18.070 Botschaft zur Volksinitiative «Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung (Transparenz-Initiative)» vom 29. August 2018

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft beantragen wir Ihnen, die Volksinitiative «Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung (Transparenz-Initiative)» Volk und Ständen zur Abstimmung zu unterbreiten mit der Empfehlung, die Initiative abzulehnen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

29. August 2018

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2018-1507

5623

Übersicht Mit der Volksinitiative «Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung (Transparenz-Initiative)» soll der Bund gesetzliche Massnahmen treffen, die zur Offenlegung der Finanzierung von politischen Parteien sowie von Kampagnen im Hinblick auf Wahlen in die Bundesversammlung und auf Abstimmungen auf Bundesebene verpflichten. Der Bundesrat lehnt die Initiative vor allem deshalb ab, weil die Schaffung entsprechender nationaler Regelungen mit den Eigenheiten des schweizerischen politischen Systems kaum vereinbar ist. Er bezweifelt, dass die finanziellen Mittel einen überwiegenden Einfluss auf den politischen Erfolg haben. Ausserdem ist er der Auffassung, dass eine wirksame Umsetzung der Initiative einen grossen administrativen Aufwand nach sich ziehen würde, mit hohen Kosten verbunden wäre und einen Eingriff in die Kompetenzen der Kantone zur Folge hätte.

Inhalt der Initiative Die Volksinitiative «Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung (TransparenzInitiative)» wurde am 10. Oktober 2017 in der Form eines ausgearbeiteten Entwurfs mit 109 826 gültigen Unterschriften eingereicht.

Die Initiative will den Bund verpflichten, Vorschriften zur Offenlegung der Finanzierung von politischen Parteien sowie von Wahl- und Abstimmungskampagnen auf Bundesebene zu erlassen. Die Volksinitiative verlangt dazu eine Ergänzung der Bundesverfassung (Art. 39a und 197 Ziff. 12 BV).

Die in der Bundesversammlung vertretenen politischen Parteien sollen gegenüber der Bundeskanzlei jährlich ihre Bilanz und ihre Erfolgsrechnung sowie den Betrag und die Herkunft sämtlicher Geld- und Sachzuwendungen im Wert von mehr als 10 000 Franken pro Jahr und Person offenlegen. Jede Zuwendung muss der Person, von der sie stammt, zugeordnet werden können (Art. 39a Abs. 2 BV).

Personen, die im Hinblick auf eine Wahl in die Bundesversammlung oder auf eine eidgenössische Abstimmung mehr als 100 000 Franken aufwenden, haben vor der Wahl gegenüber der Bundeskanzlei ihr Gesamtbudget, die Höhe der Eigenmittel sowie den Betrag und die Herkunft sämtlicher Geld- und Sachzuwendungen im Wert von mehr als 10 000 Franken pro Person offenzulegen. Auch diesbezüglich muss jede Zuwendung der Person, von der sie stammt, zugeordnet werden können (Art. 39a Abs. 3 BV).

Die Bundeskanzlei veröffentlicht die Informationen über die Finanzierung der
politischen Parteien jährlich und jene über die Finanzierung von Wahl- und Abstimmungskampagnen rechtzeitig vor der Wahl oder der Abstimmung (Art. 39a Abs. 4 BV).

Die Annahme anonymer Geld- und Sachzuwendungen wird grundsätzlich untersagt; das Gesetz regelt die Ausnahmen (Art. 39a Abs. 5 BV).

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Weiter sollen auf Gesetzesstufe Sanktionen bei Missachtung der Offenlegungspflichten festgelegt werden (Art. 39a Abs. 6 BV).

Eine Übergangsbestimmung hält fest, dass der Bundesrat mit dem Erlass der nötigen Ausführungsbestimmungen innerhalb eines Jahres beauftragt wird, wenn die Bundesversammlung solche nicht innerhalb von drei Jahren nach Annahme der neuen Bestimmung erlässt (Art. 197 Ziff. 12 BV).

Vorzüge und Mängel der Initiative Der Bundesrat hat grundsätzlich Verständnis für die Anliegen und die Ziele der Initiative. Die Transparenz in der Politikfinanzierung ist ein Element, welches das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die demokratischen Prozesse stärkt.

Verschiedene Kantone (Tessin, Genf und Neuenburg) haben bereits Normen zur Offenlegung der Finanzierung der politischen Parteien erlassen, und im März 2018 sind in zwei weiteren Kantonen (Schwyz und Freiburg) Volksinitiativen zu diesem Thema angenommen worden. Weiter ist die Schweiz der einzige Mitgliedstaat des Europarats, der auf Bundesebene keine Vorschriften zur Offenlegung der Parteienund der Wahlfinanzierung kennt. Die Groupe d'Etat contre la corruption (GRECO) hat bereits mehrmals gerügt, dass die Schweiz bei der Finanzierung der politischen Parteien nach wie vor keine gesetzliche Grundlage für eine bessere Transparenz eingeführt hat.

Allerdings sind die im Initiativtext vorgesehenen Regelungen zur Offenlegung der Finanzierung von politischen Parteien sowie von Wahl- und Abstimmungskampagnen zu wenig auf die Besonderheiten und die Komplexität des politischen Systems der Schweiz, namentlich auf die direkte Demokratie, die Kollegialregierung und das Milizsystem, abgestimmt. Unsere Institutionen zeichnen sich durch ein subtiles Gleichgewicht der Machtverteilung und durch gegenseitige Kontrolle aus, wodurch die politischen Parteien daran gehindert werden, einen überwiegenden Einfluss auszuüben. Ausserdem bestehen Zweifel, dass die finanziellen Mittel in unserem politischen System einen überwiegenden Einfluss auf das Ergebnis von Wahlen und Abstimmungen haben.

Weiter wäre eine wirksame Kontrolle der Finanzierung der politischen Parteien sowie der Abstimmungs- und Referendumskampagnen mit unverhältnismässigem Aufwand verbunden. Insbesondere würde die Schaffung eines wirksamen und effizienten Überprüfungs- und Durchsetzungsmechanismus
hohe Staatskosten verursachen. Ausserdem wären bundesrechtliche Vorschriften zur Parteien- und zur Wahlfinanzierung mit der föderalistischen Grundordnung der Schweiz schwierig in Einklang zu bringen.

Schliesslich besteht das Risiko, dass sich die Regelungen umgehen liessen. Dies insbesondere dadurch, dass Spenderinnen und Spender ihre finanziellen Zuwendungen den Parteien, den Wahl- oder den Abstimmungskomitees durch Dritte zukommen lassen würden.

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Antrag des Bundesrates Der Bundesrat beantragt den eidgenössischen Räten mit dieser Botschaft, die Volksinitiative «Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung (TransparenzInitiative)» Volk und Ständen ohne direkten Gegenentwurf oder indirekten Gegenvorschlag zur Ablehnung zu empfehlen.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1

Formelle Aspekte und Gültigkeit der Initiative 1.1 Wortlaut der Initiative 1.2 Zustandekommen und Behandlungsfristen 1.3 Gültigkeit

5629 5629 5630 5630

2

Ausgangslage für die Entstehung der Initiative 2.1 Ausgangslage auf Bundesebene 2.1.1 Rechtlicher Rahmen der politischen Parteien 2.1.2 Finanzierung politischer Akteurinnen und Akteure 2.1.3 Kurzer geschichtlicher Überblick über die Versuche zur Schaffung einer Regelung und parlamentarische Vorstösse 2.2 Entwicklungen auf kantonaler Ebene 2.2.1 Tessin 2.2.2 Genf 2.2.3 Neuenburg 2.2.4 Schwyz und Freiburg 2.3 Ausgangslage auf internationaler Ebene 2.3.1 Empfehlungen der GRECO 2.3.2 Bericht der OSZE und Richtlinien der OSZE und der Venedig-Kommission 2.3.3 Rechtslage in Deutschland 2.3.4 Rechtslage in Frankreich 2.4 Freiwillige Bestrebungen nach mehr Transparenz

5631 5631 5631

3

Ziele und Inhalt der Initiative 3.1 Ziele der Initiative 3.2 Inhalt der vorgeschlagenen Regelung 3.3 Erläuterung und Auslegung des Initiativtextes

5653 5653 5654 5654

4

Würdigung der Initiative 4.1 Würdigung der Anliegen der Initiative 4.1.1 Besonderheiten des politischen Systems der Schweiz 4.1.2 Grosser administrativer Aufwand und hohe Kosten 4.1.3 Auswirkungen auf die föderalistische Grundordnung 4.1.4 Umgehungsrisiken

5660 5660 5660 5661 5662 5663

5632 5634 5638 5638 5640 5641 5642 5643 5643 5644 5645 5648 5652

5627

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4.2

4.3 5

Auswirkungen der Initiative bei einer Annahme 4.2.1 Umsetzung auf Gesetzesstufe 4.2.2 Mögliche Auswirkungen der Initiative auf die finanziellen Mittel der politischen Parteien, Wahl- und Abstimmungskomitees 4.2.3 Kostenfolgen Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Schlussfolgerungen

Bundesbeschluss über die Volksinitiative «Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung (Transparenz-Initiative)» (Entwurf)

5628

5664 5664 5664 5665 5665 5666

5669

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Botschaft 1

Formelle Aspekte und Gültigkeit der Initiative

1.1

Wortlaut der Initiative

Die Volksinitiative «Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung (TransparenzInitiative)» hat den folgenden Wortlaut: Die Bundesverfassung1 wird wie folgt geändert: Art. 39a 1

Offenlegung der Finanzierung von politischen Parteien sowie von Wahl- und Abstimmungskampagnen

Der Bund erlässt Vorschriften über die Offenlegung der Finanzierung von: a.

politischen Parteien;

b.

Kampagnen im Hinblick auf Wahlen in die Bundesversammlung;

c.

Kampagnen im Hinblick auf Abstimmungen auf Bundesebene.

Die in der Bundesversammlung vertretenen politischen Parteien legen gegenüber der Bundeskanzlei jährlich Bilanz und Erfolgsrechnung sowie Betrag und Herkunft sämtlicher Geld- und Sachzuwendungen im Wert von mehr als 10 000 Franken pro Jahr und Person offen; jede Zuwendung muss der Person, von der sie stammt, zugeordnet werden können.

2

Personen, die im Hinblick auf eine Wahl in die Bundesversammlung oder auf eine eidgenössische Abstimmung mehr als 100 000 Franken aufwenden, legen vor dem Wahl- oder Abstimmungstermin gegenüber der Bundeskanzlei Gesamtbudget, Höhe der Eigenmittel sowie Betrag und Herkunft sämtlicher Geld- und Sachzuwendungen im Wert von mehr als 10 000 Franken pro Person offen; jede Zuwendung muss der Person, von der sie stammt, zugeordnet werden können.

3

Die Bundeskanzlei veröffentlicht die Informationen gemäss Absatz 2 jährlich. Sie veröffentlicht die Informationen gemäss Absatz 3 rechtzeitig vor der Wahl oder der Abstimmung; nach der Wahl oder der Abstimmung veröffentlicht sie die Schlussabrechnung.

4

Die Annahme anonymer Geld- und Sachzuwendungen ist untersagt. Das Gesetz regelt die Ausnahmen.

5

6

1

Das Gesetz legt die Sanktionen bei Missachtung der Offenlegungspflichten fest.

SR 101

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Art. 197 Ziff. 122 Übergangsbestimmung zu Art. 39a (Offenlegung der Finanzierung von politischen Parteien sowie von Wahl- und Abstimmungskampagnen) Hat die Bundesversammlung nicht innerhalb von drei Jahren nach Annahme von Artikel 39a die nötigen Ausführungsbestimmungen erlassen, so erlässt der Bundesrat diese innerhalb eines Jahres.

1.2

Zustandekommen und Behandlungsfristen

Die Volksinitiative «Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung (TransparenzInitiative)» wurde am 12. April 2016 von der Bundeskanzlei vorgeprüft 3 und am 10. Oktober 2017 eingereicht. Mit Verfügung vom 31. Oktober 2017 stellte die Bundeskanzlei fest, dass die Initiative mit 109 826 gültigen Unterschriften zustande gekommen ist.4 Die Initiative hat die Form des ausgearbeiteten Entwurfs. Der Bundesrat unterbreitet dazu weder einen direkten Gegenentwurf noch einen indirekten Gegenvorschlag.

Nach Artikel 97 Absatz 1 Buchstabe a des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20025 (ParlG) hat der Bundesrat somit spätestens bis zum 10. Oktober 2018 dem Parlament einen Beschlussentwurf und eine Botschaft zu unterbreiten. Die Bundesversammlung hat nach Artikel 100 ParlG bis zum 10. April 2020 über die Abstimmungsempfehlung zu beschliessen. Sie kann die Behandlungsfrist um ein Jahr verlängern, wenn die Voraussetzungen gemäss Artikel 105 ParlG erfüllt sind.

1.3

Gültigkeit

Die Initiative erfüllt die Anforderungen an die Gültigkeit nach Artikel 139 Absatz 3 der Bundesverfassung (BV):

2 3 4 5

a.

Sie ist als vollständig ausgearbeiteter Entwurf formuliert und erfüllt somit die Anforderungen an die Einheit der Form.

b.

Zwischen den einzelnen Teilen der Initiative besteht ein sachlicher Zusammenhang. Die Initiative erfüllt somit die Anforderungen an die Einheit der Materie.

c.

Die Initiative verletzt keine zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts.

Sie erfüllt somit die Anforderungen an die Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht.

Die endgültige Ziffer dieser Übergangsbestimmung wird nach der Volksabstimmung durch die Bundeskanzlei festgelegt.

BBl 2016 3611 BBl 2017 6893 SR 171.10

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2

Ausgangslage für die Entstehung der Initiative

Die Ausgangslage für die Diskussion über Offenlegungspflichten bei der Finanzierung von politischen Parteien sowie von Wahl- und Abstimmungskampagnen ist sowohl unter nationalen als auch internationalen Gesichtspunkten zu erläutern.

Insbesondere die aktuelle Rechtslage in der Schweiz, die bisherigen Debatten in Parlament und Bundesrat, die Entwicklungen in den Kantonen sowie die Kritik der Gruppe der Staaten gegen Korruption (Groupe d'Etats contre la Corruption, GRECO) und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sind zu berücksichtigen.

2.1

Ausgangslage auf Bundesebene

2.1.1

Rechtlicher Rahmen der politischen Parteien

In der Schweiz besteht keine spezifische rechtliche Definition für die politischen Parteien. Grundsätzlich nehmen sie die Form eines Vereins (Art. 52 und 60­79 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs6, ZGB) an, um Rechtspersönlichkeit zu erlangen.

Die Parteien können auch die Rechtsform der einfachen Gesellschaft nach den Artikeln 530­551 des Obligationenrechts7 (OR) wählen. In diesem Fall haben sie keine Rechtspersönlichkeit. Anders als die Bundesverfassung von 1874 enthält die Bundesverfassung vom 18. April 1999 einen Artikel zu den politischen Parteien. Die entsprechende Bestimmung (Art. 137) lautet wie folgt: «Die politischen Parteien wirken an der Meinungs- und Willensbildung des Volkes mit.» Es gilt allerdings als allgemein anerkannt, dass dieser Artikel eine rein deklaratorische Bedeutung hat.8 In der Schweiz sind die politischen Parteien nicht verpflichtet, sich zu registrieren.

Die Parteien können aber beantragen, in ein Register der Bundeskanzlei eingetragen zu werden. Durch den Eintrag im Register kommen sie in den Genuss gewisser administrativer Erleichterungen bei den eidgenössischen Wahlen. Im Bundesgesetz vom 17. Dezember 19769 über die politischen Rechte (BPR, Art. 76a) werden die Modalitäten der Eintragung geregelt: «Eine politische Partei kann sich bei der Bundeskanzlei amtlich registrieren lassen, wenn sie die Rechtsform eines Vereins im Sinne der Artikel 60­79 des Zivilgesetzbuches aufweist; und unter dem gleichen Namen mit mindestens einem Mitglied im Nationalrat oder mit mindestens je drei Mitgliedern in drei Kantonsparlamenten vertreten ist.» Parteien in der Form der einfachen Gesellschaft können sich folglich nicht eintragen lassen.

In der Verordnung der Bundesversammlung vom 13. Dezember 200210 über das Parteienregister werden die Voraussetzungen und das Verfahren zur Eintragung der politischen Parteien im Detail bestimmt. Nach dieser Verordnung gilt als politische Partei im Sinne von Artikel 76a BPR jeder Verein, der aufgrund seiner Statuten 6 7 8 9 10

SR 210 SR 220 Schiess Rütimann Patricia M., in: Ehrenzeller et al. (Hrsg.), St. Galler Kommentar, Zürich/St. Gallen 2014, N 8 zu Art. 137 BV.

SR 161.1 SR 161.15

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vornehmlich politische Zwecke verfolgt (Art. 2). Die Bundeskanzlei streicht eine Partei von Amtes wegen aus dem Register, wenn sie ihren Namen ändert, ohne dies zu melden, oder wenn die parlamentarische Mindestvertretung nach Artikel 76a Absatz 1 BPR nicht mehr besteht. Vor der Streichung hört die Bundeskanzlei die ordnungsgemäss gemeldeten präsidierenden oder geschäftsführenden Personen der Bundespartei an (Art. 5).

