Inspektion als Folge der Verhaftung einer ehemaligen Quelle des NDB in Deutschland Bericht der Geschäftsprüfungsdelegation der eidgenössischen Räte vom 13. März 2018 Stellungnahme des Bundesrates vom 28. September 2018

Sehr geehrter Herr Präsident der Geschäftsprüfungsdelegation Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht vom 13. März 20181 betreffend der im Titel erwähnten Inspektion nehmen wir nach Artikel 158 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

28. September 2018

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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2018-2806

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Im April 2017 wurde der Schweizer Bürger Daniel M. in Frankfurt am Main im Rahmen eines Strafverfahrens wegen Spionage in Deutschland verhaftet. Er gab an, für den Nachrichtendienst des Bundes (NDB) gearbeitet zu haben. Diese und eine vorangehende Verhaftung im Auftrag der Bundesanwaltschaft (BA) im Jahr 2015 in der Schweiz wurden von den Medien aufgedeckt. Die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) eröffnete daraufhin eine Inspektion, die mit einem am 13. März 2018 2 veröffentlichten Bericht abgeschlossen wurde. Letzterer beinhaltet 13 Empfehlungen, die in erster Linie an den NDB und das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) gerichtet sind, aber auch an das Bundesamt für Polizei und das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) sowie an den Bundesrat und die BA.

Die GPDel hat den Bundesrat aufgefordert, zu seinem Bericht und den Empfehlungen bis zum 1. Oktober 2018 Stellung zu nehmen.

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Allgemeines

Im Rahmen ihrer Inspektion hat die GPDel verschiedene Mitglieder des Bundesrates sowie Mitarbeitende der involvierten Behörden angehört. Die GPDel hat ebenfalls mehrere Briefe an die Behörden adressiert, darunter den Vorentwurf ihres Berichts.

Der Vorsteher des VBS wurde zu diesem Vorentwurf konsultiert und legte am 7. März 2018 eine detaillierte und umfassende Stellungnahme mit zahlreichen Vorbehalten im Zusammenhang mit Geheimhaltungsüberlegungen und mit konkreten Änderungsvorschlägen vor. Es ist jedoch festzustellen, dass nur wenige dieser Änderungsvorschläge aufgenommen wurden. Der Bundesrat bedauert dies. Der Bundesrat erinnert zudem daran, dass das Engagement von Daniel M. einem tatsächlichen Bedürfnis entsprach.Zudem stellt die GPDel selber fest, dass «die Operation in der Durchführung zweckmässig und erfolgreich war»3.

Obwohl der NDB den Auftrag hatte, Informationen zu beschaffen, kann der Bericht der GPDel den Eindruck vermitteln, dass die effektiv erlangten Informationen von geringem oder keinem Nutzen für das Strafverfahren gegen Deutschland wegen Spionage auf Schweizer Territorium waren. Diese Beurteilung erfolgt allerdings rückblickend. Zum Zeitpunkt der Informationsbeschaffung war es nicht möglich, den Ausgang des Verfahrens oder die Bedeutung gewisser Elemente für deren Erfolg zu kennen. Das damalige politische Umfeld, sprich 2010­2012, unterscheidet sich fundamental vom heutigen. Der Steuerstreit mit Deutschland und die Diskussionen um das Bankgeheimnis waren akut, und unter Berücksichtigung der damaligen

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BBl 2018 5047, 2. Abschnitt

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Umstände hat der Bundesrat bewusst alle legalen Massnahmen umgesetzt, die erlaubten, die Interessen der Schweiz zu wahren.

Gleichwohl erachtet der Bundesrat auch aus rückblickender Perspektive die Empfehlungen der GPDel als gerechtfertigt. Er ist im Wesentlichen bereit, diese umzusetzen.

