00.087 Botschaft über die Volksinitiative «für eine Kapitalgewinnsteuer» vom 25. Oktober 2000

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir legen Ihnen hiermit die Botschaft über die Volksinitiative «für eine Kapitalgewinnsteuer» vor und beantragen Ihnen, die Initiative Volk und Ständen mit der Empfehlung auf Ablehnung zur Abstimmung zu unterbreiten.

Der Entwurf zu einem entsprechenden Bundesbeschluss liegt bei.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

25. Oktober 2000

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

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Der Bundespräsident: Adolf Ogi Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2000-1111

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Übersicht Am 5. November 1999 wurde die Volksinitiative «für eine Kapitalgewinnsteuer» in der Form eines ausgearbeiteten Entwurfs eingereicht. Die Initiative verlangt eine Ergänzung von Artikel 41ter der alten Bundesverfassung (aBV) durch die neuen Absätze 1 ter und 5bis (entspricht Art. 128a Abs. 1 und Abs. 2 BV). Danach erhebt der Bund «eine besondere Steuer auf realisierten Kapitalgewinnen auf beweglichem Vermögen, welche von der direkten Bundessteuer befreit sind» (Abs. 1ter aBV). Absatz 5bis Buchstaben a­c aBV sieht für die Erhebung dieser Kapitalgewinnsteuer im Einzelnen Folgendes vor: Kapitalgewinne sollen zu einem einheitlichen, proportionalen Satz von mindestens 20 Prozent erfasst werden (Bst. a); Kapitalverluste sollen im Steuerjahr und während höchstens zweier weiterer Jahre mit den Kapitalgewinnen verrechnet werden dürfen (Bst. b); geringfügige Gewinne soll die Gesetzgebung von der Steuer befreien (Bst. c). Die Gesetzgebung soll ausserdem vorsehen können, dass die Steuer auf Rechnung des Bundes von den Kantonen erhoben wird (Bst. c). Schliesslich soll die Gesetzgebung zur Steuersicherung eine Quellensteuer vorsehen können (Bst. c).

Gleichzeitig verlangt die Volksinitiative eine Ergänzung der Übergangsbestimmungen aBV mit einem neuen Artikel 8quater (entspricht Art. 197 Ziff. 1 BV). Danach hat der Bundesrat für den Fall, dass innert dreier Jahre nach Annahme der neuen Verfassungsbestimmungen über die Kapitalgewinnsteuer kein Ausführungsgesetz in Kraft gesetzt wird, die notwendigen Ausführungsbestimmungen auf dem Verordnungsweg zu erlassen (Art. 8quater Abs. 1­4 aBV).

Die Initiative ist als gültig zu betrachten und Volk und Ständen zur Abstimmung zu unterbreiten. Der Bundesrat beantragt der Bundesversammlung die Ablehnung der Volksinitiative ohne Gegenentwurf.

Aus verfassungsrechtlicher Sicht hat der Bund bereits heute die Kompetenz, neben dem Einkommen aus Erwerbstätigkeit und den Vermögenserträgen auch die Gewinne auf beweglichem (und unbeweglichem) Vermögen zu besteuern. Eine ausdrückliche Erwähnung von Gewinnen auf beweglichem Kapitalvermögen in der Verfassung, wie dies von den Initianten vorgeschlagen wird, ist deshalb entbehrlich.

Die heutige Rechtslage, wonach private Kapitalgewinne sowohl für die direkte Bundessteuer wie auch für die direkten Steuern der Kantone und Gemeinden
steuerfrei sind, entspricht den Anforderungen der Steuerharmonisierung.

Kapitalgewinne werden schon heute steuerlich erfasst, falls sie von einer juristischen Person oder im Geschäftsvermögen einer natürlichen Person erzielt werden.

Nur im Bereich des privaten beweglichen Vermögens sind Kapitalgewinne von der direkten Bundessteuer und den direkten Steuern der Kantone und Gemeinden ausgenommen. Die Initianten wollen diesen Zustand ändern. Ausgehend von den Grundsätzen der gleichmässigen Besteuerung und der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sollen nicht nur Arbeitseinkommen und Vemögenserträge, sondern auch effektiv realisierte Kapitalgewinne besteuert werden.

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Die Initianten begründen die Einführung einer Kapitalgewinnsteuer u.a. auch damit, dass die Schweiz praktisch das einzige Industrieland ohne Kapitalgewinnsteuer sei. Der internationale Vergleich einer einzigen Steuerart ist jedoch, solange er nicht in einer Gesamtsicht des Steuersystems erfolgt, nur von beschränkter Aussagekraft. So ist u.a. zu berücksichtigen, dass in der Schweiz im Unterschied zu vielen Staaten das System der wirtschaftlichen Doppelbelastung gilt. Sodann ist zu erwähnen, dass zahlreiche ausländische Staaten keine Vermögenssteuer für Privatpersonen kennen. Demgegenüber erheben alle Kantone, nicht aber der Bund, eine allgemeine Vermögenssteuer. Durchschnittlich beläuft sich die Steuerbelastung auf etwa 3 bis 5 Promille des Reinvermögens. Damit wird auch der Vermögenszuwachs berücksichtigt, der sich u.a. aus der Erhöhung der Börsenkapitalisierung ergibt. Im Jahre 1997 beliefen sich die Einnahmen aus der Vermögenssteuer gesamtschweizerisch auf über 3 Milliarden Franken.

Was die so genannten einkommenssteuerfreien Vermögensmillionäre anbelangt, so handelt es sich dabei nicht um den Regelfall, sondern um gelegentlich vorkommende Phänomene, die mit dem Abzug von Verlusten, Schuldzinsen und Liegenschaftsunterhaltskosten zu tun haben. Sodann sollte nicht übersehen werden, dass trotz Reineinkommen von null Franken die Grundstückgewinnsteuer geschuldet sein kann. Schliesslich steht auch fest, dass rund zwei Drittel der Einnahmen aus der direkten Bundessteuer der natürlichen Personen von nur rund 11 Prozent aller Steuerpflichtigen aufgebracht werden. Es trifft daher nicht zu, dass die grossen Einkommen und Vermögen in der Schweiz der Besteuerung entgehen.

Trotz teilweiser Kritik ist bereits nach geltendem Recht bei zahlreichen Sachverhalten mit Veräusserung von Vermögenswerten die Einkommenssteuer geschuldet (gewerbsmässiger Handel, Mantelhandel, Transponierung, direkte Teilliquidation, indirekte Teilliquidation, Verkauf der Aktien innerhalb der Sperrfrist nach Umwandlung einer Einzelunternehmung oder Personengesellschaft in eine Aktiengesellschaft).

Der Bundesrat lehnt die mit der Volksinitiative geforderte Kapitalgewinnsteuer ohne Gegenvorschlag ab. Die Hauptmängel der Initiative liegen in der fehlenden Praktikabilität für Steuerpflichtige und Steuerbehörden, den entsprechenden negativen
Erfahrungen in den Kantonen sowie in der vergleichsweise geringen Ergiebigkeit einer Kapitalgewinnsteuer, wie sie von den Initianten vorgeschlagen wird. Eine Kapitalgewinnsteuer würde nicht nur u.a. mit der Vermögenssteuer kollidieren, sondern wäre auch finanziell unergiebig und administrativ sehr aufwendig. Ausserdem würden die mitunter schwierigen Abgrenzungen zwischen Geschäfts- und Privatvermögen sowie zwischen Kapitalgewinn und Vermögensertrag durch eine allfällige Annahme der Initiative nicht entfallen.

Der Bundesrat will an der geltenden Steuerfreiheit der privaten Kapitalgewinne im Rahmen einer gleichzeitigen Reform des Unternehmungssteuerrechts Korrekturen anbringen. Dabei ist dem über Jahrzehnte gewachsenen schweizerischen Steuersystem angemessen Rechnung zu tragen. Der Bundesrat hat im Rahmen der Umsetzung von Steuerreformen gemäss Finanzleitbild am 13. März 2000 u.a. beschlossen, die Einführung einer Beteiligungsgewinnsteuer unter Milderung der wirtschaftlichen Doppelbelastung eingehend zu prüfen. Die dazu notwendigen Ab-

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klärungen können nicht bis zur Verabschiedung der Botschaft abgeschlossen werden. Aus zeitlichen Gründen kann deshalb die Beteiligungsgewinnsteuer nicht als indirekter Gegenvorschlag zur Initiative bereits in diese Botschaft integriert werden.

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Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Formelles

Am 5. November 1999 reichte der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) die in Form eines ausgearbeiteten Entwurfs abgefasste eidgenössische Volksinitiative «für eine Kapitalgewinnsteuer» ein.

1.1.1

Wortlaut der Initiative

Die Initiative lautet wie folgt: I Die Bundesverfassung wird wie folgt ergänzt: Art. 41ter Abs. 1ter (neu) und Abs. 5bis (neu) 1ter Der Bund erhebt eine besondere Steuer auf realisierten Kapitalgewinnen auf beweglichem Vermögen, welche von der direkten Bundessteuer befreit sind.

5bis

Für die Kapitalgewinnsteuer nach Absatz 1ter gilt:

a.

Kapitalgewinne werden zu einem einheitlichen, proportionalen Satz von mindestens 20 Prozent besteuert.

b.

Kapitalverluste können im Steuerjahr und während höchstens zweier weiterer Jahre mit den Kapitalgewinnen verrechnet werden.

c.

Die Gesetzgebung befreit geringfügige Gewinne von der Steuer. Sie kann weiter vorsehen, dass die Steuer auf Rechnung des Bundes von den Kantonen erhoben wird. Sie kann zur Steuersicherung eine Quellensteuer vorsehen.

II Die Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung werden wie folgt ergänzt: Art. 8quater (neu) 1

Falls innert dreier Jahre nach Annahme des Verfassungsartikels über die Kapitalgewinnsteuer nach Artikel 41ter Absatz 1ter und Absatz 5bis kein Ausführungsgesetz in Kraft gesetzt wird, erlässt der Bundesrat die notwendigen Ausführungsbestimmungen auf dem Verordnungsweg.

2

Dabei gelten folgende Grundsätze: a.

Der Steuer unterliegen Kapitalgewinne, insbesondere auf Devisen, Wertpapieren und Beteiligungen, einschliesslich Gewinne auf Optionen, Termingeschäften und anderen derivaten Anlageinstrumenten sowie auf Anteilen von Anlagefonds.

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b.

Steuerpflichtig ist, wer in der Schweiz steuerrechtlichen Wohnsitz oder Aufenthalt hat. Wer nach Artikel 56 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer von der Steuerpflicht befreit ist, ist dies auch für die Kapitalgewinne.

c.

Der Steuersatz beträgt 25 Prozent.

d.

Pro Jahr sind pro Steuerpflichtigen die ersten 5000 Franken Kapitalgewinne steuerfrei.

e.

Der Bundesrat kann zur Steuersicherung die Kapitalgewinnsteuer soweit möglich an der Quelle erheben.

3

Der Bundesrat kann zur Gewährleistung der familiären Nachfolgeregelung bei kleinen und mittleren Unternehmungen langjährige Zahlungsfristen vorsehen.

4

Der Bundesrat erlässt im Weiteren die notwendigen Normen zur Erhebung der Steuer, namentlich solche über die Haftung, das Verfahren, die Amts- und Rechtshilfe, die Rechtsmittel, die Fälligkeit, die Verjährung und die Strafnormen. Er kann dabei Bussen bis zum Fünffachen der hinterzogenen Steuer und Gefängnis bis zu drei Jahren vorsehen. Den gleichen Strafen unterstehen professionelle Wertpapierhändler, welche den Pflichten zur Steuersicherung nicht genügen.

1.1.2

Zustandekommen

Die Bundeskanzlei stellte mit Verfügung vom 9. Dezember 1999 fest, dass die am 5. November 1999 eingereichte Initiative mit 104 407 gültigen Unterschriften formell zu Stande gekommen ist (BBl 1999 9791).

1.1.3

Behandlungsfrist

Die Botschaft des Bundesrates zur Initiative ist nach Artikel 29 Absatz 1 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG; SR 171.11) spätestens innert 12 Monaten nach Einreichung der Initiative, also bis zum 4. November 2000, der Bundesversammlung zu unterbreiten.

