00.041 Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes (Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität / Verjährung bei Sexualdelikten an Kindern und Verbot des Besitzes harter Pornografie) vom 10. Mai 2000

Sehr geehrte Herren Präsidenten, Sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen mit vorliegender Botschaft, mit dem Antrag auf Zustimmung, die Entwürfe über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes betreffend die strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität (Verjährung bei Sexualdelikten an Kindern und Verbot des Besitzes harter Pornografie).

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, folgende parlamentarische Vorstösse abzuschreiben: 1996 P

96.3004

Verjährung bei allen Sexualdelikten an Kindern (N 03.10.96, Kommission für Rechtsfragen NR [RK-NR]; S 12.12.96)

1997 M

96.3650

Strafbarkeit von Besitzern verbotener pornografischer Gegenstände und Vorführungen (S 10.03.97, Béguin; N 17.12.97)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

10. Mai 2000

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

10940

Der Bundespräsident: Adolf Ogi Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2000-0155

2943

Übersicht Aufsehen erregende Fälle von sexuellem Kindsmissbrauch im In- und Ausland sowie der zunehmend als problematisch empfundene Sextourismus haben dazu beigetragen, dass die Thematik der Sexualdelikte an Kindern sowie des Besitzes von Kinderpornografie stark an Bedeutung gewonnen hat. Die vorliegende Revision bildet eine Massnahme zur Verbesserung des Schutzes von Kindern vor sexueller Ausbeutung.

Um eine differenzierte politische Willensbildung zu gewährleisten, unterbreitet Ihnen der Bundesrat eine Botschaft mit zwei Gesetzesentwürfen.

Nach dem Entwurf A soll die Verjährungsfrist bei schweren Sexualdelikten an Kindern unter 16 Jahren erst mit der Mündigkeit des Opfers zu laufen beginnen; heute verjährt die Tat zehn Jahre nach der Begehung. Seit dem Inkrafttreten des revidierten Sexualstrafrechts im Jahre 1992 ist immer mehr ins öffentliche Bewusstsein gelangt, dass viele Opfer sexueller Ausbeutung erst Jahre nach den Übergriffen in der Lage sind, eine Strafanzeige zu erstatten. Mit Blick darauf, dass Kinder die aufgezwungenen sexuellen Handlungen oft verdrängen oder wegen Drohungen des Täters lange verschweigen, erscheint die geltende Verjährungsfrist von zehn Jahren zuweilen als zu kurz. Diesem Umstand soll mit der vorliegenden Änderung der Verjährung bei Sexualdelikten an Kindern Rechnung getragen werden.

Eine entsprechende Änderung wird auch für den Inzest (Art. 213 StGB) vorgeschlagen. Hinter der für den Inzest geltenden kurzen zweijährigen Verjährungsfrist steht der Gedanke, dass Vorgänge des engsten Familienlebens nicht durch ein Strafverfahren an die Öffentlichkeit gebracht werden sollen, wenn sie einige Zeit zurückliegen. Inzest bleibt denn auch in den meisten Fällen geheim, weil das Opfer befürchtet, dass die Familie auseinanderbrechen könnte, falls der sexuelle Missbrauch öffentlich bekannt wird. Diesen Zwiespalt des Opfers kann der Täter über Jahre hinweg ausnützen, und er kann damit rechnen, dass das Opfer schweigen wird. Der Bundesrat schlägt deshalb die Streichung der besonderen zweijährigen Verjährungsfrist vor, damit für den Inzest die ordentliche fünfjährige Verjährung zur Anwendung gelangt. Damit soll dem kindlichen Opfer ferner die Möglichkeit eröffnet werden, sein Schweigen auch später noch zu brechen.

Der Entwurf B stellt sicher, dass auch strafbar ist, wer sich
harte Pornografie beschafft beziehungsweise über solche verfügt. Die neuen elektronischen Kommunikationsmittel, insbesondere das Internet, haben sich in den letzten Jahren zu wichtigen Verbreitungskanälen auch von harter Pornografie entwickelt. Da die Zunahme des Konsums von Kinderpornografie die Nachfrage für die Herstellung solcher Produkte steigert, erscheint die Pönalisierung des Besitzes von Kinderpornografie zur Einschränkung der Herstellung solcher Produkte angezeigt. Auf Grund entsprechender internationaler Empfehlungen haben die meisten westlichen Industriestaaten den Besitz von Kinderpornografie denn auch bereits unter Strafe gestellt und so der Mitverantwortung der Konsumenten Rechnung getragen. Indessen soll der blosse Besitz nicht für alle Formen der harten Pornografie, sondern nur für deren schwerste Formen, die Kinderpornografie und die sexuellen Gewaltdarstellungen,

2944

unter Strafe gestellt werden. Eine entsprechende Änderung wird auch für Artikel 135 StGB (Gewaltdarstellungen) vorgeschlagen.

Schliesslich beantragt Ihnen der Bundesrat ­ wie bei früheren Revisionen des Strafgesetzbuches ­ eine dem Strafgesetzbuch entsprechende Änderung des Militärstrafgesetzes.

2945

Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Revision des Sexualstrafrechts von 1991

1.1.1.1

Einleitung

Mit dem Bundesgesetz betreffend die Teilrevision des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB) und des Militärstrafgesetzes (MStG), welches die eidgenössischen Räte am 21. Juni 1991 verabschiedeten, wurden die Bestimmungen über die strafbaren Handlungen gegen die Sittlichkeit unter dem neuen Titel «Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität» einer Gesamtrevision unterzogen (StGB, 5. Titel, bzw.

MStG, 12. Abschnitt)1.

Nachdem gegen dieses Bundesgesetz das Referendum zustande gekommen war, wurde die Vorlage dem Volk unterbreitet, welches den Änderungen des StGB und des MStG betreffend die strafbaren Handlungen gegen die Sittlichkeit am 17. Mai 1992 mit deutlichem Mehr (73,1% Ja-Stimmen) zustimmte. Das neue Sexualstrafrecht trat am 1. Oktober 1992 in Kraft 2.

Ziel der Revision war es, die Gesetzesbestimmungen den veränderten gesellschaftlichen Anschauungen anzupassen. Sexuelles Verhalten sollte nur als strafbar erklärt werden, wenn: ­

es eine andere Person schädigt oder schädigen könnte,

­

eine Person, die in die sexuellen Handlungen einbezogen wird, wegen mangelnder Fähigkeit zur Selbstbestimmung deren Tragweite nicht erkennen kann oder

­

das Verhalten dazu führt, dass jemand gegen seinen Willen sexuelle Handlungen erdulden oder sexuelle Darstellungen wahrnehmen muss3.

1.1.1.2

Verjährung bei Sexualdelikten an Kindern

Ein Ziel des neuen Sexualstrafrechts war die Unterscheidung zwischen sexuellen Handlungen mit Kindern unter 16 Jahren ohne Gewalt- oder Zwangsanwendung, die neu nach Artikel 187 StGB strafbar sind, und solchen mit Anwendung von Zwangsmitteln oder unter Ausnützung eines Abhängigkeitsverhältnisses, die zusätzlich nach den Artikeln 189­193 StGB bestraft werden. Nach Auffassung des Gesetzgebers soll Artikel 187 StGB allein die ungestörte sexuelle Entwicklung und nicht zugleich die Selbstbestimmung des Kindes schützen. Hinsichtlich der Dauer der Verjährungsfrist ist er davon ausgegangen, dass ein Kind nach fünf Jahren in der Regel in der Lage sei, eine derartige sexuelle Handlung zu verarbeiten. Danach würde die Durchführung eines Strafverfahrens einen stärkeren Eingriff in die Persönlichkeit des Opfers 1 2 3

BBl 1985 II 1009 BBl 1992 V 451; AS 1992 1670 BBl 1985 II 1064 ff.

2946

darstellen als das Delikt selbst. Mit Blick darauf sah der Gesetzgeber für derartige Delikte eine fünfjährige Verjährungsfrist vor; er trug damit auch der Tatsache Rechnung, dass es nach längerer Zeit zunehmend schwieriger wird, die für die Verurteilung einer Straftat erforderlichen Beweismittel beizubringen4.

1.1.1.3

Strafbarkeit der Pornografie

Die Strafbarkeit von «unzüchtigen Veröffentlichungen» (aArt. 204 StGB) wurde mit der Revision des Sexualstrafrechts neu in Artikel 197 StGB (Pornografie) geregelt.

Diese Revision beruhte auf folgenden Leitgedanken: ­

Kinder unter 16 Jahren werden vor jeder Konfrontation mit Pornografie geschützt (Art. 197 Ziff. 1 StGB).

­

Das Ausstellen von Gegenständen sowie öffentliche Vorführungen werden verboten und unter Strafe gestellt (Art. 197 Ziff. 2 Abs. 1 StGB).

­

Eine Ausnahme soll zu Gunsten so genannt geschlossener Filmaufführungen gemacht werden, deren Inhalt entsprechend angekündigt wird (Art. 197 Ziff. 2 Abs. 2 StGB).

­

Herstellung und Vertrieb harter Pornografie wird schlechthin verboten und bleibt auch Erwachsenen vorenthalten (Art. 197 Ziff. 3 StGB). Für Menschen verachtende Gewaltdarstellungen (Brutalos) gilt im Sinne des seit dem 1. Januar 1991 in Kraft stehenden Artikels 135 StGB die gleiche Regelung.

Das Verbot der harten Pornografie dient in erster Linie dem Jugendschutz, schützt jedoch auch die Erwachsenen5. Es wurde damit begründet, dass derartige Darstellungen die Bereitschaft zur Nachahmung entsprechender Handlungen erhöhen und die seelische Entwicklung und soziale Orientierung von Kindern und Jugendlichen beeinträchtigen können.

Harte Pornografie liegt vor, wenn Darstellungen sexueller Praktiken mindestens eines der folgenden vier Merkmale aufweisen: ­

den Einbezug von Kindern,

­

den Einbezug von Tieren,

­

den Einbezug von menschlichen Ausscheidungen,

­

die Verbindung mit Gewalttätigkeiten.

Das Gesetz verbietet folgende Verhaltensweisen: Das Herstellen, Einführen, Lagern, Inverkehrbringen, Anpreisen, Ausstellen, Anbieten, Zeigen, Überlassen oder Zugänglichmachen. Der Besitz harter Pornografie wird hingegen nicht als strafbare Tathandlung erwähnt. Da bei der Beratung des insoweit gleich formulierten Artikels 135 StGB (Gewaltdarstellungen) im Parlament zudem ausdrücklich festgehalten wurde, dass der Besitz ohne Verbreitungsabsicht kein «Lagern» darstelle6, erachtet

4 5 6

Vgl. dazu AB 1987 S 385; AB 1990 N 2328 f. und AB 1991 S 82.

BBl 1985 II 1091 AB 1989 S 296, 299

2947

die herrschende Lehre auch den Erwerb und den Besitz harter Pornografie zum eigenen Konsum als straflos7.

1.1.2

Reformbestrebungen

1.1.2.1

Überblick

Inzwischen hat hinsichtlich der Verjährung bei Sexualdelikten an Kindern ein Meinungsumschwung stattgefunden. Schon kurz nach dem Inkrafttreten der Revision des Sexualstrafrechts wurde die Problematik der Verjährung bei Sexualdelikten an Kindern in einer Reihe von parlamentarischen Vorstössen wieder aufgenommen8.

Aufsehen erregende Fälle von Kindsmissbrauch im In- und Ausland sowie der zunehmend als problematisch empfundene Sextourismus9 haben dazu beigetragen, dass die Thematik der Sexualdelikte an Kindern sowie des Besitzes von Kinderpornografie stark an Bedeutung gewonnen hat10.

Die Zunahme solcher Delikte widerspiegelt sich in den Verurteilten-Statistiken des Bundesamtes für Polizeiwesen der 90er Jahre11:

7 8

9

10 11

Stefan Trechsel, Kurzkommentar zum Schweizerischen Strafgesetzbuch, 2. Auflage 1997, S. 738 N 14, mit Hinweisen.

In den Neunzigerjahren wurden zahlreiche parlamentarische Vorstösse zum Thema der sexuellen Ausbeutung von Kindern eingereicht: Einfache Anfrage Fässler: Persönlichkeitsschutz missbrauchter Kinder (97.1082); Motion von Felten: Sexuelle Ausbeutung von Kindern im Ausland (97.3366); Postulat Hochreutener: Sexuelle Ausbeutung von Kindern (96.3398), AB 1996 N 2405 f.; Motion Jeanprêtre: Sexueller Missbrauch von Kindern im Ausland. Schaffung einer staatlichen Stelle (96.3660); Motion Goll: Aufhebung der Verjährungsfrist bei sexueller Ausbeutung von Kindern (92.3558); Motion Goll: Revidiertes Sexualstrafrecht und sexuelle Ausbeutung von Kindern (94.3210), AB 1996 N 907 ff.; Postulat RK-NR: Sexualdelikte und sexuelle Ausbeutung von Kindern. Verbesserter Schutz der Opfer (96.3199), AB 1996 N 909; Motion RK-NR: Verjährung bei allen Sexualdelikten an Kindern (96.3004), AB 1996 N 1776 ff.; Motion Béguin: Sexualdelikte an Kindern. Änderung der Verjährungsfrist (93.3564), AB 1996 N 1772 f.

Fälle Marc Dutroux in Belgien (Kindsmissbrauch); René Osterwalder (Kindsmissbrauch); Viktor Baumann (Sextourismus / Pädophilie); Kinder-Pornoring in Zandvort, Holland; Schweizer Ehepaar aus Biel, das zehn zwischen neun Wochen und elf Jahren alte Knaben und Mädchen zur Herstellung von Pornofilmen missbraucht hat.

Philippe Weissenberger, Strafwürdiger Besitz von Kinderpornografie, in AJP 3/98, S. 313 ff.

Die Tabelle basiert auf den Datenbankeinträgen (ZAN) des BAP betreffend die sexuelle Integrität von Kindern. Sie zeigt, welche Delikte den täglichen Abklärungsersuchen von in- und ausländischen Polizeistellen zugrunde liegen.

Im Bereich des Sextourismus, vor allem bei sexuellen Handlungen mit Kindern im Ausland, wurden bisher nur wenige Urteile gefällt. Aufwendige Beweiserhebungen im Ausland, namentlich komplexe und kostenintensive Zeugen- und Opferbefragungen und Sprachbarrieren sind Gründe für eine geringe Anzahl von Strafverfolgungen und Urteilen in der Schweiz. Man geht jedoch davon aus, dass in diesem Bereich eine sehr hohe Dunkelziffer besteht; Lagebericht Nr. 2/98 des BAP über Organisierte Kriminalität, S. 27 f.

2948

1993

1994

1995

1996

1997

Verurteilungen nach Art. 187 StGB

218

260

253

272

319

Verurteilungen nach Art. 197 StGB

60

74

79

272

437

An Aktualität hat das Thema aber auch auf Grund der rasanten Entwicklung des Internets gewonnen, welches eine grenzenlose Verbreitung von pornografischem Bildmaterial, insbesondere auch von Darstellungen sexueller Handlungen mit Kindern, ermöglicht.

Damit ist auch bereits dargetan, dass die sexuelle Ausbeutung von Kindern in zunehmendem Masse ein internationales Problem darstellt. Es bestehen internationale, professionell organisierte Pornohändlerringe, die Kinder für Aufnahmen vermitteln oder selber Aufnahmen menschenunwürdiger sexueller Darstellungen mit Kindern herstellen und diese dann weltweit vertreiben. Ebenfalls auf internationaler Ebene werden zwischen Insidern privat hergestellte sexuelle Darstellungen mit Kindern ausgetauscht, wozu in besonderem Masse Angebote des Internets, zum Beispiel Newsgroups, genutzt werden.

Das Internet ermöglicht es den Anbietern von Kinderpornografie, weitgehend anonym zu bleiben oder zumindest ihre Spuren zu verwischen. Die Strafverfolgung gestaltet sich daher schwierig, auch wenn sich durch die Schaffung internationaler Rechtsgrundlagen die Zusammenarbeit zwischen den Staaten wesentlich verbessert hat12.

Es wird vermutet, dass in der Schweiz ein beachtlicher Markt für kinderpornografische Erzeugnisse besteht und hohe Beträge umgesetzt werden13.

Um dieser grenzüberschreitenden sexuellen Ausbeutung von Kindern entgegenzuwirken, wurden in der Schweiz verschiedene Massnahmen getroffen oder zumindest in die Wege geleitet: ­

12 13

Am 1. Januar 1998 wurde im Bundesamt für Polizei (BAP) im Rahmen eines Pilotversuches eine so genannte Fachstelle Internet-Monitoring eingerichtet. Die von dieser Fachstelle gesammelten Erfahrungen machten deutlich, dass die systematische gerichtspolizeiliche Verfolgung des kriminellen Missbrauchs elektronischer Kommunikationsmittel eine äusserst anspruchsvolle und personalintensive Aufgabe darstellt. Die von den Kantonen verlangten Dienstleistungen zur Sicherstellung von Beweismaterial und zur Überwindung elektronischer Abwehrmassnahmen (wie Verschlüsselungen oder Viren) erwiesen sich als aufwändig. Viel Zeit in Anspruch nahm die Sichtung privater Anzeigen, welche sich zu einem grossen Teil auf strafrechtlich nicht relevante Informationen bezogen, wie auch die Lokalisierung der Anbieter strafbarer Angebote. Dies führte dazu, dass die Tätigkeit dieser nationalen Anlaufstelle am 17. Dezember 1999 vorübergehend eingestellt werden musste. Auch wenn die Strafverfolgung von Kinderpornografie im Internet grundsätzlich in die Zuständigkeit der Kantone fällt, vermag es doch nicht zu befriedigen, dass der Bund zurzeit die Kantone nicht mehr unterstützen kann. Deshalb sucht eine nationale Arbeitsgruppe unter der Leitung Vgl. dazu Ziff. 1.1.2.2.3.2, Internationale Bestrebungen.

AB 1996 N 910. Es wird von «Millionenbeträgen» gesprochen, die allein in der Schweiz umgesetzt werden.

2949

des BAP nach geeigneten, kurz- wie auch mittelfristigen Kooperationsmodellen zwischen Bund und Kantonen für eine professionelle Ahndung von Missbräuchen des Internets und anderer elektronischer Kommunikationsmittel.

­

In der laufenden Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches soll neu auch die Strafverfolgung von Sexualstraftaten gegen Unmündige im Ausland geregelt werden (Art. 5 E-StGB14). Damit wird die Grundlage geschaffen, dass künftig in der Schweiz ohne Rücksicht auf das ausländische Recht gegen Personen vorgegangen werden kann, die im Ausland schwere Sexualdelikte gegen Unmündige begangen haben. Für solche Straftaten soll auf das Erfordernis der beidseitigen Strafbarkeit und die Berücksichtigung des gegebenenfalls milderen Rechts des Begehungsortes verzichtet werden.