2.1.2

Finanzierung politischer Akteurinnen und Akteure

In der Schweiz werden die politischen Parteien nicht direkt durch staatliche Mittel finanziert. Allerdings können die an die Fraktionen geleisteten Beiträge gemäss Artikel 12 des Parlamentsressourcengesetzes vom 18. März 198811 (PRG) als eine Form indirekter Finanzierung der im eidgenössischen Parlament vertretenen politischen Parteien erachtet werden. Der Bund richtet laut diesem Artikel einen jährlichen Beitrag an die Fraktionen in der Bundesversammlung aus. Gemäss Artikel 10 der Verordnung vom 18. März 198812 der Bundesversammlung zum Parlamentsressourcengesetz (VPRG) bestehen die Fraktionsbeiträge derzeit aus einem Grundbeitrag von 144 500 Franken und einem zusätzlichen Beitrag pro Fraktionsmitglied von 26 800 Franken. Gegenwärtig werden demnach bei insgesamt sieben Fraktionen jährlich Fraktionsbeiträge in der Höhe von 7 604 300 Franken (bestehend aus Grundbeiträgen im Gesamtbetrag von 1 011 500 Franken, aus Fraktionsbeiträgen pro Mitglied im Nationalrat im Gesamtbetrag von 5 360 000 Franken sowie aus Fraktionsbeiträgen pro Mitglied im Ständerat im Gesamtbetrag von 1 232 800 Franken) ausbezahlt.13 Die Fraktion der Schweizerischen Volkspartei erhält während der Legislaturperiode 2015­2019 jährlich insgesamt 2 127 700 Franken, die Sozialdemokratische Fraktion 1 618 500 Franken, die FDP-Liberale Fraktion 1 377 300 Franken, die CVP-Fraktion 1 296 900 Franken, die Grüne Fraktion 492 900 Franken, die BDP Fraktion 358 900 Franken und die Grünliberale Fraktion 332 100 Franken. Laut Artikel 10 Absatz 2 VPRG erstatten die einzelnen Fraktionen der Verwaltungsdelegation jeweils bis Ende März Bericht über die Verwendung der Beiträge im vergangenen Rechnungsjahr. Sodann geht aus den Statuten einiger im Parlament vertretener Parteien hervor, dass sie sich ­ neben privaten Spenden und Zuwendungen sowie Mitgliederbeiträgen ­ namentlich auch durch Beiträge von Parlamentarierinnen und Parlamentariern sowie durch Beiträge aus der eigenen Fraktion finanzieren.14

11 12 13 14

SR 171.21 SR 171.211 Übersicht über die Anzahl Fraktionsmitglieder pro Fraktion im Parlament, abrufbar unter: www.parlament.ch > Organe > Fraktionen (Stand: 26. Juni 2018).

Siehe u.a. Statuten der CVP Schweiz (Art. 44 Bst. b), abrufbar unter: www.cvp.ch > Download-Center > die CVP / Statuten und AGB's / Statuten > Statuten (Stand: 26. Juni 2018); Statuten der SP Schweiz (Art. 26), abrufbar unter: www.sp-ps.ch > Partei > Statuten der SP Schweiz als PDF (Stand: 26. Juni 2018); Statuten (Art. 31), abrufbar unter: www.fdp.ch > Partei > Portrait > Statuten (Stand: 26. Juni 2018); EVP Schweiz Statuten (Art. 17), abrufbar unter: www.evppev.ch > Partei > Statuten der EVP > Die Statuten vom März 2017 (Stand: 26. Juni 2018).

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Finanzierungsbeschränkungen oder Regelungen zur Offenlegung der entsprechenden finanziellen Mittel, Einnahmen und Ausgaben sind ­ wie auch die direkte staatliche Finanzierung von politischen Parteien, Wahl- und Abstimmungskampagnen ­ in der schweizerischen Rechtsordnung auf Bundesebene nicht vorgesehen. Weder die vorhandenen Gelder von politischen Parteien, Wahl- und Abstimmungskomitees noch die in- oder ausländischen Geldgeberinnen und Geldgeber müssen bekanntgegeben werden. Die Kampagnenfinanzierung durch ausländische Geldgeberinnen und Geldgeber wurde im Abstimmungskampf bezüglich des Geldspielgesetzes (Abstimmung vom 10. Juni 2018) oft kritisiert. Gemäss der VOTO-Studie vom Juli 2018 zur eidgenössischen Volksabstimmung vom 10. Juni 2018 stand eine Mehrheit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger der Unterstützung aus dem Ausland kritisch gegenüber.15 In diesem Zusammenhang wurden auch die parlamentarische Initiative Fournier vom 4. Juni 2018 (18.423 «Keine fremden Eingriffe in die Schweizer Politik!»; siehe Ziff. 2.1.3) sowie die Interpellation Regazzi vom 14. Juni 2018 (18.3577 «Ausländische Finanzierung von Unterschriftensammlungen für Referenden und Volksinitiativen: Eine Gefahr für unsere direkte Demokratie?») eingereicht.

Im Zusammenhang mit der Finanzierung von politischen Parteien ist daran zu erinnern, dass natürliche Personen gemäss Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe i des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 199016 über die direkte Bundessteuer (DBG) die Mitgliederbeiträge und Zuwendungen an politische Parteien abziehen können. Dies ist der Fall, wenn die betreffende Partei in einem Kanton bei den letzten Wahlen des kantonalen Parlaments mindestens 3 Prozent der Stimmen erreicht hat, im Parteienregister nach Artikel 76a PRG eingetragen oder in einem kantonalen Parlament vertreten ist. Der Abzug ist auf Bundesebene jährlich bis zu einem Gesamtbetrag von 10 100 Franken möglich.

Das DBG sieht keinen derartigen Abzug für juristische Personen vor. Allerdings sind finanzielle Beiträge von Unternehmen (juristische Personen und Personengesellschaften) an politische Parteien auf Bundesebene unter bestimmten Voraussetzungen als Politsponsoring abziehbar. Solche Aufwendungen werden von den Steuerbehörden grundsätzlich ohne betragsmässige Begrenzung als geschäftsmässig begründet zum Abzug zugelassen. Sie
müssen laut Stellungnahme des Bundesrates vom 22. November 2017 zur Interpellation Masshardt vom 29. September 2017 (17.3886 «Geschäftsmässig begründete Spenden an politische Parteien durch Unternehmen») allerdings in einem betriebswirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zur Grösse des Unternehmens sowie zur Art und zum Umfang des Adressatenkreises stehen.

Anders als die Zuwendungen an politische Parteien sind Zuwendungen für den Wahlkampf beziehungsweise Wahlkampfkosten von der Einkommens- und Gewinnsteuer nicht abziehbar.17

15

16 17

VOTO-Studie vom Juli 2018 zur eidgenössischen Volksabstimmung vom 10. Juni 2018, S. 29, abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Volksabstimmungen > Volksabstimmung vom 10. Juni 2018 > Geldspielgesetz > Studie (Stand: 31. Juli 2018).

SR 642.11 BGE 142 II 293

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2.1.3

Kurzer geschichtlicher Überblick über die Versuche zur Schaffung einer Regelung und parlamentarische Vorstösse

Der Bundesrat vertrat in seinem Bericht von 1988 über die Unterstützung der politischen Parteien18 die Auffassung, es entspreche dem Wesen der Demokratie, dass die Meinungs- und Willensbildungsprozesse der Parteien durchschaubar sind. Eine Offenlegung der Einnahmen und der Ausgaben der Parteien würde einiges dazu beitragen können. Der Bericht hält fest, dass eine direkte staatliche Unterstützung der Parteien eine Offenlegung besonders rechtfertigen könnte. Der Bundesrat befürwortete die Einführung der Offenlegungspflicht und führte aus, für eine solche spreche einiges. So vor allem die bereits erwähnte Sorge um durchschaubare demokratische Entscheidungsprozesse sowie um eine von Beeinflussungsversuchen grosser Geldgeber freie parteiinterne Meinungs- und Willensbildung, und zwar unabhängig davon, ob zugleich staatliche Finanzhilfen gewährt würden oder nicht.

Der Bericht führte allerdings nicht zur Verankerung einer Offenlegungspflicht im Schweizer Recht.19 Im Rahmen der Revision der Bundesverfassung und insbesondere der Volksrechte hatte der Bundesrat in seiner Botschaft vom 20. November 199620 über eine neue Bundesverfassung die Einführung eines Artikels 127a Absatz 2 vorgeschlagen, nach welchem der Gesetzgeber die Ausübung der politischen Rechte und insbesondere die Art der Finanzierung der Ausübung dieser Rechte regelt. Das Parlament hat diese Bestimmung jedoch nicht übernommen, insbesondere weil sie den Weg zu einer direkten staatlichen Finanzierung der politischen Parteien hätte eröffnen können.

Seither sind zahlreiche parlamentarische Vorstösse zur Offenlegung der Finanzierung der politischen Parteien und der Politik eingereicht worden. Fast alle zielten nicht auf die Bekämpfung von Korruptionsrisiken ab, sondern auf die Sicherstellung gleicher Mittel in der politischen Debatte. In der Folge hat sich allerdings nie eine Mehrheit im Parlament ergeben, welche die Gesetzgebungsarbeiten auf diesem Gebiet hätte vorantreiben können. Selbst die Motion der Staatspolitischen Kommission des Ständerates vom 9. Mai 2011 (11.3467 «Offenlegung der Finanzierungsquellen von Abstimmungskampagnen»), die vom Ständerat angenommen wurde, hat der Nationalrat am 15. März 2012 schliesslich abgelehnt. Dabei ist zu beachten, dass die Motion nur auf Abstimmungen auf Bundesebene ausgerichtet war, nicht aber auf politische
Parteien und Kandidatinnen und Kandidaten.

In seiner Stellungnahme vom 18. Mai 2011 zur Motion Chopard-Acklin vom 11. März 2011 (11.3116 «Mehr Transparenz in der Parteienfinanzierung») wies der Bundesrat darauf hin, dass die Frage von Transparenzvorschriften in der Parteienund Abstimmungsfinanzierung bereits mehrfach geprüft worden sei. Der Nationalrat 18 19

20

BBl 1989 I 125 Siehe auch: Aubert Jean-François/Mahon Pascal, Petit commentaire de la Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999, Zürich / Basel / Genf 2003, N 1­3 zu Art. 137 m. w. H.

BBl 1997 I 1, hier 452­453

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habe sich wiederholt mit konkreten Vorschlägen befasst, so etwa mit den parlamentarischen Initiativen Gross vom 6. Juni 1999 (99.430 «Abstimmungskampagnen.

Offenlegung höherer Beiträge»), Nordmann vom 22. März 2006 (06.406 «Transparenz bei der Finanzierung der politischen Parteien, der Lobbyorganisationen und der Wahl- und Abstimmungskampagnen»), der sozialdemokratischen Fraktion vom 20. März 2009 (09.415 «Endlich Transparenz in der Schweizer Politik») und Hodgers vom 5. Juni 2009 (09.442 «Transparenz in der Parteienfinanzierung>). Keines der vielen bislang erarbeiteten Modelle sei dem Parlament aber als taugliches Mittel erschienen, um das gewünschte Ziel zu erreichen.

Im Mai 2011 sprach sich der Bundesrat in seiner Stellungnahme zur Motion 11.3116 sodann gegen die Einführung gesetzlicher Leitplanken aus, dies angesichts der hohen Hürden im Bereich der Umsetzung sowie der zahlreichen offenen Punkte im Bereich des Vollzugs einer Gesetzgebung zur Offenlegung der Finanzierung der politischen Parteien, namentlich bei der Durchsetzbarkeit und der Sanktionsmöglichkeiten. Er führte weiter aus, dass die direkte Demokratie auch von der Bereitschaft Privater lebe, sich finanziell zu engagieren. Durch staatlichen Zwang könnte dieses Engagement gefährdet sein.

Am 13. Dezember 2012 reichte Nationalrat Thomas Minder die parlamentarische Initiative 12.499 «Börsenkotierte Aktiengesellschaften und von der öffentlichen Hand beherrschte Gesellschaften. Offenlegung von Zuwendungen an politische Akteure» ein. Diese zielte darauf ab, börsenkotierte Aktiengesellschaften zu verpflichten, die Gesamtzuwendungen an politische Akteurinnen und Akteure sowie bei Zuwendungen ab 10 000 Franken pro Empfängerin oder Empfänger und Geschäftsjahr Name und Adresse der Empfängerin oder des Empfängers und die Höhe der Zuwendung anzugeben. Weiter sollten gemäss der parlamentarischen Initiative auch Gesellschaften, in denen dem Bund oder einem anderen Gemeinwesen eine beherrschende Stellung zukommt, alle Zuwendungen an politische Akteurinnen und Akteure in der Jahresrechnung offenlegen. Der parlamentarischen Initiative wurde keine Folge gegeben.

Am 23. Januar 2014 reichte die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates die parlamentarische Initiative 14.400 «Offenlegung von Zuwendungen an politische Akteurinnen und Akteure durch
Unternehmen und Institute der öffentlichen Hand» ein. Darin wurde vorgeschlagen, die erforderlichen Rechtsgrundlagen auszuarbeiten, damit Gesellschaften, in denen dem Bund oder einem anderen Gemeinwesen eine beherrschende Stellung zukommt, alle Zuwendungen an politische Einzelakteurinnen und -akteure, Parteien und Organisationen in der Jahresrechnung offenlegen.

Dabei hätten die Gesellschaften insbesondere die Empfänger und die Höhe der jeweiligen Zuwendung angeben müssen. Auch dieser parlamentarischen Initiative wurde keine Folge gegeben.

Mit der Interpellation 14.3633 «Mehr Transparenz bei den Parteifinanzen. Wie setzt der Bundesrat die Greco-Empfehlungen um?» vom 20. Juni 2014 stellte Nationalrätin Nadine Masshardt dem Bundesrat mehrere Fragen zur Umsetzung der GRECO-Empfehlungen an die Schweiz und forderte ihn auf, Regelungen zur Trans-

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parenz bei der Finanzierung von Parteien und Wahlen zu schaffen. 21 In seiner Stellungnahme vom 28. November 2014 hielt der Bundesrat unter anderem fest, er habe seit April 2014 verschiedentlich über das Thema Parteienfinanzierung diskutiert.

Ende April habe die Schweiz gemäss den Verfahrensrichtlinien der GRECO einen kurzen Bericht an die GRECO gerichtet, in welchem sie die Entwicklung der Situation in der Schweiz zwischen Oktober 2013 und April 2014 dargelegt habe. Im Bericht wurde darauf hingewiesen, dass der Bundesrat über dieses Thema zwar diskutiert, aber keine Beschlüsse gefasst habe. Gemäss den Regeln der GRECO wird dieser Bericht, wie auch die von anderen Mitgliedstaaten eingereichten Berichte, nicht veröffentlicht. Allerdings schreibt der Bundesrat in seiner Stellungnahme zur Interpellation 14.3633, dass er am 12. November 2014 entschieden habe, davon abzusehen, die Parteienfinanzierung gesetzlich zu regeln.

In Zusammenhang mit den Motionen der Grünen vom 19. Juni 2015 (15.3714 «Politische Kampagnen zu Wahlen und Abstimmungen. Transparenz über die Finanzierung» und 15.3715 «Transparenz über die Parteienfinanzierung»), die beide auf eine Erhöhung der Transparenz abzielten, bekundeten Bundesrat und Parlament im Juni 2017 erneut ihre ablehnende Haltung gegenüber einer Pflicht zur Offenlegung der Parteien-, Wahl- und Abstimmungsfinanzierung. In den Motionen wurde der Bundesrat eingeladen, einen Erlassentwurf vorzulegen, der Transparenz über die Finanzierung von Parteien sowie politischer Wahl- und Abstimmungskampagnen schafft.

Darin sollte festgehalten werden, dass Zuwendungen von natürlichen oder juristischen Personen an Parteien und Kampagnen zu veröffentlichen sind, wenn sie einen bestimmten Schwellenwert überschreiten. Die Motionen stützten sich in ihrer Begründung auf die Kritik, welche die GRECO in ihrem Zwischenbericht vom Juni 2014 gegenüber der Schweiz äusserte22. Das Parlament lehnte beide Motionen ­ übereinstimmend mit der Empfehlung des Bundesrates ­ ab.

In seiner Stellungnahme vom 26. August 2015 zur erwähnten Motion 15.3715 kam der Bundesrat zum Schluss, er habe bereits in seiner Antwort vom 29. Dezember 2014 auf die Interpellation Masshardt 14.3633 festgehalten, dass er von einer gesetzlichen Regelung dieses Bereichs absehe. Seine Haltung habe sich seither nicht geändert. Die
Besonderheiten des politischen Systems der Schweiz seien kaum mit einem Gesetz über die Parteienfinanzierung vereinbar. Aufgrund der direkten Demokratie und, damit verbunden, der häufigen Volksabstimmungen, seien die Parteien nicht die einzigen Akteurinnen und Akteure des politischen Geschehens in der Schweiz. Darüber hinaus verfügten die Kantone über eine grosse Autonomie: Ihnen eine einheitliche nationale Regelung über die Parteienfinanzierung aufzuerlegen, wäre nicht mit dem Föderalismus zu vereinbaren. In der Schweiz herrsche die Auffassung, dass die Politik und die Parteienfinanzierung zum grossen Teil durch privates Engagement und nicht vom Staat zu tragen seien.

21

22

Die Empfehlungen der GRECO sind im Bericht zur Evaluation der Schweiz vom 21. Okt.

2011 (Thema II) veröffentlicht, die abrufbar sind unter (nur auf Franz. und Engl.): www.coe.int > Etat de droit > Menaces contre l'Etat de droit > Groupe d'Etats contre la corruption ­ GRECO > Evaluations > Suisse (Stand: 18 juillet 2018).

Bericht als Beilage zur Medienmitteilung des Bundesamtes für Justiz vom 4. Juli 2014, abrufbar unter: www.admin.ch > Medienmitteilungen > 4.7.2014 > Medienmitteilung «Zwischenbericht der GRECO über die Konformität veröffentlicht» (Stand: 17. Juli 2018); vgl. auch Ziff. 2.3.1.

