18.080 Botschaft zur Gewährleistung der geänderten Verfassungen der Kantone Schwyz, Zug, Freiburg, Basel-Stadt, Basel-Landschaft und Appenzell Innerrhoden vom 21. November 2018

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen hiermit, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zu einem einfachen Bundesbeschluss über die Gewährleistung der geänderten Verfassungen der Kantone Schwyz, Zug, Freiburg, Basel-Stadt, Basel-Landschaft und Appenzell Innerrhoden.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

21. November 2018

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2018-2591

7741

Übersicht Der Bundesversammlung wird beantragt, mit einfachem Bundesbeschluss Änderungen in den Verfassungen der Kantone Schwyz, Zug, Freiburg, Basel-Stadt, Basel-Landschaft und Appenzell Innerrhoden zu gewährleisten. Die Verfassungsänderungen betreffen unterschiedliche Themen. Alle Änderungen sind bundesrechtskonform. Die Gewährleistung ist somit zu erteilen.

Nach Artikel 51 Absatz 1 der Bundesverfassung gibt sich jeder Kanton eine demokratische Verfassung. Diese bedarf der Zustimmung des Volkes und muss revidiert werden können, wenn die Mehrheit der Stimmberechtigten es verlangt. Nach Absatz 2 des gleichen Artikels bedürfen die Kantonsverfassungen der Gewährleistung des Bundes. Steht eine kantonale Verfassungsbestimmung im Einklang mit dem Bundesrecht, so ist die Gewährleistung zu erteilen; erfüllt sie diese Voraussetzung nicht, so ist die Gewährleistung zu verweigern.

Die vorliegenden Verfassungsänderungen haben zum Gegenstand: im Kanton Schwyz: ­

die Offenlegung der Politikfinanzierung;

im Kanton Zug: ­

die Anpassung des Stimmrechts an das geänderte Erwachsenenschutzrecht;

im Kanton Freiburg: ­

die Offenlegung der Politikfinanzierung;

im Kanton Basel-Stadt: ­

die Aufhebung des Quorums bei Grossratswahlen,

­

das Recht auf Wohnen und den Wohnschutz;

im Kanton Basel-Landschaft: ­

die Unvereinbarkeit für die Mitglieder des Regierungsrates;

im Kanton Appenzell Innerrhoden: ­

7742

den Termin für die Einreichung von Initiativen.

BBl 2018

Botschaft 1

Die einzelnen Revisionen

1.1

Verfassung des Kantons Schwyz

1.1.1

Kantonale Volksabstimmung vom 4. März 2018

Die Stimmberechtigten des Kantons Schwyz haben in der Volksabstimmung vom 4. März 2018 dem neuen § 45a der Verfassung des Kantons Schwyz vom 24. November 20101 (KV-SZ) zur Offenlegung der Politikfinanzierung mit 27 702 Ja gegen 27 397 Nein zugestimmt. Mit Schreiben vom 23. Mai 2018 ersuchen der Landammann und der Staatsschreiber im Namen des Regierungsrats des Kantons Schwyz um die eidgenössische Gewährleistung.

1.1.2 Bisheriger Text

Offenlegung der Politikfinanzierung Neuer Text § 45a Offenlegungspflichten 1 Alle Parteien und politische Gruppierungen, Kampagnenkomitees, Lobbyorganisationen und sonstige Organisationen, die sich an Abstimmungskämpfen sowie Wahlen beteiligen, die in die Kompetenz von Kanton, Bezirke und Gemeinden fallen, müssen ihre Finanzen offenlegen. Unter die Offenlegungspflichten fallen insbesondere: a. die Finanzierungsquellen und das gesamte Budget für den betreffenden Wahl- oder Abstimmungskampf; b. die Namen der juristischen Personen, die zur Finanzierung beigetragen haben, mit Angabe des jeweiligen Betrags, sofern dieser pro Kalenderjahr insgesamt höher als 1000 Franken ist; c. die Namen der natürlichen Personen, die zur Finanzierung beigetragen haben, mit Angabe des jeweiligen Betrags. Ausgenommen sind Spenderinnen und Spender, deren Zuwendung insgesamt 5000 Franken pro Kalenderjahr nicht übersteigt.

