17.072 Botschaft über die Genehmigung der Vereinbarung zwischen der Schweiz, Deutschland und dem Obersten Hauptquartier der Alliierten Streitkräfte in Europa (SHAPE) über die Teilnahme der Schweiz an Air Situation Data Exchange (ASDE) vom 1. Dezember 2017

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen hiermit, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zu einem einfachen Bundesbeschluss zur Genehmigung der Vereinbarung zwischen der Schweiz, Deutschland und dem Obersten Hauptquartier der Alliierten Streitkräfte in Europa (Supreme Headquarters Allied Powers Europe, SHAPE) über die Teilnahme der Schweiz am Air Situation Data Exchange (ASDE).

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

1. Dezember 2017

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Doris Leuthard Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2017-0592

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Übersicht Der Bundesrat beantragt die Genehmigung einer Vereinbarung zwischen der Schweiz, Deutschland und der Nato, um die Qualität der Luftraumüberwachung in der Schweiz zu sichern und zu verbessern.

Ausgangslage Die intensive Nutzung des Schweizer Luftraumes verlangt nach einer hohen Qualität des Luftlagebildes, d. h. der Übersicht über die aktuelle Verkehrssituation im Luftraum. Dessen geringe Grösse macht es notwendig, das Luftlagebild des benachbarten Auslandes einzubeziehen, da sonst die Reaktionszeiten für luftpolizeiliche Interventionen der Schweiz sehr kurz wären. Deshalb hat die Schweiz mit allen Nachbarstaaten ­ ausser dem Fürstentum Liechtenstein ­ bilaterale Luftpolizeiabkommen abgeschlossen, die auch den Austausch des Luftlagebildes einschliessen.

Aus technischen und finanziellen Gründen gehen benachbarte Nato-Staaten dazu über, ihr Luftlagebild nicht mehr national, sondern im Rahmen der Nato zu generieren. Italien hat diesen Schritt bereits vollzogen, während Frankreich ihn angekündigt hat. Dies hat zur Folge, dass die Schweiz diese Datenquellen verliert oder verlieren wird.

Gleichzeitig bietet die Nato den Staaten, die an der Partnerschaft für den Frieden (PfP) teilnehmen, das Programm «Air Situation Data Exchange» (ASDE) an. Dabei übermittelt die Nato den teilnehmenden PfP-Staaten auf individueller Basis die Daten aus ihrem umfassenden Luftlagebild, die für die Wahrnehmung der Luftpolizeiaufgaben einsatzrelevant sind. Vertrauliche militärische Daten werden nicht übermittelt. ASDE basiert auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit, sodass auch die Schweiz keine militärisch sensiblen Daten übermittelt.

Mit der Teilnahme an ASDE werden die grenzüberschreitende Koordination bei der Durchführung von Luftpolizeimassnahmen verbessert sowie die Vorwarn- und Reaktionszeiten für die Schweizer Luftwaffe im Luftpolizeidienst verlängert. Andere neutrale oder allianzfreie Staaten wie Finnland, Österreich oder Schweden nehmen bereits an ASDE teil und äussern sich sehr positiv über die Qualität des Systems.

Aus neutralitätsrechtlicher Sicht ist die Teilnahme der Schweiz an ASDE unproblematisch, da nur Daten aus dem nationalen Luftlagebild übermittelt werden, die im Rahmen der Luftpolizeiaufgaben und zur Verbesserung der Sicherheit im Luftraum relevant sind. Informationen zur Luftverteidigung werden
nicht übermittelt. Folglich tauscht die Schweiz über ASDE keine Daten aus, die eine Konfliktpartei in einem internationalen bewaffneten Konflikt begünstigen könnten.

Darüber hinaus enthält die Vereinbarung eine Suspendierungsklausel. Diese räumt der Schweiz das Recht ein, jederzeit den Datenaustausch via ASDE einseitig einzustellen. Damit kann zweifelsfrei sichergestellt werden, dass die Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit der Schweizer Neutralität durch eine Teilnahme an ASDE nicht in Frage gestellt wird.