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Der Bundesrat erinnerte ausserdem daran, dass bei der Diskussion im Rahmen der Von-Wattenwyl-Gespräche vom 29. August 2014 unter anderem auch mögliche Varianten für Regeln diskutiert wurden, die zu mehr Transparenz bei der Parteienfinanzierung führen sollten: Den Parteispitzen wurden an den Von-WattenwylGesprächen zwei mögliche Varianten unterbreitet, wie Regelungen für Transparenz bei der Parteienfinanzierung ausgestaltet werden könnten. Zum einen ging es um eine obligatorische Offenlegung der Rechnung der Parteien etwa auf einer neuen elektronischen Plattform , zum andern um eine freiwillige Offenlegung im bestehenden Parteienregister. Beide Varianten waren im Bundesrat bereits diskutiert worden. Vor seinem Entscheid wollte der Bundesrat die Spitzen der Bundesratsparteien anhören. Alle Parteien ausser die SP wollten jedoch am Status quo ohne Transparenzvorgaben festhalten, da sich das bestehende System aus ihrer Sicht für die Schweiz bewährt habe. Die SP forderte im Gegenzug noch schärfere Massnahmen, als sie der Bundesrat mit den zwei Optionen ins Spiel gebracht hatte. Unter diesen Voraussetzungen wollte der Bundesrat keine Gesetzgebungsarbeiten in Angriff nehmen und sprach sich schliesslich gegen eine Regelung der Finanzierung von politischen Parteien sowie von Wahl- und Abstimmungskampagnen aus.23 In seiner Stellungnahme vom 26. August 2015 zur Motion 15.3714 wies der Bundesrat ausserdem darauf hin, dass das Parlament der parlamentarischen Initiative 14.400 keine Folge gegeben hatte und diese Initiative weniger weit gegangen sei als die vorliegende Motion. Unter diesen Voraussetzungen sehe der Bundesrat davon ab, Gesetzgebungsarbeiten in Angriff zu nehmen.

Am 29. September 2017 wurde von Nationalrätin Kathrin Bertschy die parlamentarische Initiative 17.490 «Anreize für mehr Transparenz in der Parteienfinanzierung» eingereicht. Die Initiative verlangt, das PRG dahingehend zu ändern, dass die Fraktionsbeiträge nur noch an jene Fraktionen ausgeschüttet werden, deren Parteien gegenüber der Bundeskanzlei respektive der Öffentlichkeit jährlich die Herkunft und die Beträge ihrer Zuwendungen offenlegen. Die Initiative ist bisher im Rat noch nicht behandelt worden.

Am 4. Juni 2018 reichte Ständerat Jean-René Fournier die parlamentarische Initiative 18.423 «Keine fremden Eingriffe in die Schweizer
Politik!» ein, die von 21 weiteren Ständerätinnen und Ständeräten mitunterzeichnet wurde. Die parlamentarische Initiative fordert, dass die Finanzierung der Unterschriftensammlung für Referenden oder Initiativen sowie die Finanzierung von Abstimmungskampagnen mit Mitteln aus dem Ausland verboten wird. Damit ein solches Verbot Wirksamkeit entfalten könnte, müssten konsequenterweise anonyme Spenden verboten und müssten ein Kontrollmechanismus und ein Sanktionensystem eingeführt werden.

23

Medienmitteilung des Bundesrates vom 29. August 2014, abrufbar unter: www.admin.ch > Medienmitteilungen > 29.8.2014 > Medienmitteilung «Von-Wattenwyl-Gespräche vom 29. August 2014« (Stand: 17. Juli 2018).

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2.2

Entwicklungen auf kantonaler Ebene

Auf kantonaler Ebene haben drei Kantone (Tessin, Genf und Neuenburg) im Bereich der Transparenz bei der Finanzierung der politischen Parteien Gesetze erlassen. Am 4. März 2018 haben die Kantone Freiburg und Schwyz jeweils eine Verfassungsinitiative zur Regelung der Transparenz bei der Finanzierung der politischen Parteien angenommen.

In mehreren Kantonen wurden in den letzten Jahren Volksinitiativen zu diesem Thema abgelehnt (insbesondere im Kanton Aargau im Jahr 201424 und im Kanton Baselland im Jahr 201325). Die Annahme der Initiativen in den Kantonen Freiburg und Schwyz im März 2018 bot aber Anlass zu zahlreichen parlamentarischen Vorstössen und Initiativen in anderen Kantonen (insbesondere Basel-Stadt26, BaselLandschaft27, Zug28 und Waadt29).

Bei der Ausarbeitung der vorliegenden Botschaft liess das Bundesamt für Justiz (BJ) den drei Kantonen, die bereits rechtliche Bestimmungen zur Offenlegung der Finanzierung der politischen Parteien erlassen hatten, im April 2018 einen Fragebogen zukommen. Dies mit dem Ziel, die Wirksamkeit ihrer kantonalen Regelungen abzuklären.

2.2.1

Tessin

Der Kanton Tessin hat als erster Schweizer Kanton eine Gesetzgebung zur Parteienfinanzierung sowie Transparenzvorschriften erlassen. Die Offenlegungsvorschriften sind in den Artikeln 114 und 115 der Legge sull'esercizio dei diritti politici vom 7. Oktober 199830 enthalten. Die Parteien und die politischen Bewegungen müssen jährlich der Staatskanzlei Zuwendungen, die 10 000 Franken übersteigen, offenlegen und über die Identität der Spenderinnen und Spender Auskunft geben. Die Angaben werden im Amtsblatt publiziert. Die Missachtung der Bestimmungen wird mit einer 24

25

26 27

28 29

30

Beilage zum Amtsblatt vom 10. Okt. 2014 des Kantons Aargau, abrufbar unter: www.amtsblatt.ag.ch > Archiv > Weitere Jahrgänge > 2014 > Amtsblatt Nr. 41 (Stand: 17. Juli 2018).

Ergebnisse der Abstimmung vom 9. Juni 2014 im Kanton Baselland, abrufbar unter: www.abstimmungsarchiv.bl.ch > Eidgenössische / Kantonale Abstimmung 9.6.2013 > Transparenz-Initiative ­ Stoppt die undurchsichtige Politik Formulierte Verfassungsinitiative (Stand: 17. Juli 2018).

Motion Tim Cunéod 18.5159 vom 12. April 2018, abrufbar unter: www.grosserrat.bs.ch > Geschäfte & Dokumente > Datenbank > 18.5159 (Stand: 17. Juli 2018).

Parlamentarische Initiative vom 22. März 2018, abrufbar unter: https://baselland.talus.ch > Politik und Behörden > Landrat / Parlament > Geschäfte ab Juli 2015 > Geschäftsnummer: 2018/383 (Stand: 17. Juli 2018). GE.

Motion 15705 der SP-Fraktion vom 5. März 2018, abrufbar unter: https://kr-geschaefte.zug.ch > Suchfenster: 15705 (Stand: 17. Juli 2018).

Motion Venizelos vom 13. März 2018, abrufbar unter: www.vd.ch > Autorités > Grand Conseil > La liste des députées et des députés > Venizelos > «Motion Vassilis Venizelos et consorts au nom du groupe des Verts et du groupe socialiste ­ Financement de la politique : pour en finir avec l'obscurantisme vaudois» (Stand: 17. Juli 2018).

Raccolta delle leggi vigenti del Cantone Ticino, 150.100, abrufbar unter: www4.ti.ch > Raccolta delle leggi > Legislazione > Ricerca > 150.100.

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Kürzung der staatlichen Finanzhilfen oder sogar mit deren Streichung sanktioniert.

Diese Regelung ist grundsätzlich auch anwendbar auf Organisatorinnen und Organisatoren von Initiativen und Referenden (v. a. Initiativkomitees) auf Kantonsebene.

Die Kandidatinnen und Kandidaten sind gehalten, 30 Tage vor dem Wahltermin der Staatskanzlei Summen, die 5000 Franken übersteigen, zu melden und über die Identität der Spenderinnen und Spender Auskunft zu geben. Auch diese Angaben werden im Amtsblatt veröffentlicht. Zuwiderhandlungen werden mit einer Busse bis zu 7000 Franken geahndet.

Der Kanton Tessin kennt ­ ähnlich wie das auf Bundesebene auch der Fall ist ­ eine staatliche Finanzierung der parlamentarischen Gruppierungen. Jede parlamentarische Gruppierung (Liste mit mindestens 5 Gewählten) erhält einen jährlichen Beitrag von 40 000 Franken und 3000 Franken für jede Abgeordnete und jeden Abgeordneten im Parlament. Abgeordnete, die keiner Gruppierung angehören, erhalten die Beitragssumme von 3000 Franken direkt. Die Gruppierungen bestimmen die Modalitäten der Zahlung und überweisen diese zum Teil auch direkt an ihre Parteien. Insgesamt beläuft sich die Finanzierung gemäss Legge sul Gran Consiglio e sui rapporti con il Consiglio di Stato vom 24. Februar 201531 auf jährlich rund 500 000 Franken.

Aus den Antworten auf den Fragebogen, den das BJ Anfang April 2018 versendet hat (siehe Ziff. 2.2), geht hervor, dass der Kanton Tessin nur über wenige Informationen zur Wirksamkeit seiner Regelung verfügt. Sein Gesetz über die Ausübung der politischen Rechte wird zurzeit revidiert und die Prüfung der diesbezüglichen Botschaft des Staatsrats vom 20. April 201632 ist beim Grossen Rat hängig. Zur Diskussion steht namentlich, ob die Pflicht der politischen Parteien, ihre Finanzierung offenzulegen, aufgehoben werden oder vielmehr verschärft werden soll. Es scheint sich allerdings die Tendenz zu zeigen, die Offenlegungspflicht gemäss der heutigen Regelung beizubehalten und auf die Parteien in den Gemeinden auszudehnen. Seit dem Jahr 2000 sind der Staatskanzlei siebzig Spenden an politische Parteien und Kandidatinnen und Kandidaten sowie die Namen der entsprechenden Spenderinnen und Spender gemeldet worden. Einige Beträge, die gemeldet wurden, sind sogar tiefer als der gesetzliche Schwellenwert von 10 000 Franken. Die
Daten werden im Tessiner Amtsblatt veröffentlicht. Es kann daher nicht festgestellt werden, wie viele Personen die Angaben konsultieren. Die Staatskanzlei fordert die Angaben jedes Jahr von den politischen Parteien ein, sie hat jedoch nicht die Befugnis, sie auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit hin zu überprüfen. Der Kanton habe aber keine Hinweise auf Unterlassungen seitens der Parteien oder anderer Personen. Er sei sich bei Inkrafttreten des Gesetzes der Grenzen der Durchsetzung der Bestimmungen bewusst gewesen. Man habe aber wenigstens ein Zeichen für die Transparenz setzen wollen. Schliesslich sei seit der Einführung der Regelung keine Sanktion verhängt worden: Bestehe der Verdacht, dass eine angeforderte Information nicht gemeldet wurde, kontaktiere der Kanton die betreffende Organisation direkt und erhalte sodann die erforderlichen Informationen für die Veröffentlichung. Schwieriger sei es 31 32

Raccolta delle leggi vigenti del Cantone Ticino, 171.100, abrufbar unter: www4.ti.ch > Raccolta delle leggi > Legislazione > Ricerca > 171.100.

Botschaft abrufbar unter (nur auf Ital.): www4.ti.ch > Gran Consiglio > Parlamento > Ricerca Messaggi e atti > Messaggio 7185 (Stand: 18. Juli 2018).

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hingegen, die betreffenden Angaben von den Kandidatinnen und Kandidaten zu erhalten. Der Kanton arbeite zurzeit an einer verstärkten Sensibilisierung der betroffenen Kreise.

2.2.2

Genf

Der Kanton Genf hat Transparenzvorschriften in Artikel 29A der Loi du 15 octobre 1982 sur l'exercice des droits politiques (LEDP-GE)33 festgelegt. Jede Partei oder Gruppierung, die eine Liste mit Kandidatinnen und Kandidaten für eine Kantonsoder eine Gemeindewahl (in Gemeinden mit über 10 000 Einwohnerinnen und Einwohnern) abgibt, muss jährlich der zuständigen Behörde Bericht über ihre Bilanz erstatten und eine Liste ihrer Spenderinnen und Spender einreichen. Die Höhe der einzelnen Zuwendungen wird jedoch nicht offengelegt und diese werden auch nicht den einzelnen Spenderinnen und Spendern zugeordnet. Als Sanktion gegen Zuwiderhandlungen ist ein Ausschluss von den staatlichen Beiträgen festgelegt. Eine Revision des Gesetzes ist vorgesehen: Am 8. November 2017 hat der Regierungsrat des Kantons Genf einen Gesetzesentwurf zur Revision der Transparenzvorschriften der LEDP-GE verabschiedet, der gegenwärtig vom Grossen Rat geprüft wird. Anonyme Spenden sollen gemäss Gesetzesentwurf bis zu einem jährlichen Gesamtbetrag von 5000 Franken zulässig sein (weitere anonyme Spenden sind untersagt). Für Gesetzesverstösse ist als Sanktion eine Geldstrafe von bis zu 60 000 Franken vorgesehen. Alle politischen Parteien, Vereine oder Gruppierungen, die zu einer eidgenössischen, kantonalen oder kommunalen Abstimmung eine Stellungnahme abgeben, würden der zuständigen Behörde unter gewissen Voraussetzungen ihre Bilanz in Zusammenhang mit der fraglichen Abstimmung sowie die Liste ihrer Spenderinnen und Spender mitteilen müssen.

Im Kanton Genf erhalten die im Parlament vertretenen Parteien einen Grundbeitrag von 100 000 Franken sowie 7000 Franken pro Sitz.

Der Kanton beteiligt sich zudem an den Wahlkampfausgaben von Parteien und anderen Gruppierungen mit bis zu 10 000 Franken pro Liste. Von der Kostenbeteiligung kann profitiert werden, wenn bei Proporzwahlen die eigene Liste mindestens 5 Prozent der Stimmen erhält oder bei Majorzwahlen die Kandidatin oder der Kandidat mindestens 20 Prozent der Stimmen auf sich vereint. Als weitere Unterstützung von Wahl- und Abstimmungskampagnen werden die Kosten übernommen, die bei den Parteien oder anderen Gruppierungen für Plakatflächen anfallen. Diese Unterstützung kostet die Staatskasse jährlich ca. 650 000 Franken.

Gemäss den Informationen der Staatskanzlei des Kantons Genf (siehe
Ziff. 2.2) wurde seit dem Inkrafttreten der Transparenz-Regelung weniger als ein Dutzend Mal pro Jahr um Einsicht in die Erfolgsrechnungen und Bilanzen sowie die Identitätsangaben der Spenderinnen und Spender ersucht. Die Anfragen werden von Journalistinnen und Journalisten sowie von politischen Parteien gestellt. Die im Grossen Rat vertretenen Parteien halten sich an die gesetzlichen Pflichten, wobei zu erwähnen ist, dass die bei einer Widerhandlung drohenden Sanktionen relativ streng 33

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sind (Streichung des staatlichen Grundbeitrags von 100 000 Franken pro Partei und von 7000 Franken pro Sitz). Von den im Kantonsparlament nicht vertretenen Parteien wurde die Regelung bei Inkrafttreten hingegen kaum beachtet: Sie wären verpflichtet gewesen, ihre Rechnungsabschlüsse unabhängig von den in der Wahlkampagne eingesetzten Mittel durch eine anerkannte und unabhängige Revisionsstelle prüfen zu lassen. Der damit verbundene finanzielle Aufwand war für einige, die nur geringe Ausgaben bestätigen lassen mussten, allerdings zu hoch. Um dem Abhilfe zu schaffen, schlug der Genfer Staatsrat vor, Schwellenwerte einzuführen, ab denen die Rechnungsabschlüsse durch eine unabhängige Revisionsstelle geprüft werden müssen (Aufwendungen von 10 000 Franken für eine Abstimmungskampagne und von 15 000 Franken bei der Jahresrechnung). Seit 2015 hat sich die Situation offenbar verbessert. Was die Einhaltung der Regelung angeht, kontrolliert der Kanton Genf weder die Rechnungsabschlüsse noch die gesamte Liste der Spenderinnen und Spender. Die Kontrolle wird durch eine unabhängige und anerkannte Treuhandgesellschaft sichergestellt, die von der Partei oder der Gruppierung beauftragt wird. Der Staat vergewissert sich lediglich, dass die vorgeschriebenen Anforderungen erfüllt und die Unterlagen innert der erforderlichen Fristen geliefert werden.

Im Jahr 2016 wurden der Staatskanzlei rund 400 Rechnungsabschlüsse von Kampagnen und Jahresrechnungen übergeben. Rund 55 Prozent davon stammten von kantonalen oder kommunalen politischen Parteien, rund 40 Prozent von verschiedenen Gruppierungen und Vereinigungen und 5 Prozent von Referendums- und Initiativkomitees. Der Gesamtbetrag der seit 2011 getätigten Spenden ist nicht bekannt.

Das ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass die betreffenden Organisationen nicht verpflichtet sind, den Betrag der einzelnen Spenden offenzulegen (im Gegensatz zur Liste der Spenderinnen und Spender). Der Gesetzesentwurf vom 8. November 2017 sieht vor, dass nebst den Namen der Spenderinnen und Spender neu auch der Betrag der Spenden offenzulegen wäre. Ob die geltende Gesetzesbestimmung seit ihrem Inkrafttreten einen Einfluss auf den Gesamtbetrag der Spenden an die Parteien gehabt hat, bleibt ungewiss, da der Betrag der einzelnen Spenden nicht offengelegt wird.