Der Beschluss der Bundesversammlung darüber, ob sie der Initiative in der eingereichten Form zustimmt oder sie ablehnt, muss nach spätestens 30 Monaten gefasst werden, das heisst bis spätestens am 4. Mai 2002. Hat mindestens ein Rat beschlossen, dass ein direkter oder indirekter Gegenvorschlag unterbreitet werden soll, so kann die Bundesversammlung diese Frist um ein Jahr verlängern.

Der Bundesrat hat am 13. März 2000 beschlossen, der Bundesversammlung die Ablehnung der Volksinitiative zu beantragen und ihr weder einen Gegenentwurf noch einen mit der Volksinitiative eng zusammenhängenden Erlass zu unterbreiten.

1.1.4

Folgen der neuen Bundesverfassung vom 18. April 1999

Nach der Annahme der neuen Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BV) werden die von der Volksinitiative «für eine Kapitalgewinnsteuer» verlangten neuen Verfassungsbestimmungen nicht mehr die in der alten Bundesverfassung (aBV) ver6000

wendete Nummerierung (Art. 41ter Abs. 1ter und Abs. 5bis aBV sowie Art. 8quater Übergangsbestimmungen aBV) tragen können, sondern an die neue Bundesverfassung angepasst (Art. 128a Abs. 1 und Abs. 2 sowie Art. 197 Ziff. 1 BV) werden müssen. Der Text der Volksinitiative bedarf dabei ausser der Anpassung der Verweise an die neue Nummerierung keiner redaktionellen Änderung.

1.1.5

Die Mitwirkung der Kantone

Die Volksinitiative will durch eine «besondere Steuer» realisierte Kapitalgewinne auf beweglichem Privatvermögen erfassen. Die Kapitalgewinne sollen zu einem einheitlichen, proportionalen Satz von mindestens 20 Prozent besteuert werden. Das Besondere an dieser direkten Steuer besteht somit neben ihrer Einführung darin, dass die Gewinne nicht zum übrigen Einkommen gezählt und nicht zu einem progressiven Tarif besteuert werden. Dabei fällt auf, dass die Initiative keinen ausdrücklichen Ausschluss kantonaler und kommunaler Besteuerung vorschlägt, wie er in Artikel 134 BV (Art. 41bis Abs. 2 und Art. 41ter Abs. 2 aBV) für die Mehrwertsteuer, die besonderen Verbrauchssteuern, die Stempelsteuer und die Verrechnungssteuer vorgesehen ist. Fraglich ist, ob die Initianten die Besteuerungskompetenz des Bundes dennoch als ausschliessliche verstanden haben. Der vergleichsweise hohe Steuersatz von mindestens 20 Prozent ­ gegenüber dem Höchstsatz von 11,5 Prozent bei der direkten Bundessteuer ­ deutet in diese Richtung. Zusammen mit einer durchschnittlichen kantonalen Kapitalgewinnsteuer von rund 25 Prozent würde ansonsten die steuerliche Belastung rund die Hälfte der Kapitalgewinne ausmachen.

Zum selben Resultat führt die Auslegung der Übergangsbestimmungen, wonach der Bundesrat auf dem Verordnungsweg die notwendigen Ausführungsbestimmungen für eine Bundessteuer, nicht jedoch eine harmonisierte Norm für die Kantone, erlässt.

Bei systematischer Auslegung der Verfassung müsste dagegen mit Blick auf den Steuerharmonisierungsauftrag (Art. 129 BV, Art. 42quinquies aBV), mit dem eine vertikale und eine horizontale formelle Steuerharmonisierung angestrebt wird, eine Gesetzesänderung nicht nur das Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG), sondern auch das Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG) umfassen. Sodann ist in Betracht zu ziehen, dass gemäss Initiative die Kantone mit der Steuererhebung zu betrauen wären. Es war deshalb mit Rücksicht auf die in Artikel 45 BV statuierte Mitwirkung der Kantone an der Willensbildung des Bundes angezeigt, dass den Kantonen Gelegenheit gegeben wurde, zur Volksinitiative Stellung zu nehmen. Aus zeitlichen Gründen beschränkte sich diese Mitwirkung auf eine im Frühjahr 2000 durchgeführte
Konsultation der Konferenz der Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren der Kantone (FDK) sowie der Konferenz Staatlicher Steuerbeamter. Diese haben sich wie folgt geäussert: Die FDK teilte mit, dass die im Botschaftsentwurf vertretene Stossrichtung ihren bisherigen Meinungsäusserungen entspreche, wonach eine generelle Kapitalgewinnsteuer zufolge des Missverhältnisses zwischen Aufwand und Ertrag (mangelnde Erhebungseffizienz) abzulehnen sei. Zur Frage der Einführung einer Beteiligungsgewinnsteuer könne sie erst dann einlässlich Stellung nehmen, wenn die Anträge der «Expertenkommission rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung» vorlägen.

6001

Der Ausschuss der Konferenz Staatlicher Steuerbeamter war ebenfalls damit einverstanden, dass die Initiative Volk und Ständen ohne Gegenvorschlag mit der Empfehlung auf Ablehnung zur Abstimmung unterbreitet wird. Der Botschaftsentwurf enthalte eine ausführliche Darstellung aller in Frage stehenden Probleme. Insbesondere seien die angeführten Gründe für die steuerliche Nichterfassung der Gewinne auf beweglichem Privatvermögen in allen Teilen zutreffend und überzeugend.

1.2

Gültigkeit

1.2.1

Einheit der Form und der Materie

Das in Artikel 139 Absatz 3 BV statuierte Gebot der Einheit der Form verlangt, dass eine Volksinitiative entweder als allgemeine Anregung oder als ausgearbeiteter Entwurf ausformuliert sein muss; Mischformen sind nicht gestattet (Art. 75 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 1976 über die politischen Rechte, BPR, SR 161.1). Bei der vorliegenden Initiative ist die Einheit der Form gewahrt, da sie als vollständig ausgearbeiteter Entwurf vorliegt.

Das Gebot der Einheit der Materie (Art. 139 Abs. 3 BV) soll sicherstellen, dass mit dem Initiativbegehren nicht mehrere, sachlich nicht zusammenhängende Fragen zur Abstimmung gelangen, die eine freie und unverfälschte demokratische Willensbildung und -kundgabe verunmöglichen. Die Einheit der Materie ist gewahrt, wenn zwischen den einzelnen Teilen der Initiative ein sachlicher Zusammenhang besteht (Art. 75 Abs. 2 BPR). Die vorliegende Initiative «für eine Kapitalgewinnsteuer» beschränkt sich thematisch auf Vorschriften über das Steuersubjekt, das Steuerobjekt, den Steuertarif und das Erhebungsverfahren. Innerhalb dieser Regelungsmaterie besteht ein genügender sachlicher Zusammenhang. Die Einheit der Materie ist gewahrt.

1.2.2

Durchführbarkeit

Die Durchführung kann, wie noch zu zeigen sein wird (vgl. Ziff. 3.1 hienach), sowohl für Steuerpflichtige wie auch für die Steuerbehörden ausserordentlich schwierig und entsprechend aufwendig sein. Derartige Umsetzungsprobleme können jedoch nach der Doktrin (vgl. statt vieler Pierre Tschannen, Stimmrecht und politische Verständigung, Bern 1995, S. 79 ff., m.w.H.) und konstanter Praxis eine Ungültigerklärung nicht rechtfertigen. Ungültig erklärt werden dürfen einzig Volksinitiativen, die zweifelsfrei nie umgesetzt werden können.

2

Besonderer Teil

2.1

Ziel der Volksinitiative

Die Initianten aus dem Umfeld des SGB wollen mit der Volksinitiative für eine Kapitalgewinnsteuer politisch Druck machen und die Steuergerechtigkeit verbessern.

Gegen die in der Schweiz geltende Steuerfreiheit von Gewinnen auf beweglichem Kapitalvermögen bringen sie im Wesentlichen vor, diese sei ungerecht und in der

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industrialisierten Welt fast einmalig. Für die Initiative sprechen nach Auffassung ihrer Urheber insbesondere folgende Argumente: ­

die Kapitalgewinnsteuer werfe mindestens 400 bis 1000 Millionen Franken Ertrag pro Jahr ab. Dabei sei davon auszugehen, dass nur ein Viertel der betroffenen Kapitalien in privatem, inländischem Besitz seien;

­

zur Steuersicherung könne durch Gesetz eine Quellensteuer vorgesehen werden. Diese Quellensteuer stelle eine Erhebungsform dar, welche das Bankgeheimnis nicht in Frage stelle;

­

ausser der Schweiz kenne im OECD-Raum einzig Griechenland ebenfalls keine Kapitalgewinnsteuer;

­

die Erhebung der Kapitalgewinnsteuer sei heute im Vergleich zu früher dank EDV zweckmässiger und leichter zu bewerkstelligen. Die elektronische Börse erfasse nämlich jede Wertpapiertransaktion mit dem zugehörigen Preis, was eine jederzeitige Berechnung des Kapitalgewinns ermögliche.

2.2

Anlass zur Volksinitiative

Anlass zur Initiative war für den SGB nach eigenem Bekunden u.a., dass von Ende 1990 bis Ende 1997 der Wert aller an der Börse registrierten Schweizer Aktien (so genannte Börsenkapitalisierung) um über 600 Milliarden Franken, davon allein im Jahr 1997 um 300 Milliarden Franken zugenommen habe. Die bei einem Verkauf erzielten Kapitalgewinne seien für Private steuerfrei geblieben (Broschüre des SGB «Für eine Kapitalgewinnsteuer», Mai 1998, S. 4 und 5). In diesem Zusammenhang weisen die Initianten auch darauf hin, dass das Vermögen der 250 Reichsten in der Schweiz im Jahr 1997 um 60 Milliarden Franken zugenommen habe. Diese 60 Milliarden Franken Gewinn seien wegen der fehlenden Kapitalgewinnsteuer steuerfrei geblieben. Wörtlich führen die Initianten dazu aus: «Selbstverständlich handelt es sich nicht oder nur zum kleineren Teil um realisierte (d.h. durch Aktienverkäufe erzielte) Gewinne. Doch um einen Vermögenszuwachs, resp. um ein Einkommen, handelt es sich allemal» (Broschüre des SGB «Für eine Kapitalgewinnsteuer», Mai 1998, S. 10 und 11). An anderer Stelle schreiben die Initianten freilich, Kapitalgewinne seien Wertzuwächse von privaten Besitzern aus dem Verkauf von Aktien, aus Devisengeschäften, Optionen, spekulativen Termingeschäften und aus Anlagefondsanteilen. Sie räumen auch ein, dass die Börsengewinne grösstenteils Buchgewinne sind, die bei einem Preisrückgang der Aktienwerte auch wieder dahinschmelzen können. Zu besteuern seien Kapitalgewinne nur, wenn sie realisiert werden, d.h., wenn aus Verkäufen tatsächlich Gewinne anfallen (Broschüre des SGB «Für eine Kapitalgewinnsteuer», Mai 1998, S. 5, 11, 15).

Weiterer Anlass für die Initiative war das Phänomen der einkommenssteuerfreien Vermögensmillionäre. Bürgerinnen und Bürger seien enttäuscht und verbittert über diese Steuerschlupflöcher und legalen Steuerumgehungen. Der nationale Zusammenhalt sei gefährdet, wenn die Leute das Gefühl haben müssten, die Steuergerechtigkeit im Lande sei dauernd verletzt.

Zusammenfassend verlangen die Initianten die Einführung einer Steuer von 20­25 Prozent auf den privaten Kapitalgewinnen. Sie begründen dieses Begehren hauptsächlich damit, dass private Kapitalgewinne gleich zu behandeln seien wie Liegenschaftsgewinne oder Lohneinkommen. Die Einführung der Kapitalgewinnsteuer sei 6003

ein Akt der Steuergerechtigkeit (Broschüre des SGB «Für eine Kapitalgewinnsteuer», Mai 1998, S. 11).

2.3

Das geltende Recht

2.3.1

Bestehende Verfassungsgrundlagen

Die verfassungsmässigen Grundsätze der Besteuerung ergeben sich aus Artikel 8 Absatz 1 und Artikel 9 BV (Art. 4 Abs. 1 aBV) sowie vorab aus Artikel 127 BV.

