18.059 Botschaft zur Genehmigung des Übereinkommens des Europarats über einen ganzheitlichen Ansatz für Sicherheit, Schutz und Dienstleistungen bei Fussballspielen und anderen Sportveranstaltungen vom 27. Juni 2018

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung des Übereinkommens des Europarats über einen ganzheitlichen Ansatz für Sicherheit, Schutz und Dienstleistungen bei Fussballspielen und anderen Sportveranstaltungen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

27. Juni 2018

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Übersicht Mit der vorliegenden Botschaft unterbreitet der Bundesrat den eidgenössischen Räten das Übereinkommen des Europarats vom 3. Juli 2016 über einen ganzheitlichen Ansatz für Sicherheit, Schutz und Dienstleistungen bei Fussballspielen und anderen Sportveranstaltungen zur Genehmigung.

Ausgangslage Keine andere Aktivität zieht mehr Zuschauerinnen und Zuschauer an als der Sport.

Er sorgt für grosse Leidenschaft und spricht damit die gesamte Palette menschlicher Gefühle an. In den 1980er-Jahren machten Fälle von tragisch endenden Ausschreitungen bei internationalen Fussballspielen und -turnieren deutlich, dass Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen eine europaweite Erscheinung ist, der der Europarat auf institutioneller Ebene begegnen musste. So entstand 1985 das Europäische Übereinkommen über Gewalttätigkeiten und Ausschreitungen von Zuschauern bei Sportanlässen, insbesondere bei Fussballspielen. Die Schweiz trat diesem Übereinkommen 1990 bei.

Inhalt der Vorlage Nach rund dreissig Jahren kam der Europarat zum Schluss, dass Massnahmen bei Sportveranstaltungen nicht einseitig auf Sicherheit und Schutz ausgerichtet sein sollten. Deshalb hat er das Übereinkommen aus dem Jahr 1985 vollständig überarbeitet und 2016 das neue Übereinkommen über einen ganzheitlichen Ansatz für Sicherheit, Schutz und Dienstleistungen bei Fussballspielen und anderen Sportveranstaltungen verabschiedet. Das neue Übereinkommen enthält zusätzlich zu den Sicherheits- und Schutzmassnahmen nun auch einen Dienstleistungsansatz. Demnach sollen Sicherheits- und Schutzmassnahmen so ausgestaltet sein, dass friedliche Fans, Anwohnerinnen und Anwohner sowie Passantinnen und Passanten von diesen Massnahmen möglichst wenig betroffen sind. Zu diesem Zweck sollen Behörden, Sportorganisationen, Fanorganisationen und Transportunternehmen umfassend zusammenarbeiten.

Das neue Übereinkommen ist ein wichtiger Schritt hin zur Aktualisierung und zur Vereinheitlichung der nationalen Regeln unter Berücksichtigung von internationaler Good Practice. Das schweizerische Recht vermag den Erfordernissen des Übereinkommens bereits heute zu genügen.

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Botschaft 1

Grundzüge des Übereinkommens

1.1

Ausgangslage

Am 29. Mai 1985 kam es im Brüsseler Heysel-Stadion beim Final des UEFA-Cups zwischen Juventus Turin und Liverpool zu einer Massenpanik. Dabei starben 39 Menschen und 600 Menschen wurden verletzt. Der Massenpanik gingen gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Anhängerinnen und Anhängern der beiden Fussballklubs voraus. Unter dem Eindruck der Brüsseler Katastrophe hat der Europarat 1985 das Europäische Übereinkommen über Gewalttätigkeiten und Ausschreitungen von Zuschauern bei Sportanlässen, insbesondere bei Fussballspielen1 (Übereinkommen von 1985) erlassen. Das Übereinkommen ist für die Schweiz am 1. November 1990 in Kraft getreten. Aktuell gilt das Übereinkommen in 37 Staaten (Stand: 19. April 2018). Zur Überwachung der Anwendung des Übereinkommens wurde das Ständige Komitee gegründet. Das Bundesamt für Polizei (fedpol) vertritt die Schweiz in diesem Komitee.

Der Text des Übereinkommens blieb seit 1985 unverändert. In den letzten dreissig Jahren hat sich jedoch die Welt und damit das Fanverhalten, die Infrastruktur und das polizeitaktische und -technische Vorgehen im Zusammenhang mit Gewalt an Sportveranstaltungen verändert. Einerseits gibt es neue Erscheinungen wie PublicViewings. Andererseits haben sowohl der Europarat als auch die EU zahlreiche Empfehlungen zum Umgang mit Gewalt im Sport erlassen. Um diesen Entwicklungen Rechnung zu tragen, hat das Ministerkomitee des Europarats im Dezember 2013 entschieden, das Übereinkommen aus dem Jahr 1985 totalzurevidieren. Mit der Ausarbeitung der neuen Fassung wurde das Ständige Komitee betraut, welches gemäss Übereinkommen von 1985 mindestens einmal jährlich zusammentritt. Das neue Übereinkommen soll neu nicht einseitig auf Repression ausgerichtet sein, sondern auch präventive Ansätze wie zum Beispiel «Good Hosting» enthalten. Ihm soll ein gemeinsamer, ganzheitlicher und auf internationaler Good Practice beruhender Lösungsansatz zugrunde gelegt werden.

Das totalrevidierte Übereinkommen trägt neu den Titel «Übereinkommen des Europarats über einen ganzheitlichen Ansatz für Sicherheit, Schutz und Dienstleistungen bei Fussballspielen und anderen Sportveranstaltungen». Das Übereinkommen ist am 1. November 2017 in Kraft getreten. Bislang wurde es von sechs Staaten ratifiziert und von weiteren 24 Staaten unterzeichnet (Stand: 19. April 2018). Die Schweiz
hat das Übereinkommen am 3. Juli 2016 unterzeichnet. Da es sich um eine Totalrevision handelt, muss in der Schweiz das Parlament über die Genehmigung des neuen Übereinkommens befinden.

Vom 28. Juni 2017 bis zum 20. Oktober 2017 war das Übereinkommen Gegenstand eines Vernehmlassungsverfahrens. Im Rahmen der Vernehmlassung gingen insgesamt 36 Stellungnahmen ein. Von den Eingeladenen haben sich alle Kantone, vier 1

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politische Parteien, drei Dachverbände sowie drei interessierte Organisationen vernehmen lassen. Drei Verbände der Wirtschaft haben ausdrücklich auf eine Stellungnahme verzichtet. Die Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer begrüssen die Vorlage grossmehrheitlich. Alle Kantone sprechen sich für den Beitritt der Schweiz zum Übereinkommen aus. Von den Parteien stimmen CVP, FDP und SP der Vorlage zu. Die SVP lehnt die Vorlage grundsätzlich ab. Sämtliche übrigen Vernehmlassungsteilnehmenden begrüssen die Vorlage ebenfalls.