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Zu den verschiedenen Empfehlungen

Der Bundesrat äussert sich zu den Empfehlungen der GPDel wie folgt: Empfehlung 1

Rechtmässiges Verhalten von Quellen

Die GPDel empfiehlt dem NDB, analog zu Artikel 15 und 16 NDV ein Verfahren zu entwickeln, wie die Rechtmässigkeit des Einsatzes von Quellen und insbesondere von Subquellen sichergestellt werden kann.

Der Bundesrat ist bereit, dieser Empfehlung nachzukommen. Der NDB hat sie in Bezug auf seine Quellen im Sinne von menschlichen Quellen gemäss der Definition von Artikel 15 des Nachrichtendienstgesetzes vom 25. September 20154 (NDG) bereits grösstenteils umgesetzt. Die Pflicht, Quellen zu instruieren, um Beschaffungsaufträge im Ausland gemäss den gesetzlichen Bestimmungen zu garantieren, ist bereits in Artikel 15 der Nachrichtendienstverordnung vom 16. August 20175 (NDV) festgehalten. Es gilt jedoch zu betonen, dass die Auslandbeschaffung ein Spionagedelikt für den Gastgeberstaat darstellen kann. Die Pflicht, das geltende Recht in diesem Kontext zu respektieren, ist in Artikel 36 NDG nur generell definiert, wobei das Hauptaugenmerk darauf liegt, die Eingriffe in die Grundrechte betroffener Personen auf ein Minimum zu beschränken. Schliesslich können nur Personen einer Rechtmässigkeitskontrolle unterzogen werden, die dem NDB bekannt sind und die er selber instruiert hat. Der NDB kann die Aktivitäten von Personen im Netzwerk einer seiner Quellen nicht direkt kontrollieren, da er keinen Kontakt zu ihnen hat. Der NDB verzichtet deshalb künftig auf den Begriff «Sekundäre Quelle» oder «Subquelle». Dieser Begriff hat im Übrigen keine anerkannte Definition und kommt im NDG oder seinen Verordnungen nicht vor.

Empfehlung 2

Evaluation von Subquellen

Der NDB überprüft alle Subquellen auf die Qualität der gelieferten Produkte und klärt ab, über welche direkten Informationszugänge sie in dem Aufgabengebiet, in welchem sie Informationen liefern sollen, verfügen. Über die Resultate dieser Evaluation erstattet der NDB dem Vorsteher des VBS in geeigneter Form Bericht.

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SR 121 SR 121.1

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Im Rahmen der jährlichen Berichterstattung gemäss Artikel 19 NDV evaluiert ein Faktenblatt jede direkt vom NDB kontrollierte Quelle im Sinne von Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe a NDG einzeln nach Nutzen, Kosten und Risiken und erläutert die allfälligen Massnahmen. Insofern wird diese Empfehlung als bereits umgesetzt erachtet.

Empfehlung 3

Private Beziehungen von Quellen zu Angehörigen des NDB

Der NDB legt in einer internen Richtlinie abschliessend fest, unter welchen Bedingungen Personen als Quellen rekrutiert werden können, die mit aktiven Angehörigen der Abteilung Beschaffung persönlich bekannt sind.

Der Bundesrat ist bereit, dieser Empfehlung nachzukommen. Das VBS wird den NDB entsprechend beauftragen.

Empfehlung 4

Risiken der Informationsbeschaffung durch Privatdetektive im Ausland

Der NDB überprüft den Einsatz von Quellen schweizerischer Nationalität, die ihren Lebensunterhalt als Privatdetektive verdienen oder eine ähnliche Tätigkeit ausüben, für die Informationsbeschaffung im Ausland. Das VBS zeigt in einem Bericht die Risiken auf, die sich speziell aus dem Einsatz solcher Personen als Quellen ergeben, und legt dar, wie diese Risiken auf ein vertretbares Mass reduziert werden können.

Der Bundesrat ist bereit, dieser Empfehlung nachzukommen. Das VBS wird beauftragt, sie entsprechend umzusetzen.