Danach ist die Ausgestaltung der Steuern, namentlich der Kreis der Steuerpflichtigen, der Gegenstand der Steuer und deren Bemessung, in den Grundzügen im Gesetz selbst, d.h. in einem referendumspflichtigen Erlass, zu regeln (Legalitätsprinzip, Art. 164 Abs. 1 Bst. d BV). Zu beachten sind dabei neben dem Willkürverbot insbesondere die Grundsätze der Allgemeinheit und der Gleichmässigkeit der Besteuerung sowie der Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Ebenfalls von Bedeutung ist der Grundsatz der Praktikabilität, der einen engen Bezug aufweist zum Verhältnismässigkeitsprinzip. Schliesslich hat der Gesetzgeber auch das Eigentum zu gewährleisten, insbesondere die wesentlichen, sich aus dem Eigentum ergebenden Verfügungs- und Nutzungsrechte zu wahren (Art. 26 BV).

Verfassungsmässige Grundlage für die Einkommenssteuer ist Artikel 128 BV (Art. 41ter Abs. 1 Bst. c und Abs. 5 aBV). Danach hat der Bund im Sinne einer Sachkompetenz u.a. die Befugnis, vom Einkommen der natürlichen Personen eine direkte Bundessteuer zu erheben. Zwar geht die Verfassung nicht von einem bestimmten Einkommensbegriff aus. Die Verwendung des Begriffs «Einkommen» bedeutet aber, dass darunter das Einkommen in seiner Gesamtheit zu verstehen ist. Es können m.a.W. sämtliche die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit steigernden Elemente, wozu Einkünfte aus Arbeit, aus Vermögenserträgen und Vermögensgewinnen gleichermassen gehören, besteuert werden (Reinvermögenszugangstheorie).

Der Bund hat demnach bereits heute die verfassungsmässige Kompetenz, neben dem Einkommen aus Erwerbstätigkeit und den Vermögenserträgen auch die Gewinne auf beweglichem (und unbeweglichem) Vermögen zu besteuern. Eine ausdrückliche Erwähnung von Gewinnen auf beweglichem Kapitalvermögen in der Verfassung ist entbehrlich.

Gemäss Artikel 129 BV (Art. 42quinquies aBV) legt der Bund die Grundsätze fest über die Harmonisierung der direkten Steuern von Bund, Kantonen und Gemeinden; er berücksichtigt die Harmonisierungsbestrebungen der Kantone (Abs. 1). Die Harmonisierung erstreckt sich auf Steuerpflicht, Gegenstand und zeitliche Bemessung der Steuern, Verfahrensrecht und
Steuerstrafrecht. Ausgenommen von der Harmonisierung bleiben insbesondere die Steuertarife, die Steuersätze und die Steuerfreibeträge (Abs. 2). Das Ziel der Steuerharmonisierung besteht in der Angleichung der Steuerrechtsordnungen von Bund und Kantonen. Angestrebt wird eine Verbesserung der Transparenz des schweizerischen Steuerrechts sowie die Vereinfachung der Steuerveranlagungen sowohl für die Steuerpflichtigen als auch, im Sinne eines Rationalisierungseffektes, für die Steuerbehörden. Der Harmonisierungsauftrag gemäss Artikel 129 BV (Art. 42quinquies aBV) erfasst deshalb die direkten Steuern des Bundes und der Kantone: Der Bund hat sowohl die Steuerordnungen der Kantone untereinander (horizontale Harmonisierung) als auch die Steuerordnungen von Bund und

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Kantonen (vertikale Harmonisierung) aufeinander abzustimmen. Artikel 129 Absätze 1 und 2 BV (Art. 42quinquies aBV) verleiht dem Bund indessen keine (zusätzliche) Steuererhebungskompetenz.

Die verfassungsmässige Harmonisierungskompetenz des Bundes umfasst den Bereich der direkten Steuern (ausgenommen die den Kantonen vorbehaltene Tarifhoheit) und bezieht sich damit auf alle Vermögenszugänge, die zum Einkommen gehören. Dazu zählen auch die Kapitalgewinne auf beweglichem Privatvermögen.

Unter harmonisierungsrechtlichen Gesichtspunkten erweist sich die heutige Rechtslage, wonach private Kapitalgewinne sowohl für die direkte Bundessteuer (Art. 16 Abs. 3 DBG) als auch für die direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (Art. 7 Abs. 4 Bst. b StHG) steuerfrei sind, als harmonisierungskonform.

2.3.2

Die geltende gesetzliche Regelung

2.3.2.1

Allgemeines

Das schweizerische Einkommenssteuerrecht basiert auf der sog. modifizierten Reinvermögenszugangstheorie: Danach bilden sämtliche Vermögenszugänge in bar oder in natura grundsätzlich steuerbares Einkommen, sofern das Gesetz den entsprechenden Vermögenszufluss nicht steuerfrei erklärt (wie etwa Schenkungen und Erbschaftszugänge, die regelmässig von der Einkommensbesteuerung ausgenommen sind). Entsprechend sind in der Schweiz sämtliche Zuflüsse im Geschäftsvermögen steuerbar, unabhängig von der Rechtsform (Einzelfirma, Personengesellschaft, Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft). Deshalb werden Kapitalgewinne schon heute steuerlich erfasst, falls sie von einer juristischen Person oder im Geschäftsvermögen einer natürlichen Person erzielt werden. Dies festzustellen ist deshalb von Bedeutung, weil darüber weit verbreitete Missverständnisse bestehen, denen teilweise auch die Initianten unterliegen (vgl. Ziff. 2.2 hievor).

Im Bereich des privaten beweglichen Vermögens sind nun aber Kapitalgewinne nach dem Recht sowohl der direkten Bundessteuer (Art. 16 Abs. 3 DBG) als auch der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (Art. 7 Abs. 4 StHG) von jeglicher Besteuerung ausgenommen. Die Initianten zielen auf die Beseitigung dieses Zustandes ab. Ausgehend von den Grundsätzen der gleichmässigen Besteuerung sowie der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sollen nicht nur Arbeitseinkommen und Vermögenserträge, sondern auch effektiv realisierte Kapitalgewinne besteuert werden. Darüber besteht, auch in der Literatur, weitgehende Übereinstimmung. Korrekturbedarf ist daher gegeben, aber nicht wie von den Initianten vorgeschlagen durch Einführung einer allgemeinen Kapitalgewinnsteuer, sondern in Richtung einer den Anforderungen der Steuergerechtigkeit, Ergiebigkeit und Durchführbarkeit angemessen Rechnung tragenden Steuerreform (vgl. Ziff. 5 hienach).

Was die Grundstückgewinnsteuer anbelangt, so hat der Bund trotz verfassungsmässiger Kompetenz bisher stets darauf verzichtet, eine gesetzliche Grundlage zur Erhebung einer solchen Steuer zu schaffen. Demgegenüber sind die Kantone zur Erhebung einer Grundstückgewinnsteuer verpflichtet (Art. 2 Abs. 1 Bst. d StHG); dabei lässt ihnen Artikel 12 Absatz 4 StHG die Wahl, entweder alle Grundstückgewinne mit einer besonderen Einkommenssteuer zu erfassen (monistisches System), oder aber die Grundstückgewinne des Geschäftsvermögens mit der ordentlichen

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Einkommens- oder Gewinnsteuer, die Gewinne auf den privaten Grundstücken dagegen mit einer besonderen Einkommensteuer zu erfassen (dualistisches System).

Daraus ergibt sich für Bund und Kantone eine Ungleichbehandlung von Kapitalgewinnen auf Privatvermögen und Geschäftsvermögen und für die Kantone zudem eine solche von beweglichem und unbeweglichem Privatvermögen. Die Ungleichbehandlung von beweglichem und unbeweglichem Privatvermögen kann teilweise damit begründet werden, dass die Wertsteigerung von Land auch auf die Einzonung und Erschliessung durch das Gemeinwesen zurückzuführen ist.

Aus dem Gesagten wird deutlich, dass der Unterscheidung von Geschäfts- und Privatvermögen sowie der Abgrenzung von Kapitalgewinn und Vermögensertrag vor allem deshalb grundlegende Bedeutung zukommt, weil die Gesetzgeber (sowohl im Bund wie in den Kantonen) diametral entgegengesetzte Steuerfolgen an das Vorliegen von Gewinn (Steuerfreiheit) und Ertrag (Steuerbarkeit) knüpfen. Was die Zugehörigkeit zum Geschäfts- oder Privatvermögen anbelangt, so erfolgt die Zuteilung nach der so genannten Präponderanzmethode. Danach muss jeder Vermögenswert vollumfänglich derjenigen Vermögensart zugewiesen werden, der er überwiegend dient (Art. 18 Abs. 2 DBG; Art. 8 Abs. 2 StHG). Zur Abgrenzung zwischen Kapitalgewinn und Vermögensertrag werden in der Lehre verschiedene Kriterien verwendet (Substanzverzehr; Kontinuitätsprinzip; Gebrauchs- oder Nutzungsüberlassungsprinzip; subjektives und objektives Herkunftsprinzip, kombiniert mit dem Nennwert- und Buchwertprinzip). Häufig, aber nicht konsequent, werden als Erträge die vom Empfänger des Kapitals entrichteten Zahlungen qualifiziert, während Kapitalgewinne auf Zahlungen von Dritten beruhen.

2.3.2.2

Einkommensbesteuerung bei Veräusserungstatbeständen

Der Bereich des steuerfreien Kapitalgewinns ist mit Blick auf das Leistungsfähigkeitsprinzip möglichst klein zu halten; entsprechend ist der Vermögensertragsbegriff weit zu fassen, da die Steuerfreiheit der privaten Kapitalgewinne als systemwidrige Ausnahme vom Prinzip der Reineinkommensbesteuerung erscheint. Nachfolgend werden die Sachverhalte näher dargelegt, bei denen nach geltendem Recht Einkünfte, welche gemeinhin als Vermögensgewinne zu bezeichnen wären, mit der Einkommenssteuer erfasst werden: Gewerbsmässiger Handel Der Gesetzgeber hat in Artikel 16 Absatz 1 DBG, wie bereits in Artikel 21 Absatz 1 Ingress des Bundesratsbeschlusses vom 9. Dezember 1940 über die Erhebung einer direkten Bundessteuer (BdBSt), den Grundsatz der Gesamtreineinkommensbesteuerung aufgestellt. Die hauptsächlichen steuerbaren Einkünfte werden in den Artikeln 17 bis 23 DBG näher umschrieben. Hinsichtlich der steuerbaren Einkünfte aus selbstständiger Erwerbstätigkeit nach Artikel 18 DBG hat das Bundesgericht in seinem Urteil vom 8. Januar 1999 (publiziert in: Archiv für Schweizerisches Abgaberecht [ASA] 67, 644 ff.) u.a. festgehalten, dass der Begriff der selbstständigen Erwerbstätigkeit umfassender ist als jener der Unternehmung, des Geschäftes oder Gewerbes, die eine organisierte Einheit von Arbeit und Kapital erfordern. Nach Artikel 18 Absatz 1 DBG sind nebst den Einkünften aus einem Betrieb und freien Berufen auch alle Einkünfte «aus jeder anderen selbstständigen Erwerbstätigkeit» steu6006

erbar. Aus der Entstehungsgeschichte des DBG ergibt sich nicht, dass der Gesetzgeber die Besteuerung der Einkünfte aus Liegenschaften- oder Wertpapierhandel im Vergleich zum früheren Recht einschränken wollte. Vielmehr nimmt der Gesetzgeber an, dass auch Gewinne aus einer Tätigkeit, die über die schlichte Vermögensverwaltung hinausgeht, steuerbares Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit darstellen. Im Rahmen der Beratungen zum Bundesgesetz vom 19. März 1999 über das Stabilisierungsprogramm verzichteten die eidg. Räte unter Hinweis auf das erwähnte Urteil des Bundesgerichts vom 8. Januar 1999 auf eine besondere Regelung des «gewerbsmässigen Liegenschaften- und Wertpapierhandels».

Mantelhandel Der Handwechsel der Mehrheit der Beteiligungsrechte an einer inländischen Aktiengesellschaft, Kommanditaktiengesellschaft, Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder Genossenschaft, die wirtschaftlich liquidiert oder in liquide Form gebracht worden ist, wird aus steuerlicher Sicht der Liquidation der Gesellschaft (oder Genossenschaft) mit anschliessender Neugründung gleichgestellt. Der Überschuss aus der faktischen Liquidation stellt gemäss Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b des Bundesgesetzes vom 13. Oktober 1965 über die Verrechnungssteuer (VStG) in Verbindung mit Artikel 20 der Vollziehungsverordnung vom 19. Dezember 1966 zum VStG (VStV) und Artikel 20 Absatz 1 Buchstabe c DBG steuerbaren Ertrag aus beweglichem Kapitalvermögen dar. An Stelle eines steuerfreien Kapitalgewinns resultiert bei der Übertragung eines Aktienmantels somit ein der Verrechnungssteuer und den Einkommenssteuern unterstellter Kapitalertrag.