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Die vorliegende Vereinbarung über ASDE regelt die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz, Deutschland und dem Obersten Hauptquartier der Alliierten Streitkräfte in Europa (Supreme Headquarters Allied Powers Europe, SHAPE). Der Einbezug aller drei Parteien ist notwendig, weil SHAPE das System ASDE betreibt, jedoch über keine direkte Verbindung mit der Schweiz verfügt. Diese wird durch Deutschland hergestellt. Die Vereinbarung legt die Zusammenarbeit der Beteiligten fest. Da ASDE im Wesentlichen ein Datenaustausch auf elektronischer Ebene ist, sind zahlreiche technische Details zu regeln, die sich aufgrund des technischen Fortschritts rasch ändern können. Diesem Umstand wird in der Vereinbarung Rechnung getragen, indem die entsprechenden Referenzdokumente in Anhang A erwähnt werden und deren technische Anpassung ermöglicht wird, ohne dass die Vereinbarung jedes Mal formell geändert werden müsste. Gleichzeitig wird festgehalten, dass die Vereinbarung in jedem Fall den technischen Anpassungen vorgeht und diese nie die in der Vereinbarung vereinbarten Rechte und Pflichten abändern dürfen. Damit ist ein optimales technisches Funktionieren in einem stabilen rechtlichen und politischen Rahmen gewährleistet.

Die Erstellung der Schnittstelle zu ASDE kostet einmalig 1,2 Millionen Franken, während die Betriebskosten des Datenaustausches mit 0,2 Millionen. Franken pro Jahr veranschlagt werden. Für die Teilnahme an ASDE sind keine Jahres- oder Teilnahmegebühren zu entrichten. Im personellen Bereich sind keine zusätzlichen Ressourcen notwendig. Das technische Umsetzungsrisiko wird als klein beurteilt.

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

Das aktuelle Luftlagebild, d. h. die Übersicht über die aktuelle Verkehrssituation im Luftraum, ist wichtig. Die Qualität des Luftlagebildes wirkt sich direkt auf die Sicherheit im Luftraum und auf die Wirksamkeit des Schweizer Luftpolizeidienstes aus: Das Luftlagebild ist die Basis für die Wahrung der Hoheit im Luftraum und die Durchsetzung der Luftverkehrsregeln.

Die geringe geografische Grösse des Schweizer Luftraumes macht es notwendig, dass das Luftlagebild des benachbarten Auslandes einbezogen wird. Sonst wären die Reaktionszeiten für luftpolizeiliche Interventionen der Schweizer Luftwaffe innerhalb des eigenen Luftraumes sehr kurz.

Deshalb hat die Schweiz mit allen Nachbarstaaten ­ ohne Fürstentum Liechtenstein ­ Luftpolizeiabkommen abgeschlossen1, die auch den Austausch des Luftlagebildes im Aufgabenbereich des Luftpolizeidienstes vorsehen. Insbesondere bei Grossanlässen wie dem jährlich stattfindenden WEF, dem Frankophoniegipfel von 2010, der Syrien-Konferenzen 2014 in Genf oder der OSZE-Ministerratstagung 2014 in Basel haben diese Abkommen die grenzüberschreitende Kooperation erleichtert und so zum Schutz des Schweizer Luftraums beigetragen.

Die Wichtigkeit der frühzeitigen Erkennung von Situationen, bei denen eine luftpolizeiliche Aktion notwendig ist, wird regelmässig im normalen Flugverkehr deutlich. So musste im Juli 2016 eine israelische Passagiermaschine auf ihrem regulären Flug von New York nach Tel Aviv über dem Schweizer Luftraum begleitet werden, da es Hinweise auf eine Bombe an Bord gab. Dieser Überflug dauerte rund sieben Minuten. Ohne Austausch des Luftlagebildes mit den Nachbarstaaten und der sofortigen und eindeutigen Identifizierung durch die verschiedenen nationalen Einsatzzentralen wäre es erheblich zeitaufwendiger und schwieriger gewesen, die notwendigen Abfangmanöver zu koordinieren, zumal im Schweizer Luftraum stets eine Vielzahl von Objekten gleichzeitig unterwegs ist.

Benachbarte Nato-Mitgliedstaaten gehen nun aber dazu über, die Datenherrschaft über ihre nationale Luftlage an die Nato abzugeben (Italien) oder ihre eigenen Kapazitäten zur Verbreitung des Luftlagebildes aufzugeben und auf die von der Nato angebotene technische Lösung umzusteigen (Ankündigung Frankreichs). Als Gründe für diese Schritte werden der technologische Fortschritt und finanzielle
Restriktionen auf nationaler Ebene angegeben.

