18.076 Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (12. Kapitel: Internationale Schiedsgerichtsbarkeit) vom 24. Oktober 2018

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (12. Kapitel: Internationale Schiedsgerichtsbarkeit).

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2012

M

12.3012

Bundesgesetz über das internationale Privatrecht.

Die Attraktivität der Schweiz als internationalen Schiedsplatz erhalten (N 1.6.2012, Kommission für Rechtsfragen NR, S 27.9.2012)

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

24. Oktober 2018

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2018-1228

7163

Übersicht Die Schweiz gehört heute zu den gefragtesten Standorten für internationale Schiedsgerichte. Sie verdankt dies nicht zuletzt dem Bundesgesetz über das internationale Privatrecht (IPRG), dessen 12. Kapitel die internationale Schiedsgerichtsbarkeit regelt. In Erfüllung der Motion 12.3012 soll das Gesetz modernisiert werden. Der Entwurf überführt zentrale Elemente der Rechtsprechung des Bundesgerichts in das Gesetz und klärt offene Anwendungsfragen. Darüber hinaus verbessert der Entwurf die Anwenderfreundlichkeit des Gesetzes weiter und stärkt die Parteiautonomie im Einklang mit internationalen Entwicklungen.

Das 12. Kapitel des IPRG über die internationale Schiedsgerichtsbarkeit gilt international auch dreissig Jahre nach seiner Verabschiedung als innovatives Schiedsgesetz von grosser Qualität. Geschätzt werden seine Klarheit und Prägnanz. Es verbindet die Freiheit der Parteien in der Verfahrensgestaltung mit der Gewähr einer staatsgerichtlich abgesicherten Rahmenordnung. Diese Qualitäten erklären auch, weshalb das 12. Kapitel des IPRG ganz unterschiedlichen Arten von Schiedsgerichtsbarkeit gerecht wird (Ad-hoc-Verfahren, institutionelle Schiedsverfahren, Sportschiedsverfahren, Investitionsschiedsverfahren, etc.). Für alle bietet die Schweiz bereits heute sehr gute Standortbedingungen.

Der Entwurf baut auf diesen zentralen Stärken auf und modernisiert die Bestimmungen des 12. Kapitels des IPRG punktuell. Explizit wird die Rechtsprechung des Bundesgerichts, die sich in den 30 Jahren seit Inkrafttreten des IPRG entwickelt hat, in das Gesetz überführt. So werden die Revision sowie die Berichtigung, Erläuterung und Ergänzung von Schiedsentscheiden ausdrücklich in das Gesetz aufgenommen. Ebenfalls wird klargestellt, dass Hilfsverfahren vor staatlichen Gerichten im summarischen Verfahren durchzuführen sind. Die Parteiautonomie wird weiter gestärkt, indem auch bei einseitigen Rechtsgeschäften die Schiedsgerichtsbarkeit ausdrücklich für zulässig erklärt wird.

Die Revision will die Anwenderfreundlichkeit des Gesetzes weiter erhöhen. Die Verweise auf andere Rechtsakte werden auf das absolut Notwendige reduziert, sodass das 12. Kapitel des IPRG die internationale Schiedsgerichtsbarkeit weitgehend aus sich heraus erschliesst. Für alle Vereinbarungen im Rahmen eines Schiedsverfahrens gilt neu ein
einheitliches Formerfordernis. Neu sollen Eingaben an das Bundesgericht auch in Englisch, der vorherrschenden Sprache in internationalen Schiedsverfahren, zulässig sein.

Die Revision bringt das 12. Kapitel des IPRG wieder auf die Höhe der Zeit, bewahrt aber seine Prägnanz und Flexibilität.

7164

BBl 2018

Inhaltsverzeichnis Übersicht

7164

1

Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.1.1 Bedeutung der Schweiz als internationaler Schiedsplatz 1.1.2 Entwicklung des schweizerischen Schiedsrechts 1.1.3 Parlamentarischer Auftrag zur Revision des 12. Kapitels des IPRG 1.1.4 Vorarbeiten 1.2 Die beantragte Neuregelung 1.2.1 Nachführung der Gerichtspraxis und Klärung offener Fragen 1.2.2 Stärkung der Parteiautonomie 1.2.3 Erhöhung der Anwenderfreundlichkeit 1.3 Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 1.3.1 Erhalt der Hauptcharakteristika des 12. Kapitels des IPRG 1.3.2 Beibehalten des offenen Dualismus 1.3.3 Keine Neuregelung der Beziehung zwischen staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten 1.3.4 Ergebnisse der Vernehmlassung 1.3.5 Neuerungen gegenüber dem Vorentwurf 1.4 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 1.5 Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht 1.6 Umsetzung 1.7 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

7167 7167 7167 7168

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln 2.1 Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 über das internationale Privatrecht (IPRG) 2.2 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (BGG) 2.3 Schweizerische Zivilprozessordnung

7186

Auswirkungen 3.1 Auswirkungen auf den Bund, auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete 3.2 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

7208

2

3

4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates

7169 7170 7171 7171 7172 7173 7175 7175 7175 7176 7179 7183 7184 7185 7186 7186

7186 7204 7206

7208 7208 7210

7165

BBl 2018

5

Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungsmässigkeit 5.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 5.3 Erlassform 5.4 Datenschutz

Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG) (Entwurf)

7166

7210 7210 7210 7212 7212 7213

BBl 2018

Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Bedeutung der Schweiz als internationaler Schiedsplatz

Schiedsgerichtsbarkeit ist ein Streitschlichtungsmechanismus, in dem die Parteien vereinbaren, «eine oder mehrere, bestehende oder bestimmte künftige Streitigkeiten verbindlich und unter Ausschluss der ursprünglichen staatlichen Gerichtsbarkeit einem Schiedsgericht nach Massgabe einer unmittelbar oder mittelbar bestimmten rechtlichen Ordnung zu unterstellen»1. Der Entscheid des Schiedsgerichts ist rechtsverbindlich und vollstreckbar. Das Gesetz belässt den Parteien insbesondere bei der Wahl des Schiedsgerichts, der Verfahrensordnung und des anwendbaren Rechts grossen Gestaltungsspielraum und beschränkt sich auf wenige Bestimmungen, die den Schutz wesentlicher Verfahrensrechte der Parteien und der Integrität des Schiedsverfahrens bezwecken und deren Einhaltung die Parteien vor dem staatlichen Gericht einfordern können.

Die Schweiz zählt traditionell zu den bedeutendsten internationalen Schiedsplätzen weltweit. Eine empirische Studie des Europäischen Parlaments zur Schiedsgerichtsbarkeit in der EU einschliesslich der Schweiz kam 2014 zum Schluss, dass die Schweiz mit Abstand der meistempfohlene Schiedsort ist und damit ohne Zweifel zu den führenden Schiedsplätzen zählt.2 Ein ähnliches Bild ergeben die jährlichen Statistiken der Internationalen Handelskammer in Paris (ICC). Obwohl die ICC kein Büro in der Schweiz hat, haben 130 Prozent aller weltweiten ICC-Schiedsverfahren ihren Sitz in der Schweiz, die damit der zweithäufigste Schiedsstaat der ICC ist.

2017 waren dies 90 von 810 Verfahren gegenüber 121 für Frankreich als dem häufigsten Sitzstaat.3 Zudem wurden Schweizerinnen bzw. Schweizer in diesen Schiedsverfahren wie schon in den Vorjahren am dritthäufigsten als Schiedsrichterinnen bzw. Schiedsrichter bestellt.4 Die ICC-Verfahren weisen regelmässig einen hohen Streitwert auf. Ähnliches gilt für die Swiss Chambers' Arbitration Institution (SCAI), deren Verfahren mit wenigen Ausnahmen immer in der Schweiz durchgeführt werden.5 Dazu kommen eine statistisch schwer erfassbare Zahl von weiteren Handelsschiedsverfahren, die ad hoc, also ohne Administrierung durch eine Institu1 2

3 4 5

BGE 130 III 66, E. 3.1 European Parliament, Directorate General for internal Policies, Policy Department C: Citizens' Rights and Constitutional Affairs, Legal Instruments and Practice of Arbitration in the EU ­ Study, 2014, S. 181.

ICC Dispute Resolution Bulletin 2018/2, S. 60 f.

ICC Dispute Resolution Bulletin 2018/2, S. 58 f.: total 116 Ernennungen von Schweizerinnen und Schweizern im Jahr 2017.

Ca. 100 Verfahren jährlich in den Jahren 2015­2017 (Auskunft SCAI vom 20.03.2018; SCAI, Commented Statistics 2015, August 2016; abrufbar unter www.swissarbitration.org > Statistics > SCAI Commented Statistics 2015, zuletzt besucht am 29.06.2018).

7167

BBl 2018

tion wie die SCAI oder die ICC, durchgeführt werden, eine wachsende Zahl von Investitionsschiedsgerichten mit Sitz in der Schweiz, sowie eine sehr hohe Zahl von Sportschiedsverfahren. Die Schweiz ist zudem der mit Abstand bedeutendste Schiedsplatz für Sportstreitigkeiten. Allein das Tribunal Arbitral du Sport in Lausanne administrierte 2016 knapp 600 Verfahren, die in den meisten Fällen internationalen Charakter haben.6 Alles in allem dürften in der Schweiz jährlich über 1000 internationale Schiedsverfahren stattfinden.

Im Rahmen der Vorarbeiten führte das Bundesamt für Justiz Gespräche mit diversen Interessenvertreterinnen und -vertretern der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz. Angesprochen auf den Erfolg der Schweiz auf diesem Gebiet, nannten die Gesprächspartner als wichtigste Faktoren der Schiedsgerichtsbarkeit die ausgezeichneten gesetzlichen Rahmenbedingungen (namentlich das in Fachkreisen weltweit anerkannte 12. Kapitel des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 19877 über das Internationale Privatrecht [IPRG]) und gleichzeitig die hohe Qualität und Konstanz der Rechtsprechung des Bundesgerichts auf dem Gebiet der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. Verschiedentlich erwähnt wurden sodann die Grösse und Dynamik eines sich laufend erneuernden Pools hochqualifizierter und vielsprachiger Schweizer Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter. In diesem Zusammenhang hingewiesen wurde auch auf das international einmalige, universitäre und ausseruniversitäre Ausund Fortbildungsangebot auf dem Gebiet der Schiedsgerichtsbarkeit. All dies ergänzt die traditionellen Qualitätsfaktoren des Schweizer Dienstleistungsstandorts, die sich zugunsten der Schiedsgerichtsbarkeit auswirken, wie z.B. die politische Neutralität und Stabilität, die Qualität der Infrastruktur und die durchgehend dreisprachige Zugänglichkeit der Rechtsquellen auf Deutsch, Französisch und Italienisch. Positiv vermerkt wird zunehmend auch die Veröffentlichung von Schlüsselrechtstexten in englischer Sprache durch die Schweizerische Bundeskanzlei.

1.1.2

Entwicklung des schweizerischen Schiedsrechts

Die schiedsgerichtliche Tradition der Schweiz knüpft an die aussenpolitische Tradition der Guten Dienste an. In diesem Rahmen nahm und nimmt die Schweiz eine Rolle als Fazilitatorin wahr und unterstützt Parteien bei der Suche nach Verhandlungslösungen, ohne selber Partei zu ergreifen. Während die Literatur erste Schiedsverfahren bereits im Mittelalter nachweist, wird als Geburtsstunde der modernen öffentlich-rechtlichen Schiedsgerichtsbarkeit gemeinhin das Alabama-Schiedsverfahren von 1872 genannt. Damals unterbreiteten die Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika und des Vereinigten Königreichs Schadenersatzansprüche aus dem Amerikanischen Bürgerkrieg einem Schiedsgericht mit Sitz in Genf, in das der Bundesrat den damaligen Altbundesrat Jakob Stämpfli entsandte.8 Die private internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit erreichte allerdings erst mit dem Aufschwung des grenzüberschreitenden Handels im 20. Jahrhundert ihre heutige Bedeu6 7 8

www.tas-cas.org > General Information > Statistics > CAS Statistics 1986­2016 (zuletzt besucht am 29.06.2018).

SR 291 BSK IPRG-Hochstrasser/Fuchs, Einl. 12. Kap., N 5 ff.; Hofbauer, History of Arbitration, N 1, in: Arroyo (Hrsg.), Arbitration in Switzerland. The Practitioner's Guide, 2013.

7168

BBl 2018

tung, sodass nach und nach sämtliche Kantone die Schiedsgerichtsbarkeit regelten.

Die unterschiedlichen kantonalen Schiedsrechte wirkten sich allerdings zunehmend nachteilig auf den internationalen Schiedsstandort Schweiz aus. Mangels verfassungsmässiger Rechtsetzungszuständigkeit des Bundes entschied man sich deshalb, ein für die gesamte Schweiz einheitliches Schiedsrecht mittels interkantonalem Konkordat zu erlassen.9 Das Konkordat vom 27. März 1969 über die Schiedsgerichtsbarkeit (KSG)10 fand sowohl auf die nationale als auch die internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz Anwendung.

Am 1. Januar 1989 trat das IPRG in Kraft, welches in seinem 12. Kapitel die internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz abschliessend regelt. Für das Gebiet der Binnenschiedsgerichtsbarkeit machte die Bundesverfassung vom 18. April 199911 den Weg frei für eine bundesrechtliche Regelung, die am 1. Januar 2011 als 3. Teil der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO)12 in Kraft trat und das KSG ablöste. Auf die Schaffung eines einheitlichen Schiedsgesetzes im Sinne eines code unique wurde damals bewusst verzichtet (vgl. dazu auch hinten Ziff. 1.3.2).13

1.1.3

Parlamentarischer Auftrag zur Revision des 12. Kapitels des IPRG

Am 20. März 2008 reichte Nationalrat Christian Lüscher die parlamentarische Initiative 08.41714 zur Änderung von Artikel 7 IPRG ein. Die Initiative verlangte, dass bei internationalen Angelegenheiten das angerufene schweizerische Gericht unabhängig vom Sitz des Schiedsgerichts erst dann einen Entscheid fällt, wenn das Schiedsgericht über seine eigene Zuständigkeit entschieden hat, es sei denn, eine summarische Prüfung ergebe, dass zwischen den Parteien keine Schiedsvereinbarung getroffen wurde (Anerkennung der negativen Wirkung des Prinzips der Kompetenz-Kompetenz). Der Initiant kritisierte die damals geltende Rechtsprechung des Bundesgerichtes15 zur Anwendung von Artikel 7 IPRG, die danach differenziert, ob das Schiedsgericht seinen Sitz in der Schweiz oder im Ausland hat. Der Initiant vertrat die Ansicht, dass eine Bestimmung einzuführen sei, welche die Schiedsgerichte unabhängig von ihrem Sitz prioritär über ihre Zuständigkeit entscheiden lässt.

9

10 11 12 13 14 15

Ambauen, 3. Teil ZPO versus 12. Kapitel IPRG. Eine Gegenüberstellung im Kontext der Opting-out-Möglichkeiten. Unter besonderer Berücksichtigung der zwingenden Bestimmungen, der Schiedsfähigkeit und der Anfechtbarkeit von Schiedssprüchen, 2016, Rz. 24 ff.; Hofbauer, History of Arbitration, N 1, in: Arroyo (Hrsg.), Arbitration in Switzerland. The Practitioner's Guide, 2013; BSK IPRG-Hochstrasser/Fuchs, Einl. 12. Kap., N 151 ff.

SR 279 (nicht mehr in Kraft) BBl 2000 2990; Art. 122 Abs. 1 BV (in Kraft seit 1.1.2007) SR 272 BBl 2006 7391 f.

08.417 n Pa.Iv. Lüscher vom 20. März 2008. Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 über das internationale Privatrecht. Änderung von Artikel 7 BGE 122 III 139 E. 2b S. 142; bestätigt in Urteil 4A_279/2010 vom 25. Oktober 2010, E. 2

7169

BBl 2018

Entgegen den Anträgen der Rechtskommissionen des National- und des Ständerates16 gaben National- (21. September 2009)17 und Ständerat (10. Juni 2010)18 der Initiative Folge. Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates konsultierte im Rahmen der Umsetzungsarbeiten die betroffenen Fachverbände und die rechtswissenschaftlichen Fakultäten der Schweizer Universitäten.19 Diese Konsultation ergab, dass die Thematik über das Initiativanliegen hinaus diskutiert werden sollte. Es erschien wünschenswert, die 1989 in Kraft getretenen Bestimmungen über die internationale Schiedsgerichtsbarkeit insgesamt auf Revisionsbedürftigkeit hin zu prüfen. Zu diesem Zweck reichte die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates die Motion 12.3012 ein.

Diese beauftragt den Bundesrat mit der Nachführung der bestehenden Bestimmungen unter Berücksichtigung der Gesetzgebung in verschiedenen europäischen Ländern und der Rechtsprechung des Bundesgerichts. Die Frage nach der Beziehung zwischen staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten Gegenstand der parlamentarischen Initiative 08.417 sollte ebenfalls in die Überlegungen einbezogen werden.20 Deshalb wurde die parlamentarische Initiative 08.417 in der Zwischenzeit abgeschrieben.21 Der Bundesrat empfahl die Motion zu Annahme.22 National- und Ständerat überwiesen die Motion am 1. Juni 201223 bzw. 27. September 2012.24

1.1.4

Vorarbeiten

Im Rahmen der Vorarbeiten zog das Bundesamt für Justiz eine Gruppe von Sachverständigen bei. Diese setzte sich zusammen aus Prof. Dr. Gabrielle Kaufmann-Kohler (Universität Genf), Prof. Dr. Felix Dasser (Universität Zürich), Elliott Geisinger, (Rechtsanwalt in Genf) und Prof. Dr. Daniel Girsberger (Universität Luzern). Zusätzlich führte das Bundesamt für Justiz exploratorische Gespräche mit den in der Schweiz ansässigen Schiedsinstitutionen (ICC Schweiz, Swiss Chambers' Arbitration Institution, Tribunal Arbitral du Sport TAS, WIPO Center for Arbitration and Mediation) und mit dem Bundesgericht.

16 17 18 19

20

21 22 23 24

Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vom 4. Mai 2009; Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates vom 15. Februar 2010.

AB 2009 N 1657 ff.

AB 2010 S 585 Adressiert wurden die Rechtswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten Basel, Bern, Freiburg, Luzern, St. Gallen, Zürich, Genf, Lausanne und Neuenburg sowie die ASA und Swiss Chambers (08.417 Parlamentarische Initiative. Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 über das internationale Privatrecht. Änderung von Artikel 7, Umfrage der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates. Adressatenliste). Antworten gingen von den Universitäten Genf, Lausanne und Neuenburg sowie von der ASA und Swiss Chambers ein.

12.3012 Motion der Kommission für Rechtsfragen-NR vom 3. Februar 2012. Bundesgesetz über das internationale Privatrecht. Die Attraktivität der Schweiz als internationalen Schiedsplatz erhalten.

AB 2016 N 1189 AB 2012 N 848; AB 2012 S 921 AB 2012 N 848 AB 2012 S 921

7170

BBl 2018

Zur Klärung weiterer spezifischer Fragen im Zusammenhang mit der Sportschiedsgerichtsbarkeit konsultierte das Bundesamt für Justiz nach Abschluss des Vernehmlassungsverfahrens weitere Experten (Daniel Eisele [Rechtsanwalt in Zürich], Prof.

Dr. Ulrich Haas [Universität Zürich], Dr. Stephan Netzle [Rechtsanwalt in Zürich], Michele Bernasconi [Rechtsanwalt in Zürich], Prof. Dr. Antonio Rigozzi [Universität Neuenburg]).

1.2

Die beantragte Neuregelung

Das 12. Kapitel des IPRG wird international als innovatives, klares und prägnantes Gesetz geschätzt, das den Parteien grosse Autonomie und Flexibilität in der Verfahrensgestaltung zugesteht, gleichzeitig aber eine transparente und staatsgerichtlich abgesicherte Rahmenordnung zur Verfügung stellt. Dank dieser Eigenschaften wird das 12. Kapitel des IPRG ganz unterschiedlichen Typen von Schiedsgerichtsbarkeit gerecht (Ad-hoc-Verfahren, institutionelle Schiedsverfahren, Sportschiedsverfahren, Investitionsschiedsverfahren, etc.).

Der Entwurf will die Qualitäten des 12. Kapitels des IPRG weiter stärken. Die Rechtssicherheit und die Rechtsklarheit werden erhöht, namentlich indem die bewährte Rechtsprechung des Bundesgerichts im Gesetzestext verankert wird, Unklarheiten beseitigt werden und das Gesetz als solches noch anwenderfreundlicher ausgestaltet wird. Unter Berücksichtigung der Entwicklungen im internationalen Handel sowie anderer Schiedsgesetze weltweit nimmt der Entwurf zusätzlich einige Neuerungen auf, mit denen das schweizerische Schiedsrecht weiter optimiert werden soll.