Transponierung Hierunter fallen Sachverhalte, bei denen eine natürliche Person aus ihrem Privatvermögen Aktien zu einem den Nennwert übersteigenden Preis in der Weise auf eine von ihr beherrschte Gesellschaft überträgt, dass sie die Aktien entweder als Sacheinlage gegen Ausgabe neuer Aktien mit einem höheren Nennwert als die eingebrachten einbringt und/oder zu einem höheren Preis (in bar oder gegen Darlehensgutschrift) veräussert. Der veräussernde Aktionär, der weiterhin (nunmehr indirekt über die von ihm beherrschte Gesellschaft) über diese Beteiligungsrechte verfügt, erreicht mit einem solchen Vorgehen, dass latentes steuerbares Ausschüttungssubstrat (offene und stille Reserven) in steuerfrei
rückzahlbares Aktienkapital oder eine Kaufpreisforderung umgewandelt wird. Das Merkmal der Beherrschung bezieht sich dabei auf die Gesellschaft, in welche die Aktien eingebracht werden. Bei der Übertragung von Aktien auf eine vom Einbringer beherrschte Gesellschaft handelt es sich nach der Praxis des Bundesgerichts wirtschaftlich betrachtet lediglich um eine Umstrukturierung des Vermögens («Verkauf an sich selbst») und nicht um eine Veräusserung der Beteiligungsrechte. Deshalb realisiert der veräussernde Aktionär statt eines steuerfreien Kapitalgewinns in dem Umfang steuerbares Einkommen, als der Nennwert der neuen Aktien und gegebenenfalls die Kaufpreisforderung zusammen den Nennwert der eingebrachten Aktien übersteigen.

Direkte Teilliquidation Darunter versteht man auch den Erwerb eigener Aktien. Setzt die erwerbende Gesellschaft ihr Kapital nach dem Rückkauf herab oder veräussert sie die Aktien nicht innert der in Artikel 4a Absatz 2 VStG erwähnten Frist, unterliegt die Differenz zwi6007

schen Veräusserungserlös und dem Nennwert der Aktien der Verrechnungs- bzw.

Einkommenssteuer. Der steuerbare Liquidationsüberschuss gilt dabei in dem Jahr als realisiert, in welchem die Verrechnungssteuerforderung entsteht (Art. 20 Abs. 1 Bst.

c DBG).

Indirekte Teilliquidation Bei diesen Sachverhalten geht es darum, dass Beteiligungsrechte aus dem Privatvermögen des Verkäufers ins Geschäftsvermögen eines Dritten zu einem Preis veräussert werden, der höher als deren Nennwert ist, wobei der Verkäufer eine Entnahme von Gesellschaftsmitteln zur Finanzierung des Kaufpreises selbst einleitet.

Hiezu genügt es schon, wenn der Veräusserer gewusst hat oder hätte wissen müssen, dass die zur Finanzierung des Kaufpreises dienenden Mittel der Gesellschaft nicht wieder zugeführt werden. Die Merkmale der indirekten Teilliquidation lassen sich wie folgt zusammenfassen: ­

Der Käufer unterliegt im Unterschied zum Verkäufer dem Buchwertprinzip.

­

Die Gesellschaft, deren Aktien veräussert werden, wird entreichert (durch Ausschüttung einer Substanzdividende, durch verdeckte Gewinnausschüttungen oder dadurch, dass die Gesellschaft, deren Aktien übernommen wurden, aufgelöst wird).

­

Der Verkäufer wirkt an der Entreicherung der Gesellschaft, deren Beteiligungen verkauft werden, aktiv oder passiv mit.

Verkauf von Aktien nach Umwandlung einer Personenunternehmung (Einzelfirma oder Personengesellschaft) in eine Aktiengesellschaft Die Umwandlung einer Einzelfirma oder einer Personengesellschaft in eine Aktiengesellschaft mittels Einbringung sämtlicher Aktiven und Passiven gegen Ausgabe von Aktien führt grundsätzlich zur Realisierung der stillen Reserven. Nach der Rechtsprechung zu Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe a DBG entfällt eine Besteuerung der stillen Reserven bei Einhaltung folgender Voraussetzungen: ­

unveränderter Gesellschaftszweck (Beibehaltung der wirtschaftlichen Identität der Unternehmung);

­

grundsätzlich unveränderte Beteiligungsverhältnisse;

­

Übertragung der Unternehmung als Ganzes zu steuerlichen Buchwerten;

­

Einhaltung einer Sperrfrist von fünf Jahren.

Dabei findet die Liquidationsgewinnbesteuerung beim Verkauf von Beteiligungsrechten innerhalb der in der Praxis herausgebildeten Sperrfrist von fünf Jahren ihre Grundlage nicht in einer Steuerumgehung, sondern in der rechtsgleichen Besteueung wirtschaftlich vergleichbarer Tatbestände (Urteil des Bundesgerichts vom 28. Dezember 1998 = ASA 68, 71 ff.).

Obligationen mit überwiegender Einmalverzinsung Einkünfte aus der Veräusserung oder Rückzahlung von Obligationen mit überwiegender Einmalverzinsung werden gemäss Artikel 20 Absatz 1 Buchstabe b DBG ausdrücklich als steuerbarer Kapitalertrag bezeichnet und besteuert. Eine überwie-

6008

gende Einmalverzinsung liegt dabei vor, wenn die periodische Verzinsung des Emissionspreises weniger als die Hälfte der gesamten Rendite beträgt.

Bei aller Kritik an der steuerlichen Behandlung mancher dieser Sachverhalte ist zusammenfassend festzustellen, dass bereits nach geltendem Recht bei zahlreichen Veräusserungstatbeständen die Einkommenssteuer geschuldet ist.

3

Gründe für die steuerliche Nichterfassung der Gewinne auf beweglichem Privatvermögen

3.1

Fehlende Praktikabilität für Steuerpflichtige und Steuerbehörden

Die steuerliche Nichterfassung der privaten Kapitalgewinne wird im Allgemeinen damit begründet, die Erhebung sei zu aufwendig, die Kontrollmöglichkeiten beschränkt und die Steuer letztlich unergiebig. Dies war auch der Tenor, als die Kantone die Kapitalgewinnbesteuerung abschafften; als letzter Kanton hob der Kanton Graubünden auf Ende 1996 die Besteuerung der Kapitalgewinne auf beweglichem Privatvermögen auf. Allerdings spielte dabei neben dem Hinweis auf die nach dem StHG gebotene Steuerfreiheit auch der interkantonale Steuerwettbewerb eine nicht untergeordnete Rolle (zufolge der Befürchtung, es könnten gute Steuerzahler in Nachbarkantone ohne Kapitalgewinnbesteuerung abwandern). Die Argumente der Durchführungsschwierigkeit, der mangelnden Kontrollmöglichkeit sowie der geringen Ergiebigkeit können nicht einfach als unbegründet in den Wind geschlagen werden. Insbesondere bei einer Besteuerung privater Kapitalgewinne auf Wertpapieren stösst die Festsetzung des für die Ermittlung des Gewinns bedeutsamen Einstandswertes bei eingetretenen Änderungen in der Kapitalstruktur zufolge Kapitaleinzahlungen, Ausübung oder Verkauf von Bezugsrechten, Zuteilung von Gratisaktien, Aktienumwandlungen, Aktiensplits usw. auf grosse und teilweise schier unüberwindbare Hindernisse seitens der Steuerpflichtigen und der Steuerbehörden.

Bei Einführung einer Kapitalgewinnsteuer hätte der Steuerpflichtige sämtliche Anschaffungs- und Veräusserungswerte der Vermögensobjekte aufzuzeichnen. Diese Aufzeichnungspflicht bezieht sich dabei nicht nur auf die Anschaffungswerte der Ende Jahr vorhandenen Vermögensobjekte, sondern auch auf die Anschaffungs- und Veräusserungswerte der während der Bemessungsperiode erworbenen und wieder veräusserten Kapitalanlagen. Ferner hätte der Steuerpflichtige gegenüber den Steuerbehörden über sämtliche Bestandesveränderungen und die bei Realisierung erzielten Gewinne und Verluste abzurechnen, einschliesslich allfälliger Nennwertrückzahlungen der Gesellschaften. Schliesslich wäre sicherzustellen, dass Banken und andere Vermögensverwalter die Steuerpflichtigen mit den notwendigen Unterlagen dokumentieren, damit diese über sämtliche Transaktionen lückenlos und übersichtlich Auskunft erteilen können.

Die verfahrensrechtlichen Implikationen für die Steuerbehörden bestünden neben dem normalen Abstellen
auf die Deklaration darin, nähere Kontrollen sporadisch oder bei Indizien für eine Steuerhinterziehung durchzuführen. Die näheren Kontrollen hätten dabei sämtliche Transaktionen des Steuerpflichtigen zu umfassen, und zwar nicht nur die Bestandesänderungen von Bemessungsperiode zu Bemessungsperiode, sondern auch die Zu- und Verkäufe während der Bemessungsperiode. Solche Kontrollen wären anspruchsvoll und mit einem grossen Arbeits- und Zeit-

6009

aufwand verbunden. Was die Gewinnermittlung im Einzelnen anbelangt, so erfordert sie Kenntnisse über eine Transaktion, die Gestehungskosten und den Verkaufserlös. Nicht zu verkennen sind dabei die bereits erwähnten Schwierigkeiten der Kontrolle der Gewinnermittlung, insbesondere bei eingetretenen Änderungen in der Kapitalstruktur zufolge Kapitaleinzahlungen, Ausübung oder Verkauf von Bezugsrechten, Zuteilung von Gratisaktien, Aktienumwandlungen, Aktiensplits usw. Die Beweislast für die Gestehungskosten trägt der Steuerpflichtige, da es sich um steuermindernde Tatsachen handelt. Ferner ist auf die besonderen Schwierigkeiten in jenen Fällen hinzuweisen, wo der Zeitpunkt des Erwerbs durch den Steuerpflichtigen bzw. seine Rechtsvorgänger nicht bekannt ist. Zu denken ist schliesslich auch an die Probleme der Erfassung der privaten Kapitalgewinne bei gestaffeltem Kauf von Wertschriften zu unterschiedlichen Werten und späterem, allenfalls wieder gestaffeltem Verkauf. Hier wäre zwecks Ermittlung der Gestehungskosten eine für die «Kapitalgewinnbuchhaltung» des Steuerpflichtigen massgebende Methode festzulegen (z.B. first in, first out).

3.2

Die Abschaffung der Kapitalgewinnsteuer in den Kantonen

Es wurde bereits festgestellt (vgl. Ziff. 1.1.5 hievor), dass die Initiative keine ausdrückliche Bestimmung enthält, wonach dem Bund die ausschliessliche Kompetenz zur Besteuerung privater Kapitalgewinne zukommen soll. Eine solche Lösung stünde denn auch im Widerspruch zum Verfassungsauftrag einer vertikalen Steuerharmonisierung, verlangt doch das Harmonisierungsgebot von Artikel 129 BV (Art. 42quinquies aBV) die Angleichung der Steuerordnungen nicht nur auf der horizontalen Ebene (Verhältnis der Kantone bzw. der Gemeinden unter sich), sondern auch in der Vertikalen (Verhältnis Kantone zu Bund). Im Falle einer Annahme der Initiative hätte daher der Bundesgesetzgeber zwecks Vermeidung eines solchen Widerspruchs die Kapitalgewinne auf beweglichem Privatvermögen wohl in die Harmonisierung einzubeziehen und das StHG entsprechend zu ändern. Dies deshalb, weil wie erwähnt die geltende Bestimmung von Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe b StHG die Kapitalgewinne auf beweglichem Privatvermögen ausdrücklich als steuerfrei erklärt.

Es sollte jedoch nicht übersehen werden, dass im Jahr 1984 nur sieben Kantone (nämlich BE, BS, BL, GR, SO, TG, JU) die Gewinne auf beweglichem Privatvermögen einer generellen Besteuerung unterwarfen, während die Kantone Wallis und St. Gallen eine Beteiligungsgewinnsteuer kannten. Der Bund hat eine Besteuerung der Kapitalgewinne auf beweglichem Privatvermögen bisher nie eingeführt (vgl.

hiezu Zuppinger/Böckli/Locher/Reich, Steuerharmonisierung, Bern 1984, S. 98 f.).