Nachdem die Vernehmlassung somit eine klare Zustimmung für die Ratifikation gezeigt hat, enthält die Vorlage gegenüber dem Vernehmlassungsentwurf keine materiellen Änderungen.

1.2

Überblick über den Inhalt des Übereinkommens

Das Übereinkommen des Europarats über einen ganzheitlichen Ansatz für Sicherheit, Schutz und Dienstleistungen bei Fussballspielen und anderen Sportveranstaltungen enthält im Wesentlichen Regeln zu den folgenden Themenbereichen: ­

Innerstaatliche Koordinierungsstrukturen (Art. 4);

­

Sicherheit, Schutz und Dienstleistungen in Sportstadien (Art. 5);

­

Sicherheit, Schutz und Dienstleistungen im öffentlichen Raum (Art. 6);

­

Eventualfall- und Notfallplanung (Art. 7);

­

Beziehungen zu den Fans und der örtlichen Bevölkerung (Art. 8);

­

Polizeistrategien und -einsätze (Art. 9);

­

Verhinderung und Sanktionierung rechtswidrigen Verhaltens (Art. 10);

­

Internationale Zusammenarbeit (Art. 11);

­

Verfahrensklauseln (Art. 12­14).

Neben zahlreichen sprachlichen Anpassungen und Klarstellungen enthält das Übereinkommen im Vergleich zum Übereinkommen von 1985 folgende materiellen Anpassungen: Neu ist der präventive Dienstleistungsansatz. Er hat zum Ziel, dass sich Einzelpersonen und Gruppen, die ein Fussballspiel oder eine andere Sportveranstaltung besuchen, innerhalb und ausserhalb des Stadions willkommen, geschätzt und wohl fühlen. Dieser Ansatz ist im Übereinkommen in einer Vielzahl der Bestimmungen enthalten.

Neu werden in Artikel 6 zum öffentlichen Raum, den es zu schützen gilt, auch der Public-Viewing-Bereich sowie die Reisewege gezählt. Somit ist das Übereinkommen auch an Orten anwendbar, die mit der Sportveranstaltung geografisch nicht verbunden sind.

Als weitere Neuerung sieht das Übereinkommen in Artikel 10 Absatz 4 eine Ausreisebeschränkung aus dem Wohnsitzland gegenüber Personen vor, die sich anlässlich von Fussballveranstaltungen an Ordnungsstörungen oder Gewalttätigkeiten beteiligt haben. Eine solche Ausreisebeschränkung hat die Schweiz mit Artikel 24c des 4892

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Bundesgesetzes vom 21. März 19972 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) bereits 2007 im nationalen Recht eingeführt.

Mit Artikel 11 des Übereinkommens wird neu die sogenannte nationale Fussballinformationsstelle (National Football Information Point, NFIP) geschaffen und insbesondere deren Aufgaben geregelt. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), genauer fedpol, nimmt bereits heute die internationale polizeiliche Zusammenarbeit rund um Sportveranstaltungen und somit die Rolle der NFIP Schweiz wahr.

1.3

Würdigung

Das Übereinkommen beinhaltet neue Ansätze zur Durchführung von Sportveranstaltungen. Obwohl es sich im Vergleich zum Übereinkommen von 1985 um einen komplett neuen Text handelt, sind im schweizerischen Recht keine Änderungen nötig. Dies liegt daran, dass in diesem Bereich in der Schweiz in den letzten dreissig Jahren viel getan wurde. Sowohl das Recht als auch die Praxis wurden ständig weiterentwickelt und entsprechen deshalb dem neusten Stand der national und international gewonnenen Good Practice.

Mit dem Beitritt zum Übereinkommen würde die Schweiz bezeugen, dass sie einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer international einheitlichen Handhabung von risikobehafteten Sportveranstaltungen unterstützt.

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des Übereinkommens

Art. 1

Geltungsbereich

Der räumliche Geltungsbereich orientiert sich am Territorialitätsprinzip. Das Übereinkommen bezieht sich grundsätzlich auf das ganze Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten. Falls gewünscht, kann ein Staat gemäss Artikel 20 den räumlichen Geltungsbereich einschränken. Diese Möglichkeit richtet sich primär an Staaten mit abgetrennten Staatsgebieten, wie dies beispielsweise bei Frankreich der Fall ist. Bei einem Beitritt der Schweiz zum Übereinkommen erstreckt sich der räumliche Geltungsbereich auf das ganze Territorium der Eidgenossenschaft.

Sachlich gilt das Übereinkommen für Fussballspiele und -turniere von professionellen Klubs und Nationalmannschaften. Die Vertragsstaaten können das Übereinkommen auch auf Amateurspiele und auf andere Sportarten anwenden. In der Schweiz soll das Übereinkommen auf die beiden höchsten Ligen sowie die Nationalmannschaften von Fussball und Eishockey Anwendung finden.

Das Übereinkommen verpflichtet die Behörden der Vertragsstaaten, im Rahmen ihrer jeweiligen verfassungsrechtlichen Bestimmungen die notwendigen Umsetzungsarbeiten zu unternehmen und das Übereinkommen im nationalen Recht zu konkreti2

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sieren, sofern nicht bereits genügend konkrete nationale Normen existieren. In der Schweiz ist keine ergänzende Gesetzgebung notwendig, da Bund und Kantone mit ihren heutigen rechtlichen Grundlagen gut aufgestellt sind und die Anforderungen des Übereinkommens bereits erfüllen.

Art. 2

Ziel

Ziel des Übereinkommens ist es, ein sicheres, geschütztes und einladendes Umfeld bei Fussballspielen und anderen Sportveranstaltungen zu bieten. Dieses Ziel soll durch einen ganzheitlichen, stellenübergreifenden Ansatz erreicht werden. So sollen Behörden und Private unterschiedlicher Ebenen lokal, national und international eng zusammenarbeiten. Angestrebt wird eine ausgewogene, partnerschaftliche Zusammenarbeit, welche bewährte Verfahrensweisen berücksichtigt.

In der Schweiz ist diese partnerschaftliche Zusammenarbeit bereits heute weitgehend Realität. Seit mehreren Jahren arbeiten der Bund, die Kantone, der Schweizerische Fussballverband (SFV), die Swiss Ice Hockey Federation (SIHF), Klubs, «Fanarbeit Schweiz» ­ der Dachverband der sozioprofessionellen Fanarbeitsstellen und nationale Fachstelle ­ sowie die SBB bereits eng zusammen. Sie koordinieren ihre Handlungen in verschiedenen Gremien auf fachlicher und politischer Ebene sowie in der täglichen Arbeit. Naturgemäss können nicht sämtliche Vorgänge vollständig partnerschaftlich ausgestaltet werden, denn es gibt staatliche Akte, die zwangsläufig einseitig erfolgen. Ein einseitiger Akt sind beispielsweise Spielbewilligungen, welche die Kantone den Klubs ­ allenfalls mit Auflagen ­ unter Wahrung der Mitwirkungsrechte erteilen. Als Ergänzung dieses einseitigen Aktes schliessen Kantone mit den Klubs Vereinbarungen, welche die Verantwortlichkeiten, die Zusammenarbeit, Massnahmen und die Beteiligung an Sicherheitskosten regeln.