Die Nationalität des Beschuldigten soll keine Rolle spielen; Voraussetzung für ein Strafverfahren ist lediglich, dass der Täter in der Schweiz seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat15.

­

Zusätzlich soll eine Revision des Opferhilfegesetzes den Schutz von Opfern unter sechzehn Jahren verbessern. Die psychische Belastung des Verfahrens soll für Kinder, die Opfer von sexuellem Missbrauch geworden sind, möglichst gering gehalten werden. Müssen Kinder als Zeugen oder Privatkläger einvernommen werden, sollen in allen Kantonen gewisse Mindestregeln eingehalten werden16.

­

Eine weitere Massnahme zur Verbesserung des Schutzes von Kindern vor sexueller Ausbeutung stellt die vorliegende Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes dar.

1.1.2.2

Parlamentarische Vorstösse

1.1.2.2.1

Ruhen der Verjährung bei Sexualdelikten an Kindern

Schon kurze Zeit nach Inkraftsetzung des revidierten Sexualstrafrechts forderte am 17. Dezember 1992 Nationalrätin Goll in einer Motion (92.3558) die Aufhebung der Verjährungsfrist bei sexueller Ausbeutung17 von Kindern. Die Motion wurde aber am 16. Dezember 1994 abgeschrieben, weil sie mehr als zwei Jahre hängig gewesen war18.

14

15 16

17 18

Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches (Allgemeine Bestimmungen, Einführung und Anwendung des Gesetzes) und des Militärstrafgesetzes sowie zu einem Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht vom 21. Sept. 1998, BBl 1999 1993 ff.

Der Ständerat verzichtete allerdings auf diese Voraussetzung.

Auf Grund der parlamentarischen Initiative Goll (94.441), Sexuelle Ausbeutung von Kindern; verbesserter Schutz, soll das Opferhilfegesetz geändert werden; vgl. den entsprechenden Bericht vom 23. Aug. 1999 der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates. In seiner Stellungnahme vom 20. März 2000 schlägt der Bundesrat vor, das Schutzalter im Zusammenhang mit dem OHG auf 18 Jahre festzulegen Zu den Begriffen der sexuellen Ausbeutung und des sexuellen Missbrauchs vgl. Philipp Maier, Die Nötigungsdelikte im neuen Sexualstrafrecht, Diss. ZH 1994, S. 132 ff.

Vgl. Art. 40 Abs. 1 des Geschäftsreglements des Nationalrats vom 22.6.1999, SR 171.13.

2950

Am gleichen Tag verlangte Nationalrätin Goll mit der parlamentarischen Initiative «Sexuelle Ausbeutung von Kindern. Verbesserter Schutz» unter anderem die Aufhebung der Verjährungsfrist bei sexuellen Handlungen mit Kindern unter 16 Jahren.

Am 3. Oktober 1996 beschloss der Nationalrat, der parlamentarischen Initiative in diesem Punkt keine Folge zu geben19.

Zudem reichte Ständerat Béguin 1993 eine Motion ein, die verlangte, dass die Verjährungsfrist für strafbare Handlungen nach Artikel 187 StGB auf zehn Jahre hinaufzusetzen sei. Er war der Auffassung, dass Straftaten nach Artikel 187 StGB vielfach nicht mehr verfolgt werden könnten, weil die Verjährung bereits eingetreten sei. In seiner Stellungnahme lehnte der Bundesrat die Motion Béguin unter anderem mit der Begründung ab, die Überlegungen, welche zur Verkürzung der Verjährungsfrist geführt hätten, seien nach wie vor gültig. Der Ständerat schloss sich dieser Argumentation nicht an und überwies die Motion Béguin am 20. September 1994.

Nach Ansicht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (RK-NR), welche die Motion Béguin behandelte, war das Anliegen nicht nur berechtigt, sondern es bestand auch dringlicher Handlungsbedarf. Sie beschloss daher am 23. Januar 1996, mit einer Kommissionsinitiative20 einen entsprechenden Entwurf vorzulegen, dafür aber die Motion Béguin abzulehnen. Oppositionslos lehnte daraufhin der Nationalrat am 3. Oktober 1996 die Motion Béguin ab21. Mit Beschluss vom 21. März 1997 stimmten die eidgenössischen Räte der parlamentarischen Initiative zu, mit welcher die Verjährung für sexuelle Handlungen mit Kindern (Art. 187 StGB) der für Verbrechen vorgesehenen ordentlichen Verjährungsfrist von zehn Jahren angepasst wird22. Die Referendumsfrist lief am 7. Juli 1997 ungenutzt ab, sodass die Änderung am 1. September 1997 in Kraft getreten ist.

Bereits vor Inkrafttreten der neuen zehnjährigen Verjährungsfrist für sexuelle Handlungen mit Kindern reichte die RK-NR am 23. Januar 1996 eine Motion ein23, mit welcher der Bundesrat beauftragt werden sollte, eine Revision der Delikte gegen die sexuelle Integrität vorzubereiten, wonach die Verjährung bei sexuellen Delikten an Kindern bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Opfers ruhen sollte. Mit 155 zu 3 Stimmen stimmte der Nationalrat der Motion am 3. Oktober 1996 zu. Der Ständerat beschloss am 12. Dezember 1996 mit 22 zu 7 Stimmen, die Motion als Postulat zu überweisen 24.

1.1.2.2.2

Ruhen der Verjährung bei Inzest mit Kindern

In seiner Stellungnahme vom 27. Juni 1995 zum Bericht Kindesmisshandlung25 hat der Bundesrat angekündigt, dass auch die geltende Verjährungsfrist von zwei Jahren in Artikel 213 Absatz 3 StGB (Inzest) geprüft werden müsste, wenn die 5-jährige Verjährungsfrist auf Grund der Motion Béguin für Artikel 187 StGB aufgehoben und damit wieder die ordentliche 10-jährige Verjährungsfrist von Artikel 70 StGB anwendbar werden sollte. Da Artikel 187 StGB am 21. März 1997 nun im Sinne der 19 20 21 22 23 24 25

Parlamentarische Initiative Christine Goll (94.441); AB 1996 N 1783.

Parlamentarische Initiative RK-NR (96.435) AB 1996 N 1783 AB 1997 N 617; AB 1997 S 341; BBl 1997 II 568 Motion RK-NR (96.3004) AB 1996 S 1181 BBl 1995 IV 14

2951

Motion Béguin revidiert wurde26, ist der Moment gekommen, die kurze Verjährungsfrist von Artikel 213 StGB zu überprüfen.

1.1.2.2.3

Strafbarkeit des Besitzes harter Pornografie

1.1.2.2.3.1

Parlamentarische Vorstösse

Am 22. März 1995 forderte Nationalrätin von Felten mit einer parlamentarischen Initiative, der Besitz von Kinderpornografie sei zu verbieten27. Am 22. Januar 1996 beschloss die RK-NR, der Initiative Folge zu geben; die Kommission wies insbesondere darauf hin, dass die UNO-Menschenrechtskommission die Strafbarkeit des Besitzes von Kinderpornografie «als wichtige gesetzgeberische Massnahme gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern» empfohlen habe. Dem Antrag der RK-NR wurde im Nationalrat am 13. Juni 1996 Folge gegeben.

Am 25. November 1996 beantragte auch Nationalrat Simon mit einer parlamentarischen Initiative eine Revision von Artikel 197 StGB. Er verlangte namentlich, als Tathandlung solle in Ziffer 3 von Artikel 197 StGB auch der Besitz harter Pornografie zum Eigengebrauch als strafbar erklärt werden. Seine Sorge galt dabei vor allem dem Schutz der Kinder vor sexuellem Missbrauch28. Darauf aufmerksam gemacht, dass bereits Vorstösse mit ähnlicher Zielsetzung vorlägen, zog der Initiant seine parlamentarische Initiative am 27. Oktober 1997 zurück29.

Am 12. Dezember 1996 verlangte Ständerat Béguin mit einer Motion, der Bundesrat sei zu beauftragen, auch den Besitz von harter Pornografie strafbar zu erklären. Der Bundesrat erklärte sich am 3. März 1997 bereit, die Motion entgegenzunehmen. Am 10. März 1997 nahm der Ständerat die Motion an, der Nationalrat überwies sie am 17. Dezember 199730.

1.1.2.2.3.2

Internationale Bestrebungen

Auf internationaler Ebene sind schon seit Jahren Bemühungen für eine stärkere Bekämpfung der Kinderpornografie im Gange31.

Am 20. November 1989 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen das Übereinkommen über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention), welches die Vertragsstaaten in Artikel 34 verpflichtet, Kinder vor allen

26 27 28 29 30 31

AS 1997 1626; BBl 1996 IV 1318 1322 Parlamentarische Initiative Margrith von Felten (95.405); AB 1996 N 909.

Zu den Begriffen der sexuellen Ausbeutung und des sexuellen Missbrauchs vgl. Philipp Maier, Die Nötigungsdelikte im neuen Sexualstrafrecht, Diss. ZH 1994, S. 132 ff.

Parlamentarische Initiative Jean-Charles Simon (96.455).

Motion Thierry Béguin (96.3650); AB 1996 S 49.

Philippe Weissenberger, a. a. O., S. 313.

2952

Formen sexueller Ausbeutung und sexuellen Missbrauchs zu schützen32. Mit Bundesbeschluss vom 13. Dezember 1996 haben die eidgenössischen Räte dieses Übereinkommen genehmigt und den Bundesrat zur Ratifizierung ermächtigt; diese erfolgte am 24. Februar 1997. Das Übereinkommen ist für die Schweiz am 26. März 1997 in Kraft getreten.

Bereits am 9. September 1991 hatte das Ministerkomitee des Europarates den Mitgliedstaaten empfohlen, die Strafbarkeit des Besitzes von Kinderpornografie zu prüfen33.

1992 hat die UNO-Menschenrechtskommission einen dringenden Appell an die internationale Staatengemeinschaft gerichtet: «States that have not yet done so are urged to enact legislation making it a crime to produce, distribute or possess pornographic material involving children»34.

Im Zusammenhang mit Sexualdelikten an Kindern in Belgien hat das Europäische Parlament im Herbst 1996 die EU-Organe und die Mitgliedstaaten aufgerufen, «konkrete Massnahmen» zu ergreifen, um die Zunahme des sexuellen Missbrauchs von Kindern zu stoppen 35.

32

33

34

35

Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 29. Juni 1994 betreffend den Beitritt der Schweiz zum Übereinkommen von 1989 über die Rechte des Kindes, BBl 1994 V 1 ff., sowie Ingeborg Schwenzer, Die UN-Kinderrechtskonvention und das schweizerische Kindesrecht, in AJP 1994 825 ff. Von Bedeutung ist neben dem bereits zitierten Art. 34 insbesondere Art. 19 (1), der besagt, dass die Vertragsstaaten alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs-, Sozial- und Bildungsmassnahmen treffen, um das Kind vor jeder Form körperlicher oder geistiger Gewaltanwendung, Schadenszufügung oder Misshandlung, vor Verwahrlosung oder Vernachlässigung, vor schlechter Behandlung oder Ausbeutung einschliesslich des sexuellen Missbrauchs zu schützen (...). Im Hinblick auf Art. 34 treffen die Vertragsstaaten insbesondere alle geeigneten Massnahmen, um zu verhindern, dass Kinder: a) zur Beteiligung an rechtswidrigen sexuellen Handlungen verleitet oder gezwungen werden; b) für die Prostitution oder andere rechtswidrige sexuelle Praktiken ausgebeutet werden; c) für pornografische Darbietungen und Darstellungen ausgebeutet werden. Bis zum 1. Januar 1999 haben 191 Staaten die UNKinderrechtskonvention unterzeichnet.

Recommandation No R (91) 11 sur l'exploitation sexuelle, la pornographie, la prostitution ainsi que le trafic d'enfants et de jeunes adultes («Examiner l'opportunité d'introduire des sanctions pénales également pour la simple détention de tout matériel pornographique impliquant des enfants.») Commission on Human Rights resolution 1992/74 of 5 March 1992, annex (Official Records of the Economic and Social Council, 1992, Supplement No. 2 [E/1992/22], chap. II sect. A), Ziff. 53, zitiert und abgedruckt in Vitit Muntarbhorn (Rapporteur spécial 1991-1994), Sexual exploitation of children, United Nations, New York and Geneva, 1996, S. 16 und 35 ff. Ab 1994 sind die Berichte und Zwischenberichte des Special Rapporteur of the Commission on Human Rights on the sale of children, child prostitution and child pornography, Vitit Muntarbhorn, vom 14.1.1994, seiner Nachfolgerin Mrs. Ofelia Calcetas-Santos vom 17.1.1996, 7.2.1997, 13.1.1998 und vom 29.1.1999 ebenso über Internet (http://www.unhchr.ch) abrufbar wie deren Übermittlung an die Generalversammlung durch den Generalsekretär am 5.10.1994, 7.10.1996, 16.10.1997 und 26.8.1998. In diesen
Berichten werden Länderberichte über die internationale Lage im Bereich der Kinderpornografie erstellt und Empfehlungen über das weitere Vorgehen zur Bekämpfung der Kinderpornografie auf nationaler und internationaler Ebene abgegeben.

Neue Zürcher Zeitung (NZZ) vom 20.9.1996, S. 3.

2953

Im November 1996 einigten sich die Innen- und Justizminister der 15 Mitgliedsländer der Europäischen Union dahingehend, dass neben der Herstellung und der Verbreitung von Kinderpornografie auch deren Besitz unter Strafe zu stellen sei 36.

Die zunehmende Entschlossenheit der Staatengemeinschaft zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs zeigt auch der Bericht der Vereinten Nationen (Economic and Social Council, Special Rapporteur of the Commission on Human Rights) vom 14. Januar 1994, worin festgestellt wird, dass bereits verschiedene Staaten den Besitz von Kinderpornografie unter Strafe gestellt haben beziehungsweise entsprechende Gesetze vorbereiten37.

Vom 26.­31. August 1996 fand in Stockholm der «Weltkongress gegen die gewerbsmässige sexuelle Ausbeutung von Kindern» statt. Die rund 1200 Delegierten aus 126 Ländern haben sich in einer Erklärung zu einer globalen Partnerschaft gegen die gewerbsmässige sexuelle Ausbeutung von Kindern verpflichtet. Unter anderem wurde festgehalten, dass konzertierte Massnahmen auf kommunaler, regionaler, nationaler sowie internationaler Ebene erforderlich sind, um fundamentalen Verletzungen von Kinderrechten entgegenzuwirken und weltweit den Schutz der Kinder zu verbessern38. Dabei wurde auf die ernsten Folgen für die körperliche, seelische, geistige, sittliche und soziale Entwicklung der Kinder hingewiesen39. Mit dem Erlass neuer beziehungsweise der Verschärfung bestehender Strafgesetze und einem konsequenten Vollzug derselben sollen die für Kinderpornografie Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Da die Nachfrage die Herstellung von Kinderpornografie steuert, soll auch der Besitz von Kinderpornografie strafbar erklärt werden.

Am 28./29. April 1998 fand in Strassburg eine Nachfolgekonferenz des Europarats zum «Stockholmer Weltkongress» statt.

Die westlichen Industrienationen sind diesem Aufruf mittlerweile weitgehend nachgekommen40.

1.2

Entstehungsgeschichte der Revision

1.2.1

Vorentwürfe

Im Sinne der dem Bundesrat vom Nationalrat als Postulat überwiesenen Motion der RK-NR (96.3004) betreffend die Verjährung bei allen Sexualdelikten an Kindern sowie auf Grund der vom Bundesrat am 3. März 1997 entgegengenommenen Motion Béguin (96.3650) betreffend die Strafbarkeit von Besitzern verbotener pornogra36 37

38

39

40

NZZ vom 30.11./1.12.1996, S. 20.

Der Besitz von Kinderpornografie war damals unter anderem bereits in folgenden Staaten unter Strafe gestellt: Belgien, Kanada, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Norwegen, Grossbritannien sowie teilweise in den USA. Für den aktuellen Rechtsvergleich vgl. Ziff.

2.2.2.

Vgl. Wolfgang Heinz, Sexuelle Ausbeutung von Kindern: Bonner Symposium, Weltkongress in Stockholm, Eine Dokumentation. Herausgegeben vom Bundesministerium der Justiz, Bonn 1996, B. 1 ff.

Daneben wurde auf weitere Gefahren hingewiesen: frühe Schwangerschaft, Müttersterblichkeit, Körperverletzungen, Entwicklungsverzögerungen, körperliche Behinderungen und Geschlechtskrankheiten einschliesslich HIV/AIDS; Wolfgang Heinz, Weltkongress in Stockholm, a.a.O., B. 3.

Vgl. Ziff. 2.2.2, Rechtsvergleich.

2954

fischer Gegenstände und Vorführungen erarbeitete das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement zwei Vorentwürfe: ­

Vorentwurf A Revision der strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität; Verjährung bei Sexualdelikten an Kindern.

­

Vorentwurf B Revision der strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität; Verbot des Besitzes harter Pornografie.

Nach dem im Vorentwurf A vorgeschlagenen neuen Verjährungsmodell soll die Strafverfolgung bei schweren Sexualdelikten (Art. 187 StGB [Sexuelle Handlungen mit Kindern], Art. 189­191 StGB [Sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, Schändung], Art. 195 StGB [Förderung der Prostitution] und Art. 196 StGB [Menschenhandel]) bis zum 18. Altersjahr des Opfers ruhen. Erst nach vollendetem 18. Altersjahr des Opfers würde die Verjährungsfrist von 10 beziehungsweise 15 Jahren zu laufen beginnen. Der Vorentwurf B sieht mit der Ergänzung von Artikel 197 Ziffer 3 StGB vor, dass sich auch strafbar macht, wer sich zu eigenem Konsum harte Pornografie beschafft oder über solche verfügt.

1.2.2

Vernehmlassungsverfahren

Mit Beschluss vom 26. August 1998 hat der Bundesrat das Eidgenössische Justizund Polizeidepartement ermächtigt, ein Vernehmlassungsverfahren zur Teilrevision des Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes betreffend die Verjährung bei Sexualdelikten an Kindern (Vorentwurf A) und das Verbot des Besitzes harter Pornografie (Vorentwurf B) durchzuführen. Das Vernehmlassungsverfahren dauerte bis Ende November 1998.

Das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens hat die Notwendigkeit einer Revision des Sexualstrafrechts in den vorgesehenen Bereichen grossmehrheitlich bestätigt.

Der Stossrichtung der beiden Vorlagen wurde zugestimmt.