1.2.1

Nachführung der Gerichtspraxis und Klärung offener Fragen

In den 30 Jahren seit Inkrafttreten des IPRG hat das Bundesgericht verschiedene Fragen geklärt und das Gesetz in wichtigen Punkten ergänzt. Im Interesse der Transparenz und der Anwenderfreundlichkeit erscheint es geboten, die Rechtsprechung im Gesetz nachzuführen beziehungsweise wo nötig zu ergänzen. Gleichzeitig sollen nach geltendem Recht offene Punkte, soweit sinnvoll, gesetzlich geklärt werden.

Gesamthaft bezweckt diese Nachführung eine Erhöhung der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit.

Gesetzliche Regelung von Revision, Berichtigung, Erläuterung und Ergänzung Neu ausdrücklich gesetzlich geregelt werden die Rechtsbehelfe der Berichtigung, Erläuterung und Ergänzung sowie die Revision von Schiedssprüchen (vgl. hinten unter Ziff. 2.1 und Ziff. 2.2 die Erläuterungen zu Art. 189a und 190a E-IPRG sowie Art. 119a des Entwurfs zur Änderung des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 200525 [BGG], E-BGG). Mit den vorgeschlagenen Änderungen wird sich die Ord25

SR 173.110

7171

BBl 2018

nung der Rechtsbehelfe und Rechtsmittel umfassend aus dem Gesetzestext erschliessen. Damit genügt das 12. Kapitel wieder dem Anspruch des historischen Gesetzgebers, das internationale Schiedsverfahren umfassend und abschliessend zu regeln.

Klärung des Geltungsbereichs des 12. Kapitels Für die Bestimmung des Geltungsbereichs des 12. Kapitels des IPRG wird neu ausdrücklich auf die Parteien «der Schiedsvereinbarung» abgestellt. Damit wird die Rechtsunsicherheit im geltenden Recht beseitigt, wonach für die Bestimmung des anwendbaren Schiedsrechts die (späteren) Prozessparteien massgebend sind (vgl.

hinten unter Ziff. 2.1 die Erläuterungen zu Art. 176 Absatz 1 E-IPRG).

Gesetzliche Verankerung der Rügepflicht Die Pflicht zur umgehenden Rüge von Verfahrensmängeln ist ein zentraler und seit langem anerkannter Grundsatz des Verfahrensrechts, der in der Praxis von grosser Bedeutung ist. Die Fälle, in denen das Bundesgericht auf eine Rüge wegen Verwirkung nicht eingetreten ist, sind zahlreich. Auch im Interesse der in- und vor allem ausländischen Nutzerinnen und Nutzer des 12. Kapitels des IPRG erscheint es daher zweckmässig, die Pflicht zur sofortigen Rüge von Verfahrensmängeln im Gesetz zu verankern, wie dies in der Binnenschiedsgerichtsbarkeit bereits der Fall ist (vgl.

hinten unter Ziff. 2.1 die Erläuterungen zu Art. 182 Abs. 4 E-IPRG).

Summarisches Verfahren für Hilfsverfahren Gesetzlich nicht geklärt ist bisher die anwendbare Verfahrensart für Verfahren vor dem staatlichen Gericht, wenn dieses zur Unterstützung eines Schiedsverfahrens angerufen wird (sogenannter juge d'appui). Im Rahmen dieser Vorlage soll daher neu gesetzlich sowohl für die internationale als auch für die nationale Schiedsgerichtsbarkeit ausdrücklich das summarische Verfahren für solche Verfahren angeordnet werden, indem die ZPO entsprechend ergänzt wird (vgl. hinten unter Ziff. 2.3 die Erläuterungen zu Art. 251a und Art. 356 Abs. 3 E-ZPO).

1.2.2

Stärkung der Parteiautonomie

Das 12. Kapitel des IPRG gewährt den Parteien grosse Freiheit in der Verfahrensgestaltung. Diese Charakteristik soll bewahrt und unter Berücksichtigung der entsprechenden Entwicklungen in den Gesetzen anderer Schiedsplätze weiter gestärkt werden.

Gesetzliche Regelung von Schiedsklauseln in einseitigen Rechtsgeschäften Der Entwurf regelt neu ausdrücklich, dass die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts auch auf einer formgültig errichteten Schiedsklausel beruhen kann, die in einem einseitigen Rechtsgeschäft (z.B. letztwillige Verfügung, Stiftung, Trust, Statuten) enthalten ist, wenn dieses nach Massgabe des darauf anwendbaren materiellen Rechts wirksam errichtet wurde (vgl. ausführlich unter Ziff. 2.1 die Erläuterungen zu Art. 178 Abs. 4 E-IPRG).

7172

BBl 2018

Fehlende Sitzbezeichnung oder Sitzbezeichnung Schweiz Die Parteien können den Sitz des Schiedsgerichts in der Schiedsvereinbarung oder zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt formlos vereinbaren. Fehlt die Bezeichnung eines Sitzes durch die Parteien, und führen auch die alternativen Bezeichnungsmechanismen nicht zur Bestimmung eines Sitzes (vgl. Art. 176 Abs. 3 IPRG), laufen verschiedene Bestimmungen des 12. Kapitels des IPRG ins Leere.

Um dem Parteiwillen, ein Schiedsverfahren in der Schweiz durchführen zu wollen, in noch mehr Fällen zum Durchbruch zu verhelfen, sieht der Entwurf neu vor, dass das zuerst angerufene staatliche Gericht für die Sitzbestimmung zuständig ist, wenn die Parteien keinen Sitz oder lediglich den Sitz in der Schweiz ohne weitergehende Vereinbarung festgelegt haben und nicht in der Lage sind, das Schiedsgericht zu bestellen (vgl. hinten unter Ziff. 2.1 die Erläuterungen zu Art. 179 Abs. 2 E-IPRG).

1.2.3

Erhöhung der Anwenderfreundlichkeit

Das 12. Kapitel des IPRG richtet sich als schweizerisches Schiedsverfahrensrecht (sogenannte lex arbitri) für Schiedsverfahren mit internationalem Bezug im Besonderen an Rechtsanwenderinnen und -anwender im Ausland und steht damit in Konkurrenz zu ausländischen Rechtsordnungen. Der Anwenderfreundlichkeit kommt daher herausragende Bedeutung zu.

Eigenständige und abschliessende IPRG-Regelung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit Internationale Schiedsverfahren nach dem 12. Kapitel des IPRG betreffen stets mindestens eine Partei aus dem Ausland. Diese dürften mit dem schweizerischen Rechtssystem nicht oder nur wenig vertraut sein. Für ausländische Parteien ist es deshalb ein entscheidender Vorteil, wenn die lex arbitri in einem Erlass umfassend geregelt ist.

Im Sinne der Anwenderfreundlichkeit werden die Verweisungen auf die ZPO daher durch direkte Regelungen im IPRG ersetzt, sodass das Gesetz weitgehend für sich allein und abschliessend die internationale Schiedsgerichtsbarkeit regelt. In diesem Sinne neu und abschliessend regeln die Artikel 179, 180, 180a und 180b E-IPRG die Bestellung sowie die Ablehnung und Abberufung eines Mitglieds eines Schiedsgerichts für den Fall, dass bei diesen Verfahren die Mithilfe eines staatlichen Gerichts überhaupt erforderlich ist (vgl. ausführlich unter Ziff. 2.1 die Erläuterungen zu Art. 179, 180, 180a und 180b E-IPRG).

Einheitliches Formerfordernis für alle Vereinbarungen im Rahmen eines Schiedsverfahrens Im geltenden Recht wird die Form der Schiedsvereinbarung in Artikel 178 Absatz 1 IPRG geregelt. Artikel 176 Absatz 2 IPRG bestimmt, dass die Parteien durch eine ausdrückliche Erklärung in der Schiedsvereinbarung oder in einer späteren Übereinkunft die Anwendung des 3. Teils der ZPO vereinbaren können (sogenanntes Opting-out). Für den Rechtsmittelverzicht verlangt das Gesetz in formeller Hinsicht eine ausdrückliche Erklärung in der Schiedsvereinbarung oder in einer späteren schriftli7173

BBl 2018

chen Übereinkunft (Art. 192 Abs. 1 IPRG). Obwohl die Wortwahl in den drei genannten Bestimmungen unterschiedlich ist, geht die überwiegende Lehre davon aus, dass sowohl für ein Opting-out als auch für einen Rechtmittelverzicht für die Anforderungen an die Form Artikel 178 Absatz 1 IPRG gilt.26 Um die Anwenderfreundlichkeit zu stärken, wird zum einen die kürzere und modernere Formulierung von Artikel 358 ZPO («Die Schiedsvereinbarung hat schriftlich oder in einer anderen Form zu erfolgen, die den Nachweis durch Text ermöglicht») in Artikel 178 Absatz 1 E-IPRG übernommen. Zum anderen werden die formellen Anforderungen für ein Opting-out sowie einen Rechtsmittelverzicht sprachlich vereinheitlicht. Für alle Vereinbarungen in einem Schiedsverfahren sollen neu dieselben formellen Anforderungen gelten. Entsprechendes wird für die Binnenschiedsgerichtsbarkeit vorgeschlagen (vgl. dazu hinten die Erläuterungen zu Art. 176 Abs. 2 und Art. 192 Abs. 1 E-IPRG sowie zu Art. 358 Abs. 1 E-ZPO).

Zulassung von englischen Eingaben in Schiedssachen vor Bundesgericht Englisch ist die vorherrschende Sprache in der (internationalen) Schiedsgerichtsbarkeit.27 In Beschwerde- bzw. Revisionsverfahren akzeptiert das Bundesgericht bereits heute mit dem Einverständnis der Parteien Beilagen einer Rechtsschrift in Englisch.

Der Entwurf geht ungeachtet der Kritik des Bundesgerichts einen Schritt weiter. Neu können auch sämtliche Eingaben vor Bundesgericht als zuständiger Beschwerdeund Revisionsinstanz in Schiedssachen in englischer Sprache eingereicht werden.

Die Zulassung von Eingaben in englischer Sprache wird bei den Parteien zu einer Reduktion des Übersetzungsaufwands führen. Die vorgeschlagene Regelung stärkt damit die Attraktivität der Schweiz als internationalen Schiedsplatz weiter (vgl. dazu ausführlich unter Ziff. 2.2 die Erläuterungen zu Art. 77 Abs. 2bis E-BGG).

26

27

Für Art. 176 Abs. 1 IPRG: vgl. BSK IPRG-Pfiffner/Hochstrasser, Art. 176, N 45 mit weiteren Verweisen; Kaufmann-Kohler/Rigozzi, International Arbitration. Law and Practice in Switzerland, 2015, Rz. 2.41; CR LDIP-Bucher, Art. 176, N 31; für Art. 192 Abs. 1 IPRG: vgl. BSK IPRG-Patocchi/Jermini, Art. 192, N 13 mit weiteren Verweisen; Baizeau, Article 192 PILS, N 10, in: Arroyo (Hrsg.), Arbitration in Switzerland. The Practitioner's Guide, 2013; BSK IPRG-Hochstrasser/Fuchs, Einl. 12. Kap., N 151 ff.

Gemäss Statistik der SCAI ist Englisch in knapp 70 % der Fälle die Verfahrenssprache (SCAI, Commented Statistics 2015); über 80 % aller Schiedsverfahren der WIPO werden ebenfalls in englischer Sprache abgehalten (www.wipo.int > IP Services > Alternative Dispute Resolution > Domain Name Dispute Resolution > How to find UDRP jurisprudence > Statistics > All case languages; zuletzt besucht am 29.06.2018).

7174

BBl 2018

1.3

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

1.3.1

Erhalt der Hauptcharakteristika des 12. Kapitels des IPRG

Inhaltlich ist das 12. Kapitel des IPRG durch Liberalität und Flexibilität gekennzeichnet. Dies kommt auch in seiner Kürze zum Ausdruck.28 Den Anwenderinnen und Anwendern beziehungsweise Parteien, welche die Regelungen nutzen wollen, wird ein hohes Mass an Autonomie eingeräumt, insbesondere in der Verfahrensgestaltung.29 Der Schiedsspruch kann sodann nur aus wenigen, eng definierten Gründen angefochten werden (vgl. Art. 190 IPRG). Einzige Rechtsmittelinstanz ist das Schweizerische Bundesgericht (Art. 191 IPRG). Anders als neuere Schiedsgesetze verzichtet das 12. Kapitel des IPRG bewusst auf einen hohen Detailierungsgrad.

Dadurch eignet es sich als gesetzlicher Rahmen für ganz verschiedene Formen der Schiedsgerichtsbarkeit (institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit, Ad-hoc-Verfahren, Sportschiedsgerichtsbarkeit, Investitionsschiedsgerichtsbarkeit).

Der Entwurf bewahrt diese Charakteristika und stellt bewusst keine Totalrevision dar. Er baut auf den bestehenden und bewährten Regelungen auf und beschränkt sich auf punktuelle Verbesserungen, was auch in der Vernehmlassung mehrheitlich begrüsst wurde.

1.3.2

Beibehalten des offenen Dualismus

Die Schiedsgerichtsbarkeit ist in der Schweiz in zwei verschiedenen Erlassen geregelt: Der 3. Teil der ZPO regelt die Binnenschiedsgerichtsbarkeit, das 12. Kapitel des IPRG die internationale Schiedsgerichtsbarkeit. Diese Zweiteilung ist historisch gewachsen und hat primär föderalistische Gründe (vgl. vorne Ziff. 1.1.2).

Im Rahmen der vorliegenden Revision wurde die Frage, ob die Bestimmungen für die interne und die internationale Schiedsgerichtsbarkeit in einem einzigen Gesetz (code unique) zusammengeführt werden sollten, geprüft, jedoch verworfen. Das wurde in der Vernehmlassung begrüsst, wobei sich die Teilnehmenden nur vereinzelt ausdrücklich dazu äusserten.30 Bereits in der Vernehmlassung zur Eidgenössischen Zivilprozessordnung fand die Idee eines code unique keine Mehrheit, und es

28 29

30

Das 12. Kapitel des IPRG besteht aus 19 Artikeln. Hinzu kommt Art. 7 IPRG, welcher die Zuständigkeit des staatlichen Gerichts bei Vorliegen einer Schiedsvereinbarung regelt.

Art. 182 IPRG legt fest, dass die Parteien bzw. das Schiedsgericht das Verfahren inkl.

die Verfahrenssprache frei bestimmen können, solange die Minimalanforderungen der Gleichbehandlung der Parteien und des rechtlichen Gehörs erfüllt sind (Baudenbacher, Schiedsgerichtsplatz Schweiz. Der Einfluss der Verhandlungsdemokratie, in: Dispute Resolution, Ausgabe 01/20. März 2014, S. 7); CR LDIP-Bucher, Art. 176­194, N 13; CR LDIP-Bucher, Art. 182, N 1; Kaufmann-Kohler/Rigozzi, International Arbitration, Rz. 2.64 ff.

Der Ergebnisbericht ist einsehbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2017 > EJPD.

7175

BBl 2018

wurde bewusst am Dualismus, also der Existenz unterschiedlicher Regelungen für die interne und die internationale Schiedsgerichtsbarkeit, festgehalten.31 Das duale System hat sich zudem national wie auch international bewährt. Während das 12. Kapitel des IPRG darin bestrebt ist, eine möglichst knappe und liberale Regelung anzubieten, gewährt die höhere Regelungsdichte des 3. Teils der ZPO den Parteien eine grössere Vorhersehbarkeit des Verfahrens. Auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichts widerspiegelt sich die liberale Regelung des IPRG gegenüber der ZPO (siehe dazu nachfolgend Ziff. 1.3.4).

Mit der Einführung der Opting-out-Möglichkeiten in Artikel 353 Absatz 2 ZPO und der spiegelbildlichen Bestimmung in Artikel 176 Absatz 2 IPRG wird den Vertragsparteien darüber hinaus weitgehend erlaubt, das anwendbare Schiedsrecht frei zu wählen. Dieser «offene Dualismus» bringt für die Parteien zusätzliche Gestaltungsfreiheit. Die Kritik, dass aufgrund eines rein formellen Unterscheidungskriteriums zwischen interner und internationaler Schiedsgerichtsbarkeit differenziert wird, überzeugt deshalb nicht. Vielmehr passt der Entwurf einige Bestimmungen der ZPO an die neuen Regelungen im IPRG an (vgl. hinten Ziff. 2.3), mit dem Ziel, dass das Opting-out von der internen in die internationale Schiedsgerichtsbarkeit und umgekehrt nach wie vor im von der Rechtsprechung gesteckten Rahmen möglich bleibt.

1.3.3

Keine Neuregelung der Beziehung zwischen staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten

Die Motion 12.3012 beauftragt den Bundesrat unter anderem, das Anliegen der parlamentarischen Initiative 08.417, nämlich die Beziehung zwischen den staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten, vertieft zu prüfen. Nebst der Prüfung der schiedsgerichtlichen Zuständigkeit kommen den staatlichen Gerichten aber noch weitere Hilfsfunktionen zu (Ernennung, Abberufung, Ablehnung oder Ersetzung der Mitglieder des Schiedsgerichts; Verlängerung der Amtsdauer der Mitglieder des Schiedsgerichts; Zwangsmassnahmen).

Verzicht auf Verankerung der negativen Wirkung des Prinzips der schiedsgerichtlichen Kompetenz-Kompetenz Mit der Schiedsvereinbarung schliessen die Parteien die staatliche Gerichtsbarkeit aus. Wird eine Sache gleichwohl vor einem staatlichen Gericht anhängig gemacht, kann die beklagte Partei eine Schiedseinrede erheben. Das staatliche Gericht hat sich dann mit seiner Zuständigkeit und der Vorfrage der schiedsgerichtlichen Zuständigkeit zu befassen.

Artikel II Ziffer 3 des New Yorker Übereinkommens vom 10. Juni 195832 über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen (NYÜ) sieht vor, dass das staatliche Gericht die Parteien an das Schiedsgericht verweisen muss, es sei denn, die Schiedsvereinbarung ist hinfällig, unwirksam oder nicht erfüllbar. Artikel II Ziffer 3 NYÜ gelangt zur Anwendung, wenn die Schiedsvereinbarung ein Schieds31 32

BBl 2006 7391 f.

SR 0.277.12

7176

BBl 2018

gericht mit Sitz ausserhalb der Schweiz vorsieht.33 Artikel 7 IPRG ist Artikel II Ziffer 3 NYÜ nachgebildet, wenn auch die Bestimmungen inhaltlich nicht identisch sind, und gelangt zur Anwendung, wenn die Schiedseinrede auf ein internationales Schiedsverfahren mit Sitz in der Schweiz gerichtet ist.34 Nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung zu Artikel 7 IPRG hat sich das staatliche Gericht im Falle einer Schiedseinrede auf eine summarische Prüfung der Schiedsvereinbarung zu beschränken, wenn diese ein Schiedsgericht mit Sitz in der Schweiz vorsieht.35 Bezieht sich die Schiedseinrede auf ein Schiedsgericht mit Sitz im Ausland, prüft das staatliche Gericht die Schiedsvereinbarung mit voller Kognition.36 Diese unterschiedliche Behandlung in- und ausländischer Schiedsgerichte führte zur parlamentarischen Initiative 08.417 von Nationalrat Christian Lüscher (vgl. dazu vorne Ziff. 1.1.3). Zwischenzeitlich wurde diese parlamentarische Initiative abgeschrieben, da ihr Anliegen in der Motion 12.3012 und damit im Rahmen dieser Vorlage geprüft wird.37 Das Bundesgericht begründet seine Rechtsprechung damit, dass bei einem Schiedsgericht mit Sitz in der Schweiz später im Rahmen der Anfechtung des Schiedsspruchs die staatliche Rechtsmittelinstanz mit voller Kognition überprüfen kann, ob sich das Schiedsgericht zu Recht für zuständig oder unzuständig erklärt hat (Art. 190 Abs. 2 Bst. b IPRG). Dies trifft nicht zu, wenn einem Schiedsgericht mit Sitz im Ausland Entscheidungspriorität gewährt wird. Die Kontrolle des schiedsgerichtlichen Zuständigkeitsentscheids kommt in diesem Fall einem ausländischen Gericht zu.38 In der Lehre wird mehrheitlich die Ansicht vertreten, dass die Differenzierung in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zwischen Schiedsgerichten mit Sitz in der Schweiz und mit Sitz im Ausland nicht gerechtfertigt sei.39 Eine einheitliche Meinung, welche Lösung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung vorzuziehen ist, konnte bis heute aber nicht gefunden werden. Ein Teil der Lehre plädiert dafür, dass Schiedseinreden unabhängig vom Sitz des Schiedsgerichts sowie auch unabhängig davon, ob es sich um internationale oder Binnenschiedsgerichtsbarkeit handelt, stets frei zu prüfen seien.40 Ein anderer Teil der Lehre verlangt demgegenüber, dass eine 33 34 35 36 37 38

39

40

BGE 121 III 38, E. 2.c; 122 III 139, E. 2.a; BSK IPRG-Berti/Droese, Art. 7, N 4.

