18.038 Bericht zur Abschreibung der Motion Vogler 12.3372 «Erlass eines umfassenden Anwaltsgesetzes» vom 11. April 2018

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2012

M 12.3372

Erlass eines umfassenden Anwaltsgesetzes

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

11. April 2018

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Bericht 1

Ausgangslage

Die am 3. Mai 2012 eingereichte und vom Parlament am 28. September 2012 (Nationalrat) bzw. 14. März 2013 (Ständerat) angenommene Motion Vogler 12.3372 «Erlass eines umfassenden Anwaltsgesetzes» verlangt vom Bundesrat, «dem Parlament eine Vorlage zu unterbreiten, in der die anwaltliche Tätigkeit in ihrer Gesamtheit geregelt wird». Die Motion hat hauptsächlich die Regelung folgender vier Punkte zum Ziel: 1.

Organisation der Anwaltskanzleien in Gesellschaftsform: Auf Stufe des Bundesrechts wäre zu klären, ob Anwältinnen und Anwälte ihre Tätigkeit im Rahmen von Kapitalgesellschaften ausüben dürfen, und, wenn ja, unter welchen Voraussetzungen.

2.

Vereinheitlichung der Ausbildungsvoraussetzungen für die Anwältinnen und Anwälte: Die zurzeit kantonal geregelten Anforderungen für die Zulassung zum Anwaltsberuf sollten auf Stufe Bund vereinheitlicht werden.

3.

Zentrales Anwaltsregister: Für mehr Transparenz und Einsehbarkeit sollte ferner ein zentrales Register beim Bund geschaffen werden, aus dem hervorgeht, wer registrierte Anwältin oder registrierter Anwalt in der Schweiz ist.

4.

Persönlicher Geltungsbereich: Anders als das geltende Anwaltsgesetz vom 23. Juni 20001 (BGFA) sollte das Gesetz nicht nur für forensisch, sondern auch für beratend tätige Anwältinnen und Anwälte gelten.

In seiner Stellungnahme vom 15. August 2012 wies der Bundesrat darauf hin, dass das BGFA die Regeln über den Anwaltsberuf bereits weitgehend vereinheitlicht hat (insbesondere die Berufsregeln, die Disziplinarmassnahmen und die Voraussetzungen für den Eintrag ins kantonale Anwaltsregister). Der Bundesrat erklärte sich gerne bereit, Bestimmungen vorzuschlagen, welche die Zulassung zum Anwaltsberuf (Voraussetzungen für die Erteilung des Anwaltspatents) regeln, die Schaffung eines eidgenössischen Anwaltsregisters zu prüfen und die Organisation von Anwaltskanzleien festzulegen; der letzte Punkt wurde bei der Erarbeitung des BGFA absichtlich nicht einbezogen. Der Bundesrat hielt allerdings bereits in dieser Phase fest, dass er Vorbehalte hat gegenüber einer Ausdehnung des persönlichen Geltungsbereichs auf Anwältinnen und Anwälte, die ein Anwaltspatent haben und nicht im Rahmen des Vertretungsmonopols tätig sind.

In den Monaten nach der Verabschiedung der Motion bereitete das Bundesamt für Justiz folglich eine Totalrevision des BGFA vor. Es kam zu regelmässigen Kontakten mit Vertreterinnen und Vertretern des Schweizerischen Anwaltsverbands (SAV).

Denn bereits bevor die Motion Vogler eingereicht wurde, hatte der SAV selbst Überlegungen zu erstrebenswerten Änderungen des BGFA angestellt.

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SR 935.61

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Gründe für den Antrag auf Abschreibung

Der Bundesrat beantragt die Abschreibung der Motion aus folgenden Gründen:

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Ziemlich rasch hat sich gezeigt, dass der Bedarf nach einer Regelung der Organisation der Anwaltskanzleien in Form von Gesellschaften nicht mehr klar erwiesen ist. Die rechtliche Ausgangslage wurde durch die bundesgerichtliche Rechtsprechung und insbesondere durch den BGE 138 II 440 vom 7. September 2012, der kurz nach der Stellungnahme des Bundesrates vom 15. August 2012 zur Motion Vogler 12.3372 veröffentlicht wurde, zumindest teilweise geklärt. Gemäss dieser Rechtsprechung ist die Ausübung des Anwaltsberufs in einer Kapitalgesellschaft grundsätzlich zulässig. Das Bundesgericht hat diese Rechtsprechung in verschiedenen weiteren Urteilen weiterentwickelt.2