Der Vorentwurf A mit dem neuen Instrument des Ruhens der Strafverfolgungsverjährung bei Sexualdelikten an Kindern, welches den Beginn der Verjährungsfrist bei solchen Delikten bis zum Eintritt der Mündigkeit aufschiebt, wurde begrüsst.

Grundsätzlich befürworteten mit einer Ausnahme41 alle Kantone den Vorentwurf A, wobei zu den Gesetzesbestimmungen in Einzelpunkten Hinweise, Fragen und Vorbehalte angebracht wurden42. Zustimmung fand der Vorentwurf A auch bei den meisten politischen Parteien43, während ihn die interessierten Organisationen und

41 42 43

Der Kanton Graubünden steht der Revision der Verjährung von Sexualdelikten an Kindern unter 16 Jahren ablehnend gegenüber.

Vgl. Ziff. 2.1.3 u. 2.1.4.3.

Die SVP und die SP stimmten nur im Grundsatz zu.

2955

übrigen Vernehmlassungsteilnehmer zwar als Ganzes begrüssten44, allerdings auch vielerlei Einwände vorbrachten.

Zur entsprechenden Revision der Verjährungsbestimmungen in Artikel 158 MStG äusserte sich kein Vernehmlasser.

Die vorgeschlagene Revision von Artikel 213 StGB (Inzest), wonach die Verjährung auch bei inzestuösen Beziehungen mit Kindern unter 16 Jahren mit dem Tag beginnen soll, an dem das Opfer das 18. Lebensjahr vollendet hat, wurde grossmehrheitlich unterstützt.

Der Vorentwurf B45, der die Beschaffung, den Erwerb und den Besitz von harter Pornografie sowie nicht pornografischer, grausamer Gewaltdarstellungen strafrechtlich erfassen will (Revision der Art. 197 Ziff. 3 und 135 StGB), fand allgemeine Zustimmung. In den meisten Eingaben wurde die Notwendigkeit der geplanten Revision betont. Vorbehalte grundsätzlicher Natur wurden angesichts der neuen elektronischen Medien, insbesondere des Internet, und auch mit Blick auf die Durchsetzbarkeit eines solchen Verbots erhoben. Zudem wurde die Frage nach den Grenzen des staatlichen Eingreifens thematisiert.

Positiv aufgenommen wurde die Strafbarkeit des Besitzes harter Pornografie insbesondere von den Kantonen46, wobei auch diese in Einzelpunkten Vorbehalte anbrachten. Mit Ausnahme einer Partei47, welche den Vorentwurf B ohne Einwände unterstützte, stimmten die am Vernehmlassungsverfahren teilnehmenden politischen Parteien dem Vorentwurf B im Grossen und Ganzen zu. Die interessierten Organisationen und übrigen Vernehmlassungsteilnehmer befürworteten den Vorentwurf B weitgehend48.

Die Revision von Artikel 135 StGB (Gewaltdarstellungen) wurde von allen Vernehmlassern, die sich dazu äusserten, vorbehaltlos unterstützt.

Am 8. September 1999 nahm der Bundesrat vom Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens Kenntnis und beauftragte das EJPD mit der Ausarbeitung der vorliegenden Botschaft.

44

45 46 47 48

Die Schweizerische Kriminalistische Gesellschaft, der Schweizerische Katholische Frauenbund, der Weisse Ring, der Schweizerische Landfrauenverband, die Schweizerische Gesellschaft für Prävention und Gesundheitswesen und die Eidgenössische Koordinationskommission für Familienfragen stimmten dem Vorentwurf vorbehaltlos zu. Der Schweizerische Anwaltsverband lehnte den Vorentwurf als Ganzes ab.

Das MStG enthält keine Bestimmung über die Pornografie.

Gegen die Stossrichtung des Vorentwurfes B gab es seitens der Kantone keine Vorbehalte.

SVP Vorbehaltlos unterstützten den Vorentwurf der Schweizerische Gewerkschaftsbund, der Bund Schweizerischer Frauenorganisationen, die Eidgenössische Koordinationskommission für Frauenfragen, der Evangelische Frauenbund der Schweiz, Limita, Schweizerischer Verein zur Prävention sexueller Ausbeutung, die Schweizer Bischofskonferenz, die Schweizerische Gesellschaft für Psychiatrie, die Schweizerische Kriminalistische Gesellschaft, die Schweizerische Stiftung Pro Juventute, der Schweizerische Katholische Frauenbund, der Weisse Ring, der Schweizerische Landfrauenverband und die Eidgenössische Koordinationskommission für Familienfragen.

2956

1.2.3

Abschreibung parlamentarischer Vorstösse

Da dem Postulat beider Räte, Verjährung bei allen Sexualdelikten an Kindern (96.3004), und der Motion Béguin, Strafbarkeit von Besitzern verbotener pornografischer Gegenstände und Vorführungen (96.3650), mit den vorgeschlagenen Gesetzesänderungen entsprochen wird, beantragt der Bundesrat, die beiden parlamentarischen Vorstösse als erledigt abzuschreiben.

2

Besonderer Teil

2.1

Verjährung bei Sexualdelikten an Kindern (Entwurf A)

2.1.1

Besondere Kriterien der Verjährung bei Sexualdelikten an Kindern

Das Institut der strafrechtlichen Verjährung findet seinen Geltungsgrund im Wesentlichen in der heilenden Wirkung der Zeit sowie in Opportunitätsgesichtspunkten49. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass die Beweiserhebung auf immer grössere Schwierigkeiten stösst, je weiter die Tat zurückliegt. Unverjährbar sind jedoch die in Artikel 75bis StGB angeführten Straftaten: Verbrechen, welche die UNO-Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Genozids vom 9. Dezember 1948 umschreibt, schwere Kriegsverbrechen gemäss den Genfer Konventionen vom 12. August 1949 sowie qualifizierte Akte des Terrorismus. Für die übrigen Straftaten gelten für die Verfolgungsverjährung ­ sofern das StGB nicht selbst verkürzte Fristen vorsieht50 ­ die in Artikel 70 StGB festgelegten Fristen von 5­20 Jahren51.

Bei Sexualdelikten an Kindern ist jedoch die geltende Verjährungsregelung, die für die Strafverfolgung eine Frist von maximal 10 Jahren vorsieht (nach Art. 97 E-StGB 15 Jahre), problematisch, da Kinder bei solchen Straftaten oft erst nach Ablauf der Verjährungsfristen in der Lage sind, strafrechtlich gegen die Täter vorzugehen, insbesondere wenn diese aus dem familiären oder sozialen Umfeld stammen. Ein entsprechender Handlungsbedarf blieb in der Vernehmlassung unbestritten.

Wie aus dem Bericht «Kindesmisshandlung in der Schweiz» hervorgeht, ist der Anteil der aus dem familiären und sozialen Umfeld stammenden Täter bei Sexualdelikten an Kindern offenbar höher als bisher vermutet52. Die Dunkelziffer bei sexuellem Missbrauch von Kindern wurde lange Zeit unterschätzt. Das kindliche Opfer ist auf Grund seines Entwicklungsstandes in der Regel nicht fähig, zu seinem Schutz oder seiner Genugtuung ein Strafverfahren in Gang zu setzen beziehungsweise ­ sofern das Strafverfahren durch Dritte in Gang gesetzt wird ­ daran teilzunehmen.

Die kindlichen Opfer sind oft nicht einmal in der Lage, den sexuell missbräuchlichen Charakter der erfolgten Übergriffe zu erkennen, oder sie stehen wegen emotio49

50 51 52

Vgl. Franco del Pero, La prescription pénale, Diss. Lausanne 1993, S. 58 f., und Elisabeth Trachsel, Die Verjährung gemäss Art. 70-75bis des Schweizerischen Strafgesetzbuches, Diss. ZH 1990, S. 34 ff.

Stefan Trechsel, a.a.O., S. 327 N 4.

Zur Entwicklung der Verjährungsfristen bei Sexualdelikten an Kindern siehe Ziff. 1.1.1.1 und 1.1.2.1.

Bericht der Arbeitsgruppe Kindsmisshandlung, BBl 1995 IV 53 ff.

2957

naler und wirtschaftlicher Abhängigkeiten unter dem Druck, schweigen zu müssen, und verdrängen die Tat jahrelang. Nicht selten werden deshalb sexuelle Missbräuche erst nach Jahren bekannt, oft erst nach der Loslösung des Opfers von seiner Familie.

In vielen Fällen sind die Opfer von sexuellem Missbrauch erst mit Hilfe von Therapien in der Lage, über das Erlebte zu sprechen. In diesem Zusammenhang hat sich in den 80er-Jahren insbesondere in den USA eine ausgedehnte fachliche Auseinandersetzung über das «false memory syndrome» (recovered memory; mémoire reconstituée) entwickelt. In der Schweiz wird die Problematik der therapierten Erinnerung allerdings nicht besonders diskutiert 53.

Der Mythos des gemeingefährlichen Fremdtäters, der hinter dem Busch auf die Kinder lauert, entspricht nicht der Wirklichkeit54. Auf Grund neuer Erkenntnisse geht man heute davon aus, dass sexuelle Handlungen an Kindern in den meisten Fällen geplante Wiederholungstaten sind, welche sich meist über Monate oder sogar Jahre hin erstrecken55 und die Persönlichkeitsbildung und die Sexualentwicklung der Kinder negativ beeinflussen56.

Deshalb schützt die Verjährungsfrist Täter aus dem nächsten Bekanntenkreis des Opfers, die das Vertrauen, die extreme emotionale Abhängigkeit und Schutzbedürftigkeit, die Spontaneität, Neugier, Offenheit, das positive Lebensgefühl, die Ahnungslosigkeit und das Nichtwissen der ihnen anvertrauten Kinder ausnützen.

Die Kinder haben verschiedene Überlebensstrategien. Die häufigste ist die Verdrängung. Viele Opfer können erst viele Jahre später über ihren sexuellen Missbrauch offen sprechen und ziehen erst dann in Erwägung, ein Strafverfahren einzuleiten.

Oft kann zu diesem Zeitpunkt aber kein Strafverfahren mehr eingeleitet werden, weil die Verjährungsfristen der Delikte bereits abgelaufen sind. Wenn ein Opfer das Schweigen bricht, so tut es dies in der Regel nicht primär, um die Strafverfolgungsbehörde einzuschalten, sondern um seinen sexuellen Missbrauch verarbeiten zu können.

Dass die präventive Wirkung von Strafnormen nicht nur von der Höhe der Strafdrohung abhängt, sondern auch von der Wahrscheinlichkeit, gefasst und verurteilt zu werden, spricht ebenso für eine besondere Regelung der Verjährung bei schweren Sexualdelikten an Kindern unter 16 Jahren.

53

54

55

56

Die These, dass sexuelle Übergriffe verdrängt werden, hat in den 80er-Jahren in den USA grosse Aufmerksamkeit gefunden. (Vgl. dazu Gunther Arzt, in Festgabe für Bernhard Schnyder, Zur Verjährung des sexuellen Missbrauchs, mit Hinweisen auf umfangreiche Literatur, Freiburg 1995. Der Autor geht auch auf das «false memory syndrome» ein, ohne aber in dieser Auseinandersetzung unter Experten Stellung zu beziehen.) Personen, die in frühester Kindheit sexuell ausgebeutet worden sind und erst nach Jahren das Schweigen brechen, können wegen der Verjährung gegen die Täter meist nichts mehr unternehmen. Für eine ­ wie auch immer geartete ­ Verlängerung der Verjährungsfristen spricht, dass Kinder die aufgezwungenen sexuellen Handlungen oft verdrängen oder wegen Drohungen des Täters lange verschweigen müssen (vgl. E. Loftus / K. Ketchan, Die therapierte Erinnerung, Hamburg 1995; Philipp Maier, Die Nötigungsdelikte im neuen Sexualstrafrecht, S. 155 und 202 ff.).

Werden Fremdtäter gefasst, so kommt es zudem in der Regel zu einer Verurteilung. Ein Grund liegt darin, dass die Glaubwürdigkeit kindlicher Opfer bei Fremdtätern weniger in Frage gestellt wird.

Christine Sattler Buchmann, Männer, Frauen und die sexuelle Ausbeutung von Kindern: Erklärungsversuche zur männlichen Überzahl bei der Täterschaft, Freiburg 1989 (Quelle: Verein Castagna Zürich), S. 139 ff.

Philippe Maier, Die Nötigungsdelikte im neuen Sexualstrafrecht, S. 170 ff. Insbesondere treten körperliche, psychische und soziale Schäden auf.

2958

Wie die Vernehmlassung gezeigt hat, verringert sich das Strafbedürfnis bei Sexualdelikten an Kindern unter 16 Jahren 10 Jahre nach der Tat nicht derart, dass auf eine strafrechtliche Sanktion gänzlich verzichtet werden kann57. Daran ändern auch die im Rahmen der Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches vorgesehenen längeren Verjährungsfristen für die Strafverfolgung ­ gemäss Artikel 97 Absatz 1 Buchstabe b E-StGB58 15 Jahre für Straftaten, welche mit einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bedroht sind ­ nichts. Die Dauer von 15 Jahren entspricht derjenigen der heutigen absoluten Verjährungsfrist.

Nach dem hier vorgeschlagenen Verjährungsmodell würde die Verfolgungsverjährung erst mit dem vollendeten 18. Altersjahr des Opfers beginnen und könnte danach die Strafverfolgung noch während 10 Jahren (gemäss E-StGB während 15 Jahren) eingeleitet werden59. Nach so langer Zeit wird zwar die Beweiserhebung nur noch selten erlauben, einen Täter noch für seine Straftat zu verurteilen, ausgeschlossen ist dies aber nicht, insbesondere bei Wiederholungstätern, wo im Rahmen eines Strafverfahrens weit zurückliegende Straftaten zur Sprache kommen können. Mit Blick darauf, dass sexueller Missbrauch von Kindern besonders konsequenter Ahndung bedarf und dass einer Verschärfung der Regeln über die Verfolgungsverjährungsregelung auch generalpräventive Wirkung zukommen kann, muss die Problematik der Beweiserhebung und damit die wohl relativ geringe Zahl von Fällen, in welchen infolge der Verlängerung der Verjährungsfrist eine Strafverfolgung überhaupt noch möglich ist, in Kauf genommen werden.

2.1.2

Rechtsvergleich60

In Deutschland ruht gemäss § 78b Absatz 1 Ziffer 1 des Strafgesetzbuches (dStGB) die Verjährung bei Straftaten nach den §§176­179 bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Opfers. Es handelt sich dabei um die Strafbestimmungen über sexuellen Missbrauch von Kindern unter 14 Jahren sowie Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und sexuellen Missbrauch Widerstandsunfähiger unter 18 Jahren. Die Frist der Verfolgungsverjährung hängt vom Strafrahmen ab und beträgt bei sexuellem Missbrauch von Kindern (unter 14 Jahren) bis zu 10 Jahre, bei sexuellem Missbrauch mit Todesfolge 30 Jahre.

In Österreich wurde per 1. Oktober 1998 § 58 des Strafgesetzbuches (öStGB) neu gefasst und dabei eine Bestimmung über die Verlängerung der Verjährung bei Sexualdelikten an Minderjährigen eingeführt61. Die Zeit bis zur Erreichung der Volljährigkeit, das heisst bis zum vollendeten 19. Altersjahr des Verletzten einer strafbaren Handlung nach den §§ 201, 202, 205, 206, 207, 212 oder 213 öStGB wird ge57

58 59

60 61

Vgl. Zusammenfassung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens über die Änderungen des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes, Bundesamt für Justiz, Januar 1999.

BBl 1999 2133 ff.

Bei einem sexuellen Übergriff auf ein fünfjähriges Kind z.B. träte die Verjährung im Falle des Ruhens der Verjährung bis zum vollendeten 18. Altersjahr des Opfers und unter Annahme der geltenden 10-jährigen Frist für die Verfolgungsverjährung erst 23 Jahre nach der Tat, bei Berücksichtigung der längeren 15-jährigen, absoluten Verjährungsfrist 28 Jahre nach der Straftat ein.

Der Rechtsvergleich stützt sich auf Angaben des Schweizerischen Instituts für Rechtsvergleichung sowie auf Recherchen des Bundesamtes für Justiz.

BGBl. I Nr. 153/1998

2959

mäss § 58 Absatz 3 Ziffer 3 öStGB nicht mehr in die reguläre Verjährungsfrist eingerechnet. Die genannten Straftaten sind Vergewaltigung, Geschlechtliche Nötigung, Schändung, Schwerer sexueller Missbrauch von Unmündigen (unter 14 Jahren), Sexueller Missbrauch von Unmündigen, Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses und Kuppelei. Die regulären Verjährungsfristen (Verfolgungsverjährung) hängen vom Strafrahmen ab und betragen bei schwerem sexuellem Missbrauch von Kindern 10 Jahre, in qualifizierten Fällen (wenn der Missbrauch eine schwere Körperverletzung, eine Schwangerschaft oder den Tod zur Folge hatte) 20 Jahre. Die Verjährung tritt bei Wiederholungstaten, welche auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen, erst nach Ablauf der Verjährung der neuen Tat ein.

Im Fürstentum Liechtenstein soll gemäss Antrag der Regierung an den Landtag vom 18. Mai 1999 § 58 Absatz 3 Ziffer 3 des Strafgesetzbuches (FL-StGB) geändert werden. Neu soll bei einer strafbaren Handlung nach den §§ 200 (Vergewaltigung), 201 (Sexuelle Nötigung), 204 (Schändung), 205 (Schwerer sexueller Missbrauch von Unmündigen), 206 (Sexueller Missbrauch von Unmündigen), 207 (Sittliche Gefährdung Unmündiger oder Jugendlicher), 208 (Sexueller Missbrauch von Personen unter sechzehn Jahren), 211 (Inzest), 212 (Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses), 213 (Kuppelei), 215 (Förderung der Prostitution), 216 (Zuhälterei) und 217 (Menschenhandel) die Zeit, bis das Opfer das 18. Lebensjahr vollendet hat, nicht in die Verjährungszeit eingerechnet werden. In diesem Sinn hat das Modell des Fürstentums Liechtenstein grosse Ähnlichkeit mit der hier unterbreiteten Vorlage.

In Frankreich beginnt die Verjährungsfrist für Verbrechen und Vergehen gegen Minderjährige mit dem Erreichen der Volljährigkeit des Opfers, das heisst mit dem vollendetem 18. Altersjahr, zu laufen (s. Art. 7 und 8 der Französischen Strafprozessordnung in der Fassung gemäss Gesetz Nr. 98-468 vom 17.6.1998) und beträgt bei Verbrechen 10 Jahre, bei Vergehen 3 Jahre, in Sonderfällen ebenfalls 10 Jahre.