BGE 138 III 681, E. 3.1; Urteil 4A_279/2010 vom 25. Oktober 2010, E. 2 BGE 121 III 38, E. 3.b; 122 III 139, E. 2.b; 138 III 681, E. 3.2; Urteil 4A_436/2007 vom 9. Januar 2008, E. 3; Urteil 4C_40/2003 vom 19. Mai 2003, E. 3 BGE 121 III 38, E. 2.b; Urteil 4A_279/2010 vom 25. Oktober 2010, E. 2 AB 2016 N 1189 BGE 121 III 38, E. 2.b; 138 III 681, E. 3.2 vgl. auch Dutoit, Art. 7 N 5; BSK IPRGBerti/Droese, Art. 7, N 8; Bucher, L'examen de la compétence internationale par le juge suisse, in: SJ 2007, S. 153, 177 ff.

Berger/Kellerhals, International and Domestic Arbitration in Switzerland, 3. Aufl., 2015, N 334 ff.; Tschanz, De l'opportunité de modifier l'art. 7 LDIP, in: ASA Bulletin 2010, S. 478 ff.; Liatowithsch, Die Anwendung der Litispendenzregeln von Art. 9 IPRG durch schweizerische Schiedsgerichte: Ein Paradoxon?, ASA Bulletin 2001 S. 422 ff., 434 Fn. 36; Poudret, Exception d'arbitrage et litispendance en droit suisse, in: ASA Bulletin 2007, S. 230 ff., 232­236; Poudret/Besson, Comparative Law of Arbitration, 2. Aufl., 2007, N 502­504; Stellungnahmen der Universitäten Neuenburg, Lausanne und Genf sowie der ASA und der Swiss Chambers auf das Schreiben des Sekretariats der Kommission für Rechtsfragen vom 22. Dezember 2010, 08.417 n Pa.Iv. Lüscher vom 20. März 2008. Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 über das internationale Privatrecht. Änderung von Artikel 7.

Berger/Kellerhals, N 333; Poudret/Besson, N 502 ff. m.w.V.

7177

BBl 2018

Schiedseinrede generell nur einer eingeschränkten Prüfung unterzogen werden soll.41 In der Vernehmlassung haben sich nur wenige Vernehmlassungsteilnehmende ausdrücklich zum Verzicht auf die Verankerung der negativen Wirkung des Prinzips der schiedsgerichtlichen Kompetenz-Kompetenz geäussert.42 In den Stellungnahmen finden sich sowohl zustimmende als auch ablehnende Stellungnahmen. Nach Ansicht des Bundesrates zeigt dies, dass die bundesgerichtliche Rechtsprechung entgegen aller Kritik eine klare Lösung vorgibt und in der Praxis kaum zu Problemen zu führen scheint. Ein Verzicht auf die Verankerung der negativen Wirkung des Prinzips der schiedsgerichtlichen Kompetenz-Kompetenz wird keine negativen Auswirkungen auf den Schiedsplatz Schweiz haben. Angesichts dieses Vernehmlassungsergebnisses hält der Bundesrat eine Änderung von Artikel 7 IPRG nicht für ratsam.

Verzicht auf Schaffung eines nationalen juge d'appui Im Rahmen der Revisionsarbeiten wurde die Idee der Schaffung eines einzigen nationalen und damit zentralisierten juge d'appui geprüft. Befürworter versprechen sich von einem nationalen juge d'appui den Vorteil, dass sich die nötige Sachkunde in der (internationalen) Schiedsgerichtsbarkeit bei einer zentralen Gerichtsinstanz konzentrieren würde und damit einhergehend einen Effizienzgewinn. Auch könnten mit einer nationalen Anlaufstelle für alle Fragen der staatsgerichtlichen Mitwirkung an (internationalen) Schiedsverfahren einige Revisionsanliegen ganz spezifisch gelöst werden (z.B. Zulassung eines allgemeinen Verweises auf den Sitz in der Schweiz).

Den Vorteilen eines schweizweit zuständigen juge d'appui stehen in der konkreten Umsetzung aber erhebliche Nachteile gegenüber. Die Bezeichnung eines einzigen kantonalen Gerichts erschiene aus föderalistischer Sicht problematisch und systemfremd. Auch die Übertragung dieser Funktion an das Bundesgericht fällt ausser Betracht. Das Bundesgericht ist die oberste rechtsprechende Behörde des Bundes (vgl. Art. 188 Abs. 1 BV, Art. 1 Abs. 1 BGG). Die Aufgaben des juge d'appui (Ernennung, Abberufung, Ablehnung und Ersetzung der Mitglieder des Schiedsgerichts; Verlängerung der Amtsdauer; Androhung und Vollstreckung von Zwangsmassnahmen bei vorsorglichen Massnahmen, der Beweiserhebung oder Vollstreckung) weichen grundlegend von dieser Tätigkeit als oberstes
Gericht ab. Dieses muss seine Prüfung grundsätzlich auf Rechtsfragen beschränken können; es dient damit primär der Gewährleistung der einheitlichen Anwendung des Bundesrechts.

41

42

Gaillard, L'effet négatif de la compétence-compétence, in: Etudes de procédure et d'arbitrage en l'honneur de Jean-François Poudret, 1999, S. 387 ff., 393 f.; Gaillard, La reconnaissance, en droit suisse, de la seconde moitié du principe d'effet négatif de la compétence-compétence, in: Liber Amicorum in honour of Robert Briner, 2005, S. 311 ff., 322 f.; Bucher, L'examen de la compétence internationale par le juge suisse, S. 177 ff.; Tschanz, S. 478 ff.; CR LDIP-Tschanz, Art. 7, N 43 ff.

Ausdrücklich zum Verzicht auf eine Revision von Art. 7 IPRG haben sich neun Vernehmlassungsteilnehmende geäussert. Die Mehrheit der Kantone, das Bundesgericht und die Schiedsinstitutionen haben sich zur fehlenden Umsetzung der parlamentarischen Initiative Lüscher nicht vernehmen lassen (der Ergebnisbericht ist einsehbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2017 > EJPD).

7178

BBl 2018

Zur Schaffung eines nationalen juge d'appui wäre damit fast zwangsläufig eine neue, richterliche Instanz zu schaffen.

Einige Vernehmlassungsteilnehmende erachten einen nationalen juge d'appui dennoch als wünschenswert, zumindest für die reine Justizverwaltungstätigkeit (Ernennung, Abberufung, Ablehnung oder Ersetzung der Mitglieder des Schiedsgerichts; Verlängerung der Amtsdauer der Mitglieder des Schiedsgerichts). Sie sind der Ansicht, dass eine zentrale Lösung viele Vorteile bringen würde (z.B. Verwendung der englischen Sprache, Fachkenntnisse, Nutzerfreundlichkeit für ausländische Parteien). In den Stellungnahmen werden dann auch verschiedene Möglichkeiten für eine Umsetzung angedacht, so zum Beispiel die Übertragung der reinen Justizverwaltungstätigkeit an eine bereits bestehende, nicht gerichtliche Organisation.43 Der Bundesrat ist sich der Vorteile eines nationalen juge d'appui durchaus bewusst.

Er ist aber nach wie vor der Ansicht, dass die Schaffung einer neuen Institution aufgrund der geringen Anzahl Fälle44 nicht verhältnismässig ist. Der juge d'appui wird erst dann angerufen, wenn die von den Parteien vereinbarten Regeln versagen, was regelmässig nur bei Ad-hoc-Verfahren der Fall ist. In institutionellen Schiedsverfahren greifen noch vor dem juge d'appui die Regeln der einzelnen Schiedsinstitutionen. Die Übertragung der reinen Justizverwaltungstätigkeit an eine nichtgerichtliche Organisation führt ebenso wenig zu einer befriedigenden Lösung, da die gerichtlichen Aufgaben (Beweisaufnahme, Sicherungsmassnahmen) wiederum vom staatlichen Gericht am Sitz des Schiedsgerichts übernommen werden müssen. Im Ergebnis dürfte dies bei den ausländischen Parteien eher zu weniger Rechtsklarheit führen und dem Ziel der Revision gerade widersprechen. Vor diesem Hintergrund verzichtete der Bundesrat darauf, die Schaffung eines nationalen juge d'appui vorzuschlagen.

1.3.4

Ergebnisse der Vernehmlassung

Im Rahmen der Vernehmlassung haben 19 Kantone, drei politische Parteien sowie 28 Organisationen und weitere Teilnehmende Stellung genommen.45 Allgemein positive Beurteilung Insgesamt fiel die Vernehmlassung überwiegend positiv aus. Die überwiegende Mehrheit begrüsste die Revision und ihre Kernelemente. Zwei private Vernehmlassungsteilnehmende kritisierten, dass der Vorentwurf nur wenig innovativ sei. Ein Vernehmlassungsteilnehmender lehnte die Revision grundsätzlich ab.

Die Vernehmlassungsteilnehmenden begrüssten die Streichung der Verweise auf die ZPO. Die formelle Zulassung einer Schiedsklausel in einem einseitigen Rechts43 44

45

Der Ergebnisbericht ist einsehbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2017 > EJPD.

Gemäss den Abklärungen der ZHAW kam es in den letzten fünf Jahren an den Standorten Genf, Lugano und Zürich zu zwei juge d'appui-Verfahren (Internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, eine Markt- und Regulierungskostenanalyse, S. 41.)

Der Ergebnisbericht ist einsehbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2017 > EJPD.

7179

BBl 2018

geschäft fand ebenfalls Zustimmung. Englische Rechtsschriften vor Bundesgericht zuzulassen, wurde von einigen Vernehmlassungsteilnehmenden begrüsst. Anderen insbesondere dem Bundesgericht ging der Vorschlag zu weit. Ein Grossteil erachtete den Vorschlag als gut schweizerischen Kompromiss.

Die Vernehmlassungsteilnehmenden, unter ihnen insbesondere das Bundesgericht, äusserten Bedenken in Bezug auf die Rechtssicherheit, wenn die formellen Anforderungen an die Schiedsvereinbarung gelockert würden. Die Zulassung der halben Schriftlichkeit wurde mehrheitlich abgelehnt. Auch der Revisionsvorschlag, dass ein Schiedsgericht über seine eigenen Kosten entscheiden kann, ohne einen entsprechenden Revisionsgrund einzuführen, wurde deutlich abgelehnt. Vor diesem Hintergrund hat der Bundesrat entschieden, diese beiden Revisionsanliegen des Vorentwurfs nicht weiter zu verfolgen.

Einige Vernehmlassungsteilnehmende äusserten zudem das Anliegen, die Rügepflicht im Gesetz zu regeln. Auch wurde der Vorschlag vorgebracht, den Zugang von ausländischen Schiedsrichterinnen oder -richtern oder Parteien ausländischer Schiedsverfahren zum schweizerischen juge d'appui für den Erlass vorsorglicher Massnahmen und in Beweiserhebungsverfahren zu erleichtern. Bezüglich der weiteren Elemente der Revision (negative Wirkung des Prinzips der schiedsgerichtlichen Kompetenz-Kompetenz, Geltungsbereich, fehlende Sitzbezeichnung, Mehrparteienschiedssache, Offenlegungspflicht, nachträglich entdeckte Ablehnungsgründe, vorsorgliche und sichernde Massnahmen, Beweisaufnahme, summarisches Verfahren vor dem staatlichen Gericht) wurden Ergänzungsvorschläge eingebracht. Der Entwurf nimmt diese Anliegen weitestgehend auf.

Frage des besonderen Schutzes der Parteien in arbeits- und konsumentenrechtlichen Streitigkeiten Einige Vernehmlassungsteilnehmende hoben hervor, dass die schwächeren Parteien, namentlich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Konsumentinnen und Konsumenten sowie Sportlerinnen und Sportler, in Schiedsverfahren zu wenig geschützt seien.

Betreffend die Situation von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern hat der Bundesrat im Rahmen der Verabschiedung des Berichts «Auswirkungen der Digitalisierung auf Beschäftigung und Arbeitsbedingungen ­ Chancen und Risiken»46 am 8. November 2017 (Postulate 15.3854 Reynard und 17.3222 Derder) entschieden,
dass die Fragen der gerichtlichen Zuständigkeit, des anwendbaren Rechts und der Schiedsgerichtbarkeit im Kontext der Digitalisierung des Arbeitsmarkts aufmerksam zu verfolgen sind (Monitoring) und dass bis 2022 darüber Bericht zu erstatten ist.

Das Bundesgericht hat zudem seine Rechtsprechung bestätigt, wonach eine Schiedsklausel in einem innerstaatlichen Arbeitsvertrag keine umfassende Gültigkeit beanspruchen kann.47 Im Unterschied zu internationalen Verhältnissen, in deren Rahmen grundsätzlich alle vermögensrechtlichen Ansprüche schiedsfähig sind (Art. 177 Abs. 1 IPRG), können nach Artikel 354 ZPO in innerstaatlichen Verhältnissen nur Ansprüche, über welche die Parteien frei verfügen können, einer Schiedsverein46 47

Vgl. Bericht, S. 63 f., 108 (www.seco.admin.ch > Wirtschaftslage & Wirtschaftspolitik > Wirtschaftspolitik > Digitalisierung, zuletzt besucht am 29.06.2018).

Urteil 4A_7/2018 vom 18. April 2018 (zur Publikation vorgesehen).

7180

BBl 2018

barung unterstellt werden. Nicht darunter fallen zwingende arbeitsrechtliche Ansprüche nach Artikel 341 des Obligationenrechts48 (OR) während der einmonatigen Sperrfrist. Mit Blick auf den Arbeitnehmerschutz ist der Hinweis des Bundesgerichts von Bedeutung, dass es nicht zulässig sei, die Einschränkung der Schiedsfähigkeit auf frei verfügbare Ansprüche dadurch zu umgehen, dass ein rein schweizerisches Arbeitsverhältnis durch sog. Opting-out gemäss Artikel 353 Absatz 2 ZPO den Regeln der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit unterstellt wird.49 Auf Arbeitsverträge mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit Wohnsitz im Ausland findet die bundesgerichtliche Rechtsprechung keine Anwendung, sodass daraus entstehende vermögensrechtliche Streitigkeiten nach wie vor umfassend der Schiedsgerichtsbarkeit unterstellt werden können.

Konsumentenverträge sind in der Regel vermögensrechtlicher Natur und damit nach Artikel 177 Absatz 1 IPRG schiedsfähig.50 Da Konsumentinnen und Konsumenten durchaus die wirtschaftlich schwächeren Vertragsparteien sein können und wenig oder keinen Einfluss auf die Ausgestaltung der Verträge, insbesondere der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) haben, besteht eine gewisse Gefahr, dass der Konsumentenschutz im Rahmen eines Schiedsverfahrens umgangen werden könnte.

In der Schweiz wie auch in der Europäischen Union (EU) gelten AGB jedoch als missbräuchlich, wenn sie zum Nachteil der Konsumentinnen und Konsumenten ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und der vertraglichen Pflichten vorsehen.51 Darunter fallen auch AGB, die den Konsumentinnen und Konsumenten die Möglichkeit nehmen, Rechtsbehelfe bei Gericht einzulegen oder sonstige Beschwerdemittel zu ergreifen, insbesondere indem auf ein Schiedsverfahren verwiesen wird.52 In der Schweiz wie auch in der EU besteht also ein Mindestschutz für Konsumentinnen und Konsumenten vor einer missbräuchlichen Schiedsklausel in AGB.

Der Bundesrat ist sich der besonderen Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Konsumentinnen und Konsumenten bewusst. Er hält die aktuelle Gesetzgebung, wie sie vom Bundesgericht angewendet wird, aber für ausreichend und möchte, insbesondere angesichts des laufenden Monitoring, zum heutigen Zeitpunkt auf die Schaffung von Spezialbestimmungen für arbeits- und konsumentenrechtliche Streitigkeiten verzichten.

48 49 50

51

52

SR 220 Urteil 4A_7/2018 vom 18. April 2018, E. 2.2.2. und 2.3.3 Für die Binnenschiedsgerichtsbarkeit wird die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu individualarbeitsrechtlichen Streitigkeiten zu beachten sein. Da im Konsumentenschutzrecht keine zwingenden Bestimmungen analog Artikel 341 OR vorliegen, dürften konsumentenrechtlichen Streitigkeiten auch im nationalen Verhältnis schiedsfähig sein (vgl.

ausführlich dazu Möhler, Konsumentenverträge im schweizerischen Schiedsverfahren mit rechtsvergleichenden Aspekten, 2014, Rz. 275 ff.).

Vgl. Art. 8 Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG, SR 241) sowie Art. 3 Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbrauchersachen (ABl L 95 vom 21.4.1993, S. 29).

Vgl. Anhang Bst. q der Richtlinie 93/13/EWG; die Lehre geht davon aus, dass sich die Auslegung und Anwendung von Art. 8 UWG an Art. 3 Abs. 1 sowie der im Anhang enthaltenen Klauselliste der Richtlinie 93/13/EWG zu orientieren hat (BSK UWGThouvenin, Art. 8, N 76 m.w.V.).

7181

BBl 2018

Besonderheiten der internationalen Sportschiedsgerichtsbarkeit Weil die Unterschiedlichkeit der nationalen Rechtsordnungen zu einer unerwünschten Rechtszersplitterung in der Beurteilung von Sportsachverhalten führt, hat die einheitliche Streitbeilegung durch Schiedsgerichte im organisierten internationalen Sport seit jeher grosse Bedeutung. Die Schweiz ist Sitz diverser Sportdachorganisationen, wie z.B. des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), sowie zahlreicher internationaler Sportverbände wie z.B. der FIFA oder der UEFA. Die meisten internationalen Sportverbände mit Sitz in der Schweiz sind als Vereine im Sinne des ZGB (Art. 60 ff ZGB) konstituiert und unterstehen bezüglich der Organisation, der Durchsetzung der Verbandsregelwerke und der Streiterledigung schweizerischem Recht. Viele dieser Organisationen unterstellen zudem ihre Verträge schweizerischem Recht. Deshalb hat die Schweizer Rechtsordnung für den internationalen Sport überragende Bedeutung.53 Was die Streiterledigung betrifft, sehen Sportorganisationen in der Regel verbandsinterne Streiterledigungsverfahren vor, verweisen aber ausserhalb der vereinsinternen Verfahren ­ bzw. nach deren Ausschöpfung ­ fast ausnahmslos auf den Internationalen Sportgerichtshof (Tribunal Arbitral du Sport, TAS) in Lausanne.

Das TAS wurde 1984 auf Initiative des IOC gegründet. Es beurteilt insbesondere Streitigkeiten aus Spielerverträgen, Disziplinarfragen, Verfahrensfragen etwa bei Spielertransfers und vor allem auch Dopingfälle. Während der Dauer gewisser sportlicher Grossereignisse, wie der Olympischen Spiele oder der Fussball-Weltmeisterschaft, gewährleisten Ad-hoc-Tribunale des TAS rasche, vorläufige Entscheide von Streitfragen, die während der Wettkämpfe auftreten können. Mit seiner Anerkennung durch alle olympischen Verbände und den Weltfussballverband FIFA seit den 2000er-Jahren und mit der Annahme des ­ heute in der revidierten Fassung von 2015 geltenden ­ Welt-Anti-Doping-Code von 2004 erhielt das TAS eine zentrale Schlüsselrolle im Rechtsschutzsystem des internationalen Sports. Seine Rechtsprechung leistet heute einen nicht mehr wegzudenkenden Beitrag zur Verwirklichung des Sportrechts.

Angesichts dieser Bedeutung musste sich das TAS immer wieder mit Kritik an seinem Funktionieren und seiner Struktur auseinandersetzen. So wurde das TAS
als Folge gewichtiger Bedenken des Bundesgerichts54 mit der Reform von 1994 dem «International Council of Arbitration for Sport Matters» (ICAS), einer Stiftung schweizerischen Rechts, unterstellt. Diese entscheidet über die Verwaltung, Finanzierung und die Auswahl der Schiedsrichter, um das TAS vom IOC unabhängig zu machen. Seither anerkennt das Bundesgericht das TAS als echtes, unabhängiges Schiedsgericht, und dies auch bei Verfahrensbeteiligung des IOC55 oder der FIFA56.

Auch wenn es die erweiterte ­ aber nach wie vor geschlossene ­ Schiedsrichterliste des TAS grundsätzlich schützte, signalisierte das Bundesgericht mit dem Hinweis, das TAS sei «sans doute une institution perfectible»57, möglicherweise weiteren Reformbedarf. Dieser wird im Schrifttum der letzten Jahre intensiv, aber kontrovers 53 54 55 56 57

Hügi, Sportrecht, Bern 2015, S. 165.