Sodann haben von den Kantonen, welche eine Kapitalgewinnbesteuerung oder eine Beteiligungsgewinnsteuer kannten, in der Zwischenzeit alle wieder darauf verzichtet, zuletzt Graubünden im Jahr 1996. Das Bundesgericht hat auf staatsrechtliche Beschwerde hin mit Urteil vom 8. Dezember 1988 die Verfassungsmässigkeit der im Jahr 1986 erfolgten Abschaffung der Kapitalgewinnsteuer im Kanton BaselLandschaft bejaht (BGE 114 Ia 221 ff.; ASA 60, 71 ff.). Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft begründete die Abschaffung der Steuer im Wesentlichen mit der Förderung der Eigentumsbildung und der Nichterhebung in anderen Kantonen sowie damit, dass die Steuer ungenügend durchsetzbar sei, nur einen geringen

6010

Ertrag abwerfe, die Veranlagung kompliziert sei und der Veranlagungsaufwand zum Ertrag in keinem Verhältnis stehe. Das Bundesgericht erwog, die praktischen und finanzwirtschaftlichen Gesichtspunkte, insbesondere die aufwendige Veranlagung, der geringe Ertrag und die Nichtbesteuerung in andern Kantonen, seien zusammengenommen wesentlich, weshalb es die angefochtene Abschaffung der Steuer nicht als unhaltbar bezeichnen und als verfassungswidrig aufheben könne.

Es ist nicht ersichtlich, weshalb die zur Begründung der Abschaffung der Kapitalgewinnsteuer in den Kantonen insbesondere geltend gemachten Durchführungsschwierigkeiten bei der Erhebung einer solchen Steuer in der heutigen Zeit geringer sein sollten. Entgegen der Auffassung der Initianten lassen sich namentlich die Bedenken in Bezug auf die Probleme der Ermittlung des Anschaffungswertes, wenn sich das Beteiligungsrecht während der Besitzesdauer durch Vorgänge wie Kapitalerhöhungen, Kapitalzuschüsse, Aktiensplits, Zuteilung von Gratisaktien oder Aktienumwandlungen verändert hat, nicht einfach mit dem Hinweis darauf zerstreuen, dass «die Erfassung standardisiert und mit dem EDV-System vereinfacht werden» könne (Broschüre des SBG «Für eine Kapitalgewinnsteuer», Mai 1998, S. 22).

3.3

Die Ergiebigkeit einer Kapitalgewinnsteuer

Was das Erhebungspotenzial einer Kapitalgewinnsteuer für den Bund anbelangt, so ist festzustellen, dass darüber keine gesicherten Angaben gemacht werden können.

Dies kommt zum Ausdruck in den stark divergierenden Äusserungen durch Vertreter der Wissenschaft und der Politik. Die Schätzungen reichen von 100 Millionen Franken bis 1 Milliarde Franken. Mit Sicherheit kann gesagt werden, dass die zu erwartenden Erträge nicht nur von der konkreten Ausgestaltung einer Kapitalgewinnsteuer, sondern auch stark von der Börsenentwicklung abhängig wären. In Rechnung zu stellen ist im Weiteren auch das erst vor wenigen Jahren populär gewordene Aktien- und Fondssparen, eine Entwicklung, welche durch das Shareholder-value-Denken in den Unternehmen und durch den Börsenboom in den letzten zehn Jahren gefördert worden ist.

Die Initianten erwarten, dass eine Kapitalgewinnsteuer von Jahr zu Jahr stark schwanken wird. Im Übrigen gehen sie davon aus, dass nur ein Viertel der Kapitalien inländischen Privatpersonen gehört, die besteuert werden sollen. Gleichzeitig nehmen sie an, dass die Aktienwerte jährlich im Durchschnitt um 5 bis 10 Prozent zunehmen. Bei diesen Annahmen kommen die Initianten auf «mindestens 400 bis 1000 Millionen Franken Ertrag pro Jahr» (Broschüre des SGB «Für eine Kapitalgewinnsteuer», Mai 1998, S. 20).

Im Juni 1997 wurde der Bundesrat mittels einfacher Anfrage aus dem Nationalrat gebeten, u.a. den Ertrag zu quantifizieren, den eine Besteuerung von privaten Kapitalgewinnen mit sich bringen würde. Auszugehen war dabei laut Anfrage von einer separaten Besteuerung der Kapitalgewinne mit der Möglichkeit der Verrechnung von Verlusten über eine Steuerperiode von zwei Jahren hinweg, einem Steuersatz von 20 Prozent der Gewinne und einem Freibetrag von 10 000 Franken pro Jahr (d.h. 20 000 Franken pro Steuerperiode). In seiner Antwort von Ende November 1997 legte der Bundesrat einleitend die Schwierigkeiten der Ertragsschätzung dar.

Dabei wies er insbesondere darauf hin, dass über die in der Schweiz realisierten privaten Kapitalgewinne keine statistischen Unterlagen vorliegen und weder deren Ge-

6011

samtbetrag noch die Aufteilung auf die einzelnen Steuerpflichtigen bekannt sind.

Zur Ergiebigkeit einer Kapitalgewinnsteuer führte er sodann wörtlich Folgendes aus: «Einen Gedankenansatz bildet die Anknüpfung an die aus der Kapitalgewinnsteuer resultierenden Einnahmen in ausländischen Staaten. Geht man davon aus, dass in der Schweiz die Kapitalgewinnsteuer ein ähnliches Potenzial wie in Grossbritannien oder in Frankreich aufweist, nämlich 0,4 Prozent der Steuereinnahmen, könnte für den Bund mit jährlichen Einnahmen von rund 300 Millionen gerechnet werden. Der Steuersatz beträgt in Frankreich rund 20 Prozent und in Grossbritannien bis zu 40 Prozent. In den USA beläuft sich der Anteil der Kapitalgewinnsteuer von natürlichen Personen gar auf 2,8 Prozent der gesamten Steuereinnahmen. Darin enthalten und statistisch leider nicht abgrenzbar ist allerdings auch die Grundstückgewinnsteuer. Überdies beträgt der Steuersatz in den USA bis zu 28 Prozent. In der Schweiz partizipiert die durch die Kantone erhobene Grundstückgewinnsteuer mit gegen 1,5 Prozent an den Steuereinnahmen von Bund, Kantonen und Gemeinden. Rechnet man deshalb, ausgehend von den Verhältnissen in den USA, mit einem Anteil von gut einem Prozent an den gesamten Steuereinnahmen und einem durchschnittlichen Steuersatz von 15 Prozent, kommt man auf einen potenziellen jährlichen Ertrag der Kapitalgewinnsteuer von rund 400 Millionen Franken. Der für diese Schätzung herangezogene durchschnittliche Steuersatz von 15 Prozent trägt dem in der Anfrage vorausgesetzten Freibetrag von 20 000 Franken Rechnung.

Wird die Schätzung des Ertragspotenzials auf Grund von einfachen Hochrechnungen der früher in verschiedenen Kantonen erzielten Erträge aus der Kapitalgewinnsteuer gewagt, beziffert sich der mögliche Ertrag hingegen nur auf 100 bis 200 Millionen Franken.

Auf Grund der Vergleiche mit dem Ausland und der Hochrechnungen von zurückliegenden kantonalen Ergebnissen kann das Potenzial einer im Sinne des Anfragers ausgestalteten schweizerischen Kapitalgewinnsteuer in guten Börsenzeiten somit auf höchstens 100 bis 400 Millionen Franken geschätzt werden. Dabei ist allerdings noch zu berücksichtigen, dass wegen der erforderlichen Mitwirkung der Kantone als Veranlagungsbehörden ein Teil dieses Mehrertrages in Form von Kantonsanteilen den Kantonen überlassen
werden müsste.» Der Bundesrat hält an diesen Ausführungen zur Ergiebigkeit einer Kapitalgewinnsteuer fest. Diese auf den Vergleichen mit dem Ausland und den Hochrechnungen von zurückliegenden kantonalen Ergebnissen beruhende Ertragsschätzung wird veranschaulicht durch die von der Eidg. Steuerverwaltung erstellten Tabellen zur Kapitalgewinnsteuer in einzelnen OECD-Staaten sowie zu Steuereinnahmen von Bund, Kantonen und Gemeinden (vgl. Anhang zu dieser Botschaft).

Eine von Vertretern der Universität Basel publizierte Ertragsschätzung aus dem Jahr 1998 (vgl. Prof. Tobias Studer/PD Roger M. Kunz, Zur Besteuerung privater Kapitalgewinne in der Schweiz, in: Der Schweizer Treuhänder, 1998, S. 207 ff.) gelangt mit einem andern Ansatz zu ähnlichen Ergebnissen: Danach wäre ausgehend vom gesamten in der Schweiz verwalteten beweglichen Kapitalvermögen das von inländischen Privatpersonen insgesamt gehaltene Kapitalvermögen auf rund 700 Milliarden Franken zu schätzen; davon entfalle der grösste Teil auf festverzinsliche Anlagen. Im Weiteren sei anzunehmen, dass etwa 20 Prozent des Vermögens inländi-

6012

scher Privatpersonen auf Aktien und Aktienfonds entfallen, bei welchen im langjährigen Durchschnitt mit Kursgewinnen gerechnet werden kann. Der hochgerechnete Wert für den privaten Aktienbesitz sei auf 140 Milliarden Franken zu schätzen.

Ausgehend von einer im Zeitraum von 1926 bis 1997 für schweizerische Aktien ermittelten und historisch bereinigten Gesamtrendite von 7,5 Prozent verbliebe, unter Ausklammerung der durchschnittlichen Dividendenrendite von 3 Prozent, für bisher unbesteuerte Kapitalgewinne eine Rendite von 4,5 Prozent bzw., nach Abzug der durchschnittlichen Inflationsrate, eine solche von 2 Prozent. Dies ergäbe ein als theoretisches Steuersubstrat zu bezeichnendes Vermögen, auf welchem Kapitalgewinne erzielbar sind, von 3 bis 6 Milliarden Franken. Dabei wird angenommen, dass sämtliche Vermögenswerte auch tatsächlich deklariert und realisiert werden. Da dies teilweise nicht der Fall sein werde und vorsichtigerweise davon auszugehen sei, dass bestenfalls zwei Drittel aller Kursgewinne besteuert werden können, sinke das Steuersubstrat auf ca. vier Milliarden Franken ohne und 2 Milliarden Franken mit Berücksichtigung der Inflation. Bei einem Tarif von 20­25 Prozent belaufe sich der durchschnittliche Steuerertrag somit auf 400 bis 600 Millionen Franken. Diese Beträge können sich je nach Ausgestaltung der Steuer und je nach Verhalten der Steuerpflichtigen ohne weiteres halbieren. Realistischerweise sei deshalb davon auszugehen, dass der zu erwartende Steuerertrag zwischen 200 bis 300 Millionen Franken betrage. Demgegenüber erwarten die genannten Vertreter der Wissenschaft wenig fundierte Ergebnisse von einer Schätzung, die von der Zunahme der Börsenkapitalisierung schweizerischer Gesellschaften über einen gewissen Zeitraum ausgeht, daraus einen durchschnittlichen Jahreswert berechnet, diesen dem Wert der Aktien von in der Schweiz wohnhaften Privatpersonen anpasst und den erhaltenen Betrag mit dem entsprechenden Steuersatz multipliziert. Das dargestellte Vorgehen vernachlässige zwei wichtige Überlegungen: Erstens umfasse das Steuersubstrat nicht nur Schweizer Aktien und zweitens werde nicht berücksichtigt, dass sich gerade in der Schweiz sehr viele Aktien in festen Händen befinden, bei welchen folglich über Generationen hinweg gar keine Gewinne realisiert werden.

Steuererhöhungen und
insbesondere neue Steuern bergen die Gefahr in sich, dass durch eine Zunahme des Steuerwiderstandes und eine Reduktion des Anreizes zur Einkommenserzielung die Steuereinnahmen gesamthaft sogar vermindert werden.

