16.413 Parlamentarische Initiative Keine Übernachtungsentschädigungen für nicht erfolgte Übernachtungen Bericht der Staatspolitischen Kommission des Ständerates vom 11. Oktober 2018

Sehr geehrte Frau Präsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung der Verordnung zum Parlamentsressourcengesetz.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

11. Oktober 2018

Im Namen der Kommission Die Präsidentin: Pascale Bruderer Wyss

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

1.1

Einführung und Entwicklung der Übernachtungsentschädigung

Von 1848 bis 1964 erhielten Ratsmitglieder nur Taggelder und Reiseentschädigungen, wobei das Taggeld auch die weiteren Spesen zu decken hatte: «Es dient als bescheidenes Arbeitsentgelt und zugleich als Auslagenvergütung. Die ausserhalb der Tagungsorte wohnenden Ratsmitglieder haben daraus für die Kosten ihrer Hotelunterkunft, der Verpflegung und der mit dem auswärtigen Aufenthalt notwendig zusammenhängenden Nebenausgaben aufzukommen» (Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Ergänzung des Bundesgesetzes betreffend die Taggelder und Reiseentschädigungen des Nationalrates und der Kommissionen der eidgenössischen Räte vom 8. Dezember 1950, BBl 1950 III 626). Seit 1965 wird eine Entschädigung für auswärtige Übernachtungen ausgerichtet (Bericht der Fraktionspräsidentenkonferenz vom 4. Februar 1972, BBl 1972 I 614), welche mit Artikel 1 Absatz 3 des «Bundesgesetzes über die Vergütungen an die Mitglieder des Nationalrates und der Kommissionen der eidgenössischen Räte» vom 4. Oktober 1968 eine gesetzliche Grundlage erhielt: «Die Mitglieder des Nationalrates und der Kommissionen, die nicht am Sitzungsort oder in einer seiner Vorortsgemeinden

wohnen, beziehen eine Vergütung von dreissig Franken für das Übernachten zwischen zwei Sitzungstagen». Der Anspruch bestand auch für Übernachtungen vor und nach Sitzungstagen, falls die An- oder Heimreise nicht am Sitzungstag möglich war (BBl 1968 II 483).

Die Übernachtungsentschädigung wurde in den 50 Jahren seit 1968 in mehreren Schritten von 30 auf 180 Franken erhöht. Dabei wurden auch kleinere Änderungen der Definition der Anspruchsberechtigung vorgenommen. Die unklare Formulierung «Sitzungsort und dessen Vorortsgemeinden» wurde ersetzt durch den «Umkreis von 15 Eisenbahnkilometern» (Bundesbeschluss zum Taggeldergesetz vom 28. Juni 1972), später durch den «Umkreis von 25 km Fahrstrecke mit einem öffentlichen Verkehrsmittel» (Änderung vom 4. Oktober 1996 des Bundesbeschlusses zum Taggeldergesetz).

Mit der Änderung vom 4. Oktober 1996 des Bundesbeschlusses zum Taggeldergesetz wurden die Bestimmungen aufgehoben, welche Entschädigungen für Übernachtungen vor und nach Sitzungstagen vorsahen, falls die An- oder Heimreise nicht am Sitzungstag möglich war. Dies wurde damit begründet, dass der Aufwand für die Auszahlung dieser Entschädigungen (insb. die Prüfung der Anspruchsberechtigung in jedem Einzelfall) unverhältnismässig hoch sei. Als Kompensation wurde die Distanzentschädigung entsprechend erhöht. Die Entschädigung im Einzelfall wurde also durch eine pauschale Abgeltung ersetzt (96.400 Pa.Iv. Büro-NR. Parlamentarische Entschädigungen. Änderungen. Bericht des Büros des Nationalrates vom 22. März 1996; BBl 1996 III 135).

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1.2

Geltendes Recht und Praxis

1.2.1

Distanz zwischen Wohn- und Sitzungsort

Das geltende Recht geht auf die Änderung vom 21. März 2014 der Verordnung zum Parlamentsressourcengesetz zurück (13.402 s Pa.Iv. Bü-SR. Distanz- und Übernachtungsentschädigung). Massgebend für den Anspruch auf eine Entschädigung war vorher die Distanz zwischen Wohn- und Sitzungsort, neu wurde es die Reisezeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Eine Entschädigung wurde vorher ausgerichtet, wenn der Wohnsitz des Ratsmitglieds ausserhalb eines Umkreises von 25 Kilometern vom Sitzungsort lag, neu wurde dafür eine Reisezeit von mehr als 30 Minuten mit öffentlichen Verkehrsmitteln notwendig. Für die Berechnung der Reisezeit ist gemäss den Materialien die dem Wohnsitz des Ratsmitglieds nächstgelegene, regelmässig bediente Haltestelle des öffentlichen Verkehrs massgebend.

Diese Änderung hat den Kreis der Ratsmitglieder, die keinen Anspruch auf eine Übernachtungsentschädigung haben, leicht ausgeweitet: Vorher waren es 16 Ratsmitglieder, neu 21 Ratsmitglieder (Bericht des Büros des Ständerates vom 23. August 2013, BBl 2013 7980).