1

SR 131.215

7743

BBl 2018

2

Alle Kandidierenden für alle öffentlichen Ämter auf Kantons- und Bezirksebene sowie für Exekutiven und Legislativen auf kommunaler Ebene legen ihre Interessenbindungen bei der Anmeldung ihrer Kandidatur offen.

3 Zu Beginn eines Kalenderjahres legen alle gewählten Mandatsträgerinnen und Mandatsträger in öffentlichen Ämtern gemäss Absatz 2 ihre Interessenbindungen offen.

4 Der Kanton oder eine unabhängige Stelle überprüfen die Richtigkeit der Angaben gemäss den Absätzen 1­3 und erstellen ein öffentliches Register.

5 Widerhandlungen von Kandidierenden und gewählten Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern sowie von Parteien, politischen Gruppierungen, Abstimmungskomitees, Lobbyorganisationen und sonstigen Organisationen gegen die Verpflichtungen in den Absätzen 1­3 dieser Bestimmung werden mit Busse sanktioniert.

6 Das Gesetz regelt die Einzelheiten.

Mit § 45a KV-SZ wird die Offenlegung der Finanzen von allen Parteien sowie politischen Gruppierungen, Kampagnenkomitees, Lobbyorganisationen und sonstigen Organisationen, die sich an kantonalen, bezirklichen und kommunalen Abstimmungskämpfen und Wahlen beteiligen, geregelt. Zudem werden alle Kandidatinnen und Kandidaten für alle öffentlichen Ämter auf Kantons- und Bezirksebene sowie für Exekutiven und Legislativen auf kommunaler Ebene dazu verpflichtet, ihre Interessenbindungen bei der Anmeldung ihrer Kandidatur offenzulegen. Dasselbe gilt für alle gewählten Mandatsträgerinnen und Mandatsträger in öffentlichen Ämtern zu Beginn eines Kalenderjahres. Schliesslich überprüft der Kanton oder eine unabhängige Stelle die Richtigkeit der Angaben. Widerhandlungen gegen die Verpflichtungen werden mit Busse bestraft.

Der Bundesrat hat sich kürzlich zu Bestimmungen auf Bundesebene mit ähnlichem Inhalt geäussert, und zwar in seiner Botschaft vom 29. August 20182 zur Volksinitiative «Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung (Transparenz-Initiative)».

Er kam darin zum Schluss, dass die Transparenz-Initiative zu wenig auf die Besonderheiten und die Komplexität des politischen Systems der Schweiz abgestimmt ist.

Im Rahmen der vorliegenden Botschaft hat sich der Bundesrat aber auf eine rein rechtliche Prüfung zu beschränken, da die Anforderung nach Artikel 51 Absatz 2 der Bundesverfassung (BV)3, wonach Kantonsverfassungen zu gewährleisten sind, wenn sie dem Bundesrecht nicht widersprechen, eine politische Beurteilung nicht zulässt.

2 3

BBl 2018 5623 SR 101

7744

BBl 2018

Nach Artikel 39 Absatz 1 BV regeln die Kantone die Ausübung der politischen Rechte in kantonalen und kommunalen Angelegenheiten. Die Kompetenz ergibt sich bereits aus der Organisationsautonomie der Kantone. Die Organisationsautonomie ist aber nicht uneingeschränkt: Die Kantone müssen insbesondere die Grundrechte beachten.