Diese Entwicklungen haben zur Folge, dass der Austausch der Luftlagebilder mit unseren Nachbarn, wie er in den bilateralen Luftpolizeiabkommen vereinbart ist, in absehbarer Zeit nicht mehr möglich sein wird und die Schweiz diese Informationsquelle verliert oder verlieren wird.

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Mit Frankreich: SR 0.513.234.91; mit Italien: SR 0.513.245.41; mit Deutschland: SR 0.513.213.61; mit Österreich: SR 0.513.216.31.

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Gleichzeitig bietet die Nato für Staaten, die an der Partnerschaft für den Frieden (Partnership for Peace, PfP) teilnehmen, das Programm ASDE ­ Air Situation Data Exchange ­ an. Mit ASDE übermittelt die Nato den teilnehmenden PfP-Staaten auf individueller Basis jene Daten aus ihrem umfassenden Luftlagebild, welche für die Luftpolizeiaufgaben des betreffenden Staates einsatzrelevant sind. Mit diesen Luftlagedaten werden die grenzüberschreitende Koordination bei der Durchführung von Luftpolizeimassnahmen verbessert sowie die Vorwarn- und Reaktionszeiten der Schweizer Luftwaffe für den Luftpolizeidienst verlängert.

Vertrauliche militärische Angaben im Luftlagebild der Nato werden mit ASDE nicht an die PfP-Staaten weitergegeben. Das Gleiche gilt auch für die Gegenrichtung: Auch die Schweiz wird der Nato keine militärisch sensiblen Daten übermitteln.

Indem ASDE keine vertraulichen Angaben über das militärische Luftlagebild der Nato bzw. des Partnerstaates liefert, eignet es sich nur für den Luftpolizeidienst, nicht aber zur Luftverteidigung gegen militärische Objekte.

Bereits heute wird ASDE von einigen PfP-Staaten zur Ergänzung ihres jeweiligen Luftlagebildes genutzt, so z. B. auch von den allianzfreien oder neutralen Staaten wie Finnland, Österreich und Schweden.2 In bilateralen Kontakten mit diesen Staaten wurde deutlich, dass sie ASDE im gleichen Umfang nutzen, wie es die Schweiz beabsichtigt, nämlich zur Ergänzung des nationalen Luftlagebildes in Friedenszeiten. Die Schweiz hält in den zu ASDE gehörenden technischen Vereinbarungen denn auch fest, dass sie am Datenaustausch via ASDE ausschliesslich im Modus für Friedenszeiten und für Übungen im Luftpolizeidienst teilnimmt.

ASDE steht in keiner Konkurrenz zur zivilen Luftraumüberwachung, die sich auf kooperative Luftraumbenutzer beschränkt, oder zu Projekten wie «Single European Sky» o. Ä. Vielmehr ergänzt ASDE die nationale militärische Luftraumüberwachung im Bereich der Luftpolizei, erlaubt eine eindeutige Identifikation der einzelnen Elemente im Luftraum über die Grenze hinweg und trägt so zur Erhöhung der Sicherheit und Effektivität des Luftpolizeidienstes bei.

Im Hinblick auf den Wegfall des bilateralen Austausches der Luftlagebilder mit unseren Nachbarstaaten bietet ASDE der Schweiz eine rasch umsetzbare Lösung, um das eigene Luftlagebild
zu ergänzen und damit die Wirksamkeit des eigenen Luftpolizeidienstes weiterhin sicherzustellen. Hinzu kommt, dass bei einem allfälligen Teilausfall des Schweizer Luftraumüberwachungssystems (Florako) ASDE weiterhin Daten liefert.

2

Weitere zu ASDE zugelassene Staaten sind Bosnien-Herzegowina, Georgien, Mazedonien, Moldova, Montenegro und die Ukraine. Ein Teil dieser Staaten ist jedoch technisch noch nicht in der Lage, an ASDE teilzunehmen.

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1.2

Verhältnis zur Neutralität

Die Teilnahme der Schweiz an ASDE ist sowohl aus neutralitätsrechtlicher als auch aus neutralitätspolitischer Sicht unproblematisch.

Aus neutralitätsrechtlicher Sicht ist die Teilnahme der Schweiz an ASDE unproblematisch, weil nur jene Daten aus dem Luftlagebild übermittelt werden, die für Luftpolizeiaufgaben und zur Verbesserung der Sicherheit im Luftraum relevant sind.