Art. 3

Begriffsbestimmungen

Dem Titel des Übereinkommens kann entnommen werden, dass sich das Übereinkommen auf die drei Pfeiler Sicherheit, Schutz und Dienstleistungen stützt. Dementsprechend sind die zentralen Begriffe des Übereinkommens «Sicherheitsmassnahme», «Schutzmassnahme» und «Dienstleistungsmassnahme».

Buchstabe a: Der Begriff «Sicherheitsmassnahme» umfasst Massnahmen, die darauf abzielen, die Gesundheit und das Wohlergehen von Personen und Gruppen innerhalb oder ausserhalb des Stadions zu schützen. Darunter fallen Massnahmen betreffend die Stadioninfrastruktur, Vorschriften zum Alkoholkonsum, Notfallplanung usw.

Buchstabe b: Unter «Schutzmassnahmen» fallen Massnahmen zur Verhinderung oder wenigstens zur Verringerung von Gewalttätigkeiten, anderen strafbaren Handlungen und Störungen der öffentlichen Ordnung im Rahmen von Fussballspielen oder einer anderen Sportveranstaltung. Nebst Massnahmen vor Ort zählen insbesondere Stadionverbote, Rayonverbote, Meldeauflagen, Polizeigewahrsam und Ausreisebeschränkungen zu den Schutzmassnahmen. Das Hauptziel der Schutzmassnahmen ist, unbeteiligte Personen vor Gefahren zu schützen und die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten.

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Buchstabe c: Unter dem Begriff «Dienstleistungsmassnahmen» sind Massnahmen zu verstehen, die dazu dienen, dass sich Personen und Gruppen willkommen, geschätzt und wohl fühlen, wenn sie einem Fussballspiel oder einer anderen Sportveranstaltung beiwohnen. Zu den wichtigsten Massnahmen gehören gute Verpflegung und sanitäre Einrichtungen, aber auch die Art, wie Zuschauerinnen und Zuschauer empfangen und während der Veranstaltung behandelt werden.

Die Buchstaben d­i enthalten Definitionen zu weiteren Begriffen. Die Definitionen sind selbsterklärend.

Art. 4

Interne Koordinierungsstrukturen

Die Absätze 1 und 3 enthalten die Verpflichtung, nationale und lokale Strukturen zur Koordination der verschiedenen Massnahmen und Aufgaben aufzubauen, in denen sowohl staatliche als auch private Stellen eingebunden sind. Auf nationaler Ebene koordinieren folgende Stellen diese Massnahmen und Aufgaben in verschiedenen fachlichen und politischen Gremien: fedpol, das Bundesamt für Verkehr, die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD), die Konferenz der Kantonalen Polizeikommandanten der Schweiz (KKPKS), die Polizeiliche Koordinationsplattform Sport (PKPS), der SFV, die Swiss Football League (SFL), die SIHF, der Verband «Fanarbeit Schweiz» und die SBB. Auf lokaler Ebene erfolgt die Koordination beispielsweise zwischen der Kantons- bzw. Stadtpolizei und dem lokalen Klub. Zudem gibt es eine vertikale Koordination zwischen nationalen und lokalen Stellen, beispielsweise zwischen fedpol und den Kantons- und Stadtpolizeien und insbesondere mit der PKPS.

Absatz 2 sieht vor, dass die Analysen und die Beurteilung von Risiken sowie der Austausch aktueller Informationen über die Risikobewertung koordiniert werden müssen. Finden in der Schweiz grosse risikobehaftete Sportveranstaltungen statt, wozu regelmässig Fussball- und Eishockeyspiele zählen, so holt die zuständige Polizei des Austragungsortes zur Risikoanalyse die Informationen der zuständigen Polizei am Ort des Gastteams sowie die Informationen der Klubs ein. Basierend auf der Risikoanalyse treffen die beteiligten Stellen, wozu auch Transportunternehmen zählen, vor der Austragung Absprachen. Am Spieltag selbst orientieren sich die verschiedenen beteiligten Stellen über die Lage. Zudem ist bei fedpol und bei der PKPS ein gesamtschweizerisches Lagebild «Sport» im Aufbau. Dieses soll einen nationalen Überblick über stattgefundene Ereignisse sowie über die Risikolage für zukünftige Anlässe bieten. Dazu sollen im Lagebild die Risiken mehrerer gleichzeitig stattfindender Sportveranstaltungen abgebildet werden.

Absatz 4 legt fest, dass nationale und lokale Strategien entwickelt und regelmässig beurteilt und im Lichte der Erfahrungen weiterentwickelt werden sollen. Gemäss der innerstaatlichen Kompetenzordnung sind in der Schweiz hauptsächlich die Kantone für Polizeibelange zuständig. Deshalb sind die Kantone für die
Erarbeitung solcher Strategien zum Thema «Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen» federführend.

Auf fachlicher Ebene wird diese Federführung durch die KKPKS bzw. durch ihr operatives Organ PKPS, auf politischer Ebene durch die KKJPD wahrgenommen.

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Absatz 5 schreibt vor, den rechtlichen Rahmen so auszugestalten, dass die Aufgaben und Kompetenzen der einzelnen Stellen klar definiert sind. Zudem sollen die Aufgaben einander ergänzen, der gemeinsamen Strategie folgen und in der Praxis umgesetzt werden. Diese Anforderungen sind in der Schweiz erfüllt. Das Zusammenspiel der verschiedenen Stellen und Rechtsgrundlagen lässt sich besonders gut anhand der Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen veranschaulichen.

Sportklubs und -verbände sprechen gestützt auf das Zivilrecht Stadionverbote aus.

Die Kantone verfügen Rayonverbote, Meldeauflagen und Polizeigewahrsam gestützt auf das Konkordat über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen3 (Konkordat gegen Gewalt), dem in der Grundfassung vom 15. November 2007 alle Kantone beigetreten sind. fedpol erlässt gestützt auf das BWIS Ausreisebeschränkungen und führt das elektronische Informationssystem HOOGAN, in dem die erwähnten Massnahmen erfasst werden (Verordnung vom 4. Dezember 2009 4 über verwaltungspolizeiliche Massnahmen des Bundesamtes für Polizei und über das Informationssystem HOOGAN).

Art. 5

Sicherheit, Schutz und Dienstleistungen in Sportstadien

In Artikel 5 sind die Anforderungen an Bau und Betrieb von Sportstadien geregelt mit dem Ziel, ein für die Zuschauerinnen und Zuschauer sicheres und geschütztes Umfeld zu gewährleisten.