Die Änderungen der KV-SZ betreffen die Ausübung der politischen Rechte in kantonalen, bezirklichen und kommunalen Angelegenheiten und gehören zur kantonalen Organisationsautonomie. Die Änderungen bewegen sich im Rahmen der Gestaltungsmöglichkeiten der Kantone im Bereich der von ihnen zu regelnden politischen Rechte und sind mit den Grundrechten, insbesondere der Wahlfreiheit, vereinbar.

Sie sind bundesrechtskonform und damit zu gewährleisten.

1.2

Verfassung des Kantons Zug

1.2.1

Kantonale Volksabstimmung vom 10. Juni 2018

Die Stimmberechtigten des Kantons Zug haben in der Volksabstimmung vom 10. Juni 2018 der Änderung von § 27 Absatz 3 der Verfassung des Kantons Zug vom 31. Januar 18944 (KV-ZG) im Hinblick auf die Anpassung des Stimmrechts an das geänderte Erwachsenenschutzrecht mit 28 062 Ja gegen 2028 Nein zugestimmt.

Mit Schreiben vom 14. Juni 2018 ersucht der Landschreiber im Namen der Staatskanzlei des Kantons Zug um die eidgenössische Gewährleistung.

1.2.2

Anpassung des Stimmrechts an das geänderte Erwachsenenschutzrecht

Bisheriger Text

Neuer Text

§ 27 3 Wer wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche entmündigt ist, hat kein Stimmrecht.

§ 27 Abs. 3 3 Personen, die wegen dauerhafter Urteilsunfähigkeit unter umfassender Beistandschaft stehen oder durch eine vorsorgebeauftragte Person vertreten werden, haben kein Stimmrecht.

Am 1. Januar 2013 sind die Änderungen vom 19. Dezember 2008 des Zivilgesetzbuchs5 (ZGB) betreffend Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht in Kraft getreten.6 Mit der Änderung von § 27 Absatz 3 KV-ZG wird das Stimmrecht für kantonale Wahlen und Abstimmungen an das geänderte Erwachsenenschutzrecht nach ZGB angepasst. Die Änderung ist bundesrechtskonform und damit zu gewährleisten.

4 5 6

SR 131.218 SR 210 AS 2011 725

7745

BBl 2018

1.3

Verfassung des Kantons Freiburg

1.3.1

Kantonale Volksabstimmung vom 4. März 2018

Die Stimmberechtigten des Kantons Freiburg haben in der Volksabstimmung vom 4. März 2018 dem neuen Artikel 139a der Verfassung des Kantons Freiburg vom 16. Mai 20047 (KV-FR) zur Offenlegung der Politikfinanzierung mit 65 360 Ja gegen 30 024 Nein zugestimmt. Mit Schreiben vom 16. Juli 2018 ersucht die Verantwortliche für amtliche Veröffentlichungen im Namen der Staatskanzlei des Kantons Freiburg um die eidgenössische Gewährleistung.

1.3.2 Bisheriger Text

Offenlegung der Politikfinanzierung Neuer Text Art. 139a Verpflichtung zur Transparenz 1 Politische Parteien, politische Gruppierungen, Kampagnenkomitees und Organisationen, die sich an Wahl- oder Abstimmungskampagnen beteiligen, müssen ihre Rechnung offenlegen. Insbesondere müssen offengelegt werden: a. bei Wahl- und Abstimmungskampagnen die Finanzierungsquellen und das Gesamtbudget der entsprechenden Kampagne; b. für die Finanzierung der obgenannten Organisationen, der Firmenname der juristischen Personen, die sich an der Finanzierung dieser Organisationen beteiligen, sowie der Betrag der Zahlungen; c. die Identität der natürlichen Personen, die sich an der Finanzierung dieser Organisationen beteiligen; ausgenommen sind Personen, deren Zahlungen pro Kalenderjahr 5000 Franken nicht übersteigen.

2 Die gewählten Mitglieder der kantonalen Behörden veröffentlichen zu Beginn des Kalenderjahres die Einkommen, die sie mit ihrem Mandat und im Zusammenhang mit diesem erzielen.