Militärische Informationen aus dem Luftlagebild zur Luftverteidigung oder zu entsprechenden Übungen werden nicht ausgetauscht. Die Schweiz übermittelt via ASDE also keine Daten, die eine Konfliktpartei in einem internationalen bewaffneten Konflikt begünstigen könnten.

Auch wenn keine militärische Unterstützung vorliegt, ist dennoch aus neutralitätspolitischer Sicht sicherzustellen, dass die Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit der schweizerischen Neutralität durch die Teilnahme an ASDE nicht in Frage gestellt wird. Deshalb wurde in der Vereinbarung in Artikel 8.2 eine Suspendierungsklausel aufgenommen, die der Schweiz das Recht einräumt, jederzeit einseitig den Datenaustausch über ASDE zu suspendieren, sofern sie dies zur Aufrechterhaltung ihrer Neutralität als notwendig erachtet. Die Suspendierung tritt mit schriftlicher Notifikation durch die Schweiz an die Vertragspartner in Kraft (Art. 8.2). Das ordentliche Kündigungsrecht mit einer Frist von sechs Monaten (Art. 8.1) bleibt während dieser Zeit bestehen und könnte durch die Schweiz genutzt werden, sofern dieser weitergehende Schritt notwendig erschiene.

Will die Schweiz die Suspendierung beenden und den Datenaustausch über ASDE wieder aufnehmen, so kann sie dies gemäss Art. 8.2 Buchstabe a einleiten, sobald beide Seiten die technischen Voraussetzungen für die erneute Zusammenarbeit geschaffen haben (z. B. die Vornahme von Updates, die während des unterbrochenen Datenaustausches auf Seiten der Nato vorgenommen wurden; Art. 8.2 Bst. b).

Die Schweiz verpflichtet sich zudem, für die Kosten aufzukommen, die durch die Suspendierung entstanden sind (Art. 8.2 Bst. c).

Mit dieser Suspendierungsklausel werden sämtliche Aspekte im Sinne der Schweiz geregelt: Die Schweiz entscheidet selbstständig und kann jederzeit eine Suspendierung erwirken, wenn sie den Datenaustausch über ASDE in Bezug auf die Neutralität als problematisch einstuft. Damit ist sichergestellt, dass die Glaubwürdigkeit
des völkerrechtlichen Status der Schweiz als neutraler Staat stets gewahrt werden kann.

Über Suspendierung und deren allfällige Beendigung entscheidet der Bundesrat.

1.3

Haltung des Bundesrates

Die Qualität des Luftlagebildes ist Grundlage für eine optimale Sicherheit im Luftraum. Bisher wurde der dafür notwendige Datenaustausch mit den Nachbarstaaten auf bilateraler Ebene geregelt. Wegen der jüngsten Entwicklungen ist diese Lösung mit Nachbarstaaten, die der Nato angehören, nicht mehr zukunftstauglich. Es liegt nicht im Interesse der Schweiz, auf diesen Datenaustausch dauernd zu verzichten, weil dies der Sicherheit im Luftraum stark abträglich wäre.

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ASDE bietet eine gute Möglichkeit, die sich öffnenden Lücken im Datenaustausch mit den Nachbarstaaten für das Luftlagebild rasch und vollständig zu schliessen. Die Schweiz geht bei einer Teilnahme an ASDE auch keine präjudizierenden Verpflichtungen ein: Weder ist sie bei der Erstellung des eigenen nationalen Luftlagebildes von der Nato abhängig, da ASDE ergänzt und präzisiert, noch liefert sie der Nato Daten, die über die zivile Luftfahrt oder den eigenen Luftpolizeidienst hinausgehen.

Vielmehr behält die Schweiz die volle Souveränität.

Dies wird auch durch die Tatsache unterstrichen, dass die Vereinbarung eine Suspendierungsklausel enthält. Damit ist sichergestellt, dass die Schweiz (konkret: der Bundesrat) jederzeit autonom entscheiden kann, ob aus ihrer Sicht eine temporäre Suspendierung des Datenaustausches nötig ist, um neutralitätspolitischen Erfordernissen zu genügen. Ebenso kann sie selbstständig die Beendigung der Suspendierung beschliessen, ohne dass mit der Nato Verhandlungen geführt werden müssten. Vielmehr ist die Möglichkeit der Wiederaufnahme des Datenaustausches durch die Vereinbarung ausdrücklich vorgesehen.