Jedenfalls ist nicht zu übersehen, dass eine Kapitalgewinnsteuer, wie sie von den Initianten vorgeschlagen wird, eine Verschlechterung der steuerlichen Rahmenbedingungen darstellen und insbesondere zu einem Attraktivitätsverlust der Schweiz für vermögende Privatpersonen führen würde. Demgegenüber richtet der Bund nach den Vorstellungen des Bundesrates, die er in seinem Finanzleitbild vom 4. Oktober 1999 formuliert hat, seine Finanzpolitik u.a. auf folgendes Ziel aus: «Die Finanzpolitik sorgt für Stabilität und begünstigt das Wirtschaftswachstum. Sie fördert damit die Beschäftigung, die Wohlfahrt und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.» Zur Erreichung dieses Zieles bedarf es vor allem einer wachstumsfreundlichen Einnahmen- und Ausgabenpolitik, wobei eine wachstums- und beschäftigungsfreundliche Finanzpolitik einnahmenseitig den Auswirkungen von Steuern auf Arbeits-, Spar- und Investitionsanreize Rechnung zu tragen hat. Dabei soll insbesondere die Steuerbelastung zu den tiefsten in der OECD gehören. Aus diesen Gründen will der Bundesrat unter den mittelfristig zu realisierenden steuerpolitischen Projekten auf eine allgemeine Kapitalgewinnsteuer verzichten. Hingegen soll die Einführung einer ertragsneutralen Beteiligungsgewinnsteuer unter Milderung der wirtschaftlichen Doppelbelastung geprüft werden (Finanzleitbild des Bundesrates vom

6013

4. Oktober 1999 betreffend Ziele, Grundsätze und Instrumente für die Finanzpolitik des Bundesrates [Finanzleitbild 1999], insbesondere S. 9 f. und 31 f.; vgl. auch Ziff. 5.2 hienach).

3.4

Der internationale Vergleich

Während wie erwähnt in der Schweiz Kapitalgewinne auf beweglichem Privatvermögen von der Steuer befreit sind, erstreckt sich in den übrigen OECD-Ländern die Besteuerung privater Kapitalgewinne auf Wertschriften entweder auf sämtliche Gewinne oder auf bestimmte Arten von Gewinnen. Rund die Hälfte der Staaten erfasst mit der Beteiligungsgewinnsteuer Veräusserungsgewinne auf wesentlichen Beteiligungen.

Der internationale Vergleich einer einzigen Steuerart ist aber, solange er nicht in einer Gesamtsicht des Steuersystems erfolgt, nur von beschränkter Aussagekraft. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass zahlreiche ausländische Staaten keine Vermögenssteuer für Privatpersonen kennen. So wird das Vermögen in den USA, in Deutschland (seit 1997), Belgien, Griechenland, Irland, Italien, Japan, Portugal, Grossbritannien und Österreich (seit 1994) keiner Besteuerung unterworfen. Demgegenüber erheben alle Kantone, nicht aber der Bund, eine allgemeine Vermögenssteuer. Steuerobjekt ist das Gesamtvermögen, wozu das bewegliche und unbewegliche Vermögen gehört. Die Steuertarife sind leicht progressiv. Durchschnittlich beläuft sich die Steuerbelastung auf etwa 3 bis 5 Promille des Reinvermögens. Damit wird auch der Vermögenszuwachs berücksichtigt, der sich u.a. aus der Erhöhung der Börsenkapitalisierung ergibt. Gemessen am Vermögensertrag fällt die Vermögenssteuerbelastung bei niedriger Rendite stark ins Gewicht. Im Jahre 1997 beliefen sich die Einnahmen aus der Vermögenssteuer gesamtschweizerisch auf 3,249 Milliarden Franken (Eidgenössische Finanzverwaltung, Öffentliche Finanzen der Schweiz 1997, S. 132 und 133).

Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die USA äusserst komplexe Kapitalgewinnsteuerregelungen kennen, was sowohl für Steuerpflichtige als auch für die Steuerbehörden zu einer höchst aufwendigen Bewältigung der Kapitalgewinnbesteuerung führt. Ausserdem müssen sowohl der Steuerzahler als auch sein Broker bzw. seine Bank die Käufe und Verkäufe von Wertpapieren der Steuerbehörde melden. Eine Meldepflicht von Wertpapiertransaktionen in der Schweiz würde das Bankgeheimnis tangieren. Dadurch würde dem schweizerischen Finanzplatz mit seiner Stärke im Private Banking ein wesentlicher Vorteil genommen.

Im Weiteren haben immer mehr Staaten (so etwa Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und Italien) das so
genannte Steueranrechnungssystem eingeführt, das im Falle der Ausschüttung von Dividenden die ganzen oder einen Teil der von der (inländischen) Gesellschaft entrichteten Gewinnsteuern an die Einkommenssteuern des Beteiligungsinhabers (Aktionärs) anrechnet. Demgegenüber basiert das schweizerische System auf der wirtschaftlichen Doppelbelastung: Die von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften erzielten Gewinne unterliegen der Gewinnsteuer.

Schütten diese juristischen Personen die erzielten und versteuerten Gewinne aus, so werden sie beim Aktionär (natürliche Person) als Einkommen besteuert. Wirtschaftlich betrachtet wird somit dasselbe Steuersubstrat ein zweites Mal besteuert.

Hierzu schafft die steuerliche Befreiung von Gewinnen des beweglichen Privat-

6014

vermögens einen gewissen, wenn auch unter steuersystematischen Gesichtspunkten nicht restlos befriedigenden Ausgleich.

Festzuhalten bleibt, dass die (von Kantonen/Gemeinden erhobene) Vermögenssteuer eine oft nicht unerhebliche zusätzliche Belastung darstellt. Diese fällt insbesondere bei niedriger Rendite stark ins Gewicht. Der Bund seinerseits könnte jedoch mangels Kompetenz Mehrbelastungen zufolge einer allfälligen Kapitalgewinnsteuer nicht durch eine entsprechende Anpassung der Vermögenssteuer korrigieren.

4

Kontext der Initiative

4.1

Das wirtschaftliche Umfeld

Es trifft zu, dass sich in den Jahren 1996 und 1997 unüberhörbar die Stimmen häuften, welche die Gerechtigkeit unseres Einkommenssteuersystems anzweifelten. Ausdruck für diese Zweifel waren insbesondere verschiedene in der Öffentlichkeit diskutierte Fälle von einkommenssteuerfreien Vermögensmillionären sowie die Steuerfreiheit der Gewinne auf beweglichem Privatvermögen. Das Unbehagen steht in Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Umfeld der 90er-Jahre. Dieses war gekennzeichnet einerseits durch kräftig angestiegene Börsenkurse, insbesondere enorme Kurssteigerungen bei Konzentrationsmassnahmen, andererseits durch die gleichzeitige Rezession und erhöhte Arbeitslosigkeit. Hinzu kam die schlechte Finanzlage des Bundes.

Hinsichtlich der so genannten einkommenssteuerfreien Vermögensmillionäre ist darauf hinzuweisen, dass diesbezügliche Presseberichte sich nur auf die Staats- und Gemeindesteuern beziehen können, da die Steuerfaktoren für die direkte Bundessteuer dem Steuergeheimnis unterliegen. Im Weiteren gilt es zu beachten, dass trotz fehlendem steuerbarem Einkommen oft namhafte Vermögenssteuern und Grundstückgewinnsteuern entrichtet wurden, welch letztere aus dem Staatssteuerregister nicht ersichtlich sind. Abgesehen davon sind neben den steuerfreien privaten Kapitalgewinnen weitere Ursachen für das gelegentlich vorkommende Phänomen einkommenssteuerfreier Vermögensmillionäre in Betracht zu ziehen: Zum einen ist daran zu erinnern, dass Selbstständigerwerbende von der Möglichkeit des Verlustabzugs und Verlustvortrags Gebrauch machen können. Dabei können angesichts der gemeinsamen Veranlagung von Ehegatten die Geschäftsverluste des einen Ehepartners nicht nur von seinem eigenen Einkommen, sondern auch von demjenigen seines Gatten abgezogen werden. Sodann ist darauf hinzuweisen, dass die Grundeigentümer die bedeutendste Kategorie der einkommenssteuerfreien Vermögensmillionäre darstellen. Den steuerlich erfassten Mieteinnahmen bzw. dem Eigenmietwert stehen die werterhaltenden Investitionen gegenüber, die grundsätzlich vollumfänglich abzugsfähig sind. Dies kann dazu führen, dass der Aufwand den Liegenschaftenertrag in einer bestimmten Periode übersteigt. Ferner können die steuerbaren Einkünfte auch noch durch den Abzug von Schuldzinsen vermindert werden. Diesbezüglich ist jedoch auf die Schuldzinsenbeschränkung
hinzuweisen, wie sie durch die mit dem Bundesgesetz vom 19. März 1999 über das Stabilisierungsprogramm geänderten und durch Bundesratsbeschluss vom 11. August 1999 auf den 1. Januar 2001 in Kraft gesetzten Bestimmung von Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe a DBG eingeführt worden ist (AS 1999 2385/2386). Trotz diesen einkommensmindernden Elementen wäre es aber falsch anzunehmen, dass die grossen Einkommen und Vermögen in der Schweiz der Besteuerung entgehen. Vor allem der 6015

Tarif der direkten Bundessteuer zeichnet sich durch eine steile Progression aus. Gemäss der letzten verfügbaren Statistik (betreffend Veranlagungsperiode 1995/96) haben Steuerpflichtige mit einem steuerbaren Einkommen von über 100 000 Franken, es sind dies lediglich etwa 11 Prozent aller Steuerpflichtigen, zu rund 66 Prozent des gesamten Steueraufkommens von rund 4,8 Milliarden Franken der natürlichen Personen beigetragen. Mit anderen Worten: Rund zwei Drittel der Einnahmen aus der direkten Bundessteuer der natürlichen Personen werden von nur rund 11 Prozent aller Steuerpflichtigen aufgebracht.

4.2

Politische Vorstösse

Auch in der politischen Diskussion wuchs der Druck zur Behebung von Steuerlücken im Allgemeinen und zur Einführung einer Kapitalgewinnsteuer im Besonderen. Zahlreiche parlamentarische Vorstösse geben Zeugnis davon: Einfache Anfrage Rechsteiner-SG vom 21.6.1996 betreffend Einführung einer Kapitalgewinnsteuer (96.1064); Motion Rechsteiner-SG vom 3.12.1996 betreffend Einführung einer KG-Steuer (96.3584); Motion Saudan vom 4.12.1996 betreffend Abzug von Schuldzinsen (96.3592); Postulat Weber Agnes vom 5.12.1996 betreffend Steuererfassungspraxis (96.3595); Postulat Meier Samuel vom 13.12.1996 betreffend arme Millionäre (96.3667); Motion der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates, Minderheit Jans vom 23.4.1997 betreffend steuerliche Behandlung von Kapitalversicherungen mit Einmalprämien (97.3192); Interpellation Strahm vom 19.6.1997 betreffend Anpassungsbedarf schweizerischer Steuern an das EU-Steuersystem (97.3349); Einfache Anfrage Jans vom 20.6.1997 betreffend Kapitalgewinnsteuer ­ Ertrag und administrativer Aufwand (97.1109); Postulat Schüle vom 10.12.1997 betreffend Abgabe auf Vermögenszuwachs (97.3592); Motion Delalay vom 18.12.1997 betreffend Aufhebung von Steuerlücken (97.3647); Interpellation SP-Fraktion vom 19.12.1997 betreffend Konsequenzen aus Grossfusion UBS/SBV (97.3673).

4.3

Expertenkommission Steuerlücken

Am 12. März 1997 hat der Chef des Eidg. Finanzdepartements die von Herrn Prof.