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In Bezug auf die Vereinheitlichung der Voraussetzungen für die Erteilung der kantonalen Anwaltspatente hat sich herausgestellt, dass die Unterschiede zwischen den kantonalen Anforderungen für eine schweizweit einheitliche Lösung zu gross sind. So verlangen beispielsweise fast alle Kantone, dass ein Teil des Praktikums in einer Anwaltskanzlei absolviert wird. Im Kanton Zürich jedoch, der sehr viele Anwaltspatente erteilt, müssen die Kandidatinnen und Kandidaten für die Anwaltsprüfung nicht einen Teil des Praktikums in einer Anwaltskanzlei absolvieren. Der Kanton wäre somit vor erheblichen praktischen Problemen gestanden, wenn in der Bundesgesetzgebung ein mehrmonatiges Praktikum in einer Anwaltskanzlei vorgeschrieben worden wäre.

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Zur Schaffung eines Anwaltsregisters auf Stufe Bund wäre im Kanton St. Gallen ein Pilotprojekt auf Grundlage bestimmter Daten durchgeführt worden, über die der SAV bereits verfügt (REGAVO). Das Pilotprojekt in Zusammenarbeit mit der St. Galler Aufsichtsbehörde über das Anwaltswesen wurde jedoch mehrmals verschoben. Die Verwirklichung eines zentralen Registers könnte allenfalls im allgemeineren Rahmen der Harmonisierung der Informatik in der Strafjustiz3 erfolgen. Es ist nicht gerechtfertigt, die Motion allein zur Verwirklichung dieses Ziels aufrechtzuerhalten.

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In Bezug auf die Ausweitung des persönlichen Geltungsbereichs des Gesetzes auf Anwältinnen und Anwälte, die rein beratend tätig sind, hatte der Bundesrat seine Vorbehalte bereits angebracht. Da diese Anwältinnen und Anwälte nicht im Rahmen des Vertretungsmonopols der Kantone und des Bundes tätig sind, ist ihre Tätigkeit auf Stufe Bund nicht geregelt und kann somit von jeder Person ausgeübt werden, die dies beabsichtigt, ohne dass eine besondere Aufsicht oder Ausbildung erforderlich wäre.4 Die Rechtsberatungstätigkeit ist in der Schweiz nicht reguliert. Der persönliche GelSiehe Urteil des Bundesgerichts 2C 560/2015 vom 11. Januar 2016, in E. 3.1 zitierte Rechtsprechung und Lehre, sowie Urteil 2C_1054/2016 vom 15. Dezember 2017.

www.his-programm.ch/de/Projekte Allerdings haben mehrere Kantone den persönlichen Geltungsbereich des BGFA auf Personen ausgeweitet, die ihren Anwaltstitel ausschliesslich für die Rechtsberatungstätigkeit auf selbstständiger Basis einsetzen.

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tungsbereich des BGFA beschränkt sich auf die Tätigkeiten im Rahmen des Anwaltsmonopols. Diese Tätigkeiten sind geregelt und den in einem kantonalen Register eingetragenen Anwältinnen und Anwälten vorbehalten.

Sobald sie im Register eingetragen sind, müssen sich die Anwältinnen und Anwälte jedoch in ihrer gesamten Tätigkeit nach den Berufsregeln richten und nicht nur bezüglich ihrer Tätigkeiten im Rahmen des Anwaltsmonopols.

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Vor diesem Hintergrund hat der SAV mitgeteilt, dass er keine Totalrevision des BGFA mehr wünscht. Der Bundesrat beabsichtigt nicht, die Gesetzgebungsarbeiten gegen den Willen der Fachkreise, die sie ursprünglich gewünscht und angestossen hatten, fortzusetzen.

Fazit

Der Bundesrat beantragt aus den genannten Gründen, die Motion Vogler 12.3372 abzuschreiben.

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