3 Die veröffentlichten Daten gemäss den Absätzen 1 und 2 werden von der Verwaltung oder einer unabhängigen Stelle geprüft. Sobald diese Daten geprüft worden sind, werden sie online und auf Papier zur Verfügung gestellt.

7

SR 131.219

7746

BBl 2018

4

Im Übrigen regelt das Gesetz die Anwendung. Es berücksichtigt insbesondere das Berufsgeheimnis.

Mit Artikel 139a KV-FR wird insbesondere die Offenlegung der Rechnungen von politischen Parteien, politischen Gruppierungen, Kampagnenkomitees und Organisationen, die sich an Wahl- oder Abstimmungskampagnen beteiligen, geregelt. Zudem müssen die gewählten Mitglieder der kantonalen Behörden die Einkommen veröffentlichen, die sie mit ihrem Mandat und im Zusammenhang mit diesem erzielen.

Die veröffentlichten Daten werden von der Verwaltung oder einer unabhängigen Stelle geprüft. Sobald diese Daten geprüft worden sind, werden sie online und auf Papier zur Verfügung gestellt.

Die Ausführungen unter Ziffer 1.1.2 zu einer thematisch verwandten Änderung der KV-SZ gelten für die Änderung der KV-FR ebenfalls. Die Änderungen der KV-FR betreffen die Ausübung der politischen Rechte in kantonalen und kommunalen Angelegenheiten und gehören zur kantonalen Organisationsautonomie. Die Änderungen bewegen sich im Rahmen der Gestaltungsmöglichkeiten der Kantone im Bereich der von ihnen zu regelnden politischen Rechte und sind mit den Grundrechten, insbesondere der Wahlfreiheit, vereinbar. Sie sind bundesrechtskonform und damit zu gewährleisten.

1.4

Verfassung des Kantons Basel-Stadt

1.4.1

Kantonale Volksabstimmung vom 12. Februar 2017

Die Stimmberechtigten des Kantons Basel-Stadt haben in der Volksabstimmung vom 12. Februar 2017 der Aufhebung von § 46 Absatz 2 der Verfassung des Kantons Basel-Stadt vom 23. März 20058 (KV-BS) betreffend Quorum bei Grossratswahlen mit 28 799 Ja gegen 21 841 Nein zugestimmt. Mit Schreiben vom 23. Mai 2018 ersuchen die Regierungspräsidentin und die Staatsschreiberin im Namen des Regierungsrats des Kantons Basel-Stadt um die eidgenössische Gewährleistung.

1.4.2

Aufhebung des Quorums bei Grossratswahlen

Bisheriger Text

Neuer Text

§ 46 2 Das Gesetz bestimmt das für die Zuteilung von Sitzen erforderliche Quorum.

§ 46 Abs. 2 Aufgehoben

Nach Artikel 39 Absatz 1 BV regeln die Kantone die Ausübung der politischen Rechte in kantonalen und kommunalen Angelegenheiten. Die Kompetenz ergibt sich bereits aus der Organisationsautonomie der Kantone. Die Organisationsautonomie ist aber nicht uneingeschränkt: Die Kantone müssen insbesondere die Grundrechte 8

SR 131.222.1

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BBl 2018

beachten. Mit der vorliegenden Änderung der KV-BS wird das gesetzliche Quorum bei den baselstädtischen Grossratswahlen aufgehoben. Die Änderung der KV-BS betrifft die Ausübung der politischen Rechte in kantonalen Angelegenheiten und gehört zur kantonalen Organisationsautonomie. Die Änderung ist mit den Grundrechten, insbesondere der Wahlfreiheit, vereinbar. Sie ist bundesrechtskonform und damit zu gewährleisten.