Behnisch geleitete Expertenkommission damit beauftragt, das System der direkten Steuern auf Lücken hin zu überprüfen. Diese Kommission hat ihren Bericht anlässlich der Pressekonferenz vom 8. Juli 1998 präsentiert. Was insbesondere die Kapitalgewinne auf beweglichem Privatvermögen anbelangt, so bezeichnet die Kommission die steuerliche Freistellung angesichts der verfassungsmässigen Grundsätze der Allgemeinheit der Steuer und der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit als Mangel und tritt dafür ein, diese Lücke zu schliessen oder mindestens zu verkleinern. Gleichzeitig betont aber die Kommission, dass bei einem Einbezug der privaten Kapitalgewinne in die Einkommenssteuerbemessung die Auswirkungen auf das Gesamtsystem nicht ausser Acht gelassen werden dürfen. Zu denken ist dabei u.a. an die Vermögenssteuer, die Stempelabgaben und die wirtschaftliche Doppelbelastung. Wörtlich hat sie dazu u.a. Folgendes festgehalten: «Allfällige durch vorgeschlagene Massnahmen zur Lückenfüllung führende Mehrbelastungen sollten nicht zur Erzielung von Mehreinnahmen, sondern zur Beseitigung von Überbelastungen und Systemfehlern führen.» 6016

5

Steuerpolitische Massnahmen und Projekte

In seiner Botschaft vom 26. März 1997 zur Reform der Unternehmensbesteuerung (BBl 1997 II 1164) hat der Bundesrat im Sinne einer längerfristigen Massnahme die Notwendigkeit einer umfassenden Neukonzeption festgehalten. Ausserdem ist daran zu erinnern, dass die beiden aufkommensstärksten Hauptsäulen, die Mehrwertsteuer und die direkte Bundessteuer, bis Ende 2006 befristet sind. Die Verfassungsgrundlage für diese beiden Haupteinnahmequellen des Bundes ist also zu erneuern.

Dies bietet Gelegenheit, am bestehenden Steuersystem gezielte Reformen vorzunehmen.

5.1

Steuerpolitische Massnahmen

Am 19. März 1999 hat das Parlament in teilweiser Umsetzung der am 6. April 1998 erzielten Übereinkünfte des «runden Tisches» mit dem Bundesgesetz über das Stabilisierungsprogramm namentlich durch die Beschränkung des Schuldzinsenabzuges und die Begrenzung des Einkaufs für die berufliche Vorsorge einzelne Steuerlücken bereits kurzfristig geschlossen. In Bezug auf die gewerbsmässig erzielten Gewinne auf Privatvermögen verzichteten die eidg. Räte auf eine besondere Regelung, nachdem das Bundesgericht mit Urteil vom 8. Januar 1999 diesbezüglich seine bisherige Praxis (zum BdBSt) auch für das DBG ausdrücklich bestätigt hatte. Danach sind bei der direkten Bundessteuer Veräusserungsgewinne auf Vermögenswerten, insbesondere auf Liegenschaften und Wertschriften, bei gewerbsmässiger Erzielung nach wie vor steuerbar, also immer dann, wenn sie mittels einer über die blosse Vermögensverwaltung hinausgehenden Tätigkeit erzielt werden.

5.2

Steuerpolitische Projekte gemäss Finanzleitbild 1999

5.2.1

Ausgangslage

Mit dem Finanzleitbild 1999 will der Bundesrat die nachhaltige Gesundung der Bundesfinanzen, die mittelfristige Senkung der Steuerquote, die Schaffung neuer Wachstumspotenziale sowie bei der Besteuerung den optimalen Kompromiss zwischen den ökonomischen Erfordernissen und der Gerechtigkeit erreichen. Wirtschaftswachstum fördert auch den sozialen Frieden und die politische Stabilität, weil Verteilungskämpfe entschärft werden. Sozialer Frieden und politische Stabilität sind wichtige Standortvorteile. Aus Rücksicht auf die Standortattraktivität sollen die Fiskal- und Staatsquote, insbesondere auch die Steuerquote zu den tiefsten in der OECD gehören. Das Finanzleitbild 1999 verlangt eine über einen Konjunkturzyklus ausgeglichene Rechnung. Erhöhungen der Steuerquote sind für die «Finanzierung der AHV im Lichte der Demografie» reserviert.

Unter den steuerpolitischen Projekten des Finanzleitbildes 1999 sieht der Bundesrat u.a. vor, dass im Zusammenhang mit der Vereinheitlichung der Bemessungsgrundlagen im Bereich des Unternehmenssteuerrechts die Frage eines «Unternehmenssteuergesetzes» geprüft werden soll. Das Ziel dabei ist, dem Wirtschaftsstandort Schweiz zu mehr Rechtssicherheit, zu grösserer steuerlicher Transparenz und zu administrativer Entlastung zu verhelfen, wobei gleichzeitig heute noch bestehende

6017

Hindernisse für eine gewünschte Mobilität von Unternehmen und Arbeitnehmern aus dem Weg zu räumen sind (Finanzleitbild 1999, S. 31 Bst. b).

Zur Umsetzung des Finanzleitbildes 1999 hat deshalb der Bundesrat am 13. März 2000 ein Steuerpaket beschlossen, das auf strukturelle Verbesserungen des Steuersystems ausgerichtet ist. Es besteht aus zwei Teilen: Im ersten Teil werden als Gesamtpaket konkrete strukturelle Verbesserungen des Steuersystems in den Bereichen Ehepaar- und Familienbesteuerung, Umsatzabgabe und Besteuerung selbst genutzten Wohneigentums vorgestellt. Eine gemeinsame Botschaft wird noch im Jahr 2000 ans Parlament geleitet. In einem zweiten Teil, der das steuerpolitische Reformumfeld betrifft, wird die Machbarkeit einer Verrechnungssteuer für ausländische Zinserträge geprüft und eine allgemeine Steueramnestie vorgeschlagen. Ebenfalls in dieses politische Reformumfeld fällt die Behandlung der Volksinitiative «für eine Kapitalgewinnsteuer».

5.2.2

Ablehnung der Kapitalgewinnsteuer

Der Bundesrat lehnt die mit der Volksinitiative geforderte Kapitalgewinnsteuer ohne Gegenvorschlag ab. Eine solche Steuer wäre wie erwähnt unter dem Aspekt der Steuergerechtigkeit grundsätzlich wohl begründbar, sie würde jedoch u.a. mit der Vermögenssteuer kollidieren, wäre finanziell vergleichsweise unergiebig und administrativ aufwendig. Demgegenüber will der Bundesrat an der geltenden Steuerfreiheit der privaten Kapitalgewinne im Rahmen einer gleichzeitigen Reform des Unternehmungssteuerrechts Korrekturen anbringen. Aus diesen Gründen hält es der Bundesrat für angezeigt, die Einführung einer möglichst ertragsneutralen Beteiligungsgewinnsteuer unter Milderung der wirtschaftlichen Doppelbelastung zu prüfen (Finanzleitbild 1999, S. 32 Bst. c).

5.2.3

Prüfung einer Beteiligungsgewinnsteuer

Auszugehen ist von der Überlegung, dass im Sinne einer integrierenden Betrachtungsweise (im Unterschied zur eigenen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit juristischer Personen nach der sog. Separationstheorie) die Besteuerung von Kapitalgesellschaften immer als Problem der gerechten Lastenverteilung unter den natürlichen Personen gesehen werden kann. Das verfassungsrechtliche Konzept der leistungsfähigkeitskonformen Besteuerung lässt sich nur auf die natürlichen Personen anwenden. Die Steuerbelastung juristischer Personen einerseits und der ausgeschütteten Gewinne sowie des Vermögenswerts der Anteilsrechte andererseits wäre gesamthaft so auszugestalten, dass die natürlichen Personen unter sich rechtsgleich und leistungsfähigkeitskonform belastet werden. Dies deshalb, weil eben mit der Steuerbelastung der juristischen Personen wirtschaftlich auch eine (Vor-)Belastung der beteiligten natürlichen Person erfolgt.

Der Chef des Eidgenössischen Finanzdepartements hat deshalb am 31. Januar 2000 die Expertenkommission rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung (ERU) eingesetzt. Diese Kommission soll die gegenwärtige Steuer- und Abgabebelastung für körperschaftlich organisierte Unternehmen und ihre Beteiligten einerseits und für Inhaber von Personenunternehmen andererseits nach dem Recht der Bundessteuern und der direkten Staats- und Gemeindesteuern prüfen und ein Konzept für eine 6018

rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung erarbeiten. Die Auftragserteilung hat im Einzelnen folgenden Wortlaut: «Die Expertenkommission rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung ­ erprüft umfassend das geltende Recht der Unternehmensbesteuerung, insbesondere gemäss DBG, Mehrwertsteuergesetz, Verrechnungssteuer- und Stempelabgabegesetz sowie den kantonalen Steuergesetzen, unter Einbezug der AHV, mit Blick auf die Steuer- und Abgabebelastung. Dabei hat sie die gesamte Steuer- und Abgabebelastung von körperschaftlich organisierten Unternehmen und ihren Beteiligten einerseits und diejenige der Inhaber von Personenunternehmen andererseits vergleichend darzustellen. Besondere Beachtung ist der wirtschaftlichen Doppelbelastung Gesellschaft/Anteilsinhaber zu schenken; ­ earbeitet Varianten eines Konzepts für die rechtsformneutrale Besteuerung der Einkünfte aus Unternehmung unter Berücksichtigung der AHV. Besondere Beachtung schenkt sie den kleinen und mittleren Unternehmen; ­ ...; ­ ...; ­ prüft die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der verschiedenen ausgearbeiteten Varianten; ­ ...; ­ untersucht die steuerlichen und AHV-rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Unternehmensnachfolge bei Personenunternehmungen im Vergleich zu Kapitalgesellschaften und erarbeitet Lösungsvarianten, die dem Grundsatz der rechtsformneutralen Besteuerung so weit möglich entsprechen; bezüglich Erbschafts- und Schenkungssteuer kann auf ausgewählte Kantone abgestellt werden; ­ untersucht die steuerlichen und AHV-rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit Veräusserungstatbeständen von körperschaftlich organisierten und von Personenunternehmungen und erarbeitet Lösungsvarianten, die dem Grundsatz der rechtsformneutralen Besteuerung so weit wie möglich entsprechen; dabei kann auch die Einführung einer Kapitalgewinnsteuer/Beteiligungsgewinnsteuer in Betracht gezogen werden. ...

Die Expertenkommission ERU legt ihren Bericht bis Ende Juni 2001 dem Vorsteher des EFD vor.» Der Bundesrat ist somit bestrebt, an der geltenden Steuerfreiheit der privaten Kapitalgewinne im Rahmen einer gleichzeitigen Reform des Unternehmungssteuerrechts gezielt Korrekturen anzubringen. Im Vordergrund steht dabei eine gleichmässige Besteuerung von Kapitalgesellschaften und Personenunternehmungen mit dem Ziel, die steuerliche Doppelbelastung im Endergebnis
der einmaligen Gewinnbelastung bei der Personenunternehmung anzugleichen. Bei der vom Bundesrat beschlossenen Prüfung einer Besteuerung des Kapitalgewinns beim Verkauf von Unternehmensbeteiligungen in Verbindung mit Massnahmen zur Milderung der wirtschaftlichen Doppelbelastung von Gewinnen geht es m.a.W. darum, eine Lücke bei der Besteuerung von Kapitalgewinnen zu schliessen und gleichzeitig vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen ein Problem zu lösen, welches nach geltendem Recht u.a.

Finanzierungsentscheide verzerrt und Nachfolgeregelungen erschwert. Diese öko6019

nomisch sinnvolle Steuerreform wäre möglichst haushaltneutral auszugestalten: Heute unversteuerte Beteiligungsgewinne würden erfasst ­ die Besteuerung von Dividenden reduziert. Dabei gebieten es zeitliche Gründe, die Beteiligungsgewinnsteuer nicht als indirekten Gegenvorschlag zur Initiative bereits in diese Botschaft zu integrieren. Es ist nicht möglich, die notwendigen Abklärungen bis zur Verabschiedung der Botschaft über die Initiative abzuschliessen.

Die Komplexität der dabei zu lösenden Probleme zeigt sich schliesslich auch in der Notwendigkeit, die Harmonisierungskonformität einer Beteiligungsgewinnsteuer sowie von Massnahmen zur Milderung der wirtschaftlichen Doppelbelastung zu prüfen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass der Bundesrat in seiner Botschaft vom 25. Mai 1983 sowohl für das DBG wie für das StHG die Schaffung einer Beteiligungsgewinnsteuer vorgeschlagen hat (BBl 1983 III 1 ff.). Demgemäss wären nur Gewinne aus der Veräusserung wesentlicher Beteiligungen erfasst worden. Als wesentlich wurde dabei eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft bezeichnet, die mindestens 20 Prozent des Grundkapitals oder der Stimmrechte ausmacht. Das Parlament hat eine solche Beteiligungsgewinnsteuer bereits in den vorberatenden Kommissionen ersatzlos aus dem Gesetzesentwurf gestrichen. Gegen eine solche Beteiligungsgewinnsteuer wurde insbesondere vorgebracht, der Harmonisierungsartikel in der Bundesverfassung verbiete deren Einführung durch das StHG, weil diese Steuer den meisten Kantonen fremd sei. Einen Schwachpunkt der Vorlage bildete auch der Umstand, dass die Steuer insbesondere Inhaber von Anteilen an personenbezogenen, also vorwiegend kleinen und mittleren Unternehmungen (KMU) getroffen hätte, während unter Umständen wesentlich grössere Gewinne, die aus der Veräusserung von relativ geringen Anteilen an Publikumsaktienesellschaften erzielt werden, unbesteuert geblieben wären. Sodann hat der Bundesrat in der genannten Botschaft ausführlich zum Problem der Milderung der wirtschaftlichen Doppelbelastung Stellung genommen und sich auch mit der Frage befasst, ob der Bundesgesetzgeber ermächtigt sei, den Kantonen und Gemeinden Massnahmen zur Milderung der Doppelbelastung vorzuschreiben. Es wird somit unumgänglich sein, die harmonisierungsrechtlichen Aspekte einer erneuten Prüfung zu unterziehen.