2.2.3

Neuenburg

Im Kanton Neuenburg sind am 1. Januar 2015 gesetzliche Vorschriften zur Parteienfinanzierung in Kraft getreten (Art. 133a­133p der Loi du 17 octobre 1984 sur les droits politiques [LDP-NE])34. Die im Parlament vertretenen Parteien sind zur jährlichen Offenlegung ihrer Bilanzen verpflichtet. Weiter ist vorgesehen, dass jede Partei oder andere Gruppierung, die im Rahmen einer kantonalen oder kommunalen Wahl eine Liste abgibt, der Staatskanzlei Zuwendungen von 5 000 Franken oder mehr melden muss. Grundsätzlich soll der Staatskanzlei eine Liste mit den Namen aller Spenderinnen und Spender und mit den entsprechenden Summen übermittelt werden. Alternativ kann auch nur die Gesamtsumme sämtlicher Zuwendungen angegeben werden. Sofern eine Person mehrere Zuwendungen tätigt, werden diese kumuliert. Sobald die kumulierte Zuwendung 5000 Franken erreicht, muss die 34

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Person auf der Liste genannt werden. Anonyme Zuwendungen sind untersagt. Für die Kandidatinnen und Kandidaten bei Kantons- und Kommunalwahlen sowie für Initiativ- und Referendumskomitees bestehen analoge Regelungen, die ebenfalls eine Offenlegung von Zuwendungen ab 5000 Franken verlangen. Die Nichtbefolgung der genannten Transparenzvorschriften wird mit Busse bis zu 40 000 Franken bestraft.

Jede im Parlament vertretene Partei erhält einen staatlichen Beitrag von 3000 Franken pro Sitz. Insgesamt beträgt die Parteienfinanzierung jährlich rund 340 000 Franken. Diese Form der Finanzierung bestand allerdings bereits vor Inkrafttreten der Transparenzvorschriften und ist somit nicht als Konsequenz davon zu sehen.

Der Kanton Neuenburg hat gemäss seinen Antworten auf den Fragebogen des BJ vom April 2018 (siehe Ziff. 2.2) seit dem Inkrafttreten der Regelung ­ mit Ausnahme einer Anfrage des Büros des Grossen Rates ­ kein Gesuch um Einsicht in die Rechnungsabschlüsse der politischen Parteien oder die Liste der Spenderinnen und Spender erhalten. Der Kanton stellt fest, dass die politischen Parteien ihrer Pflicht zur Meldung der Spenden nachkommen, auch wenn solche Spenden selten sind (nur vier im Jahr 2017 über einen Gesamtbetrag von 38 000 Franken), und dass zum jetzigen Zeitpunkt nicht festgestellt werden kann, ob der Betrag der Spenden an die politischen Parteien seit dem Inkrafttreten der Regelung zurückgegangen ist. Die im Grossen Rat vertretenen Parteien reichen jedes Jahr im April oder Mai ihre Rechnungsabschlüsse ein. Ausser aus buchhalterischer Sicht ist keine Überprüfung der Einhaltung der Pflichten gesetzlich vorgeschrieben. Sanktionen bei Missachtung der gesetzlichen Pflichten sind in Artikel 138a und 138b LDP-NE vorgesehen. Der Kanton verfügt weder über Berichte noch über Zahlen zu allfälligen bereits verhängten Sanktionen.

2.2.4

Schwyz und Freiburg

Am 4. März 2018 sind in den Kantonen Freiburg und Schwyz je eine Verfassungsinitiative zum Erlass einer Regelung der Transparenz bei der Finanzierung der politischen Parteien angenommen worden. Im Kanton Freiburg resultierte ein deutliches Ja35 (mit fast 70 Prozent Ja-Stimmen), während die Initiative in Schwyz 36 mit 50,28 Prozent Ja-Stimmen nur knapp angenommen wurde.

Im Kanton Freiburg müssen gemäss dem Wortlaut der Initiative37, die in der Form eines ausgearbeiteten Entwurfs eingereicht worden war, politische Parteien, politische Gruppierungen, Kampagnenkomitees und Organisationen, die sich an Wahloder Abstimmungskampagnen beteiligen, insbesondere ihre Rechnung offenlegen.

35

36

37

Ergebnisse der Abstimmung vom 4. März 2018 abrufbar unter: https://sygev.fr.ch/resultate > 4. März 2018 > Abstimmungen > «Verfassungsinitiative » (Stand: 17. Juli 2018).

Ergebnisse der Abstimmung vom 4. März 2018 abrufbar unter: www.sz.ch > Behörden > Abstimmungen, Wahlen > Archiv > 4. März 2018 > Ergebnisse > «Initiative » (Stand: 17. Juli 2018).

Wortlaut der Initiative abrufbar unter: www.fr.ch > Staat und Recht > Staatskanzlei > Politische Rechte > Initiativrecht > Chronologisches Verzeichnis > 22.04.2015 (Stand: 18. Juli 2018).

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Diese Pflicht umfasst namentlich die Offenlegung des Firmennamens der juristischen Personen und den Betrag ihrer Zahlungen sowie die Offenlegung der Identität der natürlichen Personen, deren Zahlungen 5000 Franken übersteigen. Zudem müssen die gewählten Mitglieder der kantonalen Behörden die Einkommen veröffentlichen, die sie mit ihrem Mandat und im Zusammenhang mit diesem erzielen. Die veröffentlichten Daten werden von der Verwaltung oder einer unabhängigen Stelle geprüft. Sobald diese Daten geprüft worden sind, werden sie online und auf Papier zur Verfügung gestellt.

Im Kanton Schwyz sieht der vom Volk angenommene Initiativtext38 eine Änderung der Kantonsverfassung in einem der Initiative des Kantons Freiburg entsprechenden Sinne vor. Alle Parteien und politischen Gruppierungen, Kampagnenkomitees, Lobbyorganisationen und sonstigen Organisationen, die sich an Abstimmungskämpfen sowie Wahlen beteiligen, müssen ihre Finanzen offenlegen. Unter die Offenlegungspflichten fallen insbesondere die Finanzierungsquellen und das gesamte Budget für den betreffenden Wahl- oder Abstimmungskampf, die Namen der juristischen Personen, die zur Finanzierung beigetragen haben, mit Angabe des jeweiligen Betrags, sofern dieser insgesamt höher als 1000 Franken ist. Offenzulegen sind weiter die Namen der natürlichen Personen, die zur Finanzierung beigetragen haben, mit Angabe des jeweiligen Betrags, sofern dieser 5000 Franken übersteigt. Ausserdem müssen sämtliche Kandidatinnen und Kandidaten für alle öffentlichen Ämter auf Kantons- und Bezirksebene sowie für Exekutiven und Legislativen auf kommunaler Ebene bei der Anmeldung ihrer Kandidatur ihre Interessenbindungen offenlegen. Dasselbe gilt für alle gewählten Mandatsträgerinnen und Mandatsträger in öffentlichen Ämtern zu Beginn eines Kalenderjahres. Schliesslich überprüft der Kanton oder eine unabhängige Stelle die Richtigkeit der Angaben. Widerhandlungen gegen die Verpflichtungen werden mit Busse bestraft.

2.3

Ausgangslage auf internationaler Ebene

2.3.1

Empfehlungen der GRECO

Durch die Ratifizierung im Jahr 2006 des Strafrechtsübereinkommens vom 27. Januar 199939 über Korruption ist die Schweiz automatisch Mitglied der GRECO geworden. Im Bereich der Verhütung und der Bekämpfung der Korruption bei der Finanzierung der politischen Parteien richtet sich die GRECO für die Erarbeitung der spezifischen Empfehlungen zuhanden eines Mitgliedstaates nach der Empfehlung Rec(2003)4 vom 8. April 200340 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten über gemeinsame Regelungen zur Bekämpfung der Korruption bei der Finanzierung von politischen Parteien und von Wahlkampagnen.

38

39 40

Wortlaut der Initiative unter Ziffer 2.3 der Erläuterungen des Kantons Schwyz zur Abstimmung vom 4. März 2018, abrufbar unter: www.sz.ch > Behörden > Abstimmungen, Wahlen > Archiv > 4. März 2018 > Erläuterungen (Stand: 17. Juli 2018).

SR 0.311.55 Empfehlung abrufbar unter (nur auf Franz. und Engl.): www.coe.int > Explorer > Comité des Ministres > Recherche CM > Référence du document: Rec(2003)4 (Stand: 18. Juli 2018).

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Nach ihrem Besuch in der Schweiz im Mai 2011 verabschiedete die GRECO am 21. Oktober 2011 an der Vollversammlung den Evaluationsbericht über die Schweiz betreffend Transparenz der Parteienfinanzierung.41 Da in der Schweiz keine nationale Regelung zur Offenlegung der Finanzierung von politischen Parteien und Wahlkampagnen besteht, richtete die GRECO sechs Empfehlungen 42 an die Schweiz mit der Aufforderung, eine Regelung zu verabschieden, die in Bezug auf folgende Punkte den internationalen Standards entspricht: Offenlegung der Rechnungen der Parteien und der Kandidatinnen und Kandidaten sowie der Identität der Spenderinnen und Spender (zumindest für Spenden ab einem bestimmten Betrag), Aufsicht und Sanktionen.

Seit dem ersten Konformitätsberichts vom 18. Oktober 2013 ist die Schweiz wegen fehlender Umsetzung der Transparenzempfehlungen im sogenannten Nichtkonformitätsverfahren.43

2.3.2

Bericht der OSZE und Richtlinien der OSZE und der Venedig-Kommission

In ihrem Bericht vom 30. Januar 2012 über die eidgenössischen Parlamentswahlen vom 23. Oktober 201144 hat die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bemängelt, dass es auf Bundesebene keine gesetzliche Regelung der Parteien- und der Wahlkampffinanzierung gibt (siehe Ziff. VIII des Berichts). Sie empfiehlt der Schweiz, die Einführung einer Pflicht zur Offenlegung von Einnahmen, Finanzquellen und Ausgaben bei Kandidaten- und Parteienwahlkämpfen in Betracht zu ziehen, um die Wahltransparenz zu erhöhen und die Stimmberechtigten besser zu informieren. Die Behörden sollten im Weiteren prüfen, inwiefern solche Vorschriften auch für Interessengruppen gelten sollen, die bei Referenden, Volksinitiativen und Wahlen für politische Anliegen spenden. Im Oktober 2011 haben die OSZE und die Europäische Kommission für Demokratie durch Recht (VenedigKommission) schliesslich Richtlinien zur Regelung der politischen Parteien verabschiedet, deren § 159­217 sich auf die Finanzierung der politischen Parteien und der Wahlkampagnen beziehen.

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42

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44

Der Evaluationsbericht über die Schweiz vom 21. Oktober 2011 (Thema II) ist abrufbar unter (nur Franz. und Engl.): www.coe.int > Etat de droit > Menaces contre l'Etat de droit > Groupe d'Etats contre la corruption ­ GRECO > Evaluations > Suisse (Stand: 18. Juli 2018).

Die Empfehlungen der GRECO sind im Evaluationsbericht über die Schweiz vom 21. Oktober 2011 (Thema II) veröffentlicht, abrufbar unter (nur Franz. und Engl.): www.coe.int > Etat de droit > Menaces contre l'Etat de droit > Groupe d'Etats contre la corruption ­ GRECO > Evaluations > Suisse (Stand: 18. Juli 2018).

Medienmitteilung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) vom 21. Nov. 2013 einschliesslich Bericht der Greco als Beilage, abrufbar unter: www.bj.admin.ch > News > 21.11.2013 > «GRECO: Bemühungen der Schweiz sind ungenügend» (Stand: 17. Juli 2018).

Bericht der OSZE/ODIHR Wahlbewertungsmission vom 30. Januar 2012, abrufbar unter: www.bk.admin.ch > Politische Rechte > Nationalratswahlen > «OSZE-Bericht über die eidgenössischen Parlamentswahlen vom 23. Oktober 2011» (Stand: 17. Juli 2018).

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Mit der Interpellation 15.3331 «Wie werden die Empfehlungen der OSZE/ODIHRWahlbeurteilungsmission für die Parlamentswahlen 2015 umgesetzt?» vom 20. März 2015 forderte Nationalrätin Margret Kiener Nellen den Bundesrat auf, den Umsetzungsstand der Empfehlungen der OSZE und ihrer Menschenrechtsinstitution (Office for Democratic Institutions and Human Rights, ODIHR) zu erläutern. Dies betraf auch die Empfehlung der OSZE betreffend die Einführung einer Offenlegungspflicht für Einnahmen, Finanzquellen und Ausgaben bei Kandidaten- und Parteienwahlkämpfen. In seiner Stellungnahme vom 20. Mai 2015 hielt der Bundesrat fest, die Thematik der Offenlegungspflichten bei Kandidaten- und Parteienwahlkämpfen würde im Rahmen der Empfehlungen der GRECO bearbeitet. In jenem Zusammenhang hatte der Bundesrat am 12. November 2014 entschieden, von einer gesetzlichen Regelung abzusehen (siehe Ziff. 2.1.3).

Im Abschlussbericht der OSZE/ODIHR-Wahlbewertungsmission vom 16. Februar 201645 über die eidgenössischen Parlamentswahlen vom 18. Oktober 2015 wurde festgehalten, dass die Schweiz das Thema der Transparenz bei der Wahlkampffinanzierung angehen sollte; die OSZE/ODHIR stehe den schweizerischen Behörden bei der weiteren Verbesserung des Wahlprozesses und der Umsetzung der in diesem und früheren Berichten enthaltenen Empfehlungen ­ und dabei insbesondere bei zukünftigen Reformen der Wahlkampffinanzierung ­ gerne unterstützend zur Seite.

2.3.3

Rechtslage in Deutschland

Rechtsstellung der politischen Parteien Die deutsche Gesetzgebung zur Offenlegung der Finanzierung der politischen Parteien, das Gesetz über die politischen Parteien vom 24. Juli 1967 (PartG)46, enthält eine der ältesten Regelungen Europas in diesem Gebiet. Das Gesetz richtet den Fokus auf die Offenlegung der Ressourcen der politischen Parteien und zielt auf ein Gleichgewicht zwischen privater und öffentlicher Finanzierung der politischen Gruppierungen ab.

Wie in anderen Staaten ist es auch in Deutschland in regelmässigen Abständen zu Finanzskandalen in der Politik gekommen: Die Flick-Affäre in den 1980erJahren, die Kohl-Affäre in den 1990er-Jahren, in jüngerer Zeit auf lokaler Ebene aufgedeckte Korruptionsaffären in Köln, Hamburg und Wuppertal sowie die Verheimlichung bestimmter Arten von Einnahmen in der Buchführung der politischen Parteien. Diese Fälle zeigen, wie schwierig es ist, umfassende Transparenz zu schaffen, und dass die Kontrollmechanismen es in Deutschland nicht systematisch ermöglichen, die unrechtmässigen Finanzierungsquellen aufzuspüren.

45

46

Bericht der OSZE/ODIHR Wahlbewertungsmission vom 16. Februar 2016, abrufbar unter: www.bk.admin.ch > Politische Rechte > Nationalratswahlen > «OSZE-Abschlussbericht über die eidgenössischen Parlamentswahlen vom 18. Oktober 2015» (Stand: 17. Juli 2018).

Gesetzestext abrufbar unter: www.gesetze-im-internet.de/partg (Stand: 17. Juli 2018).

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Artikel 21 des Grundgesetzes vom 23. Mai 194947 für die Bundesrepublik Deutschland (GG) enthält die grundlegenden Bestimmungen zur Aufgabe der politischen Parteien und zu den Voraussetzungen, die diese in Bezug auf ihre innere Ordnung, die politische Willensbildung des Volkes und die staatliche Kontrolle ihrer Finanzen erfüllen müssen.

Der wichtigste Gesetzestext zur Transparenz bei der Finanzierung der politischen Tätigkeiten ist das PartG. Die Länder haben keine Kompetenz, Bestimmungen zu den politischen Parteien und zur Finanzierung der Parteien zu erlassen.

Finanzielle Ressourcen und Transparenz Nach dem PartG müssen die Parteien in ihrem Rechenschaftsbericht sämtliche wichtigen Einnahmen auflisten: Mitgliedsbeiträge, Mandatsträgerbeiträge, Spenden, Einnahmen aus Unternehmenstätigkeit und aus Beteiligungen, staatliche Mittel, sonstige Einnahmen, Zuschüsse von Sektionen der Partei.

Gemäss dem Bericht des Deutschen Bundestags über die Rechenschaftsberichte vom 22. Dezember 201648 bilden die Mitgliedsbeiträge, die Mandatsträgerbeiträge, die Spenden sowie die staatlichen Mittel die wichtigsten Quellen der Parteienfinanzierung.

In Bezug auf die staatliche Finanzierung der politischen Parteien werden zwei Massstäbe angewandt: Der Erfolg der Partei bei den letzten Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen sowie die Summe ihrer Mitglieds- und Mandatsträgerbeiträge und der von ihr erworbenen Spenden (§ 18 Abs. 1 PartG; siehe auch Art. 21 Abs. 3 und 4 GG). Das System basiert auf der Idee, dass die Verwurzelung der betreffenden politischen Partei in der Gesellschaft widerspiegelt werden soll, was mit den beiden eben genannten Massstäben zum Ausdruck gebracht wird. Es besteht eine absolute Obergrenze für das Gesamtvolumen der direkten staatlichen Mittel für die politischen Parteien, bei deren Überschreiten die Mittel aller Parteien anteilig gekürzt werden. Es besteht zudem eine relative Obergrenze für die anteilige Finanzierung jeder Partei: Sie darf die Summe der Einnahmen der fraglichen Partei nicht überschreiten, so dass keine Partei zu mehr als 50 Prozent aus öffentlichen Mitteln finanziert ist.

Anspruch auf staatliche Mittel haben die politischen Parteien, die nach dem endgültigen Wahlergebnis der jeweils letzten Europa- oder Bundestagswahl bzw. einer Landtagswahl mindestens 0,5 Prozent bzw. 1
Prozent der für die Listen abgegebenen gültigen Stimmen erreicht haben.