BGE 119 II 271 BGE 129 III 445 BGE 144 III 120 BGE 129 III 445, S. 463

7182

BBl 2018

erörtert.58 Jüngst hat sich auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zu gewissen Grundsatzfragen geäussert.59 Im Rahmen der Beschwerden eines Berufssportlers und einer Berufssportlerin nahm der Gerichtshof zu Fragen der Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens vor dem TAS sowie der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des TAS und seiner Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter unter dem Gesichtswinkel von Artikel 6 Absatz 1 EMRK Stellung. Der Gerichtshof wies die Beschwerden betreffend die angeblich fehlende Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des TAS ab.60 Demgegenüber hat er in einem Fall eine Verletzung von Artikel 6 Absatz 1 EMRK bejaht, weil das TAS entgegen dem ausdrücklichen Antrag der Berufssportlerin keine öffentliche Anhörung durchgeführt habe.61 Für die Glaubwürdigkeit des weltweiten Sports ist ein hohes rechtsstaatliches Schutzniveau für Athletinnen und Athleten unabdingbar. Dass der Rechtsschutz durch staatliche Gerichte die internationale Gleichbehandlung von Sportlerinnen und Sportlern nicht gewährleisten kann, hat bereits das Bundesgericht festgestellt.62 Ein internationales Sportschiedsgericht, das nach rechtsstaatlichen Standards arbeitet, ist für den weltweit organisierten Sport deshalb unverzichtbar. Der Bundesrat verfolgt die Entwicklungen aufmerksam. Er ist der Auffassung, dass Reformbestrebungen zunächst und vor allem vom TAS selbst, von seiner Trägerstiftung und den betroffenen Verbänden unter Einschluss der Sportlerinnen und Sportler ausgehen müssen.63 Dass das TAS die für die Gleichstellung mit einem staatlichen Gericht erforderliche Unabhängigkeit auch unter sich ändernden Umständen bewahrt, kann zudem vom Bundesgericht im Rahmen von Artikel 190 IPRG überprüft werden. Der Bundesrat hält derzeit die Notwendigkeit für verbindliche Vorgaben durch den Gesetzgeber für nicht gegeben und den Rahmen der vorliegenden Reform für spezifische Anpassungen im Bereich der Sportschiedsgerichtsbarkeit für ungeeignet.

1.3.5

Neuerungen gegenüber dem Vorentwurf

Gestützt auf die Ergebnisse der Vernehmlassung und aufgrund der entsprechenden Überarbeitung unter Beizug der Expertinnen und Experten weist der Entwurf gegenüber dem Vorentwurf die folgenden Neuerungen auf: 58

59

60 61 62 63

Vgl. statt vieler Zen-Ruffinen, La nécessaire réforme du Tribunal Arbitral du Sport, in: Rigozzi/Sprumont/Hafner (Hrsg.), Citius, Altius, Fortius, Mélanges en l'honneur de Denis Oswald, 2012, S. 483 ff.; Brunk, Der Sportler und die institutionelle Sportschiedsgerichtsbarkeit, 2015, S. 237 ff., 262 ff., 275 ff., 305 ff. und 343 ff.

Rechtssache Mutu und Pechstein v. Schweiz (Beschwerden Nr. 40575/10 und 67474/10), Entscheid vom 2. Oktober 2018 (noch nicht endgültig). Der Entscheid der Dritten Kammer ist noch nicht endgültig; innert drei Monaten seit Erlass des Entscheids können die Parteien die Überweisung an die Grosse Kammer beantragen.

Rechtssache Mutu und Pechstein v. Schweiz (Beschwerden Nr. 40575/10 und 67474/10), Entscheid vom 2. Oktober 2018 (noch nicht endgültig), Ziff. 138 ff.

Rechtssache Mutu und Pechstein v. Schweiz (Beschwerden Nr. 40575/10 und 67474/10), Entscheid vom 2. Oktober 2018 (noch nicht endgültig), Ziff. 172 ff.

BGE 144 III 120, S. 126 Die aktuelle Stellungnahme des TAS zur Entscheidung in der Rechtssache Mutu und Pechstein zeigt auf, dass die Hinweise ernst genommen werden und Verbesserungen angestrebt werden (Stellungnahme des TAS vom 02.10.2018, www.tas-cas.org > Latest news and media releases; zuletzt besucht am 02.10.2018).

7183

BBl 2018

­

Verzicht auf die sogenannte halbe Schriftlichkeit: Auf die im Vorentwurf vorgeschlagene Regelung, dass lediglich eine Partei der Schiedsvereinbarung die Form gemäss Artikel 178 Absatz 1 IPRG zu erfüllen hat, wird im Entwurf verzichtet. In der Vernehmlassung wurden diesbezüglich erhebliche Bedenken in Bezug auf die Rechtssicherheit geäussert.

­

Präzisere Regelung von Ernennung und Ersetzung sowie Abberufung im IPRG: Die ausdrückliche Regelung von Ernennung und Ersetzung sowie Abberufung von Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern ist im Entwurf detaillierter und präziser als noch im Vorentwurf.

­

Verzicht auf Neuregelung des Kostenentscheids: Der Revisionsvorschlag, dass ein Schiedsgericht mangels anderslautender Parteivereinbarung über die Höhe und die Verteilung der Kosten des schiedsrichterlichen Verfahrens und der Parteientschädigung entscheiden kann, wurde in der Vernehmlassung deutlich abgelehnt. Die vorgesehene Regelung wird daher nicht in den Entwurf übernommen. Damit bleibt es bei der heutigen Rechtslage.

­

Gesetzliche Verankerung der Rügepflicht: Der Verfahrensgrundsatz, dass Verfahrensmängel unverzüglich zu rügen sind, wird ausdrücklich in den Entwurf aufgenommen (vgl. dazu hinten die Erläuterungen zu Art. 182 Abs. 4 E-IPRG).

­

Zugang des ausländischen Schiedsgerichts oder der Parteien eines ausländischen Schiedsverfahrens zum schweizerischen juge d'appui: Der Entwurf enthält eine neue Gesetzesbestimmung, wonach ein Schiedsgericht mit Sitz im Ausland oder eine Partei eines ausländischen Schiedsverfahrens direkt das staatliche Gericht am Ort, an dem eine vorsorgliche oder sichernde Massnahmen vollstreckt werden soll oder an dem die beatragte Beweiserhebung erfolgen soll, um Mitwirkung ersuchen kann. Der in zeitlicher und formeller Hinsicht aufwendige Weg über die internationale Rechtshilfe in Zivilsachen soll damit für Schiedsverfahren mit Sitz im Ausland entfallen (vgl. dazu ausführlich unter Ziff. 2.1 die Erläuterungen zu Art. 185a E-IPRG).

1.4

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Die vorgeschlagenen Änderungen führen zu keinem Mehraufwand, da eine Zunahme von internationalen Schiedsverfahren in der Schweiz kaum zu einem Mehraufwand der staatlichen Gerichte in der Schweiz führen dürfte, der nicht durch zusätzliche Einnahmen oder Verfahrensvereinfachungen kompensiert würde.

7184

BBl 2018

1.5

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

Die internationale Schiedsgerichtsbarkeit ist in der Schweiz heute ein wichtiges Tätigkeitsgebiet für Anwaltskanzleien, Schiedsinstitutionen, die Beherbergungsbranche, Transportunternehmen, und weitere mehr. Im Wettbewerb zwischen Schiedsplätzen bemühen sich die Gesetzgeber, das Schiedsrecht an die sich ständig ändernden Bedürfnisse des internationalen Geschäftsverkehrs anzupassen und der Schiedsgerichtsbarkeit optimale Rahmenbedingungen zu bieten.64 Die lex arbitri am Sitz des Schiedsgerichts ist dabei ein zentraler Faktor bei der Wahl des Schiedsortes. Sie wirkt sich in verschiedener Hinsicht auf ein Schiedsverfahren aus.65 Vor diesem Hintergrund haben die wichtigen Schiedsplätze ihre Gesetzgebungen in den letzten Jahren modernisiert. Bereits im Jahr 2006 wurde das UNCITRALModellgesetz aktualisiert, um unter anderem die Verwendung moderner Kommunikationsmittel zu ermöglichen und detailliertere Regeln für vorläufige Massnahmen bereitzustellen.66 Mehr als 70 Staaten haben das UNCITRAL-Modellgesetz zur Grundlage ihres Schiedsrechts gemacht.67 Teilweise als Folge davon wurde seither in zahlreichen Ländern das Schiedsrecht weiter reformiert und modernisiert. Revisionen verabschiedet haben kürzlich insbesondere Frankreich (2011)68, Hong Kong (2011), Singapur (2012)69 und Österreich (2013)70. In Schweden und Deutschland sind Revisionsarbeiten im Gange.

Nicht nur die staatlichen Gesetze, auch die Schiedsinstitutionen passen ihre Schiedsordnungen den aktuellen Entwicklungen an. So revidierte die ICC ihre Schiedsordnung 2012 und 2017, um die ICC-Verfahren schneller, kosteneffizienter und transparenter zu gestalten.71 Auch die Swiss Rules wurden 2012 einer Revision unterzogen, mit dem Ziel, Effizienz und Wirtschaftlichkeit weiter zu steigern.72 Diese Entwicklungen zeigen auf, dass eine Überprüfung und Weiterentwicklung des bewährten schweizerischen Schiedsrechts, welches seit 30 Jahren in Kraft ist, auch unter diesem Gesichtspunkt angezeigt erscheint.

64 65 66 67

68 69 70

71

72

Ambauen, Rz. 5.

Kaufmann-Kohler/Rigozzi, International Arbitration, Rz. 2.23; Stacher, Einführung in die internationale Schiedsgerichtsbarkeit der Schweiz, 2015, N 28 f.

United Nations Commission on International Trade Law, UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration 1985 with amendments as adopted in 2006, S. viii.

Vgl. www.uncitral.org > UNCITRAL Texts & Status > International Commercial Arbitration & Conciliation > UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration (1985), with amendments as adopted in 2006 > Status (zuletzt besucht am 29.06.2018).

Décret no 2011-48 du 13 janvier 2011 portant réforme de l'arbitrage, JORF no 0011 du 14 janvier 2011 page 777 texte no 9.

Für Hong Kong und Singapur vgl. Chan, Singapore's International Arbitration Act 2012 vs Hong Kong's Arbitration Ordinance 2011, Kluwer Arbitration Blog, April 5 2012.

Siehe Gesetz vom 7. August 1895 über das gerichtliche Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (Zivilprozessordnung ­ ZPO), RGBl. Nr. 113/1895 idF Schiedsrechts-Änderungsgesetz 2013, BGBl. I Nr. 118/2013.

Ausführlich dazu Sessler/Voser, Die revidierte ICC-Schiedsgerichtsordnung ­ Schwerpunkte, in SchiedsVZ 2012, Heft 3, S. 120 ff.; Trauttenberg/Wong, New ICC Rules effective as of 1 March 2017, Wolf Theiss Client Alert, February 2017.

Ausführlich dazu Zuberbühler/Müller/Habegger, Swiss Rules of International Arbitration ­ Commentary, 2. Aufl., 2013.

7185

BBl 2018

1.6

Umsetzung

Die Revision erfolgt durch die Anpassung mehrerer Bundesgesetze (IPRG, BGG und ZPO). Es bedarf keiner weiteren Umsetzung in Verordnungen. Es ist nicht auszuschliessen, dass die Kantone teilweise ihre Vorschriften zur Gerichtsorganisation in Bezug auf die Tätigkeit der staatlichen Gerichtsbarkeit in Schiedssachen geringfügig anpassen müssen (z.B. betreffend die gesetzliche Verankerung des summarischen Verfahrens für staatliche Hilfsverfahren).

1.7

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Mit der beantragten Neuregelung wird die Motion 12.3012 der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats «Bundesgesetz über das internationale Privatrecht.

Die Attraktivität der Schweiz als internationalen Schiedsplatz erhalten» erfüllt. Es wird daher beantragt, diese Motion als erledigt abzuschreiben.

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

2.1

Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 über das internationale Privatrecht (IPRG)

Ersatz von Ausdrücken / Redaktionelle Änderungen In Übereinstimmung mit der neueren gebräuchlichen Ausdrucksweise insbesondere in der ZPO ist in der deutschen Sprachfassung des gesamten 12. Kapitels des IPRG der bisher verwendete Ausdruck (staatlicher) «Richter» durch (staatliches) «Gericht» zu ersetzen. Dies führt zu Anpassungen in den Artikeln 179, 180, 183, 184, 185 sowie 193 IPRG. In Artikel 176 Absatz 3 IPRG wird zudem «Schiedsrichter» durch «Schiedsgericht» ersetzt. Dabei handelt es sich um rein redaktionelle Änderungen.

Nur den deutschen Text betrifft der Ersatz der nachfolgende Ausdrücke zur Gewährleistung der geschlechterneutralen Sprache: «Schiedsrichter» durch «Mitglied des Schiedsgerichts» (Art. 179, 180 und 181 IPRG), «Präsident» durch «die Präsidentin oder den Präsidenten» (Art. 189 IPRG) und «Einzelschiedsrichter» durch »die Einzelschiedsrichterin oder den Einzelschiedsrichter» (Art. 190 IPRG).

7186

BBl 2018

Art. 176 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 192 Abs. 1 Anknüpfung des Geltungsbereichs des 12. Kapitels des IPRG an Parteien der Schiedsvereinbarung (Art. 176 Abs. 1 und Art. 192 Abs. 1) Während in der Praxis wie auch in der Lehre73 die Auffassung vertreten wird, dass für die Anwendung des 12. Kapitels des IPRG auf die ursprünglichen Vertragsparteien beim Abschluss der Schiedsvereinbarung abgestellt werden soll, hat das Bundesgericht in einem Entscheid ausschliesslich auf die Verhältnisse der späteren Prozessparteien abgestellt.74 Aus dieser Rechtsprechung resultiert, dass das anwendbare Schiedsrecht (ZPO oder IPRG, je nach Sitz, Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt der Parteien) nicht schon bei Abschluss der Schiedsvereinbarung, sondern erst bei Anhebung eines konkreten Verfahrens zwischen bestimmten Parteien feststeht. Gerade bei Verträgen mit mehreren Parteien ist oft nicht vorhersehbar, welche Parteien des Vertrags an einem späteren Rechtsstreit beteiligt sein werden.

Im Interesse der Rechtssicherheit wird der Gesetzeswortlaut von Artikel 176 Absatz 1 IPRG dahingehend ergänzt, dass von den Parteien «der Schiedsvereinbarung» gesprochen wird. Es soll zukünftig ausschliesslich auf die Verhältnisse der Parteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abgestellt werden.

Darüber hinaus wird im Wortlaut von Artikel 176 Absatz 1 E-IPRG der Sitz bei Gesellschaften ausdrücklich aufgenommen. Bis anhin galt bei Gesellschaften im Sinne von Artikel 150 IPRG der Sitz als Wohnsitz. Es handelt sich hierbei lediglich um eine redaktionelle Ergänzung, welche ebenfalls in Artikel 192 Absatz 1 E-IPRG vorgenommen wird. Entgegen dem Vernehmlassungsentwurf ist auch zukünftig nicht alleine auf eine Niederlassung abzustellen.

Einheitliches Formerfordernis (Art. 176 Abs. 2, Art. 192 Abs. 1) Artikel 176 Absatz 2 IPRG räumt den Parteien die Möglichkeit ein, ein internationales Schiedsverfahren nach den Regeln für nationale Schiedsverfahren durchzuführen, das heisst die Anwendung des 12. Kapitels des IPRG zugunsten des 3. Teils ZPO auszuschliessen (Opting-out). Dieser Ausschluss kann in der Schiedsvereinbarung selbst oder durch eine spätere Übereinkunft erfolgen. Artikel 192 Absatz 1 IPRG sieht die Möglichkeit vor, die Anfechtung der Schiedsentscheide vollständig oder teilweise auszuschliessen, wenn keine der Parteien ihren Wohnsitz,
gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz in der Schweiz hat. Der Rechtsmittelverzicht kann in der Schiedsvereinbarung selbst oder in einer späteren schriftlichen Übereinkunft vereinbart werden.

Der Entwurf verdeutlicht, dass für alle Vereinbarungen in einem Schiedsverfahren ein einheitliches Formerfordernis gilt. Als Folge davon wird in den Artikeln 176 Absatz 2 und 192 Absatz 1 E-IPRG die Ausdrücklichkeit gestrichen. In Artikel 192 Absatz 2 E-IPRG wird zudem auf die ausdrückliche Erwähnung der Schriftlichkeit für die spätere Übereinkunft verzichtet. Die Erklärungen für ein Opting-out und 73

74

BSK IPRG-Pfiffner/Hochstrasser, Art. 176, N 8, 36; Orelli, Article 176 PILS, N 21, in: Arroyo (Hrsg.), Arbitration in Switzerland. The Practitioner's Guide, 2013; CR LDIPBucher, Art. 176, N 22; Stacher, N 32; Berger/Kellerhals, N 99 ff.

Urteil 4P.54/2002 vom 24. Juni 2002, E. 3

7187

BBl 2018

einen Rechtsmittelverzicht haben den Anforderungen von Artikel 178 Absatz 1 E-IPRG zu genügen, und zwar unabhängig davon, ob sie in der Schiedsvereinbarung oder in einer späteren Übereinkunft erfolgen.75 Artikel 353 Absatz 2 ZPO regelt spiegelbildlich zu Artikel 176 Absatz 2 IPRG die Voraussetzungen eines Opting-out zugunsten des 12. Kapitels des IPRG. Damit die Parallelität der Bestimmungen im IPRG und in der ZPO für ein gültiges Opting-out aufrechterhalten wird, wird auch Absatz 2 von Artikel 353 E-ZPO angepasst (vgl.

dazu die Erläuterungen hinten unter Ziff. 2.3).

Art. 178 Randtitel, Abs. 1 und Abs. 4 Formerfordernis für Schiedsvereinbarungen (Abs. 1) Nach geltendem Recht ist eine Schiedsvereinbarung formell gültig, wenn die Willenserklärungen der Parteien «schriftlich, durch Telegramm, Telex, Telefax oder oder in einer Form der Übermittlung [erfolgen], die den Nachweis der Vereinbarung durch Text ermöglicht».76 Die Erwähnung von Telegramm und Telex sollte den damaligen «Gepflogenheiten im internationalen Geschäftsverkehr» Rechnung tragen77 und ist heute überholt. Der Entwurf sieht deshalb vor, die kürzere und modernere Regelung von Artikel 358 ZPO («Die Schiedsvereinbarung hat schriftlich oder in einer anderen Form zu erfolgen, die den Nachweis durch Text ermöglicht») auch in Artikel 178 Absatz 1 E-IPRG zu verwenden.

Im Unterschied zum Vorentwurf soll demgegenüber auf eine weitere Lockerung der Formvorschriften durch die Zulassung der sogenannten halben Schriftlichkeit verzichtet werden (vgl. dazu vorne Ziff. 1.3.4 und 1.3.5) Einseitig errichtete Schiedsklausel (Abs. 4) Schiedsgerichtsbarkeit wird typischerweise zwischen zwei oder mehreren Parteien vereinbart. Kollisionsrechtlich besteht aber bereits nach geltendem Recht kein Grund, eine Schiedsklausel in einem einseitigen Rechtsgeschäft (z.B. in Testamenten, Stiftungserrichtungsakten, Preisausschreibungen oder Trusts) vom Verwei-

75

76 77

In der Lehre wird diese Ansicht mehrheitlich vertreten: Orelli, Article 176 PILS, N 29, in: Arroyo (Hrsg.), Arbitration in Switzerland. The Practitioner's Guide, 2013; BSK IPRGPfiffner/Hochstrasser, Art. 176, N 40 f., 45; Berger/Kellerhals, N 107 ff.; Ambauen, Rz. 68 f.; CR LDIP-Bucher, Art. 176, N 31.

Vgl. BGE 119 II 394 E. 3a; BSK IPRG-Gränicher, Art. 178, N 16.

BBl 1983 I 263, 462

7188

BBl 2018

sungsbegriff der Schiedsvereinbarung in Artikel 178 IPRG auszuschliessen.78 Ebenso betrachten die schiedsrechtliche Literatur und die Rechtsprechung gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten grundsätzlich als schiedsfähig und folglich statutarische Schiedsklauseln als zulässig.79 Im Interesse der Rechtssicherheit erscheint es aber angezeigt, diese Frage auf Stufe des Gesetzes zu klären. Dieser Vorschlag fand in der Vernehmlassung deutliche Zustimmung. Entsprechend bestimmt der neue Absatz 4 zu Artikel 178 E-IPRG, dass die Bestimmungen des 12. Kapitels des IPRG sinngemäss gelten für eine Schiedsklausel in einem einseitigen Rechtsgeschäft oder in Statuten oder Verweisen auf eine solche Schiedsklausel. Um die Parallelität von ZPO und IPRG zu erhalten, wird Artikel 358 E-ZPO um einen identischen Absatz 2 ergänzt.

Für die Abgrenzung der Geltung des nationalen oder internationalen Schiedsrechts, für das zu erfüllende Formerfordernis, für die Bestimmung des Schiedsvertragsstatuts und des anwendbaren Rechts sowie auch für das Mandat des Schiedsgerichts gelten die Bestimmungen des 12. Kapitels des IPRG sinngemäss. Der Bundesrat ist daher der Ansicht, dass die bestehenden Bestimmungen den Besonderheiten einer einseitig angeordneten Schiedsklausel gerecht werden und der Erlass weiterer Regelungen nicht erforderlich ist, sondern Lehre und Rechtsprechung überlassen werden können.

