18.047 Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (Zulassung von Leistungserbringern) vom 9. Mai 2018

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben: 2016

M

16.3001

Gesundheitssystem. Ausgewogenes Angebot durch Differenzierung des Taxpunktwertes (N 15.3.16, Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit NR; S 6.6.16)

2013

P

13.3875

Fehlermeldesysteme und medizinische Erkenntnisse für die Verbesserung der Patientensicherheit einsetzen (N 13.12.13, Hardegger)

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

9. Mai 2018

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2018-0056

3125

Übersicht Mit dieser Vorlage sollen die Anforderungen an die zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung tätigen Leistungserbringer erhöht und dadurch die Qualität und die Wirtschaftlichkeit der von ihnen erbrachten Leistungen gesteigert werden. Zudem soll den Kantonen ein wirksameres Instrument zur Kontrolle des Leistungsangebots zur Verfügung gestellt werden. Diese Vorlage soll die in Artikel 55a des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) festgelegte Zulassungsbeschränkung ablösen, die am 30. Juni 2019 ausläuft.

Ausgangslage Die Schweiz weist unter den OECD-Staaten eine der höchsten Dichten von praktizierenden Ärztinnen und Ärzten auf, und ein Ende der Zunahme ist nicht absehbar.

Gleichzeitig haben die Kosten für die Leistungen zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung im ambulanten Bereich seit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung im Jahr 1996 ständig zugenommen, was massgeblich zum Anstieg der von den Versicherten bezahlten Prämien beigetragen hat. Diese Entwicklung hat erhebliche Auswirkungen auf das Budget der Privathaushalte und auf die Finanzen von Bund und Kantonen, die einen immer grösseren Betrag für die Prämienverbilligungen aufwenden müssen. 2016 beliefen sich diese Beiträge auf mehr als 4,3 Milliarden Franken; sie kamen mehr als einem Viertel der Versicherten zugute.

Angesichts dieser Problematik hat das Parlament im Jahr 2000 erstmals eine Bedürfnisklausel eingeführt, mit der die Niederlassung von Ärztinnen und Ärzten in eigener Praxis beschränkt werden sollte. Die Bestimmung trat 2001 in Kraft. Diese vorerst auf drei Jahre beschränkte Massnahme wurde dreimal verlängert, bis sie schliesslich Ende 2011 auslief. Angesichts der zahlreichen Neuniederlassungen von Ärztinnen und Ärzten in eigener Praxis führte das Parlament die Zulassungsbeschränkung am 1. Juli 2013 in Form eines dringlichen Bundesgesetzes erneut ein.

Nachdem eine neue Vorlage zur langfristigen Steuerung des ambulanten Bereichs gescheitert war, verlängerte das Parlament die Bestimmung zur Zulassungsbeschränkung noch einmal bis Ende Juni 2019, beauftragte jedoch gleichzeitig den Bundesrat, in einem Bericht verschiedene Möglichkeiten zu evaluieren und bis Ende Juni 2017 eine neue Vorlage in die Vernehmlassung zu schicken. Für die Erarbeitung seines Berichts
vom 3. März 2017 stützte sich der Bundesrat auf die Diskussionen, die von den Hauptakteuren des ambulanten Bereichs im Rahmen von Workshops zu den verschiedenen in Betracht gezogenen Steuerungsmöglichkeiten geführt wurden. Der vorliegende Entwurf basiert auf den Schlussfolgerungen dieses Berichts.

Inhalt der Vorlage Der Bundesrat schlägt eine Neuregelung auf drei Interventionsebenen vor. Diese sieht vor, zum einen die Qualität und die Wirtschaftlichkeit der Leistungen durch eine Erhöhung der Anforderungen an die Leistungserbringer zu steigern und zum

3126

andern den Kantonen ein wirksameres Instrument zur Kontrolle des Leistungsangebots bereitzustellen.

Erste Interventionsebene Die Gesetzesvorlage verbindet für Personen, die einen Medizinal- oder einen Gesundheitsberuf ausüben, die Zulassung zur Tätigkeit zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung mit der Einhaltung der Voraussetzungen für die Ausübung des jeweiligen Berufs nach dem Medizinalberufegesetz beziehungsweise dem Gesundheitsberufegesetz . Diese Gesetze gewährleisten eine wirtschaftliche und qualitativ hochstehende medizinische Leistungserbringung und legen die Anforderungen fest, die bei der Aus- und Weiterbildung sowie für den Erwerb der Diplome und die Anerkennung ausländischer Diplome erfüllt werden müssen. Das Medizinalberufegesetz, das am 20. März 2015 revidiert wurde, sieht des Weiteren Bestimmungen für die obligatorische Registrierung der Diplome und der Sprachkenntnisse der Ärztinnen und Ärzte sowie der Apothekerinnen und Apotheker vor, die in eigener fachlicher Verantwortung tätig sind. Die Revision des Medizinalberufegesetzes stellt zusammen mit dem Inkrafttreten des Gesundheitsberufegesetzes eine solide Grundlage für die Sicherung der Qualifikation der Leistungserbringer dar.

Zweite Interventionsebene Mit dieser Vorlage werden die Anforderungen an die Leistungserbringer im ambulanten Bereich auf zwei Arten erhöht. Zum einen wird ein formales Zulassungsverfahren eingeführt. Der Bundesrat legt die Zulassungsvoraussetzungen so fest, dass eine qualitativ hochstehende und zweckmässige Leistungserbringung gewährleistet werden kann. Gleichzeitig kann er von den Ärztinnen und Ärzten im ambulanten Bereich einen Nachweis der für die Qualität der Leistungserbringung notwendigen Kenntnisse des schweizerischen Gesundheitssystems fordern und hierzu eine Prüfung vorsehen. Von einem solchen Prüfungsverfahren dispensiert sind Leistungserbringer, die eine mindestens dreijährige Tätigkeit an einer anerkannten schweizerischen Weiterbildungsstätte nachweisen können. Es ist Sache der Kantone, über die Zulassungsgesuche der neuen Leistungserbringer zu entscheiden und zu prüfen, ob die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sind. Zum anderen verbindet der Bundesrat die Zulassung mit Auflagen, insbesondere in Bezug auf die Qualität und die Wirtschaftlichkeit, die alle Leistungserbringer,
auch diejenigen, die bereits vor dem Inkrafttreten der neuen Bestimmungen zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung tätig waren, berücksichtigen müssen. So kann der Bundesrat Massnahmen zur Qualitätsentwicklung sowie die Bereitstellung derjenigen Daten, die benötigt werden, um die Einhaltung der Bestimmungen über die Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen zu kontrollieren, für obligatorisch erklären. Die Kantone müssen überprüfen, ob die Leistungserbringer diese Auflagen einhalten. Ist dies nicht der Fall, können Sanktionen gegen sie ergriffen werden.

Dritte Interventionsebene Die neuen Bestimmungen geben den Kantonen die Möglichkeit, das Versorgungsangebot selber nach ihrem Bedarf zu regulieren. Die Kantone können in einem oder mehreren medizinischen Fachgebieten und in bestimmten Regionen Höchstzahlen

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festlegen, wenn sie beabsichtigen, die Zahl der zur Tätigkeit zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zugelassenen Ärztinnen und Ärzte zu beschränken. Dabei müssen sie den Beschäftigungsgrad dieser Fachpersonen berücksichtigen und sich untereinander koordinieren, um der Mobilität der Patientinnen und Patienten Rechnung zu tragen. Diese Höchstzahlen gelten für alle Ärztinnen und Ärzte, die ihre Tätigkeit zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung im ambulanten Sektor des Kantons ausüben, unabhängig davon, ob sie ihre Tätigkeit in einer Praxis oder einer Einrichtung der ambulanten Krankenpflege, einschliesslich des ambulanten Bereichs der Spitäler, ausüben. Die Kantone können zudem die Zulassung neuer Ärztinnen und Ärzte beschränken, wenn sie in einem oder mehreren Fachgebieten einen massiven Kostenanstieg feststellen.

3128

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1

Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.1.1 Allgemeines 1.1.2 Entstehung der Vorlage 1.2 Die beantragte Neuregelung 1.2.1 Erste Interventionsebene: erhöhte Anforderungen an die Berufspraxis 1.2.2 Zweite Interventionsebene: Stärkung der Voraussetzungen für die Zulassung zur Tätigkeit zulasten der OKP 1.2.3 Dritte Interventionsebene: Zulassungsbeschränkung 1.3 Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 1.3.1 Weitere geprüfte Lösungen 1.3.2 Ergebnisse der Vernehmlassung 1.4 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 1.5 Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht 1.6 Umsetzung 1.7 Erledigung parlamentarischer Vorstösse 1.8 Weitere mit der Vorlage zusammenhängende Vorstösse

3131 3131 3131 3132 3133

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

3154

3

Auswirkungen 3.1 Auswirkungen auf den Bund 3.1.1 Finanzielle Auswirkungen 3.1.2 Personelle Auswirkungen 3.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete 3.3 Gesundheitliche und soziale Auswirkungen

3161 3161 3161 3162

4

5

3134 3136 3139 3140 3140 3142 3144 3146 3150 3152 3153

3162 3163

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates 4.1 Verhältnis zur Legislaturplanung 4.2 Verhältnis zu Strategien des Bundesrates

3164 3164 3164

Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungsmässigkeit 5.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 5.3 Erlassform

3165 3165 3166 3168

3129

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5.4 5.5

Unterstellung unter die Ausgabenbremse Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) (Zulassung von Leistungserbringern) (Entwurf)

3130

3168 3168

3169

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Allgemeines

Die Schweiz verfügt über ein hervorragendes Gesundheitssystem, wie zahlreiche Indikatoren belegen. So hat sie beispielsweise weltweit eine der höchsten Lebenserwartungen bei der Geburt. Diese Errungenschaft hat jedoch ihren Preis: 2016 beliefen sich die Gesundheitsausgaben auf 12,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP), was nach den USA (17,2 %) dem höchsten Anteil der Staaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) entspricht. Mit 42,7 praktizierenden Ärztinnen und Ärzten pro 10 000 Einwohnerinnen und Einwohner im Jahr 2016 weist die Schweiz eine der höchsten Ärztedichten der OECD-Staaten auf. Eine kürzlich durchgeführte Studie des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums1 bestätigt, dass die Dichte einen markanten Einfluss auf die Aktivitäten (Besuche und Konsultationen) sowie auf die Kosten pro versicherte Person in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) hat. Das gilt insbesondere für Fachärztinnen und Fachärzte. Die Problematik wird in diversen parlamentarischen Vorstössen (siehe Ziff. 1.7) aufgenommen.

Für den stationären Bereich ist im Jahr 2009 die Revision vom 21. Dezember 20072 des Bundesgesetzes vom 18. März 19943 über die Krankenversicherung (KVG) (Spitalfinanzierung) in Kraft getreten, und seit 2012 gelangen neue Regeln zur Finanzierung der stationären Behandlungen zur Anwendung. Die Revision hatte insbesondere die Eindämmung des Kostenanstiegs in der OKP bei gleichzeitiger Gewährleistung des Zugangs zu einer qualitativ hochstehenden Gesundheitsversorgung zum Ziel. Dazu wurden namentlich Fallpauschalen eingeführt. Diese Revision wird zurzeit evaluiert. Im Gegensatz zu den meisten OECD-Staaten verfügt die Schweiz im ambulanten Bereich jedoch über kein Instrument, mit dem sich die Erbringung und die Inanspruchnahme von Leistungen wirksam steuern lassen (siehe Ziff. 1.5).

Die Kostenentwicklung in den vergangenen Jahren im ambulanten Bereich hat indessen gezeigt, dass eine Lösung zur Steuerung dieses Bereichs notwendig ist. Im Jahr 2016 machten die ambulanten Leistungen mehr als 70 Prozent der Kosten in der OKP aus. Die Kosten der Leistungen im ambulanten Spitalbereich stiegen in den letzten fünf Jahren im Durchschnitt um 6,5 Prozent pro Jahr und damit fast doppelt so schnell wie die Kosten der Spitalversorgung (3,5 %). Seit dem Inkrafttreten
des KVG im Jahr 1996 sind die Prämien pro Jahr durchschnittlich um 4,6 Prozent und in den letzten zehn Jahren um 3,7 Prozent angestiegen. Das Prämienwachstum in den letzten Jahren überstieg die Inflation bei Weitem, und die Löhne konnten dieser Entwicklung nicht folgen. So reduzierte im Jahr 2017 der Prämienanstieg in der 1 2 3

Roth, S. & Sturny, I. (2017). Zulassungsstopp für Ärztinnen und Ärzte in Praxen: Entwicklung des Ärztebestands und der Kosten (Obsan Bulletin 4/2017).

AS 2008 2049 SR 832.10

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OKP von 4,8 Prozent das potenzielle Wachstum des durchschnittlichen verfügbaren Einkommens um 0,3 Prozentpunkte. Dieser Rückgang entspricht dem Durchschnitt der Vorjahre. Somit machen die Prämien für die OKP einen immer grösseren Anteil am Haushaltsbudget aus. Diese Entwicklung hat erhebliche soziale Auswirkungen: Immer mehr Personen sind nicht mehr in der Lage, ihre Prämien regelmässig zu bezahlen, dies trotz der Tatsache, dass im Jahr 2016 27,3 Prozent der Versicherten Prämienverbilligungen erhielten. Im Jahr 2016 beliefen sich diese Beiträge auf über 4,3 Milliarden Franken und stiegen im Vergleich zum Vorjahr um 5,5 Prozent an.

Rund 2,5 Milliarden Franken gingen zulasten des Bunds und der Rest zulasten der Kantone.

1.1.2

Entstehung der Vorlage

Im Hinblick auf das Inkrafttreten des Abkommens vom 21. Juni 19994 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA) am 1. Juni 2002, das vom Volk am 21. Mai 2000 angenommen worden war, verabschiedete das Parlament am 24. März 20005 als ausserordentliche Massnahme zur Kosteneindämmung erstmals eine auf drei Jahre beschränkte Bedürfnisklausel. Artikel 55a KVG, der dem Bundesrat die Möglichkeit gibt, die Zulassung zu beschränken, trat am 1. Januar 2001 erstmals in Kraft. Der Bundesrat machte von dieser Möglichkeit ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der der Verordnung vom 3. Juli 20026 über die Einschränkung der Zulassung von Leistungserbringern zur Tätigkeit zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung Gebrauch. Nachdem die Zulassungsbeschränkung dreimal in leicht unterschiedlichen Formen verlängert worden war, lief sie am 31. Dezember 2011 aus. Sie wurde aber am 1. Juli 2013 in Form eines dringlichen Bundesgesetzes (Änderung vom 21. Juni 20137 des KVG) erneut für drei Jahre eingeführt, mit dem Auftrag an den Bundesrat, in diesem Zeitraum einen Vorschlag für eine langfristige Lösung auszuarbeiten. Am 18. Februar 2015 unterbreitete der Bundesrat dem Parlament seine Botschaft zur Änderung des KVG (Steuerung des ambulanten Bereichs)8. Die Vorlage wurde im Parlament schnell dahingehend abgeändert, dass sie auf die Verlängerung der bereits geltenden Zulassungsbeschränkung begrenzt wurde, dieses Mal jedoch ohne Befristung. Am 18. Dezember 2015 wurde die Vorlage vom Nationalrat in der Schlussabstimmung abgelehnt. Infolgedessen beschloss das Parlament am 17. Juni 2016, die Gültigkeit von Artikel 55a KVG um drei weitere Jahre bis zum 30. Juni 2019 zu verlängern, indem es der parlamentarischen Initiative 16.401 der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats (SGK-N) «Verlängerung der Gültigkeit von Artikel 55a KVG» vom 22. Januar 2016 Folge gab. Es hat seinen Entscheid mit dem Auftrag an den Bundesrat ergänzt, bis zum 30. Juni 2017 einen Gesetzesentwurf in die Vernehmlassung zu schicken, der auf dem Postulat 16.3000 der Kom4 5 6 7 8

SR 0.142.112.681 AS 2000 2305 AS 2002 2549 AS 2013 2065 BBl 2015 2317

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mission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerats (SGK-S) «Alternativen zur heutigen Steuerung der Zulassung von Ärztinnen und Ärzten» vom 12. Januar 2016 und der Motion der SGK-N 16.3001 «Gesundheitssystem. Ausgewogenes Angebot durch Differenzierung des Taxpunktwertes» vom 22. Januar 2016 beruht.

Das Postulat 16.3000 beauftragte den Bundesrat, einen Bericht auszuarbeiten, der verschiedene Varianten beziehungsweise Szenarien zur künftigen Steuerung der bedarfsabhängigen Zulassung von Ärztinnen und Ärzten zur Abrechnung mit der OKP aufzeigt. Der Bericht sollte darlegen, wie eine Steuerung auch über die Tarife machbar ist, und die Möglichkeit einer Lockerung des Vertragszwangs prüfen. Die Motion 16.3001 ergänzt das Postulat 16.3000. Sie beauftragt den Bundesrat insbesondere, dem Parlament unter Berücksichtigung der Ergebnisse des erwähnten Berichts Vorschläge zur Änderung des KVG zu unterbreiten. Am 3. März 20179 hat der Bundesrat seinen Bericht in Erfüllung des Postulats 16.3000 an das Parlament überwiesen. Die Schlussfolgerungen dieses Berichts dienten als Grundlage für die Erarbeitung des vorliegenden Entwurfs, der somit dem Auftrag vom 17. Juni 2016 und der Motion 16.3001 entspricht.