In der Schweiz hat die SFL für die Erteilung der Lizenzen in den beiden obersten Fussball-Ligen im Reglement für die Lizenzerteilung der SFL5 ausführliche Kriterien in infrastrukturellen und sicherheitsspezifischen Bereichen festgelegt. Sie stützte sich dabei in weiten Teilen auf das Stadioninfrastruktur-Reglement der UEFA6, eine wichtige Grundlage, um in baulicher, infrastruktureller, organisatorischer und betrieblicher Hinsicht einen sicheren und reibungslosen Ablauf der Sportveranstaltungen sicherzustellen. Ähnliche und ebenfalls ausführliche Vorgaben hat die SIHF erlassen: das Reglement «Anforderungen NL A- und NL B-Infrastrukturen»7. Die Vorgaben muss erfüllen, wer in den obersten beiden Ligen spielberechtigt sein will.

Sportstadien müssen zudem den kantonalen Bauvorschriften entsprechen. Die im Übereinkommen verwendeten Begriffe «Stadionzulassung» und «Zertifizierungsverfahren» entsprechen im schweizerischen System der Baubewilligung und der Bauabnahme. Diese Verfahrensschritte werden von den Baubehörden nur genehmigt, wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind. Die durch den Bauherrn zu beachtenden Bestimmungen sind mannigfaltig. Sie beginnen bei der Zonenkonformität und enden bei der Anzahl bewilligter Parkplätze. Beim Bauen eines Stadions sind insbesondere feuerpolizeiliche Vorgaben zu beachten, wozu etwa feuerfeste Baumaterialien und genügend klar signalisierte Fluchtwege zählen.

3 4 5 6 7

Abrufbar unter: www.kkjpd.ch > Themen > Hooliganismus SR 120.52 Abrufbar unter: www.sfl.ch > Reglemente Abrufbar unter: www.uefa.org > Den Fussball schützen Abrufbar unter: www.sihf.ch > Swiss Ice Hockey > National League > Reglemente > 2. Spielberechtigung in der National League und Swiss League > Anhang 6a

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Eine rechtliche Möglichkeit, die Qualität des Stadionbetriebs sicherzustellen, bietet das Konkordat gegen Gewalt. Der revidierten Fassung des Konkordats vom 2. Februar 2012 sind 24 Kantone ­ alle Kantone ausser Basel-Stadt und Basel-Landschaft ­ beigetreten. Gemäss dem neuen Artikel 3a ist für Fussball- und Eishockeyspiele mit Beteiligung der Klubs der jeweils obersten Spielklasse der Männer in jedem Fall eine Bewilligung einzuholen. Wenn im Umfeld der Spiele von Klubs unterer Ligen oder anderer Sportarten eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu befürchten ist, können die Veranstalter ebenfalls dazu verpflichtet werden, eine Bewilligung einzuholen. Die zuständige Behörde kann eine Bewilligung mit Auflagen verbinden.

Diese können insbesondere bauliche und technische Massnahmen, den Einsatz bestimmter personeller oder anderer Mittel durch den Veranstalter, Einschränkungen beim Verkauf alkoholischer Getränke oder die Abwicklung der Zutrittskontrollen umfassen. Bei einer Missachtung von Bewilligungsauflagen müssen die Veranstalter mit Sanktionen rechnen, von zusätzlichen Auflagen bis hin zu einem Bewilligungsentzug. Gleichzeitig können sie für Schäden belangt werden, die auf eine Verletzung von Auflagen zurückzuführen sind.

In den letzten Jahren haben sowohl die SFL wie auch die SIHF grosse Anstrengungen unternommen und einen bemerkenswerten Aufwand betrieben, um den Sicherheitsstandard in Fussball- und Eishockeystadien konstant zu erhöhen. So wurden teils Sicherheitsnetze vor den Gastsektoren montiert, damit keine grossen Gegenstände in Richtung der benachbarten Sektoren oder des Spielfelds geworfen werden können. Zudem haben die Stadionbetreiber hochauflösende Videokameras installiert, was die Täteridentifikation bei Gewalttätigkeiten oder beim Einsatz von pyrotechnischen Gegenständen im Stadion vereinfacht.

Als weitere Massnahme wurde von fedpol das System Hoogan+ entwickelt, mittels welchem beim Einlass ins Stadion überprüft werden kann, ob eine Person im elektronischen Informationssystem HOOGAN verzeichnet ist, d. h., ob sie aktuell mit einer Massnahme belegt ist. So wird bei Heimspielen des Eishockeyklubs «EV Zug» in Zug von sämtlichen Gastfans sowie einem Teil der Heimfans die Vorlage eines Ausweises verlangt und geprüft, ob die Person in HOOGAN verzeichnet ist. Die hierfür nötigen
HOOGAN-Daten stellt fedpol gestützt auf Artikel 24a Absatz 8 BWIS jeweils temporär in verschlüsselter Form zur Verfügung. Das System funktioniert technisch einwandfrei und hat eine grosse abschreckende Wirkung.

Die SFL wendet beim Einlass in die meisten Stadien je nach Risikobeurteilung das von ihr geschaffene Konzept «Good Hosting»8 an. Das Konzept sieht insbesondere Folgendes vor: Der Empfang ist freundlich; statt uniformierter Security werden sogenannte Stewards eingesetzt; der Einlass ins Stadion ist fliessend; Staubildung wird verhindert; Personen werden nicht mehr flächendeckend kontrolliert, sondern gezielt und stichprobenartig; Anweisungen erfolgen klar und stets freundlich; das Geschehen wird konsequent videoüberwacht und allfällige Täterinnen und Täter werden nachträglich identifiziert. Dieses Konzept soll zu einer friedlicheren Grundstimmung führen, wodurch langfristig allenfalls die Anzahl Sicherheitskräfte reduziert werden kann. Das Konzept wird von den Behörden akzeptiert und vom Verband «Fanarbeit Schweiz» geschätzt.

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Abrufbar unter: www.sfl.ch > SFL > Sicherheit & Prävention > Good Hosting

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Art. 6

Sicherheit, Schutz und Dienstleistungen im öffentlichen Raum

In Ergänzung zu Artikel 5, welcher die Sportstadien betrifft, regelt Artikel 6, was im öffentlichen Raum zur Gewährleistung von Sicherheit und Schutz und zur Schaffung eines einladenden Umfelds zu tun ist. Die Behörden und private Stellen müssen auch in diesem Bereich zusammenarbeiten. Während im Stadion die Verantwortung primär bei den privaten Stellen liegt, sind im öffentlichen Raum primär die Behörden zuständig.

In Absatz 1 sind zwei Phänomene beschrieben, die in den vergangenen Jahren vermehrt an Bedeutung gewonnen haben und die bei Erlass des Übereinkommens von 1985 noch nicht existierten: öffentliche Übertragungsplätze, sogenannte PublicViewings (Bst. a), und organisierte und nicht organisierte Fanmärsche auf dem Hinund Rückweg zwischen der Stadt und dem Stadion (Bst. b), ­ wobei der Begriff «Stadt» im vorliegenden Kontext weit zu verstehen ist und auch kleinere Ortschaften umfasst, welche bei einem Cupspiel Austragungsort sein können. Das Übereinkommen gilt auch für diese neuen Erscheinungen, welche bereits heute von der Polizei begleitet werden.