Empfehlung 5

Meldung bei Verdacht der Tätigkeit einer Quelle für einen fremden Nachrichtendienst

Die Beschaffung informiert umgehend den Direktor NDB, wenn der Verdacht auftaucht, dass eine Quelle für einen fremden Nachrichtendienst arbeiten könnte.

Entscheidet der Direktor NDB über die Weiterführung der Quellenbeziehung, muss dies in der jährlichen Berichterstattung nach Artikel 19 NDV ausgewiesen werden.

Der Bundesrat ist bereit, dieser Empfehlung nachzukommen. Das VBS wird beauftragt, sie entsprechend umzusetzen.

Empfehlung 6

Transparenz über die Beendigung von Quellenbeziehungen

Meldet der NDB in der jährlichen Berichterstattung nach Artikel 19 NDV die Beendi-gung einer Quellenbeziehung, so weist er darin aus, ob und wie die Quelle darüber informiert werden konnte.

Der Bundesrat ist bereit, dieser Empfehlung nachzukommen. Das VBS wird beauftragt, sie entsprechend umzusetzen.

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Empfehlung 7

Anträge an den Bundesrat zur Anwendung von Art. 3 NDG

Die GPDel empfiehlt dem Bundesrat, dass er Anträge gemäss Artikel 71 NDG nur dann behandelt und bewilligt, wenn sie neben dem VBS auch von allen anderen Departementen, welche an der Informationsbeschaffung durch den NDB interessiert sind, mitunterzeichnet werden. In den Anträgen soll insbesondere ausgewiesen werden, welchen Nutzen die Informationsempfänger von den Resultaten des NDB erwar-ten.

Gemäss Artikel 71 NDG kann der Bundesrat den NDB beauftragen, weitere wichtige Landesinteressen nach Artikel 3 zu wahren. Diese Bestimmung garantiert, dass der Gesamtbundesrat die fragliche Massnahme überprüft und genehmigt. Der Umstand, dass ein anderes direkt interessiertes Departement den Antrag mitunterzeichnet, könnte die Verantwortlichkeit klären und die Legitimität der Massnahme stärken. Was die Ausweisung des Nutzens der Massnahme betrifft, wird dieser Punkt bereits präzise in Artikel 71 Absatz 2 NDG aufgeführt: «[Der Bundesrat] legt im Einzelfall Dauer, Zweck, Art und Umfang der Massnahme fest.» Der Bundesrat ist dementsprechend bereit, diese Empfehlung umzusetzen.

Empfehlung 8

Konzept für die Aufsicht durch den Direktor NDB

Das VBS legt in einem Konzept zuhanden der GPDel dar, wie der Direktor NDB innerhalb seines Dienstes für eine laufende Beurteilung der Operationen und Quellen sorgt. Im Konzept sind die Aufgaben und Zuständigkeiten auf Stufe Direktion und innerhalb des NDBB klar zu regeln. Zu klären ist auch die Rolle der Abteilung Beschaffung, des Rechtsdienstes und des Sicherheitsdienstes des NDB.

Der Bundesrat ist bereit, dieser Empfehlung nachzukommen. Das VBS wird beauftragt, sie entsprechend umzusetzen.

Empfehlung 9

Besserer Informationsfluss zwischen BKP, BA und NDB im Rahmen von Anfragen der BKP an den NDB

Richtet die BKP im Rahmen von Strafverfahren Anfragen an den NDB zur Informationsbeschaffung oder Unterstützung, orientiert sie die zuständige Verfahrensleitung der BA und stellt sicher, dass der NDB hinreichend über den Zweck und den Nutzen der erwünschten Dienstleistung orientiert ist.

Nach Auffassung des Bundesrats ist diese Empfehlung mit der Strafprozessordnung 6 (Art. 207 und 312), die 2011 in Kraft getreten ist, sowie mit der JANUS-Verordnung vom 15. Oktober 20087 (Art. 29h Abs. 1 und 2), die 2015 revidiert wurde, bereits umgesetzt. Diese rechtlichen Bestimmungen sehen vor, dass die Verfahrensleitung der BA über jede Etappe des Verfahrens der Bundeskriminalpolizei (BKP) ausreichend informiert ist.