Der Bericht des Bundesrats vom 3. März 2017 nimmt eine Bestandsaufnahme zur Versorgungsproblematik und -steuerung in der Schweiz vor. Weiter wird Bilanz über die Zulassungsbeschränkung gezogen, und es werden hierfür mögliche Alternativen evaluiert. Die Alternativen wurden im September 2016 von Vertreterinnen und Vertretern der wichtigsten beteiligten Organisationen des ambulanten Bereichs im Rahmen von drei halbtägigen Workshops, die von Experten des Gesundheitsbereichs moderiert wurden, ausführlich diskutiert. Die Beurteilung der verschiedenen Alternativen ist in Ziffer 1.3 zu finden.

1.2

Die beantragte Neuregelung

Unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Berichts vom 3. März 2017 und der vom 5. Juli bis zum 25. Oktober 2017 durchgeführten Vernehmlassung schlägt der Bundesrat ein Modell mit drei Interventionsebenen vor, mit dem zum einen die Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsanforderungen an die Leistungserbringer, die zur Tätigkeit zulasten der OKP zugelassen sind, erhöht und zum anderen den Kantonen ein wirksameres Instrument zur Kontrolle des Leistungsangebots bereitgestellt werden soll. Grundsätzlich berechtigt die Zulassung die in den Artikeln 35­40 KVG aufgeführten Leistungserbringer, die in den Artikeln 25­31 KVG festgelegten Leistungen zulasten der OKP zu erbringen, sofern diese Leistungen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sind (Art. 32 KVG). Mit dieser Vorlage will der Bundesrat die Pflichten der Leistungserbringer, namentlich hinsichtlich der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungen, verstärken.

Die erste Ebene knüpft an die Revision des Medizinalberufegesetzes vom 23. Juni 200610 (MedBG) und das Gesundheitsberufegesetz vom 30. September 201611 9 10 11

Abrufbar unter: www.parlament.ch > 16.3000 > Bericht in Erfüllung des parlamentarischen Vorstosses.

SR 811.11 BBl 2016 7599

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(GesBG) an, welche die Voraussetzungen für die Berufsausübung verschärften. Die zweite Ebene sieht ein formelles Zulassungsverfahren vor, namentlich mit der Möglichkeit, Zulassungsvoraussetzungen, wie den Nachweis ausreichender Kenntnisse des schweizerischen Gesundheitssystems, festzulegen. Es wird Sache der Kantone sein, über die Gesuche zu befinden und zu überprüfen, ob sich die Leistungserbringer an die Auflagen halten, die an die Tätigkeit zulasten der OKP geknüpft sind, wie die Datenlieferung und die Teilnahme an Qualitätsentwicklungsmassnahmen. Die dritte Ebene überträgt den Kantonen die Kompetenz, Höchstzahlen von Ärztinnen und Ärzten festzulegen und in einem medizinischen Fachgebiet im Fall eines im Vergleich zu den anderen Fachgebieten oder zur restlichen Schweiz überdurchschnittlichen Kostenanstiegs keine neuen Zulassungen mehr zu erteilen.

1.2.1

Erste Interventionsebene: erhöhte Anforderungen an die Berufspraxis

Die Voraussetzungen für die Zulassung von Ärztinnen und Ärzten sowie Apothekerinnen und Apothekern zur Tätigkeit zulasten der OKP, derzeit in den Artikeln 36, 36a und 37 KVG festgelegt, werden gleichzeitig im MedBG als Ausbildungsbestimmungen aufgeführt. In dieser Vorlage wird demzufolge vorgeschlagen, diese Artikel des KVG aufzuheben. Die Voraussetzungen werden jedoch in die Verordnung aufgenommen, wie dies auch für die anderen Berufe, die zulasten der OKP ausgeübt werden, gilt.

Das MedBG legt die strukturellen Voraussetzungen fest, damit eine qualitativ hochstehende medizinische Leistungserbringung gewährleistet werden kann. Insbesondere legt es die Anforderungen an die universitäre Ausbildung und die berufliche Weiterbildung, die Voraussetzungen für den Erwerb der Diplome und die Anerkennung ausländischer Diplome sowie die Regeln zur selbstständigen Ausübung der universitären Medizinalberufe fest. Personen, die einen universitären Medizinalberuf ausüben, sind nach dem MedBG Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte, Chiropraktorinnen und Chiropraktoren, Apothekerinnen und Apotheker sowie Tierärztinnen und Tierärzte.

Die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Zeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise und die Koordinierung ihrer Rechts- und Verwaltungsvorschriften ist im FZA geregelt. Um den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Schweiz den Zugang zu einer Erwerbstätigkeit und deren Ausübung sowie die Erbringung von Dienstleistungen zu erleichtern, treffen die Vertragsparteien gemäss Artikel 9 und Anhang III FZA (gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen) die erforderlichen Massnahmen. Je nach universitärem Medizinalberuf gelangen unterschiedliche Anerkennungstypen zur Anwendung. Die Anerkennung von Diplomen in Human-, Zahn- und Veterinärmedizin sowie Pharmazie erfolgt nach dem sogenannten sektoriellen Anerkennungssystem (automatische Anerkennung), während die Anerkennung der Diplome in Chiropraktik nach

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dem allgemeinen Anerkennungssystem (Richtlinie 2005/36/EG12) erfolgt. Ebenfalls wird zwischen den Anerkennungsvarianten der direkten und indirekten Anerkennung unterschieden: Die direkte Anerkennung erfolgt, wenn das Diplom in einem Vertragsstaat erworben wurde. Von der indirekten Anerkennung wird gesprochen, wenn ein Vertragsstaat ein Drittstaatendiplom anerkennt und diese Anerkennung von der Schweiz übernommen wird.

Eine bedeutende Revision des MedBG wurde am 20. März 201513 vom Parlament verabschiedet. Ein erster Teil der Gesetzesänderungen ist per 1. Januar 2016 in Kraft getreten. Darin wurde die Rolle der Hausarztmedizin und der medizinischen Grundversorgung im Gesundheitswesen durch ihre ausdrückliche Nennung in Ausbildungszielen gestärkt. Damit Artikel 118a der Bundesverfassung14 (BV), wonach Bund und Kantone für die Berücksichtigung der Komplementärmedizin sorgen, umgesetzt werden kann, wird diese ebenfalls in den Ausbildungszielen erwähnt. Der zweite Teil der Änderungen ist am 1. Januar 2018 in Kraft getreten. Eine der wichtigsten der mit diesen Bestimmungen eingeführten Massnahmen ist die obligatorische Registrierung der Diplome und der Sprachkenntnisse aller universitären Medizinalpersonen. Die Medizinalberufeverordnung vom 27. Juni 200715 legt insbesondere die Modalitäten für die Sprachkenntnisse fest, die für die selbstständige Ausübung der Medizinalberufe mindestens notwendig sind. Diese entsprechen dem Niveau B2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen16. Alle Personen, die einen universitären Medizinalberuf ausüben, müssen in das Register eingetragen sein. Registriert werden auch die Daten zu ihren Diplomen und Sprachkenntnissen. Zudem müssen gemäss diesen Bestimmungen alle Personen, die den Beruf «privatwirtschaftlich in eigener fachlicher Verantwortung» ausüben, über eine Berufsausübungsbewilligung verfügen, die vom Kanton, in dem der Beruf ausgeübt werden soll, ausgestellt wird.

Das MedBG sieht vor, dass Personen, die einen universitären Medizinalberuf privatwirtschaftlich in eigener fachlicher Verantwortung ausüben, bei der Ausübung ihrer Tätigkeit Berufspflichten beachten müssen. Insbesondere müssen sie ihre beruflichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten im Interesse der Qualitätssicherung durch lebenslange Fortbildung vertiefen, erweitern und
verbessern. Jeder Kanton bezeichnet eine Behörde, welche die Personen beaufsichtigt, die auf seinem Gebiet einen universitären Medizinalberuf privatwirtschaftlich in eigener fachlicher Verantwortung ausüben. Diese Aufsichtsbehörde trifft die für die Einhaltung der Berufspflichten nötigen Massnahmen. Sie kann den entsprechenden kantonalen Berufsverbänden gewisse Aufsichtsaufgaben delegieren. Werden Berufspflichten verletzt, so können Disziplinarmassnahmen ergriffen werden, die von der Verwarnung bis zum definitiven Verbot der privatwirtschaftlichen Berufsausübung in

12

13 14 15 16

Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, ABl. L 255 vom 30.9.2005, S. 22, in der für die Schweiz gemäss Anhang III FZA verbindlichen Fassung.

AS 2015 5081 SR 101 SR 811.112.0 Das Dokument kann auf der Website des Europarates unter folgender Adresse abgerufen werden: www.coe.int/lang-CECR.

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eigener fachlicher Verantwortung für das ganze Tätigkeitsspektrum oder einen Teil davon reichen (Art. 43 MedBG).

Das am 30. September 2016 verabschiedete GesBG regelt namentlich die Kompetenzen, die während des Studiums zu erwerben sind, die Akkreditierung der Studiengänge, die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse, die Berufsausübung in eigener fachlicher Verantwortung und das Gesundheitsberuferegister. Personen, die einen Gesundheitsberuf ausüben, sind nach dem GesBG Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner, Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten, Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten, Hebammen, Ernährungsberaterinnen und Ernährungsberater, Optometristinnen und Optometristen sowie Osteopathinnen und Osteopathen.

Wie das MedBG für die universitären Medizinalberufe bildet dieses Gesetz, sobald es zusammen mit den erforderlichen Ausführungsverordnungen in Kraft ist, eine solide Grundlage für die Sicherung der Qualifikation der Personen, die einen Gesundheitsberuf in eigener fachlicher Verantwortung ausüben. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) erarbeiten die Verordnungen mit der Unterstützung der interessierten Kreise.

Die Eröffnung des Vernehmlassungsverfahrens zu den Verordnungen ist im Herbst 2018 vorgesehen.

1.2.2

Zweite Interventionsebene: Stärkung der Voraussetzungen für die Zulassung zur Tätigkeit zulasten der OKP

Mit dem Inkrafttreten der Revision des MedBG und seiner Verordnungen werden die strukturellen Voraussetzungen gefestigt, damit in der OKP eine qualitativ hochstehende Leistungserbringung gewährleistet werden kann. Mehrere Anforderungen an die Ausbildung, die Sprachkenntnisse und die Transparenz bezüglich der Diplome, die an den vom BAG im Rahmen der Arbeiten zum Postulat 16.3000 durchgeführten Workshops und während der Vernehmlassung von zahlreichen Organisationen geäussert wurden, sind damit umgesetzt. Nach Ansicht des Bundesrates müssen diese zusätzlichen Voraussetzungen sämtliche Leistungserbringer des ambulanten Bereichs (Art. 35 Abs. 2 Bst. a­g, m und n KVG) binden, wie es bereits der Fall ist für gewisse Kategorien von Leistungserbringern, die auf Anordnung oder im Auftrag einer Ärztin oder eines Arztes Leistungen erbringen, und Organisationen, die solche Personen beschäftigen.

Die Gesetzesvorlage erhöht die Anforderungen an die Leistungserbringer in zweifacher Hinsicht: indem ein formelles Zulassungsverfahren eingeführt wird und indem die Tätigkeit der Leistungserbringer zulasten der der OKP mit Auflagen verbunden wird.

Formelles Zulassungsverfahren: Der Bundesrat legt Grundvoraussetzungen so fest, dass eine qualitativ hochstehende und zweckmässige Leistungserbringung gewährleistet werden kann. Diese Voraussetzungen beziehen sich je nach Art der Leistungserbringer auf die Aus- und Weiterbildung und stimmen mit denjenigen des MedBG und des GesBG überein.

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Um sicherzustellen, dass qualitativ hochstehende und zweckmässige Leistungen erbracht werden, beziehen sich die Zulassungsvoraussetzungen des Weiteren auch auf die für die Qualität der Leistungserbringung notwendigen Strukturen. Darunter fällt beispielsweise das Vorhandensein eines internen Qualitätsmanagementsystems.

Der Aufbau dieses Qualitätsmanagementsystems könnte zum Zeitpunkt der Zulassung in konzeptioneller Form dokumentiert werden müssen. Denkbar wäre beispielsweise der Nachweis des Antragsstellers der Teilnahme an einem Fehlermeldesystem (z. B. CIRS) oder der Nachweis einer Mitgliedschaft in einem Qualitätsnetzwerk (z. B. Qualitätszirkel). Ausserdem sollen die Leistungserbringer über eine entsprechende technische Infrastruktur (z. B. Ermöglichung digitaler Dokumentation und Datenerfassung zu statistischen und Aufsichtszwecken) verfügen.

Für Organisationen, die Personen beschäftigen, die auf Anordnung Leistungen erbringen, legt der Bundesrat auch Voraussetzungen beispielsweise bezüglich der Qualifikation ihres Personals, den erforderlichen Einrichtungen, der Festlegung des örtlichen, zeitlichen und personellen Tätigkeitsbereichs, der Teilnahme an Massnahmen zur Qualitätskontrolle oder der erforderlichen Bewilligungen fest. Solche Bestimmungen gibt es im geltenden Recht bereits für gewisse Leistungserbringer des ambulanten Bereichs (Art. 45a, 51, 52, 52a, 52b, 52c und 53 der Verordnung vom 27. Juni 199517 über die Krankenversicherung [KVV]).

Als weitere Zulassungsvoraussetzung kann der Bundesrat vorsehen, dass die Ärztinnen und Ärzte, die Leistungen zulasten der OKP im ambulanten Bereich ­ ob in einer Privatpraxis oder in einer Einrichtung für die ambulante Krankenpflege ­ erbringen, über die für die Qualität der Leistungserbringung notwendigen Kenntnisse des schweizerischen Gesundheitssystems verfügen und dass diese Kenntnisse mit einem Prüfungsverfahren kontrolliert werden.

Die Analyse des schweizerischen Gesundheitssystems zeigt, dass eine Prüfung grundsätzlich mehrere inhaltliche Bereiche abdecken muss. Beispielsweise kann das Wissen über das Gesundheitssystem der Schweiz, das Gesundheitsrecht, die Gesundheitspolitik und innovative Versorgungsformen geprüft werden. Da die Prüfung in der Amtssprache der Region, in der sich der Arzt oder die Ärztin niederlassen will, abgelegt werden
muss, wird diese Prüfung zu einer verbesserten Qualifikation der Ärztinnen und Ärzte beitragen, die ihre Tätigkeit zulasten der OKP ausüben möchten.

Bei Ärztinnen und Ärzten, die mindestens drei Jahre lang an einer anerkannten schweizerischen Weiterbildungsstätte gearbeitet haben, wird davon ausgegangen, dass sie über die erforderlichen Kenntnisse des schweizerischen Gesundheitssystems verfügen. Sie werden von der Prüfung dispensiert. Es ist anzunehmen, dass die Ärztinnen und Ärzte während dieser drei Jahren hinreichende Kenntnisse über das schweizerische Gesundheitssystem erwerben konnten. Namentlich in der klinischen Weiterbildung wird das im Medizinstudium vermittelte Wissen über das schweizerische Gesundheitssystem in der praktischen Anwendung ausgebaut und bekommt eine fachspezifische Prägung. Hierbei stellt der praktizierende Facharzt einen wichtigen Teil des Gesundheitssystems dar und ist durch seine Funktion und sein Handeln mit vielen Institutionen und Aspekten des Gesundheitssystems eng verknüpft.

17

SR 832.102

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Ein Grossteil des Wissens über das schweizerische Gesundheitssystem kann dementsprechend anhand der Erfahrungen im klinischen Alltag im Allgemeinen und durch die Teilnahme an den jeweiligen Weiterbildungsprogrammen im Speziellen gewonnen werden. Mit dem vorliegenden Entwurf werden die Leistungserbringer nach Artikel 35 Absatz 2 Buchstaben a­g, m und n KVG des Weiteren nicht mehr automatisch zur Tätigkeit zulasten der OKP zugelassen, sondern benötigen eine formelle Zulassung durch den Kanton, in dem sie ihre Tätigkeit ausüben möchten.

Die Kantone müssen über die Zulassungsgesuche der neuen Leistungserbringer befinden. Sie überprüfen, ob die Gesuchstellerinnen und Gesuchsteller die vom Bundesrat festgelegten Zulassungsvoraussetzungen erfüllen. Die Einführung eines solchen formellen Zulassungsverfahrens gewährleistet, dass sämtliche Gesuchstellenden gleich behandelt werden. Lehnt der Kanton ein Zulassungsgesuch ab, so kann sich die Gesuchstellerin oder der Gesuchsteller vor einem kantonalen Gericht zur Wehr setzen. Dessen Entscheid wiederum kann gestützt auf Artikel 86 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 82 Buchstabe a des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 200518 (BGG) mittels Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vor dem Bundesgericht angefochten werden.

Auflagen: Der Bundesrat verbindet die Tätigkeit der Leistungserbringer zulasten der OKP mit Auflagen, namentlich betreffend Qualität und Wirtschaftlichkeit. Alle Leistungserbringer, die zulasten der OKP tätig sind, müssen diese Auflagen erfüllen.