In Absatz 2 wird auf den ganzen Reiseweg zum bzw. vom Stadion Bezug genommen. Damit sind Fanzüge und Reisecars mitumfasst, welche in der Schweiz oft durch Fangruppierungen und Transportunternehmen organisiert werden. Somit fällt auch die Hin- und Rückreise im weiteren Sinne (inkl. Fanzüge und -busse) unter das Übereinkommen.

Art. 7

Eventualfall- und Notfallplanung

Artikel 7 legt fest, dass stellenübergreifende Eventualfall- und Notfallpläne entwickelt werden und dass diese Pläne in regelmässigen gemeinsamen Übungen erprobt und weiterentwickelt werden müssen. In der Schweiz nehmen die kantonalen Behörden mittels der im Konkordat gegen Gewalt vorgesehenen Spielbewilligungen und mit Vereinbarungen die lokalen Sportklubs in die Pflicht. Folglich haben lokale Sportklubs Sicherheitskonzepte verabschiedet, welche die Eventualfall- und Notfallplanung mitumfassen. In solchen Sicherheitskonzepten sind nebst Evakuationsplänen beispielsweise folgende Punkte enthalten: Alarmplan und Ablauf im Ereignisfall, Zusammensetzung des Krisenstabs mit Organigramm und Notfalltelefonnummern, Notfallmassnahmen, die in klar definierten Szenarien ergriffen werden sollen, vordefinierte Notfallmeldungen für die Stadionsprecherin oder den Stadionsprecher. Das vollständige und ausführliche Sicherheitskonzept jedes Clubs ist in der Schweiz Voraussetzung für die Lizenzierung durch die Liga und wird bei der Spielbewilligung durch die Behörden berücksichtigt.

Art. 8

Beziehungen zu den Fans und der örtlichen Bevölkerung

Mit Artikel 8 werden die Vertragsstaaten ermutigt, intensive Beziehungen zu den Fanvertreterinnen und Fanvertretern und der örtlichen Bevölkerung zu pflegen. In der Schweiz besteht aufgrund des föderalen Staatsaufbaus von Grund auf eine enge Beziehung zwischen staatlichen Institutionen, der lokalen Politik und der örtlichen Bevölkerung. Zudem wurde in den letzten Jahren die Zusammenarbeit zwischen Polizei-, Sport- und Fanvertretern sowohl auf fachlicher als auch auf politischer 4898

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Ebene intensiviert. Jede Stelle kennt die Anliegen der anderen. Diese werden so weit wie möglich gemeinsam gelöst. Nur wenige Ansichten sind dermassen konträr, dass trotz der intensiven Kontaktpflege über längere Zeit kein Einvernehmen hergestellt werden kann. Bislang unüberwindbar sind die Unterschiede bei den Ansichten zum Einsatz von pyrotechnischen Gegenständen in Stadien: Obwohl der Gesetzgeber den Besitz und den Einsatz von pyrotechnischen Gegenständen in Stadien gemäss dem Sprengstoffgesetz vom 25. März 19779 aufgrund der Gefährlichkeit verbietet, schmuggeln manche Fans regelmässig solche Gegenstände in die Stadien und lassen diese in Menschenmassen abbrennen.

Art. 9

Polizeistrategien und -einsätze

In diesem Artikel wird die Polizei indirekt aufgefordert, Strategien zu entwickeln, zu reflektieren und stetig weiterzuentwickeln. Dabei sollen nationale und internationale Erfahrungen und bewährte Verfahrensweisen berücksichtigt werden. Zu diesem Zweck haben Bund und Kantone im Frühling 2016 die PKPS aufgebaut. Sie besteht aus einer Geschäftsstelle bei der Kantonspolizei Freiburg, einem strategischen Gremium, sowie aus einem Gremium mit Praktikerinnen und Praktikern. In den Gremien sind neben fedpol und den Kantons- und Stadtpolizeien auch Personen von Seiten des Fussballs, Eishockeys, des Verbands «Fanarbeit Schweiz» und der SBB vertreten. In diesem Rahmen definieren die beteiligten Stellen gemeinsame Praxen zu Fragen wie der Übergabe von Videomaterial, der Ausgestaltung von Rayonverboten und der generellen Zusammenarbeit zwischen polizeilichen Szenenkennerinnen und -kennern und den Sicherheitsverantwortlichen der Sportklubs. Zudem führen die PKPS und fedpol regelmässig den Kurs «Gefahrenabwehr im Umfeld von Sportveranstaltungen» durch, welcher unter dem Patronat des Schweizerischen PolizeiInstituts in Neuenburg angeboten wird. Im Kurs wird insbesondere die 3-D-Strategie (Dialog, Deeskalation, Durchgreifen) vermittelt, wonach gemäss dem Verhältnismässigkeitsprinzip zuerst der partnerschaftliche Weg eingeschlagen wird, bevor allenfalls durchgegriffen werden muss.

Art. 10

Verhinderung und Sanktionierung rechtswidrigen Verhaltens

Absatz 1 verpflichtet die Vertragsstaaten, Personen oder Gruppen daran zu hindern, gewalttätige Handlungen oder Störungen der öffentlichen Ordnung vorzunehmen.

Massnahmen gegen Gruppen sind vor allem organisatorischer Art. Die wichtigste organisatorische Massnahme ist die räumliche Trennung gegnerischer Fangruppen.

Zu diesem Zweck geben die schweizerischen Polizeibehörden vor, an welchem Zielbahnhof ein Fanzug halten soll und auf welcher Route ein Fanmarsch stattfinden kann. Zudem werden regelmässig nach Spielende die beiden Fangruppen gestaffelt aus dem Stadion gelassen. Im Gegensatz zu den organisatorischen Massnahmen gegenüber Gruppen sind Massnahmen gegenüber Einzelpersonen präventiver (Abs. 2) oder strafrechtlicher Art (Abs. 3).

Absatz 2 bezieht sich auf die präventiven Massnahmen. In der Schweiz stehen fünf präventive Schutzmassnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen 9

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zur Verfügung, mit welchen durch den Ausschluss gewalttätiger Personen weitere gewalttätige Handlungen verhindert werden sollen. Sportklubs und -verbände können gestützt auf das Zivilrecht Stadionverbote aussprechen. Die Kantone haben gestützt auf das Konkordat gegen Gewalt die Möglichkeit, Rayonverbote, Meldeauflagen und Polizeigewahrsam zu verfügen. Rayonverbote der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft, die nur der Grundfassung vom 15. November 2007 des Konkordats gegen Gewalt beigetreten sind, gelten nur für ihre Kantonsgebiete und längstens für die Dauer eines Jahres. Alle anderen Kantone, die der revidierten Fassung vom 2. Februar 2012 beigetreten sind, können Verbote für Rayons in der ganzen Schweiz mit einer Dauer bis zu drei Jahren aussprechen. Sämtliche Massnahmen müssen in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Konkordat gegen Gewalt im Einzelfall verhältnismässig sein.10 Schliesslich hat fedpol gestützt auf das BWIS die Möglichkeit, Ausreisebeschränkungen zu verfügen.