Die Erfahrungen Finnlands, Österreichs oder Schwedens, die an ASDE bereits teilnehmen, machen deutlich, dass ASDE wie gewünscht funktioniert: Diese Staaten nutzen ASDE in der normalen Lage zur Ergänzung ihrer nationalen Luftlagebilder und äussern sich sehr positiv zur Datenqualität, Verfügbarkeit und Verlässlichkeit von ASDE.

1.4

Notwendigkeit eines Vertragsabschlusses

Die Teilnahme der Schweiz an ASDE erfordert eine Regelung der Zuständigkeiten, der Tragung der Kosten sowie der technischen Grundlagen. Der Abschluss einer Vereinbarung zwischen der Schweiz, Deutschland als Anschlusspunkt für den Datenaustausch und dem Obersten Hauptquartier der Alliierten Streitkräfte in Europa (Supreme Headquarters Allied Powers Europe, SHAPE) als Betreiber von ASDE ist deshalb unumgänglich.

1.5

Verlauf der Verhandlungen

Der Bundesrat erteilte am 29. Oktober 2014 das Mandat zur Aufnahme von Verhandlungen. Im Hinblick auf eine mögliche Teilnahme der Schweiz an ASDE fanden informelle und formelle Abklärungen statt. Am 28. Oktober 2015 tauschten sich die zuständigen Stellen der Nato, von Nato-Mitgliedstaaten und der Schweiz in einer formellen Sitzung in Brüssel aus, um die Voraussetzungen und generellen Rahmenbedingungen für eine Schweizer Teilnahme zu klären. Diese Kontakte machten deutlich, dass die Schweiz alle Voraussetzungen erfüllt. Die Schweiz brachte mit Blick auf ihre Neutralität die Suspendierungsklausel ein, die von der Nato vollumfänglich akzeptiert wurde.

Am 22. Januar 2016 beschloss der Nordatlantische Rat der Nato, die Schweiz zur Teilnahme an ASDE zuzulassen. Dieser Beschluss erlaubte den zuständigen Stellen der Nato die Aufnahme der detaillierten Verhandlungen und technischen Abspra131

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chen mit der Schweiz. In der Folge wurden in mehreren Runden die notwendigen Details geklärt. Dabei wurde ein Problem technischer Natur (im Wesentlichen bezüglich der Datenübermittlungskapazitäten und -geschwindigkeiten) entdeckt, dessen Lösung zu einer Verzögerung um rund sechs Monate führte. Dieses Problem ist nunmehr geklärt. Das verbleibende technische Umsetzungsrisiko wird von beiden Seiten als klein beurteilt.

Auf Schweizer Seite wurden die Verhandlungen unter Leitung des Armeestabes (Internationale Beziehungen Verteidigung) unter Einbezug des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), des Generalsekretariats des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS), der Luftwaffe und der Führungsunterstützungsbasis der Armee geführt. Bei der Erarbeitung der Vorlage wurden das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) und das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) punktuell beigezogen oder informiert.

1.6

Verzicht auf Vernehmlassung

Die vorliegende Vereinbarung sieht keinen Beitritt zu Organisationen für kollektive Sicherheit oder zu supranationalen Gemeinschaften vor, enthält keine rechtsetzende Bestimmungen, und seine Umsetzung erfordert keinen Erlass von Bundesgesetzen.

Gestützt auf Artikel 140 Absatz 1 Buchstabe b und Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 der Bundesverfassung3 (BV) kann daher auf eine Vernehmlassung verzichtet werden.

2

Erläuterungen zum Abkommen

2.1

Überblick

Die Vereinbarung (Memorandum of Understanding) regelt die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz, Deutschland und dem Obersten Hauptquartier der Alliierten Streitkräfte in Europa (SHAPE) bezüglich der Teilnahme der Schweiz an ASDE.

Der Einbezug dieser drei Parteien ist notwendig, da das Oberste Hauptquartier der Alliierten Streitkräfte in Europa ASDE betreibt, jedoch über keine direkte Verbindung mit der Schweiz verfügt. Diese wird vielmehr durch Deutschland sichergestellt, wobei der Ansprechpartner für die Schweizer Luftwaffe die deutsche Luftraumüberwachungszentrale ist. Deutschland stellt auch die Übertragungsinfrastruktur bis zur Schweizer Landesgrenze bereit und sichert den Betrieb.