Am Beispiel einer Schiedsklausel in einem Testament wird die Umsetzung von Artikel 178 Absatz 4 E-IPRG illustriert: Gemäss Artikel 178 Absatz 2 IPRG richtet sich die Gültigkeit einer Schiedsvereinbarung (oder Schiedsklausel) nach dem von den Parteien bzw. der Partei gewählten, dem auf die Streitsache anwendbaren oder aber nach schweizerischem Recht. Gelangt schweizerisches Recht zur Anwendung, ist eine Schiedsklausel in einem Testament unmittelbar aufgrund von Artikel 178 78

79

BSK IPRG-Gränicher, Art. 178, N 63; Haas/Brosi, Einseitige, insbesondere testamentarische Schiedsklauseln nach der (geplanten) Reform zur Internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, in: ZZPInt 21 (2016), S. 327; Göksu, Schiedsgerichtsbarkeit, 2014, Rz. 529; bezüglich testamentarischer Schiedsklauseln Schlumpf, Testamentarische Schiedsklauseln, 2011, N 206; bezüglich Trusts: Wüstemann/Huber, Trust Arbitration in Switzerland, in: Strong (Hrsg.), Arbitration of Trust Disputes: Issues in National and International Law, 2016, Rz. 17.22 ff.; BSK IPRG-Vogt/Pannatier Kessler, Vor Art. 149a­e, N 204 ff.; Wüstemann, Arbitrating Trust Disputes, in: Arroyo (Hrsg.), Arbitration in Switzerland.

The Practitioner's Guide, 2013, N 18 ff.; Wüstemann, Anglo-Saxon trusts and (Swiss) arbitration: alternative to trust litigation?, in: Trusts & Trustees, 4/2012, S. 343; anderer Ansicht Huber, Gerichtsstands- und Schiedsgerichtswahl in trustrechtlichen Angelegenheiten, 2013, N 356 ff.; bezüglich Stiftungen: Liatowitsch/Fischer, Stiftungen und Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, in: Schurr (Hrsg.), Wandel im materiellen Stiftungsrecht und grenzüberschreitende Rechtsdurchsetzung durch Schiedsgerichte, 2013, S. 229 ff.

Das Bundesgericht geht davon aus, dass eine Schiedsklausel lediglich die verfahrensmässige Behandlung der Streitigkeiten betrifft (BGE 24 II 552 E. 8, S. 565 f.; Urteil 4A_424/2011 vom 2. November 2011, E. 10.1). Insofern stehen gesetzliche Beschränkungen der Leistungspflicht der Gesellschafterin oder des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft einer statutarischen Zuständigkeitsklausel nicht entgegen (Urteil 4A_446/2009 vom 8. Dezember 2009, E. 2.2; BSK IPRG-Gränicher, Art. 178 N 70; BSK ZPO-Girsberger, Art. 357 N 29 und 30a; Kaufmann-Kohler/Rigozzi, Arbitrage International, N 234b; Berti, Some Thoughts on the Validity of Arbitration Clauses in the Articles of Association of Corporations under Swiss Law, ASA Special Series Nr. 8, 1994, S. 120 ff., 122).

7189

BBl 2018

Absatz 4 E-IPRG in Verbindung mit Absatz 2 zulässig.80 Unter welchen Voraussetzungen einer Schiedsklausel in einem Testament Bindungswirkung zukommt, beurteilt sich ebenfalls nach dem gemäss Artikel 178 Absatz 2 IPRG zu bestimmenden Recht. Handelt es sich dabei um schweizerisches Recht, so beurteilt sich die Bindungswirkung nach dem materiellen (schweizerischen) Recht,81 im Fall einer testamentarischen Schiedsklausel also nach den Bestimmungen des Erbrechts.

Die Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit eine testamentarische Schiedsklausel nach materiellem schweizerischem Erbrecht zulässig ist beziehungsweise Bindungswirkung entfaltet, ist nicht Gegenstand der vorliegenden Revision. In allgemeiner Weise kann darauf hingewiesen werden, dass nach verschiedenen (allerdings umstrittenen) Lehrmeinungen nur diejenigen Rechtsbeziehungen einer testamentarischen Schiedsklausel unterliegen, die erst durch die einseitige Erklärung der verfügenden Person (kraft ihrer Autonomie) begründet wurden. Nicht gebunden werden hingegen Personen, die bereits kraft des Gesetzes in einer Rechtsbeziehung zur verfügenden Person stehen.82 Durch eine testamentarische Schiedsklausel können nach schweizerischem Recht also weder Erbschafts- noch Erbengläubigerinnen und -gläubiger gebunden werden.83 Dagegen leiten sowohl Willensvollstrecker als auch gewillkürte Erben, Vermächtnisnehmer oder Auflagenbegünstigte ihre Rechtsposition von der Verfügung der Erblasserin oder des Erblassers ab und sind somit schiedsgebunden.84 In Bezug auf pflichtteilsberechtigte Erben ist zu differenzieren.

Sind Pflichtteilsberechtigte von der Erblasserin oder vom Erblasser nicht bedacht worden, leiten sie auch keinerlei Rechtspositionen von der verfügenden Person ab und es steht ihnen frei, die Schiedsklausel zu akzeptieren oder (durch entsprechende Einrede oder Anfechtung des Testaments vor einem staatlichen Gericht) anzufechten.85 Sind die Pflichtteilsberechtigten hingegen mit einem Erbteil bedacht, so sind sie bezüglich dieses Erbteils schiedsgebunden.86 Im internationalen Schiedsverfahren bestimmt sich das auf erbrechtliche Fragen anwendbare Recht nach Artikel 187 Absatz 1 IPRG (und im Binnenverfahren nach Art. 381 ZPO), welche den allgemeinen Kollisionsregeln von Artikel 90 ff. IPRG vorgehen. Die Befürchtung, dass die Erblasserin oder der Erblasser
durch entsprechende Gestaltung und Planung die gesetzlichen Mindestansprüche der nahen Angehörigen umgehen kann, weil das 12. Kapitel des IPRG sehr viel weitere Rechtswahlmöglichkeiten zulasse als Artikel 90 ff. IPRG, ist unbegründet: Soweit es um ihren Pflichtteilsanspruch geht, sind Pflichtteilsberechtigte nur schiedsgebunden, sofern sie diese Bindung (insbesondere durch Einlassung) anerkennen.87 80 81

82

83 84 85 86 87

Haas/Brosi, S. 332; Picht/Chrobak, S. 233.

BGE 116 Ia 56, E. 3a; Berger/Kellerhals, N 408; Müller, Article 178, N 46, in: Arroyo (Hrsg.), Arbitration in Switzerland. The Practitioner's Guide, 2013; CR LDIP-Tschanz, Art. 178 N. 85; Haas/Brosi, S. 333; Schlumpf, N 244 ff.

BSK IPRG-Gränicher, Art. 178, N 63 m.w.H.; zustimmend Haas/Brosi, S. 336; eher kritisch Picht/Chrobak, S. 237 f.; a.M. Schlumpf, Rz. 341 ff.; BK ZGB-Weimar, Art. 482, N. 17 f.; Künzle, Aktuelle Praxis zur Willensvollstreckung (2009­2010), successio 4/2010, S. 290; siehe betreffend die Situation bei Trusts Huber, N 418.

Schlumpf, N 429 f.; Haas/Brosi, S. 336; BK ZGB-Weimar, Art. 482, N 16.

BSK IPRG-Gränicher, Art. 178, N 64; Schlumpf, N 425 ff.

Perrin, De l'arbitrabilité des litiges successoraux, in: ASA Bulletin 2006, S. 426 f.

Haas/Brosi, S. 337; a.M. Schlumpf, Rz. 341 ff.; BK ZGB-Weimar, Art. 482, N 17 f.

Haas/Brosi, S. 344.

7190

BBl 2018

Was die Frage des anwendbaren Schiedsrechts betrifft, so ist zur Abgrenzung der Geltung des nationalen oder internationalen Schiedsrechts nach Artikel 176 Absatz 1 IPRG auf den Zeitpunkt abzustellen, in welchem die Bindungswirkung eintritt. Bei einem Testament ist dies der Erbfall, nicht etwa die Testamentserrichtung.88 Das Auslanderfordernis für die Geltung des IPRG wäre bei einem Testament also gegeben, wenn die Erblasserin oder der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes ihren, bzw.

seinen Wohnsitz im Ausland hatte.89 Die Gültigkeit einer Schiedsklausel in den Statuten von Personengesellschaften ist unbestritten.90 Auch im Genossenschafts- sowie im Vereinsrecht ist nach schweizerischer Rechtsauffassung eine statutarische Schiedsklausel zulässig.91 Diskutiert wird hingegen, ob eine Schiedsklausel in den Statuten einer Aktiengesellschaft oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung das Verbot gesetzlich nicht vorgesehener Pflichten für Aktionärinnen und Aktionäre tangiert.92 Die vorgeschlagene Revision des schweizerischen Aktienrechts verschafft zumindest für das schweizerische Recht Klarheit und erklärt eine statutarische Schiedsklausel als zulässig.93 Mit der Einführung von Artikel 178 Absatz 4 E-IPRG wird auch die Zulässigkeit einer statutarischen Schiedsklausel aus schiedsrechtlicher Sicht bestätigt.

Art. 179 Ernennung und Ersetzung der Mitglieder des Schiedsgerichts (Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und Abs. 4) Der Entwurf folgt dem Grundsatz, dass das 12. Kapitel des IPRG die internationale Schiedsgerichtsbarkeit der Schweiz abschliessend und ohne Verweise auf andere Gesetze regeln soll (vgl. dazu vorne Ziff. 1.2.3). Entsprechend wird in Absatz 2 Satz 1 der allgemeine Verweis auf die ZPO gestrichen. Neu regelt diese Bestimmung im Verbund mit dem neuen Absatz 4 und dem lediglich in redaktioneller Hinsicht angepassten Absatz 3 die Ernennung und Ersetzung des Schiedsgerichts abschliessend für die Fälle, in denen die Parteien diese Frage nicht selbst geregelt haben. In diesen Fällen können die Parteien das staatliche Gericht anrufen, welches dann die notwendigen Schritte und Vorkehrungen trifft. Die antragstellende Partei hat dabei eine Frist von 30 Tagen seit der Aufforderung an die andere Partei, um einen Schiedsrichter zu bezeichnen oder seit der Aufforderung an die Schiedsrichter eine Präsidentin oder einen Präsidenten zu ernennen, um an das staatliche Gericht zu gelangen. In Absatz 1 wird entsprechend Artikel 360 Absatz 1 Satz 2 ZPO 88

89 90

91 92 93

Breitschmid, Formvorschriften im Testamentsrecht, 1982, S. 73 f.; Kroppenberg, Privatautonomie von Todes wegen, Verfassungs- und zivilrechtliche Grundlagen der Testierfreiheit im Vergleich zur Vertragsfreiheit unter Lebenden, 2008, S. 241; Druey, Grundriss des Erbrechts, 2002, § 9 Rz. 4.

Haas/Brosi, S. 329 f.

Statutarische Schiedsklauseln bedürften der Zustimmung aller Gesellschafter. Später hinzukommende Gesellschafter müssen der Schiedsklausel ebenfalls zustimmen, was in der Praxis häufig durch eine globale oder spezifische Verweisung auf den Gesellschaftsvertrag geschieht (BSK IPRG-Gränicher, Art. 178, N 68).

Mauerhofer, Gültigkeit statutarischer Schieds- und Gerichtsstandsklauseln, in: GesKR 1/2011, S. 26.

Mauerhofer, S. 20 ff.; Böckli, Schweizer Aktienrecht, 2009, § 16 N 149 ff.

Siehe Art. 697n E-OR; BBl 2017 399, 545

7191

BBl 2018

der Grundsatz gesetzlich verankert, dass mangels anderer Parteivereinbarung das Schiedsgericht aus drei Mitgliedern besteht.

Fehlende Sitzbezeichnung oder Sitzbezeichnung Schweiz («Arbitration in Switzerland») (Abs. 2 Satz 2) Der Sitz des Schiedsgerichts bestimmt sich in erster Linie nach der Vereinbarung der Parteien (Art. 176 Abs. 3 IPRG). Sie können den Sitz bereits in der Schiedsvereinbarung oder zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt formlos vereinbaren. Haben die Parteien den Sitz nicht bestimmt, wird er gegebenenfalls von der von ihnen benannten Schiedsinstitution bezeichnet. Zahlreiche Schiedsordnungen enthalten entsprechende Regeln.94 Subsidiär kann auch das Schiedsgericht den Sitz bestimmen.95 Fehlt die Bezeichnung eines Sitzes durch die Parteien und führen auch die alternativen Bezeichnungsmechanismen gemäss Artikel 176 Absatz 3 IPRG nicht zur Bestimmung eines Sitzes, laufen verschiedene Bestimmungen des 12. Kapitels ins Leere. Das gilt zunächst ganz grundsätzlich für den Geltungsbereich des 12. Kapitels, der einen Sitz des Schiedsgerichts in der Schweiz verlangt (Art. 176 Abs. 1 IPRG). Weiter betrifft es alle Bestimmungen des 12. Kapitels, die eine unterstützende Zuständigkeit des staatlichen Gerichts am Sitz des Schiedsgerichts vorsehen (Art. 179 Abs. 2, Art. 180 Abs. 3, Art. 184 Abs. 2, Art. 185, Art. 193 Abs. 1 IPRG).

Nach überwiegender Lehrmeinung liegt in einem solchen Fall keine den Minimalanforderungen genügende Schiedsvereinbarung vor und ein Schiedsverfahren in der Schweiz kann nicht stattfinden.96 Eine Minderheit vertritt jedoch die Auffassung, dass die klagende Partei zumindest in Fällen einer minimalen Bezugnahme auf die Schweiz («Arbitration in Switzerland») ein beliebiges kantonales Gericht anrufen und damit das Schiedsverfahren einleiten könne.97 Vereinzelte Autoren schlagen

94

95 96

97

Z.B. Art. 16 Swiss Rules, Art. 25 Rules of Arbitration and Mediation Vienna International Arbitration Centre (VIAC), Art. 16 Arbitration Rules London Court of International Arbitration (LCIA), § 21 Regeln des Deutschen Instituts für Schiedsgerichtsbarkeit e.V.

(DIS), Art. 20 Arbitration Rules Stockholm Chamber of Commerce (SCC), Art. 14 Arbitration Rules International Chamber of Commerce (ICC), Rule 21 Arbitration Rules Singapore International Arbitration Centre (SIAC).

BSK IPRG-Pfiffner/Hochstrasser, Art. 176, N 25; CR LDIP-Bucher, Art. 176, N 14; Stacher, N 21.

Dutoit, Art. 176, N 9; Bucher/Tschanz, International Arbitration in Switzerland, 1989, S. 33; Walter/Bosch/Brönimann, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, Kommentar zu Kap. 12 des IPR-Gesetzes, 1991, S. 40; Lalive/Poudret/Reymond, Le droit de l'arbitrage interne et international en Suisse, 1989, S. 298; Rüede/Hadenfeldt, Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, 2. Aufl., 1993 und Suppl. 1999, S. 119; Pfisterer/ Schnyder, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, 2010, S. 55, 61; Wenger, Key-Notes ad Art. 176­178 IPRG, in: ASA Bulletin 1992/1, S. 15: Kaufmann-Kohler/Rigozzi, International Arbitration, Rz. 2.20 und 3.22.

Girsberger/Voser, N 621; Stacher, N 24; Kaufmann-Kohler/Rigozzi, When is a Swiss arbitration international? in: Jusletter 7.10.2002, Rz. 311; Berger/Kellerhals, N 756; Besson, L'efficacité de la clause «Arbitrage en Suisse» et de la clause blanche, in: FS Claude Reymond, 2004, S. 17, 25; BSK IPRG-Peter/Legler, Art. 179, N 3.

7192

BBl 2018

zudem vor, dass die Problematik über die sinngemässe Anwendung von Artikel 355 Absatz 2 ZPO zu lösen sei.98 Die überwiegende Lehre muss sich entgegenhalten lassen, dass die Bezeichnung eines Schiedsorts nicht zum wesentlichen Inhalt der Schiedsvereinbarung (sogenannte essentialia negotii) gehört, obwohl das Gesetz in verschiedener Hinsicht am Sitz anknüpft, und dass der Gesetzgeber die Frage, ob ein Schiedsverfahren stattfinden kann bzw. gültig vereinbart wurde, prioritär in die Hände des Schiedsgerichts selbst gelegt hat (Art. 186 Abs. 1 IPRG; sog. Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts). Dass eine Partei bei fehlender Sitzbezeichnung mangels zuständigen staatlichen Gerichts das Schiedsgericht nicht gemäss Artikel 179 Absatz 3 IPRG ernennen lassen kann, ist in diesem Licht eine Lücke im System des 12. Kapitels des IPRG.

Um diese Rechtsunsicherheit zu beseitigen, sieht der Entwurf in Artikel 179 Absatz 2 einen neuen Satz 2 vor. Dieser bestimmt, dass das zuerst angerufene staatliche Gericht zuständig ist, wenn die Parteien keinen Sitz oder lediglich den Sitz in der Schweiz ohne weitergehende Vereinbarung festgelegt haben und nicht in der Lage sind, das Schiedsgericht zu bestellen. Diesem Gericht obliegt als juge d'appui die Ernennung des Schiedsgerichts. Letzteres hat anschliessend gemäss Artikel 176 Absatz 3 IPRG den Sitz zu bezeichnen. Obwohl solche Fälle in der Praxis selten sein dürften, ist die vorgeschlagene Regelung eine wesentliche Ergänzung des 12. Kapitels als moderner lex arbitri, die dem Gedanken des Günstigkeitsprinzips (in favorem validitatis) verpflichtet ist.

Mehrparteienschiedssache (Abs. 5) Eine der Hauptgarantien, die ein Schiedsgericht während des gesamten Verfahrens zu beachten hat und die auch für dessen Konstituierung gilt, ist das Prinzip der Gleichbehandlung der Parteien (Art. 182 Abs. 3 IPRG). Jede Partei hat dementsprechend das Recht, an der Bestellung des Schiedsgerichts in gleichberechtigter Weise mitzuwirken.99 Wenn an einem Schiedsverfahren mehr als zwei Parteien beteiligt sind, kann dies die Einhaltung und Umsetzung des Gleichbehandlungsprinzips bei der Konstituierung des Schiedsgerichts erschweren.100 Der Vorschlag des Bundesrates für eine gesetzliche Regelung stiess in der Vernehmlassung auf deutliche Zustimmung.

Absatz 5 sieht daher neu eine analoge Regelung
zu Artikel 362 Absatz 2 ZPO vor.

Bei einer Mehrparteienschiedssache und bei Fehlen einer Parteivereinbarung bzw.

eines Verweises auf eine Schiedsordnung soll das staatliche Gericht alle Mitglieder des Schiedsgerichts ernennen können. Es handelt sich um eine Kann-Vorschrift. Im Ergebnis wird es demnach dem staatlichen Gericht überlassen, entweder alle Mitglieder des Schiedsgerichts zu ernennen oder eine andere, fallspezifische Lösung zu 98

Art. 355 Abs. 2 ZPO bestimmt, dass im Falle einer fehlenden Sitzbezeichnung als Sitz des Schiedsgerichts dasjenige Gericht zuständig ist, das beim Fehlen einer Schiedsabrede zur Beurteilung der Sache zuständig wäre (vgl. dazu auch BSK ZPO-Weber-Stecher, Art. 355, N 23; CR LDIP-Bucher, Art. 176, N 14).

99 BSK IPRG-Peter/Legler, Art. 179, N 12; CR LDIP-Tschanz, Art. 179, N 22.

100 Dies gilt insbesondere dann, wenn die Schiedsklausel ein Dreiergericht vorsieht und sich zwei oder mehrere Kläger/Beklagte nicht auf eine gemeinsame Parteischiedsrichterin bzw. einen gemeinsamen Parteischiedsrichter einigen können; Kaufmann-Kohler/Rigozzi, International Arbitration, Rz. 4.78.

7193

BBl 2018

finden.101 Dies entspricht der schweizerischen Rechtsprechung, welche die ausschliessliche Ernennung des Parteischiedsrichters der säumigen Partei nicht als Ungleichbehandlung der Parteien erachtet, solange der Schiedsrichter die Anforderungen an die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit erfüllt.102 In der Lehre und im internationalen Schiedswesen wird hingegen auch die Ansicht vertreten, dass das staatliche Gericht immer alle Parteischiedsrichter zu ernennen hat, um dem Gleichbehandlungsgebot zu genügen.103 Der neue Absatz 5 ermöglicht dem staatlichen Gericht, alle Schiedsrichter direkt zu ernennen. In diesem Falle hat keine der Parteien einen (überwiegenden) Einfluss auf die Zusammensetzung. Um einem bloss taktischen Verhalten mehrerer Kläger oder Beklagter entgegenzuwirken, hat das staatliche Gericht aber auch die Möglichkeit, nur den Parteischiedsrichter der säumigen Partei zu ernennen.