Absatz 3 bezieht sich auf strafrechtliche Sanktionen. Gewalttätigkeiten können gleichzeitig sowohl eine präventive Massnahme als auch eine strafrechtliche Sanktion nach sich ziehen. Als Tatbestände stehen die Artikel des Strafgesetzbuches11 (StGB), des Sprengstoffgesetzes und des Waffengesetzes vom 20. Juni 199712 im Vordergrund. Strafbar sind nicht nur Gewalttätigkeiten, sondern auch Verstösse gegen eine präventive Massnahme: Wird gegen ein privatrechtlich ausgesprochenes Stadionverbot verstossen, so stellt dies ein Hausfriedensbruch im Sinne von Artikel 186 StGB dar. Wird gegen eine staatliche Verfügung verstossen, in der auf Artikel 292 StGB hingewiesen wird, so erfüllt dies den Tatbestand des Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen. Im internationalen Verhältnis gelten die Bestimmungen des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 198113. Das Übereinkommen sieht vor, dass die Vertragsstaaten von der Möglichkeit der Rechtshilfe aktiv Gebrauch machen.

Absatz 4 betrifft Ausreisebeschränkungen. Dieser Absatz wurde bei der Verabschiedung des Textes des Übereinkommens im Europarat bis zuletzt intensiv diskutiert.

Der Grund für die intensive Diskussion war, dass einige Mitglieder des Europarats das Instrument der Ausreisebeschränkung noch nicht kennen und nicht einer unerfüllbaren Vorgabe zustimmen wollten. Der
Europarat hat schliesslich das Übereinkommen einschliesslich dieses Absatzes zur Unterzeichnung und Ratifikation verabschiedet. In der Folge haben einige Staaten angekündigt, dass sie beim Beitritt zum Übereinkommen einen Vorbehalt zu diesem Absatz anbringen werden. Die Schweiz kann dem Übereinkommen vorbehaltslos beitreten. Sie kennt mit Artikel 24c BWIS das Instrument der Ausreisebeschränkung bereits. Demnach kann einer Person unter bestimmten Voraussetzungen, insbesondere wenn gegen sie ein Rayonverbot besteht, die Ausreise aus der Schweiz in ein bestimmtes Land für eine bestimmte Dauer untersagt werden. Die Ausreisebeschränkung gilt frühestens drei Tage vor der Sportveranstaltung und dauert längstens bis einen Tag nach deren Ende. Während der Dauer der Beschränkung ist jede Ausreise verboten, mit der ein Aufenthalt im Bestimmungsland angestrebt wird.

10 11 12 13

BGE 140 I 2 ff.; 137 I 31 ff.

SR 311.0 SR 514.54 SR 351.1

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Art. 11

Internationale Zusammenarbeit

In diesem Artikel wird die NFIP eingehend geregelt. Hierbei handelt es sich um einen sogenannten Single Point of Contact (SPOC), welchen die Vertragsstaaten für internationale Kontakte zwischen Polizeibehörden einrichten und betreiben sollen.

fedpol nimmt bereits heute gestützt auf Artikel 4 des Übereinkommens von 1985, gestützt auf Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung14 (BV) und gestützt auf Artikel 24a Absatz 9 BWIS die internationale Zusammenarbeit und somit die Rolle der NFIP Schweiz wahr. Während bei lokalen und nationalen Sportveranstaltungen der polizeiliche Informationsfluss direkt zwischen den beteiligten Kantonen läuft, ist bei internationalen Sportveranstaltungen der Bund mitbeteiligt. Sowohl bei Spielen der Nationalteams als auch bei internationalen Klubspielen, beispielsweise im Rahmen der Champions League, trifft fedpol Abklärungen zum erwarteten Fanverhalten sowie zur Frage, ob Szenenkenner der Polizei des einen Staats die Sportveranstaltung im anderen Staat begleiten sollen.

Absatz 2 Buchstabe b sieht vor, dass die NFIP im Einklang mit den anwendbaren internen und internationalen Regeln personenbezogene Daten austauscht. In der Schweiz wird keine neue Kompetenz zum Datenaustausch geschaffen. fedpol kann heute gestützt auf Artikel 24a Absatz 9 BWIS Personendaten an ausländische Polizeibehörden und Sicherheitsorgane weitergeben. Es kann dies jedoch nur, wenn es sich um Personendaten handelt, welche bereits im Informationssystem HOOGAN enthalten sind, d. h. wenn gegen eine Person eine Massnahme verfügt und in HOOGAN eingetragen wurde. Die Daten dürfen nur weitergegeben werden, wenn der Empfänger garantiert, dass sie ausschliesslich der Anordnung von Massnahmen zur Verhinderung von Gewalttätigkeiten anlässlich von Sportveranstaltungen dienen.

Die Idee, pro Staat eine NFIP zu institutionalisieren, stammt ursprünglich aus der EU und ist in sämtlichen EU-Ländern obligatorisch. Diesem Vorbild sind jedoch auch Nicht-EU-Staaten wie die Schweiz gefolgt. Nun wird dieses bewährte Konzept vom Europarat übernommen, womit sich das geografische Gebiet des NFIP-Netzwerkes nochmals ausdehnt.

Bei der Diskussion des Übereinkommens im Europarat wurde festgehalten, dass die Vertragsstaaten das NFIP-Netzwerk auch für andere Sportarten als Fussball nutzen können, falls dies mit dem jeweiligen
nationalen Recht vereinbar ist. Im schweizerischen Recht gibt es keine Beschränkung der NFIP auf die Sportart Fussball. fedpol nutzt das Netzwerk insbesondere auch für internationale Eishockeyspiele.

Art. 12­14

Verfahrensklauseln (Bereitstellung von Informationen, Komitee für Sicherheit und Schutz bei Sportveranstaltungen, Aufgaben des Komitees)

Das mit dem revidierten Übereinkommen neu geschaffene Komitee für Sicherheit und Schutz bei Sportveranstaltungen ist verantwortlich für die Überwachung der Anwendung des Übereinkommens. Artikel 12 schreibt die Bereitstellung von Informationen vor, Artikel 13 regelt die Zusammensetzung des Komitees sowie das Stimmrecht und Artikel 14 hält die Aufgaben des Komitees fest. Die Hauptaufgabe 14

SR 101

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des Komitees ist, Informationen zu erheben, zu analysieren und weiterzuleiten. Dies kann insbesondere mit dem Erlass von Empfehlungen betreffend Good Practice geschehen. Eine weitere wesentliche Aufgabe des Komitees ist, im Rahmen von Besuchsprogrammen zu kontrollieren, ob die Vertragsstaaten die aus dem Übereinkommen erwachsenen Verpflichtungen erfüllen.