Die Vereinbarung selbst regelt die Rechte und Pflichten der Beteiligten. Es handelt sich über weite Strecken um einen Standardtext der Nato. Der Schweiz ist es gelungen, die für sie zentralen Aspekte zusätzlich im Vertragstext verbindlich zu verankern (Suspendierungsklausel).

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SR 101

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Da ASDE im Wesentlichen ein Datenaustausch ist, sind zahlreiche technische Details zu regeln, die sich mit der Zeit aufgrund des technischen Fortschrittes ändern können.

Diesem Umstand wird in der Vereinbarung Rechnung getragen, indem die entsprechenden Referenzdokumente in Anhang A erwähnt werden und durch die in Artikel 3 Absatz 2 bezeichneten Behörden im technischen Bereich angepasst werden können, ohne dass die Vereinbarung formell geändert werden müsste.

Gleichzeitig ist sichergestellt, dass die Vereinbarung in jedem Fall den technischen Anpassungen vorgeht und diese die in der Vereinbarung geregelten Rechte und Pflichten nicht abändern können. Durch diese flexible Struktur ist ein optimales Funktionieren in einem stabilen rechtlichen und politischen Rahmen gewährleistet.

2.2

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

Begriffsbestimmungen (Art. 1) Die technische Natur von ASDE verlangt verschiedene Begriffsdefinitionen. Besonders hervorzuheben ist, dass ASDE ein System für den Austausch von nicht-klassifizierten Daten ist. Dies bedeutet, dass jede Seite selbst für die Selektion der übermittelten Daten verantwortlich ist und sicherzustellen hat, dass keine Daten ins ASDE gelangen, die nicht ausgetauscht werden dürfen oder sollen.

Zweck (Art. 2) Die Vereinbarung regelt die Grundsätze und Verfahren für die Erstellung und den Betrieb der ASDE-Verbindung zwischen der Schweiz und der Datenübermittlungsstelle in Deutschland. Sie ist bestehendem internationalem und nationalem Recht untergeordnet, allfällige Konflikte werden zugunsten des bestehenden Rechtes gelöst.

Umfang und generelle Bestimmungen (Art. 3) Die Vereinbarung definiert den Rahmen für die Teilnahme der Schweiz an ASDE.

Mit Blick auf die Umsetzung werden die zuständigen Stellen bei den drei Vertragspartnern bezeichnet. In der Nato ist es das Oberste Hauptquartier der Alliierten Streitkräfte in Europa (SHAPE), in Deutschland das Verteidigungsministerium und in der Schweiz das VBS.

Referenzdokumente (Art. 4) Für die technischen Belange wird auf fünf Referenzdokumente verwiesen, die die Umsetzung der Vereinbarung steuern und die in Anhang A aufgelistet sind. Diese Referenzdokumente regeln die technischen Spezifikationen von ASDE und können von den in Artikel 3 bezeichneten zuständigen Stellen angepasst werden (Art. 4.2).

Diese Bestimmung begründet somit eine Delegation der Zuständigkeit zur Genehmigung von Änderungen der Referenzdokumente oder von neuen Referenzdokumenten an das VBS. Der Bundesrat kann gestützt auf Artikel 48a Absatz 1 des

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Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 19974 die Kompetenz für den Abschluss von weiteren technischen Absprachen mit beschränkter Tragweite an den Departementsbereich Verteidigung delegieren.

Gleichzeitig wird in Artikel 4.3 ausdrücklich festgehalten, dass die Referenzdokumente der Vereinbarung untergeordnet sind.

Verantwortlichkeiten (Art. 5) In diesem Artikel werden die Verantwortlichkeiten der Vertragspartner festgelegt.

Dabei kommt dem Obersten Hauptquartier der Alliierten Streitkräfte in Europa die Rolle des Systemträgers zu.

Deutschland verpflichtet sich im Wesentlichen, die Verbindung bis zur Schweizer Landesgrenze einzurichten und sämtliche betrieblichen Massnahmen zu ergreifen, um den Betrieb sicherzustellen.