6

Weitere Mängel der mit der Volksinitiative vorgeschlagenen Änderung der Bundesverfassung

6.1

Zum Steuerobjekt

Nach dem mit der Volksinitiative vorgeschlagenen neuen Artikel 41ter Absatz 1ter aBV (Art. 128a Abs. 1 BV) soll der Bund «eine besondere Steuer auf realisierten Kapitalgewinnen auf beweglichem Vermögen» erheben, «welche von der direkten Bundessteuer befreit sind».

Diese Formulierung muss als missglückt bezeichnet werden. Wohl ergibt sich unter geltendem Recht aus der Initiative klar, was die Initianten wollen: Der besonderen Steuer sollen Kapitalgewinne unterliegen, die nach heutigem Gesetzesrecht von der direkten Bundessteuer befreit sind, nämlich Kapitalgewinne aus der Veräusserung von beweglichem Privatvermögen (Art. 16 Abs. 3 DBG). Indirekt soll damit auf Verfassungsstufe eine gesetzliche Regelung unter Bezugnahme auf das Gesetz korrigiert werden. Dies ist zweifellos zulässig, zumal wenn man berücksichtigt, dass es auf Bundesebene keine Gesetzesinitiative gibt (vgl. auch das Beispiel und die Ausführungen des Bundesrates dazu in BBl 1997 II 656 ff.). Indessen erscheint es als 6020

widersprüchlich, wenn gemäss Initiativtext auf Verfassungsebene das Steuerobjekt durch Verweis auf die Regelung in einem Bundesgesetz umschrieben wird, die bei einer allfälligen Annahme der Initiative ja gerade aufgehoben werden soll. Es erleichtert mit anderen Worten die Verständlichkeit dieses Verfassungstextes nicht, wenn als Gegenstand einer Kapitalgewinnsteuer, die ebenfalls als direkte Bundessteuer zu gelten hätte, diejenigen realisierten Kapitalgewinne bezeichnet werden, welche von eben dieser direkten Bundessteuer befreit sind. Eine Verfassungsbestimmung sollte, bei aller Auslegungsbedürftigkeit, nicht solche Widersprüche enthalten. Es ist deshalb festzustellen, dass die Umschreibung des Steuerobjekts gemäss dem von der Volksinitiative in Artikel 41ter Absatz 1ter (neu) aBV (Art. 128a Abs. 1 BV) vorgeschlagenen Wortlaut den an eine Verfassungsnorm zu stellenden Anforderungen einer Zuerkennung klar bemessener Steuerkompetenzen an den Bund nicht entspricht.

6.2

Zum Steuersatz

Die Volksinitiative will die Kapitalgewinne «zu einem einheitlichen, proportionalen Steuersatz von mindestens 20 Prozent» besteuern (Art. 41ter Abs. 5bis [neu] aBV; Art. 128a Abs. 2 BV). Damit verbliebe dem Gesetzgeber kaum noch Spielraum für eine differenzierte Behandlung kurz- und langfristiger Kapitalgewinne mittels entsprechender Gestaltung des Steuertarifs.

6.3

Zur Steuersicherung mittels Quellensteuer

Gemäss der von der Volksinitiative vorgeschlagenen Bestimmung von Artikel 41ter Absatz 5bis Buchstabe c (neu) aBV (Art. 128a Abs. 2 Bst. c BV) kann die Gesetzgebung zur Steuersicherung eine Quellensteuer vorsehen. Dabei wird übersehen, dass die mit dem Verkauf beauftragten Banken in vielen Fällen nicht über die notwendigen Angaben wie Gestehungskosten verfügen, um den Kapitalgewinn zu berechnen. Bei Kapitalerträgen kann die Quellensteuer auf dem ganzen Ertrag erhoben werden, weil der gesamte Ertrag steuerlich erfasst wird. Anders verhält es sich bei der Kapitalgewinnsteuer, wo die Differenz zwischen Erlös und Gestehungskosten besteuert wird. Eine Quellensteuer auf dem Verkaufserlös würde oft zwangsläufig zu erheblichen Verzerrungen führen und hätte je nach Konstellation sogar die Besteuerung der investierten Substanz zur Folge.

Die andere Möglichkeit zur Überwachung und Durchsetzung einer Kapitalgewinnsteuer bestünde in der Einführung einer Meldepflicht für von Banken getätigte Transaktionen. Mit einer solchen Variante würde jedoch das Bankgeheimnis tangiert. Dadurch verlöre der schweizerische Finanzplatz mit seinen Stärken im Private Banking einen nicht zu unterschätzenden Vorteil. Ausserdem dürfte es angesichts einer solchen Massnahme schwer halten, dem internationalen Druck nach umfassender Amtshilfe in Steuerangelegenheiten zu widerstehen.

Zusammenfassend ergibt sich, dass zwecks Sicherung einer allfälligen Kapitalgewinnsteuer eine Quellensteuer entweder kaum durchführbar oder aber als zu weitgehend zu bezeichnen und deshalb entgegen dem Vorschlag der Initianten abzulehnen ist. Ebenfalls abzulehnen ist eine Meldepflicht für von Banken getätigte Transaktionen.

6021

6.4

Fehlender Kantonsanteil

Die Volksinitiative schlägt eine Ergänzung von Artikel 41ter durch Absatz 1ter (neu) und Absatz 5bis (neu) aBV (Art. 128a Abs. 1 und 2 BV) vor. Darin fehlt eine ausdrückliche Regelung betreffend einen Anteil der Kantone am Ertrag einer allfälligen Kapitalgewinnsteuer. Vielmehr ergibt sich aus dem vorgeschlagenen Artikel 41ter Absatz 5bis Buchstabe c aBV (Art. 128a Abs. 2 Bst. c BV) lediglich, dass im Falle der Erhebung einer Kapitalgewinnsteuer durch die Kantone die entsprechenden Kosten vom Bund getragen werden. Auch die Systematik des Initiativtextes von Artikel 41ter Absatz 1ter und insbesondere von Absatz 5bis aBV (Art. 128a Abs. 1 und 2 BV) könnte den Schluss nahelegen, dass die Initianten die Kantone am Ertrag einer allfälligen Kapitalgewinnsteuer nicht beteiligen wollen. Dies stünde im Widerspruch zur geltenden Ordnung für die direkte Bundessteuer (Art. 128 Abs. 4 BV; Art. 41ter Abs. 5 Bst. b aBV). Danach fallen vom Rohertrag der Steuer drei Zehntel den Kantonen zu, wovon mindestens ein Sechstel für den Finanzausgleich unter den Kantonen verwendet wird.

7

Schlussfolgerungen

Der Bundesrat lehnt die mit der Volksinitiative geforderte Kapitalgewinnsteuer ohne Gegenvorschlag ab. Eine solche Steuer wäre wie erwähnt unter dem Aspekt der Steuergerechtigkeit grundsätzlich wohl begründbar, sie würde jedoch u.a. mit der Vermögenssteuer kollidieren, wäre finanziell vergleichsweise unergiebig und administrativ aufwendig. Demgegenüber will der Bundesrat die Durchbrechung des Prinzips der Steuerfreiheit der privaten Kapitalgewinne im Rahmen einer gleichzeitigen Reform des Unternehmungssteuerrechts angehen. Als Ausgangslage präsentiert sich dabei ein über Jahrzehnte gewachsenes schweizerisches Steuersystem mit einem föderalistischen Aufbau, gespaltenen Besteuerungskompetenzen, wirtschaftlicher Doppelbelastung von juristischen Personen und ihren Anteilsinhabern bei Gewinnausschüttungen, Rechtsverkehrssteuern und substanziellen Vermögenssteuern. Der Chef des Eidgenössischen Finanzdepartements hat deshalb am 31. Januar 2000 die bereits erwähnte Expertenkommission rechts-formneutrale Unternehmensbesteuerung (ERU) eingesetzt. Diese Kommission soll u.a. auch die Einführung einer Beteiligungsgewinnsteuer untersuchen. Entsprechend hat der Bundesrat am 13. März 2000 im Rahmen der Umsetzung von Steuerreformen gemäss Finanzleitbild 1999 die Ablehnung der Kapitalgewinnsteuer-Initiative bekräftigt und gleichzeitig beschlossen, die Einführung einer Beteiligungsgewinnsteuer unter Milderung der wirtschaftlichen Doppelbelastung zu prüfen. Die dazu notwendigen Abklärungen können nicht bis zur Verabschiedung der Botschaft abgeschlossen werden. Aus zeitlichen Gründen kann deshalb die Beteiligungsgewinnsteuer nicht bereits als indirekter Gegenvorschlag zur Initiative in diese Botschaft integriert werden.

6022

Anhang

Kapitalgewinnsteuer in einzelnen OECD-Staaten Rubrik

Frankreich (1996) (Mio. FF)

Grossbritannien (1995) (Mio. £)

USA (1995) (Mio. $)

Steueraufkommen insgesamt1 Aufkommen Kapitalgewinnsteuer2

2 083 000 8 000

206 710 796

1 500 128 44 2543

(%)

(%)

(%)

0,38

0,39

2,95

Anteil Kapitalgewinnseuer am Aufkommen 1 2

3

Quelle: OECD, Revenue Statistics 1965/1998, Paris 1999 Verschiedene Quellen: ­ Ministère des Finances (Frankreich) ­ Inland Revenue, Statistics and Economics (Grossbritannien) ­ Department of the Treasury, Office of Tax Analysis (USA) inkl. Steuer auf Grundstückgewinnen

Steuereinnahmen von Bund, Kantonen und Gemeinden 1995 (Mio. Fr.)

1996 (Mio. Fr.)

1997 (io. Fr.)

76 269

78 595

78 703

1 209

1 030

832

Rubrik

Steueraufkommen insgesamt1 Aufkommen Grundstückgewinnsteuer1

Anteil Grundstückgewinnsteuer am Aufkommen 1

(%)

(%)

(%)

1,59

1,31

1,06

Quelle: Eidg. Finanzverwaltung, Öffentliche Finanzen der Schweiz 1997, Bern 1999

6023

Hochrechnungen Aufkommen Kapitalgewinnsteuer für die Schweiz Kanton

Abschaffung Kapitalgewinnsteuer (Jahr)

Wohnbevölkerung gemäss Volkszählung 1990 (Tausend)

Ertrag KapitalErtrag Kantonssteugewinnsteuer vor Ab- ern 1987 insgesamt schaffung (Mio. Fr) (Mio. Fr.)

Basel-Stadt Basel-Landschaft St. Gallen Graubünden Thurgau Jura 6 Kantone Schweiz

1987 1987 1986 1996 1985 1987

199,4 233,5 427,5 173,9 209,4 66,2 1 309,9 6 873,7

20,0 1,0 0,8 0,9 0,2 1,0 23,9

a.

b.

c.

1 452 632 773 363 361 118 3 699 18 135

Anteil 6 Kantone an Wohnbevölkerung ganze Schweiz (%) Anteil 6 Kantone an Ertrag Kantonssteuern 1987 ganze Schweiz (%) Anteil Kapitalgewinnsteuer an Ertrag Kantonssteuern 1987 6 Kantone (%)

Hochrechnungen Aufkommen Kapitalgewinnsteuer für die Schweiz: 1. mit Hilfe von a) 2. mit Hilfe von b) 3. mit Hilfe von c) (Ertrag Kantonssteuern 1997 = 24 696 Mio. Fr.)

11152

6024

19,06 20,40 0,65 (Mio. Fr.)

125 117 160