Die allgemeinen Vorschriften zur Finanzierung der Parteien gelten auch für die Wahlkampagnen.

Einmalig oder in mehreren Malen von derselben Zuwenderin oder demselben Zuwender getätigte Spenden, deren Gesamtwert in einem Kalenderjahr (zusammen mit allfälligen Mitgliederbeiträgen) 10 000 Euro übersteigt, sind unter Angabe des Namens und der Anschrift der Zuwenderin oder des Zuwenders sowie der Gesamt47 48

Gesetzestext abrufbar unter: www.gesetze-im-internet.de/gg (Stand: 17. Juli 2018).

Abrufbar unter: www.bundestag.de > Parlament > Praesidium > Parteienfinanzierung > Fundstellenverzeichnis der Rechenschaftsberichte (Stand: 26. Juni 2018).

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höhe der Zuwendung im Rechenschaftsbericht der politischen Partei zu nennen. Der Rechenschaftsbericht wird von der Präsidentin oder vom Präsidenten des Bundestags veröffentlicht. Die Dokumente des Bundestags werden als Drucksache, aber auch elektronisch auf der Website des Bundestags publiziert, damit die Öffentlichkeit ohne Weiteres Einsicht in die Rechnungslegung der Parteien nehmen kann.

Erhält eine Partei eine Spende, die 50 000 Euro übersteigt, so muss sie diese zusätzlich unverzüglich der Präsidentin oder dem Präsidenten des Bundestags anzeigen.

Diese oder dieser veröffentlicht die Zuwendung zeitnah unter Angabe von Name und Anschrift der Zuwenderin oder des Zuwenders.49 Kontrolle Für die Kontrolle der Finanzierung der politischen Parteien ist hauptsächlich die Präsidentin oder der Präsident des Bundestages verantwortlich. Bei der Prüfung der Finanzierung der politischen Parteien hat sie oder er die Stellung einer Behörde im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 25. Mai 1976.50 Die Entscheide im Rahmen ihrer oder seiner Kompetenzen können verwaltungsgerichtlich überprüft werden. Die Präsidentin oder der Präsident des Bundestags ist an keine Weisungen gebunden und muss keine Rechenschaft ablegen. Sie oder er ist jedoch verpflichtet, die Rechenschaftsberichte der politischen Parteien zu veröffentlichen. Sie oder er kann sich auf die Verwaltungsdienste des Bundestages stützen. Diese führen im Namen der Präsidentin oder des Präsidenten die im PartG festgehaltenen Kontrolltätigkeiten durch.

Die Präsidentin oder der Präsident des Bundestags hat grundsätzlich keinen Zugang zu den Büchern der politischen Parteien. Die Prüfung beschränkt sich auf den von der jeweiligen Partei unterbreiteten Rechenschaftsbericht. Liegen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass im Rechenschaftsbericht einer Partei enthaltene Angaben unrichtig sind, kann unter bestimmten Voraussetzungen ein Prüfungsverfahren eingeleitet werden: In diesem Fall muss die betroffene Partei der Wirtschaftsprüferin oder dem Wirtschaftsprüfer, die oder der von der Präsidentin oder dem Präsidenten des Bundestags beauftragt wird, Zugang und Einsicht in die zur Prüfung erforderlichen Unterlagen und Belege gewähren.

Gegebenenfalls legt die Präsidentin oder der Präsident des Bundestages in einem Verwaltungsakt eine gegenüber der betreffenden Partei verhängte Sanktion fest. Bei einem Verdacht auf Verletzung des PartG können andere zuständige Behörden wie die Staatsanwaltschaft einschreiten.51

49

50 51

Für ausführliche Informationen zur staatlichen Finanzierung der Parteien und den Offenlegungspflichten in Deutschland vgl. Ausführungen des Deutschen Bundestags vom 20. Okt. 2017, abrufbar unter: www.bundestag.de > Parlament > Präsidium > Parteienfinanzierung / Die Staatliche Parteienfinanzierung (Stand: 26. Juni 2018).

Der Gesetzestext ist abrufbar unter: www.gesetze-im-internet.de/vwvfg (Stand: 17. Juli 2018).

Für ausführliche Informationen zur Kontrolle der Offenlegungspflichten in Deutschland vgl. Ausführungen des Deutschen Bundestags vom 20. Okt. 2017, abrufbar unter: www.bundestag.de > Parlament > Präsidium > Parteienfinanzierung > Die Staatliche Parteienfinanzierung (Stand: 26. Juni 2018).

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Sanktionen Wird innert der vorgegebenen Frist kein Rechenschaftsbericht abgegeben oder ist der Rechenschaftsbericht nicht korrekt, so kann dies nach dem PartG Konsequenzen und Geldstrafen und in bestimmten Fällen sogar strafrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Reicht eine Partei mit einem Anspruch auf staatliche Mittel ihren Rechenschaftsbericht nicht fristgerecht ein, verliert sie endgültig ihren Anspruch auf staatliche Mittel für das Anspruchsjahr.

Im sechsten Abschnitt des PartG werden die verschiedenen Straftaten und die drohenden Strafen behandelt. Einige Verwaltungsmassnahmen richten sich gegen die Parteien als juristische Personen. Es sind jedoch auch strafrechtliche Sanktionen vorgesehen, die sich ausschliesslich gegen natürliche Personen richten.52 Seit Januar 2016 kann die Präsidentin oder der Präsident des Deutschen Bundestages bei Nichteinreichung des Rechenschaftsberichts den Parteivorstand zur Bezahlung eines sogenannten Zwangsgeldes von mindestens 500 Euro und höchstens 10 000 Euro verpflichten (§ 38 Abs. 2 PartG). Diese Regelung gilt für alle Parteien, unabhängig davon, ob sie Anspruch auf staatliche Finanzierung haben.53 Weiter verliert eine politische Vereinigung ihre Rechtsstellung als Partei im Sinne des Parteiengesetzes, wenn sie sechs Jahre lang entgegen der Pflicht zur öffentlichen Rechenschaftslegung keinen Rechenschaftsbericht eingereicht hat (§ 19a Abs. 3 Satz 3 PartG).54

2.3.4

Rechtslage in Frankreich

Rechtsstellung der politischen Parteien Nach Artikel 4 der französischen Verfassung vom 4. Oktober 195855 tragen die Parteien zur Meinungsbildung der Wählerinnen und Wähler bei. Sie bilden sich frei und üben ihre Tätigkeit frei aus. Sie beachten die Grundsätze der nationalen Souveränität und der Demokratie.

52

53

54

55

Siehe Evaluationsbericht der GRECO über Deutschland, Ziff. 85 ff. S. 17 ff., abrufbar unter (nur auf Franz. und Engl.): www.coe.int > Etat de droit > Menaces contre l'Etat de droit > Groupe d'Etats contre la corruption ­ GRECO > Evaluations > Allemagne (Stand: 18. Juli 2018).

Vgl. Ziff. 7 der Ausführungen des Deutschen Bundestags vom 20. Okt. 2017, abrufbar unter: www.bundestag.de > Parlament > Präsidium > Parteienfinanzierung > Die Staatliche Parteienfinanzierung (Stand: 26. Juni 2018).

Für ausführliche Informationen zu den Sanktionen bei Zuwiderhandlung gegen die Offenlegungspflichten in Deutschland vgl. die Ausführungen des Deutschen Bundestags vom 20. Oktober 2017, abrufbar unter: www.bundestag.de > Parlament > Präsidium > Parteienfinanzierung > Die Staatliche Parteienfinanzierung (Stand: 26. Juni 2018).

Gesetzestext abrufbar unter: www.assemblee-nationale.fr > La Constitution > Constitution du 4 octobre 1958 en vigueur (Stand: 17. Juli 2018).

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Der Gesetzgeber hat den Begriff der politischen Partei in der Loi n o 88-227 du 11 mars 1988 relative à la transparence financière de la vie politique56 genauer bestimmt. Unter Hinweis auf die Grundsätze der freien Bildung und Tätigkeit der Parteien wird in Artikel 7 festgehalten, dass die politischen Parteien und Gruppierungen eine eigene Rechtspersönlichkeit haben und klagebefugt sowie berechtigt sind, kostenlos oder gegen Entgelt bewegliche oder unbewegliche Sachen zu erwerben.

Darüber hinaus wird der Begriff der Partei in der Gesetzgebung zur Transparenz und zur Politikfinanzierung auf der Grundlage buchhalterischer und finanzieller Kriterien definiert. So hält Artikel 11 der Loi du 11 mars 1988 fest, dass die politischen Parteien und die von ihnen zu diesem Zweck bezeichneten Gebiets- oder Fachorganisationen, über einen von ihnen namentlich benannten Beauftragten finanzielle Mittel beschaffen. Eine Organisation, die nicht durch eine Finanzbeauftragte oder einen Finanzbeauftragten über ihre Mittel verfügt, kann nicht als politische Partei im Sinne des Gesetzes qualifiziert werden, selbst wenn sie politische Zwecke verfolgt.

Nach Artikel 4 der französischen Verfassung sind die politischen Parteien und Gruppierungen in ihrer Bildung und in der Ausübung ihrer Tätigkeit frei. Daraus folgt, dass sie sich nicht anerkennen oder eintragen lassen müssen, auch nicht als Verein.

Finanzielle Ressourcen und Transparenz Die Loi organique no 88-22657 und die Loi no 88-227 du 11 mars 1988 relative à la transparence financière de la vie politique sind die ersten Gesetzestexte in Frankreich, mit denen ein rechtlicher Rahmen im Bereich der Offenlegung der Finanzierung der politischen Parteien und der Wahlkampagnen geschaffen wurde. Seit ihrem Inkrafttreten sind sie durch verschiedene Gesetze ergänzt worden, zuletzt durch die Loi organique no 2013-90658 und die Loi no 90759 du 11 octobre 2013 sur la transparence de la vie publique sowie die Loi organique no 2017-133860 und die Loi no 2017-133961 du 15 septembre 2017 pour la confiance dans la vie politique.

Diese Gesetze verankern sechs wesentliche Grundsätze:

56 57 58 59 60 61

1.

Offenlegung des Vermögens und der Interessenbindungen der Inhaberinnen und Inhaber bestimmter politischer Ämter und Mandate;

2.

Beschränkung der Wahlkampfausgaben für die Kandidatinnen und Kandidaten in den Wahlkreisen mit mehr als 9000 Einwohnerinnen und Einwohnern;

Gesetzestext abrufbar unter: www.legifrance.gouv.fr > Les autres textes législatifs et réglementaires > Numéro du texte: 88-227 (Stand: 17. Juli 2018).

Gesetzestext abrufbar unter: www.legifrance.gouv.fr > Les autres textes législatifs et réglementaires > Numéro du texte: 88-226 (Stand: 17. Juli 2018).

Gesetzestext abrufbar unter: www.legifrance.gouv.fr > Les autres textes législatifs et réglementaires > Numéro du texte: 2013-906 (Stand: 17. Juli 2018).

Gesetzestext abrufbar unter: www.legifrance.gouv.fr > Les autres textes législatifs et réglementaires > Numéro du texte: 2013-907 (Stand: 17. Juli 2018).

Gesetzestext abrufbar unter: www.legifrance.gouv.fr > Les autres textes législatifs et réglementaires > Numéro du texte: 2017-1338 (Stand: 17. Juli 2018).

Gesetzestext abrufbar unter: www.legifrance.gouv.fr > Les autres textes législatifs et réglementaires > Numéro du texte: 2017-1339 (Stand: 17. Juli 2018).

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3.

Begrenzung der Spenden an Kandidatinnen und Kandidaten und Parteien;

4.

Finanzielle Beteiligung des Staates mittels Finanzierung der Parteien und Rückerstattung der Ausgaben für die Wahlkampagnen;

5.

Kontrolle der Umsetzung des Gesetzes durch eine unabhängige Verwaltungsbehörde, die Commission nationale des comptes de campagne et des financements politiques;

6.

Einführung von Sanktionen.

Die private Finanzierung der politischen Parteien ist in den Artikeln 11 bis 11-8 der Loi du 11 mars 1988 und Artikel 25 der Loi du 15 septembre 2017 geregelt. Nach diesen Bestimmungen dürfen die Spenden einer Partei nicht direkt zugewendet werden, sondern sind über die Finanzbeauftragte oder den Finanzbeauftragten zu überweisen, bei der bzw. bei dem es sich um eine natürliche Person oder um einen Verein zur Finanzierung der betreffenden Partei handeln kann. Es gelten folgende Regeln: Spenden juristischer Personen sind verboten (einschliesslich der Zuwendungen in Form von Gütern, Dienstleistungen oder anderen direkten oder indirekten Vorteilen wie Vorzugspreisen); zulässig sind Spenden einer anderen Partei oder einer Vereinigung zur Finanzierung von Kandidatinnen oder Kandidaten für eine Wahl in Frankreich; Beiträge oder materielle Zuwendungen eines ausländischen Staates oder einer ausländischen politischen Partei sind ebenfalls verboten (Spenden ausländischer natürlicher Personen sind folglich nicht ausgeschlossen); Spenden über 150 Euro an politische Parteien und Gruppierungen durch natürliche Personen müssen per Check, Überweisung, Lastschrift oder Kartenzahlung zugewendet werden; natürliche Personen, die von der Finanzbeauftragten oder vom Finanzbeauftragten identifiziert werden müssen, dürfen insgesamt höchstens 7500 Euro pro Jahr für eine oder mehrere politische Parteien spenden. Aufgrund der verfassungsmässig garantierten Freiheit der Parteien bestehen hingegen keine Bestimmungen, die ihre Ausgaben für ihre Tätigkeit beschränken würden.

Die Bestimmungen zu den Wahlkampagnen sind in den Artikeln L52-4 bis 52-17 des französischen Code électoral62 sowie in Artikel 26 der Loi du 15 septembre 2017 zu finden. Sie sehen insbesondere vor, dass Spenden einer gebührend identifizierten natürlichen Person für die Finanzierung der Kampagne einer oder mehrerer kandidierenden Personen anlässlich derselben Wahlen 4600 Euro nicht übersteigen dürfen. Spenden ausländischer natürlicher Personen sind ­ wie die Spenden juristischer Personen für die politischen Parteien ­ jedoch verboten. Spenden über 150 Euro müssen gemäss denselben Vorschriften, die für die politischen Parteien gelten, überwiesen werden. Im Gegensatz zu den Ausgaben der politischen Parteien, für die keine Obergrenze besteht, sind jene für die
Wahlkampagnen beschränkt. Gemäss dem Code électoral besteht eine Obergrenze betreffend die Ausgaben für die Wahlen in den Wahlkreisen mit mehr als 9000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Die Obergrenze wird gemäss der Tabelle in Artikel L52-11 des Code électoral anhand der Einwohnerzahl des Wahlkreises bestimmt.

62

Gesetzestext (konsolidierte Version vom 15. Juli 2018) abrufbar unter: www.legifrance.gouv.fr > Les en vigueur > Nom du code: Code électoral (Stand: 18. Juli 2018).

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Kontrolle Die Commission Nationale des Comptes de Campagne et des Financements Politiques (CNCCFP) spielt bei der Kontrolle eine zentrale Rolle. Sie wurde durch die Loi no 90-55 du 15 janvier 1990 relative à la limitation des dépenses électorales et à la clarification du financement des activités politiques63 geschaffen und hat ihre Tätigkeit am 19. Juni 1990 aufgenommen. Sie ist heute insbesondere in den Artikeln L52-14 und L52-15 des Code électoral geregelt.

Die Kommission ist ein Kollegialorgan und eine unabhängige Verwaltungsbehörde, nicht aber ein Gericht. Gegen die Entscheide der CNCCFP kann beim Wahlgericht, das über die Nichtwählbarkeit der Kandidatin oder des Kandidaten entscheidet, eine verwaltungsrechtliche Beschwerde eingereicht oder beim Verwaltungsgericht in Paris Beschwerde erhoben werden. Letzteres Gericht entscheidet über den Betrag der Pauschalvergütung für die Kandidatin oder den Kandidaten.64 Die Kommission besteht aus neun Mitgliedern, hohen Magistratspersonen, die per Dekret der Premierministerin oder des Premierministers für eine einmal verlängerbare Amtszeit von fünf Jahren ernannt werden: drei Mitglieder auf Antrag der Vizepräsidenten oder des Vizepräsidenten des Staatsrats (Conseil d'État), drei auf Antrag der Ersten Präsidentin oder des Ersten Präsidenten des Kassationsgerichtshofs (Cour de cassation) und drei auf Antrag der Ersten Präsidentin oder des Ersten Präsidenten des Rechnungshofs (Cour des comptes). Die Geschäfte der Kommission werden durch ein Generalsekretariat abgewickelt, das aus rund 38 Beamtinnen und Beamten sowie Vertragsbediensteten besteht. Die Beamtinnen und Beamten, die zum Grossteil aus dem Justiz-, dem Finanz- und dem Innenministerium stammen, werden basierend auf einem dreijährigen und erneuerbaren Vertrag in die Kommission entsandt.

Die CNCCFP erfüllt zweierlei Aufgaben: Kontrolle der Pflichten der politischen Parteien in Bezug auf die Rechnungslegung und die Finanzen sowie Kontrolle der Rechnungsabschlüsse der Wahlkampagnen der Kandidatinnen und Kandidaten.