In Italien beginnt die Verjährungsfrist gemäss Artikel 158 des Codice penale am Tag, an welchem die strafbare Handlung begangen wurde. Die Verjährungsfristen betragen bei den schwersten Sittlichkeitsdelikten gegen Kinder (unter 14 Jahren) 15 Jahre. Eine Sonderregelung der Verjährung fehlt
im Gesetz Nr. 66 vom 15. Februar 1996, mit welchem die Sexualdelikte neu geregelt wurden.

Gemäss § 71 des holländischen Strafgesetzbuches beginnt die Verjährung für Sexualdelikte an Minderjährigen (unter anderem Beischlaf und andere sexuelle Handlungen mit Minderjährigen) am Tag der Vollendung des 18. Lebensjahres des Opfers. Die Länge der Verjährungsfrist hängt vom Strafrahmen ab. Sie beträgt bei einer Gefängnisstrafe von maximal drei Jahren 6 Jahre, bei einer über dreijährigen Gefängnisstrafe 12 Jahre, bei einer Strafdrohung von über zehn Jahren Gefängnis 15 Jahre und bei einer lebenslangen Strafe 18 Jahre.

In Schweden beginnt die Verjährung der Sexualdelikte an Kindern unter 15 Jahren am Tag der Vollendung des 15. Lebensjahres des Opfers (vgl. Kapitel 35, Art. 4, Abs. 2 des schwedischen Strafgesetzbuches). Diese Bestimmung ist am 1. Januar 1995 in Kraft getreten.

In Dänemark gibt es keine besonderen Bestimmungen für den Beginn der Verjährung bei Sexualdelikten an Kindern.

In Norwegen hat das Parlament am 22. Mai 1998 Artikel 68 des Strafgesetzbuches dahingehend geändert, dass bei Sexualdelikten die Verjährung mit dem 18. Altersjahr beginnt, wenn es gegen eine Person von weniger als 14 Jahren begangen wurde (Art. 195 des norwegischen Strafgesetzbuches).

2960

In Grossbritannien und in den USA kennt das «common law» keine Verjährungsfristen. Die Strafverfolgung einer Tat ist somit jederzeit möglich62.

2.1.3

Beginn der Verfolgungsverjährung mit der Volljährigkeit des Opfers (Art. 201 [neu] StGB)

Statt die Verjährung ab dem Zeitpunkt der Tat bis zur Volljährigkeit des Opfers ruhen zu lassen (das Wort Ruhen wird im nicht-technischen Sinne auch in dieser Botschaft verwendet), wird vorgeschlagen, den Beginn der Verfolgungsverjährung auf den Zeitpunkt der Volljährigkeit des Opfers festzusetzen. Denn die vom Bundesrat im Rahmen der Revision des AT-StGB vorgeschlagene neue Verjährungsregelung von Artikel 97 ff. E-StGB sieht das Rechtsinstitut des Ruhens der Verjährung nicht mehr vor (vgl. Fn. 58).

Beginnt die Verfolgungsverjährung erst mit der Volljährigkeit des Opfers, so kann sie vorher durch Untersuchungshandlungen auch nicht unterbrochen werden (Art. 72 StGB). Wird der Täter vor dem vollendeten 18. Altersjahr des Opfers verurteilt, ergibt sich die Besonderheit, dass für eine ausgefällte Strafe die Vollstreckungsverjährung beginnt, ohne dass vorher eine Verfolgungsverjährung lief.

2.1.3.1

Schwere Sexualdelikte an Kindern

2.1.3.1.1

Geltungsbereich

Der neue Artikel 201 StGB soll auf die schweren Sexualdelikte, bei denen Kinder unter 16 Jahren Opfer sind, beschränkt werden. Als schwere Sexualdelikte, bei denen Kinder unter 16 Jahren Opfer sein können, gelten Artikel 187 StGB (Sexuelle Handlungen mit Kindern), Artikel 189 StGB (Sexuelle Nötigung), Artikel 190 StGB (Vergewaltigung), Artikel 191 StGB (Schändung), Artikel 195 StGB (Förderung der Prostitution) und Artikel 196 StGB (Menschenhandel).

Diese schweren Sexualdelikte sind der neuen Regelung vollumfänglich und in jedem Fall zu unterstellen. Das Ruhen der Verjährung soll insbesondere nicht davon abhängig gemacht werden, ob zwischen Täter und Opfer eine verwandtschaftliche Beziehung oder ein Abhängigkeitsverhältnis besteht63.

62

63

Vgl. Card R., Criminal Law, 1995, sowie Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 22.10.1996 i. S. Stubbings et al. gegen Vereinigtes Königreich, Recueil 1996-IV, S. 1487 ff.

Vgl. Ziff. 2.1.3.1.2. Es muss vermieden werden, dass je nach der Person des Täters eine unterschiedliche Verjährungsregelung gilt.

2961

2.1.3.1.2

Übrige Sexualdelikte an Kindern

Der Einbezug von Artikel 192 StGB64 (Sexuelle Handlungen mit Anstaltspfleglingen, Gefangenen, Beschuldigten) und Artikel 193 StGB (Ausnützung der Notlage)65 in die neue Verjährungsregelung ist nicht erforderlich, da beide Bestimmungen nach der herrschenden Lehre von Artikel 187 StGB konsumiert werden, insoweit Kinder unter 16 Jahren Opfer sind.

Artikel 192 StGB (Sexuelle Handlungen mit Anstaltspfleglingen, Gefangenen, Beschuldigten) geht davon aus, dass der Täter die Abhängigkeit der geschützten Personen ausnützt, zu denen auch Kinder unter 16 Jahren gehören können66. Artikel 187 StGB (Sexuelle Handlungen mit Kindern) schützt mit der ungestörten sexuellen Entwicklung des Kindes zwar ein anderes Rechtsgut als Artikel 192 StGB mit der sexuellen Selbstbestimmung, doch geht die herrschende Lehre67 trotzdem davon aus, dass zwischen Artikel 187 StGB und Artikel 192 StGB keine echte Konkurrenz besteht, sondern Artikel 192 StGB von Artikel 187 StGB konsumiert wird. Die Abhängigkeit eines in einem Heim lebenden Kindes von Pflegepersonen ist denn auch keine prinzipiell andere als die eines Pflegekindes in einer Fremdfamilie, weshalb auch der strafrechtliche Schutz der beiden Kategorien von Kindern grundsätzlich derselbe sein soll. Da der Missbrauch von Pflegekindern allein von Artikel 187 StGB erfasst wird, soll auch in Bezug auf Anstaltspfleglinge, Anstaltsinsassen, Verhaftete und Beschuldigte allein Artikel 187 StGB, dessen höhere Strafdrohung auch die Ausnützung der Abhängigkeit zu berücksichtigen erlaubt, anwendbar sein. Artikel 192 StGB figuriert deshalb nicht im Katalog der im neuen Artikel 201 StGB aufgenommenen Bestimmungen.

Nicht anders verhält es sich bei Artikel 193 StGB (Ausnützung der Notlage), der von Artikel 187 StGB ebenfalls konsumiert wird68.

Bei Artikel 197 StGB (Pornografie) bildet zwar die ungestörte sexuelle Entwicklung Jugendlicher eines der geschützten Rechtsgüter, doch fehlt es bei den erfassten Tathandlungen mit Ausnahme der Herstellung von Kinderpornografie und von Darstellungen sexueller Gewalt (Art. 197 Ziff. 3 StGB), die ein reales Geschehen zum Inhalt haben, in aller Regel an einem engen Bezug zu einem Opfer. Zudem sind in diesem Fall letztlich regelmässig auch Tatbestände anderer Sexualdelikte erfüllt69, für welche die neue Verjährungsregelung ohnehin Anwendung findet. Geht es dagegen allein um die Konfrontation von Kindern mit pornografischen Erzeugnissen70, 64

65 66 67

68

69

70

Die CVP, das Gleichstellungsbüro Kt. Basel-Stadt und die Conférence des autorités de poursuite pénale de Suisse romande et du Tessin sprechen sich für die Aufnahme von Art. 192 StGB in die neue Verjährungsregelung aus.

Die CVP, die Conférence des autorités de poursuite pénale de Suisse romande et du Tessin und das Gleichstellungsbüro des Kts. Basel-Stadt.

Kinder unter 16 Jahren können nicht Gefangene sein, weshalb sie insoweit ausser Betracht fallen.

Vgl. dazu Günter Stratenwerth, Besonderer Teil I, Bern 1995, S. 154 N 45, Stefan Trechsel, a.a.O., 708 N 22, u. Guido Jenny, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, Besonderer Teil, Bd. IV: Delikte gegen die sexuelle Integrität, Art. 187, N. 45.

Vgl. dazu Günter Stratenwerth, Besonderer Teil I, S. 156 N 53 und Stefan Trechsel, a.a.O., S. 707 N 22. Das Gleichstellungsbüro Kt. Basel-Stadt und die Conférence des autorités de poursuite pénale de Suisse romande et du Tessin wollen auch Art. 193 StGB in den neuen Art. 201 aufnehmen.

So insbes. Art. 187 StGB. Nach Stefan Trechsel (a.a.O., S. 737 N 9 f.) sind durch Art. 197 Ziff. 3 StGB nicht die Darsteller geschützt. Für den Schutz der Kinder genügt Art. 187 StGB.

Insbes. Art. 197 Ziff. 1 StGB.

2962

so rechtfertigt sich auf Grund der im Vergleich zu anderen strafbaren sexuellen Handlungen geringeren Deliktsschwere keine besondere Verjährungsregelung. Artikel 197 StGB ist daher nicht in den neuen Artikel 201 StGB aufzunehmen 71.

Exhibitionismus (Art. 194 StGB) ist die bewusste Zurschaustellung der Sexualorgane aus sexuellen Beweggründen. Der Einbezug des Opfers, zum Beispiel von Kindern unter 16 Jahren, erfolgt allein im Sinne einer visuellen Einwirkung, ohne dass ein direkter (körperlicher) Bezug zwischen Täter und Opfer besteht. Wenn der Täter dagegen das Kind gezielt zum Zeugen seiner sexuellen Handlungen macht und es dadurch als Sexualobjekt behandelt72, wird er nach Artikel 187 StGB (Sexuelle Handlungen mit Kindern) bestraft. Unter das Einbeziehen eines Kindes in eine sexuelle Handlung fällt nach Artikel 187 StGB beispielsweise auch die exhibitionistische Masturbation. Aus den genannten Gründen ist der Bundesrat der Auffassung, dass Artikel 194 StGB nicht in den neuen Artikel 201 StGB aufzunehmen ist 73.

Da die neu vorgeschlagene Verjährungsregel von Artikel 201 StGB nur die schweren Sexualdelikte erfasst, fallen die «harmloseren» Übertretungstatbestände der Artikel 198 (Sexuelle Belästigungen) und 199 StGB (Unzulässige Ausübung der Prostitution) ohnehin ausser Betracht. Das Gleiche gilt hinsichtlich Artikel 200 StGB (Gemeinsame Begehung), der keinen Straftatbestand, sondern einen Strafschärfungsgrund darstellt.

2.1.3.1.3

Andere schwere Gewaltdelikte an Kindern

Einige Vernehmlasser haben vorgeschlagen, ein entsprechendes Verjährungsmodell auch für Tötungs- und weitere Gewaltdelikte vorzusehen74.

Der Bundesrat lehnt eine derartige Ausweitung der Verjährung indes unter Hinweis auf seine Ausführungen über den Sinn und Zweck der neuen Verjährungsregelung (vgl. vorne, Ziff. 2.1.1) ab. Die besonderen Voraussetzungen, mit welchen das Ruhen der Verjährung bei schweren Sexualdelikten gegen Kinder unter 16 Jahren begründet wird, liegen bei Tötungs- und anderen Gewaltdelikten gegen Kinder unter 16 Jahren nicht vor. Anders als bei Sexualdelikten erfolgt bei diesen Delikten die Strafverfolgung wegen der sichtbaren Folgen der Tat in der Regel unmittelbar nach der Tatbegehung, und zwar auch dann, wenn das Opfer nicht in der Lage ist, selbst den Anstoss für die Durchführung eines Strafverfahrens zu geben.

Es mag zwar stossend erscheinen, wenn bestimmte, von der Strafdrohung her schwerere Delikte gegen Kinder unter 16 Jahren schneller verjähren können als die in Artikel 201 (neu) StGB genannten schweren Sexualdelikte gegen Kinder unter 16 Jahren. Mit Blick auf die dargelegten Besonderheiten von Sexualdelikten an

71

72 73

74

AR möchte Art. 197 Ziff. 3 StGB aufnehmen. Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände und Limita, Schweizerischer Verein zur Prävention sexueller Ausbeutung, sprechen sich für die Aufnahme von Art. 197 Ziff. 1 StGB aus.

Vgl. dazu Günter Stratenwerth, Besonderer Teil I, S. 145 N 16 und Stefan Trechsel, a.a.O., S. 703 N 9.

AR und ZG befürworten die Aufnahme von Art. 194 StGB, weil die Grenze zwischen Exhibitionismus vor Kindern und sexuellen Handlungen mit Kindern in Einzelfällen fliessend ist und auch ein solcher Vorfall zu einer erheblichen Traumatisierung eines Kindes führen kann.

TI, CVP, SP und die Demokratischen Juristinnen und Juristen der Schweiz.

2963

Kindern, welche auf die Gewalt- und Tötungsdelikte nicht zutreffen, ist dies aber in Kauf zu nehmen.

Damit wird auch vermieden, dass in Bezug auf jene Gewalt- und Tötungsdelikte, bei welchen keine besondere Strafnorm besteht, wenn Kinder unter 16 Jahren Opfer sind, für die Tatbegehung an Kindern unter 16 Jahren beziehungsweise Minderjährigen über 16 Jahren und Erwachsenen unterschiedliche Verjährungsfristen vorgesehen werden müssten.

Da zwischen Tötungsdelikten und den schweren Sexualdelikten Idealkonkurrenz herrscht, besteht im Übrigen entgegen Befürchtungen keine Gefahr, dass ein Sexualmörder unter dem Gesichtspunkt der Verjährung gegenüber anderen schweren Sexualtätern bevorteilt wird75.

2.1.3.2

Altersgrenze von 16 Jahren

Die in Artikel 201 (neu) StGB vorgeschlagene besondere Regelung der Verfolgungsverjährung (Ruhen der Verjährung) gilt für schwere Sexualdelikte76, die sich gegen Kinder unter 16 Jahren richten.

Einige Vernehmlasser haben sich dafür ausgesprochen, Artikel 188 StGB, Sexuelle Handlungen mit Abhängigen (unmündigen Personen von mehr als 16 Jahren), in den Katalog der schweren Sexualdelikte von Artikel 201 (neu) StGB aufzunehmen und insoweit von der Schutzaltersgrenze von 16 Jahren 77 abzuweichen78.

Bei Artikel 188 StGB steht indes die sexuelle Selbstbestimmung als Schutzobjekt im Vordergrund79 und nicht die ungestörte sexuelle Entwicklung. Jugendlichen ab 16 Jahren wird grundsätzlich die Fähigkeit zugebilligt, frei über ihr Sexualleben zu bestimmen; sie sollen strafrechtlich vor sexuellem Missbrauch nur geschützt werden, wenn sie sich in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Täter befinden, welches ihren freien Entscheid, sich gegen sexuelle Annäherungen zu schützen, beeinträchtigt80. Bei Kindern dagegen wird die sexuelle Entwicklung unabhängig vom individuellen Entwicklungsstand gefährdet81, wenn sie zu anderen als zu altersspezifischen Formen sexueller Betätigung veranlasst werden.

Unmündige jugendliche Personen von mehr als 16 Jahren sind eher als Kinder unter 16 Jahren fähig zu erkennen, dass sie Opfer eines sexuellen Übergriffs wurden, und können daher früher reagieren. Die Strafdrohung für sexuelle Handlungen mit Abhängigen ist denn auch weniger schwer als bei sexuellen Handlungen mit Kindern unter 16 Jahren, bei welchen jede sexuelle Betätigung, unabhängig von einem all75 76 77 78

79 80 81

Stefan Trechsel, a.a.O., S. 722 N 13 Vgl. vorne, Ziff. 2.1.3.1.

BBl 1985 II 1065 ff.

ZH, BE, LU, BL, FDP, CVP, die Arbeitsgemeinschaft gegen Kinderprostitution, die Schweizer Bischofskonferenz und die Schweizerische Stiftung Pro Juventute. Sie weisen darauf hin, dass die für Kinder unter 16 Jahren geltenden Prämissen (Abhängigkeitssituation, längjährige Verdrängung traumatischer Erlebnisse, besonders enger Opfer-Täter-Bezug) auch für 16- bis 18-jährige Gültigkeit beanspruchen. Der Kanton Jura und die Eidgenössische Kommission für Jugendfragen wollen Art. 188 StGB mit einer entsprechenden Bestimmung ergänzen.

BBl 1985 II 1069 ff.; Stefan Trechsel, a.a.O., S. 709 N 1 BGE 125 IV 131 ff.

BBl 1985 II 1065

2964

fälligen Einverständnis, die geschlechtliche Entwicklung stören kann. Es besteht daher keine Notwendigkeit, Artikel 188 StGB hinsichtlich der Verjährungsregelung den schweren Sexualdelikten gegen Kinder unter 16 Jahren gleichzustellen.

Deshalb kann darauf verzichtet werden, sexuelle Handlungen mit Abhängigen in den neuen Artikel 201 StGB aufzunehmen, oder Artikel 188 StGB mit einer entsprechenden Bestimmung über das Ruhen der Verjährung zu ergänzen.

2.1.3.3

Dauer der Verjährungsfrist

In der Vernehmlassung ist vereinzelt geltend gemacht worden, dass zwar eine konsequente Ahndung schwerer Sexualdelikte gegen Kinder unter 16 Jahren angestrebt werden müsse, die vorgeschlagene Ausdehnung der Verfolgungsverjährung jedoch übertrieben erscheine. Unter der Voraussetzung, dass die Verfolgungsverjährung bis zum 18. Altersjahr ruhe, könne man ohne Weiteres in jenen Tatbeständen, in welchen nach geltendem Recht eine fünfjährige Verjährungsfrist vorgesehen ist, diese belassen. Es scheine jedem Opfer zumutbar, dass es nach dem 18. Altersjahr innert fünf Jahren entscheide, ob es eine Strafanzeige erstatten möchte oder nicht82. Auch wurde der Vorwurf erhoben, dass von einem Extrem (Revision 1992) ins andere Extrem gewechselt werde83.

Der Bundesrat ist jedoch mit der überwiegenden Mehrheit der Vernehmlasser der Überzeugung, dass die mit der Vorlage angestrebten Ziele (vgl. Ziff. 2.1.1) mit einer solchen Einschränkung gefährdet würden. Er verzichtet daher darauf, das Ruhen der Verjährung mit einer Verkürzung der ordentlichen Verjährungsfrist zu verbinden.