1.4.3

Kantonale Volksabstimmung vom 10. Juni 2018

Die Stimmberechtigten des Kantons Basel-Stadt haben in der Volksabstimmung vom 10. Juni 2018 dem neuen Buchstaben c von § 11 Absatz 2 KV-BS betreffend das Recht auf Wohnen mit 25 596 Ja gegen 19 004 Nein zugestimmt. Sie haben im Weiteren den Änderungen von § 34 KV-BS betreffend den Wohnschutz mit 27 600 Ja gegen 17 014 Nein zugestimmt. Mit Schreiben vom 25. Juli 2018 ersuchen die Regierungspräsidentin und die Staatsschreiberin im Namen des Regierungsrats des Kantons Basel-Stadt um die eidgenössische Gewährleistung.

1.4.4

Recht auf Wohnen und Wohnschutz

Bisheriger Text

Neuer Text § 11 Abs. 2 Bst. c 2 Diese Verfassung gewährleistet überdies: c. dass der Kanton das Recht auf Wohnen anerkennt. Er trifft die zu seiner Sicherung notwendigen Massnahmen, damit Personen, die in Basel-Stadt wohnhaft und angemeldet sind, sich einen ihrem Bedarf entsprechenden Wohnraum beschaffen können, dessen Mietzins oder Kosten ihre finanzielle Leistungsfähigkeit nicht übersteigt.

Umsetzungsfrist Diese Verfassungsänderung ist spätestens zwei Jahre nach ihrer Annahme durch die Stimmberechtigten umzusetzen.

§ 34 2

...

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Raumplanung und Wohnumfeld [Marginalie]

§ 34 Marginalie, Abs. 2 dritter Satz und 3­6 Raumplanung, Wohnschutz und Wohnumfeld 2 ... In gleicher Weise fördert er den Erhalt bestehenden bezahlbaren Wohnraums in allen Quartieren.

3 In Zeiten von Wohnungsnot sorgt er, entsprechend den überwiegenden Bedürfnissen der Wohnbevölkerung, dafür, dass diese vor Verdrängung durch Kündigungen und Mietzinserhöhungen wirksam geschützt wird.

BBl 2018

Dies gilt insbesondere für die älteren und langjährigen Mietparteien.

4 Um bestehenden bezahlbaren Wohnraum zu erhalten, ergreift er, ergänzend zum bundesrechtlichen Mieterschutz, alle notwendigen wohnpolitischen Massnahmen, die den Charakter der Quartiere, den aktuellen Wohnbestand sowie die bestehenden Wohn- und Lebensverhältnisse bewahren.

5 Diese Massnahmen umfassen auch die befristete Einführung einer Bewilligungspflicht verbunden mit Mietzinskontrolle bei Renovation und Umbau sowie Abbruch von bezahlbaren Mietwohnungen.

6 Wohnungsnot besteht bei einem Leerwohnungsbestand von 1,5 Prozent oder weniger.

Mit § 11 Absatz 2 Buchstabe c KV-BS wird im Kanton Basel-Stadt unter der Marginalie «Grundrechtsgarantien» ein Recht auf Wohnen gewährleistet. Der Bund gewährleistet nicht ausdrücklich ein solches Grundrecht. Als Sozialziel setzen sich aber Bund und Kantone in Ergänzung zu persönlicher Verantwortung und privater Initiative dafür ein, dass Wohnungssuchende für sich und ihre Familie eine angemessene Wohnung zu tragbaren Bedingungen finden können (Art. 41 Abs. 1 Bst. e BV). In die Souveränität der Kantone nach Artikel 3 BV fällt es, weitere vom Bund nicht ausdrücklich gewährleistete Grundrechte zu garantieren. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung haben kantonale Grundrechtsgarantien dort selbstständige Bedeutung, wo sie über die entsprechenden Rechte der Bundesverfassung oder der Europäischen Menschenrechtskonvention9 hinausgehen oder ein Recht gewährleisten, das die Bundesverfassung nicht garantiert.10 § 11 Absatz 2 Buchstabe c KV-BS erweist sich als bundesrechtskonform und ist damit zu gewährleisten.