Die Rechnungsprüferinnen und -prüfer der politischen Parteien können sich gegenüber der Kommission auf das Berufsgeheimnis berufen. Seit 2013 kann die CNCCFP von den politischen Parteien verlangen, dass diese ihre Buchungsbelege und alle weiteren erforderlichen Belege der Kommission
übermitteln. Das Verfahren, das im Bereich der Prüfung der Rechnungsabschlüsse von Wahlkampagnen gegen Kandidatinnen und Kandidaten eingeleitet wird, ist ein kontradiktorisches Verfahren.65 Für die Öffentlichkeit publiziert die CNCCFP auf ihrer Website66 einen Jahresbericht mit einer Übersicht über die Rechnungsabschlüsse der Parteien und einer allgemeinen Einschätzung.

63 64 65

66

Gesetzestext abrufbar unter: www.legifrance.gouv.fr > Les autres textes législatifs et réglementaires > Numéro du texte: 90-55 (Stand: 17. Juli 2018).

Informationen auf der Website der CNCCFP abrufbar unter: www.cnccfp.fr/index.php?art=4 (Stand: 26. Juni 2018).

Evaluationsbericht der GRECO über Frankreich vom 19. Februar 2009, Thema II, S. 17 N 69, abrufbar unter (nur auf Franz. und Ital.): www.coe.int > Etat de droit > Menaces contre l'Etat de droit > Groupe d'Etats contre la corruption ­ GRECO > Evaluations > France (Stand: 18 Juli 2018).

www.cnccfp.fr

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Artikel 19­23 der Loi du 11 octobre 2013 bilden schliesslich die Grundlage für die Haute Autorité pour la transparence de la vie publique, eine unabhängige Verwaltungsbehörde, deren Gründung das Ergebnis einer stetigen Erhöhung der Transparenzanforderungen an die «responsables publics» war. Gegenüber dieser Behörde müssen verschiedene öffentliche Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger ihr Vermögen deklarieren. Aufgabe der Behörde ist es unter anderem, durch die Veröffentlichung der ihr deklarierten Vermögen zur Transparenz im öffentlichen Leben beizutragen.

Sanktionen Die Sanktionenregelung ist dicht und komplex. Artikel 26 der Loi du 11 octobre 2013 enthält strafrechtliche Sanktionen für Verstösse gegen das Gesetz. Es drohen insbesondere eine Freiheitsstrafe und eine relativ hohe Geldstrafe, in bestimmten Fällen kann eine Person auch als nicht wählbar erklärt werden.

2.4

Freiwillige Bestrebungen nach mehr Transparenz

Laut Medienberichten legen diverse Grossunternehmen ihre Spenden an die politischen Parteien offen.67 Neben den beiden Grossbanken UBS und Credit Suisse, die gemäss Handelszeitung ihre Unterstützungsbeiträge vollumfänglich deklarierten, haben auch die Swiss, Axa Winterthur, Nestlé und die Raiffeisen ihre Zuwendungen an die Politik veröffentlicht.68 Die Credit Suisse leistet gemäss eigenen Angaben69 finanzielle Beiträge von jährlich insgesamt maximal einer Million Franken an politische Parteien in der Schweiz, die mindestens fünf Sitze in der Bundesversammlung aufweisen. Weiter gibt die Credit Suisse bekannt, dass ihren Mitarbeitenden, die in einem gewählten politischen Mandat tätig sind, gestattet wird, bei voller Vergütung bis zu 20 Prozent ihrer Arbeitszeit für ein öffentliches Amt einzusetzen. Die Raiffeisen zahlt nach eigenen Angaben70 jährlich 246 000 Franken an die in der Schweizerischen Bundesversammlung vertretenen Parteien. Das Geld wird je hälftig auf National- und Ständerat und danach gemäss Sitzzahl auf die Parteien aufgeteilt.

67

68

69

70

Bericht in der Regionalzeitung Bote der Urschweiz vom 29. Oktober 2017 «Finanzbranche soll alle Spenden offenlegen», abrufbar unter: www.bote.ch > Suche: «Finanzbranche soll all Spenden offenlegen» (Stand: 18. Juli 2018).); Bericht der Handelszeitung vom 14.

Mai 2015 «UBS und CS sind die grössten Politik-Mäzene», abrufbar unter: www.handelszeitung.ch > Suche: UBS und CS sind die grössten Politik-Mäzene (Stand: 17. Juli 2018); vgl. auch den Bericht «Parteispenden: Soviel zahlen die UBS und die Credit Suisse» vom 14. Januar 2015, abrufbar unter: www.finews.ch > Suche: Parteispenden: Soviel zahlen die UBS und die Credit Suisse (Stand: 17. Juli 2018).

Bericht der Handelszeitung vom 14. Mai 2015 «UBS und CS sind die grössten PolitikMäzene», abrufbar unter: https://www.handelszeitung.ch > Suche: UBS und CS sind die grössten Politik-Mäzene (Stand: 17. Juli 2018).

Vgl. die Ausführungen der Credit Suisse AG unter (nur auf Deutsch und Engl.): www.credit-suisse.com > Unternehmen > Verantwortung > Verantwortung in der Wirtschaft & Gesellschaft > Unsere Rolle in der Schweiz (Stand: 18. Juli 2018).

Vgl. die Ausführungen der Raiffeisen unter: www.raiffeisen.ch > Suche: Forum Raiffeisen > Menü: Politisches Engagement > Aktivitäten > Transparente Interessenvertretung > Unterstützung des Milzsystems (Stand: 18. Juli 2018).

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Auch bei politischen Parteien sowie bei Kandidatinnen und Kandidaten kann eine gewisse Tendenz zur Offenlegung der Finanzen beobachtet werden. So haben mehrere politische Parteien beschlossen, ihre Finanzen zu veröffentlichen.71 Weiter besteht bei Smartvote für Kandidatinnen und Kandidaten die Möglichkeit, in der Rubrik «Wahlkampffinanzierung» das gesamte Wahlkampfbudget, die darin enthaltenen eigenen Mittel, die Beiträge der Partei, die privaten Spender, die Spenden von Firmen sowie die anderen Quellen des Budgets anzugeben. Zum Teil haben die Kandidatinnen und Kandidaten entsprechende Angaben vorgenommen.72

3

Ziele und Inhalt der Initiative

3.1

Ziele der Initiative

Gemäss Initiative sollen Parteien sowie Wahl- und Abstimmungskomitees ihre Finanzen und die Herkunft aller Spenden über 10 000 Franken offenlegen. Damit sollen laut den Initiantinnen und Initianten die direkte Demokratie und der Meinungsbildungsprozess gefördert werden.73 Um sich eine Meinung zu bilden, müssten Bürgerinnen und Bürger wissen, was eine Wahl- oder eine Abstimmungskampagne koste und welche grossen Geldgeberinnen und Geldgeber sie bezahlten. Weiter schafft die angestrebte Transparenz laut den Initiantinnen und Initianten Vertrauen in die Politik. Deshalb sollen anonyme Spenden grundsätzlich verboten werden.

Parteien sowie Wahl- und Abstimmungskomitees, die Geld annehmen, müssten deren Herkunft kennen. Durch die Initiative soll weiter verhindert werden, dass Aktionärinnen und Aktionären sowie der Öffentlichkeit wichtige Informationen verheimlicht werden, indem Unternehmen hohe Beträge spenden, ohne dies auszuweisen. Allerdings ziele die Initiative nicht darauf ab, Spenden zu verbieten oder Informationen über Personen offenlegen zu müssen, die bloss eine kleine Spende tätigten.

71

72 73

Vgl. bspw. das SP Schweiz-Parteiprogramm von 2010, S. 62, abrufbar unter: www.sp-ps.ch > Partei > Parteiprogramm (Stand: 17. Juli 2018); Grüne Partei Schweiz: Ethische Richtlinien und Transparenzregeln der Parteispenden www.gruene.ch > die Grünen > Partei > Jahresrechnungen > Ethische Richtlinien und Transparenzregeln für Parteispenden (Stand: 17. Juli 2018); FDP der Stadt Bern, Medienmitteilung vom 18. Mai 2010, abrufbar unter: www.fdp-stadtbern.ch > Aktuell > Medienmitteilungen > Suchen; Transparenz > FDP. Die Liberalen der Stadt Bern für mehr Transparenz in der Politik (Stand: 17. Juli 2018); vgl. zu diesem Thema auch die Umfrage der SRG (SRF) vom 27. März 2017, abrufbar unter: www.srf.ch > Suchfenster: Parteifinanzierung ­ Gelder offenlegen oder nicht? Sieben Parteien geben Antwort (Stand: 17. Juli 2018).

Vgl. die Profile der Kandidatinnen und Kandidaten, abrufbar unter https://smartvote.ch (Stand: 17. Juli 2018).

Vgl. Argumentarium zur Transparenzinitiative, abrufbar unter: https://transparenz-ja.ch > Downloads (Stand: 17. Juli 2018).

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3.2

Inhalt der vorgeschlagenen Regelung

Mit der Transparenz-Initiative soll der Bund verpflichtet werden, Vorschriften zur Offenlegung der Finanzierung von politischen Parteien sowie von Wahl- und von Abstimmungskampagnen auf Bundesebene zu erlassen. Die Volksinitiative verlangt eine Ergänzung der Bundesverfassung um Artikel 39a und Artikel 197 Ziffer 12.

Eine Übergangsbestimmung hält schliesslich fest, dass der Bundesrat zum Erlass der nötigen Ausführungsbestimmungen beauftragt wird, wenn die Bundesversammlung solche nicht innerhalb von drei Jahren nach Annahme der neuen Bestimmung erlässt (Art. 197 Ziff. 12 BV). Inhaltlich zielt die Transparenz-Initiative im Wesentlichen auf die folgenden Punkte ab: Die in der Bundesversammlung vertretenen politischen Parteien sollen gegenüber der Bundeskanzlei jährlich die Bilanz und die Erfolgsrechnung sowie den Betrag und die Herkunft sämtlicher Geld- und Sachzuwendungen im Wert von mehr als 10 000 Franken pro Jahr und Person offenlegen müssen. Jede Zuwendung muss der Person, von der sie stammt, zugeordnet werden können (Art. 39a Abs. 2 BV).

Personen, die im Hinblick auf eine Wahl in die Bundesversammlung oder auf eine eidgenössische Abstimmung mehr als 100 000 Franken aufwenden, haben vor der Wahl bzw. der Abstimmung gegenüber der Bundeskanzlei das Gesamtbudget, die Höhe der Eigenmittel sowie den Betrag und die Herkunft sämtlicher Geld- und Sachzuwendungen im Wert von mehr als 10 000 Franken pro Person offenzulegen.

Auch diesbezüglich muss jede Zuwendung der Person, von der sie stammt, zugeordnet werden können (Art. 39a Abs. 3 BV).

Die Bundeskanzlei soll die Informationen über die Finanzierung der politischen Parteien jährlich und jene über die Finanzierung von Wahl- und Abstimmungskampagnen rechtzeitig vor der Wahl oder der Abstimmung veröffentlichen. Nach der Wahl bzw. Abstimmung veröffentlicht die Bundeskanzlei die Schlussabrechnung (Art. 39a Abs. 4 BV).

Die Annahme anonymer Geld- und Sachzuwendungen wird grundsätzlich untersagt, das Gesetz kann jedoch Ausnahmen vorsehen (Art. 39a Abs. 5 BV). Weiter sollen auf Gesetzesstufe Sanktionen festgelegt werden, die bei Missachtung der Offenlegungspflichten gelten würden (Art. 39a Abs. 6 BV).

3.3

Erläuterung und Auslegung des Initiativtextes

Die Transparenz-Initiative sieht die Einführung eines neuen Artikels 39a mit dem Titel «Offenlegung der Finanzierung von politischen Parteien sowie von Wahl- und Abstimmungskampagnen» vor.

Art. 39a Abs. 1 Durch Artikel 39a wird eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes in der betreffenden Materie begründet. Gemäss Absatz 1 des Initiativtextes hat der Bund Vorschriften über die Offenlegung der Finanzierung von politischen Parteien (Bst. a), Kam-

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pagnen im Hinblick auf Wahlen in die Bundesversammlung (Bst. b) und Kampagnen im Hinblick auf Abstimmungen auf Bundesebene (Bst. c) zu erlassen.

In den Absätzen 2­6 wird konkretisiert, wie der Bund die zu erlassenden Vorschriften auszugestalten hat. Zu unterscheiden sind die Anforderungen an die Offenlegung der Parteienfinanzierung (Abs. 2) von jenen an die Offenlegung der Finanzierung bei Wahl- und bei Abstimmungskampagnen (Abs. 3).

Art. 39a Abs. 2 Die in der Bundesversammlung vertretenen Parteien Was die von der Bestimmung betroffenen Personen angeht (persönlicher Anwendungsbereich),, sind von der Offenlegungspflicht gemäss Absatz 2 die in der Bundesversammlung vertretenen Parteien erfasst. Darunter fallen gemäss Wortlaut der Initiative jene Parteien, die auf Bundesebene im National- oder im Ständerat vertreten sind. Der Initiativtext nimmt keine Differenzierung zwischen nationalen und kantonalen Parteien vor, weshalb auch die kantonalen Parteien, welche in der Bundesversammlung vertreten sind, zur Offenlegung ihrer Finanzen zu verpflichten wären. Gegenwärtig sind dies die Christlich-Soziale Partei Obwalden und die liberal-demokratische Partei Basel-Stadt.74 Bei Annahme der Initiative wäre der persönliche Anwendungsbereich für die in der Bundesversammlung vertretenen nationalen Parteien, denen als Mutterpartei kantonale Parteien zugehören, allenfalls durch die Ausführungsgesetzgebung noch zu präzisieren. Es stellt sich die Frage, ob ­ sobald die Mutterpartei im Parlament vertreten ist ­ auch die zugehörigen Kantonalparteien vom Anwendungsbereich der Initiative erfasst würden und der Offenlegungspflicht unterstünden. Dieselbe Frage stellt sich auch umgekehrt: Sind Kantonsparteien in der Bundesversammlung vertreten, ist fraglich, ob auch deren Mutterparteien vom Anwendungsbereich der Initiative erfasst sind. Sollte dies nicht der Fall sein, bestünde ­ zumindest theoretisch ­ die Möglichkeit, im ersteren Fall mittels Verbuchungen über zugehörige Kantonalparteien die Herkunft von Spenden gegebenenfalls zu verschleiern (siehe Ziff. 4.1.4).

Bilanz und Erfolgsrechnung Gegenstand der Offenlegung bilden in sachlicher Hinsicht zunächst «Bilanz und Erfolgsrechnung» der Parteien. Bei Annahme der Initiative wäre allenfalls durch die Ausführungsgesetzgebung festzulegen, ob für die Definition dieser Begriffe
auf die diesbezüglichen Regelungen im OR zurückgegriffen oder eigene Regeln für die Buchführung der politischen Parteien und der Kandidatinnen und Kandidaten geschaffen werden sollen.

Die Begriffe Bilanz und Erfolgsrechnung sind im schweizerischen Recht in den Vorschriften über die Buchführung (Art. 957­963b OR) konkretisiert. Gemäss Artikel 959 Absatz 1 OR stellt die Bilanz die Vermögens- und Finanzierungslage des Unternehmens am Bilanzstichtag dar und gliedert sich in Aktiven und Passiven.

74

Gemäss Liste, abrufbar unter: www.parlament.ch > Organe > Fraktionen > im Parlament vertretene Parteien (Stand: 17. Juli 2018).

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Die Erfolgsrechnung stellt nach Artikel 959b Absatz 1 OR die Ertragslage des Unternehmens während des Geschäftsjahres dar. Die Vorschriften an die Mindestgliederung von Bilanz und Erfolgsrechnung sind in den Artikeln 959a und 959b OR geregelt.

Zu beachten ist, dass politische Parteien nicht zwingend der Buchführungspflicht nach den Artikeln 957­963b OR unterstehen. Eine Buchführungspflicht besteht heute nur unter gewissen Voraussetzungen (Art. 957 OR). Bei Annahme der Initiative würde durch die in Artikel 39a Absatz 2 BV stipulierte Offenlegung von Bilanz und Erfolgsrechnung die Buchführungspflicht für in der Bundesversammlung vertretenen Parteien unabhängig davon festgelegt, ob diese Pflicht für sie gestützt auf das OR besteht oder nicht.

Geld- und Sachzuwendungen Weiter sind vom sachlichen Anwendungsbereich der in der Initiative vorgesehenen Offenlegungspflicht «Betrag und Herkunft sämtlicher Geld- und Sachzuwendungen im Wert von mehr als 10 000 Franken pro Jahr und Person» erfasst.

Die Initiantinnen und Initianten subsumieren unter den Begriff «Zuwendung» im Kontext des Initiativtextes insbesondere unentgeltliche Zuwendungen bzw. Spenden.75 Wie bei Annahme der Initiative mit gemischten Schenkungen zu verfahren wäre, müsste allenfalls durch die Ausführungsgesetzgebung festgelegt werden.

Unter Sachzuwendungen können ­ wie im schenkungsvertragsrechtlichen Sinne76 ­ insbesondere Zuwendungen von Sachen bzw. von Fahrnis und Grundstücken fallen.

Als Geldzuwendungen denkbar sind namentlich Bargeldübergaben oder Banküberweisungen. Ob auch jede andere freiwillige Gewährung eines wirtschaftlichen Vorteils (und demnach zum Beispiel auch die Erbringung unentgeltlicher Dienstleistungen, die unentgeltliche Bereitstellung von Gütern oder die Gewährung von unentgeltlichen Darlehen) unter den Begriff der Geld- oder Sachzuwendungen im Sinne des Initiativtextes fallen, wäre bei Annahme der Initiative allenfalls noch durch die Ausführungsgesetzgebung zu präzisieren.