Anderseits rechtfertigt sich aber auch keine noch längere Frist für die Verfolgungsverjährung. Wird nach Eintritt der Volljährigkeit eine Untersuchungshandlung vorgenommen oder trifft ein Gericht eine Verfügung gegenüber dem Täter, so wird die Verjährung dadurch nach Artikel 72 Ziffer 2 StGB unterbrochen. Die Strafverfolgung ist hinsichtlich der schweren Sexualdelikte jedoch in jedem Falle verjährt, wenn die ordentliche Verjährungsfrist um die Hälfte überschritten ist (Art. 72 Ziff. 3 StGB)84. Damit besteht eine genügende Reserve, damit die Verfolgungsverjährung nicht während eines laufenden Verfahrens eintritt.

82

83

84

Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten der Schweiz und Pink Cross. SG schlägt vor, den Beginn der Verjährungsfrist nicht auf den Tag festzusetzen, an dem das Opfer das 18. Lebensjahr erfüllt hat, sondern die absolute Verjährungsfrist auf 20 Jahre festzulegen.

SVP. Sie schlägt deshalb vor, dass die Verjährung nur für das Opfer bis nach dessen 18. Lebensjahr ruht und die Strafverfolgung nur noch auf dessen Antrag hin erfolgen soll, und zwar bis nach Ablauf einer relativ kurzen Zeit nach Aufhebung des Abhängigkeitsverhältnisses.

Das heisst nach 15 Jahren ab Volljährigkeit. Nach der Regelung des E-StGB verjähren die schweren Sexualdelikte ebenfalls nach 15 Jahren, wobei die Verjährung durch Untersuchungshandlungen oder Verfügungen des Gerichts nicht mehr unterbrochen wird (Art. 97 Abs. 1 Bst. b E-StGB). Erst nach dem erstinstanzlichen Urteil tritt keine Verjährung mehr ein (Art. 97 Abs. 2 E-StGB).

2965

2.1.3.4

Antragsdelikte ab Volljährigkeit des Opfers?

Im Rahmen der Vernehmlassung ist geltend gemacht worden, dass das neue Institut des Ruhens der Verjährung bei schweren Sexualdelikten an Kindern unter 16 Jahren bis zur Vollendung des 18. Altersjahrs des Opfers die Gefahr birgt, dass Kinder, welche Opfer von Sexualdelikten geworden sind, allenfalls gegen ihren Willen auf Grund von Anzeigen Dritter wieder mit dem früher Erlebten konfrontiert werden können85. Wird ein fünfjähriges Kind Opfer eines schweren Sexualdelikts, so kann noch 23 beziehungsweise 28 Jahre86 später ein Strafverfahren eingeleitet werden. Da eine erneute Traumatisierung oder Reviktimisierung kindlicher Opfer von Sexualdelikten als Folge der neuen Verjährungsregelung mit den Zielen derselben nicht im Einklang steht, stellt sich die Frage, ob den kindlichen Opfern von schweren Sexualdelikten nach Eintritt der Volljährigkeit ein Gestaltungsrecht eingeräumt werden soll, mit welchem sie die Durchführung eines Strafverfahrens verhindern können.

Die Frage stellt sich in besonderem Mass, wenn von dritter Seite gegen den Willen des Opfers Strafanzeige erfolgt87. In der Vernehmlassung wurde deshalb vorgeschlagen, die in Artikel 201 (neu) StGB angeführten schweren Sexualdelikte ab Eintritt der Volljährigkeit des Opfers als Antragsdelikte auszugestalten88. Eine andere Möglichkeit wäre die Einräumung eines sogenannten «Widerspruchsrechts» an die inzwischen volljährigen Opfer von Sexualdelikten im Kindesalter. Diese könnten nach Eintritt ihrer Volljährigkeit wegen eines an ihnen verübten schweren Sexualdeliktes die Eröffnung eines Strafverfahrens durch eine Erklärung gegenüber den Strafuntersuchungsbehörden verhindern oder niederschlagen.

Ein solches Gestaltungsrecht für kindliche Opfer von Sexualdelikten birgt indes auch gewichtige Nachteile, die gegenüber den dargelegten Vorteilen abzuwägen sind.

Unter dem Aspekt des öffentlichen Interesses beziehungsweise des Schutzes der öffentlichen Ordnung erscheint es nicht unbedenklich, dass bei schweren Delikten eine Strafverfolgung von Amtes wegen bereits nach kürzester Zeit verhindert werden kann. Wird ein Kind im Alter von knapp 16 Jahren Opfer eines schweren Sexualdelikts, so wäre eine Strafverfolgung schon nach zwei Jahren nur noch auf Antrag beziehungsweise ohne Widerspruch des Opfers möglich.

Dazu kommt, dass eine solche Regelung zu krassen
Ungerechtigkeiten führen kann, wenn bei zwei gleichartigen Verbrechen im einen Fall ein Strafverfahren durchgeführt wird, das zu einer unbedingten Zuchthausstrafe führt, im anderen Fall dagegen überhaupt kein Verfahren stattfindet.

Zu einer ähnlichen Konstellation kann es zwar bereits nach geltendem Recht kommen, wenn in zwei ähnlich gelagerten Fällen das Opfer nur in einem Fall zu einer Aussage bereit ist, im anderen Fall dagegen von seinem Aussageverweigerungsrecht zu Fragen betreffend die Intimsphäre Gebrauch macht (Art. 7 des Bundesgesetzes vom 4. Okt. 1991 über die Hilfe an Opfer von Straftaten, Opferhilfegesetz, OHG, 85 86 87 88

VD, die Schweizerische Gesellschaft für Psychiatrie und Pink Cross.

Gemäss Art. 97 Abs. 1 Bst. b E-StGB Als Beispiel werden Strafanzeigen der Mutter gegen den Vater angeführt, welche im Rahmen eines Scheidungsprozesses erfolgen.

SZ, VD, SVP, die Schweizerische Gesellschaft für Psychiatrie und Pink Cross. Die Schweizerische Gesellschaft für Psychiatrie weist darauf hin, dass auch Anzeigen von Familienangehörigen gegen die Kindesinteressen verstossen können, so z.B.

Strafanzeigen gegen den Ehepartner im Rahmen eines Scheidungsprozesses.

2966

SR 312.5)89. Die Gefahr von Ungleichbehandlungen infolge der Aussageverweigerung eines Opfers ist indes wesentlich geringer, da eine Verurteilung des Täters grundsätzlich auch ohne die Aussage des Opfers möglich ist. Zudem können Aussageverweigerungen auch bei der Strafverfolgung anderer als schwerer Sexualdelikte an Kindern dazu führen, dass keine Verurteilung möglich ist und deswegen Rechtsungleichheiten entstehen.

In Abwägung der dargelegten Vor- und Nachteile kommt der Bundesrat zum Schluss, dass darauf zu verzichten ist, kindlichen Opfern von schweren Sexualdelikten nach Eintritt in die Volljährigkeit ein Gestaltungsrecht einzuräumen. Machen die Opfer von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, können sie sich in genügender Weise davor schützen, gegen ihren Willen retraumatisiert oder reviktimisiert zu werden. Das Aussageverweigerungsrecht erschöpft sich nicht darin, keine Auskunft geben zu müssen, sondern schliesst auch das Recht ein, nicht noch einmal ­ insoweit die Intimsphäre betroffen ist ­ vom gesamten Sachverhalt Kenntnis nehmen zu müssen. Nur so kann sich das Opfer unter Geltendmachung seines Aussageverweigerungsrechts vor der Retraumatisierung durch ein Strafverfahren schützen.

Der vom Bundesrat vorgeschlagene Verzicht darauf, den kindlichen Opfern schwerer Sexualdelikte nach ihrer Volljährigkeit ein Gestaltungsrecht einzuräumen und stattdessen das Problem der Retraumatisierung über die Anwendung von Artikel 7 OHG zu lösen, hat zudem den Vorteil, dass eine solche Praxis, insoweit die Intimsphäre betroffen ist, sämtliche Delikte erfasst. Ein Gestaltungsrecht in der Form eines Antragsdelikts oder durch ein Widerspruchsrecht würde dagegen nur die schweren Sexualdelikte erfassen. Ein solches Gestaltungsrecht wäre für die kindlichen Opfer dann lückenhaft, wenn die Sexualdelikte in Idealkonkurrenz mit anderen Delikten (z.B. schwerer Körperverletzung) stehen. So lässt sich im Rahmen einer Strafuntersuchung wegen schwerer Körperverletzung, die im Zusammenhang mit schweren Sexualdelikten steht, nicht vermeiden, dass auch Fragen der Intimsphäre angesprochen werden. Insoweit müssten sich dann die Opfer ­ wollten sie eine erneute Konfrontation mit dem Erlebten vermeiden ­ wiederum auf das ihnen zustehende Aussageverweigerungsrecht berufen.

2.1.3.5

Übergangsbestimmung

Gemäss Artikel 2 StGB (Zeitliche Geltung des Gesetzes) gilt das Rückwirkungsverbot auch bei Teilrevisionen90. Für Taten, die unter der Herrschaft des alten Rechts begangen worden sind, gelangt grundsätzlich dieses Recht zur Anwendung.

Wurde die Tat zwar vor dem Inkrafttreten der Revision begangen, wird sie aber erst nachher beurteilt, so ist die neue Regelung anzuwenden, sofern sie die mildere ist (Art. 2 Abs. 2 StGB). Nach Artikel 337 StGB finden die Bestimmungen des StGB über die Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung auch Anwendung, wenn eine Tat vor Inkrafttreten dieses Gesetzes verübt oder beurteilt worden ist und es für den Täter das mildere ist. Der vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes abgelaufene Zeitraum wird aber angerechnet91.

89 90 91

Im Falle der Beteiligung mehrerer an einer Straftat, die nur auf Antrag strafbar ist, sieht Art. 30 StGB die Unteilbarkeit des Strafantrags vor.

Vgl. BGE 77 IV 105, 145; 117 IV 375 Vgl. BGE 105 IV 7

2967

Will man eine schärfere Praxis einschlagen, um die hier anvisierten Sexualdelinquenten länger verfolgen zu können, und soll die neue Praxis auch für Delikte gelten, die vor Inkrafttreten der vorliegenden Revision begangen worden sind, so bedarf es dazu ­ wie in der Vernehmlassung verschiedentlich gewünscht92 ­ einer speziellen Regelung, wie sie analog anlässlich der Revision von Artikel 187 StGB (Sexuelle Handlungen mit Kindern) im Jahre 1997 getroffen wurde. Artikel 187 StGB wurde eine Ziffer 6 beigefügt, wonach die damals eingeführte längere Verjährungsfrist von zehn Jahren auch dann Anwendung findet, wenn die Verjährung der Tat am 1. September 1997 nach dem alten Recht noch nicht eingetreten war93. Einer solchen Übergangsbestimmung steht das Rückwirkungsverbot nicht entgegen. Das Rückwirkungsverbot gilt nur für Änderungen am Straftatbestand und an der Strafdrohung, nicht aber hinsichtlich der Verjährungsregelung 94.

Wird eine solche Übergangsbestimmung auch dem neuen Artikel 201 StGB beigefügt, so hat dies zur Folge, dass bei sexuellen Handlungen mit Kindern unter 16 Jahren, welche beim Inkrafttreten des neuen Artikels 201 StGB nach dem alten Recht noch nicht verjährt sind, die Verjährung nach Massgabe der neuen Verjährungsregelung ­ unter Berücksichtigung des Ruhens der Verjährung bis zum vollendeten 18. Altersjahr des Opfers ­ neu berechnet wird. Ohne eine solche Übergangsbestimmung fände die für den Täter mildere bisherige Verjährungsregelung Anwendung, das heisst die Straftat verjährte zehn Jahre nach der Tat ohne Berücksichtigung des Ruhens der Verjährung (lex mitior) 95.

92 93 94 95

ZH, BE, SP u. die Arbeitsgemeinschaft gegen Kinderprostitution.

AB 1996 N 1772 f., 1776 ff., 1996 S 1177 ff.

Vgl. Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I, Bern 1996, S. 79 f.

Angenommen, der neue Artikel 201 StGB tritt - ohne Übergangsbestimmung ­ am 1. Januar 2001 in Kraft, so verjähren die schweren Sexualdelikte, die 1992 an einem Kind unter 16 Jahren verübt wurden, im Jahre 2002, jene aus dem Jahre 1993 im Jahre 2003 und schwere Sexualdelikte aus dem Jahr 2000 im Jahre 2010. Ohne Übergangsbestimmung findet der neue Artikel 201 StGB mithin nur auf jene schweren Sexualdelikte an Kindern unter 16 Jahren Anwendung, die nach dem 1. Januar 2001 verübt werden.

Mit einer Artikel 187 Ziffer 6 StGB entsprechenden Übergangsbestimmung werden dagegen ­ unter Annahme des Inkrafttretens des neuen Rechts auf den 1. Januar 2001 ­ alle ab dem 1. Januar 1991 verübten schweren Sexualdelikte, die an einem Kind unter 16 Jahren verübt wurden, erfasst. Angenommen, eine Tat wurde am 2. Februar 1993 an einem 15-jährigen Opfer verübt und dieses Opfer wird am 2. März 1995 18-jährig, so beginnt ab diesem Datum die 10-jährige Verjährungsfrist zu laufen. Beim Inkrafttreten des neuen Artikels 201 StGB wären bereits fünf Jahre und neun Monate der Verjährungsfrist gemäss bisherigem Recht verstrichen und das Opfer 23 Jahre und neun Monate alt. Es blieben somit noch vier Jahre und drei Monate, d.h. die am 2. Februar 1993 begangene Straftat wäre am 2. März 2005 verjährt und das Opfer inzwischen 28jährig. Ohne Übergangsbestimmung wäre die Verjährung bereits am 2. Februar 2002 eingetreten.

Ist das Opfer in oben erwähntem Fall 5-jährig und wird es am 2. März 2005 18-jährig, dann tritt die 10-jährige Verjährung am 2. März 2015 ein. Ohne Übergangs bestimmung wäre die Straftat auch in diesem Fall am 2. Februar 2002 verjährt.

Diese Übergangsbestimmung wird in Artikel 201 (neu) StGB als besonderer Absatz (Abs. 2) eingefügt.

2968

2.1.4

Inzest (Art. 213 StGB)

2.1.4.1

Allgemeines

Wie die überwiegende Mehrheit der Vernehmlasser hält auch der Bundesrat das Inzestverbot sowohl zum Schutz der intakten Familie wie auch aus eugenischen Gründen nach wie vor für erforderlich.

Hinter der für den Inzest geltenden kurzen zweijährigen Verjährungsfrist (Art. 213 Abs. 3 StGB) steht der Gedanke, dass Vorgänge des engsten Familienlebens nicht durch ein Strafverfahren an die Öffentlichkeit gebracht werden sollen, wenn sie einige Zeit zurückliegen. Inzest bleibt denn auch in den meisten Fällen geheim, weil das Opfer befürchtet, dass die Familie auseinanderbrechen könnte, falls der sexuelle Missbrauch öffentlich bekannt wird, und es sich dafür nicht «mitverantwortlich» fühlen will. Der Täter kann diesen Zwiespalt des Opfers über Jahre hinweg ausnützen und damit rechnen, dass das Opfer schweigen wird.

2.1.4.2

Rechtsvergleich96

In Deutschland stellt § 173 dStGB den Beischlaf unter Blutsverwandten (leibliche Abkömmlinge, Aszendenten und Deszendenten, und leibliche Geschwister) unter Strafe. Der Beischlaf mit einem leiblichen Abkömmling (Deszendenten) wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft; in den übrigen Fällen droht Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren und Geldstrafe. Ein persönlicher Strafausschliessungsgrund besteht nach § 173 Absatz 3 dStGB für Abkömmlinge und Geschwister, die zur Zeit der Tat das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

In Österreich stellt § 211 öStGB den Beischlaf unter Verwandten unter Strafe. Demnach wird bestraft, wer den Beischlaf mit Personen, mit denen er in gerader oder absteigender Linie verwandt ist, vollzieht. Ebenso werden leibliche Geschwister bestraft, die miteinander den Beischlaf vollziehen. Nach § 211 Absatz 1 und § 57 Absatz 3 öStGB beträgt die Verjährungsfrist 3 Jahre, wenn der Beischlaf mit einer Person in gerader Linie vollzogen wird. Wird der Beischlaf hingegen mit einer Person in absteigender Linie vollzogen, besteht nach § 211 Absatz 2 und § 57 Absatz 3 öStGB eine Verjährungsfrist von 5 Jahren. Vollziehen die Geschwister den Beischlaf, so verjährt die Tat nach 1 Jahr. § 211 Absatz 4 öStGB enthält einen persönlichen Strafausschliessungsgrund für Personen, die zur Zeit der Tat das 19. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

Die im Fürstentum Liechtenstein geplante Änderung vom 18. Mai 1999 betreffend § 58 Absatz 3 Ziffer 3 FL-StGB (Ruhen der Verjährung bis zum vollendeten 18. Altersjahr des kindlichen Opfers) soll ­ wie vorne dargelegt ­ auch beim Inzest (Art. 211 FL-StGB) Anwendung finden.

In Frankreich gibt es keine eigene Strafnorm über Inzest. Im Rahmen anderer Sexualdelikte sind indes inzestuöse Beziehungen unter Anwendung von Gewalt, Nötigung, Drohung oder Überraschung als erschwerende Umstände zu würdigen.

In Italien ist Inzest als Verbrechen gegen die Moral in der Familie unter Strafe gestellt. Gemäss Artikel 564 des Codice penale ist jede Person strafbar, welche mit ei96

Der Rechtsvergleich stützt sich auf Angaben des Schweizerischen Instituts für Rechtsvergleichung sowie auf Recherchen des Bundesamtes für Justiz.

2969

nem Vorfahren oder Nachkommen in gerader Linie, mit einem Verschwägerten in gerader Linie oder mit Schwester oder Bruder Inzest begeht. Es ist jedoch zu beachten, dass dieser Straftatbestand nur dann erfüllt wird, wenn der Inzest in einer Weise erfolgt, welcher «öffentliches» Ärgernis erregt. Die Strafe beträgt ein bis fünf Jahre Gefängnis; im Falle einer inzestuösen Beziehung ist eine Gefängnisstrafe von zwei bis acht Jahren vorgesehen. Wird der Inzest von einer volljährigen Person mit einem Minderjährigen begangen, so wird die Strafe für die volljährige Person erhöht.

In Holland gibt es keine spezifische Norm über Inzest.