Die Auflagen können sämtlichen Leistungserbringern nach Artikel 35 Absatz 2 Buchstaben a­g, m und n KVG auferlegt werden, auch denjenigen, die bereits vor Inkrafttreten der Gesetzesvorlage zulasten der OKP tätig waren. Im Bereich der Qualität sollen die Qualitätsmanagementsysteme angewandt werden. Dazu gehört insbesondere, dass sie zur Qualitätsmessung genutzt werden und Verbesserungsmassnahmen erkannt und umgesetzt werden. Weitere mögliche Auflagen umfassen die Nutzung der Daten zu Lernzwecken, der Anschluss an Qualitätsnetzwerke oder Vereinigungen zu Qualitätsförderung und zu Patientensicherheit (z. B. Qualitätszirkel für Hausärztinnen und Hausärzte oder für Fachärztinnen und Fachärzte sowie fachübergreifende Qualitätszirkel) oder die Teilnahme an Programmen (z. B. Peer Reviews) und
Schulungen zu Prozessoptimierung (z. B. Notfallmanagement, Dokumentation, Beschwerdemanagement, Patientenbefragungen). Dabei kann der Bundesrat auch die Lieferung der Daten, die benötigt werden, um die Einhaltung von Artikel 59a KVG über die Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen zu kontrollieren, für obligatorisch erklären.

Jeder einzelne Versicherer hat im Leistungsfall das Recht und die Pflicht, die Erfüllung der gesetzlichen (Art. 56 und 58 KVG) oder vertraglichen Anforderungen hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit und der Sicherstellung der Leistungsqualität bei jedem Leistungserbringer zu überprüfen. Falls die Anforderungen nicht erfüllt werden, kann das kantonale Schiedsgericht angerufen werden, um die entsprechenden Sanktionen zu ergreifen (Art. 89 KVG). Diese Sanktionen reichen von der Verwarnung über eine Busse und die gänzliche oder teilweise Rückerstattung der Honorare, die für nicht angemessene Leistungen bezogen wurden, bis zum vorübergehenden oder definitiven Ausschluss von der Tätigkeit zulasten der OKP im Wiederholungsfall (Art. 59 Abs. 1 KVG). Mit dieser Gesetzesvorlage müssen die Kan18

SR 173.110

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tone in Zukunft auch überprüfen, ob die Leistungserbringer die vom Bundesrat festgelegten Zulassungsvoraussetzungen und Auflagen zu ihrer Tätigkeit zulasten der OKP einhalten. Die gänzliche oder teilweise Nichteinhaltung der Zulassungsvoraussetzungen und Auflagen kann zu denselben Sanktionen führen wie die Missachtung der Anforderungen an die Wirtschaftlichkeit und die Qualitätssicherung, also zu einer Verwarnung, zu einer Busse oder zum vorübergehenden oder endgültigen Entzug der Zulassung zur Tätigkeit zulasten der OKP für das ganze oder einen Teil des Tätigkeitsspektrums.

Angesichts der Tragweite der auf dieser zweiten Interventionsebene vorgeschlagenen Änderungen können diese Bestimmungen nicht sofort nach Ablauf der Referendumsfrist in Kraft treten. Deshalb setzt der Bundesrat das Datum ihres Inkrafttretens später an.

1.2.3

Dritte Interventionsebene: Zulassungsbeschränkung

Während bei der alten Zulassungsbeschränkung der Bundesrat für die Bestimmung der Höchstzahlen der pro medizinisches Fachgebiet zugelassenen Ärztinnen und Ärzte zuständig war, soll die vorliegende Revision den Kantonen die Möglichkeit geben, die Versorgung selber gemäss ihrem Bedarf zu regulieren. Die Kantone, welche die Zulassungsbeschränkung bereits anwenden werden ab Inkrafttreten der neuen Bestimmungen zwei Jahre Zeit haben, um ihre Regelungen anzupassen. Bis dahin bleiben die geltenden Bestimmungen in Kraft. Die Höchstzahlen sind mit der neuen Regelung für alle Ärztinnen und Ärzte gültig, die im ambulanten Bereich in einer Praxis, in einer Einrichtung, die der ambulanten Krankenpflege durch Ärztinnen und Ärzten dient, oder im ambulanten Bereich von Spitälern tätig sein möchten, was mit der alten Zulassungsbeschränkung nicht der Fall war. Auf diese Weise wird eine bedeutende Marktverzerrung beseitigt, da künftig alle Ärztinnen und Ärzte des ambulanten Bereichs gleich behandelt werden. Die Kantone können Höchstzahlen für alle Fachgebiete oder nur für bestimmte festlegen. Sie berücksichtigen dabei die allgemeine Entwicklung des Beschäftigungsgrads der Ärztinnen und Ärzte. Das ist mit der steigenden Zahl von Teilzeitarbeitenden notwendig geworden. Die Kantone können je nach Region differenziert intervenieren. Sie müssen dabei zumindest die Verbände der Leistungserbringer, der Versicherer und der Versicherten konsultieren.

Auf diese Weise können sie besondere Versorgungsbedingungen in den verschiedenen Teilen ihres Gebiets berücksichtigen.

Zudem müssen sich die Kantone untereinander koordinieren, um der Mobilität der Patientinnen und Patienten Rechnung zu tragen, die immer häufiger eine Ärztin oder einen Arzt in der Nähe ihres Arbeits- oder Ausbildungsorts oder ihrer Freizeitbeschäftigung konsultieren. Bestimmt ein Kanton Höchstzahlen, muss er sich hierbei mit den anderen Kantonen koordinieren. Die Koordination kann beispielsweise bi- oder multilateral auf regionaler Ebene erfolgen oder auf nationaler Ebene, durch die Einsetzung eines Beschlussorgans nach dem Vorbild der hochspezialisierten Medizin, zentralisiert werden.

Der Bundesrat kann auf dem Verordnungsweg methodische Grundsätze und zusätzliche Kriterien für die Bestimmung der Höchstzahlen festlegen; die Zahlen selber 3139

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werden jedoch nicht mehr von ihm festgesetzt. Der Zugang der Versicherten zur Behandlung innerhalb nützlicher Frist muss jedoch weiterhin gewährleistet sein.

Neu können die Kantone ausserdem jede weitere Zulassung in einem bestimmten medizinischen Fachgebiet sofort stoppen, unabhängig von den festgelegten Höchstzahlen. Steigen nämlich die jährlichen Kosten je versicherte Person in einem Fachgebiet in einem Kanton mehr als die jährlichen Kosten der anderen Fachgebiete im selben Kanton oder mehr als die jährlichen Kosten des gesamtschweizerischen Durchschnitts des betroffenen Fachgebiets, so kann der Kanton vorsehen, dass kein Arzt und keine Ärztin im betroffenen Fachgebiet eine Tätigkeit zulasten der OKP neu aufnehmen kann. Die Kantone verfügen somit über ein neues Instrument für eine rasche und wirksame Kosteneindämmung unter Einhaltung ihrer verfassungsmässigen Pflicht, allen Zugang zu einer ausreichenden und guten medizinischen Grundversorgung zu gewährleisten.

1.3

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

1.3.1

Weitere geprüfte Lösungen

Mit dem Postulat 16.3000 der SGK-S und der Motion 16.3001 der SGK-N wurde der Bundesrat beauftragt, verschiedene Möglichkeiten für die Ablösung der Zulassungsbeschränkung zu prüfen. Es wurden drei Stossrichtungen für die Reform vorgeschlagen: eine Verbesserung der Zulassungssteuerung, eine Lockerung des Vertragszwangs und die Möglichkeit für die Tarifpartner, differenzierte Tarife nach Region, Leistungsangebot oder Qualitätskriterien vorzusehen.

Für die Evaluation dieser drei Stossrichtungen und die Verfassung des Berichts hat die Verwaltung anerkannte Gesundheitsexpertinnen und -experten und die wichtigsten Dachorganisationen des ambulanten Bereichs in ihre Arbeiten einbezogen. In einer ersten Phase wurde ihnen ein Fragebogen mit zehn Fragen zugestellt, welche die Eindämmung der Mengenausweitung, die Aufrechterhaltung der Versorgungsqualität, die Verringerung der Fehlversorgung sowie die Beseitigung von Fehlanreizen des Systems betrafen. Nach Auswertung der eingegangenen Antworten wurde den befragten Organisationen eine erste Version des Vorentwurfs des Berichts zugestellt. Zudem wurden die erwähnten Personen und Organisationen vom BAG zu drei halbtägigen, von Experten moderierten Themenworkshops eingeladen. Der erste Workshop befasste sich mit den Grundlagen, die für die Steuerung des ambulanten Bereichs erforderlich sind, sowie mit der Zulassungssteuerung. Im zweiten Workshop ging es um die Vertragsfreiheit und die Suche nach leistungsbezogenen Qualitätskriterien. Der dritte Workshop schliesslich hatte differenzierte Tarife zum Thema. Die von den Gesundheitsakteuren und den Experten vertretenen Positionen sind ebenfalls in den Bericht eingeflossen. Im Folgenden werden die Schlussfolgerungen des Berichts zu den drei untersuchten Stossrichtungen für die Reform zusammengefasst.

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Differenzierung der Tarife Zur Differenzierung der Tarife weist der Bericht vom 3. März 2017 darauf hin, dass es schwierig sein dürfte, ausgehend von verschiedenen Kriterien, den «richtigen Preis» für die Leistungen festzulegen, der zudem den Umständen entsprechend regelmässig angepasst werden müsste, was zu einer grossen wirtschaftlichen Unsicherheit der Leistungserbringer führen würde. Weiter hält der Bericht fest, dass auch andere Faktoren in die Entscheidungen der Leistungserbringer einfliessen. Anhand mehrerer konkreter Beispiele wurde aufgezeigt, dass eine Preisvariation unter 20 Prozent kaum Einfluss auf die Wahl der Niederlassung der Ärztinnen und Ärzte hat. Nach den Diskussionen herrschte Einigkeit darüber, dass über eine Differenzierung der Tarife keine wirksame Steuerung der ambulanten Versorgung möglich ist.

Dies wäre nur mit einer signifikanten Differenzierung möglich, was jedoch neue Fehlanreize und eine Ungleichbehandlung der Patientinnen und Patienten schaffen würde. Zudem steht nach Ansicht des Bundesrats eine Taxpunktwerterhöhung mit dem alleinigen Ziel, regionale Ungleichgewichte in der Gesundheitsversorgung zu korrigieren, im Widerspruch zum Wirtschaftlichkeitsgebot des KVG. Ferner weist der Bericht darauf hin, dass die Tarifbestimmungen den Akteuren bereits heute einen gewissen Handlungsspielraum gewähren, der besser genutzt werden könnte.

Durch die Förderung von Pauschaltarifen könnten beispielsweise bestimmte Fehlanreize in den Einzelleistungstarifen beseitigt werden.

Vertragsfreiheit Eine Lockerung des Vertragszwangs würde den Wettbewerb im Markt der medizinischen Leistungen zulasten der OKP stärken und die Marktmechanismen gegen die Fehlanreize, die zu steigenden Kosten und sinkender Qualität führen, spielen lassen.

Seit dem Inkrafttreten des KVG sind im Parlament jedoch viele Reformvorlagen, die in Richtung einer solchen Lockerung gingen, gescheitert. Die Diskussionen anlässlich der vom BAG organisierten Workshops haben die grundlegend gegensätzlichen Positionen der Leistungserbringer und der Versicherer zu diesem Thema bestätigt.

Die Diskussionen zeigten, dass selbst unter den Befürwortern einer solchen Reform keine Einigung über ein Modell besteht, das den Versicherern mehr Freiheit einräumen würde. Das Interessenkonfliktpotenzial der Versicherer, die sowohl auf
dem Markt der OKP als auch auf jenem der privaten Zusatzversicherungen tätig sind, würde nach Ansicht des Bundesrates die Einführung von relativ strengen Rahmenbedingungen erforderlich machen. Das KVG sieht bereits heute besondere Versicherungsformen vor, insbesondere Modelle mit eingeschränkter Wahl der Leistungserbringer im Gegenzug zu günstigeren Prämien. Der Bundesrat spricht sich in seiner Gesamtschau «Gesundheit2020»19 für die Förderung von besonderen Versicherungsformen aus, namentlich von solchen, die eine koordinierte Versorgung beinhalten. Obwohl keine Einigung über ein Modell zur Lockerung des Vertragszwangs besteht, das 2019 in Kraft treten und die geltende Zulassungsbeschränkung ablösen könnte, ist der Bundesrat bereit, sich an Diskussionen über ein Modell, das den Gesundheitsakteuren mehr Wettbewerbsfreiheit gewährt, zu beteiligen und dieses zu fördern. Gelegenheit dazu bietet die parlamentarische Initiative 17.442 der SGK-N 19

Die Gesamtschau kann auf der Seite des BAG eingesehen werden unter: www.bag.admin.ch > Themen > Strategien & Politik > Strategie Gesundheit 2020.

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«Kantonale Steuerung der Zulassung und Stärkung der Vertragsautonomie» vom 12. Mai 2017, die eine auf der Vertragsfreiheit beruhende Regelung als Ersatz für Artikel 55a KVG verlangt. Die SGK-S hat dem Beschluss der SGK-N, der Initiative Folge zu geben, am 15. Januar 2018 zugestimmt.

Zulassungssteuerung Eine erste Wirkungsanalyse der Zulassungsbeschränkung wurde 2004 im Auftrag des damals zuständigen Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) vom Büro Vatter, Politikforschung & -beratung, durchgeführt. Im Rahmen der Diskussionen über die Steuerung des ambulanten Bereichs im Jahr 2015 gab das BAG bei diesem Büro erneut eine Studie in Auftrag, um herauszufinden, wie sich die Kantone bisher der Zulassungsbeschränkung bedient haben, wie sie sie vor Ort umgesetzt haben, wie sie das Steuerungsinstrument beurteilen und welche Schwierigkeiten sich bei seiner Anwendung zeigen. Die Bilanz der Zulassungsbeschränkung fiel unterschiedlich aus. Eine knappe Mehrheit von 14 Kantonen beurteilte die Eignung dieser Massnahme als Instrument zur Eindämmung des Kostenwachstums als positiv, während 13 Kantone die Eignung zur fachlichen und regionalen Steuerung des ambulanten Angebots als positiv einstuften. Der Bundesrat stellte im Bericht in Ausführung des Postulats 16.3000 fest, dass der Zustrom von Ärztinnen und Ärzten im ambulanten Bereich durch die Wiedereinführung der Zulassungsbeschränkung gebremst werden konnte. Dieser war zwischen Ende 2011 und Ende Juni 2013, als die Massnahme nicht mehr in Kraft war, sehr viel grösser geworden. Die vom Parlament eingeführte, hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem FZA umstrittene Bestimmung, wonach Ärztinnen und Ärzte, die mindestens drei Jahre an einer anerkannten schweizerischen Weiterbildungsstätte gearbeitet haben, keinen Bedürfnisnachweis zu erbringen haben, hat jedoch die Wirksamkeit der Zulassungsbeschränkung beeinträchtigt. Obwohl die Zulassungsbeschränkung für die Kantone immer freiwillig war, wurde sie von den meisten bis 2011 relativ strikt angewendet.

Zwischen 2013 und 2016 wandten 18 Kantone die Zulassungsbeschränkung an. Im Rahmen der mit den Akteuren des Gesundheitswesens geführten Diskussionen setzte sich die Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren für eine einfache und wirksame Lösung zur Kosteneindämmung ein, mit der
die Kantone ihre Verantwortung wahrnehmen könnten. Neben der Notwendigkeit, die Kostenentwicklung einzudämmen, zeigte sich allerdings deutlich, dass ein Mechanismus zur Zulassungssteuerung im ambulanten Bereich auch die Verbesserung der Leistungsqualität zum Ziel haben sollte.

1.3.2

Ergebnisse der Vernehmlassung

Am 5. Juli 2017 schickte der Bundesrat seinen Entwurf zur Revision des KVG gemäss dem Vernehmlassungsgesetz vom 18. März 200520 in die Vernehmlassung.21 Diese endete am 25. Oktober 2017. Insgesamt nahmen 91 Körperschaften 20 21

SR 172.061 Die Vernehmlassungsunterlagen und der Vernehmlassungsbericht sind abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2017 > EDI.

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daran teil, darunter alle Kantone und sieben in der Bundesversammlung vertretene politische Parteien (alle Fraktionen mit Ausnahme der BDP).

Fast alle Kantone äusserten ihre Unterstützung für eine unbefristete, griffigere Lösung, welche die am 30. Juni 2019 auslaufenden Zulassungsbeschränkung ablösen kann. SP, GLP und Grüne unterstützten auch das Prinzip, wonach die Kantone die Möglichkeit erhalten, die Zulassungen zu beschränken. CVP, FDP und SVP wie auch die Versichererverbände vertraten dagegen die Ansicht, dass vor einer Erweiterung der kantonalen Kompetenzen die Fehlanreize beseitigt werden müssen, die aufgrund der unterschiedlichen Finanzierung der ambulanten und der stationären Leistungen entstehen. Sie sind der Auffassung, dass die Vorlage des Bundesrates mit den Arbeiten der Subkommission «Monismus» der SGK-N zur Vereinheitlichung der Leistungsfinanzierung verknüpft und die heutige Zulassungsbeschränkung über die für diese Arbeiten erforderliche Zeitspanne verlängert werden muss. Der Bundesrat unterstützt grundsätzlich eine Systemreform zur Vereinheitlichung der Finanzierung der ambulanten und der stationären Leistungen zulasten der OKP. Er stellt auch fest, dass eine solche Reform im Einklang stünde mit einer Erweiterung der kantonalen Steuerungskompetenzen im ambulanten Bereich. Er verfolgt aufmerksam die laufenden Arbeiten der Subkommission zur parlamentarischen Initiative 09.528 Humbel «Finanzierung der Gesundheitsleistungen aus einer Hand. Einführung des Monismus».