Mit den Änderungen von § 34 KV-BS werden im Kanton Basel-Stadt verschiedene Wohnschutzmassnahmen vorgesehen. Demgemäss wird der Kanton verpflichtet, den Erhalt bestehenden bezahlbaren Wohnraums in allen Quartieren zu fördern. Um bestehenden bezahlbaren Wohnraum zu erhalten, ergreift er nach der neuen Bestimmung, ergänzend zum bundesrechtlichen Mieterschutz, alle notwendigen wohnpolitischen Massnahmen, die den Charakter der Quartiere, den aktuellen Wohnbestand sowie die bestehenden Wohn- und Lebensverhältnisse bewahren.

Als wohnpolitische Massnahme dient u. a. die befristete Einführung einer Bewilligungspflicht verbunden mit Mietzinskontrolle bei Renovation und Umbau sowie Abbruch von bezahlbaren Mietwohnungen. Weiter wird der Kanton verpflichtet, in Zeiten von Wohnungsnot (Leerwohnungsbestand von 1,5 Prozent oder weniger) dafür zu sorgen, dass entsprechend den überwiegenden Bedürfnissen der Wohnbevölkerung diese vor Verdrängung durch Kündigungen und Mietzinserhöhungen wirksam geschützt wird. Dies gilt insbesondere für die älteren und langjährigen Mietparteien.

9 10

Konvention vom 4. Nov. 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, SR 0.101.

BGE 121 I 267 E. 3a

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Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung hat der Bund den privatrechtlichen Kündigungsschutz abschliessend geregelt.11 Der Kanton Basel-Stadt könnte damit beispielsweise nicht vorsehen, dass Mieterinnen oder Mietern, die das 64. bzw.

65. Altersjahr überschritten haben, nicht gekündigt werden kann. Demgegenüber sind aber verhältnismässige sozialpolitische Massnahmen zulässig, die indirekt vor Verdrängung durch Kündigungen und Mietzinserhöhungen schützen können, wie z. B. die befristete Einführung einer Bewilligungspflicht für Abbrüche.12 Den Änderungen von § 34 KV-BS kann somit ein Sinn beigemessen werden, der sie nicht klarerweise als vor Bundesrecht unzulässig erscheinen lässt (Günstigkeitsprinzip).13 Sie erweisen sich als bundesrechtskonform und sind damit zu gewährleisten. Die kantonalen Ausführungsbestimmungen müssen indessen mit dem höherrangigen Recht, insbesondere mit dem Mietrecht, vereinbar sein.

1.5

Verfassung des Kantons Basel-Landschaft

1.5.1

Kantonale Volksabstimmung vom 4. März 2018

Die Stimmberechtigten des Kantons Basel-Landschaft haben in der Volksabstimmung vom 4. März 2018 der Änderung von § 72 Absatz 2 der Verfassung des Kantons Basel-Landschaft vom 17. Mai 198414 (KV-BL) betreffend Unvereinbarkeit für die Mitglieder des Regierungsrates mit 78 089 Ja gegen 12 413 Nein zugestimmt.

Mit Schreiben vom 20. April 2018 ersucht der Redaktor der Gesetzessammlung im Namen der Landeskanzlei des Kantons Basel-Landschaft um die eidgenössische Gewährleistung.

1.5.2

Unvereinbarkeit für die Mitglieder des Regierungsrates

Bisheriger Text

Neuer Text

§ 72 Unvereinbarkeit 2 Es darf nicht mehr als ein Mitglied des Regierungsrates der Bundesversammlung angehören.

§ 72 Abs. 2 2 Die Mitglieder des Regierungsrates können nicht gleichzeitig der Bundesversammlung angehören.