In Schweden findet sich die Strafnorm über Inzest (mit Deszendenten) unter den Delikten gegen die Sittlichkeit. Inzest mit Deszendenten unter 18 Jahren wird nach Kapitel 6 Artikel 4 des Strafgesetzbuches mit bis zu 4 Jahren, in schweren Fällen (z.B. tiefes Alter des Kindes) mit bis zu 8 Jahren Gefängnis bestraft. Nach Kapitel 6 Artikel 6 des Strafgesetzbuches beträgt die Strafe bei Inzest mit über 18-jährigen Deszendenten bis zu 2 Jahre Gefängnis, bei Geschwistern bis zu 1 Jahr. Die ordentlichen Verjährungsfristen betragen 10 Jahre (Art. 4) beziehungsweise 5 oder 2 Jahre (Art. 6).

In Dänemark befindet sich die Strafnorm über Inzest bei den Delikten gegen die Familie (Art. 210 des Strafgesetzbuches). Demnach werden sexuelle Handlungen mit einem Abkömmling mit Gefängnis bis zu 6 Jahren bestraft. Inzest zwischen Geschwistern wird nach Artikel 208 des Strafgesetzbuches mit einer Höchststrafe von 2 Jahren bestraft. Unmündige unter 18 Jahren können von Strafe freigesprochen werden. Die ordentlichen Verjährungsfristen betragen 10 Jahre bei sexuellen Handlungen mit einem Abkömmling und 5 Jahre bei sexuellen Handlungen unter Geschwistern.

In Norwegen findet sich die Bestimmung über den Inzest bei den strafbaren Handlungen gegen die Sittlichkeit. Nach Artikel 207 des Strafgesetzbuches werden sexuelle Handlungen mit einem Abkömmling mit bis zu 8 Jahren Gefängnis bestraft, sexuelle Handlungen unter Geschwistern nach Artikel 208 des Strafgesetzbuches mit bis zu 2 Jahren Gefängnis. Der unter 18-jährige Minderjährige ist nicht strafbar. Die ordentlichen Verjährungsfristen betragen 10 Jahre bei sexuellen Handlungen mit Abkömmlingen, 5 Jahre bei sexuellen Handlungen mit Geschwistern.

In Grossbritannien97 und in den USA98 kennt das «common law» keine Verjährungsfristen99.

97

98

99

Inzest ist auf Grund des Sexual Offences Act 1956 strafbar. Auch die über 16 Jahre alte Frau macht sich strafbar, wenn sie weiss, dass der Mann ihr Grossvater, Vater, Bruder oder Sohn ist. Inzest mit einem unter 13-jährigen Mädchen wird mit lebenslänglichem Gefängnis bestraft, in den übrigen Fällen ist die Strafe bis zu 7 Jahre Gefängnis.

Auf Bundesebene wird nur der Inzest in Indianerreservaten geregelt; im Übrigen finden sich die Strafnormen über Inzest in den Strafgesetzen der Bundesstaaten. Nur Rhode Island stellt den Inzest nicht unter Strafe. Rund zwanzig Staaten differenzieren nach dem Alter des Opfers (14­21 Jahre).

Vgl. Card R., Criminal Law, 1995, sowie Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 22.10.1996 i. S. Stubbings et al. gegen Vereinigtes Königreich, Recueil 1996-IV, S. 1487 ff.

2970

2.1.4.3

Vernehmlassungsergebnisse

Das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens zeigt trotz rechtlichen Einwänden grundsätzlicher Art100, dass die Bevölkerung die Strafbarkeit des Inzestes gemäss Artikel 213 StGB nach wie vor will.

Die Revision von Artikel 213 StGB (Inzest) wurde in der Vernehmlassung grossmehrheitlich unterstützt101.

Vier Vernehmlassungsteilnehmer lehnten die vorgeschlagene Revision aus grundsätzlichen Erwägungen ab102. Sie argumentierten, dass das geschützte Rechtsgut beim Inzest nicht die sexuelle Integrität des Kindes sei, sondern vielmehr die Familie.

2.1.4.4

Schärfere Verjährungsregelung auch bei Inzest mit Kindern

Der Bundesrat schlägt vorerst die Streichung dieser besonderen zweijährigen Verjährungsfrist vor, damit für den Inzest die ordentliche fünfjährige Verjährungsfrist von Artikel 70 StGB zur Anwendung gelangt (gemäss Art. 97 Abs. 1 Bst. c E-StGB 7 Jahre). Die kurze Verjährungsfrist von zwei Jahren ist bislang ohnehin nur dann von praktischer Bedeutung, wenn Artikel 187 StGB (Sexuelle Handlungen mit Kindern) nicht anwendbar ist, das heisst beim Inzest ohne Einbezug von Kindern103.

Zudem wird auch die Inkongruenz mit Artikel 188 StGB über sexuelle Handlungen mit Abhängigen, welche ebenfalls in fünf Jahren verjähren, aufgehoben. Es wäre in der Tat widersprüchlich, dass der Beischlaf mit einem über 16-jährigen Blutsverwandten in gerader Linie in zwei Jahren (Art. 213 StGB), andere sexuelle Handlungen mit dieser Person (über 16-jährige Abhängige) aber in fünf Jahren (Art. 188 StGB) verjährten.

100

Ausser dem Gleichstellungsbüro Kt. Basel-Stadt, welches die Frage aufwirft, ob Art. 213 StGB nicht ganz zu streichen wäre, wird die Streichung des Inzestverbots von keinem anderen Vernehmlassungsteilnehmer verlangt.

101 ZH, BE, LU, UR, SZ, OW, NW, ZG, FR, SO, BL, SH, AI, AR, SG, AG, TI, VD, VS, GE, JU, FDP, SP, CVP, SVP, Grüne, LP, der Schweizerische Gewerkschaftsbund, der Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrievereins, Arbeitsgruppe forensische Psychiatrie der deutschsprachigen Schweiz, der Bund Schweizerischer Frauenorganisationen, die Eidgenössische Koordinationskommission für Familienfragen, die Eidgenössische Kommission für Jugendfragen, der Evangelische Frauenbund der Schweiz, die Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten der Schweiz, die Schweizer Bischofskonferenz, die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände, die Schweizerische Gesellschaft für Psychiatrie, die Schweizerische Kriminalistische Gesellschaft, die Schweizerische Stiftung Pro Juventute, der Schweizerische Katholische Frauenbund, der Weisse Ring, der Schweizerische Landfrauenverband, die Conférence des autorités de poursuite pénale de Suisse romande et du Tessin, Pink Cross, die Schweizerische Gesellschaft für Prävention und Gesundheitswesen sowie das Gleichstellungsbüro Kt. Basel-Stadt.

102 GR, NE, die Demokratischen Juristinnen und Juristen der Schweiz und der Schweizerische Anwaltsverband.

103 Vgl. Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil II, Bern 1995, § 26, N 10, sowie Besonderer Teil I u. II, Teilrevisionen 1987­1990, N 2 ff.; Franco del Pero, a.a.O., S. 135 ff.

2971

Nicht geändert wird Artikel 213 Absatz 2 StGB: Inzestuöse Handlungen zwischen Jugendlichen über 16 Jahren bleiben für jene Jugendlichen straflos, welche dazu verführt worden sind.

Der Bundesrat schlägt ferner vor, in Artikel 213 StGB eine dem neuen Artikel 201 StGB entsprechende Verjährungsbestimmung für Inzest mit Kindern unter 16 Jahren einzufügen. Auch bei inzestuösen Beziehungen mit einem Kind unter 16 Jahren soll die Verjährung erst mit dem Tag beginnen, an dem das Opfer das 18. Lebensjahr vollendet. Die Beschränkung des Ruhens der Verjährung auf jene Fälle, in denen Kinder unter 16 Jahren Opfer waren, entspricht der Regelung bei den schweren Sexualdelikten gegen Kinder unter 16 Jahren, bei welcher, wie dargelegt, in Kauf genommen wird, dass bei sexuellen Handlungen mit abhängigen unmündigen Personen von mehr als 16 Jahren (Art. 188 StGB) die Verjährung nicht ruht (vgl. vorne, Ziff. 2.1.3.2). Beim Inzest besteht die gleiche Situation.

Beim Vorliegen einer Idealkonkurrenz mit anderen Tatbeständen wie zum Beispiel mit Artikel 187 StGB (Sexuelle Handlungen mit Kindern) oder Artikel 191 StGB (Schändung) besteht bei einer zusätzlichen Verurteilung für Inzest die Möglichkeit einer Strafverschärfung.

Zwar besteht ­ was die Schwere des Delikts anbelangt ­ zwischen dem als Verbrechen ausgestalteten Straftatbestand der Sexuellen Handlungen mit Kindern und dem Inzest, der ein Vergehen darstellt, ein wesentlicher Unterschied; das zeigt sich auch in den unterschiedlichen Verjährungsfristen104. Da indes das geschützte Rechtsgut bei Artikel 213 StGB die Familie und damit die soziale Ordnung ist und nicht die sexuelle Integrität des Kindes, ist der Bundesrat der Meinung, dass sich das Ruhen der Verjährung bis zum Eintritt der Volljährigkeit des Opfers aufdrängt, obwohl der Inzest in vielen Fällen in Idealkonkurrenz zu anderen Straftaten steht, bei welchen unterschiedliche Verjährungsfristen gelten.

Die vom Bundesrat vorgeschlagene Verschärfung der Verjährung soll nur Anwendung finden, wenn Kinder unter 16 Jahren Opfer inzestuöser Handlungen wurden, nicht dagegen bei Inzest, an welchem ausschliesslich Jugendliche von 16 bis 18 Jahren oder Erwachsene beteiligt sind.

In Artikel 213 StGB wird daher die bisherige Bestimmung von Absatz 3 (die von Art. 70 StGB abweichende Verjährungsfrist von 2 Jahren) gestrichen und eine Bestimmung über den Beginn der Verjährung bei Inzest gegen Kinder unter 16 Jahren beigefügt.

2.1.4.5

Antragsdelikt ab Volljährigkeit des Opfers?

Was vorne zur Problematik der Ausgestaltung als Antragsdelikt ausgeführt wurde (vgl. Ziff. 2.1.3.4), gilt sinngemäss auch hinsichtlich des Inzestes.

Der Bundesrat verzichtet daher auch bezüglich Artikel 213 StGB darauf, den kindlichen Opfern inzestuöser Handlungen ein spezielles Gestaltungsrecht einzuräumen, mit dem sie die Retraumatisierung durch ein Strafverfahren verhindern können.

104

Bei Art. 187 StGB 10 Jahre (laut Art. 97 E-StGB 15 Jahre), bei Inzest 2 Jahre (gemäss vorliegendem Entwurf 5 Jahre, laut Art. 97 E-StGB 7 Jahre).

2972

2.1.4.6

Übergangsbestimmung

Wie bereits bei der Erläuterung des neuen Artikels 201 StGB (Verjährung bei Sexualdelikten an Kindern) dargelegt (vgl. Ziff. 2.1.3.5), bedarf es einer Übergangsregelung, damit die neue Verjährungsfrist auf alle Fälle des Inzestes mit Kindern unter 16 Jahren Anwendung findet, bei welchen die Tat im Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Regelung noch nicht verjährt ist. Denn ohne eine solche Übergangsbestimmung fände die neue Bestimmung über das Ruhen der Verjährung infolge der allgemeinen Regelung über die zeitliche Geltung des Strafgesetzbuches (Art. 2 StGB; Rückwirkungsverbot bzw. lex mitior) nur auf jene Fälle des Inzestes mit Kindern unter 16 Jahren Anwendung, die nach dem Inkrafttreten der neuen Regelung verübt werden.

Wir schlagen daher in Ergänzung des Entwurfes A vor, in Artikel 213 StGB mit Absatz 5 ebenfalls eine Übergangsbestimmung einzufügen, welche inhaltlich jener des neuen Artikels 201 StGB entspricht.

2.1.5

Militärstrafgesetz

Wie bei früheren Revisionen des Strafgesetzbuches soll auch hier ­ soweit erforderlich ­ eine dem Strafgesetzbuch entsprechende Änderung des Militärstrafgesetzes (MStG) beschlossen werden.

Da sich im MStG keine Artikel 213 StGB entsprechende Bestimmung über den Inzest findet, ist im MStG nur die neue Verjährungsregelung bei strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität von Kindern unter 16 Jahren (Art. 156 MStG) einzufügen. Diese Ergänzung des Militärstrafgesetzes erfolgt mit Artikel 158 (neu) MStG. Für die Begründung wird auf die vorstehenden Erwägungen im Ziff. 2.1.3 verwiesen.

Wie im Strafgesetzbuch bei Artikel 201 (neu) StGB ist auch im Militärstrafgesetz eine Übergangsbestimmung einzufügen, damit die neue Regelung der Verfolgungsverjährung für alle strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität von Kindern unter 16 Jahren anwendbar ist, bei welchen die Verjährung im Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Regelung nach der bisherigen Regelung noch nicht eingetreten ist. Auch als am 21. März 1997 Artikel 187 StGB mit einer Übergangsbestimmung ergänzt wurde (Abs. 6), wonach die neue 10-jährige Verjährungsfrist auf alle Straftaten anwendbar ist, für welche am 1. September 1997 die Verjährung nach der bisherigen Regelung noch nicht eingetreten war, wurde im Militärstrafgesetz mit Artikel 156 Absatz 6 eine entsprechende Änderung vorgenommen105.

2.2

Erläuterung des Entwurfes B (Verbot des Besitzes harter Pornografie)

2.2.1

Kinderpornografie und Internet

Die neuen elektronischen Kommunikationsmittel, insbesondere das Internet, haben sich in den letzten Jahren zu wichtigen Verbreitungskanälen auch von harter Porno105

AS 1997 1626; BBl 1996 IV 1318, 1322

2973

grafie entwickelt. Die Verfolgung von auf diese Weise verbreiteter Pornografie erweist sich nicht nur wegen der Internationalität dieser Delikte, sondern auch aus technischen Gründen als sehr schwierig106.

Der sich daraus ergebende Handlungsbedarf auf internationaler Ebene wurde schon seit langem erkannt (vgl. vorne, Ziff. 1.1.2.2.3.2) 107.

Unter Bezugnahme insbesondere auf das Grünbuch «Jugendschutz und Schutz der Menschenwürde in den audiovisuellen und den Informationsdiensten», welches die EU-Kommission am 16. Oktober 1996 angenommen hat, erliess der Rat der Europäischen Union am 24. September 1998 die Empfehlung 98/560 unter anderem betreffend den Jugendschutz und den Schutz der Menschenwürde im Bereich der audiovisuellen und der Informationsdienste 108.

Die UNESCO ergriff als Antwort auf die Resolution 53/128 der UNOGeneralversammlung über die Rechte der Kinder sowie in Anbetracht der explosionsartigen Zunahme des Handels mit Kinderpornografie im Internet die Initiative zu einem Expertentreffen in Genf im Januar 1999109.

Vom 29. September bis zum 1. Oktober 1999 fand in Wien eine internationale Konferenz zum Thema «Kampf gegen Kinderpornografie im Internet» statt110. Ziele dieser Konferenz waren die Verbesserung der Zusammenarbeit der Justiz- und Strafverfolgungsbehörden, die Propagierung von Verhaltensregeln für InternetProvider111 sowie die Förderung der Schaffung von Hotlines (für Meldungen über Kinderpornografie) und deren Vernetzung.

Die Konferenzen bestätigen die Einsicht, dass die Bestrafung des Besitzes von Kinderpornografie den sinnvollsten Anknüpfungspunkt im Kampf gegen die Kinderpornografie darstellt, weil so die Nachfrage nach solchen Machwerken eingedämmt werden kann.

Die Bedenken, dass die hier vorgeschlagene Verschärfung der strafrechtlichen Erfassung von Kinderpornografie im Bereich der neuen Medien, insbesondere des Internet, die Strafverfolgungsbehörden vor grosse Probleme stellt, weil die Täter im-

106

107 108 109

110

111

Zur Verantwortlichkeit im Internet im Allgemeinen und zur Kinderpornografie im Besonderen: Ulrich Sieber, Verantwortlichkeit im Internet, technische Kontrollmöglichkeiten und multimediarechtliche Regelungen, München 1999; Dorothée Ritz, Inhalteverantwortlichkeit von Online-Diensten, Bern 1998. Vgl. auch den Bericht einer Arbeitsgruppe des Bundes zu Rechtsfragen des Internet, Eidg. Justiz- und Polizeidepartement, 30.5.1996; Stefan Ludwig Jahns, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Providers für über ihn angebotene Inhalte in Österreich und Deutschland, Tübingen 1997.

Die folgenden Hinweise beschränken sich auf neueste Empfehlungen, ohne die Bedeutung anderer Konferenzen und deren Empfehlungen in Frage zu stellen.

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, L 270/48.

Report of the Special Rapporteur on the Sale of Children, Child Prostitution and Child Pornography - Statement vom 14. April 1999 to the Commission on Human Rights 55th Session (UNESCO). An diesem Treffen nahmen rund 300 Spezialisten auf dem Gebiet der Bekämpfung der Kinderpornografie (insb. auch Internet-Spezialisten und Provider) sowie Vertreter von 40 Regierungen und von 75 Non-governmental Organizations (NGO's) teil.

Die Konferenz fand im Rahmen des Transatlantischen Dialogs zwischen der EU und den USA statt und geht auf eine Initiative der Aussenminister Österreichs und der USA, Wolfgang Schüssel und Madeleine Albright, zurück.

Die meisten Internet Service Providers (Anbieter von Internet-Dienstleistungen) sind in den USA und in Europa ansässig.

2974

mer neue Wege suchen, um sich dem Zugriff zu entziehen112, ist kein Grund, auf den Erlass einer Bestimmung betreffend die Strafbarkeit des Besitzes von Kinderpornografie zu verzichten.

Tatobjekte sind pornografische Schriften, Ton- oder Bildaufnahmen, Abbildungen, andere Gegenstände solcher Art oder pornografische Vorführungen. Als «Gegenstände solcher Art» gilt dabei jede Verkörperung oder Aufzeichnung einer pornografischen Darstellung; die angeführten Formen der Verkörperung der Pornografie (Schriften, Ton- oder Bildaufnahmen, Abbildungen) haben nur beispielhaften Charakter113. Da der Gesetzgeber die Medien, über welche pornografische Darstellungen verbreitet werden, vollständig erfassen wollte, lässt sich die vorgeschlagene neue Tatvariante «erwirbt, sich sonstwie beschafft oder besitzt» auch auf den Erwerb von Daten in elektronischer Form übertragen. Insbesondere spricht nichts dagegen, den spezifisch strafrechtlichen Begriff des Besitzes, verstanden als Herrschaftsmacht mit Herrschaftswillen, sinngemäss auf unkörperliche elektronische Daten anzuwenden. Schliesslich stellt die Tatvariante des sich sonstwie Beschaffens sicher, dass neben dem Erwerb auch beliebige weitere Formen des Transfers einschlägiger Daten in den eigenen Herrschaftsbereich erfasst werden können. Die Gesetzesbestimmung deckt daher nicht nur die heute bekannten elektronischen Datenträger ab, sondern auch allfällige neue Formen der Speicherung von Daten114. Die Erwähnung besonderer Übermittlungswege könnte angesichts der rasanten technischen Entwicklung dazu führen, dass diese schon nach kurzer Zeit wieder überholt wären.