Der in die Vernehmlassung geschickte Entwurf wies bedeutende Unterschiede zu der nun dem Parlament unterbreiteten Vorlage auf. Der Entwurf sah insbesondere vor, dass die Versicherer eine Organisation bezeichnen, die über die Zulassungsgesuche der Leistungserbringer befinden soll, und dass sie selbst die Einhaltung der Auflagen für die Leistungserbringer beaufsichtigen. In der Vernehmlassung lehnten die Mehrheit der Kantone wie auch die SP und die Leistungserbringerverbände wie die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) und »H+ Die Spitäler der Schweiz» eine solche Lösung ab, da sie in den Augen vieler einer Form von Vertragsfreiheit gleichkommt und viele Doppelspurigkeiten mit dem Verfahren zur Berufsausübungsbewilligung, für das die Kantone zuständig sind, befürchten lässt.

FDP und SVP bedauerten dagegen,
dass der in die Vernehmlassung geschickte Entwurf nicht genügend weit Richtung Vertragsfreiheit gehe. Der Bundesrat hat die Kritik der Kantone berücksichtigt und schlägt dem Parlament vor, den Kantonen die Kompetenz zur Zulassungssteuerung und zur Aufsicht über die Einhaltung der Auflagen zu erteilen.

Der in die Vernehmlassung geschickte Entwurf sah auch vor, dass der Bundesrat den Leistungserbringern vor der Zulassung eine Wartefrist von zwei Jahren auferlegen kann. Fast alle Kantone und die meisten Organisationen, die zu diesem Vorschlag Stellung nahmen, lehnten ihn ab. Ein Grossteil davon schlug im Gegenzug vor, diese Wartefrist durch das Erfordernis der mindestens dreijährigen Tätigkeit an einer anerkannten schweizerischen Weiterbildungsstätte zu ersetzen. Die Vorlage wurde entsprechend angepasst.

Berücksichtigt wurden auch gewisse kritische Anmerkungen der Kantone zur Regelung der Beschränkung der Ärztezulassung, um deren Umsetzung zu verbessern. Die Pflicht der Kantone, sich untereinander zu koordinieren, wurde jedoch beibehalten, denn die Mobilität der Versicherten wird immer grösser.

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1.4

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Bei der Zulassung von Leistungserbringern des Gesundheitswesens ist zwischen der gesundheitspolizeilichen und der sozialversicherungsrechtlichen Zulassung zu unterscheiden. Die gesundheitspolizeiliche Zulassung stellt eine zwingende, jedoch nicht ausreichende Voraussetzung für die Zulassung zur Tätigkeit zulasten der OKP dar.

Dies ergibt sich aus der unterschiedlichen Zielsetzung der beiden Zulassungen. Die privatwirtschaftliche Ausübung einer Tätigkeit in eigener fachlicher Verantwortung, die der Diagnose und Behandlung von Gesundheitsstörungen und ihren Folgen dient, unterliegt grundsätzlich einer kantonalen Bewilligungspflicht, da sie mit dem Schutz der öffentlichen Gesundheit in Konflikt geraten kann. Leistungserbringer nach Artikel 35 Absatz 2 KVG benötigen demzufolge in den meisten Kantonen eine kantonale gesundheitspolizeiliche Bewilligung. Die Kriterien hierzu werden in den kantonalen Gesundheitsgesetzen festgehalten. Handelt es sich um einen universitären Medizinalberuf, so kommt das MedBG zur Anwendung. Für die meisten Gesundheitsberufe gilt in Zukunft das GesBG.

Der Nachweis einer gesundheitspolizeiliche Bewilligung für die Tätigkeit zulasten der Krankenversicherung stellt sicher, dass nur Personen für die OKP tätig werden, welche die öffentliche Gesundheit nicht gefährden. Im Bereich der OKP sind indessen noch andere Aspekte als die gesundheitspolizeilichen relevant. Die bedeutendste Einschränkung ist die Abrechnungsberechtigung, geregelt über die abschliessende Aufzählung der Leistungserbringer, die den Krankenversicherern im Rahmen der OKP Rechnung stellen dürfen. Weiteres Kriterium für die krankenversicherungsrechtliche Zulassung nach geltendem Recht ist beispielsweise der Nachweis einer praktischen Tätigkeit unter Aufsicht einer Berufskollegin oder eines Berufskollegen, die oder der die jeweiligen Zulassungsvoraussetzungen erfüllt. Die Anerkennung als Leistungserbringer nach dem KVG bezweckt somit die eindeutige Bestimmung des Leistungserbringers, der gegenüber der Krankenversicherung die Verantwortung für den Behandlungs- oder den Pflegefall nach Massgabe der Anforderungen des KVG trägt.

De lege ferenda soll der Bundesrat die erweiterte Kompetenz erhalten, für sämtliche Leistungserbringer nach Artikel 35 Absatz 2 Buchstaben a­g, m und n KVG die Zulassung zu regeln. Gleichzeitig
erhält er die Kompetenz, für die Tätigkeit der Leistungserbringer zulasten der OKP Auflagen in Bezug auf die Qualität und Wirtschaftlichkeit festzulegen. Ebenfalls erfolgt die Zulassung zur Tätigkeit zulasten der OKP nicht mehr automatisch, wenn die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sind, sondern mittels Verfügung durch den jeweils zuständigen Kanton.

Der Entwurf sieht die Möglichkeit vor, von den Ärztinnen und Ärzten zu verlangen, dass sie über ausreichende Kenntnisse des schweizerischen Gesundheitssystems verfügen. Ärztinnen und Ärzte, die keine dreijährige Tätigkeit nachweisen können, müssen eine Prüfung ablegen, um diese Kenntnisse nachzuweisen. Ein solcher Kenntnisnachweis für die Ärzte und Ärztinnen ist gerechtfertigt, da die Leistungserbringung in erster Linie unter ihrer Verantwortung und Führung erfolgt und sie in der OKP die zentrale Rolle übernehmen, indem sie Personen beauftragen, die zulasten der OKP Leistungen erbringen, aber auch indem sie Analysen, Arzneimittel und der Untersuchung oder Behandlung dienende Mittel und Gegenstände verordnen. In

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diesem Zusammenhang sind erneut die Unterschiede zwischen der gesundheitspolizeilichen und der sozialversicherungsrechtlichen Zulassung in Erinnerung zu rufen: Das Erfordernis des Nachweises der notwendigen Kenntnisse des schweizerischen Gesundheitssystems nach Artikel 37 des Entwurfs zur Änderung des KVG (E-KVG) beeinträchtigt die gesundheitspolizeiliche Bewilligung nicht und steht daher im Einklang mit dem Grundsatz der automatischen Anerkennung der Diplome, Zeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise nach Anhang III FZA (Richtlinie 2005/36/EG). Hingegen erhöht es die Hürde zur sozialversicherungsrechtlichen Zulassung und schränkt somit den Zugang zur Erwerbstätigkeit der Ärztinnen und Ärzte der OKP ein. Eine solche Einschränkung ist aus Gründen der Patientensicherheit und der Qualität der Leistungserbringung indessen gerechtfertigt (vgl. Ziff. 5.2).

2016 erhielten 3014 Ärztinnen und Ärzte eine kantonale Berufsausübungsbewilligung. Rund 40 Prozent davon (1218) verfügten über keinen vom Schweizerischen Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung ausgestellten Weiterbildungstitel, sondern über einen von der Medizinalberufekommission (MEBEKO) anerkannten Titel.

Im gleichen Jahr hat die SASIS AG 1252 Zahlstellenregister-Nummern (ZSR-Nummern) an Ärztinnen und Ärzte vergeben, die Leistungen zulasten der OKP erbringen wollten. Davon gingen 565 an Ärztinnen und Ärzte mit von der MEBEKO anerkannten Titeln; das sind rund 45 Prozent. Ein Grossteil davon (444) stammte aus den Nachbarländern der Schweiz. Wie hoch unter diesen Ärztinnen und Ärzten der Anteil derjenigen ist, die eine mindestens dreijährige Berufserfahrung an einer anerkannten schweizerischen Weiterbildungsstätte haben, ist dagegen nicht bekannt.

Eine nicht gesundheitspolizeiliche Voraussetzung stellt des Weiteren die Einschränkung der Zulassung von Ärztinnen und Ärzten zur Tätigkeit zulasten der OKP nach Artikel 55a KVG dar. Ratio legis dieser Bestimmung ist die Eindämmung der Kosten, indem ­ nach geltendem Recht ­ die Zulassung von Ärztinnen und Ärzten, welche nicht mindestens drei Jahre an einer anerkannten schweizerischen Weiterbildungsstätte gearbeitet haben, von einem Bedürfnisnachweis abhängig gemacht wird.

Mit dem vorliegenden Entwurf soll Artikel 55a KVG so angepasst werden, dass ein Kanton die Zulassung von Ärztinnen und Ärzten
in einem oder mehreren medizinischen Fachgebieten oder in bestimmten Regionen auf eine Höchstzahl beschränken kann. Es war nämlich während der Aufhebung des Moratoriums von Januar 2012 bis Juni 2013 eine starke Zunahme der Fachärztedichte zu verzeichnen (+6,1 % im Jahresdurchschnitt) (vgl. Ziff. 1.1.1). Diese Entwicklung hielt nach der Wiedereinführung der Zulassungsbeschränkung weiter an, aber in abnehmendem Masse. So gab es in den ersten beiden Halbjahren nach der Wiedereinführung (2. Halbjahr 2013 und 1. Halbjahr 2014) noch einen deutlichen Anstieg (+4,6 %). In der Fachmedizin stieg die Zahl der Konsultationen pro versicherte Person nach Ende des Moratoriums stärker: +3,3 Prozent im Jahresdurchschnitt während der Aufhebung des Moratoriums und +2,6 Prozent danach. In Bezug auf die Fachmedizin brachte der Zeitraum, in dem das Moratorium aufgehoben war, einen starken Kostenanstieg in der OKP mit sich (+7,8 % im Jahresdurchschnitt). Anzumerken ist auch, dass die Kosten in der OKP noch in den ersten Quartalen der Übergangsregelung markant stiegen. Es gibt also eine gewisse zeitliche Verzögerung, bis der gesamte Kostenanstieg erfasst werden kann: Der Kostenanstieg war nicht nur ein kurzfristiges Phänomen, das zu Beginn der Übergangsregelung wieder verschwand. Der markante Kostenanstieg entspricht einem Schwelleneffekt. Auch wenn die Wachstumsrate der 3145

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Kosten wieder ein normaleres Niveau erreicht, ist auf das höhere Niveau während der Aufhebung des Moratoriums hinzuweisen.

Von der Mehrheit der Neuniederlassungen und der Kosten ist eine Minderheit der Fachgebiete betroffen. Nicht in allen Fachgebieten wirkte sich die Aufhebung des Moratoriums gleich aus. In einigen nahm der Ärztebestand zwar stark zu, in anderen stagnierte er oder ging sogar zurück. Die steigende Fachärztezahl betrifft eine beschränkte Anzahl von Fachgebieten: Fünf Facharzttitel decken fast zwei Drittel der Fachärztinnen und Fachärzte ab, die sich während der Aufhebung des Moratoriums niedergelassen haben. Es ist schwierig zu beurteilen, ob auf diesen Fachgebieten in der Schweiz wirklich ein Mangel herrschte. Es scheint jedoch, dass sich diese neuen Fachärztinnen und Fachärzte eher in Kantonen niederliessen, wo die Dichte bereits hoch ist. Für diese fünf Fachgebiete gibt es eine positive Korrelation zwischen der kantonalen Dichte und der Anzahl neuer Fachärztinnen und Fachärzte. In Bezug auf die Kosten pro versicherte Person in der OKP machten fünf Fachgebiete zwei Drittel der Facharztkostenzunahme während der Aufhebung des Moratoriums aus. Drei Fachgebiete allein machten in diesem Zeitraum fast 53 Prozent des Facharztkostenanstiegs in der OKP aus.

Die neuen Ärztinnen und Ärzte lassen sich nicht zwingend in Regionen mit Lücken in der Gesundheitsversorgung nieder­ in der Regel eher ländliche Gegenden. Die Ärztedichte in den ländlichen Gemeinden blieb zwischen 2010 und 2016 stabil. Das gilt sowohl für die Fachmedizin als auch für die Hausarztmedizin. In anderen Regionen ist die Zunahme der Ärztedichte markanter. Die Ärztinnen und Ärzte konzentrieren sich hauptsächlich auf Städte, die das Zentrum einer Agglomeration bilden.

2016 gab es in der Hausarztmedizin 13,7 Ärztinnen und Ärzte pro 10 000 Einwohnerinnen und Einwohner und in der Fachmedizin 28,8 (13,0 bzw. 27,4 im Jahr 2010). Die ländlichen Gemeinden weisen mit 6,6 Hausärztinnen und Hausärzten und 2,6 Fachärztinnen und Fachärzten pro 10 000 Einwohnerinnen und Einwohner im Jahr 2016 die geringste Ärztedichte auf.

Wenn die Kantone Höchstzahlen festlegen, müssen sie die allgemeine Entwicklung des Beschäftigungsgrads der Ärztinnen und Ärzte berücksichtigen. Mehrere Studien zeigen, dass der Beschäftigungsgrad der Ärztinnen und
Ärzte in der Schweiz zurückgeht. Von 2008 bis 2016 sank er bei allen Ärztinnen und Ärzten von 9,0 auf 8,8 Halbtage pro Woche und bei den so genannten «ambulanten» Ärztinnen und Ärzten von 8,7 auf 8,2 Halbtage pro Woche. Mit dieser Vorlage erhalten die Kantone und der Bundesrat neue Kompetenzen, mit dem Ziel, den Kostenanstieg bei den Leistungen zulasten der OKP einzudämmen und die Leistungsqualität zu verbessern.

Die Kompetenzen sind verhältnismässig und entsprechen der heutigen Rollenverteilung im System der OKP.

1.5

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

Eine Vielzahl der OECD-Staaten verfügt über eine Lösung für die langfristige Steuerung der ärztlichen Versorgung im ambulanten Bereich. Insbesondere haben die Nachbarländer der Schweiz bereits Systeme eingeführt, um die Zahl der Ärztin3146

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nen und Ärzte, die zur Tätigkeit zulasten der Gesundheitssystems zugelassen sind, oder das durch diese Ärztinnen und Ärzte verrechenbare Leistungsvolumen zu beschränken. Im Bericht des Bundesrats vom 3. März 2017 in Erfüllung des Postulats 16.3000 sind die verschiedenen Modelle zur Steuerung des ambulanten Bereichs, die in den OECD-Staaten, insbesondere in gewissen Nachbarstaaten der Schweiz, am häufigsten vorkommen, ziemlich ausführlich beschrieben. Der Bericht stützt sich dabei auf eine 2013 im Auftrag des BAG durchgeführte Studie.

Berufszulassung und Zulassung zur Tätigkeit zulasten der Krankenversicherung oder des Gesundheitsdiensts Im Bereich der Berufsausübung verlangen die untersuchten Staaten für alle Ärztinnen und Ärzte eine Bewilligung oder Approbation. Die Voraussetzungen für die Erlangung dieses Dokuments sind sehr ähnlich (abgeschlossenes Medizinstudium von mindestens sechs Jahren, abgeschlossene Weiterbildung, Vertrauenswürdigkeit und gesundheitliche Eignung), denn sie setzen alle die Richtlinie 2005/36/EG um, welche die Mindestanforderungen an die Aus- und Weiterbildung für die EU- und EFTA-Staaten einheitlich festlegt. Für ausländische Ärztinnen und Ärzte aus Staaten, mit denen aufgrund des europäischen Rechts oder eines internationalen Abkommens Personenfreizügigkeit besteht, kennen die untersuchten Staaten entweder gar keine gesetzlichen Zugangsschranken oder sie verlangen die Kenntnis einer der Landessprachen (wie die Schweiz). Gegenüber Ärztinnen und Ärzten aus Drittstaaten (Staaten ohne Freizügigkeitsabkommen) bestehen in einigen Staaten Hürden in Form von Zusatzprüfungen oder zusätzlichen Anforderungen an die Berufserfahrung.

