellfälle, offensichtlich missbräuchliche oder rein politisch motivierte Strafanzeigen 649

oder Strafsachen, beispielsweise um die politische Auseinandersetzung zu behindern oder gar auszuschliessen, nicht dem Strafrichter zu überweisen. In diesen Fällen erscheint es gerechtfertigt, die Immunität nicht aufzuheben.

3.3

Kritik der heutigen Regelung und Praxis

Die parlamentarische Immunität stellt eine Ausnahmeregelung im Sinne eines Privilegs dar. An den Immunitätsentscheid sind deshalb hohe Anforderungen zu stellen. Die relative Immunität wurde vom Parlament in den letzten Jahren so gehandhabt, dass im Zweifelsfalle der Zusammenhang mit der amtlichen Tätigkeit oder Stellung bejaht und die Aufhebung der Immunität abgelehnt wurde. Der Immunitätsschutz wurde durch diese Praxis stark ausgedehnt.

Insbesondere bei der zunächst erfolgenden Prüfung, ob sich die behauptete strafbare Handlung auf die amtliche Tätigkeit oder Stellung des Parlamentsmitglieds beziehe oder nicht, verfährt die heutige Praxis äusserst grosszügig. Bereits ein politisches Engagement an sich wurde in einigen Fällen bei der Beurteilung des Zusammenhanges zwischen Handlung und Funktion als ausreichend angenommen und Eintreten auf das Begehren bejaht.

Die bisherige Praxis hat es sich allzu leicht gemacht und damit die Gefahr geschaffen, dass der Strafanspruch des Verletzten ohne Not verkürzt wird.

II Besonderer Teil 4

Vorschlag der Kommissionsmehrheit

Aus den dargelegten Gründen erscheint der Kommission eine Revision von Artikel 14 Absatz 1 des Verantwortlichkeitsgesetzes angebracht, welche vor allem mit Bezug auf den Zusammenhang der behaupteten strafbaren Handlung mit der amtlichen Tätigkeit oder Stellung zu einer restriktiveren Praxis führt.

Mit der Formulierung, dass sich die Handlung unmittelbar auf die amtliche Tätigkeit beziehen muss, wird dem Grundsatz der Einengung des Tatbestandes Rechnung getragen. Damit wird auch einem seinerzeit vom Bundesrat gegen die Formulierungsvorschläge im Zusammenhang mit der parlamentarischen Initiative Rüesch vorgebrachten Bedenken Rechnung getragen13. Ein zwingender Konnex zwischen Handlung und Funktion muss damit tatsächlich gegeben sein; politisches Interesse oder Engagement in einer bestimmten Angelegenheit reichen dafür nicht (mehr) aus. Begriffswesentlich ist demnach, dass die Handlung oder Unterlassung bei Anlass oder in direkter Wahrnehmung parlamentarischer Obliegenheiten bzw. im engen Umfeld der parlamentarischen Tätigkeit vorgekommen ist.

Anders als im bisherigen Text nach Artikel 14 Absatz 1 des Verantwortlichkeitsgesetzes wird die «Stellung» der Parlamentsmitglieder nicht mehr besonders erwähnt.

Damit soll klar gemacht werden, dass blosses Handeln mit Hinweis auf die Stellung

13

650

Stellungnahme des Bundesrates vom 29. Juni 1994, BBl 1994 III 1429; Votum BR Koller vor dem Ständerat, AB 1994 S 1032.

als Parlamentsmitglieder (oder sogar deren Betonung) den nun geforderten engen Zusammenhang für sich allein nicht zu begründen vermag.

Es sind folgende Fallgruppen zu unterscheiden: 1.

Bei den strafbaren Handlungen gegen die Amtspflicht (Art. 312 ff. StGB) ist dieser Zusammenhang in aller Regel gegeben. Er ist beispielsweise zu bejahen, wenn eine Amtsgeheimnisverletzung begangen wurde, weil die betroffene Person in ihrer parlamentarischen Eigenschaft Kenntnis von an sich geheim zu haltenden Vorgängen erhalten hat und sich für berechtigt oder für verpflichtet hielt, davon ausserhalb der parlamentarischen Beratungen Gebrauch zu machen.

2.

Der geforderte enge Zusammenhang ist ferner anzunehmen, wenn eine Parlamentarierin oder ein Parlamentarier in Vorträgen, einem Schrifterzeugnis und an öffentlichen Diskussionen, vorab an Radio und Fernsehen, politische Themen von allgemeiner Bedeutung behandelt und hiebei insbesondere Kenntnisse und Einsichten verwendet, die sie oder er im konkreten Fall zur Hauptsache in der parlamentarischen Tätigkeit erworben oder gewonnen hat.

Insoweit umfasst die Meinungsäusserungsfreiheit auch das Recht zu einer gewissen Polemik in politischen Auseinandersetzungen sogar in zugespitzter Form. Die Immunität soll durchaus einen Sicherheitswall gegen Beschränkungen in diesem Bereich bieten. Kommt es in diesem Zusammenhang zu strafrechtlich relevanten Handlungen, sollen die eidgenössischen Räte materiell darüber befinden, ob die Immunität aufzuheben ist oder nicht.

Es liegt im Wesen der gesetzlichen Regelung, dass weder ein abschliessender Negativ- noch ein abschliessender Positivkatalog der Sachverhalte aufgestellt werden kann, wo die Immunität anzuerkennen bzw. abzulehnen ist. Die Güterabwägung kann nicht formalisiert werden, sondern bleibt eine anspruchsvolle, politisch bedeutsame Aufgabe der eidgenössischen Räte.