Offenlegungspflicht der Mitglieder des Schiedsgerichts (Abs. 6) In Ergänzung des bisherigen Wortlauts und in Übereinstimmung mit der Regelung in Artikel 363 ZPO für die Binnenschiedsgerichtsbarkeit wird neu die Offenlegungspflicht gesetzlich geregelt. Diese ergibt sich bereits nach geltendem Recht aus der Pflicht zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Mitglieder des Schiedsgerichts. Dieser Vorschlag fand auch in der Vernehmlassung eindeutige Zustimmung.

In einem neuen Absatz 6 wird festlegt, dass alle Umstände unverzüglich offenzulegen sind, die berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit einer Person als Mitglied des Schiedsgerichts wecken können. Diese Pflicht gilt während des ganzen Verfahrens, das heisst ab dem Zeitpunkt, an dem einer Person ein Schiedsrichtermandat angetragen wird, bis zum Abschluss eines allfälligen Schiedsverfahrens durch Erlass eines Schiedsspruchs (oder allenfalls dessen Neubeurteilung durch das Schiedsgericht gestützt auf einen entsprechenden Rechtsmittelentscheid).

Art. 180 Randtitel, Abs. 1 Bst. b (betrifft nur den französischen Text) und Bst. c, Abs. 2 und Abs. 3 Redaktionelle Klarstellungen (Randtitel, Abs. 1 Bst. b und c und Abs. 2) Die Änderung in Absatz 1 Buchstabe b betrifft ausschliesslich den französischen Text und bezweckt die Angleichung der Terminologie von IPRG und ZPO.

In Absatz 1 Buchstabe c wird klargestellt, dass nicht nur Zweifel an der
Unabhängigkeit, sondern auch an der Unparteilichkeit eines Mitglieds des Schiedsgerichts einen Ablehnungsgrund darstellen können. Dies entspricht auch ohne ausdrückliche

101 102 103

BBl 2006 7221, 7396; KUKO ZPO-Dasser, Art. 362, N 6; Berger/Kellerhals, N 838.

Urteil P.1703/82 vom 16. Mai 1983 (nicht publiziert) Entscheidung des französischen Kassationsgerichtshofs vom 7. Januar 1992, Siemens AG/BKMI Industrieanlagen GmbH v Dutco Construction Company, in: Rev. arb. 1992, S. 470; vgl. zum Ganzen auch Kaufmann-Kohler/Rigozzi, International Arbitration, Rz.

4.82 f.; Meier, Multi-party Arbitrations, N 54 ff., in: Arroyo (Hrsg.), Arbitration in Switzerland. The Practitioner's Guide, 2013; CR LDIP-Tschanz, Art. 179, N 24; Poudret, Arbitrage multipartite et doit suisse, in: ASA Bulletin 1991, S. 19.

7194

BBl 2018

Erwähnung im Wortlaut dem geltenden Recht104 und auch der Formulierung von Artikel 367 Absatz 1 Buchstabe c ZPO.

Absatz 2 überführt die Rechtsprechung in den Gesetzestext, wonach nicht auf die subjektive Kenntnis einer Partei, sondern auf die bei gebotener Aufmerksamkeit mögliche Kenntnis einer Partei abgestellt wird. Die entsprechende Anpassung erfolgt auch in Artikel 367 Absatz 2 ZPO (vgl. dazu die Erläuterungen hinten unter Ziff. 2.3).

Nachträglich entdeckte Ablehnungsgründe (Abs. 3) Noch unter der Verfahrensordnung des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG)105 bildete die nachträgliche Entdeckung eines Ablehnungsgrundes grundsätzlich keinen Grund für eine Revision eines internationalen Schiedsentscheides vor Bundesgericht.106 Unklar ist, ob unter der Geltung des BGG an der früheren Rechtsprechung festzuhalten ist.107 In der Lehre werden unterschiedliche Ansichten vertreten.108 Der Entwurf klärt diese Frage auf gesetzlicher Ebene. Artikel 180 Absatz 3 E-IPRG sieht neu vor, dass die Bestimmungen über die Revision zur Anwendung gelangen, wenn ein Ablehnungsgrund erst nach Abschluss des Schiedsverfahrens entdeckt wird. Die Anwendung der Bestimmungen über die Revision auf nachträglich entdeckte Ablehnungsgründe ist der einzig wirksame Rechtsbehelf: Die Beschwerde nach Artikel 77 Absatz 1 Buchstabe a BGG in Verbindung mit Artikel 190 IPRG ist bei Entdeckung eines Ablehnungsgrunds nach Ablauf der Beschwerdefrist per Definition unzulässig. Zwar wäre eine Geltendmachung im Rahmen der Vollstreckung des Schiedsspruchs gestützt auf Artikel V NYÜ möglich, jedoch auch nur dann zielführend, wenn überhaupt ein Vollstreckungsverfahren nach NYÜ durchgeführt wird und der Verfahrensmangel vor Ende des Vollstreckungsverfahrens entdeckt wird. Die Abweisung der Vollstreckung lässt den Schiedsspruch aber stets bestehen, ohne dass das Schiedsverfahren erneut eingeleitet werden könnte. Da sich die Problematik nicht nur in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit stellt, wird Artikel 369 ZPO um einen Absatz 6 mit entsprechendem Wortlaut ergänzt (vgl. dazu die Erläuterungen hinten unter Ziff. 2.3).

104

105 106 107 108

BGE 136 III 605, E. 3.2 (mit weiteren Verweisen); siehe auch BSK IPRG-Peter/Brunner, Art. 180, N 11 ff.; Dutoit, Art. 180, N 4; Orelli, Article 180 PILS, N 8, in: Arroyo (Hrsg.), Arbitration in Switzerland. The Practitioner's Guide, 2013; Kaufmann-Kohler/Rigozzi, International Arbitration, Rz. 4.106.

aSR 173.110 (nicht mehr in Kraft) BGE 118 II 199, E. 4; Urteil 4P.104/1993 vom 25. November 1993, E. 2 mit Hinweisen Urteil 4A_234/2008 vom 14. August 2008, E. 2.1; Urteil 4A_528/2008 vom 4. April 2008, E. 2.5; BGE 142 III 521, E. 2.3.5 Keine analoge Anwendung der Bestimmungen des BGG auf Schiedssprüche: Berger/Kellerhals, N 1956 f.; Poncet, Obtaining Revision of «Swiss» International Awards: Where after Thalès? in: SIAR no. 2 (2009), S. 46; Zulassung der Revision auf nachträglich entdeckte Ablehnungsgründe: Poudret/Besson, S. 789 f.; Kaufmann-Kohler/Rigozzi, Arbitrage international, Rz. 859; Besson, Le recours contre la sentence arbitrale internationale selon la nouvelle LTF, in: ASA Bulletin 2007, S. 26; Girsberger/Voser, N 1663; Kaufmann-Kohler/Rigozzi, International Arbitration, 8.214.

7195

BBl 2018

Art. 180a Ablehnungsverfahren Im neuen Artikel 180a wird das Ablehnungsverfahren neu und detaillierter, und insbesondere ohne Bezugnahme auf die ZPO geregelt. Inhaltlich lehnt sich die Regelung an diejenige der Binnenschiedsgerichtsbarkeit (Art. 369 ff. ZPO) an.

Haben die Parteien nichts anderes vereinbart, so hat die antragstellende Partei innert 30 Tagen109 seit Kenntnis des Ablehnungsgrundes dem abgelehnten Mitglied des Schiedsgerichts sowie den übrigen Mitgliedern des Schiedsgerichts ihr Begehren mitzuteilen (Abs. 1). Beginnend mit der Mitteilung des Ablehnungsgrundes läuft eine Frist von 30 Tagen, innert der die antragstellende Partei einen Entscheid des staatlichen Gerichts verlangen kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das abgelehnte Mitglied des Schiedsgerichts seine Ablehnung bestreitet oder aber auf das Ablehnungsbegehren nicht reagiert. Das staatliche Gericht entscheidet endgültig (Abs. 2). Vorbehaltlich anderer Parteivereinbarung kann das Schiedsgericht während des Ablehnungsverfahrens das Hauptverfahren bis und mit Entscheidung in seiner ursprünglichen Besetzung das Verfahren fortsetzen (Abs. 3).

Art. 180b Abberufung Im neuen Artikel 180b wird die Abberufung eines Mitglieds des Schiedsgerichts geregelt.

Entsprechend dem Primat der Parteiautonomie kann ein Mitglied des Schiedsgerichts durch Vereinbarung der Parteien jederzeit und voraussetzungslos abberufen werden (Abs. 1). Eine einseitige Abberufung ist nicht möglich. Die Zustimmung aller Parteien ist erforderlich.

Ein Mitglied des Schiedsgerichts kann unter bestimmten Voraussetzungen auch auf Antrag einer Partei abberufen werden. Absatz 2 regelt das entsprechende Verfahren.

Der Antrag auf Abberufung ist innert 30 Tagen seit Kenntnis des Abberufungsgrundes schriftlich und begründet beim staatlichen Gericht zu stellen. Dieses entscheidet endgültig (Abs. 2).

Art. 181 Als redaktionelle Bereinigung soll nicht mehr von den «Schiedsrichtern» bzw. vom «Schiedsrichter», sondern von den «Mitgliedern des Schiedsgerichts» bzw. vom «Mitglied des Schiedsgerichts» gesprochen werden. Zudem wird die Terminologie dem vorhergehenden Artikel 179 Absatz 4 E-IPRG angepasst, und das Wort «Bil-

109

Die im Vorentwurf vorgesehenen 30 Tage entsprechen einem international verbreiteten Standard (folgende Rechtsordnungen sehen eine Frist von 30 Tagen vor: Art. 369 Abs. 2 ZPO, § 589 Abs. 2 ZPO Österreich, Art. 1451 Abs. 3 Code de procédure civil français; ältere Rechtsordnungen sehen z.T. eine Frist von 14 bzw. 15 Tagen vor: § 1037 Abs. 2 ZPO Deutschland, Art. 13. Abs. 2 UNCITRAL-Modellgesetz).

7196

BBl 2018

dung» durch «Bestellung» ersetzt. Es handelt sich auch hier lediglich um eine redaktionelle Änderung.

Art. 182 Abs. 1 und Abs. 4 Redaktionelle Bereinigung (Abs. 1) In Artikel 182 Absatz 1 E-IPRG wird als redaktionelle Bereinigung der Ausdruck «schiedsrichterliches Verfahren» durch «schiedsgerichtliches Verfahren» ersetzt.

Materiell entspricht die Regelung dem geltenden Recht.

Rügepflicht (Abs. 4) Eine Verletzung der verfahrensrechtlichen Mindeststandards kann im Anfechtungsverfahren geltend gemacht werden (Art. 190 Abs. 2 Bst. d IPRG). Dies allerdings nur, wenn sie im Schiedsverfahren sofort gerügt worden sind.110 Nach bewährter bundesgerichtlicher Rechtsprechung verstösst es gegen Treu und Glauben, wenn ein Verstoss gegen die Verfahrensregeln im Schiedsverfahren nicht gerügt und erst im Anfechtungsverfahren geltend gemacht wird.111 Im Sinne der Rechtssicherheit ist es angebracht, diesen fundamentalen Verfahrensgrundsatz direkt im Gesetz zu verankern. Artikel 182 IPRG wird daher um einen neuen Absatz 4 ergänzt. Danach kann eine Partei, die das Schiedsverfahren fortsetzt, ohne einen erkannten oder bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennbaren Verstoss gegen die Verfahrensregeln unverzüglich zu rügen, diesen im laufenden Schiedsverfahren und sowie auch im Anfechtungsverfahren nicht mehr geltend machen. Dies entspricht im übrigen der geltenden Rechtslage und der entsprechenden Bestimmung in Artikel 373 Absatz 6 ZPO für die Binnenschiedsgerichtsbarkeit.

Art. 183 Abs. 2 Vorsorgliche und sichernde Massnahmen Die von einem Schiedsgericht angeordnete vorsorgliche oder sichernde Massnahme ist für die betroffene Partei verbindlich. Da das Schiedsgericht über keine Zwangsmittel verfügt, um die Vollstreckung seiner Massnahme selbst durchzusetzen, bleibt die Nichtbeachtung der vorsorglichen oder sichernden Massnahme durch die betroffene Partei ohne Folge (sogenannte lex imperfecta). Nach geltendem Recht kann das Schiedsgericht daher das staatliche Gericht um Mitwirkung ersuchen.

110

Urteil 4A_150/2012 vom 12.7.2012; Urteil 4A_348/2009 vom 6.1.2010; Urteil 4A_234/2010 vom 29.10.2010 111 BGE 135 III 334; 130 III 66; 126 III 249; 116 II 639; 119 II 386; Urteil 4A_107/2012 vom 20.2.2013; Urteil 4A_312/2012 vom 1.10.2012; Urteil 4A_424/2011 vom 2.11.2011; ausführlich dazu CR LDIP-Bucher, Art. 182, N 40; BSK IPRG-Schneider/Scherer, Art. 182, N 71.

7197

BBl 2018

Nach der überwiegenden Lehre kommt diese Befugnis auch den Parteien eines Schiedsverfahrens zu.112 Der Entwurf nimmt daher in Absatz 2 ausdrücklich auf, dass das Schiedsgericht oder eine Partei das staatliche Gericht um Mitwirkung ersuchen können. Dies ist sachrichtig, da die von der Massnahme begünstigte Partei grundsätzlich einen eigenen Anspruch auf deren Vollstreckung hat. Zudem ist die Massnahmenkompetenz des Schiedsgerichts ohne abweichende Parteivereinbarung keine ausschliessliche. Die Parteien können jederzeit das zuständige staatliche Gericht um den Erlass von einstweiligen Rechtsschutzmassnahmen ersuchen.113 Art. 184 Abs. 2 und Abs. 3 Beweisaufnahme Nach Artikel 184 Absatz 2 IPRG kann das staatliche Gericht am Sitz des Schiedsgerichts um Mitwirkung bei der Durchführung des Beweisverfahrens ersucht werden, wenn staatliche Rechtshilfe erforderlich ist. Das angerufene staatliche Gericht wendet grundsätzlich sein eigenes Recht an, ohne dass dies heute direkt aus dem Gesetzeswortlaut hervorgeht. Daraus ergibt sich, dass die abzunehmenden Beweismittel und das dabei zu beachtende Verfahren dem Verfahrensrecht des ersuchten Gerichts entsprechen müssen.114 Bereits heute ist jedoch anerkannt, dass im Rahmen von Artikel 11a Absatz 2 und 3 IPRG auch ausländische Verfahrensformen angewandt oder berücksichtigt werden können.115 Der neue Absatz 3 hält entsprechend dem geltenden Recht in Satz 1 die grundsätzliche Anwendung des eigenen Rechts fest. Sodann nimmt er in Satz 2 neu den Inhalt von Artikel 11a Absatz 2 und 3 IPRG ausdrücklich auf und erweitert diesen auf die Beweisformen des Schiedsverfahrens allgemein. Sind in der Schiedsvereinbarung also ausländische oder auch eigene Beweisformen und allgemein Verfahrensformen vereinbart worden, so kann das staatliche Gericht diese auf Antrag auch im staatlichen Beweisverfahren nach eigenem Ermessen anwenden oder berücksichtigen.

Art. 185a Mitwirkung des staatlichen Gerichts bei ausländischen Schiedsverfahren Ein Schiedsgericht hat keine hoheitliche Gewalt und kann daher auch keine Zwangsmassnahmen ausüben. Bei seinen Anordnungen, seien dies Beweisverfügungen oder 112

BSK IPRG-Mabillard, Art. 183, N 16; BSK ZPO-Habegger, Art. 374, N 42; CPCSchweizer, Art. 374, N 18; KUKO ZPO-Dasser, Art. 374, N 8; a.M. ZK-Vischer, Art. 183 IPRG, N 6 f.; CHK-Schramm/Furrer/Girsberger, Art. 182­186 IPRG, N 20; CR LDIPBucher, Art. 183, N 6, Stacher, N 370; Boog, Article 183 PILS, N 36, in: Arroyo (Hrsg.), Arbitration in Switzerland. The Practitioner's Guide, 2013; a.A. Berger/Kellerhals, N 1267.

113 BSK IPRG-Mabillard, Art. 183, N 16; Kaufmann-Kohler/Rigozzi, International Arbitration, Rz. 6.95 f.

114 BSK IPRG-Schneider/Scherer, Art. 184, N 61; Rüede/Hadenfeldt, S. 267; Lalive/Poudret/Reymond, S. 149.

115 CR LDIP-Bucher, Art. 184, N 15; BSK IPRG-Schneider/Scherer, Art. 184, N 61; Veit, Article 184 PILS, N 77, in: Arroyo (Hrsg.), Arbitration in Switzerland. The Practitioner's Guide, 2013; Berger/Kellerhals, N 1366.

7198

BBl 2018

vorsorgliche Massnahmen, ist es auf die Bereitschaft der Beteiligten, sich freiwillig daran zu halten, oder aber auf die Mitwirkung des staatlichen Gerichts angewiesen (vgl. Art. 183185 IPRG).

Ist die staatliche Rechtshilfe im Wirkungsbereich des angerufenen staatlichen Gerichts zu erbringen, kann es diese selbst durchführen. Befinden sich der Sitz des Schiedsgerichts und der Wirkungsbereich des angerufenen staatlichen Gerichts nicht im selben Staat, ist hingegen die internationale Rechtshilfe erforderlich. Wie bei Gerichtsverfahren vor einem staatlichen Gericht gelangen dabei das Übereinkommen vom 25. Oktober 1980116 über den internationalen Zugang zur Rechtspflege, vom 1. März 1954117 über den Zivilprozess und vom 18. März 1970118 über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen sowie die diversen bilateralen Abkommen zur Anwendung.119 Den Schiedsgerichten wird via juge d'appui zwar der Zugang zum staatlichen internationalen Rechtshilfesystem eröffnet, die Verfahren können je nach Staat jedoch erhebliche Zeit in Anspruch nehmen.120 Verschiedene Vernehmlassungsteilnehmende haben daher eine entsprechende Bestimmung für ausländische Schiedsgerichte und -verfahren angeregt. Nach dem Vorschlag des Bundesrats soll daher der neue Artikel 185a E-IPRG einem Schiedsgericht mit Sitz im Ausland oder einer Partei eines ausländischen Schiedsverfahrens ermöglicht werden, direkt das schweizerische staatliche Gericht am Ort, an dem eine vorsorgliche oder sichernde Massnahme vollstreckt werden oder eine beantragte Beweisaufnahme erfolgen soll, um Mitwirkung zu ersuchen. Die Artikel 183 Absätze 2 und 3 sowie Artikel 184 Absätze 2 und 3 IPRG, welche die Mitwirkung des staatlichen Gerichts auf Ersuchen eines internationalen Schiedsgerichts mit Sitz in der Schweiz oder einer Partei eines schweizerischen Schiedsverfahrens regeln, gelangen sinngemäss zur Anwendung (Art. 185a Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 E-IPRG).

Art. 187 Abs. 1 (betrifft nur die deutsche und italienische Sprachfassung) Die Bestimmung soll in der deutschen Sprachfassung in Bezug auf das «gewählte Recht» an den geltenden französischen Gesetzestext angepasst werden, der von «gewählten Rechtsregeln» spricht. Anerkanntermassen gibt hier der französische Gesetzestext den Willen des Gesetzgebers präziser wieder, denn im Schiedsverfahren soll nicht nur eine staatliche Rechtsordnung gewählt, sondern auch die Anwen-

116 117 118 119

SR 0.274.133 SR 0.274.12 SR 0.274.132 BSK IPRG-Mabillard, Art. 184, N 55, 63; Göksu, Schiedsgerichtsbarkeit, 2014, Rz. 322; Berger/Kellerhals, N 1368.

120 Vgl. die durchschnittlichen Verfahrensdauern im Rechtshilfeführer (www.rhf.admin.ch > Rechtshilfeführer > Länderindex; zuletzt besucht am 29.06.2018).

7199

BBl 2018

dung nichtstaatlicher Rechtsregeln vereinbart werden können.121 Dies stimmt auch mit Artikel 381 Absatz 1 Buchstabe a ZPO überein.

Art. 189a Gesetzliche Regelung von Berichtigung, Erläuterung und Ergänzung Berichtigung, Erläuterung und Ergänzung sind eigene Rechtsbehelfe, über die in erster Linie das Schiedsgericht entscheidet. Sie schaffen Abhilfe in Fällen unklarer, unvollständiger oder mit Redaktionsfehlern behafteter Entscheide. Auch wenn bis anhin eine ausdrückliche Regelung fehlt, halten Rechtsprechung und Lehre die Berichtigung, Erläuterung und Ergänzung von Schiedssprüchen auch in internationalen Schiedsverfahren für zulässig.122 Im Sinne der Rechtssicherheit wird mit dem neuen Artikel 189a E-IPRG die gelebte Praxis kodifiziert. Dies stiess in der Vernehmlassung auf deutliche Zustimmung.