Betreffend die Zulassung zur Tätigkeit zulasten der Krankenversicherung oder des Gesundheitsdiensts existiert etwa in der Hälfte der untersuchten Staaten ein Vertrags- oder Anschlusszwang, wie man ihn auch in der Schweiz kennt. In einzelnen Staaten ist dieser auf bestimmte Bereiche beschränkt. Hervorzuheben ist beispielsweise Frankreich, wo zwischen Ärztinnen und Ärzten, die in Spitälern angestellt sind, und frei praktizierenden Ärztinnen und Ärzten unterschieden wird. Die Leistungen der Spitalärztinnen und -ärzte werden automatisch durch die Versicherer vergütet, während sich die frei praktizierenden Ärztinnen und Ärzte einer Krankenkasse anschliessen
können. Die Versicherer legen hierzu durch Verträge die Bedingungen fest, unter denen die Ärztinnen und Ärzte ihre Leistungen für drei Jahre zulasten der Versicherer abrechnen können. In diesem Zusammenhang ebenfalls interessant sind die Regelungen der Slowakischen Republik, wonach ­ mit Ausnahme der ambulanten ärztlichen Grundversorgung ­ die Anzahl der Verträge zwischen Versicherern und Ärzteschaft auf die Sicherstellung eines minimalen Versorgungsangebots begrenzt ist. Die Auswahl der Ärztinnen und Ärzte erfolgt durch die Versicherer, die sich an gesetzlich festgelegten Qualitätskriterien orientieren.

In Bezug auf die Zulassung von ausländischen Ärztinnen und Ärzten zur Tätigkeit Lasten der Krankenversicherung oder des Gesundheitsdiensts bestehen in den untersuchten Staaten grundsätzlich keine gesetzlichen Schranken. Spezifische Voraussetzungen für ausländische Ärztinnen und Ärzte bestehen indessen in Schweden, wo eine langjährige medizinische Erfahrung sowie eine Qualifikation als Fachärztin oder Facharzt vorausgesetzt werden. In Australien ist der Anschluss für ausländische

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Ärztinnen und Ärzte an das Medicare-System nur möglich, wenn sie sich für einen Zeitraum von zehn Jahren in einem «District of Workforce Shortage», also an einem Ort, an dem Ärztemangel herrscht, niederlassen. Erst nach diesem Zeitraum ist ein uneingeschränkter Zugang zum System möglich.

Angebotssteuerung Ein Vergleich der Gesundheitssysteme einzelner Staaten zeigt, dass in verschiedenen Bereichen eine Steuerung des Angebots besteht. Bei der Berufszulassung etwa nimmt Belgien eine Angebotssteuerung vor, indem bei einem Überangebot auf Anraten einer Kommission die Anzahl der Kandidatinnen und Kandidaten, die zur Ausübung des Arztberufs zugelassen werden, beschränkt wird. In Spanien erfolgt eine Bedarfsplanung mithilfe sogenannter Gesundheitspläne, die von den Regionen herausgegeben werden und den Bedarf an öffentlich angestellten Ärztinnen und Ärzten festlegen. Eine überwiegende Mehrzahl der Staaten nimmt des Weiteren Einfluss auf die Anzahl der angebotenen Studienplätze für die ärztliche Ausbildung.

Studienplatzbegrenzungen existieren in einzelnen Staaten auch für fachärztliche Weiterbildungen (Frankreich, Lettland, Tschechische Republik).

Hinsichtlich der Angebotssteuerung im Rahmen der staatlichen Finanzierung gibt es in den untersuchten Staaten eine Vielfalt von Modellen. So wird die Anzahl der Verträge oder der Ärztinnen und Ärzte, die zur Tätigkeit zulasten der Krankenversicherung oder des Gesundheitsdiensts zugelassen sind, in mehreren Staaten aufgrund einer Bedarfsermittlung beschränkt (Deutschland, Österreich, Italien, Dänemark, Island, Lettland, Slowakei). Deutschland beispielsweise kennt für die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit ein System der Bedarfsplanung, das in der «Zulassungsverordnung für Vertragsärzte» normiert ist. Demnach erarbeiten die kassenärztlichen Vereinigungen im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen einen Bedarfsplan, welcher der für die Sozialversicherung zuständigen obersten Landesbehörde vorzulegen ist und die den Bedarfsplan innerhalb einer Frist von zwei Monaten beanstanden kann. Der Bedarfsplan hat unter anderem Feststellungen über das ärztliche Angebot unter Berücksichtigung der Arztgruppen, die Bevölkerungsdichte und -struktur, die Art und den Umfang der Nachfrage nach vertragsärztlichen Leistungen, deren Deckung sowie deren räumliche
Zuordnung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung sowie die für die vertragsärztliche Versorgung bedeutsame Verkehrsverbindungen zu beinhalten. Die Grundprinzipien hierzu werden in der «Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Bedarfsplanung sowie die Massstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung festgehalten (BedarfsplanungsRichtlinie)». Demnach umfasst der Bedarfsplan die Grundsätze zum regionalen Versorgungsangebot, erstattet Bericht über die fachgruppenspezifischen Versorgungsgrade je Planungsregion und ist kontinuierlich anzupassen. Hierbei werden vier Versorgungsebenen (hausärztliche Versorgung und drei Arten von Spezialgebieten) bestimmt, die für die Zuordnung der Ärztinnen und Ärzte in Arztgruppen, den Zuschnitt der Planungsbereiche und dementsprechend für die Versorgungsgradfeststellung massgeblich sind. Weist der Plan für einen bestimmten Versorgungsbereich einen Bedarf an Vertragsärztinnen und -ärzten aus und kann diese Unterversorgung nicht innerhalb von sechs Monaten behoben werden, muss die kassenärztliche Vereinigung die Vertragssitze ausschreiben. In Sonderfällen kann 3148

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der Zulassungsausschuss eine Ausnahme von einer Zulassungsbeschränkung beschliessen, um der Unterversorgung entgegenzuwirken. Im Fall einer Überversorgung, die vorliegt, wenn der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um 10 Prozent überschritten ist, hat der Zulassungsausschuss Zulassungsbeschränkungen anzuordnen, die spätestens nach einem halben Jahr überprüft und gegebenenfalls wieder aufgehoben werden müssen. Weitere Massnahmen (z. B. Tarifsenkungen) sind nicht vorgesehen.

Die Angebotsmenge wird in verschiedenen Staaten auch mit einem Budget gesteuert, das für die Finanzierung von ärztlichen Leistungen zur Verfügung gestellt wird (unter anderem im Vereinigten Königreich und in Polen; in Deutschland wird eine Honorarsumme festgelegt). Anzumerken ist, dass in Polen eine ambulante Erstbehandlung vom staatlichen Gesundheitsdienst bezahlt wird, wenn diese durch eine Vertragsärztin oder einen Vertragsarzt des nationalen Gesundheitsfonds durchgeführt wird. Alle Ärztinnen und Ärzte, die gewisse Kriterien (wie die Einhaltung epidemiologischer und hygienischer Standards) erfüllen, können sich um einen Vertrag mit diesem Fonds bewerben, wobei die Auswahl in einem speziellen Vergabeverfahren erfolgt. Das Angebot wird somit indirekt durch die vom nationalen Gesundheitsfonds eingekauften Gesundheitsdienstleistungen gesteuert.

Dänemark und Norwegen kennen ein System einer Angebotssteuerung, das auf der Bereitstellung von finanziellen Anreizen beruht, indem namentlich Leistungen, die zu wenig angeboten werden, besser entschädigt werden.

Regulierter Wettbewerb Grundsätzlich besteht in keinem Land der OECD eine Vertragsfreiheit zwischen Versicherern und Leistungserbringern, wie sie in Ziffer 4.3 des Berichts des Bundesrats vom 3. März 2017 in Erfüllung des Postulats 16.3000 beschrieben wird. Hinzuweisen ist indessen auf das niederländische Gesundheitswesen, das nach den Grundsätzen des regulierten Wettbewerbs ausgerichtet ist und in dem Verhandlungen zwischen Versicherern und Leistungserbringern eine erhebliche Rolle spielen. In den Niederlanden besteht die Entschädigung der Hausärztinnen und Hausärzte weitestgehend aus Patienten- und Behandlungspauschalen. Die Patientenpauschale wird abgestuft nach drei Altersgruppen (jünger als 65, 65­75 und älter als 75) und nach einem Indikator zur Feststellung, ob
jemand in einer sozialökonomisch benachteiligten Wohnregion beheimatet ist. Die Behandlungspauschale wird nach der Länge der Konsultation abgestuft (über oder unter 20 Minuten). Höhere Beträge werden für Hausbesuche bezahlt, geringere für Konsultationen per E-Mail oder Telefon. Zusätzliche Beiträge werden für Leistungen ausserhalb der normalen Öffnungszeiten bezahlt. Leistungen von Spezialistinnen und Spezialisten dürfen nur nach Zuweisung durch eine Hausärztin oder einen Hausarzt erbracht werden (Gatekeeping) und werden nach einem detaillierten Fallpauschalensystem abgerechnet, das im Fall von kurzen Konsultationen mit einer Einzelleistungsvergütung vergleichbar ist. Ein wesentlicher Teil der Spezialistinnen und Spezialisten ist von Spitälern angestellt. Des Weiteren bestehen nationale Vereinbarungen über das maximal zulässige Ausgabenwachstum.

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1.6

Umsetzung

Der vorliegende Entwurf basiert auf einem dreistufigen Konzept. Für die Umsetzung der ersten Stufe (erhöhte Anforderungen an die Bewilligungstätigkeit der Kantone betreffend Berufsausübung nach dem MedBG und dem GesBG) kann hierbei auf die Botschaft vom 3. Juli 201322 zur Änderung des Medizinalberufegesetzes und auf die Botschaft vom 18. November 201523 zum Bundesgesetz über die Gesundheitsberufe verwiesen werden.

Für die Umsetzung der zweiten Stufe wird der Bundesrat im Hinblick auf das Inkrafttreten der Gesetzesänderungen die KVV um Voraussetzungen bezüglich der Zulassung der Leistungserbringer ergänzen, die gewährleisten, dass die erbrachten Leistungen zweckmässig und von hoher Qualität sind.

Für die Prüfung der Kenntnisse des schweizerischen Gesundheitssystems gemäss Artikel 37 E-KVG bereitet der Bundesrat eine Änderung der KVV vor, die ihm ermöglicht, eine Kommission einzusetzen, deren Sekretariat das BAG übernimmt.

Dieser Kommission sollen Vertreterinnen und Vertreter des Bundes und der Kantone sowie der betroffenen Berufe angehören. Ihre Aufgabe wird zunächst darin bestehen, die Bundesverwaltung bei der Erarbeitung eines Ad-hoc-Vorschlags zuhanden des Bundesrates zu unterstützen. Darin sollen namentlich Inhalt, Form und Auswertung der Prüfung, Fragen zum Prüfungsverfahren (z. B. Voraussetzungen für die Zulassung zur Prüfung, für das Bestehen der Prüfung und für Rekurse), die erforderlichen Organe und ihre jeweiligen Aufgaben (Prüfungs-, Experten- und Rekurskommission), die Prüfungsgebühren sowie die Entschädigungen für die Mitglieder der verschiedenen Organe und für die Expertinnen und Experten geregelt werden. Der Bundesrat ernennt dann die Mitglieder der verschiedenen Organe auf Vorschlag des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI). Er delegiert gewisse Aufgaben an das EDI und die Kommission. Die gesamten Arbeiten, die bis zum ersten Prüfungsdurchgang zu erledigen sind, sollten ab Ablauf der Referendumsfrist vier bis fünf Jahre in Anspruch nehmen. Aufgrund der Tatsache, dass das vorgesehene Prüfungsverfahren andere Prüfungsinhalte vorsieht als beispielsweise die Prüfungen nach dem MedBG, ist es notwendig, für die Umsetzung des Prüfungsverfahrens nach Artikel 37 Absatz 3 E-KVG eine eigenständige Kommission zu schaffen. Allfällige Synergien der verschiedenen Prüfungskommissionen
werden genutzt.

Der Bundesrat ergänzt die Bestimmungen der KVV auch durch Auflagen in Bezug auf die Tätigkeit zulasten der OKP. Diese Auflagen betreffen die Wirtschaftlichkeit und die Leistungsqualität. Die Vorschläge zur Änderung der KVV werden gemäss den Bestimmungen des Vernehmlassungsgesetzes bei den betroffenen Organisationen (Kantone, Leistungserbringer-, Versicherer- und Patientenverbände) in die Vernehmlassung geschickt. Nachdem die Änderungen der KVV vom Bundesrat verabschiedet worden sind, erhalten die Kantone eine Übergangsfrist, um ihre Gesetzgebungen anzupassen und namentlich die Organe zu bezeichnen, die für die Prüfung der Zulassungsgesuche gemäss Artikel 36, 36a und 37 E-KVG und für die Kontrolle der Einhaltung der Zulassungsvoraussetzungen und Auflagen gemäss Artikel 38 E-KVG zuständig sind.

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Bezüglich der Umsetzung der dritten Stufe der Vorlage (Neuregelung von Art. 55a KVG betreffend die Einschränkung der Zulassung zur Tätigkeit zulasten der Krankenversicherung) werden die Kantone die Möglichkeit haben, die Höchstzahlen der zugelassen Ärztinnen und Ärzte nach medizinischen Fachgebieten und Region selbst zu bestimmen. Gemäss bundesstaatlicher Kompetenzaufteilung sind die Kantone für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit zuständig und haben dabei insbesondere dafür zu sorgen, dass jede Person die für ihre Gesundheit notwendige Pflege erhält. Sie sind besser in der Lage als der Bundesrat, die Zahl der Leistungserbringer festzulegen, die für die Deckung des Versorgungsbedarfs der Bevölkerung auf ihrem Kantonsgebiet erforderlich ist. Sind sie der Ansicht, dass auf ihrem Kantonsgebiet oder in Teilen davon zu wenige Ärztinnen und Ärzte zulasten der OKP tätig sind, können sie auf die Anwendung dieser Massnahme verzichten oder Höchstzahlen festlegen, die über dem aktuellen Angebot liegen. Sind sie hingegen der Ansicht, dass bereits ein zu grosses Leistungsangebot besteht, was zu einem Kostenanstieg führen kann, können sie Höchstzahlen festlegen, die unter der Anzahl der bereits zugelassenen Leistungserbringer liegen. Auf diese Weise können sie unter Berücksichtigung der natürlichen Marktaustritte das Angebot wirksam regulieren. Die Kantone, welche die Zulassungsbeschränkung bereits anwenden, können diese ­ namentlich die vom Bundesrat in Anhang 1 der Verordnung vom 3. Juli 201324 über die Einschränkung der Zulassung von Leistungserbringern zur Tätigkeit zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung festgelegten Höchstzahlen ­ während zwei Jahren nach Inkrafttreten der Gesetzesvorlage weiterhin anwenden.

Der Bundesrat kann Kriterien und methodische Grundsätze festlegen, um schweizweit eine möglichst einheitliche Umsetzung sicherzustellen. Damit die Massnahme wirksam ist und von den Leistungserbringern nicht umgangen werden kann, müssen die Kantone, die sie umsetzen, sämtliche ambulanten Bereiche der Leistungserbringung berücksichtigen. Die Massnahme muss also sowohl in einer Praxis arbeitende Ärztinnen und Ärzte als auch solche, die in Einrichtungen der ambulanten Krankenpflege oder im ambulanten Bereich eines Spitals tätig sind, einschliessen. Um den sich wandelnden
Lebensgewohnheiten Rechnung zu tragen, insbesondere was die Zunahme der Teilzeitarbeit betrifft, müssen die Kantone die Höchstzahlen nach Vollzeitäquivalenten gewichten. Die Kantone hören bei der Festlegung dieser Zahlen die Verbände der betroffenen Leistungserbringer und der Versicherer, die ihnen die notwendigen Daten kostenlos zur Verfügung stellen müssen, sowie die Versichertenverbände an. Die Ausgestaltung dieser Anhörung liegt im Ermessen jedes Kantons. Ferner müssen sich die Kantone mit den anderen Kantonen koordinieren, um der steigenden Mobilität der Patientinnen und Patienten Rechnung zu tragen, die immer häufiger Leistungen in der Nähe ihres Arbeitsorts in Anspruch nehmen. Auch hier steht es den Kantonen frei, sich nach ihrem eigenen Ermessen zu organisieren.

Zur Gewährleistung der rechtlichen und wirtschaftlichen Sicherheit derjenigen Ärztinnen und Ärzte, die bereits vor der Festlegung der Höchstzahlen in einem Kanton ihre Tätigkeit selbstständig oder unselbstständig ausgeübt haben, wird in Artikel 55a Absatz 5 E-KVG festgehalten, dass diese Personen von den Höchstzahlen nicht betroffen sind. Dasselbe gilt für Personen, die ihre Tätigkeit in einer Einrichtung der ambulanten Krankenpflege oder im ambulanten Bereich von Spitälern ausgeübt 24

SR 832.103

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haben, wenn sie ihre Tätigkeit in der gleichen Einrichtung oder im ambulanten Bereich des gleichen Spitals weiter ausüben.

Unabhängig von den festgelegten Höchstzahlen können die Kantone ab Inkrafttreten der Gesetzesänderung die Zulassung von neuen Leistungserbringern in einem Fachgebiet beschränken, wenn sie in diesem Fachgebiet im Vergleich zu den anderen Fachgebieten oder zu den anderen Kantonen einen massiven Kostenanstieg feststellen (Art. 55a Abs. 6 E-KVG). Dabei handelt es sich um eine Ultima-RatioBestimmung, die den Kantonen ein rasches Eingreifen ermöglicht, um eine Explosion der Kosten zulasten der OKP im betroffenen Fachgebiet zu verhindern. Ein solcher Eingriff ist angesichts des raschen Anstiegs der Prämien der Versicherten in den vergangenen Jahren, der insbesondere für die Versicherten und die Kantone erhebliche soziale und finanzielle Auswirkungen hat, vertretbar.