2.2.2

Rechtsvergleich115

In Deutschland ist die «Verbreitung pornografischer Schriften» in § 184 dStGB geregelt. Nach dessen Absatz V ist seit der Revision vom 27. Juli 1993 auch die Besitzverschaffung und der Besitz von Kinderpornografie strafbar, soweit ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergegeben wird.

Österreich verbietet seit 1994 in § 207a Absatz 3 öStGB das Sichverschaffen und den Besitz von pornografischen Darstellungen mit Unmündigen, d.h. mit Personen, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (§ 74 Ziff. 1 öStGB). Es bedarf der bildlichen Darstellung eines realen Geschehens; Schriften oder Tonbandaufnahmen scheiden als Tatgegenstände aus. Daneben finden sich Strafbestimmungen über Pornografie im Bundesgesetz vom 31. März 1950 über die Bekämpfung un-

112

Filtermassnahmen, mit welchen Kinderpornografie gänzlich aus dem Internet verbannt werden könnte, setzen den Erlass von Verschlüsselungsverboten voraus. Ein Verschlüsselungsverbot bedeutete aber einen schwerwiegenden Eingriff in das Fernmeldegeheimnis und wäre mit den Zielen, welche das Internet verfolgt, nicht vereinbar. Vgl. Ulrich Sieber, Kriminalitätsbekämpfung und freie Datenkommunikation im Internet, MultiMedia und Recht 7/98.

113 Vgl. dazu Günther Stratenwerth, Besonderer Teil I, § 4 N 96 und §10 N 8, sowie Jenny, a.a.O., Art. 197 N 13, sowie BGE 119 IV 149 und 121 IV 109 (zu Art. 197 StGB).

114 In Deutschland, wo der Schriftenbegriff in § 11 Abs. 3 dStGB definiert ist, hat das Informations- und Kommunikationsdienstegesetz vom 13. Juni 1997, welches per 1. Januar 1998 in Kraft getreten ist, «Datenspeicher» den Schriften gleichgestellt, indem der Schriftenbegriff auf die neuen Informations- und Kommunikationsdienste angepasst worden ist.

115 Der Rechtsvergleich stützt sich auf Angaben des Schweizerischen Instituts für Rechtsvergleichung sowie auf Recherchen des Bundesamtes für Justiz.

2975

züchtiger Veröffentlichungen und den Schutz der Jugend gegen sittliche Gefährdung.

Auch in Belgien (Art. 383bis CP), Norwegen (§ 211 des Strafgesetzbuches), Schweden (Art. 10a des 16. Kapitels des Strafgesetzbuches), Dänemark (§ 235 Abs. 2 des Strafgesetzbuches) und Finnland (Kap. 17, Art. 19 des Strafgesetzbuches) ist der Besitz von Kinderpornografie (pornografische Darstellungen) unter Strafe gestellt worden, und zwar in den Jahren 1994 (Dänemark), 1995 (Belgien und Norwegen), 1998 (Finnland 116) und 1999 (Schweden).

Artikel 240b des niederländischen Strafgesetzbuches bedroht denjenigen mit Strafe, der die Abbildung sexueller Verhaltensweisen besitzt, welche Personen betreffen, die das Alter von 16 Jahren noch nicht erreicht haben.

In Italien ist der Besitz von Kinderpornografie seit der Revision des codice penale vom 3. August 1998 (nuove norme contro la pedofilia) ebenfalls strafbar. Nach Artikel 600quater macht sich strafbar, wer sich pornografisches, unter Ausbeutung von Minderjährigen (unter 18 Jahren) erzeugtes Material wissentlich beschafft oder besitzt.

In Frankreich besteht zwar keine Gesetzesbestimmung, die den Besitz von Kinderpornografie als strafbar erklärt. Dennoch haben Gerichte einen Weg gefunden, um diesen Sachverhalt zu bestrafen, indem sie den Begriff der Hehlerei (Art. 321-1 CP) sehr weit auslegen (strafbar ist demnach das Wissen um die deliktische Herkunft einer solchen Sache).

In Luxemburg hat die Abgeordnetenkammer anlässlich der Behandlung der UNKinderrechtskonvention eine Motion angenommen, den Besitz von Kinderpornografie unter Strafe zu stellen.

In Japan wird gemäss Beschluss des Parlamentes vom 18. Mai 1999 unter anderem die Herstellung, der Verkauf, der Vertrieb und der Besitz von Kinderpornografie mit Gefängnis bis zu 3 Jahren oder mit Busse bestraft.

In den USA ist der Besitz von Kinderpornografie seit 1986 auf Bundesebene strafbar117; in den einzelnen Bundesstaaten, bei welchen im Wesentlichen die Zuständigkeit liegt, sind die Regelungen unterschiedlich. Nur eine kleine Minderheit stellt den Besitz von Kinderpornografie nicht unter Strafe 118.

In Grossbritannien wird Pornografie unter «Obscenity» subsumiert119. Die Gesetzgebung wurde 1994 im Hinblick auf die technologischen Neuerungen verschärft 120.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die
meisten Industriestaaten die von der UNO-Menschenrechtskommission als wichtige gesetzgeberische Massnahme gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern empfohlene Strafbarkeit des Besit-

116 117

Änderung vom 24.7.1998.

§ 2252A des United States Code, der allerdings nur insoweit Anwendung findet, als «federal law» betroffen ist (z.B. für die Indianerreservate und den District of Columbia).

118 Auf Grund einer Erhebung im Februar 1997 stellten nur die Bundesstaaten Wyoming, New Mexico, Missouri, Massachusetts, Maine, Vermont und Richmond den Besitz von Kinderpornografie überhaupt nicht unter Strafe.

119 Obscene Publications Act 1959 und 1964, Telecommunications Act 1984 sowie spezifisch betreffend Kinderpornografie: Protection of Children Act 1979, Criminal Justice and Public Order Act 1994.

120 S. Yaman Akdeniz, Centre for Criminal Studies, University of Leeds, 1997, The Regulation of Pornography and Child Pornography on the Internet.

2976

zes von Kinderpornografie bereits umgesetzt haben oder zumindest im Begriffe sind, dies zu tun.

2.2.3

Vernehmlassungsergebnisse

In der Vernehmlassung wurde die Ausdehnung der Strafbarkeit auf den Besitz ­ und damit auch auf den Erwerb beziehungsweise das Beschaffen ­ jedenfalls hinsichtlich der Kinderpornografie praktisch einhellig, hinsichtlich der Gewaltdarstellungen grossmehrheitlich unterstützt.

Dabei wurde geltend gemacht, dass die vier Kategorien der harten Pornografie nicht gleich verabscheuungswürdig seien. Einige Vernehmlasser beantragten eine besonders strenge Behandlung der Kinderpornografie121, zum Teil auch der Gewaltanwendung bei Pornografie122. Einwände wurden vor allem dagegen erhoben, auch den Besitz von Pornografie mit Tieren und mit menschlichen Ausscheidungen unter Strafe zu stellen123. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass sexuelle Praktiken mit menschlichen Ausscheidungen nicht strafbar sind, weshalb auch der Besitz entsprechender Darstellungen nicht strafbar sein könne. Damit zusammenhängend wurde auch beantragt, die entsprechenden Handlungen selbst in Artikel 197 Ziffer 3 StGB nicht mehr unter Strafe zu stellen124.

2.2.4

Verbot des Besitzes harter Pornografie (Art. 197 Ziff. 3bis [neu] StGB)

2.2.4.1

Allgemeines

Wie bereits dargelegt, bedingt die Herstellung von harter Pornografie (sog. Hardcore), sofern ein tatsächliches Geschehen wiedergegeben wird, in vielen Fällen die Begehung schwerer Sexual- oder Gewaltstraftaten, insbesondere bei den schwersten Fällen harter Pornografie, der Kinderpornografie und den sexuellen Gewaltdarstellungen. Zur Herstellung von Kinderpornografie, die ein tatsächliches Geschehen wiedergibt, ist sexueller Missbrauch von Kindern mithin begriffsnotwendig erforderlich.

Die Zunahme des Konsums von Kinderpornografie in der Schweiz weckt die Nachfrage für die Herstellung solcher Produkte und schafft den finanziellen Anreiz zur Begehung schwerer Straftaten. Da die Konsumenten insoweit eine Mitverantwortung tragen, rechtfertigt es sich, auch den Besitz von Kinderpornografie unter Strafe zu stellen125. Der Konsum selbst wird nicht als strafbar erklärt, was keinesfalls als Verharmlosung des Konsums von Kinderpornografie aufgefasst werden darf (vgl.

Ziff. 2.2.4.3).

121 122 123 124 125

BS, ZH, ZG (Verhöramt Zug), SO, TG, VD sowie die Demokratischen Juristinnen und Juristen der Schweiz.

VD und die Demokratischen Juristinnen und Juristen der Schweiz.

Insbesondere BS, SO, TG, VD, ZG und die Demokratischen Juristinnen und Juristen der Schweiz.

ZG, SO, TG, VD, die Demokratischen Juristinnen und Juristen der Schweiz und Pink Cross.

Philippe Weissenberger, a.a.O., S. 314 ff.

2977

Hinsichtlich der Tatobjekte sollen keine Einschränkungen vorgenommen werden.

Der Besitz soll für sämtliche in Artikel 197 Ziffer 3 StGB (in Verbindung mit Ziff. 1) erwähnten Gegenstände und Vorführungen strafbar erklärt werden126, das heisst für Schriften, Ton- und Bildaufnahmen, Abbildungen, andere Gegenstände solcher Art oder pornografische Vorführungen, womit, wie dargelegt, auch Darstellungen auf elektronischen Datenträgern erfasst werden (vgl. Ziff. 2.2.1). Zwar stehen bei der Kinderpornografie, die den Anlass zur vorliegenden Revision bildete, bildliche Darstellungen im Vordergrund, doch führte eine Differenzierung der Tatobjekte hinsichtlich des Besitzes bestimmter Arten harter Pornografie zu Abgrenzungsschwierigkeiten, welche die Strafverfolgung unnötig erschwerten. Da keine namhaften Interessen geltend gemacht werden können, weshalb bestimmte Tatobjekte hinsichtlich des Besitzes von der Strafbarkeit ausgenommen werden sollten, ist auf eine solche Differenzierung zu verzichten. Gegenstände oder Vorführungen im Sinne der Ziffer 3 in Verbindung mit Ziffer 1 von Artikel 197 StGB gelten im Übrigen nicht als pornografisch, wenn sie einen schutzwürdigen kulturellen oder wissenschaftlichen Wert haben (Art. 197 Ziff. 5 StGB).

2.2.4.2

Strafbarkeit des Besitzes

Nach Artikel 197 Ziffer 3 StGB wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren oder mit Busse bestraft, wer Gegenstände oder Vorführungen im Sinne von Ziffer 1, d.h. pornografische Schriften, Ton- und Bildaufnahmen, Abbildungen, andere Gegenstände solcher Art oder pornografischen Vorführungen, die sexuelle Handlungen mit Kindern oder mit Tieren, menschlichen Ausscheidungen oder Gewalttätigkeiten zum Gegenstand haben, herstellt, einführt, lagert, in Verkehr bringt, anpreist, ausstellt, anbietet, zeigt, überlässt oder zugänglich macht. Die Gegenstände werden eingezogen127.

Im vorliegenden Entwurf B schlägt der Bundesrat vor, auch zu bestrafen, wer die in Artikel 197 Ziffer 1 StGB umschriebenen pornografischen Gegenstände oder Vorführungen erwirbt, sich sonstwie beschafft oder besitzt.

Der Begriff des Besitzes orientiert sich an anderen Strafnormen, welche diese Tatvariante vorsehen, so zum Beispiel an Artikel 19 des Betäubungsmittelgesetzes vom 3. Oktober 1951128 und insbesondere am strafrechtlichen Gewahrsamsbegriff beim Diebstahl nach Artikel 139 StGB. Gewahrsam besteht nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung in der tatsächlichen Sachherrschaft, verbunden mit dem Willen, sie

126

Wie bereits in Ziff 2.2.2 (Rechtsvergleich) dargelegt, entspricht diese Regelung weitgehend jener des deutschen StGB, während das Österreichische StGB den Besitz nur in Bezug auf pornografische «Darstellungen» mit Unmündigen als strafbar erklärt.

127 Auf Grund dieser besonderen Bestimmung, welche generell die Einziehung von harter Pornografie vorsieht, erübrigt sich die Prüfung der allgemeinen Voraussetzungen der Einziehung im Sinne von Art. 58 Abs. 1 StGB; vgl. Stefan Trechsel, a.a.O., S. 738 N 15.

128 SR 812.121

2978

auszuüben129. Ob er gegeben ist, bestimmt sich nach den allgemeinen Anschauungen und den Regeln des sozialen Lebens130. Gewahrsam umfasst zwei Elemente; einerseits die Möglichkeit und anderseits den Willen, die Sache zu beherrschen. Vorübergehende Verhinderung des Inhabers, von ihr Gebrauch zu machen, lässt die Herrschaftsmöglichkeit als solche unberührt.

Neben dem Besitz als blossem Zustand sind sodann nur schon aus Beweisgründen auch Tathandlungen zu erfassen, die zu seiner Begründung führen. Dies ist vorab der Erwerb harter Pornografie. Erfasst werden sollen alle Erwerbsgeschäfte, nicht nur der Kauf oder der Tausch. Neben dem Erwerb gibt es weitere Beschaffungshandlungen, die ebenfalls in bedeutendem Ausmass zur Nachfrage nach harter Pornografie beitragen. Zu denken ist etwa an Gebrauchsüberlassungsgeschäfte wie Miete und Leihe, welche ebenfalls erfasst werden sollen. Strafbar soll daher auch sein, wer sich die nachfolgend umschriebenen pornografischen Darstellungen «sonstwie beschafft». Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass pornografische Erzeugnisse auch in nicht kommerzieller Weise weitergegeben, so zum Beispiel im privaten Kreis ausgetauscht werden.

2.2.4.3

Keine Strafbarkeit des Konsums

Da die Strafverfolgungsbehörden vor unverhältnismässige Probleme gestellt würden, wenn bereits der Konsum von Kinderpornografie unter Strafe gestellt würde, wird vorgeschlagen, den Konsum nicht als strafbar zu erklären. Ist der Konsument gleichzeitig Besitzer der pornografischen Darstellungen ­ was zumindest in jenen Fällen, in welchen es zu einer Strafverfolgung kommt, in der Regel der Fall sein dürfte ­, so ist er als Besitzer strafbar.

Wer sich hingegen Darstellungen von Kinderpornografie zeigen lässt, bleibt straflos, da der Konsum allein kein Herrschaftsverhältnis über das Tatobjekt herbeiführt oder aufrechterhält, weshalb insoweit kein Besitz vorliegt.

Die Grenze zwischen straflosem Konsum und strafrechtlich relevantem Besitz hängt von den konkreten Umständen ab. Im Internetbereich131 liegt strafrechtlich relevanter Besitz vor, wenn der Internet-Benutzer pornografische Darstellungen auf eigene Datenträger, zum Beispiel seine Festplatte, herunterlädt (sog. Download) und sie damit in seinen Herrschaftsbereich aufnimmt. Der Internet-Benutzer beschränkt sich dann nicht mehr ausschliesslich auf das Betrachten von Bildern bei einem Anbieter, sondern gibt zu erkennen, dass er gegebenenfalls auf diese Bilder wieder zurückgreifen will.

129

Das schweizerische Zivilrecht kennt keinen einheitlichen Begriff des Besitzes; sein Inhalt ergibt sich aus der Funktion, die er zu erfüllen hat. Besitz im zivilrechtlichen Sinne setzt nicht nur eine Sachherrschaft voraus, das heisst eine feste und auf eine bestimmte Dauer ausgerichtete Beziehung zur Sache, sondern auch ­ als Bestandteil dieser Sachherrschaft ­ den Willen, die Sachherrschaft auszuüben. Vgl. auch Heinz Rey, Die Grundlagen des Sachenrechts und das Eigentum, Bern 1991, N 224; Jörg Schmid, Sachenrecht, Freiburg 1997, N 86 ff.; Tuor/Schnyder/Schmid, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 11. Auflage, Zürich 1995, S. 598 ff.

130 BGE 115 IV 106, 112 IV 11 mit Hinweisen.

131 Bei den anderen Tatobjekten, z.B. den Schriften, bietet die Abgrenzung zwischen Besitz und Konsum keine Schwierigkeit.

2979

Nimmt hingegen der Browser (das Such- und Darstellungsprogramm für Inhalte des World Wide Web) in temporären Dateien (sog. Cache) eine Zwischenspeicherung von Dateien pornografischen Inhalts vor, so stellt das Vorhandensein solcher temporärer Dateien, auf deren Entstehung viele Internet-Benutzer keinen Einfluss nehmen können, nach Auffassung des Bundesrates in der Regel noch keine als Besitz zu qualifizierende Sachherrschaft dar.

2.2.4.4

Kinderpornografie und Darstellungen sexueller Gewalt

Wie bereits mehrfach dargelegt, bildete die Kinderpornografie beziehungsweise die damit verbundene Ausbeutung von Kindern unter 16 Jahren den Anlass für die hier unterbreitete Gesetzesänderung.

Der Vernehmlassungsentwurf des Bundesrates stützte sich dabei auf den Wortlaut der Motion Béguin vom 12. Dezember 1996, welche vom Ständerat am 10. März 1997 angenommen und dem Bundesrat vom Nationalrat am 17. Dezember 1997 überwiesen wurde. Mit dieser wurde der Bundesrat beauftragt, bei Artikel 197 Ziffer 3 StGB, das heisst für alle Arten der harten Pornografie, die Täterhandlungen auf den Besitz der gesetzlich verbotenen pornografischen Gegenstände oder Vorführungen auszudehnen.

Während diese Ausdehnung der Strafbarkeit auf den Besitz hinsichtlich der Kinderpornografie einhellige Zustimmung fand, zeigte sich in der Vernehmlassung (vgl.

Ziff. 2.2.3), dass dieser Vorschlag für viele zu weit geht.