Bereits das Übereinkommen von 1985 sieht in den Artikeln 8­10 ein Komitee vor.

Das heisst, dass das im vorliegenden, neuen Übereinkommen geregelte Komitee bereits heute existiert und weitergeführt werden soll. Das Komitee trifft sich gegenwärtig zweimal jährlich zu einer Sitzung beim Europarat in Strassburg. fedpol vertritt die Schweiz im Komitee. Ein wichtiger Meilenstein des Komitees war, im Jahr 2015 eine Gesamtempfehlung zu verabschieden, die alle bisherigen Teilempfehlungen betreffend Good Practice umfasst ­ die «Recommandation Rec (2015)15 1 du Comité permanent sur la sécurité, la sûreté et les services lors des matches de football et autres manifestations sportives».

Besonders erwähnenswert sind Besuche gemäss Artikel 14 Absatz 2. Vertragsstaaten können sich von Fachleuten anderer Vertragsstaaten besuchen lassen, um sich bei der Anwendung des Übereinkommens beraten und unterstützen zu lassen. Besuche finden nur auf Wunsch des ersuchenden Staates statt. Durch die Tatsache, dass sich die Vertragsstaaten gegenseitig evaluieren und beraten, herrscht ein partnerschaftliches, konstruktives Verhältnis. Unangekündigte Besuche oder Besuche durch eine übergeordnete Instanz sind nicht vorgesehen. In den letzten Jahren hat sich die Praxis entwickelt, dass sich Staaten vor der Austragung einer Fussball-Europa- oder -Weltmeisterschaft in ihrem Land evaluieren lassen. So hat sich auch die Schweiz vor der Fussball-Europameisterschaft 2008 im eigenen Land einer Evaluation unterzogen und wurde sehr gut bewertet.

Art. 15

Änderungen

Es gilt zu unterscheiden, wer eine Änderung beantragen und wer sie beschliessen kann. Vertragsstaaten, das Komitee für Sicherheit und Schutz bei Sportveranstaltungen und das Ministerkomitee des Europarats können Änderungen des Übereinkommens vorschlagen. Das Ministerkomitee kann Änderungen beschliessen.

Art. 16­22

Schlussbestimmungen

Die Artikel 16­22 basieren auf den Muster-Schlussbestimmungen, die der Europarat für Übereinkommen verwendet16, sowie auf den Schlussbestimmungen des Übereinkommens von 1985. Es handelt sich somit um Standardbestimmungen. Geregelt werden die Unterzeichnung (Art. 16), das Inkrafttreten (Art. 17), der Beitritt von 15

16

Abrufbar unter: www.coe.int > Demokratie > Nachhaltige demokratische Gesellschaften > Sport und Ethik > Conventions > Sécurité, Sûreté et Services > Recommendation-Rec (2015) 1.

«Modèle de clauses finales pour les conventions et accords conclus au sein du Conseil de l'Europe» vom Ministerkomitee des Europarats in der 315. Versammlung im Februar 1980 verabschiedet; abrufbar unter: www.coe.int > Demokratie > Demokratische Regierungsführung > Demokratie > A propos de la DG démocratie > Structures / Outils > Traités.

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Nichtmitgliedstaaten (Art. 18), die Wirkungen des Übereinkommens (Art. 19), der räumliche Geltungsbereich (Art. 20), die Kündigung (Art. 21) und die Notifikationen (Art. 22).

Gemäss den Artikeln 16 und 18 können nebst Mitgliedstaaten des Europarats unter bestimmten Bedingungen auch Nichtmitgliedstaaten dem Übereinkommen beitreten.

Angesichts der grenzüberschreitenden Natur gewisser Sportveranstaltungen ist diese Öffnung gegenüber Nichtmitgliedstaaten sinnvoll.

Artikel 17 sieht vor, dass das Übereinkommen in Kraft tritt, wenn es von drei Mitgliedstaaten des Europarats ratifiziert worden ist. Die Hürde für das Inkrafttreten des Übereinkommens ist bewusst nicht sehr hoch, damit eine möglichst rasche Umsetzung ermöglicht wird. Das Übereinkommen ist am 1. November 2017 für Frankreich, Monaco und Polen in Kraft getreten. Weitere Staaten folgen schrittweise.

Artikel 19 zielt darauf ab, dass der Übergang vom geltenden Übereinkommen zum neuen Übereinkommen möglichst reibungslos verläuft. Sind für einen Staat für kurze Zeit sowohl das vorliegende Übereikommen als auch das Übereinkommen von 1985 in Kraft ­ weil die Kündigungsfrist des Übereinkommens von 1985 noch läuft ­, so findet bereits das vorliegende Übereinkommen Anwendung.

Gemäss Artikel 20 steht es den Vertragsstaaten frei, den räumlichen Geltungsbereich des Übereinkommens innerhalb ihres Hoheitsgebietes festzulegen. Es liegt jedoch auf der Hand, dass eine Einschränkung des räumlichen Geltungsbereichs dem Ziel und Zweck des Übereinkommens zuwiderlaufen würde. Die Einschränkung des räumlichen Geltungsbereichs dieses Übereinkommens steht für die Schweiz nicht zur Debatte.

Die Kündigungsfrist beträgt gemäss Artikel 21 sechs Monate. Die Kündigung erfolgt auf einen Monatswechsel.

3

Auswirkungen

Die Bestimmungen des Übereinkommens des Europarats über einen ganzheitlichen Ansatz für Sicherheit, Schutz und Dienstleistungen bei Fussballspielen und anderen Sportveranstaltungen richten sich an die Behörden der Vertragsstaaten. Die Vorgaben sind überwiegend programmatischer Natur. Dadurch sind die Vertragsstaaten in der Ausgestaltung der konkreten Umsetzung frei. In der Schweiz ist keine ergänzende Gesetzgebung notwendig, da Bund und Kantone mit ihren geltenden rechtlichen Grundlagen gut aufgestellt sind und die Anforderungen des Übereinkommens vollständig erfüllen. In den Erläuterungen zu einzelnen Artikeln ist dargelegt, wie die Schweiz die Bestimmungen des Übereinkommens umsetzt.

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3.1

Auswirkungen auf den Bund

3.1.1

Finanzielle Auswirkungen

Das Aufgabenspektrum des Bundes bleibt unverändert. Dementsprechend erfahren die heutigen geltenden Rechtsgrundlagen auf Bundesebene ­ die Artikel 24a­24g BWIS sowie die Verordnung über verwaltungspolizeiliche Massnahmen des Bundesamtes für Polizei und über das Informationssystem HOOGAN ­ keine Änderung.

Die angestrebte intensivere Kooperation der zuständigen Stellen erfolgt im Rahmen der heutigen Praxis und führt zu keinem Mehraufwand bei der Aufgabenerfüllung.

Folglich hat die Genehmigung des Übereinkommens keine finanziellen Auswirkungen auf den Bund.