1.7

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Motion 16.3001 (SGK-N) «Gesundheitssystem. Ausgewogenes Angebot durch Differenzierung des Taxpunktwertes» Die Motion 16.3001 wurde von der SGK-N am 22. Januar 2016 im Rahmen der Beratung der durch den Kanton Genf eingereichten Standesinitiative 12.308 «Eröffnung neuer Arztpraxen» eingereicht. Diese Initiative wurde abgeschrieben, nachdem ihr der Nationalrat am 27. April 2016 keine Folge gegeben hatte. Im Einklang mit dem Antrag des Bundesrates vom 4. März 2016 wurde die Motion 16.3001 vom Nationalrat am 15. März 2016 und vom Ständerat am 6. Juni 2016 angenommen. Sie beauftragte den Bundesrat, dem Parlament unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Berichts, den er in Erfüllung des Postulats 16.3000 der SGK-S «Alternativen zur heutigen Steuerung der Zulassung von Ärztinnen und Ärzten» zu verfassen hatte und den er am 3. März 2017 verabschiedet hat, Vorschläge zur Änderung des KVG zu unterbreiten. In diesem Postulat wird der Bundesrat aufgefordert, verschiedene Wege zur Optimierung der ambulanten Versorgung zu evaluieren, namentlich die Differenzierung des Taxpunktwerts nach Region, Leistungsangebot oder Qualitätskriterien. Die Tarifpartner könnten so ihre Verantwortung wahrnehmen und für ein ausgewogenes regionales Angebot sorgen. Der Bundesrat ist diesem Auftrag in der Evaluation der Alternativen zur heutigen Steuerung der Zulassung, die er in seinem Bericht vom 3. März 2017 vorgenommen hat, nachgekommen.

Postulat 13.3875 (Hardegger) «Fehlermeldesysteme und medizinische Erkenntnisse für die Verbesserung der Patientensicherheit einsetzen» Mit dem am 26. September 2013 durch Nationalrat Thomas Hardegger eingereichten Postulat wird der Bundesrat beauftragt, in einem Bericht aufzuzeigen, wie die gesetzlichen Grundlagen insbesondere von Artikel 58 KVG verbindlich umgesetzt werden können. Dabei geht um die flächendeckende Verpflichtung der Leistungserbringer, Fehlererfassungssysteme (CIRS, OP-Checklisten) einzurichten und medizinische Erkenntnisse (z. B. Beers-Liste) umzusetzen, dies zu überwachen und bei Nicht-Erfüllung zu sanktionieren. Das Postulat wurde am 13. Dezember 2013 ange-

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BBl 2018

nommen. Dieses Postulat könnte mit den Bestimmungen auf der zweiten Interventionsebene dieser Vorlage umgesetzt werden.

1.8

Weitere mit der Vorlage zusammenhängende Vorstösse

Motion 13.3265 (Jürg Stahl) «Gegenvorschlag zum Zulassungsstopp für Ärzte» Die Motion 13.3265 wurde am 22. März 2013 von Nationalrat Jürg Stahl während der Beratungen zur Wiedereinführung der Zulassungsbeschränkung eingereicht, nachdem die Vorlage zur KVG-Revision zur integrierten Versorgung25 am 17. Juni 2012 vom Volk abgelehnt worden war. Sie bezweckte die Einführung der Vertragsfreiheit für die Versicherer ab einer bestimmten Ärztedichte, die durch den Bundesrat nach Facharztgruppen für die ganze Schweiz einheitlich festgelegt werden soll.

Die Motion wurde am 10. September 2014 vom Nationalrat angenommen, nachdem das Parlament der Wiedereinführung der Zulassungsbeschränkung bis am 30. Juni 2016 zugestimmt hatte. Im Ständerat wurde sie hingegen am 2. März 2016 abgelehnt. Dieser gab dem Postulat 16.3000 der SGK-S Folge.

Motion 15.3385 (FDP-Liberale Fraktion) «Gesundheitswesen. Ausgewogene Versorgung dank differenzierten Taxpunktwerten in den KVG-Tarifen statt erneuter Zulassungsstopp» Die Motion 15.3385 wurde am 4. Mai 2015 von der FDP-liberalen Fraktion als Alternative zur Botschaft vom 18. Februar 201526 zur Änderung des KVG (Steuerung des ambulanten Bereichs) eingereicht. Sie beauftragte den Bundesrat, dem Parlament eine Vorlage zu unterbreiten, die den Vertragspartnern ermöglicht, durch eine Abstufung von Taxpunktwerten auf regionaler Ebene, nach Leistungsspektrum oder nach Qualitätskriterien, für eine territorial ausgewogene Versorgung zu sorgen.

Die Motion wurde am 9. März 2017 zurückgezogen, nachdem der Bundesrat seinen Bericht in Erfüllung des Postulats 16.3000 der SGK-S verabschiedet hatte.

Interpellation 16.3821 (Heinz Brand) «Ärztemangel als wirkliches Problem?» In seiner Interpellation vom 29. September 2016 bat Nationalrat Heinz Brand den Bundesrat um die Beantwortung von Fragen zum Stand der Versorgung mit medizinischen Leistungen in der Schweiz, insbesondere unter Berücksichtigung der regional unterschiedlichen Ärzte- und Spitaldichte, aber auch der steigenden Mobilität der Patientinnen und Patienten und der Entwicklung der Technologien. Auf der Grundlage der Zahlen der anderen OECD-Staaten war er zur Ansicht gelangt, dass in der Schweiz insgesamt eine Überversorgung bestehe, was einen Faktor für einen Anstieg der Gesundheitskosten darstellen würde.

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Interpellation 16.3828 (Jean-Paul Gschwind) «Ist die Schweiz zu einer Goldgrube für Ärztinnen und Ärzte aus der Europäischen Union geworden?» Am 29. Juni 2016 wandte sich Nationalrat Jean-Paul Gschwind mit einer Interpellation an den Bundesrat, weil er einen Kausalzusammenhang sah zwischen dem Anstieg der Kosten zulasten der OKP, der mit einem Anstieg der Prämien einhergeht, und der ständig ansteigenden Inanspruchnahme von ambulanten medizinischen Leistungen, die mit der Eröffnung von neuen Allgemein- oder Facharztpraxen in Zusammenhang stehen. Er machte hierfür von allem die Ärztinnen und Ärzte aus der Europäischen Union verantwortlich.

Interpellation 16.3940 (Barbara Schmid-Federer) «Steuerung der Ärztedichte.

Optimierung der Ressourcen und Datenlage» In ihrer Interpellation vom 5. Dezember 2016 stellte Nationalrätin Barbara SchmidFederer in der Schweiz im OECD-Vergleich eine hohe Ärztedichte fest, die mit einer ungleichen regionalen und fachlichen Verteilung verbunden ist, was eine Steuerung erforderlich machen würde. Sie forderte den Bundesrat auf, zu einem Modell Stellung zu nehmen, das von der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften erarbeitet und im November 2016 in einem Positionspapier veröffentlicht worden war. Der Bundesrat ist in seinem Bericht vom 3. März 2017 in Erfüllung des Postulats 16.3000 auf dieses Modell eingegangen. Die Interpellantin fragte den Bundesrat insbesondere, welche Massnahme er zu ergreifen gedenke, um die für die Steuerung notwendigen Daten verfügbar zu machen.

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

Art. 35 Abs. 1 Mit der Neustrukturierung von Artikel 36 E-KVG wird Absatz 1 von Artikel 35 überflüssig.

Art. 36

Ärzte und Ärztinnen sowie weitere Leistungserbringer: Grundsatz

Artikel 36 E-KVG legt den Grundsatz fest, dass in Zukunft sämtliche Leistungserbringer nach Artikel 35 Absatz 2 Buchstaben a­g, m und n KVG nur zulasten der OKP tätig sein dürfen, wenn sie formell von demjenigen Kanton zugelassen sind, auf dessen Gebiet die Tätigkeit ausgeübt wird. Die Zulassung der Leistungserbringer im ambulanten Bereich erfolgt somit nicht mehr automatisch, sondern erst nachdem der jeweilige Kanton überprüft hat, ob die jeweiligen Zulassungsvoraussetzungen nach den Artikeln 36a Absätze 1 und 2 und 37 E-KVG erfüllt sind.

Betroffen sind Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte (für die Leistungen zulasten der OKP), Apothekerinnen und Apotheker, Chiropraktorinnen und Chiropraktoren, Hebammen, die übrigen Leistungserbringer, die auf Anordnung Leistungen erbringen (Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten, Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten, Pflegefachpersonen, Logopädinnen und Logopäden, Ernährungsberaterinnen und Ernährungsberater) und Organisationen, die sie beschäf-

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tigen, Laboratorien, Abgabestellen für Mittel und Gegenstände, die der Untersuchung oder Behandlung dienen, Transport- und Rettungsunternehmen und Einrichtungen, die der ambulanten Krankenpflege durch Ärztinnen und Ärzte dienen.

Leistungserbringer nach Artikel 35 Absatz 2 Buchstaben a­g, m und n KVG, die nach erfolgter Zulassung ihre Tätigkeit zulasten der OKP in einem anderen Kanton ausüben wollen, müssen für den neuen Standort erneut eine Zulassung beantragen.

In Zukunft legt der Bundesrat die Zulassungsvoraussetzungen sämtlicher Leistungserbringer nach Artikel 35 Absatz 2 Buchstaben a­g, m und n KVG in der KVV fest.

Die heute bestehenden Artikel 36, 36a, 37 und 38 KVG können diesbezüglich neu besetzt werden. Was die Apothekerinnen und Apotheker betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die Bestimmungen des revidierten MedBG sowohl für Apothekerinnen und Apotheker als auch für Ärztinnen und Ärzte gelten. Am 18. März 201627 hat das Parlament eine Änderung des Heilmittelgesetzes vom 15. Dezember 200028 (HMG) beschlossen. Der neue Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe k HMG definiert die Selbstdispensation als «kantonal bewilligte Abgabe von Arzneimitteln innerhalb einer Arztpraxis beziehungsweise einer ambulanten Institution des Gesundheitswesens, deren Apotheke unter fachlicher Verantwortung einer Ärztin oder eines Arztes mit Berufsausübungsbewilligung steht». Gemäss dem neuen Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe b HMG dürfen alle Medizinalpersonen entsprechend den Bestimmungen über die Selbstdispensation sowie verschreibungspflichtige Arzneimittel abgeben, wobei darauf zu achten ist, dass die «miteinander im Wettbewerb stehenden Marktpartner den gleichen gesetzlichen Sicherheits- und Qualitätsanforderungen genügen» (Art. 1 Abs. 3 Bst. c HMG). Die meisten Bestimmungen dieser Revision sollen am 1. Januar 2019 in Kraft treten. Es muss daher nicht mehr im KVG präzisiert werden, dass die Kantone bestimmen, unter welchen Voraussetzungen Ärztinnen und Ärzte den Apothekerinnen und Apothekern gleichgestellt sind (geltender Art. 37 Abs. 3 KVG).

Die heute bestehende Regelung in Artikel 38 KVG bezüglich Zulassung der Leistungserbringer nach Artikel 35 Absatz 2 Buchstaben c­g, i und m KVG zur Tätigkeit zulasten der OKP wird durch die Artikel 36a und 37 E-KVG ersetzt. Die Zulassung der Geburtshäuser (Art. 35 Abs. 2 Bst. i KVG), die ebenfalls unter Artikel 38 KVG fällt, ist bereits in Artikel 39 Absatz 3 KVG geregelt.

Art. 36a

Ärzte und Ärztinnen sowie weitere Leistungserbringer: Voraussetzungen und Auflagen

Abs. 1 Gemäss geltendem Recht regelt der Bundesrat die Zulassung der Leistungserbringer, mit Ausnahme der Ärztinnen und Ärzte, Apothekerinnen und Apotheker, Spitäler, Pflegeheime, Heilbäder und der Einrichtungen, die der ambulanten Krankenpflege durch Ärztinnen und Ärzte dienen. Die Zulassungsvoraussetzungen für diese Leistungserbringer sind heute im Gesetz festgelegt. Mit der neuen Formulierung erhält der Bundesrat die Kompetenz, die Zulassungsvoraussetzungen sämtlicher Leistungserbringer des ambulanten Bereichs festzulegen, um eine qualitativ hochste27 28

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hende und zweckmässige Leistungserbringung zu gewährleisten. Miteingeschlossen sind diesbezüglich auch die Zahnärztinnen und Zahnärzte, deren Gleichstellung zu den Ärztinnen und Ärzten­ wie sie im bisherigen Recht nach Artikel 36 Absatz 3 KVG vorgesehen ist ­ der Bundesrat in der KVV regeln wird (sofern es Leistungen nach Artikel 31 KVG betrifft).

Abs. 2 Die durch den Bundesrat festzulegenden Zulassungsvoraussetzungen beziehen sich je nach Art der Leistungserbringer auf die Aus- und Weiterbildung und werden mit denjenigen des MedBG und des GesBG übereinstimmen. Der Bundesrat kann ebenfalls Voraussetzungen in Bezug auf die für die Qualität der Leistungserbringung notwendigen Strukturen festlegen, wie zum Beispiel der Aufbau eines Qualitätsmanagementsystems.

Abs. 3 Neben den in den Absätzen 1 und 2 erwähnten Voraussetzungen legt der Bundesrat zusätzlich Auflagen in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen fest, welche die Leistungserbringer bei ihrer Tätigkeit zulasten der OKP erfüllen müssen. Diese Auflagen beziehen sich namentlich auf Massnahmen zur Qualitätsentwicklung sowie die Lieferung derjenigen Daten, die benötigt werden, um die Einhaltung der Bestimmungen über die Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen zu beaufsichtigen, beispielsweise durch das Mitwirken an Qualitätsnetzwerken.

Art. 37

Ärzte und Ärztinnen: besondere Voraussetzungen

Abs. 1 Als eine weitere Zulassungsvoraussetzung neben denjenigen nach Artikel 36a E-KVG kann der Bundesrat von den Leistungserbringern nach Artikel 35 Absatz 2 Buchstabe a KVG den Nachweis der für die Qualität der Leistungserbringung notwendigen Kenntnisse des schweizerischen Gesundheitssystems und diesbezüglich eine Prüfung verlangen. Die Prüfung muss in der Sprache der Region abgelegt werden, für die der Arzt oder die Ärztin die Zulassung beantragt. Beantragt der Arzt oder die Ärztin später noch eine Zulassung für eine andere Sprachregion, muss die Prüfung jedoch nicht wiederholt werden.

Abs. 2 Die Leistungserbringer nach Artikel 35 Absatz 2 Buchstabe a KVG werden von der Prüfung dispensiert, sofern eine mindestens dreijährige Tätigkeit an einer anerkannten schweizerischen Weiterbildungsstätte nachgewiesen werden kann.

Abs. 3 Die Entwicklung der inhaltlichen Grundlagen der Prüfung erfolgt über einen strukturierten Prozess, der von einer durch den Bundesrat eingesetzten ausserparlamentarische Kommission nach den Artikeln 57a­57g des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199729 geleitet wird. Der Bundesrat wählt 29

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hierbei die Mitglieder der Kommission und bezeichnet den Präsidenten oder die Präsidentin. Die Kommission setzt sich neben den Vertreterinnen und Vertretern des Bundes angemessen aus Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Kantone und der betroffenen Leistungserbringerkategorien zusammen. Sie überwacht die Durchführung des Prüfungsverfahrens, erstattet dem Bundesrat Bericht und bringt gegebenenfalls im Laufe der Zeit Anpassungen an den Prüfungsinhalten ein. Die Zusammensetzung und die Arbeitsweise dieser Kommission werden in der KVV festgelegt.

Die Kommission ist von den Verwaltungsbehörden unabhängig und verfügt im BAG über ein eigenes Sekretariat. Sie ist dem EDI administrativ zugeordnet.

Weiter regelt der Bundesrat die Erhebung der Prüfungsgebühren und die Organisation der Aufgaben und der Kompetenzen der Kommission. Er kann diese Aufgabe dem EDI übertragen. Ähnlich wie beim MedBG können diese Aufgaben und Kompetenzen in einer Prüfungsverordnung konkretisiert werden.

Abs. 4 Der Bundesrat kann schliesslich vorsehen, dass die in den Einrichtungen nach Artikel 35 Absatz 2 Buchstabe n KVG tätigen Ärztinnen und Ärzte ebenfalls einen Nachweis nach Absatz 1 zu erbringen haben. Ansonsten ist die Zulassung der Einrichtungen nach Artikel 25 Absatz 2 Buchstabe n KVG zu verweigern.

Art. 38

Ärzte und Ärztinnen sowie weitere Leistungserbringer: Aufsicht

Abs. 1 Neben dem Zulassungsentscheid nach Artikel 36 E-KVG sind die Kantone in Zukunft auch für die Überwachung der Auflagen nach Artikel 36a Absatz 3 E-KVG verantwortlich. Absatz 1 schreibt diesbezüglich vor, dass die Kantone eine Aufsichtsbehörde einsetzen müssen. Die Organisation und die Zusammensetzung dieser Behörde sowie die Regelung des Verfahrens bleiben den Kantonen überlassen.