Die Schweiz verpflichtet sich ihrerseits, den Betrieb von ASDE ab bzw. bis zur Landesgrenze sicherzustellen und die notwendigen Einrichtungen in der Einsatzzentrale Luftverteidigung bereitzustellen. Zudem gewährt sie Fachpersonal der Vertragspartner nach Anmeldung (vgl. auch Art. 7) Zutritt zu dem Standort, an dem die für den Austausch notwendigen Fernmeldemittel installiert sind, um technische Probleme zu lösen. Zutritt erhält auch das technische Personal zur Durchführung von Tests zur Interoperabilität, soweit dies notwendig ist. Schliesslich sichert die Schweiz zu, alle Sicherheitsbestimmungen zu erfüllen.

Finanzielle Aspekte (Art. 6) Jeder Vertragspartner trägt grundsätzlich die Kosten, die auf seiner Seite aus der Umsetzung der Vereinbarung entstehen.

Die Installation von ASDE wird durch die Nato finanziert. Allfällige technische Unterstützung zur Verbindung von ASDE zum Schweizer System Milve NG kann von der Nato auf Antrag der Schweiz gegen Bezahlung gewährt werden.

Bei Störungen muss der Vertragspartner die Kosten übernehmen, der die Störung verursacht hat. Die Verteilung der Kosten von Unterstützungs- und Unterhaltsmassnahmen wird durch die betroffenen Vertragspartner ausgehandelt.

Die anfallenden Kosten für Arbeiten wie Upgrades für Software und Hardware werden gemeinsam beschlossen und die Modalitäten der Zahlung im Einzelfall vereinbart.

Sicherheit (Art. 7) Die in ASDE ausgetauschten Daten sind nicht klassifiziert und können von den Vertragspartnern genutzt und anerkannten weiteren ASDE-Partnerstaaten weitergegeben werden. Für den Fall der Schweiz sind Deutschland, Frankreich und Italien automatisch über die Nato ins ASDE integriert. Dieser Artikel begründet auch das Recht, 4

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mit Österreich ­ einem von der NATO anerkannten ASDE-Teilnehmerstaat ­ via ASDE zusammenzuarbeiten, ohne jedoch eine Verpflichtung zu stipulieren.

Die Vertragsparteien erlauben Überprüfungen, die durch bezeichnete Expertinnen und Experten durchgeführt werden. Diese Überprüfungen müssen angekündigt und im Rahmen der bestehenden nationalen Vorschriften koordiniert werden. Unangemeldete Inspektionen muss die Schweiz somit nicht akzeptieren.

Das Oberste Hauptquartier der Alliierten Streitkräfte in Europa kann ASDE anpassen, sofern dies aus Gründen der Betriebssicherheit, der Dringlichkeit oder der Sicherheit notwendig werden sollte. Die Vertragspartner werden in diesem Fall sofort informiert und können die Teilnahme an ASDE beenden. Die Vertragsparteien haben eine entsprechende dauernde Erreichbarkeit sicherzustellen.

Beginn, Laufzeit und Beendigung (Art. 8) Die Vereinbarung tritt mit der letzten Unterzeichnung in Kraft und gilt bis zur schriftlichen Kündigung durch einen Vertragspartner, unter Einhaltung einer halbjährigen Kündigungsfrist.

In Absatz 2 ist das Recht der Schweiz festgehalten, den Datenaustausch einseitig und vorübergehend einzustellen, sofern sie dies als notwendig zur Wahrung ihrer Neutralität beurteilt. Diese Suspendierung unterscheidet sich von der Kündigung dadurch, dass die Schweiz wieder zum vollumfänglichen Datenaustausch zurückkehren kann, wenn sie dies für opportun hält.

Die Aufhebung der Suspendierung erfolgt, sobald allfällige technische Massnahmen (z. B. Updates) ausgeführt und allfällige finanzielle Aspekte geregelt sind. Die Schweiz übernimmt die Kosten, die aus dem Wiederanschluss nach Beendigung der Suspendierung resultieren.

Änderung und Auslegung (Art. 9) Die Vereinbarung kann nur schriftlich in Übereinstimmung aller Vertragspartner ergänzt oder geändert werden. Allfällige Streitfälle werden in Konsultation zwischen den Vertragspartnern beigelegt.

Ansprechpartner (Art. 10) Jeder Vertragsstaat bestimmt einen primären Ansprechpartner.