Mit Blick auf den Schwellenwert von 10 000 Franken in Artikel 39a Absatz 3 BV würde es bei Annahme der Initiative dem Gesetzgeber obliegen zu bestimmen, wie die Sachzuwendungen und Dienstleistungen konkret zu bewerten sind. Bei einem Abstellen auf den Buchwert liesse sich die Betragshöhe allerdings leicht umgehen, da das schweizerische
Rechnungslegungsrecht erlaubt, Gegenstände unter dem Marktwert zu bilanzieren (Art. 960­960e. OR). Möglich wäre deshalb beispielsweise eine Bewertung zum Markt- bzw. zum Verkehrswert.

75 76

Argumentarium Transparenz-Initiative, S. 2, abrufbar unter: https://transparenz-ja.ch > Downloads (Stand: 17. Juli 2018).

Schönenberger Beat, Vertragsverhältnisse Teil 1: Innominatkontrakte, Kauf, Tausch, Schenkung, Miete, Leihe, Art. 184-318 OR, in: Amstutz / Breitschmid / Furrer / Girsberger / Huguenin (Hrsg.), Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, Zürich 2016, N 7 zu Art. 239 OR.

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Jährliche Offenlegung In zeitlicher Hinsicht hat die Offenlegung gemäss Initiativtext jährlich zu erfolgen.

Für die Terminierung der Offenlegung ist zu beachten, dass die Bilanz und die Erfolgsrechnung ­ die im Rahmen der Jahresrechnung im Geschäftsbericht enthalten sind ­ gestützt auf das Rechnungslegungsrecht innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres erstellt werden müssen (Art. 958 Abs. 2 und 3 OR). Das Geschäftsjahr entspricht nicht zwingend dem Kalenderjahr.

Zuordnung der Zuwendung Der Initiativtext verlangt weiter, dass jede Zuwendung der Person, von der sie stammt, zugeordnet werden kann. Folglich hätten die Parteien bei Annahme der Initiative künftig zu wissen und im Sinne von Absatz 4 offenzulegen, welche Spenderin bzw. welcher Spender welchen Betrag bezahlt hat.

Art. 39a Abs. 3 Personen, die im Hinblick auf eine Wahl in die Bundesversammlung oder auf eine eidgenössische Abstimmung mehr als 100 000 Franken aufwenden Vom persönlichen Anwendungsbereich erfasst sind Personen, die im Hinblick auf eine Wahl in die Bundesversammlung oder auf eine eidgenössische Abstimmung mehr als 100 000 Franken aufwenden. Dies können natürliche und juristische Personen sowie Personengesellschaften sein.77 Massgebend ist die inhaltliche Bedeutung einer «Wahl in die Bundesversammlung».

Nach dem Wortlaut sind sowohl die National- als auch die Ständeratswahlen erfasst.

Die Wahl des Nationalrates ist in Artikel 149 Absatz 2 und 3 BV sowie in den Artikeln 16­57 BPR normiert. Zur Finanzierung der Wahlen finden sich im geltenden Recht ­ wie erwähnt (siehe Ziff. 2.1.2) ­ keine Bestimmungen. Die Wahl in den Ständerat wird gemäss Artikel 150 Absatz 3 BV von den Kantonen geregelt.

Hinsichtlich der Abstimmungen sind von der Initiative nur finanzielle Aufwendungen im Hinblick auf eine «eidgenössische Abstimmung» erfasst. Gemäss Initiativtext sind darunter alle eidgenössischen Volksabstimmungen zu subsumieren. Dies betrifft Abstimmungen über Volksinitiativen sowie Abstimmungen infolge obligatorischer und fakultativer Referenden. Kantonale Abstimmungen sowie Abstimmungen auf Gemeindeebene sind damit vom Anwendungsbereich der Initiative ausgeschlossen.

Gesamtbudget, Höhe der Eigenmittel sowie Betrag und Herkunft sämtlicher Geld- und Sachzuwendungen Bezüglich des Begriffs «Eigenmittel» und dessen
Abgrenzung zu den «Geld- und Sachzuwendungen» ist davon auszugehen, dass Eigenmittel jene finanziellen Ressourcen enthalten, über welche das betreffende Komitee bereits vor Erhalt der Zuwendungen verfügte.

77

So auch das Argumentarium Transparenz-Initiative, S. 1, abrufbar unter: https://transparenz-ja.ch > Downloads (Stand: 17. Juli 2018).

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Hinsichtlich der Herkunft von Geld- und Sachzuwendungen wäre bei Annahme der Initiative allenfalls in der Ausführungsgesetzgebung zu präzisieren, welche konkreten Angaben die Empfängerinnen oder Empfänger über die Zuwenderinnen und Zuwender kennen müssen bzw. welche konkreten Angaben zu veröffentlichen sind.

Die Initiative will sicherstellen, dass die Bevölkerung weiss, woher das Geld für die Wahl- und die Abstimmungskampagnen kommt. 78 Es wird daher allenfalls notwendig sein, in der Ausführungsgesetzgebung die Massnahmen festzulegen, damit anhand der veröffentlichten Daten die genaue Identität der Spenderin oder des Spenders ermittelt werden kann.

Art. 39a Abs. 4 Veröffentlichung von Informationen gemäss den Absätzen 2 und 3 und der Schlussabrechnung durch die Bundeskanzlei Gemäss Absatz 4 veröffentlicht die Bundeskanzlei die in Artikel 39a Absatz 2 aufgeführten Angaben und damit die Informationen über die jährliche Bilanz und die Erfolgsrechnung sowie den Betrag und die Herkunft sämtlicher Geld- und Sachzuwendungen im Wert von mehr als 10 000 Franken pro Jahr und Person. Bei Annahme der Initiative wäre es allenfalls an der Ausführungsgesetzgebung zu bestimmen, ob diese Information in Form eines Berichts zu ergehen hat oder die gesamten Bilanzen und Erfolgsrechnungen veröffentlicht werden sollen. Im letzteren Fall wäre sicherlich dem Umstand Rechnung zu tragen, dass aus Bilanz und Erfolgsrechnung ­ zumindest ohne weitere Vorkehren ­ unter Umständen auch Geld- und Sachzuwendungen von weniger als 10 000 Franken ersichtlich wären.

Mit dem Verweis auf Absatz 3 wird die Veröffentlichung der Angaben solcher natürlicher oder juristischer Personen erfasst, die im Hinblick auf eine Wahl in die Bundesversammlung oder eine eidgenössische Abstimmung einen Betrag von mehr als 100 000 Franken aufwenden. Dies betrifft Angaben zum Gesamtbudget, zur Höhe der Eigenmittel sowie zum Betrag und zur Herkunft sämtlicher Geld- und Sachzuwendungen im Wert von mehr als 10 000 Franken pro Person.

In welcher Form bzw. durch welches Medium die Veröffentlichung durchzuführen wäre, müsste bei Annahme der Initiative allenfalls in den Ausführungsbestimmungen festgelegt werden. Denkbar ist die Publikation auf der Website der Bundeskanzlei, so wie dies beispielsweise bereits für das Parteienregister der Fall ist.79 Veröffentlichung
rechtzeitig vor der Wahl oder der Abstimmung Mit der Vorgabe, die Veröffentlichung der Informationen rechtzeitig vor der Wahl oder der Abstimmung durchzuführen, verfolgen die Initiantinnen und Initianten das Ziel, dass die Bevölkerung bereits vorzeitig ­ und nicht erst kurz vor der Wahl oder der Abstimmung ­ über die Finanzierungsquellen der Komitees informiert wird. Der Bevölkerung soll genügend Zeit verbleiben, sich nach Erhalt der entsprechenden Informationen eine eigene Meinung zu bilden. In den Ausführungsbestimmungen 78 79

Vgl. Ziff. 3.1 sowie S. 1, 2 und 3 des Argumentariums Transparenz-Initiative, abrufbar unter: https://transparenz-ja.ch > Downloads (Stand: 17. Juli 2018).

Vgl. www.bk.admin.ch > Politische Rechte > Parteienregister (Stand: 17. Juli 2018).

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wird der Begriff «rechtzeitig» unter Berücksichtigung der brieflichen Stimmabgabe allenfalls zu präzisieren sein. Da die Abstimmungsunterlagen mehrere Wochen vor den Abstimmungen oder den Wahlen versandt werden, müssten die Informationen für die Stimmberechtigten ziemlich früh zur Verfügung stehen, damit die demokratische Willensbildung gestützt auf diese erfolgen könnte.

Art. 39a Abs. 5 Mit dem Auftrag an den Gesetzgeber, die Ausnahmen des Verbots anonymer Geldund Sachzuwendungen zu regeln, bringen die Initiantinnen und Initianten zum Ausdruck, dass in gewissen Fällen anonyme Spenden weiterhin möglich bleiben sollen. Zu denken ist hier beispielsweise an Strassenkollekten oder anonymisierte elektronische Überweisungen (z. B. via SMS) von Kleinspenden bis zu einer bestimmten Höhe.

Art. 39a Abs. 6 Sanktionen bei Missachtung der Offenlegungspflicht Der Initiativtext enthält in Artikel 39a Absatz 6 den Auftrag an den Gesetzgeber, Sanktionen für den Fall der Missachtung der Offenlegungspflicht festzulegen. Gestützt auf den Gesamtkontext bzw. die Systematik des Initiativtextes sind unter Offenlegungspflichten all jene Pflichten zu verstehen, die gestützt auf Artikel 39a BV durch das Gesetz festgelegt werden sollen. Ob die Sanktionen verwaltungs- oder strafrechtlicher Natur sein sollen, wäre bei Annahme der Initiative allenfalls durch die Ausführungsgesetzgebung zu bestimmen. Naheliegend wäre die Einführung von Bussen oder Geldstrafen. Weiter wäre zum Beispiel auch denkbar, bei Zuwiderhandlungen Beiträge des Bundes an die Fraktion, welcher die fehlbare Partei angehört, zu kürzen oder zu verwehren. Es müsste ferner bestimmt werden, welche Verwaltungsbzw. Gerichtsbehörden zuständig sind.

Art. 197 Ziff. 12 Mit dieser Bestimmung soll eine Umsetzung des Verfassungsartikels innerhalb von höchstens vier Jahren nach Annahme der Initiative sichergestellt werden. Die diesbezügliche Gesetzgebung soll spätestens drei Jahre nach dessen Annahme in Kraft treten. Andernfalls hätte der Bundesrat innerhalb eines Jahres die Ausführungsbestimmungen auf dem Verordnungsweg zu erlassen.

Bestimmungen dieser Art sind nicht ungewöhnlich und wurden zum Beispiel auch bei den angenommenen Initiativen «Gegen die Abzockerei»80 oder «Gegen Masseneinwanderung»81 in die Bundesverfassung aufgenommen.

80 81

AS 2013 1303 AS 2014 1391

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4

Würdigung der Initiative

4.1

Würdigung der Anliegen der Initiative

Der Bundesrat hat grundsätzlich Verständnis für die Anliegen und Ziele der Initiative. Die Transparenz bei der Politikfinanzierung ist ein Element, welches das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die demokratischen Prozesse stärkt. Drei Kantone (Tessin, Genf und Neuenburg) haben bereits Normen zur Finanzierung der politischen Parteien erlassen, und im März 2018 sind in zwei weiteren Kantonen (Schwyz und Freiburg) entsprechende Volksinitiativen angenommen worden (siehe Ziff. 2.2).

Der Bundesrat lehnt eine Regelung auf nationaler Ebene in diesem Bereich dennoch aus mehreren Gründen ab. Angesichts der Besonderheiten unseres politischen Systems und des Umstands, dass die Rolle der finanziellen Mittel in der Schweizer Politik nicht überschätzt werden sollte, erscheint eine solche Regulierung als nicht nötig. Hinzu kommt, dass eine wirksame Umsetzung der Initiative mit einem unverhältnismässigen Aufwand verbunden wäre. Schliesslich ist nicht ausgeschlossen, dass die Annahme der Initiative unerwünschte Auswirkungen auf die föderalistische Grundordnung und die Politikfinanzierung haben könnte.

4.1.1

Besonderheiten des politischen Systems der Schweiz

Das politische System der Schweiz weist zahlreiche Besonderheiten auf: die direkte Demokratie, die Kollegialregierung, die aus Vertreterinnen und Vertretern verschiedener, oft einander entgegenstehender Parteien besteht, das Milizsystem in der Politik und der Föderalismus. Diese Merkmale sind Teil eines komplexen, aber wirksamen Gesamtsystems, das durch gegenseitige Kontrollen und Gegengewichte geprägt ist. So besteht die Regierung der Schweiz aus Vertreterinnen und Vertretern von vier ­ in früheren Zeiten auch schon fünf ­ politischen Parteien, die sich sieben Sitze teilen: Die Vertreterinnen und Vertreter der wichtigsten politischen Parteien haben somit Einblick in den ganzen Entscheidungsprozess. Anders als in den anderen europäischen Ländern sind die politischen Parteien in der Schweiz überdies nicht die einzigen Akteurinnen und Akteure in der Politik: Auch die Finanzierung der direkten Demokratie (bzw. von Initiativen und Referenden) müsste reguliert werden ­ wie dies in der Initiative im Übrigen gefordert wird. Dies könnte eine komplexe Regelung nach sich ziehen, insbesondere auf Bundesebene, auf der viele Abstimmungen durchgeführt werden. Für die Durchsetzung der betreffenden Regelung wäre eine Aufsicht erforderlich, für die umfassende finanzielle und personelle Mittel aufgewendet werden müssten, wenn sie effizient sein soll. Dies könnte einen unverhältnismässigen Aufwand zur Folge haben.

Eine Regulierung der Transparenz bei der Finanzierung der politischen Akteurinnen und Akteure böte keinen wesentlichen Mehrwert, denn wie der Bundesrat in seinen Stellungnahmen zu parlamentarischen Vorstössen (siehe Ziff. 2.1.3) bereits verschiedentlich hervorgehoben hat, ist es gerade aufgrund der Besonderheiten des politischen Systems des Landes schwierig, einen kausalen Zusammenhang zwischen den finanziellen Mitteln und dem Erfolg in der Politik nachzuweisen. Die freie 5660

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Meinungsbildung der Bürgerinnen und Bürger ist ein komplexer Prozess, allein der Erwerb von Werbeplätzen in den Medien mit grossen finanziellen Mitteln bietet keine Erfolgsgarantie: Ebenso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger für den Ausgang einer Wahl oder einer Abstimmung, sind die Grundsatzdebatten. Eine vertiefte Analyse der Relationen zwischen Finanzmitteln und Erfolg, die 2012 vom Institut Sotomo im Auftrag des EJPD durchgeführt wurde, macht deutlich, dass der Einfluss des Geldes auf die politischen Entscheide nicht überschätzt werden sollte.82 Die Umsetzung der Initiative würde bei bestimmten Arten von Abstimmungsvorlagen durch einige Besonderheiten der direkten Demokratie in der Schweiz erschwert.

So ist im BPR im Gegensatz zu den Volksinitiativen, bei denen das BPR eine Mindest- und eine Höchstzahl der Mitglieder des Initiativkomitees bestimmt, deren Namen bekannt sind und veröffentlicht werden (Art. 68 und 69 BPR), keine Vorprüfung für Referenden vorgesehen (Art. 60 BPR). Die Identifizierung der Akteurinnen und Akteure hinter einem Referendum kann aufgrund dieser Regelung schwierig sein.

Schliesslich können die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger ihre Stimme brieflich abgeben, sobald sie die zur gültigen Stimmabgabe nötigen Unterlagen erhalten haben (Art. 8 Abs. 2 BPR). Sie müssen die Unterlagen ausserdem mindestens drei und frühestens vier Wochen vor dem Abstimmungs- oder dem Wahltag erhalten (Art. 11 Abs. 3 BPR für die Abstimmungen, Art. 33 Abs. 2 BPR für die Nationalratswahlen). Das bedeutet, dass die Urnen in Wirklichkeit bis zu vier Wochen vor dem Abstimmungs- oder dem Wahltag bereits offen sind. Da die Informationen zur Finanzierung einer Abstimmungskampagne gemäss der Initiative «rechtzeitig vor der Wahl oder der Abstimmung» veröffentlicht werden müssen, könnte es heikel sein, den geeigneten Zeitpunkt für die Veröffentlichung der entsprechenden Informationen zu bestimmen.

4.1.2

Grosser administrativer Aufwand und hohe Kosten

Damit die von der Initiative geforderten Massnahmen Wirksamkeit entfalten können, müssten sie mit einer unabhängigen Aufsicht und abschreckenden Sanktionen einhergehen. Das wird auch von der GRECO in ihren Empfehlungen des Jahres 2011 zuhanden der Schweiz entsprechend empfohlen (siehe Ziff. 2.3.1). Die Einführung von effektiv wirksamen Kontrollmechanismen, entsprechend jenen in Frankreich (siehe Ziff. 2.3.4., Zwischentitel «Kontrolle»), hätte jedoch hohe Kosten und einen grossen administrativen Aufwand zur Folge. In der Schweiz wird, anders als in anderen Staaten Europas, nicht nur bei Parlamentswahlen abgestimmt. Es werden auch zahlreiche andere Abstimmungen durchgeführt, insbesondere auf Bundesebene. Der Wortlaut der Initiative enthält zwar nicht ausdrücklich spezifische An82

Medienmitteilung des EJPD vom 21. Februar 2012, abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > «Studie zur Finanzierung von Wahlen und Abstimmungen; EJPD veröffentlicht Studie zu den Werbeausgaben bei Wahlen und Abstimmungen» (Stand: 17. Juli 2018); siehe auch die Studie «Das politische Profil des Geldes, Wahl- und Abstimmungswerbung in der Schweiz» der Forschungsstelle Sotomo der Universität Zürich vom Februar 2012, abrufbar unter: www.ejpd.ch > Aktuell > News > 2012 > Studie zur Finanzierung von Wahlen und Abstimmungen (Stand: 17. Juli 2018).