So wird denn auch die Tathandlung des Besitzes sowohl in Deutschland als auch in Österreich nur in Bezug auf Kinderpornografie unter Strafe gestellt132.

Neben der Kinderpornografie handelt es sich bei den Darstellungen sexueller Gewalt unbestreitbar um den wichtigsten Teilbereich der harten Pornografie. In beiden Fällen bilden in der Regel schwere, im Strafgesetzbuch selbst geregelte Straftaten Voraussetzung für die Herstellung der pornografischen Darstellungen.

In der Vernehmlassung hat sich die überwiegende Mehrheit dafür ausgesprochen, den Besitz pornografischer Darstellungen nicht nur strafbar zu erklären, wenn Kinder sexuell missbraucht werden, sondern auch bei Darstellungen sexueller Gewalt.

Konkrete Einwände, weshalb der Besitz von sexuellen Gewaltdarstellungen nicht unter Strafe gestellt werden solle, sind nicht vorgebracht worden. Vereinzelt bloss wurde die Frage aufgeworfen, ob der Rechtsgüterschutz in diesem Bereich eine solche Strafnorm tatsächlich erfordere133.

132

Der Begriff der harten Pornografie ist in der Schweiz ohnehin umfassender als in Deutschland und Österreich (in Deutschland gemäss § 184 dStGB neben Kinderpornografie auch Gewaltdarstellungen und sexuelle Handlungen mit Tieren, nicht aber sexuelle Handlungen mit menschlichen Ausscheidungen; in Österreich gemäss § 207a öStGB neben Kinderpornografie auch sexuelle Handlungen mit Tieren, nicht aber Gewaltdarstellungen und sexuelle Handlungen mit menschlichen Ausscheidungen).

133 BS.

2980

Mit dem Begriff «Darstellungen sexueller Gewalt» werden nach Auffassung des Bundesrates Darstellungen einvernehmlicher sado-masochistischer Praktiken134 jedenfalls dann nicht erfasst, wenn damit nicht gleichzeitig andere Straftatbestände (z.B. Körperverletzungen) erfüllt werden. Die Befürchtung, der Staat mische sich hier in ungerechtfertigter Weise in die Privatsphäre ein 135, ist daher unberechtigt.

Der Bundesrat hält daher mit der überwiegenden Mehrheit der Vernehmlasser an der Strafbarkeit des Besitzes von menschenunwürdigen Darstellungen sexueller Gewalt fest.

2.2.4.5

Sexuelle Handlungen mit Tieren136

Die Strafwürdigkeit des Besitzes von Darstellungen sexueller Handlungen mit Tieren wird von jenen, die eine Gleichbehandlung dieser Kategorie der harten Pornografie mit der Kinderpornografie und mit Darstellungen sexueller Gewalt befürworten, damit begründet, dass Artikel 197 Ziffer 3 StGB die vier Arten der harten Pornografie einander gleichstelle. Die Strafwürdigkeit des Besitzes von Darstellungen sexueller Handlungen mit Tieren ist jedoch nicht die Gleiche. Sexuelle Handlungen mit Tieren sind als "Misshandlungen" nach Artikel 27 Absatz 1 Buchstabe a des Tierschutzgesetzes vom 9. März 1978 (TSG, SR 455) als Tierquälerei strafbar137.

Die Strafdrohung ist Gefängnis (bis zu drei Jahren) oder Busse. Geht man von der Schwere der Straftaten aus, welche in der Regel begangen werden, um die pornografischen Darstellungen herzustellen, ist festzustellen, dass die Strafdrohung für Tierquälerei wesentlich geringer ist als bei den schweren Sexual- und Gewaltdelikten, welche zum Teil als Verbrechenstatbestände ausgestaltet sind. In Bezug auf sexuelle Handlungen mit Tieren fehlt daher hinsichtlich der Strafwürdigkeit des Besitzes eine mit jener für Kinderpornografie oder für Darstellungen sexueller Gewalt vergleichbare Begründung.

134

Hinsichtlich der medizinischen Beurteilung dieser sexuellen Praktiken wird auf die Klassifikation ICD-10 der WHO verwiesen, welche im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information, DIMDI, herausgegeben wurde (Abschnitt F65.5, Sadomasochismus).

135 Pink Cross.

136 Sodomie (vgl. auch Zoophilie) hat in der deutschen und der französischen Sprache unterschiedliche Bedeutungen (dt.: Geschlechtsverkehr mit Tieren; frz.: widernatürlicher Geschlechtsverkehr, einschliesslich Geschlechtsverkehr mit Tieren).

137 Die Judikatur ist spärlich (Hinweise vgl. Antoine F. Goetschel, Kommentar zum Eidgenössischen Tierschutzgesetz, Art. 27, Bern 1986, Recht und Tierschutz, Bern 1993, Marty L. Hamburger, Tendenzen bei der Beurteilung von Tierschutzstrafsachen, S. 248 f., und A.F. Goetschel, Das Schweizerische Tierschutzgesetz ­ Übersicht zu Theorie und Praxis, S. 277), wobei die Dunkelziffer gross sein dürfte. Auch in Österreich und Deutschland sind sexuelle Handlungen mit Tieren nur strafbar, wenn die Voraussetzungen der Tierquälerei erfüllt sind (§ 222 öStGB bzw. § 18 des dt.

Tierschutzgesetzes in der Fassung vom 25.5.1998).

2981

Dies bestätigt auch das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens, wonach im Bereich der Sodomie nicht der gleiche Handlungsbedarf besteht wie bei der Kinderpornografie oder den Darstellungen sexueller Gewalt138.

Der Besitz von Darstellungen sexueller Handlungen mit Tieren soll deshalb nicht unter Strafe gestellt werden. Sexuelle Misshandlungen von Tieren bleiben aber ­ im bisherigen Umfang ­ strafbar und werden in keiner Weise verharmlost.

2.2.4.6

Sexuelle Handlungen mit menschlichen Ausscheidungen

Was im vorangehenden Abschnitt (Ziff. 2.2.4.5) hinsichtlich der Strafwürdigkeit des Besitzes von Darstellungen sexueller Handlungen mit Tieren ausgeführt wurde, gilt a fortiori hinsichtlich der sexuellen Handlungen mit menschlichen Ausscheidungen, welche in Artikel 197 Ziffer 3 StGB ebenfalls der harten Pornografie zugerechnet werden139.

Hinsichtlich dieser Kategorie der harten Pornografie wurde denn auch in der Vernehmlassung noch verstärkt in Zweifel gezogen, dass sich die vorgeschlagene Ausdehnung der Strafbarkeit rechtfertige. Verschiedentlich wurde beantragt, sexuelle Handlungen mit menschlichen Ausscheidungen zukünftig der weichen Pornografie zuzuordnen. Da aber die vorliegende Revision allein die Ausdehnung der Strafbarkeit bestimmter Formen der harten Pornografie auf den Besitz dieser Darstellungen bezweckt, sieht der Bundesrat hier keinen Anlass, gleichzeitig die Umschreibung des Begriffs der harten Pornografie (Art. 197 Ziff. 3 StGB) zu überprüfen.

Insoweit es dagegen um eine Ausdehnung der Strafbarkeit auf den Besitz von Pornografie geht, sieht der Bundesrat keine ausreichenden Gründe140, die es rechtfertigten, auch den Besitz von Darstellungen sexueller Handlungen mit menschlichen Ausscheidungen unter Strafe zu stellen.

138

BS, ZG, SO, TG, VD und die Demokratischen Juristinnen und Juristen der Schweiz. Auf die Parlamentarische Initiative «Tier keine Sache», zu welcher die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates am 18. Mai 1999 ihren Bericht erstattet hat (BBl 1999 8935), ist der Nationalrat am 13.12.1999 nicht eingetreten. Ziel der Initiative war, die Rechtsstellung der Tiere zu verbessern und die Auffassung zu korrigieren, dass Tiere blosse Sachen darstellten. In diesem Rahmen sollte in Art. 110 StGB ein Abs. 4bis eingefügt werden, wonach Bestimmungen, die auf den Begriff der Sache abstellen, entsprechende Anwendung auf Tiere finden.

139 Bei dieser Kategorie sexueller Handlungen besteht die Besonderheit, dass die dargestellten sexuellen Handlungen, jedenfalls soweit sie nicht in der Öffentlichkeit vorgenommen werden, im Gegensatz zu den anderen Kategorien harter Pornografie, welche immer die Begehung von Straftaten, teils sogar von Verbrechen voraussetzen, nicht strafbar sind.

140 Marc Forster, Die Korrektur des strafrechtlichen Rechtsgüter- und Sanktionenkataloges im gesellschaftlichen Wandel, ZSR 1995 II 165. Der Autor ortet im Sexualstrafrecht eine gewisse «altväterliche» Neigung des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber habe selbst den Grundsatz aufgestellt, sexuelles Verhalten nur strafbar zu erklären, «wenn es einen anderen schädigt oder schädigen könnte, wenn ein Partner in solches Verhalten nicht in verantwortlicher Weise einwilligen kann oder wenn jemand davor bewahrt werden soll, sexuelle Handlungen gegen seinen Willen wahrzunehmen» (BBl 1985 II 1064; M.

Forster, a.a.O., S. 153 f.).

2982

2.2.4.7

Strafbarkeit virtueller Darstellungen

In der Vernehmlassung wurde vorgeschlagen141, analog der Regelung im deutschen und österreichischen Strafgesetzbuch (§ 184 Abs. 5 dStGB bzw. § 207a Abs. 1 öStGB) den Besitz von Kinderpornografie nur dann als strafbar zu erklären, wenn die Darstellungen ein tatsächliches Geschehen142 wiedergeben. Nicht strafbar bliebe auf Grund einer solchen Regelung der Besitz virtueller Darstellungen von sexuellen Handlungen mit Kindern und von Darstellungen sexueller Gewalt.

Demgegenüber hat aber der Special Rapporteur on the sale of children, child prostitution and child pornography des Committee on the Rights of the Child der Vereinten Nationen alle Länder ermutigt, Artikel 34 der Kinderrechtskonvention dahingehend auszulegen, dass mit dieser Bestimmung auch die virtuelle Kinderpornografie erfasst werde143.

Diese Forderung erscheint berechtigt, da damit gerechnet werden muss, dass nicht immer ohne Weiteres festzustellen ist, ob eine Darstellung real ist oder bloss virtuellen Charakter aufweist, was die Bekämpfung der Kinderpornografie unnötig erschweren könnte.

Für den Bundesrat rechtfertigt es sich daher, den Besitz von virtuellen Darstellungen von Kinderpornografie und von sexueller Gewalt in gleicher Weise als strafbar zu erklären wie Darstellungen, die ein reales Geschehen wiedergeben.

Zudem sprechen auch Gründe des Jugendschutzes dagegen, virtuelle Darstellungen von der Strafbarkeit auszunehmen, weil bei virtuellen Bildern vielfach, insbesondere bei Comics oder Cartoons, vorwiegend Jugendliche angesprochen werden.

2.2.4.8

Strafrahmen

Beim Erlass von Strafbestimmungen setzt der Gesetzgeber den Strafrahmen in Berücksichtigung der verletzten Rechtsgüter und in Abstimmung mit ähnlichen Straftatbeständen fest.

Da die Begründung für die Strafbarkeit des Besitzes von Kinderpornografie und von Darstellungen sexueller Gewalt darin liegt, dass damit der ­ finanzielle ­ Anreiz geschaffen wird, um solche Machwerke herzustellen, ergibt sich ohne Weiteres, dass der Besitzer dieser Darstellungen nicht im selben Umfang geschützte Rechtsgüter verletzt wie jener, welcher derartige Pornografie herstellt oder weitergibt.

Der Bundesrat schlägt daher für den Besitz der Pornografie einen engeren Strafrahmen vor als für deren Herstellung oder Vertrieb. Als Höchststrafe erscheint 1 Jahr Gefängnis oder Busse (gegenüber sonst Gefängnis [3 Jahre] oder Busse) als sachgerecht.

141 142

LPS und Pink Cross.

Das österreichische Strafgesetzbuch verbietet nicht nur Darstellungen, welche ein tatsächliches Geschehen wiedergeben, sondern auch wirklichkeitsnahe Darstellungen («Darstellungen..., deren Betrachtung nach den Umständen den Eindruck vermittelt, dass es bei ihrer Herstellung zu einer solchen geschlechtlichen Handlung gekommen ist, ...» 143 Report of the Special Rapporteur on the sale of children, child prostitution and child pornography, Ms. Ofelia Calcetas-Santos, vom 13.1.1998.

2983

In der später zurückgezogenen parlamentarischen Initiative Simon144 ist ursprünglich beantragt worden, es sei Artikel 197 StGB eine Bestimmung anzufügen, wonach der Besitz von Kinderpornografie in gewissen Fällen straflos bleiben solle, damit gemeinnützige Organisationen oder Einrichtungen, die sich «anerkanntermassen im Kampf gegen Kinderpornografie und Pädophile einsetzen», «ihre Hilfsfunktion gegenüber der Justiz weiter ausüben können». Ähnliche Probleme stellen sich auch bei anderen, abstrakten Gefährdungsdelikten, so insbesondere im Fall des verbotenen Betäubungsmittelbesitzes. In Anwendung des Grundsatzes, dass tatbestandsmässiges Handeln nur dann rechtswidrig ist, wenn es ein unerlaubtes Risiko verwirklicht, kam das Bundesgericht in einem entsprechenden Fall aber zu einem Freispruch145. Wer in Ausübung seiner Amts- oder Berufspflicht mit Pornografie konfrontiert wird (z.B.

Mitarbeiter einer Internet-Monitoring-Stelle), macht sich ohnehin nicht strafbar (Art. 32 StGB bzw. Art. 14 E-StGB). Damit besteht die Möglichkeit, bei strafunwürdigen Tatbeständen der Beschaffung oder des Besitzes von Kinderpornografie oder von Gewaltdarstellungen von einer Strafverfolgung abzusehen; einer zusätzlichen Regelung in Artikel 197 StGB bedarf es nicht146.

2.2.5

Gewaltdarstellungen (Art. 135 StGB)

Zur harten Pornografie (Art. 197 Ziff. 3 StGB) gehören ­ wie dargelegt ­ unter anderem sexuelle Handlungen, die Gewalttätigkeiten zum Inhalt haben. Über den sexuellen Bereich hinaus werden Gewaltdarstellungen durch Artikel 135 StGB geahndet. Voraussetzung ist, dass grausame Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Tiere eindringlich dargestellt werden und dabei in schwerer Weise die elementare Würde des Menschen verletzt wird.

Obwohl in keinem der zur Zeit hängigen parlamentarischen Vorstösse beantragt wird, gleichzeitig mit Artikel 197 Ziffer 3 StGB auch Artikel 135 StGB zu revidieren, ist der Bundesrat der Überzeugung, dass Artikel 135 StGB in die vorliegende Revision miteinzubeziehen ist. Die beiden Bestimmungen wurden im Parlament zwar nicht gleichzeitig, aber unter denselben Gesichtspunkten und mit gleicher Problemstellung beraten, und die Tathandlungen wurden identisch formuliert. Sie sollten daher auch im gleichen Sinne revidiert werden.

Die Gründe, die für die Revision von Artikel 197 StGB angeführt wurden, gelten auch für Artikel 135 Ziffer 1 StGB. Auch die Nachfrage nach Gewaltdarstellungen schafft den Anreiz zur Begehung schwerer Delikte. Beschaffung, Erwerb und Besitz solcher Produkte sind daher in Artikel 135 StGB unter Strafe zu stellen. Im Übrigen kann auf die vorangehenden Erläuterungen des Entwurfes B betreffend das Verbot des Besitzes harter Pornografie verwiesen werden147.

144 145 146

Vgl. Ziff. 1.1.2.2.3.1 BGE 117 IV 58 ff.

Gemäss Art. 52 E-StGB sieht die zuständige Behörde von einer Strafverfolgung, einer Überweisung an das Gericht oder einer Bestrafung ab, wenn Schuld und Tatfolgen gering sind (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 21.9.1998, BBl 1999 2063 ff.).

147 Vgl. Ziff. 2.2

2984

3

Auswirkungen

3.1

Finanzielle Auswirkungen

3.1.1

Auf den Bund

Auf Bundesebene haben die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen keine finanziellen Auswirkungen.

3.1.2

Auf die Kantone

Für die Kantone kann die zu erwartende Zunahme von Strafverfahren, einerseits wegen der neuen Verjährungsregelung, anderseits wegen der erweiterten Straftatbestände im Bereich der Kinderpornografie und von Gewaltdarstellungen, zu einer Mehrbelastung der Strafverfolgungsbehörden führen. Die dadurch allenfalls zusätzlich anfallenden Kosten lassen sich zurzeit kaum abschätzen.

3.2

Volkswirtschaftliche Auswirkungen

Volkswirtschaftliche Auswirkungen der Vorlagen sind nicht erkennbar.

4

Legislaturplanung

Die Vorlagen sind in der Legislaturplanung 1999­2003 enthalten 148.

5

Verhältnis zum internationalen Recht

Die Vorlagen haben keinen direkten Bezug zu EU-Recht. Sie bewirken aber ­ wie in den Abschnitten über den Rechtsvergleich dargelegt wird149 ­ im Bereich der Verjährung schwerer Sexualdelikte an Kindern und des Besitzes von Kinderpornografie eine begrüssenswerte Annäherung des schweizerischen Strafrechts an die Regelungen der EU-Länder.

Mit der Einführung der Strafbarkeit des Besitzes von Kinderpornografie entspricht die Schweiz zudem internationalen Empfehlungen150.

6

Verfassungsmässigkeit

Nach Artikel 123 Absatz 1 der Bundesverfassung vom 18. April 1999 (entspricht Art. 64bis der Bundesverfassung von 1874) ist der Bund zur Gesetzgebung im Gebiet des Strafrechts befugt. Allfällige Einschränkungen in der Ausübung von Grund148

Vgl. Bericht des Bundesrates vom 1. März 2000 über die Legislaturplanung 2000­2003 (BBl 2000 2339).

149 Vgl. Ziff. 2.1.2, 2.1.4.2 und 2.2.2 150 Vgl. Ziff. 1.1.2.2.3.2

2985

rechten151, zum Beispiel der Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 16 BV), deren Kerngehalt im Übrigen nicht in Frage gestellt ist, sind offensichtlich durch das öffentliche Interesse sowie den Schutz höherwertiger Grundrechte Dritter (insb.

Art. 7, Menschenwürde, und Art. 10, Recht auf Leben und persönliche Freiheit) gerechtfertigt und demnach verhältnismässig.

10940

151

Vgl. Art. 36 BV und (zu Art 32 E-BV) die Botschaft des Bundesrates vom 20. November 1996 über eine neue Bundesverfassung, BBl 1997 I 194 ff.

2986