Die vorliegende Revision des Verantwortlichkeitsgesetzes soll den Umgang mit Gesuchen um Aufhebung der relativen Immunität durch eine klarere Definition des Tatbestandes erleichtern und zu einer restriktiveren Praxis führen. Gelingt es, die Prüfung des Zusammenhanges mit der parlamentarischen Tätigkeit korrekt vorzunehmen und vom materiellen Entscheid abzugrenzen, dürfte die Problematik des Strafverfolgungsprivilegs weitgehend entschärft sein.

5

Kommissionsminderheiten

5.1

Minderheit I: Nicht eintreten

Eine erste Kommissionsminderheit (Schmid Carlo) beantragt, auf die Vorlage nicht einzutreten. Nach dieser Minderheit soll die parlamentarische Immunität den Parlamentsmitgliedern ermöglichen, ihr politisches Mandat ­ selbst mit einer gewissen Polemik ­ auszuüben, ohne eine Intervention des Richters befürchten zu müssen.

Die ungleiche Behandlung zugunsten der vom Volk gewählten Parlamentsmitglieder wird dadurch legitimiert, dass diese auf eine privilegierte Stellung, die ihnen bei der Ausübung ihres politischen Mandats grosse Handlungsfreiheit sichert, angewiesen sind. Folgt man dem Antrag der Kommissionsmehrheit auf Einschränkung der relativen Immunität, so besteht zudem die Gefahr, dass sich die Parlamentsmitglieder hinter ihrer absoluten Immunität verschanzen und diese missbrau651

chen. Gegenstand von Druck und Kritik würde dann das Institut der absoluten Immunität. Mit einer Verminderung des parlamentarischen Schutzes durch Streichung des Begriffs «Stellung» in Artikel 14 Absatz 1 würde schliesslich das Risiko einer zunehmenden Zahl kostspieliger Prozesse heraufbeschworen, die zum Ziel hätten, auserwählte politische Gegner zum Schweigen zu bringen.

Aus diesen Gründen beantragt die erste Minderheit, die geltende Regelung nicht zu ändern.

5.2

Minderheit II: Abschaffung der relativen Immunität

Eine zweite Minderheit (Marty, Aeby, Brunner, Hess, Saudan, Schweiger) will die relative Immunität der Parlamentarierinnen und der Parlamentarier überhaupt abschaffen. Die relative Immunität stellt eine Privilegierung der Parlamentsmitglieder gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern dar, die nicht mit einem Volksvertretungsmandat ausgestattet sind. Wie die bisherige Praxis zeigt, war das Parlament bei Immunitätsaufhebungen immer sehr zurückhaltend, indem es bei der Prüfung, ob zwischen strafbarer Handlung und amtlicher Tätigkeit oder Stellung ein Zusammenhang besteht, äusserst grosszügig verfuhr. Schwierigkeiten stellen sich auch dadurch, dass die Räte summarisch zu beurteilen haben, ob das inkriminierte Verhalten objektiv und subjektiv von strafrechtlicher Relevanz ist. Angesichts dieser Schwierigkeiten ist die Minderheit der Meinung, dass es insbesondere aus Gründen der Gleichbehandlung nicht mehr gerechtfertigt ist, den Ratsmitgliedern für ihre Umtriebe ausserhalb des Parlaments eine besondere Rechtsstellung einzuräumen, welche sie gegenüber Personen privilegiert, die sich zum Beispiel als NichtParlamentarier für politische Anliegen einsetzen. Die Minderheit weist zudem darauf hin, dass die meisten Kantone die relative Immunität nicht kennen. Die relative Immunität für Parlamentsmitglieder muss deshalb abgeschafft werden.

Die Minderheit nimmt den geltenden Wortlaut von Artikel 14 des Verantwortlichkeitsgesetzes wieder auf, beantragt jedoch, in allen Absätzen den Passus «Mitglieder des National- oder des Ständerates» zu streichen. Nationalrats- und Ständeratsmitglieder sind somit nicht mehr durch die relative Immunität gedeckt.

5.3

Minderheit III: Präzisierungen betreffend die Wiederholung strafbarer Handlungen ausserhalb des Parlaments

Eine dritte Minderheit (Reimann, Hess, Merz, Schmid Carlo) will den Vorschlag der Kommissionsmehrheit zu Artikel 14 des Verantwortlichkeitsgesetzes durch einen neuen Absatz 1bis ergänzen: Werden Voten, die unter der absoluten Immunität von Artikel 2 Absatz 2 VG abgegeben worden sind, ausserhalb der Rats- oder Kommissionstätigkeit wiederholt, so soll diese Wiederholung keinen unmittelbaren Zusammenhang mit der amtlichen Tätigkeit gemäss Artikel 14 Absatz 1 VG begründen.

Die Minderheit will mit ihrem Vorschlag gewisse Missbräuche verhindern. Ein Parlamentsmitglied, das sich zum Beispiel im Rat ehrverletzend äussert und seine Äusserungen ausserhalb des Parlaments wiederholt, könnte für die Wiederholung den Schutz der absoluten oder der relativen Immunität nicht in Anspruch nehmen.

652

6

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die vorgeschlagenen Änderungen haben weder für den Bund noch für die Kantone finanzielle oder personelle Auswirkungen.

7

Verfassungsmässigkeit

Die Zuständigkeit des Bundes zum Erlass von Vorschriften über die Immunität der Mitglieder der Bundesversammlung ergibt sich aus Artikel 162 Absatz 2 der neuen Bundesverfassung vom 18. April 199914.

10817

14

AS 1999 2556

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