Abs. 2 Ärzte und Ärztinnen sowie die weiteren Leistungserbringer im ambulanten Bereich, welche die vom Bundesrat festgelegten Zulassungsvoraussetzungen und Auflagen verletzen, werden mit einer Verwarnung, einer Busse bis zu 20 000 Franken, einem Entzug der Zulassung zur Tätigkeit zulasten der OKP für das ganze oder einen Teil des Tätigkeitsspektrums für längstens ein Jahr (befristeter Entzug) beziehungsweise mit einem definitiven Entzug der Zulassung zur Tätigkeit zulasten der OKP für das ganze oder einen Teil des Tätigkeitsspektrums sanktioniert. Die Entscheide der kantonalen Aufsichtsbehörden sind vor einem kantonalen Gericht anfechtbar und können mittels Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht weitergezogen werden (Art. 86 Abs. 2 i.V.m. Art. 82 Bst. a BGG).

Bei Verletzung der Anforderungen an die Leistungsqualität, die entweder unter die Zulassungsvoraussetzungen oder unter die Auflagen fallen, ist die Sanktionierung aufgrund von Artikel 38 Absatz 2 E-KVG Sache der Aufsichtsbehörde gemäss Artikel 38 Absatz 1 E-KVG. Werden andere gesetzliche Bestimmungen bezüglich der Qualität von den Leistungserbringern verletzt, erfolgt eine allfällige Sanktion ge-

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mäss dem Verfahren nach Artikel 59 KVG und muss somit vom Schiedsgericht verhängt werden.

Art. 53 Abs. 1 Artikel 55a E-KVG und allfällige vom Bundesrat aufgrund von Artikel 55a Absatz 2 E-KVG erlassene Bestimmungen sind nicht mehr direkt anwendbar. Das kantonale Recht legt nun die Voraussetzungen für die Zulassungsbeschränkung im Rahmen des Bundesrechts autonom fest. Das aufgrund von Artikel 55a E-KVG erlassene kantonale Recht bildet demzufolge nicht mehr unselbstständiges kantonales, sondern selbstständiges kantonales Ausführungsrecht. Verfügungen nach Artikel 55a E-KVG sind in Zukunft vor einem kantonalen Gericht anfechtbar, deren Entscheide wiederum gestützt auf Artikel 86 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 82 Buchstabe a des BGG mittels Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vor dem Bundesgericht angefochten werden können. Aus diesem Grund kann auf die Nennung von Artikel 55a E-KVG in Artikel 53 Absatz 1 E-KVG verzichtet werden.

Art. 55a

Beschränkung der Anzahl Ärzte und Ärztinnen, die im ambulanten Bereich Leistungen erbringen

Abs. 1 Mit dieser Bestimmung erhalten die Kantone die Kompetenz, die Anzahl Ärztinnen und Ärzte, die Leistungen im ambulanten Bereich erbringen, in einem oder mehreren medizinischen Fachgebieten oder in bestimmten Regionen auf eine Höchstzahl zu beschränken. Betroffen von dieser Zulassungsbeschränkung sind Ärztinnen und Ärzte, die ihre Tätigkeit zulasten der OKP oder in einer Einrichtung nach Artikel 35 Absatz 2 Buchstabe n ausüben möchten, sowie diejenigen, die ihre Tätigkeit im ambulanten Spitalbereich ausüben möchten. Somit gilt jede Beschränkung für den gesamten ambulanten Bereich für das oder die betroffenen Fachgebiete im jeweiligen Kanton oder in den betroffenen Regionen des Kantons.

Abs. 2 Wenn die Kantone Höchstzahlen für eine bestimmte Anzahl von Ärztinnen und Ärzte festlegen, können sie nicht einfach die Zahl der im ambulanten Bereich tätigen Ärztinnen und Ärzte pro Fachgebiet bestimmen, sondern müssen auch die generelle Entwicklung des Beschäftigungsgrades dieser Personen berücksichtigen. Damit tragen sie der Entwicklung der Arbeitsformen und insbesondere der Zunahme der Teilzeitbeschäftigung Rechnung und fördern gleichzeitig den Verbleib der Frauen im Arbeitsmarkt.

Analog zur Spitalplanung kann der Bundesrat methodische Grundsätze und Kriterien für die Festlegung der Höchstzahlen festlegen, um eine möglichst einheitliche Anwendung unter den Kantonen zu fördern, ohne jedoch deren Handlungsspielraum übermässig einzuschränken. Vorgesehen sind Kriterien für den Zugang der Versicherten zur Behandlung innert nützlicher Frist sowie für Therapie- und Diagnosegeräte.

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Wie im bisherigen Recht sind die Zahnärztinnen und Zahnärzte den Ärztinnen und Ärzte in Bezug auf die Zulassung zur Tätigkeit zulasten der OKP gleichgestellt.

Abs. 3 Vor der Festlegung der Höchstzahlen müssen die Kantone die Verbände der Leistungserbringer, der Versicherer und der Versicherten anhören. Nicht präzisiert wird, wie diese Verbände anzuhören sind, um den Kantonen einen Gestaltungsspielraum offen zu lassen. Somit sind mehrere Anhörungsformen vorstellbar: Einsetzung einer Ad-hoc-Kommission, Einberufung einer Arbeitsgruppe, schriftliche Anhörung usw.

Wenn sie Gebrauch von ihrer Kompetenz machen, müssen sich die Kantone insbesondere mit ihren Nachbarkantonen koordinieren, um der steigenden Mobilität der Patientinnen und Patienten und der Leistungserbringer Rechnung zu tragen. Es wird auch hier nicht präzisiert, wie sich die Kantone zu koordinieren haben, um den Kantonen einen grossen Gestaltungsspielraum offen zu lassen. Sowohl die Einsetzung einer nationalen Koordinierungsstelle als auch eine mehr oder weniger formale regionale Koordination sind möglich.

Abs. 4 Als Aufsichtsbehörden im Gesundheitsbereich stellen die Kantone die Berufsausübungsbewilligungen für die universitären Medizinalberufe aus. Sie kennen somit grundsätzlich die Zahlen und die Diplome der Ärztinnen und Ärzte, die über eine Bewilligung zur Berufsausübung auf ihrem Gebiet verfügen. Sie verfügen auch über die bei den Leistungserbringern erhobenen Daten gemäss Artikel 59a KVG. Hingegen verfügen sie insbesondere nicht über Informationen über den Beschäftigungsgrad dieser Personen und die Patientenströme. Die Leistungserbringer und deren Verbände sowie die Versicherer und deren Verbände müssen daher den Kantonen diejenigen Daten kostenlos bekannt geben, die zur Ermittlung der Höchstzahlen und für die Koordination erforderlich sind. Neben den bereits bestehenden Daten, wie den Abrechnungsdaten und den statistischen Erhebungen der Ärzteverbände, können die Kantone von den Leistungserbringern, einschliesslich der Spitäler, detaillierte Informationen über die Tätigkeit der bei ihnen im ambulanten Bereich beschäftigten Ärztinnen und Ärzte und alle weiteren Informationen, die sie als nützlich erachten, verlangen.

Abs. 5 Ärztinnen und Ärzte, die vor Inkrafttreten der Höchstzahlen zugelassen wurden und ihre Tätigkeit vor diesem
Datum zulasten der OKP ausgeübt haben, sind von der Zulassungsbeschränkung nicht betroffen. Dasselbe gilt für Ärztinnen und Ärzte, die ihre Tätigkeit im ambulanten Bereich von Spitälern oder in Einrichtungen nach Artikel 35 Absatz 2 Buchstabe n KVG vor Inkrafttreten der Höchstzahlen ausgeübt haben, sofern sie ihre Tätigkeit im ambulanten Bereich des gleichen Spitals oder in der gleichen Einrichtung weiter ausüben. Eine solche Bestimmung ist notwendig, um die wohlerworbenen Rechte zu wahren, namentlich weil im Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum 30. Juni 2013 keine Zulassungsbeschränkung existierte.

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Abs. 6 Wenn die Kantone in einem oder mehreren Fachgebieten einen übermässig hohen Anstieg der Kosten feststellen, können sie gemäss dieser Bestimmung die Zulassung von neuen Ärztinnen und Ärzten in dem oder den betroffenen Fachgebieten unabhängig von den nach den Absätzen 1­4 festgelegten Höchstzahlen sofort stoppen.

Ein übermässig hoher Anstieg liegt in zwei Fällen vor: ­

wenn die jährlichen Kosten je versicherte Person in einem Fachgebiet in einem Kanton mehr ansteigen als die jährlichen Kosten der anderen Fachgebiete im selben Kanton;

­

wenn die jährlichen Kosten je versicherte Person in einem Fachgebiet in einem Kanton mehr ansteigen als die jährlichen Kosten des gesamtschweizerischen Durchschnitts des betroffenen Fachgebiets.

Art. 57 Abs. 1 zweiter Satz Die Bestimmungen über die Zulassung von Ärztinnen und Ärzten zur Tätigkeit zulasten der OKP sind in der Vorlage nicht mehr in Artikel 36 KVG geregelt, sondern in den Artikeln 36a und 37 E-KVG. Deshalb müssen die Verweise in Artikel 57 Absatz 1 zweiter Satz KVG angepasst werden.

Übergangsbestimmungen Mit dem neuen Artikel 55a E-KVG wird den Kantonen eine Kompetenz übertragen, die bis jetzt in den Händen des Bundesrates lag. Dieser kann zwar methodische Grundsätze festlegen, aber die Höchstzahlen der Ärztinnen und Ärzte mit einer Zulassung zur Tätigkeit zulasten der OKP werden nicht mehr von ihm bestimmt.

Den Kantonen sollte genügend Zeit für die Festlegung der Höchstzahlen eingeräumt werden, damit sie die Akteure des betroffenen Bereichs anhören und sich koordinieren können, insbesondere um die generelle Entwicklung des Beschäftigungsgrades der Ärztinnen und Ärzte nach Artikel 55a Absatz 1 E-KVG und die Mobilität der Patientinnen und Patienten korrekt zu berücksichtigen. Um zu verhindern, dass während einer gewissen Zeit keine Zulassungsbeschränkung besteht, sehen die Übergangsbestimmungen in Absatz 1 vor, dass die Kantone ab dem Inkrafttreten der Änderung des KVG für die erforderlichen Anpassungen zwei Jahre Zeit haben. Bis die kantonalen Regelungen angepasst sind, längstens aber während zweier Jahre, gilt für die Zulassung zur Tätigkeit zulasten der OKP im jeweiligen Kanton das bisherige Recht.

Die Umsetzung von Artikel 55a KVG auf kantonaler Ebene bildete bisher unselbständiges kantonales Ausführungsrecht, die Zulassungsbeschränkung auf kantonaler Ebene bedurfte keiner zusätzlichen formellen gesetzlichen Grundlage (Bundesgerichtsentscheide, BGE 130 I 26, Erwägung 5.3.2.2; BGE 140 V 574, Erwägung 5.2.5). Von Absatz 1 der Übergangsbestimmungen sind dementsprechend auch diejenigen Kantone betroffen, welche zu Artikel 55a KVG bisher kein kantonales Recht erlassen haben.

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Aus Gründen der Rechtssicherheit und des Bestandesschutzes sieht Absatz 2 der Übergangsbestimmungen zusätzlich vor, dass Leistungserbringer nach Artikel 35 Absatz 2 Buchstaben a­g, m und n KVG, die nach bisherigem Recht zur Tätigkeit zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zugelassen waren, nach Artikel 36 E-KVG vom Kanton als zugelassen gelten, auf dessen Gebiet sie die Tätigkeit beim Inkrafttreten dieses Artikels ausgeübt haben.

Schlussbestimmungen Die heute bestehende Regelung in Artikel 55a KVG betreffend der Zulassungsbeschränkung ist zeitlich befristet und läuft am 30. Juni 2019 aus. Damit ein nahtloser Übergang von der bestehenden zur neuen Regelung der Zulassungsbeschränkung möglich ist, muss das Parlament in der Wintersession 2018 über die Vorlage entscheiden. Somit ist, sofern kein fakultatives Referendum zu Stande kommt, gemäss Ziffer III des Änderungserlasses ein Inkrafttreten von Artikel 55a E-KVG und von Ziffer II Absatz 1 am 1. Juli 2019 möglich.

Ist eine Verabschiedung der Vorlage durch das Parlament in der Wintersession 2018 nicht möglich, müsste Ziffer III des Änderungserlasses angepasst werden, damit Artikel 55a E-KVG und Ziffer II Absatz 1 rückwirkend auf den 1. Juli 2019 in Kraft treten könnten. Eine Rückwirkung ist nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ausnahmsweise möglich, wenn sie im Erlass ausdrücklich angeordnet, zeitlich mässig (die Rückwirkung sollte ein Jahr nicht übersteigen) und durch triftige Gründe gerechtfertigt ist. Des Weiteren darf sie keine stossenden Rechtsungleichheiten bewirken oder Rechte Dritter beeinträchtigen, muss sich durch überwiegende öffentliche Interessen rechtfertigen lassen und darf keinen Eingriff in wohlerworbene Rechte darstellen. Diese Voraussetzungen wären vorliegend erfüllt. Namentlich könnte eine Rückwirkung durch triftige Gründe und überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt werden, da ohne eine kantonale Regelung der Zulassungsbeschränkung eine ähnliche Situation wie im Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum 30. Juni 2013 drohen würde, in welchem eine starke Zunahme der Fachärztedichte und ein starker Kostenanstieg in der OKP festgestellt wurde (vgl. Ziff. 1.4).

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

3.1.1

Finanzielle Auswirkungen

Ziel dieser Neuregelung ist, die Entwicklung der Kosten für Leistungen zulasten der OKP einzudämmen und auf diese Weise den Anstieg der von den Versicherten bezahlten Prämien zu begrenzen. Die Massnahmen sollten ebenfalls dazu beitragen, den Anstieg des Beitrags, den der Bund den Kantonen gemäss Artikel 66 Absatz 2 KVG zur Verbilligung der Prämien der Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen gewährt, zu bremsen. Dieser Beitrag belastet das Bundesbudget mit rund 2,8 Milliarden Franken, und man rechnet für die kommenden Jahre noch mit einem Aufwärtstrend.

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Die Implementierung eines Prüfungsverfahrens gemäss Artikel 37 E-KVG verursacht externe Startkosten von schätzungsweise rund 350 000 Franken. Diese Kosten umfassen die Entschädigung der Mitglieder der einzusetzenden Kommissionen, der Expertinnen und Experten sowie der beauftragten Dienstleister. Die Prüfungskosten von schätzungsweise 110 000 Franken pro Durchlauf sollen durch die von den Kandidatinnen und Kandidaten bezahlten Prüfungsgebühren gedeckt werden.

3.1.2

Personelle Auswirkungen

Je nach Ausgestaltung der Prüfung über die notwendigen Kenntnisse des schweizerischen Gesundheitssystems und deren Betreuung durch das Kommissionssekretariat ergibt sich auf Bundesebene ein zusätzlicher Personalbedarf, welcher aufgrund erster Schätzungen eine bis zwei Vollzeitstellen ausmachen dürfte, wovon eine Stelle wahrscheinlich befristet wäre. Über die Finanzierung der allfällig nötigen Stellen wird der Bundesrat voraussichtlich mit dem Beschluss zum Inkrafttreten der KVGRevision beschliessen.

3.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Mit der beantragten Neuregelung erhalten die Kantone neue Kompetenzen. Einerseits müssen sie nun die Gesuche um Zulassung zur Tätigkeit zulasten der OKP der Personen nach Artikel 35 Absatz 2 Buchstabe a­g, m und n KVG formell bearbeiten und dabei überprüfen, ob diese die vom Bundesrat vorgesehenen Zulassungsvoraussetzungen erfüllen. Andererseits müssen sie kontrollieren, ob diese Personen die ebenfalls vom Bundesrat vorgesehenen Auflagen einhalten, die mit der Zulassung verbunden sind. Sie können diese neuen Aufgaben zu einem grossen Teil gleichzeitig zu ihren bereits vom MedBG und vom GesBG vorgesehenen gesundheitspolizeilichen Aufgaben wahrnehmen. Zudem können sie einen Teil ihrer Aufsichtsaufgaben an die kantonalen Berufsverbände der Leistungserbringer delegieren.

Die Kantone haben ausserdem die Möglichkeit, nicht aber die Pflicht, Höchstzahlen für die Zulassung der Ärztinnen und Ärzte pro Fachgebiet festzulegen. Zu diesem Zweck müssen sie unter Anwendung der vom Bundesrat vorgegebenen Kriterien und methodischen Grundsätze und unter Einbezug der wichtigsten Akteure dieses Bereichs die aktuellen Personalbestände erheben, um namentlich den Beschäftigungsgrad der betroffenen Ärztinnen und Ärzte und den Zugang der Versicherten zur Gesundheitsversorgung korrekt zu berücksichtigen. Ausserdem müssen sie sich koordinieren, um der Mobilität der Patientinnen und Patienten Rechnung zu tragen.

Die Umsetzung dieser Neuregelung führt somit punktuell zu Mehrarbeit in den Kantonen. Diese Massnahme ermöglicht ihnen jedoch, das Leistungsangebot besser zu kontrollieren und dessen Qualität zu verbessern. Als Folge davon wird der Kostenanstieg gebremst.