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Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die Teilnahme an ASDE verlangt, dass das bereits im Inland im Einsatz stehende System Milve NG, das zur Verbreitung des mit Florako erstellten militärischen Luftlagebildes genutzt wird, mit einer Schnittstelle zu ASDE versehen wird. Dies erfordert die Entwicklung einer Softwareapplikation, was mit einmaligen Kosten in der Grössenordnung von 1,2 Millionen Franken verbunden ist. Das technische Umset-

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zungsrisiko wird sowohl auf Schweizer Seite wie auf Seiten der Nato als klein beurteilt.

Der Betrieb des Datenaustausches zwischen der Schweiz und dem ASDE-Anschlusspunkt in Deutschland wird mit Kosten von 0,2 Millionen Franken pro Jahr veranschlagt. Für die Teilnahme an ASDE sind keine Jahres- oder Teilnahmegebühren zu entrichten.

Sämtliche mit der Teilnahme an ASDE verbundenen Kosten werden über das ordentliche Budget des VBS finanziert.

Im personellen Bereich benötigt die Teilnahme an ASDE keine zusätzlichen Ressourcen.

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Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 27. Januar 20165 zur Legislaturplanung 2015­2019 und im Bundesbeschluss vom 14. Juni 20166 über die Legislaturplanung 2015­2019 nicht erwähnt. Die Botschaft und die Vereinbarung bezüglich der Teilnahme der Schweiz an ASDE entsprechen jedoch der Leitlinie 3 in Botschaft und Bundesbeschluss zur Legislaturplanung 2015­2019, wonach die Schweiz für Sicherheit sorgt und als verlässliche Partnerin in der Welt agiert, und sie entsprechen namentlich den unter dieser Leitlinie aufgeführten Zielen: «Die Schweiz beugt Gewalt, Kriminalität und Terrorismus vor und bekämpft sie wirksam»; «Die Schweiz kennt die inneren und äusseren Bedrohungen ihrer Sicherheit und verfügt über die notwendigen Instrumente, um diesen wirksam entgegenzuwirken» und «Die Schweiz engagiert sich unter Wahrung ihrer Unabhängigkeit und Neutralität aktiv für die internationale Stabilität».

5

Verfassungsmässigkeit

Die vorliegende Vereinbarung ist ­ trotz ihrer Bezeichnung als «Memorandum of Understanding» ­ nach ihrer Natur als völkerrechtlicher Vertrag mit ausländischen Parteien zu verstehen.

Nach Artikel 54 Absatz 1 BV fallen die auswärtigen Angelegenheiten in den Zuständigkeitsbereich des Bundes. Dieser ist für den Abschluss von Verträgen mit ausländischen Staaten zuständig. Aufgrund von Artikel 166 Absatz 2 BV ist die Bundesversammlung für die Genehmigung internationaler Verträge zuständig.

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegen internationale Verträge dem fakultativen Referendum, sofern sie von unbestimmter Dauer und nicht kündbar sind, den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen oder wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder solche, deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. Die vorliegende Vereinbarung kann jederzeit gekün5 6

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digt werden (siehe Art. 8) und sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor.

Es bleibt damit zu klären, ob die Vereinbarung wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthält oder ob ihre Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. Unter rechtsetzenden Bestimmungen sind gemäss Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20027 Bestimmungen zu verstehen, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Wichtige Bestimmungen sind im Übrigen solche, welche nach innerstaatlichem Recht gemäss Artikel 164 Absatz 1 BV in einem Gesetz im formellen Sinne zu erlassen sind. Die Vereinbarung regelt den juristischen Rahmen einer Zusammenarbeit für den Datenaustausch zwischen der Nato, Deutschland und der Schweiz im Bereich der Sicherung des Luftraums. Sie bezweckt einen erleichterten systematischen Austausch von Informationen zur Luftlage im Falle einer nichtmilitärischen Bedrohung aus der Luft.

Sie enthält somit keine wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen. Zudem wird ausdrücklich festgehalten, dass die Bestimmungen dem bestehenden internationalen oder nationalen Recht untergeordnet sind und allfällige Konflikte zugunsten des bestehenden Rechtes gelöst werden (Art. 2).

Die Umsetzung der Vereinbarung erfordert keinerlei Gesetzesänderung in der Schweiz. Aus dem Vorhergehenden resultiert, dass der Bundesbeschluss über die Genehmigung dieser Vereinbarung nicht dem Staatsvertragsreferendum aufgrund von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegt.

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SR 171.10

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