Die Erläuterung des Schiedsentscheides bezweckt, Unklarheiten im Dispositiv zu beseitigen.123 Die Berichtigung dient zur Bereinigung von Redaktions- oder Rechenfehlern.124 Demgegenüber kann eine Ergänzung verlangt werden, wenn das Schiedsgericht nicht sämtliche Rechtsbegehren beurteilt hat.125 Heisst das Schiedsgericht das Begehren um Erläuterung oder Berichtigung gut, wird das Dispositiv des Schiedsentscheids durch den Erläuterungs- oder Berichtigungsentscheid ergänzt und unterliegt insofern der Anfechtung gemäss Artikel 190 Absatz 2 IPRG.126 Mit der Ergänzung erhält das Schiedsgericht die Möglichkeit, einen zusätzlichen Schiedsentscheid über Ansprüche zu erlassen, die im Schiedsverfahren geltend gemacht, aber nicht behandelt worden sind. Das Schiedsgericht kann eine Berichtigung, Erläuterung oder Ergänzung von sich aus oder auf Antrag einer Partei vornehmen, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben. Die Frist beträgt 30 Tage seit Eröffnung, also der förmlichen Zustellung des Schiedsentscheids. Aus Gründen der Prozessbeschleunigung wird für die internationale Schiedsgerichtsbarkeit bewusst auf eine analoge Regelung zur Binnenschiedsgerichtsbarkeit in der ZPO127 mit einer

121

122

123 124 125 126 127

Vgl. auch Art. 28 Abs. 1 UNCITRAL Model Law; Prinzip I.3 Prinzipien über die Rechtswahl in internationalen kommerziellen Verträgen (www.hcch.net > Instrumente > Übereinkommen > 40. Prinzipien über die Rechtswahl in internationalen kommerziellen Verträgen; zuletzt besucht am 22.05.2018); vgl. dazu auch BSK IPRG-Karrer, Art. 187, N 17, 88; Burckhardt, Article 187 PILS, N 9, in: Arroyo (Hrsg.), Arbitration in Switzerland.

The Practitioner's Guide, 2013.

BGE 126 III 524, E 2; Urteil 4P.154/2005 vom 10. November 2005, E. 1.2; BGE 131 III 164, E 1.1; vgl. auch BSK IPRG-Wirth, Art. 189, N 75; BSK IPRG-Pfisterer, Art. 190, N 98; CHK-Furrer/Girsberger/Schramm, Art. 190­192 IPRG, N 21; CR LDIP-Bucher, Art.

191, N 73; Stacher, N 479 ff.; Kaufmann-Kohler/Rigozzi, International Arbitration, Rz.

7.192; Berger/Kellerhals, N 1521.

Z.B. unklare Parteibezeichnungen (BGE 130 III 125, E 2.3).

Z.B. einer falschen Zahl oder eines falschen Datums (BGE 131 III 164, E 1.1).

Stacher, N 482; Berger/Kellerhals, N 1535 ff.; Kaufmann-Kohler/Rigozzi, International Arbitration, Rz. 7.196.

BGE 131 III 164, E 1.2.3; BGE 137 III 85, E 1.2; CR LDIP-Bucher, Art. 191, N 74.

Art. 388 Abs. 2 ZPO sieht eine relative Frist von 30 Tagen seit Entdecken des Fehlers oder der erläuterungs- oder ergänzungsbedürftigen Teile des Schiedsspruches und eine absolute Frist von einem Jahr seit Zustellung des Schiedsspruches vor.

7200

BBl 2018

relativen und einer absoluten Frist (30 Tage bzw. 1 Jahr) verzichtet und auf den internationalen Standard abgestellt.128 Da es sich bei der Berichtigung, Erläuterung und Ergänzung nur um Rechtsbehelfe handelt, hemmt ein entsprechender Antrag die Rechtsmittelfrist nicht.129 Ist eine Partei durch den Ausgang des Berichtigungs-, Erläuterungs- oder Ergänzungsverfahrens beschwert, so läuft für sie bezüglich dieses Teils des Entscheids eine neue Rechtsmittelfrist (Abs. 2).130 Art. 190 Randtitel, Abs. 4, Art. 190a, Art. 192 Abs. 1 Gesetzliche Regelung der Beschwerdefrist im IPRG (Art. 190 Abs. 4) Die Frist für die Anfechtung von Entscheiden der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit beim Bundesgericht ergibt sich aus Artikel 100 Absatz 1 BGG. Das 12. Kapitel des IPRG regelt die Beschwerdefrist bisher nicht.

Innert welcher Frist ein Schiedsentscheid angefochten werden kann, ist für die Parteien des Schiedsverfahrens wesentlich. Im Sinne der Benutzerfreundlichkeit soll die Beschwerdefrist einer Anregung in der Vernehmlassung folgend auch im 12. Kapitel des IPRG gesetzlich verankert werden. Artikel 190 IPRG wird entsprechend um einen Absatz 4 ergänzt. Die Frist beträgt 30 Tage ab Eröffnung, also der förmlichen Zustellung des Schiedsentscheids. Vorbehalten bleiben die Bestimmungen über den Rechtsstillstand (Art. 46 BGG).

Gesetzliche Regelung der Revision (Art. 190a und Art. 192 Abs. 1) Das ausserordentliche Rechtsmittel der Revision bezweckt eine Korrektur rechtskräftiger Entscheide bei nachträglicher Entdeckung neuer Tatsachen und Beweismittel sowie Einwirkung durch strafbare Handlungen. Das 12. Kapitel des IPRG enthält keine Bestimmung zur Revision von Schiedsentscheiden. Nach ständiger Rechtsprechung und Lehre ist aber unbestritten, dass auch gegen internationale Schiedsentscheide das Rechtsmittel der Revision zur Verfügung steht.131

128

Art. 33 Abs. 1 UNCITRAL Model Law; § 1058 Abs. 2 Deutsche ZPO; § 610 Abs. 1 Österreichische ZPO; Art. 35­37 Swiss Rules on International Arbitration; Art. 41 und 42 SCC; Art. 27 LCIA (28 Tage); Art. 35 Ziff. 1 und 2 ICC Arbitration Rules; Art. 39 Abs. 1 VIAC; Art. 37.2 DIS.

129 BGE 131 III 164, E 1.2.4; 130 III 755, E 1.3 130 Gränicher, Art. 388, N 9, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, ZPO Komm., 3. Aufl., 2016; KUKO ZPO-Dasser, Art. 388, N 11 f.

131 BGE 142 III 521, E. 2.1; BGE 134 III 286, E 2; 129 III 727, E 1; 118 II 199, E 2 und 3; vgl. auch BSK IPRG-Pfisterer, Art. 190, N 94; Rigozzi/Schöll, Die Revision von Schiedssprüchen nach dem 12. Kapitel des IPRG, ZSR Beiheft 37, 2002, S. 9 ff.; Briner, Die Anfechtung und Vollstreckung des Schiedsentscheides, in: Böckstiegel (Hrsg.), Die Internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz (II), 1989, S. 109; Walter, Die internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz ­ Offene Fragen zu Kap. 12 des IPRGesetzes, ZBJV 1990, S. 180 f.; CR LDIP-Bucher, Art. 191, N 60 ff.; Stirnimann, Revision of Awards, N 1, in: Arroyo (Hrsg.), Arbitration in Switzerland. The Practitioner's Guide, 2013; Kaufmann-Kohler/Rigozzi, International Arbitration, Rz. 8.207.

7201

BBl 2018

Die Revisionsgründe und das Revisionsverfahren richten sich dabei sinngemäss nach den Artikeln 123 und 124 BGG.132 Im Sinne der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nimmt der Entwurf die Revision ausdrücklich auf und regelt die Revisionsgründe sowie das Verfahren entsprechend der bundesgerichtlichen Rechtsprechung in einem neuen Artikel (Art. 190a E-IPRG). Dementsprechend ist die Revision auch in den Randtitel von Artikel 190 E-IPRG aufzunehmen. In diesem Zusammenhang ist auch das Verfahren vor dem Bundesgericht zu regeln (vgl. Art. 119b E-BGG und dazu die Erläuterungen unter Ziff. 2.2 hinten).

Nach geltendem Recht nicht geklärt ist die Frage, ob in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit zum Voraus rechtsgültig auf die Revision verzichtet werden kann.

Die Frage wurde vom Bundesgericht bislang offen gelassen,133 wenngleich die Anerkennung einer Revisionsmöglichkeit gerade mit dem Argument begründet wurde, dass eine klare Verletzung fundamentaler Verfahrensprinzipien dann bestehen, wenn trotz des Vorliegens von Revisionsgründen keine Möglichkeit einer nachträglichen Überprüfung bestehe.134 In der Lehre wird demgegenüber teilweise argumentiert, wenn das Gesetz es zulasse, dass im Rahmen eines Rechtsmittelverzichts selbst auf die Rüge von Verstössen gegen den ordre public verzichtet werden könne, müsse auch ein Verzicht auf die Revision möglich sein.135 Für die Zukunft soll hier bewusst und in Analogie zur Beschwerde ein Mittelweg gewählt werden: Hat keine der Parteien Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz, so können die Parteien durch eine Erklärung in der Schiedsvereinbarung oder in einer späteren Übereinkunft die Revisionsmöglichkeit für die Revisionsgründe der nachträglich entdeckten neuen erheblichen Tatsachen oder Beweismittel sowie der Entdeckung eines Ablehnungsgrundes erst nach Abschluss des Verfahrens (Art. 190a Abs. 1 Bst. a und c und Art. 192 Abs. 1 E-IPRG) im Voraus ausschliessen. Demgegenüber nicht zulässig ist der Verzicht auf eine Revision, wenn ein Strafverfahren ergeben hat, dass durch ein Verbrechen oder ein Vergehen zum Nachteil der betreffenden Partei auf den Schiedsentscheid eingewirkt wurde (Art. 190a Abs. 1 Bst. b und Art. 192 Abs. 1 E-IPRG).

Art. 191 Rechtsmittelinstanz und Verweis auf die Rechtsmittelverfahren vor Bundesgericht Artikel 191 E-IPRG
wird dahingehend ergänzt, dass das Bundesgericht nicht nur Beschwerde-, sondern der bisherigen Praxis entsprechend allgemein Rechtsmittelinstanz ist (Randtitel und Gesetzestext). Darüber hinaus wird im Gesetzestext auf 132

BGE 134 III 286, E 2.1; 118 II 199, E 4; Stacher, N 472; Kaufmann-Kohler/Rigozzi, International Arbitration, Rz. 8.215, 8.218 ff.; CR LDIP-Bucher, Art. 191, N 63 ff.

133 Urteil 4P.265/1996 vom 2 Juli 1997, E. 1a; Urteil 4A_144/2010 vom 28. September 2010, E. 2.1; Urteil 4A_368/2009 vom 13. Oktober 2009, E. 2 134 BGE 118 II 199, E. 2a, cc 135 Berger/Kellerhals, N 1813; Müller, Das Schweizerische Bundesgericht revidiert zum ersten Mal einen internationalen Schiedsspruch: Eine Analyse im Lichte des neuen Bundesgerichtsgesetzes, in: SchiedsVZ 2007, S. 64 ff., 69 f.; Krausz, Waiver of Appeal to the Swiss Federal Tribunal: Recent Evolution of the Case Law and Compatibility with ECHR, Article 6, in: Journal of International Arbitration 2011, S. 137 ff., 152 f.; Ruch, Zum Rechtsmittelverzicht in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 2013, S. 53.

7202

BBl 2018

den neuen Artikel 119b E-BGG verwiesen, welcher das Revisionsverfahren vor Bundesgericht regelt (vgl. dazu hinten unter Ziff. 2.2).

Art. 193 Abs. 1 und 2 Redaktionelle Änderungen Die Bestimmungen werden in Übereinstimmung mit der sonstigen Terminologie angepasst, indem einheitlich vom «staatlichen Gericht» die Rede ist. Bereits aufgrund der Regelung im IPRG ergibt sich, dass die Hinterlegungsmöglichkeit nur bei einem schweizerischen Gericht vorgesehen werden kann.

Übergangsrecht In Bezug auf die internationale Schiedsgerichtsbarkeit wird in der Lehre diskutiert, ob die Übergangsbestimmungen von Artikel 196199 IPRG für das 12. Kapitel des IPRG überhaupt zur Anwendung gelangen136 oder ob von den allgemeinen intertemporalrechtlichen Bestimmungen des Prozessrechts auszugehen ist.137 Es wird hingegen ebenso argumentiert, dass eine Auslegung der Artikel 196 ff. IPRG zum selben Resultat führt wie der Rückgriff auf die allgemeinen intertemporalrechtlichen Grundsätze,138 weshalb in Bezug auf das Übergangsrecht die Artikel 196199 IPRG zumindest sinngemäss zur Anwendung gelangen.

Bezugnehmend auf die vorliegende Revision sollen die neuen Bestimmungen mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Anwendung gelangen. Da Schiedsvereinbarungen zu jenen Rechtsvorgängen gehören, die im Sinne von Artikel 196 Absatz 2 IPRG auf Dauer angelegt sind, finden die revidierten Bestimmungen auch auf Schiedsvereinbarungen Anwendung finden, welche vor Inkrafttreten der Revision getroffen wurden.139 Eine Schiedsklausel in einem einseitigen Rechtsgeschäft ist folglich mit Inkrafttreten der vorliegenden Revision gültig, auch wenn sie zu einem früheren Zeitpunkt errichtet wurde. Dasselbe gilt auch für die formelle Anforderung an einen Rechtsmittelverzicht nach Artikel 192 Absatz 1 E-IPRG.

In Bezug auf die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte ändert die vorliegende Revision ausschliesslich den direkten Zugang ausländischer Schiedsgerichte oder Parteien eines ausländischen Schiedsverfahrens zum schweizerischen juge d'appui (Art. 185a E-IPRG). Im Sinne von Artikel 197 Absatz 2 IPRG können entsprechende Begehren mit Inkrafttreten gestellt werden selbst wenn sie zu einem früheren 136

Blessing, Intertemporales Recht zum 12. Kapitel IPR-G, in: ASA Bulletin 1988, S. 320 ff.; Bucher, Das Kapitel 11 des IPR-Gesetzes über die internationale Schiedsgerichtsbarkeit, in: Festschrift für Rudolf Moser, 1987, S. 193 ff.; Rossel, Le champ d'application dans le temps des règles sur l'arbitrage international contenues dans le chapitre 12 de la loi fédérale sur le droit international privé, in: ASA Bulletin 1988, S. 292 ff.; Wenger, Welchem Recht unterstehen die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des IPRG-Gesetzes hängigen Schiedsverfahren?, in: ASA Bulletin 1988, S. 309 ff.

137 Broggini, Das intertemporale Recht der neuen internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, in: ASA Bulletin 1988, S. 277 ff.; Poudret, Arbitrage international, droit transitoire, in: ASA Bulletin 1988, S. 305 ff.

138 BSK IPRG-Geiser/Jametti, Art. 196 N 65; Rossel, S. 292 ff.; Wenger, ASA Bulletin 1988, S. 309 ff.

139 Vgl. Ambauen, Rz. 93.

7203

BBl 2018

Zeitpunkt abgewiesen wurden. Hängige Verfahren im Rahmen der internationalen Rechtshilfe in Zivilsachen sind auch mit Inkrafttreten des neuen Artikel 185a EIPRG weiterhin möglich. Die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte ändert diesbezüglich nicht.

Bei den weiteren Revisionspunkten handelt es sich um die Überführung von Bestimmungen der ZPO ins IPRG beziehungsweise um die gesetzliche Verankerung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung. Da dies bereits vor der Revision geltendes Recht war, haben die neuen Bestimmungen übergangsrechtlich keine Folgen.

2.2

Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (BGG)

Art. 77 Abs. 1 Einleitungssatz, Abs. 2bis Gesetzliche Regelung der Streitwertunabhängigkeit der Beschwerde Die Anfechtung von Entscheiden der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit beim Bundesgericht untersteht einer besonderen Rechtmittelordnung (Art. 77 BGG).

Dabei besteht teilweise Unklarheit darüber, ob die Zulässigkeit der Beschwerde gegen Entscheide internationaler Schiedsgerichte von einem Streitwerterfordernis analog Artikel 74 BGG abhängig ist. Gegen diese Auffassung spricht, dass es bei Bejahung eines Streitwerterfordernisses Schiedsentscheide gäbe, die jeglicher staatlicher Kontrolle entzogen wären.140 Das Bundesgericht hat sich bis anhin zu dieser Frage nicht geäussert, bzw. hat sie im konkreten Fall offen gelassen, weil eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit vorlag.141 Der Entwurf stellt im Einleitungssatz von Artikel 77 Absatz 1 E-BGG klar, dass Beschwerden gegen internationale Schiedsentscheide ungeachtet des Streitwertes zulässig sind. Ein Ausschluss jeglicher staatlicher Kontrolle soll nur dann möglich sein, wenn keine der Parteien Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz in der Schweiz hat und die Parteien dies ausdrücklich vereinbaren (Art. 192 Abs. 1 und 190a Abs. 3 E-IPRG).

Verwendung der englischen Sprache für Rechtsschriften Englisch ist die vorherrschende Sprache in Schiedsverfahren.142 Angesichts deren Bedeutung für die Schiedsgerichtsbarkeit verfolgt das Bundesgericht bereits heute 140

SHK-von Werdt/Güngerich, Art. 77 BGG, N 17; klar gegen eine Anwendbarkeit des Streitwerterfordernisses spricht sich auch Stacher aus (Stacher, N 436 m.w.N.).

141 Urteil 4A_258/2008 vom 7. Oktober 2008, E 3.3; vgl. auch BGE 142 III 521, E. 2.3.5, wonach es sich bei der Frage des Streitwerterfordernisses um ein «problème récurrent» handle.

142 Gemäss Statistik der SCAI war die englische Sprache in 67 % der Fälle im Jahr 2015 die Verfahrenssprache. Dasselbe Bild zeigt sich, wenn man alle Fälle von 2004 bis 2015, welche unter den Swiss Rules geführt wurden, vergleicht (SCAI, Commented Statistics 2015); durchschnittlich 86 % aller Schiedsverfahren der WIPO werden in englischer Sprache abgehalten (www.wipo.int/amc/en/domains/statistics/ > All case languages; zuletzt besucht am 29.06.2018).

7204

BBl 2018

eine grosszügige Praxis und verlangt in Beschwerdeverfahren gegen Schiedssprüche in Schiedsverfahren regelmässig keine Übersetzungen für Dokumente und Beilagen, die in englischer Sprache eingereicht werden.143 Der Entwurf geht hier trotz teilweiser Kritik in der Vernehmlassung (vgl. dazu vorne Ziff. 1.3.4) noch einen Schritt weiter und ergänzt Artikel 77 BGG um einen neuen Absatz 2bis, welcher es den Parteien in Beschwerde- und Revisionsverfahren in der Schiedsgerichtsbarkeit vor Bundesgericht erlaubt, Rechtsschriften ebenfalls in englischer Sprache abzufassen und einzureichen. Der Begriff der Rechtsschriften ist weit zu verstehen und umfasst sämtliche Eingaben.

Die Neuerung, dass zukünftig sämtliche Eingaben in englischer Sprache eingereicht werden können, soll den Übersetzungsaufwand bei den Parteien verringern und die möglichst durchgängige Verwendung der englischen Sprache für Schiedsverfahren in der Schweiz und allfällige Annexverfahren vor dem Bundesgericht ermöglichen.

Die Bestimmung soll zudem für die internationale wie auch die interne Schiedsgerichtsbarkeit gelten. Ohne Einfluss ist diese Anpassung auf die Verfahrens- und Urteilssprache, welche sich auch in diesen Fällen weiterhin nach der allgemeinen Bestimmung von Artikel 54 BGG richten.

Art. 119a Revisionsverfahren vor Bundesgericht Der Entwurf nimmt mit der Revision ein ausserordentliches Rechtsmittel in den Gesetzestext auf, das bisher bereits im Wege der richterlichen Lückenfüllung144 anerkannt war und etabliert ist (Art. 190a E-IPRG; vgl. dazu vorne Ziff. 1.2.1 und Ziff. 2.1). Entsprechend ist auch das diesbezügliche Verfahren vor Bundesgericht neu zu regeln. Das BGG wird daher um die Bestimmung von Artikel 119a in einem neuen Kapitel 5a: Revision gegen Entscheide von Schiedsgerichten in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit ergänzt.

Der neue Artikel 119a E-BGG sieht in Absatz 1 vor, dass das Bundesgericht Revisionsgesuche gegen Entscheide von Schiedsgerichten in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit bei Vorliegen einer der Revisionsgründe gemäss Artikel 190a E-IPRG beurteilt. Das Revisionsverfahren richtet sich entsprechend der bisherigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung nach den Regeln des BGG, insbesondere gelten die Bestimmungen von Artikel 77 Absatz 2bis E-BGG und von Artikel 126 BGG.