3.1.2

Personelle Auswirkungen

Die angestrebte Intensivierung der nationalen, ganzheitlichen Kooperation kann ohne zusätzliche Personalressourcen erreicht werden. Die Genehmigung des Übereinkommens hat für den Bund keine personellen Auswirkungen.

3.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Das Aufgabenspektrum der Kantone und Gemeinden bleibt unverändert. Die Kantone verfügen mit dem Konkordat gegen Gewalt über eine ausreichende rechtliche Grundlage zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben. Die Bestimmungen des Konkordats werden auch von Gemeinden direkt angewendet. Insbesondere die Städte Zürich, St. Gallen und Winterthur, wo die jeweilige Stadtpolizei über sicherheitspolizeiliche Kompetenzen verfügt, wenden die im Konkordat vorgesehenen Massnahmen an. Die Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft, die nur der Grundfassung des Konkordats gegen Gewalt beigetreten sind, verfügen ebenfalls über ausreichende rechtliche Grundlagen, auch wenn diese weniger umfassend sind als in den anderen Kantonen.

Auch auf die Berggebiete hat das Übereinkommen keine besonderen Auswirkungen.

Wenn Sportveranstaltungen wie z. B. Fussball- oder Eishockeyspiele in diesen Gebieten durchgeführt werden, gelten wie bereits heute die Regeln des Konkordats gegen Gewalt. Weder auf Stufe des kantonalen Rechts noch auf der Stufe des Gemeinderechts sind Anpassungen nötig.

Die angestrebte Intensivierung der nationalen, ganzheitlichen Kooperation kann ohne zusätzliche Personalressourcen erreicht werden. Folglich hat die Genehmigung des Übereinkommens weder finanzielle noch personelle Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete.

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3.3

Auswirkungen auf Volkswirtschaft, Gesellschaft und Umwelt

Auf die Volkswirtschaft, die Gesellschaft und die Umwelt hat die Genehmigung des Übereinkommens keine besonderen Auswirkungen. Weder für Sportorganisationen, Fanorganisationen noch für Transportunternehmen ergeben sich neue Aufgaben. Die angestrebte und in die Wege geleitete Intensivierung der nationalen, ganzheitlichen Kooperation kann ohne zusätzliche Personalressourcen erreicht werden. Auch für Einzelpersonen resultieren aus dem Übereinkommen keine unmittelbaren Rechte und Pflichten.

Mit der Genehmigung des Übereinkommens bezeugt die Schweiz als Sitzstaat vieler internationaler Sportorganisationen gegenüber der Staatengemeinschaft, dass sie bereit ist, beim ganzheitlichen Ansatz für Sicherheit, Schutz und Dienstleistungen bei Fussballspielen und anderen Sportveranstaltungen Verantwortung zu übernehmen.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates

4.1

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 27. Januar 201617 zur Legislaturplanung 2015­2019 noch im Bundesbeschluss vom 14. Juni 201618 über die Legislaturplanung 2015­2019 angekündigt. Das Übereinkommen wurde erst im Verlaufe der Legislaturperiode 2011­2015 erarbeitet und im Juli 2016 vom Europarat zur Unterzeichnung aufgelegt.

4.2

Verhältnis zu Strategien des Bundesrates

Die Strategie «Nachhaltige Entwicklung 2016­2019»19 verweist in verschiedenen Zusammenhängen auf die gesellschaftliche Bedeutung des Sports. Damit der Sport seine Rolle glaubwürdig wahrnehmen kann, sind Massnahmen für einen ganzheitlichen Ansatz für Sicherheit, Schutz und Dienstleistungen bei Fussballspielen und anderen Sportveranstaltungen erforderlich. Die angestrebte und in die Wege geleitete Intensivierung der nationalen, stellenübergreifenden Kooperation stellt eine solche Massnahme dar.

17 18 19

BBl 2016 1105 BBl 2016 5183 Abrufbar unter: www.are.admin.ch > Nachhaltige Entwicklung > Politik und Strategie > Strategie Nachhaltige Entwicklung

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5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Gemäss Artikel 16 Absatz 3 des vorliegenden Übereinkommens kann das Übereinkommen nur ratifiziert werden, wenn das Übereinkommen von 1985 bereits gekündigt wurde oder gleichzeitig mit der Ratifikation gekündigt wird.

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1 BV, wonach der Bund für die auswärtigen Angelegenheiten zuständig ist. Artikel 184 Absatz 2 BV ermächtigt den Bundesrat, völkerrechtliche Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 BV für die Genehmigung völkerrechtlicher Verträge zuständig, sofern für deren Abschluss nicht aufgrund von Gesetz oder völkerrechtlichem Vertrag der Bundesrat zuständig ist (Art. 24 Abs. 2 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200220; Art. 7a Abs. 1 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199721).

In der schweizerischen Praxis wird die Kündigung von Verträgen als Aufgabe des Bundesrates auf der Grundlage von Artikel 184 BV betrachtet. Eine parlamentarische Initiative, die derzeit behandelt wird, soll die Kündigungskompetenz internationaler Verträge der Abschlusskompetenz gleichstellen. Um Unsicherheiten zu vermeiden und in Erwartung der Ergebnisse dieser Initiative sieht der Bundesbeschluss vor, dass der Bundesrat befugt ist, das Übereinkommen von 1985 zu kündigen.

5.2

Erlassform

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unbefristet und unkündbar sind (Ziff. 1), den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (Ziff. 2), wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder wenn deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert (Ziff. 3).

Beim vorliegenden Übereinkommen sind die ersten zwei Voraussetzungen nicht gegeben: Nach Artikel 21 ist das Übereinkommen kündbar, und es sieht auch nicht den Beitritt zu einer internationalen Organisation vor.

Es bleibt zu prüfen, ob die dritte Voraussetzung erfüllt ist, das heisst, ob das Übereinkommen wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthält oder ob seine Umsetzung den Erlass eines Bundesgesetzes erfordert. Nach Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes sind unter rechtsetzenden Normen jene Bestimmungen zu verstehen, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Als wichtig gelten Bestimmungen, die auf der Grundlage von Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form eines Bundesgesetzes erlassen werden müssen.

20 21

SR 171.10 SR 172.010

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Das vorliegende Übereinkommen des Europarats enthält wichtige rechtsetzende Bestimmungen. Beispielsweise begründet es in Artikel 10 Absatz 2 für die Vertragsparteien die Verpflichtung, wirksame Ausschlussmassnahmen wie z. B. Rayonverbote vorzusehen. Diese Verpflichtung hat auch Auswirkungen auf die Rechte und Pflichten von Einzelpersonen. Die Bestimmung muss als wichtig angesehen werden, da sie Grundrechte tangiert. Auch wenn in der Schweiz kein zusätzlicher Handlungsbedarf besteht, da die rechtlichen Grundlagen für wirksame Ausschlussmassnahmen wie das Rayonverbot und die Meldeauflage bereits im Konkordat gegen Gewalt geregelt sind, untersteht der Bundesbeschluss über die Genehmigung des Übereinkommens dem fakultativen Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV.

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