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forderungen an die Kontrolle der vorgesehenen Regelung. Das Parlament ­ oder der Bundesrat ­ stünde jedoch vor folgendem Dilemma: Entweder sie sehen keine tatsächlich wirksame Aufsicht vor und erlassen somit ein «Alibigesetz» oder sie schaffen wirksame Mechanismen für eine unabhängige Aufsicht und belasten damit finanziell die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bzw. die politischen Parteien und die Referendums- und die Initiativkomitees.

4.1.3

Auswirkungen auf die föderalistische Grundordnung

Die Initiative zielt darauf ab, dass der Bund Vorschriften über die Parteien-, die Wahl- und die Abstimmungsfinanzierung erlässt. Die Schaffung solcher Regelungen auf nationaler Ebene bliebe dabei nicht ohne Auswirkungen auf die föderalistische Grundordnung der Schweiz. Dies betrifft einerseits Vorschriften über die Finanzierung von Ständeratswahlen und andererseits die Finanzierung kantonaler, in der Bundesversammlung vertretener Parteien.

Gemäss Wortlaut der Initiative sind die Wahlen in den Ständerat auch betroffen. 83 Gemäss Artikel 150 Absatz 3 BV liegt allerdings die Kompetenz zur Regelung der Wahl in den Ständerat bei den Kantonen. Dazu gehören namentlich die Regelung des aktiven und des passiven Wahlrechts, des Wahltermins und der Amtsdauer sowie die Ausgestaltung des Wahlsystems. 84 Nach Artikel 2 des Geschäftsreglements des Ständerates vom 20. Juni 200385 nimmt der Ständerat von den Mitteilungen der Kantone über die Wahl Kenntnis und vereidigt seine Mitglieder, ohne eine Wahlprüfung vorzunehmen.86 Das Bundesrecht setzt den Kantonen bei der Ausgestaltung der Ständeratswahlen Schranken. Massgebend sind insbesondere das Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8 BV) und die Gewährleistung der politischen Rechte (Art. 34 BV). Auch relevant sind das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Bürgerrechts (Art. 37 Abs. 2 BV), die Beschränkung der Karenzfrist von Neuzuzügerinnen und Neuzuzügern (Art. 39 Abs. 4 BV) sowie das Instruktionsverbot (Art. 161 BV) und die Pflicht zur Ablegung eines Eids oder eines Gelübdes nach Artikel 3 Absatz 3 ParlG.87 Auch Artikel 144 BV und Artikel 14 ParlG, welche sich mit der Unvereinbarkeit beim Antritt von Ämtern befassen, erstrecken sich auf die grundsätzlich kantonal organisierten Ständeratswahlen.88 Wie im Rahmen der Auslegung des Initiativtextes erläutert (siehe Ziff. 3.3), sind vom Initiativbegehren auch die in der Bundesversammlung vertretenen kantonalen Parteien von der Pflicht zur Offenlegung der Bilanz und der Erfolgsrechnung erfasst.

Gemäss Artikel 3 BV sind die Kantone souverän, «soweit ihre Souveränität nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist; sie üben alle Rechte aus, die nicht dem Bund übertragen sind». Werden dem Bund wie dies die Initiative verlangt durch 83 84 85 86 87 88

Vgl. dazu Ziff. 4 zu Art. 39a Abs. 3.

Daniela Thurnherr, in: Waldmann / Belser, Basler Kommentar BV, Basel 2015, N 10 ff.

zu Art. 150 BV m. w. H.

SR 171.14 Thurnherr N 6 zu Art. 150 BV.

Thurnherr, N 7 f. zu Art. 150 BV m. w. H.

Thurnherr, N 7 f. zu Art. 150 BV.

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die Bundesverfassung Regelungskompetenzen übertragen, so ist dies wie soeben ausgeführt mit gewissen Einschränkungen der kantonalen Souveränität verbunden.

Diese sind in rechtlicher Hinsicht grundsätzlich zulässig; ob sie namentlich im Lichte des in den voranstehenden Ziffer 4.1.1 und 4.1.2 Ausgeführten sowie in Anbetracht der Umgehungsgefahr (siehe Ziff. 4.1.4) gerechtfertigt sind, erscheint indessen fraglich.

4.1.4

Umgehungsrisiken

In mehrfacher Hinsicht besteht das Risiko, dass sich die Vorschriften der Initiative umgehen lassen. Insbesondere könnten für die Vornahme der Spenden Mittelspersonen eingesetzt oder juristische Strukturen (z. B. Stiftungen oder Vereine) gegründet werden. Dadurch könnten Spenden für Parteien oder Wahl- und Abstimmungskomitees ohne Angabe der wahren Identität getätigt werden. Insbesondere kann die Identität eines Geldgebers unter Umständen auch durch Spenden an bestimmte Vereinigungen, die Kampagnen betreiben, verschleiert werden. Auch könnten die in der Initiative vorgesehenen Obergrenzen durch Stückelung der Gesamtspende und mittels Überweisung der entsprechenden Teilbeträge durch verschiedene Personen formell umgangen werden. Entsprechende Umgehungsrisiken bestehen aber auch in anderen reglementierten Bereichen. Namentlich sind im Zollrecht sowie im Geldwäschereigesetz vom 10. Oktober 1997 (GwG) 89 Obergrenzen zu finden, die ­ wie auch die Obergrenze gemäss Initiativtext ­ umgangen werden könnten.90 Im Zusammenhang mit der Finanzierung von Wahl- und Abstimmungskomitees ist allerdings zu beachten, dass in der Schweiz viele Akteurinnen und Akteure am politischen Geschehen mitwirken. Dadurch vergrössert sich das Risiko, dass eine Kontrolle nicht alle Beteiligten erfasst und Regelungen umgangen werden. Ein weiteres Umgehungsrisiko besteht im Zusammenhang mit der Parteienstruktur in der Schweiz. Die Kantonalparteien bilden regelmässig wie auch die nationalen Parteien selbstständige Vereine nach Artikel 60 ZGB und haben damit eigene Rechtspersönlichkeit. Sie verfügen unter Umständen über eigene Finanzen, Bilanzen und Erfolgsrechnungen. In der Regel sind die kantonalen Parteien sodann Mitglied der sogenannten Mutterpartei. Von der Offenlegungspflicht erfasst sind laut der Initiative «die in der Bundesversammlung vertretenen Parteien». Wird nun davon ausgegangen, dass damit nur die tatsächlich vertretene nationale oder kantonale Partei gemeint ist, so besteht das Risiko, dass sich die Offenlegungsvorschriften leicht umgehen lassen: Spenderinnen und Spender könnten ihre Zuwendungen über die kantonalen an die schweizerischen Parteien ­ oder auch umgekehrt von den nationalen an die ihnen zugehörigen kantonalen Parteien ­ fliessen lassen, ohne dass die ursprünglichen Spenderinnen und Spender bekannt
werden. Dieselbe Problematik kann sich auch in Bezug auf die Jungparteien ergeben. Auch kann eine Umgehung erfolgen, indem verdeckt Kampagnen betrieben werden. Dies zum Beispiel dadurch, 89 90

SR 955.0 Vgl. z.B. Art. 1 der Verordnung des EFD vom 24. März 2011 (SR 641.202.2) über die Steuerbefreiung von Inlandlieferungen von Gegenständen zwecks Ausfuhr im Reiseverkehr sowie Art. 3 der Verordnung vom 11. Februar 2009 (SR 631.052) über die Kontrolle des grenzüberschreitenden Barmittelverkehrs sowie Art. 8 GwG.

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dass Angestellte einer Partei, die für eine Kampagne arbeiten, in der Buchhaltung als Sekretariatspersonal ausgewiesen werden.

4.2

Auswirkungen der Initiative bei einer Annahme

4.2.1

Umsetzung auf Gesetzesstufe

Bei Annahme der Initiative müsste deren Inhalt auf Gesetzesstufe umgesetzt werden.

Bei der Umsetzung wären insbesondere der persönliche und der sachliche Anwendungsbereich klar zu umschreiben. Ausserdem sollte der Gesetzgeber ein effektives Kontrollsystem einführen, um die Einhaltung der Regelungen zu gewährleisten. Dies betrifft die Durchsetzung der vorgesehenen Offenlegungspflichten und dabei insbesondere auch die Gewährleistung der Richtigkeit der offengelegten Bilanzen und Erfolgsrechnungen. Im Zusammenhang mit der Wahrheit von Bilanz und Erfolgsrechnung ist zu beachten, dass politische Parteien nicht zwingend der Revisionspflicht unterliegen. Namentlich sind Vereine gemäss Artikel 69b ZGB nur revisionspflichtig, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. Ob sodann bei fehlender Revisionspflicht in den Statuten die freiwillige Bestellung einer Revisorin oder eines Revisors vorgesehen ist, bleibt den Parteien frei. Für eine effektive Kontrolle wäre allenfalls die Schaffung einer unabhängigen staatlichen Kontrollstelle notwendig.

4.2.2

Mögliche Auswirkungen der Initiative auf die finanziellen Mittel der politischen Parteien, Wahl- und Abstimmungskomitees

Die politischen Parteien finanzieren sich zu einem grossen Teil über private Spenden. Unter anderem deshalb finanzieren nicht nur sie die Abstimmungskampagnen in der Schweiz, sondern namentlich auch Gesellschaften, private Verbände, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen (NGO). Die Abstimmungskomitees sind auf private Spenden angewiesen.

Die Beiträge zur Unterstützung von Parteien, Wahl- und Abstimmungskomitees können bis anhin ohne Angabe der Identität der Spenderin bzw. des Spenders geleistet werden. Es steht nach aktueller Rechtslage jeder Person frei, welche Beiträge sie in welcher Höhe leistet und ob sie ihre Daten bekannt gibt. Müssen private Spenden offengelegt werden, besteht das Risiko, dass dies zu einer Verringerung der Spenden an politische Akteurinnen und Akteure führt. Ein Spendenrückgang könnte das politische Geschehen hemmen und allenfalls auch die Mittel der direkten Demokratie beziehungsweise die Initiativen und die Referenden schwächen. Namentlich könnte die Finanzierung über die neue Form des «Crowdfunding» für die Finanzierung über Kleinspenderinnen und Kleinspender nach dem Beispiel der Operation Libero91 erschwert werden. In den drei Kantonen, die bereits eine Gesetzgebung zur Finanzierung der politischen Parteien sowie der Wahl- und der Abstimmungskampagnen eingeführt haben, konnte ein Spendenrückgang allerdings nicht festgestellt 91

https://action.operation-libero.ch (Stand: 17. Juli 2018)

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werden (siehe Ziff. 2.2). Um einem allfälligen Spendenrückgang entgegenzuwirken, bliebe die Möglichkeit einer direkten staatlichen Parteienfinanzierung, die jedoch dem schweizerischen System grundsätzlich fremd ist.

4.2.3

Kostenfolgen

Eine effektive Durchsetzung der Offenlegungspflichten wäre nur mit einem effizienten und zuverlässigen Kontrollsystem und der Androhung von Sanktionen möglich (siehe Ziff. 4.1.2). Allerdings wären die Schaffung und Durchführung wirksamer Kontrollen aller politischen Akteurinnen und Akteure mit grossem Aufwand und hohen Kosten verbunden. Nicht nur dem Staat, sondern auch den vom Initiativtext erfassten Parteien, Wahl- und Abstimmungskomitees würde die Umsetzung der Initiative einen grossen administrativen Aufwand und hohe Kosten verursachen. Es führen namentlich auch Verbände und Gewerkschaften Abstimmungs- und Referendumskampagnen durch. Eine Reglementierung im Sinne der Initiative würde diese politischen Akteurinnen und Akteure miteinschliessen und zur Offenlegung ihrer Finanzen verpflichten.

4.3

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Initiative ist mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar, sie wird durch diese teilweise sogar gefordert. Festzuhalten ist jedoch, dass die erwähnten Empfehlungen der GRECO und auch jene der OSZE rechtlich nicht verpflichtend sind. Zu erwähnen ist auch Artikel 7.3 des Übereinkommens vom 31. Oktober 200392 der Vereinten Nationen gegen Korruption, der mit dem Titel «Öffentlicher Sektor» folgende Bestimmung enthält: «Jeder Vertragsstaat zieht ferner in Erwägung, im Einklang mit den Zielen dieses Übereinkommens und in Übereinstimmung mit den wesentlichen Grundsätzen seines innerstaatlichen Rechts geeignete gesetzgeberische und verwaltungsrechtliche Massnahmen zu treffen, um die Finanzierung von Kandidaturen für ein öffentliches Wahlamt und gegebenenfalls die Finanzierung politischer Parteien transparenter zu machen.» Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hält fest, dass offenbar ein Konsens über die Kontrolle der Finanzen der politischen Parteien bestehe, diese von den Mitgliedstaaten jedoch mit sehr unterschiedlichen Mitteln umgesetzt werde.93 Weiter schreibt er, dass die finanziellen Aktivitäten der politischen Parteien aus Verantwortungs- und Transparenzzwecken überwacht werden müssten. Gemäss dem Gerichtshof trägt dies zum Vertrauen der Bevölkerung in die politischen Prozesse 92 93

SR 0.311.56 EGMR, Urteil Cumhuriyet Halk Partisi gegen die Türkei vom 26. April 2016, Beschwerde Nr. 19920/13, § 53, Recueil des arrêts et décisions 2016, abrufbar unter (nur auf Franz. und Engl.): www.echr.coe.int > Jurisprudence > Arrêtes et décisions > Arrêts récents > Rechercher: Affaire Cumhuriyet Halk Partisi c. Turquie (Stand: 18. Juli 2018).

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bei. Unter Berücksichtigung der grundlegenden Bedeutung der politischen Parteien für das Funktionieren einer Demokratie gelangt der Gerichtshof zur Einschätzung, es liege im Interesse der Öffentlichkeit, dass die Parteien kontrolliert und für unrechtmässige Aufwendungen sanktioniert werden. Dies insbesondere dann, wenn sie vom Staat finanziert würden. Der Gerichtshof gelangt zum Schluss, dass die Kontrolle der Finanzen der politischen Parteien mit Blick auf Artikel 11 der Konvention vom 4. November 195094 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) an sich kein Problem darstellt. Die Mitgliedstaaten verfügen folglich über einen relativ weiten Ermessensspielraum in Bezug auf das Vorgehen bei der Kontrolle der Finanzen der politischen Parteien und auf die Sanktionen, die bei unrechtmässigen Finanztransaktionen drohen.

Auch wenn sich die in vorliegender Botschaft in Frage stehende Initiative nicht speziell mit der Problematik der Finanzierung politischer Akteurinnen und Akteure aus dem Ausland befasst, sei ­ auch in Bezug auf die parlamentarische Initiative Fournier vom 4. Juni 2018 (18.423 «Keine fremden Eingriffe in die Schweizer Politik!») sowie die Interpellation Regazzi vom 14. Juni 2018 (18.3577 «Ausländische Finanzierung von Unterschriftensammlungen für Referenden und Volksinitiativen: Eine Gefahr für unsere direkte Demokratie?») (siehe Ziff. 2.1.2) ­ noch erwähnt, dass der EGMR in zwei Urteilen befand, dass das Verbot gegenüber politischen Parteien, Gelder von ausländischen Parteien entgegenzunehmen, an sich nicht unvereinbar ist mit Artikel 11 EMRK (Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit). Da ein solches Verbot gemäss dem Gerichtshof weder die Rechtmässigkeit einer politischen Partei in Frage stellt noch deren Teilnahme am politischen Leben rechtlich entgegensteht noch eine Zensur der Meinungen darstellt, die sie in der politischen Diskussion zu verbreiten beabsichtigt, sind dessen Auswirkungen auf die Fähigkeit der betreffenden Partei, ihre politische Tätigkeit auszuüben, nicht als unverhältnismässig beurteilt worden.95

5

Schlussfolgerungen

Der Bundesrat hat grundsätzlich Verständnis für die Anliegen und die Ziele der Initiative. Er lehnt diese Initiative aber ab, da die im Initiativtext vorgesehenen Regelungen zur Offenlegung der Finanzierung von politischen Parteien sowie von Wahl- und Abstimmungskampagnen mit den Besonderheiten des politischen Systems der Schweiz wie namentlich der direkten Demokratie und des Föderalismus auf nationaler Ebene kaum vereinbar sind und übermässige Kosten für eine wirksame Kontrolle verursachen würden. Weiter lässt sich nicht eindeutig feststellen, inwie94 95

SR 0.101 EGMR, Urteil Cumhuriyet Halk Partisi gegen die Türkei vom 26. April 2016, Beschwerde Nr. 19920/13, § 69 und 70, Recueil des arrêts et décisions 2016, abrufbar unter (nur auf Franz. und Engl.): www.echr.coe.int > Jurisprudence > Arrêtes et décisions > Arrêts récents > Rechercher: Affaire Cumhuriyet Halk Partisi c. Turquie (Stand: 18. Juli 2018); EGMR, Urteil Parti nationaliste basque ­ Organisation régionale d'Iparralde gegen Frankreich vom 7. Juni 2007, Beschwerde Nr. 71251/01, § 47 ff., Recueil des arrêts et décisions 2007, abrufbar unter (nur auf Franz. und Engl.): www.echr.coe.int > Jurisprudence > Arrêtes et décisions > Arrêts récents > Rechercher: Parti nationaliste basque ­ Organisation régionale d'Iparralde c. France (Stand: 18. Juli 2018).

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weit sich finanzielle Mittel in der Schweiz auf die Abstimmungs- und die Wahlergebnisse auswirken.

Der Bundesrat lehnt die Volksinitiative «Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung» ab und beantragt den eidgenössischen Räten, die Initiative Volk und Ständen ohne direkten Gegenentwurf oder indirekten Gegenvorschlag zur Abstimmung zu unterbreiten mit der Empfehlung, die Volksinitiative abzulehnen.

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