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3.3

Gesundheitliche und soziale Auswirkungen

Mit der vorgeschlagenen Revision sollen eine bessere Kostenkontrolle und eine Qualitätssteigerung erreicht werden. Wie oben ausgeführt, hat dies eine Begrenzung des Anstiegs der Prämien zur Folge. Die Höhe der Krankenversicherungsprämien und deren jährlicher Anstieg sind in der Bevölkerung und den Kantonen Anlass für grosse Besorgnis. Im Jahr 2018 stieg die durchschnittliche Monatsprämie für Erwachsene (mit Unfalldeckung) im Mittel um 4,0 Prozent; sie liegt jetzt im Schweizer Durchschnitt bei 465.30 Franken (von 354 Fr. im Kanton Appenzell-Innerrhoden bis 591.80 Fr. im Kanton Basel-Stadt). Die Prämien für Kinder stiegen im Durchschnitt gar um 5,0 Prozent auf 110.50 Franken pro Monat und diejenigen für junge Erwachsene um 4,4 Prozent auf 432.50 Franken pro Monat. Namentlich für die Mittelschicht, welche kein Anspruch auf Prämienverbilligung erhält, sind diese Prämienbeträge eine grosse Belastung und können gar ein Grund für Überschuldung sein und zu Armut führen. Die Beschränkung des Anstiegs der Gesundheitskosten muss daher ein zwingendes Ziel der Sozialpolitik des Bundes sein.

Ende 2016 zählte die Schweiz 42,7 Ärztinnen und Ärzte pro 10 000 Einwohnerinnen und Einwohner, was deutlich mehr ist als in den meisten OECD-Staaten. Mehr als die Hälfte davon (23,7) rechneten in einer Praxis oder ambulanten Versorgungseinrichtung erbrachte Leistungen zulasten der OKP ab. Die Situation der Kantone ist in Bezug auf die Fachärztedichte und deren Entwicklung sehr unterschiedlich. Im Dezember 2011, also vor der Aufhebung des Moratoriums, wiesen die Kantone Basel-Stadt und Genf die höchste Fachärztedichte auf. Diese war dort fast achtmal höher als in den Kantonen Uri und Obwalden. Ende 2016 war die Fachärztedichte in den Kantonen nicht einheitlicher geworden, ganz im Gegenteil, die Unterschiede haben sogar sich noch vergrössert: Die Fachärztedichte ist nun in Basel-Stadt (27,9) zehnmal höher als in Uri (2,8).

Obwohl die Ärztedichte zwischen den Kantonen relativ grosse Unterschiede aufweist, ist kein Ärztemangel festzustellen. Wie im Bericht des Bundesrats vom 3. März 2017 in Erfüllung des Postulats 16.3000 ausgeführt, wurde bereits im Jahr 2001 in einer Studie festgestellt, dass die Zufriedenheit der Bevölkerung mit den Leistungen des Gesundheitswesens, die Wahrnehmung von Anzeichen einer Rationierung ebenso
wie die Effektivität der medizinischen Versorgung, gemessen an den dank medizinischen Eingriffen vermeidbaren Todesfällen, praktisch identisch sind, trotz der teilweise eklatanten Differenzen bei der Ärztedichte. Es wurde aber beobachtet, dass die Ärztedichte einen markanten Einfluss auf die Aktivitäten (Besuche und Konsultationen) sowie auf die Kosten pro versicherte Person in der OKP hatte. Eine angemessene medizinische Versorgung der Bevölkerung mit einem gleichen Grad der Zufriedenheit kann also auch mit einer vergleichsweise geringen Ärztedichte erreicht werden, dies aber zu niedrigeren Kosten. Seit 2001 ist die Ärztedichte noch weiter angestiegen. Im ganzen Land ist der Zugang zur Gesundheitsversorgung innerhalb kurzer Frist sichergestellt. Die Möglichkeit, die Zulassung gewisser neuer Leistungserbringer in einem Kanton zu beschränken, wird somit keine negativen Auswirkungen auf die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung haben. Für neue Leistungserbringer sollen hingegen Anreize geschaffen werden, damit sie sich in Gebieten niederlassen, in denen keine Zulassungsbeschränkung

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besteht. Die Gesundheitsversorgung in den heute weniger gut versorgten Regionen wird so verbessert, ohne dass sich dadurch die Versorgungssituation in den anderen Regionen verschlechtert.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates

4.1

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage wurde weder in der Botschaft vom 27. Januar 201630 zur Legislaturplanung 2015­2019 noch im Bundesbeschluss vom 14. Juni 201631 über die Legislaturplanung 2015­2019 angekündigt.

4.2

Verhältnis zu Strategien des Bundesrates

Im Januar 2013 hat der Bundesrat die Gesamtschau «Gesundheit2020» verabschiedet (siehe Ziff. 1.3.1). Mit insgesamt 36 Massnahmen verteilt auf vier Handlungsfelder soll die Lebensqualität gesichert, die Chancengleichheit gestärkt, die Versorgungsqualität erhöht und die Transparenz verbessert werden. Die Zulassungsteuerung steht im Zusammenhang mit dem Handlungsfeld 4 «Transparenz» der Strategie «Gesundheit2020», wonach die Transparenz im Schweizer Gesundheitswesen über die erbrachten Leistungen, ihren Nutzen und ihre Kosten mangelhaft ist.

Gemäss der Strategie soll das Ziel «Gesundheitspolitische Steuerung verbessern» mit folgenden Massnahmen erreicht werden: Stärkung der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen, Einführung neuer Steuerungsmöglichkeiten, Deblockieren von Tarifverhandlungen und Optimierung der Spitalfinanzierung. Eines der im Rahmen dieses Ziels lancierten Projekte ist die «Zulassungssteuerung mittel- und langfristig». Eine der Prioritäten des Bundesrates für das Jahr 2015 war die Verabschiedung der Botschaft zu einer Teilrevision des KVG, die die Steuerung des ambulanten Bereichs zum Ziel hatte (siehe Ziff. 1.1.2). Nachdem die Vorlage vom Nationalrat in der Schlussabstimmung am 18. Dezember 2015 knapp abgelehnt worden war, ging es 2016 darum, zum einen Artikel 55a KVG zu verlängern und zum anderen einen Bericht gemäss dem Postulat 16.3000 der SGK-S zu erarbeiten und zu verabschieden. Dieser Bericht wurde dem Parlament schliesslich am 3. März 2017 unterbreitet (siehe Ziff. 1.1.2). Die Verabschiedung der vorliegenden Botschaft gehört zu den Zielen des Bundesrates für 2018.

Ein anderes Ziel des Bundesrates für 2015 bestand in der Förderung der Leistungsund Versorgungsqualität im Rahmen des Handlungsfelds «Versorgungsqualität sichern und erhöhen». Mit der Verabschiedung der Botschaft vom 4. Dezember 201532 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit) sowie mit der Weiterführung der nationalen 30 31 32

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Pilotprojekte zur Verbesserung der Patientensicherheit und der Projekte zur Erhöhung der Transparenz (Entwicklung von Qualitätsindikatoren) soll dieses Ziel weitgehend erreicht werden. Im Jahr 2016 standen die parlamentarischen Beratungen zur Vorlage über die Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit im Zentrum der Legislaturplanung. Während der Ständerat als Erstrat Nichteintreten auf die Vorlage beschloss, hat die SGK-N Eintreten beschlossen. Die Kommission führt zurzeit die Detailberatung der Vorlage durch. Der Schwerpunkt für die kommenden Jahre liegt im Ausbau der nationalen Programme, aber auch in der Ausweitung der Arbeiten bezüglich Transparenz und Qualität auf den ärztlichen Sektor im ambulanten Bereich.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage beruht auf Artikel 117 BV, der dem Bund eine umfassende Kompetenz in Bezug auf die Organisation der Krankenversicherung erteilt. Die Zulassung zur Tätigkeit zulasten der OKP ist der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) weitestgehend entzogen und soll im vorliegenden Kontext lediglich gewährleisten, dass die Beschränkungen der Zulassungen zur Tätigkeit zulasten der Krankenversicherung auf Kriterien beruhen, die den Grundsatz der Gleichbehandlung von Konkurrenten angemessen berücksichtigen33. Die Einführung eines förmlichen Zulassungsverfahrens nach Artikel 36 E-KVG, die Festlegung der Zulassungsvoraussetzungen nach Artikel 36a Absätze 1 und 2 und 37 E-KVG und die Möglichkeit zur Einschränkung der Zulassung anhand der Festlegung von Höchstzahlen in einem oder mehreren ambulanten medizinischen Fachgebieten oder in bestimmten Regionen nach Artikel 55a E-KVG halten sich diesbezüglich an den Grundsatz der Gleichbehandlung von Konkurrenten.

Die Vorlage bildet sodann eine klare formelle Grundlage, auf der die Einschränkungen konform abgestützt werden können. Das Bundesgericht vertrat in der Vergangenheit die Ansicht, dass Artikel 117 BV als implizite Verfassungsgrundlage für eine Bestimmung betrachtet werden kann, welche die Eindämmung der Gesundheitskosten (und damit der Krankenkassenprämien) bezweckt. Die Festlegung von Höchstzahlen ist verhältnismässig, da sich diese auf eines oder mehrere Fachgebiete und auf bestimmte Kantonsregionen beziehen muss und die betroffenen Leistungserbringer angesichts der ganz unterschiedlichen Versorgungssituationen auf dem Schweizer Staatsgebiet nicht daran gehindert werden, ihren Beruf auszuüben. Alsdann ist das Vertrauensprinzip gewährleistet, da die vor Inkrafttreten der Höchstzahlen zugelassenen Leistungserbringer das Recht, zulasten der OKP tätig zu sein, behalten. Schliesslich verzerrt der Entwurf den Wettbewerb nicht, denn neue Mitstreiterinnen und Mitstreiter werden nicht dauerhaft oder vollständig vom Markt ausgeschlossen, sondern haben aufgrund von im Voraus festgelegten, transparenten Kriterien nach Artikel 36 ff. beziehungsweise Artikel 55a E-KVG einen beschränkten oder aber erleichterten Zugang. Diesbezüglich ist auf das Bundesgericht hinzu33

BGE 130 I 26 Erw. 4.5; 132 V 6 Erw. 2.5.3 ff.

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weisen, wonach die Wirtschaftsfreiheit, wenn sie keinen Anspruch auf staatliche Förderung von Betrieben gewährt, auch den privat praktizierenden Ärztinnen und Ärzten kein Recht verschaffen kann, in beliebiger Höhe Leistungen zulasten der sozialen Krankenversicherung zu erbringen34.

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Artikel 3 des Vertrags über die Europäische Union35 überträgt der Europäischen Union die Aufgabe, die soziale Gerechtigkeit und den sozialen Schutz zu fördern.

Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen innerhalb der Union ist in Artikel 45 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union36 (AEUV) geregelt. Ziel des FZA ist es insbesondere, den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Schweiz ein Recht auf Einreise, Aufenthalt, Zugang zu einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit und Niederlassung als Selbstständige sowie das Recht auf Verbleib im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien einzuräumen (Art. 1 Bst. a FZA). Artikel 1 Buchstabe d FZA sieht ebenfalls vor, dass den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Schweiz gleiche Lebens-, Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen wie für Inländerinnen und Inländer eingeräumt werden. Es ist daher vorgesehen, dass die Staatsangehörigen einer Vertragspartei, die sich rechtmässig im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei aufhalten, nicht aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit diskriminiert werden (Art. 2 FZA) und dass das Recht auf Aufenthalt und Zugang zu einer Erwerbstätigkeit gemäss den Regeln in Anhang I FZA eingeräumt wird (Art. 4 FZA). Dementsprechend sieht das FZA in Artikel 7 Buchstabe a vor, dass die Vertragsparteien insbesondere das Recht auf Gleichbehandlung mit den Inländern und Inländerinnen in Bezug auf den Zugang zu einer Erwerbstätigkeit und deren Ausübung sowie auf die Lebens-, Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen regeln.

Die Personenfreizügigkeit verlangt eine Koordination der einzelstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit, wie dies Artikel 48 AEUV vorsieht. Das Recht der Europäischen Union sieht jedoch keine Harmonisierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit vor. Die Mitgliedstaaten können die Ausgestaltung, den persönlichen Geltungsbereich, die Finanzierungsmodalitäten sowie die Organisation ihrer Systeme der sozialen Sicherheit weiterhin bestimmen. Die Koordination der einzelstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit wird durch die Verordnung (EG)

34 35 36

BGE 130 I 26 Erw. 4.5 ABl. C 191 vom 29.7.1992, S.1.

ABl. C 326 vom 26.10.2012, S.1.

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Nr. 883/200437 und die Durchführungsverordnung Nr. 987/200938 umgesetzt, zu deren Vollzug die Schweiz nach den Artikeln 8 und 16 Absatz 1 und nach Anhang II FZA verpflichtet ist.

Neben den erwähnten Anhängen I und II des FZA ist ebenfalls auf Anhang III des FZA (gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen) zu verweisen, welcher zum Ziel hat, den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Schweiz den Zugang zu einer Erwerbstätigkeit und deren Ausübung zu erleichtern. Ebenso ist Artikel 55 der Richtlinie 2005/36/EG zu beachten, welcher Grundsätze zur Kassenzulassung der Ärzte und Ärztinnen festlegt.

Der ambulante Bereich wird in sehr vielen Ländern auf die eine oder andere Weise gesteuert (vgl. Ziff. 1.5), unter Einhaltung der international vereinbarten Regeln. Das europäische Recht setzt zwar auf dem Gebiet der Personenfreizügigkeit Normen fest, jedoch ohne die nationalen Systeme der sozialen Sicherheit zu harmonisieren.

Die Staaten sind daher frei, diese Fragen nach ihren eigenen Vorstellungen zu regeln.

In diesem Sinne verstösst die neue Regelung in Artikel 37 Absatz 1 E-KVG (Nachweis der für die Qualität der Leistungserbringung notwendigen Kenntnisse des schweizerischen Gesundheitssystems und Prüfung) nicht gegen das FZA, da sie die Kassenzulassung für Personen, welche ihr Arztdiplom im EU-Ausland erworben haben, nicht von einem Vorbereitungslehrgang und/oder einer Berufserfahrung gemäss Artikel 55 der Richtlinie 2005/36/EG abhängig macht. Die Ausnahmeregelung in Artikel 37 Absatz 2 E-KVG, wonach Ärztinnen und Ärzte, die mindestens drei Jahre an einer anerkannten schweizerischen Weiterbildungsstätte gearbeitet haben, von der Prüfung dispensiert sind, kann zudem mit dem öffentlichen Interesse der Patientensicherheit und der Sicherung der Qualität des schweizerischen Gesundheitssystems gerechtfertigt werden. Ebenso ist sie verhältnismässig. Dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit wird auch bei der konkreten Umsetzung der Massnahmen Rechnung getragen. Die Gesetzesvorlage ist in diesem Sinne mit dem FZA kompatibel. Angesichts der neusten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts betreffend der aktuellen Ausnahmeregelung in Artikel 55a Absatz 2 KVG, wonach die Personenfreizügigkeit aus Gründen der öffentlichen Gesundheit eingeschränkt werden kann, kann davon
ausgegangen werden, dass die Ausnahmeregelung in Artikel 37 Absatz 2 E-KVG von den Gerichten als mit dem FZA vereinbar beurteilt wird (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C-4852/2015 vom 8. März 2018 E. 9.6).

37

38

Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit1, ABl. L 166 vom 30.4.2004, S. 1; eine unverbindliche, konsolidierte Fassung dieser Verordnung ist veröffentlicht in SR 0.831.109.268.1.

Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit1, ABl. L 284 vom 30.10.2009, S. 1; eine unverbindliche, konsolidierte Fassung dieser Verordnung ist veröffentlicht in SR 0.831.109.268.11.

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5.3

Erlassform

Nach Artikel 164 BV sind alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen. Diesem Erfordernis wird der Erlass des vorliegenden Gesetzes gerecht.

Bundesgesetze unterliegen nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe a BV dem fakultativen Referendum. Die Vorlage sieht explizit das fakultative Referendum vor.

5.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV sieht zum Zweck der Ausgabenbegrenzung vor, dass Subventionsbestimmungen und Verpflichtungskredite sowie Zahlungsrahmen, die neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen, in jedem der beiden Räte der Zustimmung der Mehrheit aller Mitglieder bedürfen. Weil die Vorlage weder Subventionsbestimmungen noch Finanzierungsbeschlüsse beinhaltet, unterliegt das Geschäft nicht der Ausgabenbremse.

5.5

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Artikel 96 KVG erteilt dem Bundesrat die Kompetenz, Ausführungsbestimmungen im Bereich der sozialen Krankenversicherung zu erlassen. Der vorliegende Entwurf ermächtigt ihn zum Erlass von Bestimmungen im folgenden Bereich: ­

Regelung der Zulassung der Leistungserbringer und Festlegung von Auflagen in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit und Qualität (Art. 36a Abs. 1 und 2 E-KVG);

­

Festlegung von Auflagen (Art. 36a Abs. 3 E-KVG);

­

Vorgabe eines Prüfungsverfahrens betreffend des Nachweises der für die Qualität der Leistungserbringung notwendigen Kenntnisse des schweizerischen Gesundheitssystems und Festlegung des Verfahrens inklusive Regelung der Aufgaben und Kompetenzen der Kommission (Art. 37 E-KVG);

­

Festlegung von weiteren Kriterien und methodischen Grundsätzen für die Bestimmung der Höchstzahlen der Personen nach Artikel 55a Absatz 1 E-KVG (Art. 55a Abs. 2 E-KVG).

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