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SR 312.0 SR 360.2

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Empfehlung 10

Jährliche Information der Vorsteherin oder des Vorstehers des EJPD über die Zusammenarbeit der BKP mit dem NDB

Die Vorsteherin oder der Vorsteher des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) lässt sich jährlich durch fedpol über die Zusammenarbeit der BKP mit dem NDB sowie über die von der BKP für den NDB ausgeführten Observationen und Beschaffungsaufträge informieren.

Der Bundesrat ist bereit, dieser Empfehlung nachzukommen; das EJPD wird beauftragt, sie umzusetzen. Eine jährliche Information ist jedoch nur insofern möglich, als dass die entsprechenden Angaben nicht kriminalpolizeiliche Ermittlungsverfahren in der Verantwortung der BA betreffen. In diesem Fall liegt es in der Zuständigkeit des Bundesanwalts, zu entscheiden, ob und inwieweit die Vorsteherin des EJPD entsprechend informiert werden kann.

Empfehlung 11

Erarbeitung von Szenarien

Der NDB und die Strafverfolgungsbehörden erarbeiten mögliche Szenarien, in welchen Situationen Informationen über Quellen und ihre Führung durch den NDB in einem Strafverfahren auftauchen könnten, und definieren, welcher rechtliche Handlungsspielraum für den Quellenschutz besteht. Sie nehmen mögliche Schlussfolgerungen daraus in die Zusammenarbeitsvereinbarungen zwischen dem NDB und den Strafverfolgungsbehörden auf.

Der Bundesrat ist bereit, dieser Empfehlung nachzukommen. Der NDB wird beauftragt, sie entsprechend umzusetzen. Der NDB und die BA haben bereits Gespräche aufgenommen und die Revision ihrer Zusammenarbeitsvereinbarungen eingeleitet.

Empfehlung 12

Information der GPDel über Strafverfahren gegen Quellen

Sobald der NDB erfährt, dass gegen eine aktive oder ehemalige Quelle ein Strafverfahren läuft oder sie verhaftet wurde, informiert er umgehend den Vorsteher des VBS, der danach die Information der GPDel veranlasst. Innert nützlicher Frist informiert das Departement die GPDel über seine Beurteilung des Falles und die beschlossenen Massnahmen.

Der Bundesrat ist bereit, dieser Empfehlung nachzukommen. Das VBS und der NDB werden beauftragt, sie entsprechend umzusetzen, sofern sie über relevante Informationen verfügen. In der Tat gelangt die Information, dass ein Strafverfahren eröffnet wurde, insbesondere bei einer mutmasslichen Straftat im Ausland oder gegen eine ehemalige Quelle, mit welcher jeglicher Kontakt abgebrochen wurde, nicht automatisch zum NDB.

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Empfehlung 13

NDB und BA konsultieren und informieren sich gegenseitig angemessen

Der NDB und die BA konsultieren und informieren sich gegenseitig in angemessener Weise. Insbesondere konsultiert der NDB die BA, bevor er Informationen, welche die BA betreffen, an den Bundesrat weiterleitet.

NDB und BA überprüfen das Memorandum zwischen dem NDB und der BA vom 2. und 3. Dezember 2014 im Hinblick auf mögliche Verbesserungen in Bezug auf gegenseitige Information und Konsultation unter Wahrung der Zuständigkeiten und selbständigen Aufgabenerfüllung beider Behörden.

Der Bundesrat ist bereit, dieser Empfehlung nachzukommen. Der NDB wird beauftragt, sie entsprechend umzusetzen. Der NDB und die BA haben bereits Gespräche aufgenommen und die Revision ihrer Zusammenarbeitsvereinbarungen eingeleitet.

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