Soweit das Bundesgericht
das Revisionsgesuch nicht als offensichtlich unzulässig oder unbegründet beurteilt, stellt es dieses der Gegenpartei und dem Schiedsgericht zur Stellungnahme zu (Abs. 2). Bei Gutheissung des Revisionsgesuchs hebt das Bundesgericht den Schiedsentscheid auf und weist die Sache zur Neubeurteilung an das Schiedsgericht zurück (Abs. 3). Ist das Schiedsgericht nicht mehr vollständig besetzt, gelangen die Regeln über die Ernennung und Ersetzung des Schiedsgerichts 143

Das Bundesgericht verfolgt die Praxis, dass mit Einverständnis der Parteien auf eine Übersetzung verzichtet werden kann. Das Bundesgericht geht dabei von einem entsprechenden Einverständnis aus, wenn die Gegenpartei keine Übersetzung beantragt (Art. 54 Abs. 3 BGG; Urteil 4A_176/2008 vom 23. September 2008, E 1.2).

144 BGE 142 III 521, E. 2.1; BGE 134 III 286, E. 2; BGE 129 III 727, E. 1; BGE 118 II 199, E. 2

7205

BBl 2018

nach Artikel 179 E-IPRG zur Anwendung (Abs. 4). Dies stimmt mit der geltenden Rechtsprechung und Praxis überein145 und entspricht im Wesentlichen auch dem Verfahren der Binnenschiedsgerichtsbarkeit (vgl. Art. 399 Abs. 1 ZPO).

Übergangsrecht Gemäss Artikel 132 Absatz 1 BGG sind die neuen Bestimmungen des BGG auf Beschwerdeverfahren anwendbar, wenn der Schiedsentscheid nach Inkrafttreten der neuen Bestimmungen ergangen ist. Betreffend die Streitwertunabhängigkeit (Art. 77 Abs. 1 Einleitungssatz E-BGG) sowie die Revision gegen Entscheide von Schiedsgerichten in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit (Art. 119a E-BGG) dürfte dies zu keinen übergangsrechtlichen Fragen führen, weil diese Bestimmungen der geltenden Praxis entsprechen. Das Abfassen von Rechtsschriften in englischer Sprache (Art. 77 Abs. 2bis E-BGG) wird erst bei Rechtsmitteln gegen Schiedsentscheide, die nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung ergangen sind, möglich sein.

2.3

Schweizerische Zivilprozessordnung

Art. 251a, Art. 356 Abs. 3 Summarisches Verfahren vor dem staatlichen Gericht Auf der Grundlage der seit 2011 geltenden Schweizerischen ZPO besteht teilweise Unklarheit darüber, ob das staatliche Gericht in seiner Funktion als juge d'appui immer im summarischen Verfahren entscheidet oder nicht, insbesondere weil die frühere Regelung von Artikel 45 KSG nicht übernommen wurde.146 Tatsächlich fehlt in der geltenden Zivilprozessordnung eine entsprechende Bestimmung, und zwar sowohl in Bezug auf die internationale Schiedsgerichtsbarkeit als auch auf die Binnenschiedsgerichtsbarkeit.

Daher soll die Zivilprozessordnung bezüglich der Anwendung des summarischen Verfahrens für Angelegenheiten der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit um einen neuen Artikel 251a E-ZPO ergänzt werden. Dieser listet der geltenden Systematik folgend die verschiedenen Angelegenheiten auf, in welchen das staatliche Gericht als juge d'appui gemäss IPRG tätig ist.

Für die Binnenschiedsgerichtsbarkeit wird gleichzeitig Artikel 356 ZPO um einen neuen Absatz 3 ergänzt, in welchem klargestellt wird, dass das zuständige staatliche Gericht mit Ausnahme von Beschwerden und Revisionsgesuchen in Schiedssachen im summarischen Verfahren entscheidet.

Insgesamt wird damit die frühere Regelung von Artikel 45 Absatz 1 KSG in die ZPO übernommen und letztlich die geltende Rechtslage147 gesetzlich geklärt.

145 146 147

Vgl. BGE 118 II 199 E. 3 Vgl. BSK ZPO-Weber-Strecher, Art. 356, N 5.

Vgl. BSK ZPO-Weber-Strecher, Art. 356, N 5; BernerKommentar ZPO-Pfisterer, Art. 356, N 20.

7206

BBl 2018

Art. 353 Abs. 2, Art. 358 Abs. 2, Art. 370 Abs. 2, Art. 388 Abs. 3 Gewährleistung des offenen Dualismus durch entsprechende Anpassung der Binnenschiedsgerichtsbarkeit: Schiedsklausel in einem einseitigen Rechtsgeschäft, redaktionelle Anpassung bei Rechtsbehelfen Mit der Einführung der ZPO hat eine starke Angleichung der Binnenschiedsgerichtsbarkeit an die Regeln der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit stattgefunden.

Die Parteien, die sich für die Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz entscheiden, können sodann gestützt auf die Opting-out-Möglichkeiten in Artikel 353 Absatz 2 ZPO und Artikel 176 Absatz 2 IPRG frei wählen, ob sie ihr Schiedsverfahren dem 3. Teil der ZPO oder dem 12. Kapitel des IPRG unterstellen wollen.148 Der sogenannte «offene Dualismus» verlangt insbesondere aus Gründen der Rechtssicherheit in gewissen Bestimmungen Parallelität zwischen der ZPO und dem IPRG.

So dürfen z.B. die Anforderungen an ein gültiges Opting-out im IPRG und in der ZPO nicht an unterschiedliche Voraussetzungen geknüpft werden. Artikel 353 Absatz 2 ZPO wird daher an den Wortlaut von Artikel 176 Absatz 2 E-IPRG angeglichen.

Weiteres zentrales Element sind die Formerfordernisse an eine Schiedsvereinbarung.

Die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung darf nicht davon abhängen, ob ein Binnenoder ein internationales Schiedsverfahren angestrebt wird. Auch in der Binnenschiedsgerichtsbarkeit soll daher eine Schiedsklausel in einem einseitigen Rechtsgeschäft gültig sein (Art. 358 Abs. 2 E-ZPO).

Sodann werden die Regelungen betreffend Fristenlauf beim Abberufungsverfahren (Art. 370 Abs. 2 E-ZPO) sowie bei berichtigten, erläuterten oder ergänzten Schiedssprüchen (Art. 388 Abs. 3 E-ZPO) redaktionell an die neuen Regelungen im E-IPRG angepasst.

Art. 363 Abs. 1 Betrifft nur den französischen Text.

Art. 369 Abs. 3 und 6, Art. 396 Abs. 1 Bst. d Ablehnungsverfahren (Art. 369 Abs. 3) Absatz 3 wird redaktionell an die neue Regelung von Artikel 180a E-IPRG angepasst. Beginnend mit der Mitteilung des Ablehnungsgrundes läuft eine Frist von 30 Tagen, innert der die antragstellende Partei einen Entscheid der von den Parteien bezeichneten Stelle oder, wenn keine solche bezeichnet wurde, vom staatlichen Gericht verlangen kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das abgelehnte Mitglied des Schiedsgerichts seine Ablehnung bestreitet oder aber auf das Ablehnungsbegehren nicht reagiert.

148

Ambauen, Rz. 346 ff., 566 f.

7207

BBl 2018

Geltendmachung nachträglich entdeckter Ablehnungsgründe mittels Revision Die Regelung über das Ablehnungsverfahren in Binnenschiedssachen soll dahingehend ergänzt werden, dass nunmehr gesetzlich geregelt ist, dass die Bestimmungen über die Revision zur Anwendung gelangen, wenn ein Ablehnungsgrund erst nach Abschluss des Schiedsverfahrens entdeckt wird. Dies steht in Übereinstimmung mit Artikel 51 Absatz 3 ZPO für Verfahren vor staatlichen Gerichten.149 Im Übrigen kann auf die Ausführungen zu Artikel 180 Absatz 4 E-IPRG verwiesen werden (vgl.

dazu unter Ziff. 2.1).

Übergangsrecht Für das Übergangsrecht gilt Artikel 407 ZPO. Somit beurteilt sich die Gültigkeit von Schiedsvereinbarungen, die vor Inkrafttreten der Revision ergangen sind, nach dem für sie günstigeren Recht (vgl. Art. 407 Abs. 1 ZPO). Genau wie im IPRG erlangt damit auch eine Schiedsklausel in einem einseitigen Rechtsgeschäft Gültigkeit mit Inkrafttreten der revidierten Bestimmungen, unabhängig davon, wann sie beschlossen wurde. Die bei Inkrafttreten der neuen Bestimmungen hängigen Schiedsverfahren werden grundsätzlich nach altem Recht zu Ende geführt. Die Parteien können von diesem Grundsatz abweichen und die Anwendung des neuen Rechts vereinbaren (Art. 407 Abs. 2 ZPO). Die Rechtsmittelverfahren richten sich nach jenem Recht, welches bei Eröffnung des angefochtenen Schiedsentscheids in Kraft ist (Art. 407 Abs. 3 ZPO).

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund, auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Der Entwurf hat grundsätzlich keine personellen, finanziellen oder organisatorischen Auswirkungen auf den Bund, die Kantone oder die Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete.

Für die Kantone könnte teilweise gesetzlicher Anpassungsbedarf entstehen: Sie werden teilweise ihre Vorschriften zur Gerichtsorganisation in Bezug auf die Tätigkeit der staatlichen Gerichtsbarkeit in Schiedssachen geringfügig anpassen müssen.

3.2

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die Regelung und Neuregelung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit betrifft direkt oder indirekt eine Vielzahl von Branchen, Unternehmen und Personen (Anwaltskanzleien, Schiedsinstitutionen, Mitglieder des Schiedsgerichts, Hotellerie, öffentlicher Verkehr, staatliche Gerichte, etc.). Aufgrund dieser volkswirtschaftlichen und regulatorischen Bedeutung der Vorlage wurde zur Abschätzung der Regu149

Vgl. auch BGE 142 III 521, E. 2.3

7208

BBl 2018

lierungsfolgen eine Studie bei der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW in Auftrag gegeben.

Die ZHAW erstellte eine Marktanalyse zum Umfang des internationalen Schiedsplatzes Schweiz sowie eine Regulierungsfolgenabschätzung auf Grundlage der beabsichtigten Teilrevision.150 Zusätzlich wurden auch die fünf zentralen Prüfpunkte einer Regulierungsfolgenabschätzung berücksichtigt, nämlich Notwendigkeit und Möglichkeit staatlichen Handelns, Auswirkungen auf die einzelnen gesellschaftlichen Gruppen, Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft, alternative Regelungen und Zweckmässigkeit im Vollzug.

Aufgrund von Befragungen von Fachleuten (Parteivertreterinnen und -vertreter, Schiedsrichterinnen und -richter), Vertretern von Schiedsinstitutionen in der Schweiz, des schweizerischen Bundesgerichts sowie von kantonalen Gerichten und gestützt auf eigene Recherchen ist die ZHAW zu folgenden Resultaten gekommen:


Bezüglich der Marktanalyse zum Umfang des internationalen Schiedsplatzes Schweiz ergab die Schätzung ein Gesamtkostenvolumen der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit nach IPRG in der Schweiz von rund 250 Millionen Franken, wovon ca. 130 Millionen Franken direkt in der Schweiz anfallen (bei in der Schweiz domizilierten Anwältinnen und Anwälten sowie Hotels etc.);



Die Revision lässt einen geringen Zuwachs des gesamten Marktvolumens prognostizieren;



Einige geplante Änderungen des IPRG (Stand Vorentwurf vom September 2016) wurden als relevanter eingeschätzt: die Lockerung des Formerfordernisses bei Schiedsvereinbarungen (halbe Schriftlichkeit); die Garantie der Gleichbehandlung der Parteien bei der Konstituierung des Schiedsgerichts; die Kompetenz des Schiedsgerichts, selbst über das Schiedsrichterhonorar zu entscheiden und der Ansatz, alle Rechtsvorschriften ohne Verweise auf die ZPO ins IPRG aufzunehmen. Es wurde auch deutlich, dass diskutierte, aber nicht umgesetzte Vorschriften, z.B. ein Code Unique oder der Verzicht auf jegliche Formvorschriften für Schiedsvereinbarungen, nur geringe Auswirkungen auf die Standortfaktoren hätten;



In den Interviews wurde betont, dass sich durch die Revision das IPRG in vielen Punkten graduell verbessere.

Aus dem Vorgesagten lässt sich folgern, dass das 12. Kapitel des IPRG auch 30 Jahre nach seinem Inkrafttreten ein qualitativ sehr gutes Gesetz ist, welches den Anforderungen der Praxis gerecht wird. Die Revision verbessert und ergänzt das Gesetz dort, wo die Praxis Lücken und Mängel festgestellt hat.

150

Die Regulierungsfolgenabschätzung der ZHAW vom 7. September 2017 wird mit der vorliegenden Botschaft publiziert.

7209

BBl 2018

4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 27. Januar 2016151 zur Legislaturplanung 2015­2019 noch im Bundesbeschluss vom 14. Juni 2016152 über die Legislaturplanung 2015­2019 angekündigt. Sie reiht sich aber in das Ziel 2 der Leitlinie 1 ein («Die Schweiz sorgt für bestmögliche wirtschaftliche Rahmenbedingungen im Inland und unterstützt so ihre Wettbewerbsfähigkeit»).

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 122 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV)153, der dem Bund die Kompetenz zur Gesetzgebung auf dem Gebiet des Zivilrechts und des Zivilprozessrechts gibt.

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Der wichtigste völkerrechtliche Vertrag im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit ist das Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958 (NYÜ). Das NYÜ ist von 157 Staaten ratifiziert worden154 und stellt weltweit die Grundlage für die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedsentscheide dar. Die Schweiz hat das Übereinkommen 1965 ratifiziert. Darüber hinaus richtet sich gemäss IPRG die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedsentscheide für die Schweiz immer nach dem NYÜ, unabhängig davon ob ein Schiedsentscheid aus einem Vertragsstaat stammt oder nicht (Art. 194 IPRG).155 Das NYÜ regelt in der Hauptsache die Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Schiedssprüchen, enthält aber auch Regeln über die Form und Wirkung von Schiedsvereinbarungen. Der vorliegende Entwurf hat keine Auswirkungen auf die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedsentscheide. Hingegen hat die Aufnahme der einseitig errichteten Schiedsklausel in Artikel 178 Absatz 4 E-IPRG und Artikel 358 Absatz 2 E-ZPO eine Auswirkung auf die Formvorschriften.

151 152 153 154

BBl 2016 1105 BBl 2016 5183 SR 101 Vgl. www.uncitral.org > UNCITRAL Texts & Status > International Commercial & Conciliation > Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards (New York, 1958) (the «New York Convention») > Status, zuletzt besucht am 29.06.2018.

155 Sogenannte erga omnes-Wirkung. Die Schweiz hat zudem keinen Gegenseitigkeitsvorbehalt eingelegt.

7210

BBl 2018

Artikel II Ziffer 1 und 2 NYÜ besagen, dass ein Schiedsverfahren schriftlich vereinbart werden müssen. Schriftlichkeit bedeutet, dass der Vertrag oder die Schiedsabrede von allen Parteien unterzeichnet oder in Briefen oder Telegrammen enthalten ist, die sie ausgetauscht haben. Es stellt sich daher die Frage, ob eine einseitig errichtete Schiedsklausel eine schriftliche Vereinbarung im Sinne des NYÜ und somit im Ausland anerkenn- und vollstreckbar ist. Wie bereits ausgeführt (vgl. die Erläuterungen zu Art. 178 Abs. 4 E-IPRG in Ziff. 2.1 vorne), kommt einer Schiedsklausel in einseitigen Rechtsgeschäften die Bindungswirkung erst in dem Zeitpunkt zu, in dem das einseitige Rechtsgeschäft gegenüber Dritten eine Rechtswirkung entfaltet (z.B. bei einem Testament im Zeitpunkt des Todesfalles; bei Statuten im Zeitpunkt, in dem eine Beteiligung an der Gesellschaft erworben wird). Das einseitige Rechtsgeschäft kann zu diesem Zeitpunkt von der Person, die von der Rechtswirkung betroffen ist, angenommen oder angefochten werden. Mit der Annahme liegt dann eine Übereinkunft vor, mit der sich zwei oder mehrere bestimmte oder bestimmbare Parteien einigen, eine bestehende Streitigkeit verbindlich und unter Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit einem Schiedsgericht zu unterstellen.156 Zu beachten ist zudem, dass das Formerfordernis von Artikel II Ziffer 2 NYÜ aufgrund der heutigen Anforderungen des wirtschaftlichen Verkehrs und der technologischen Entwicklung der Kommunikationstechnik extensiv ausgelegt wird:157 So handelt es sich beim Erfordernis der traditionellen Schriftform nach heutiger Ansicht nicht mehr um eine Minimalanforderung.158 Zu berücksichtigen ist dabei vor allem die Erklärung von UNCITRAL,159 die empfiehlt, Artikel II Ziffer 2 NYÜ im Licht von Artikel 7 (Option 1) des UNCITRAL-Modellgesetzes (2006) auszulegen.160 Eine weitere Aufweichung erfährt Artikel II Ziffer 2 NYÜ durch die Auslegung von Artikel VII NYÜ. Dieser enthält eine Meistbegünstigungsklausel, wonach sich eine Partei im Rahmen der Anerkennung und Vollstreckung auf das im Ankerkennungsund Vollstreckungsstaat geltende Recht berufen kann, wenn dieses günstiger ist als die Bestimmungen des NYÜ. Im Ergebnis ändert die Bestimmung nichts an den geltenden Regeln zur Geltung einer Schiedsvereinbarung, womit der Entwurf mit den diesbezüglichen
internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar ist.

Das Genfer Protokoll über die Schiedsklauseln vom 24. September 1923161 und das Genfer Abkommen zur Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 26. September 1927162 sind die Vorläufer des NYÜ, das gemäss Artikel VII Ziffer 2 NYÜ an deren Stelle getreten ist. Einzig gegenüber dem Irak hat das Genfer Protokoll über die Schiedsklauseln noch Geltung. Der vorliegende Entwurf hat keine Auswirkungen auf die Bestimmungen des Genfer Protokolls.

156 157

158 159

160 161 162

Definition der Schiedsvereinbarung gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung (BGE 138 III 29, E. 2.2.3; 130 III 66, E. 3.1).

Haas, Schiedsgerichte in Erbsachen und das New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, in: Künzle (Hrsg.), Schiedsgerichte in Erbsachen, 2012, S. 177.

BSK IPRG-Patocchi/Jermini, Art. 194, N 69.

«Recommendation regarding the interpretation of article II, paragraph 2, and article VII, paragraph 1, of the Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards, done in New York, 10 June 1958» (2006).

BGE 121 III 38, E. 2c.; BSK IPRG-Patocchi/Jermini, Art. 194, N 69; Haas, S. 178 ff.

SR 0.277.11 SR 0.277.111 (nicht mehr in Kraft)

7211

BBl 2018

Das Übereinkommen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten163 ist für die Schweiz seit dem 14. Juni 1968 in Kraft. Mit dem Übereinkommen wurde ein staatsvertraglich institutionalisiertes Schiedsgericht zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten errichtet (ICSIDSchiedsgericht). Die Inanspruchnahme des Schiedsgerichts ist freiwillig. Das Verfahren richtet sich nach der ICSID-Verfahrensordnung Es bedarf nebst der Ratifikation des Übereinkommens einer Vereinbarung zwischen den Parteien. Liegt eine entsprechende Parteivereinbarung vor, so gehen die Bestimmungen des Übereinkommens und der ICSID-Verfahrensordnung den allgemeinen Regeln des IPRG vor.

Die vorgeschlagenen Änderungen führen folglich zu keinem Konflikt mit dem Übereinkommen.

Schliesslich hat die Schweiz mit diversen Staaten (u.a. Deutschland, Österreich und Belgien) bilaterale Abkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen abgeschlossen. Diese Abkommen regeln auch die Durchsetzung von Schiedssprüchen. Der vorliegende Entwurf hat keine Auswirkungen auf die diesbezüglichen internationalen Verpflichtungen der Schweiz.

5.3

Erlassform

Die Vorlage enthält wichtige rechtsetzende Bestimmungen, die nach Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form des Bundesgesetzes zur erlassen sind. Die Zuständigkeit de Bundesversammlung für den Erlass des Gesetzes ergibt sich aus Artikel 122 Absatz 1 BV. Der Erlass untersteht dem fakultativen Referendum.

5.4

Datenschutz

Die vorliegende Teilrevision führt in Bezug auf die Bearbeitung von Personendaten im Zusammenhang mit der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit zu keinerlei Änderungen; weiterhin gilt Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe c des Bundesgesetzes über den Datenschutz vom 19. Juni 1992164 (DSG) über den Ausschluss von hängigen Zivilprozessen vom Anwendungsbereich des DSG auch für nationale und internationale Schiedsverfahren.165 Das DSG ist zurzeit in Revision. Weiterhin sind sämtliche Verfahren vor kantonalen und eidgenössischen Straf-, Zivil- und Verwaltungsgerichten sowie auch vor Schiedsgerichten mit Sitz in der Schweiz vom Anwendungsbereich des E-DSG ausgenommen. Materiell entspricht die Regelung im E-DSG dem geltenden Recht.166

163 164 165 166

SR 0.975.2 SR 235.1 Vgl. dazu nur BSK DSG-Maurer-Lambrou/Kunz, Art. 2, N 30.

BBl 2017 7013

7212