Nach Artikel 39 Absatz 1 BV regeln die Kantone die Ausübung der politischen Rechte in kantonalen und kommunalen Angelegenheiten. In die Souveränität der Kantone nach Artikel 3 BV fällt im Weiteren deren Organisationsautonomie. Der Bund beachtet diese (Art. 47 Abs. 2 BV). Mit der Änderung von § 72 Absatz 2 KV-BL wird die Unvereinbarkeit für die Mitglieder des Regierungsrates ausgewei11 12

13 14

BGE 113 Ia 126 E. 9d Vgl. BGE 99 Ia 35 zum damaligen baselstädtischen Gesetz vom 25. April 1968 / 11. Nov. 1971 über den Abbruch von Wohnhäusern. Siehe dazu auch BGE 88 I 248 ff., BGE 89 I 178 E. 3d S. 184, BGE 101 Ia 502 E. 2d S. 510 und BGE 137 I 135 E. 2.5.

BGE 139 I 292 E. 5.7 SR 131.222.2

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BBl 2018

tet. Neu kann kein Mitglied gleichzeitig der Bundesversammlung angehören. Die Änderung betrifft die Ausübung der politischen Rechte in kantonalen Angelegenheiten sowie die kantonale Organisationsautonomie. Sie ist bundesrechtskonform und damit zu gewährleisten.

1.6

Verfassung des Kantons Appenzell Innerrhoden

1.6.1

Landsgemeinde vom 29. April 2018

An der Landsgemeinde vom 29. April 2018 haben die Stimmberechtigten der Änderung von Artikel 7bis Absatz 6 erster Satz der Verfassung für den Eidgenössischen Stand Appenzell I. Rh. vom 24. Wintermonat 187215 (KV-AI) betreffend den Termin für die Einreichung von Initiativen zugestimmt. Mit Schreiben vom 2. Mai 2018 ersucht der Ratsschreiber im Auftrag von Landammann und Standeskommission um die eidgenössische Gewährleistung.

1.6.2

Termin für die Einreichung von Initiativen

Bisheriger Text

Neuer Text

§ 7bis 6 Initiativen sind bis 1. Oktober schriftlich dem Grossen Rat zur Prüfung und Begutachtung einzureichen. ...

§ 7bis Abs. 6 erster Satz 6 Initiativen sind bis 31. Mai schriftlich dem Grossen Rat zur Prüfung und Begutachtung einzureichen. ...

Nach Artikel 39 Absatz 1 BV regeln die Kantone die Ausübung der politischen Rechte in kantonalen und kommunalen Angelegenheiten. In die Souveränität der Kantone nach Artikel 3 BV fällt im Weiteren deren Organisationsautonomie. Der Bund beachtet diese (Art. 47 Abs. 2 BV). Mit der vorliegenden Änderung der KV-AI wird das Datum zur Einreichung von Initiativen neu festgelegt. Die Änderung betrifft die Ausübung der politischen Rechte in kantonalen Angelegenheiten sowie die kantonale Organisationsautonomie. Sie ist bundesrechtskonform und damit zu gewährleisten.

2

Rechtliche Aspekte

2.1

Bundesrechtskonformität

Die Prüfung hat ergeben, dass die Änderungen der Verfassungen der Kantone Schwyz, Zug, Freiburg, Basel-Stadt, Basel-Landschaft und Appenzell Innerrhoden die Anforderungen von Artikel 51 BV erfüllen. Somit ist ihnen die Gewährleistung zu erteilen.

15

SR 131.224.2

7751

BBl 2018

2.2

Zuständigkeit der Bundesversammlung

Die Bundesversammlung ist nach den Artikeln 51 Absatz 2 und 172 Absatz 2 BV für die Gewährleistung zuständig.

2.3

Erlassform

Die Gewährleistung erfolgt mit einfachem Bundesbeschluss, da weder die BV noch ein Gesetz das Referendum vorsehen (vgl. Art. 141 Abs. 1 Bst. c i.V.m. 163 Abs. 2 BV).

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