Wer zwar eine Reisezeit von mehr als 30 Minuten hat, aber weniger als 10 Kilometer vom Sitzungsort wohnt, erhält gemäss der am 21. März 2014 beschlossenen Regelung ebenfalls keine Übernachtungsentschädigung. Aus den Materialien geht hervor, dass man dabei an bestimmte Wohnorte in der Agglomeration von Bern mit schlechten Verbindungen des öffentlichen Verkehrs dachte. Anwendungsfälle in der Praxis sind nicht bekannt.

1.2.2

Ausnahmeregelung

Bei der Änderung vom 21. März 2014 wurde zudem folgender Satz eingefügt: «Ratsmitglieder, welche kein Anrecht auf eine Übernachtungsentschädigung haben, erhalten diese auf Antrag ausnahmsweise für die im Rahmen ihrer parlamentarischen Tätigkeit entstandenen Übernachtungskosten».

Obwohl «kein Anrecht auf eine Übernachtungsentschädigung» besteht, kann eine Übernachtungsentschädigung beantragt werden: ­

wenn ein Ratsmitglied von seinem Wohnort aus weniger als 30 Minuten Reisezeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln benötigt oder in weniger als 10 Kilometer Luftlinie wohnt, aber ausnahmsweise am Sitzungsort übernachten muss: In der Praxis sind keine Anwendungsfälle bekannt, in welchen ausnahmsweise eine Entschädigung beansprucht wurde.

­

wenn ein Ratsmitglied Kosten für eine auswärtige Übernachtung hat, welche nicht zwischen zwei Sitzungstagen, sondern in der Nacht vor oder nach einer Sitzung nötig werden kann. Allerdings kann in diesen Fällen keine Übernachtungsentschädigung geltend gemacht werden, wenn ein Anspruch auf eine Distanzentschädigung besteht, also die Reisezeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln mehr als 1 ½ Stunden beträgt (Art. 6 Abs. 3 VPRG). Grundlage für diese einschränkende Auslegung ist die den Materialien zu entnehmende 7243

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Begründung für die Verordnungsänderung vom 4. Oktober 1996 (siehe oben Ziff. 1.1). Besteht kein Anspruch auf eine Distanzentschädigung, so wird eine Entschädigung für die Vor- oder Folgenacht bezahlt, wenn folgende Voraussetzung erfüllt ist: Die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln würde aufgrund der Anfangs- oder Endzeiten der Sitzung früher als um 6 Uhr beginnen, bzw. die Rückreise würde später als um 22 Uhr enden. Es werden etwa zehn entsprechende Entschädigungen pro Jahr ausbezahlt.

1.2.3

Form der Geltendmachung von Ansprüchen

Die Entschädigung für die auswärtige Übernachtung zwischen zwei aufeinander folgenden Sitzungstagen wird aufgrund der festgestellten Präsenz des Ratsmitgliedes an den Sitzungen automatisch ausbezahlt, also unabhängig davon, ob dem Ratsmitglied tatsächliche Übernachtungskosten entstanden sind.

Auch wenn die Ausnahmeregelung (Ziff. 1.2.2) beansprucht wird, müssen nicht «Anträge» gestellt werden, welche aufgrund von Belegen geprüft werden. Es genügt in der Praxis eine entsprechende Meldung des Ratsmitglieds.

1.3

Entstehung der Vorlage

Ständerat Joachim Eder hat am 17. März 2016 die parlamentarische Initiative «Keine Übernachtungsentschädigungen für nicht erfolgte Übernachtungen» (16.413) eingereicht. Die Initiative fordert die Ausarbeitung der nötigen rechtlichen Grundlagen, «damit Übernachtungsentschädigungen gemäss Artikel 3 der Verordnung der Bundesversammlung zum Parlamentsressourcengesetz (VPRG) nur ausbezahlt werden, wenn tatsächlich zwischen zwei aufeinanderfolgenden Sitzungstagen extern übernachtet wurde».

Sie ist eine von mehreren parlamentarischen Initiativen zum Thema «Einkommen und Infrastruktur der Ratsmitglieder» (vgl. 13.412 Pa.Iv. Leutenegger Oberholzer.

Parlamentsentschädigung. Alle Bürgerinnen und Bürger steuerlich gleich behandeln; 15.445 Pa.Iv. Aebischer Matthias. Persönliche Mitarbeitende für Parlamentsmitglieder; 16.460 Pa.Iv. Rickli Natalie. Abschaffung der Überbrückungshilfe für Ratsmitglieder; 17.435 Pa.Iv. Geissbühler. Für den Steuerzahler nachvollziehbare Spesenentschädigungen; 17.436 n Pa.Iv. Geissbühler. Anpassung der Entschädigung beim Vorstellen von parlamentarischen Initiativen in der Kommission auf 200 Franken; 17.505 Pa.Iv. Köppel. Halbierung der Bezüge von Parlamentariern und Parlamentarierinnen).

Am 20. Juni 2016 wurde die Initiative Eder (16.413) zum ersten Mal in der Staatspolitischen Kommission des Ständerrates (SPK-SR) traktandiert. Da eine Studie zum Einkommen und dem Arbeitsaufwand der Bundesparlamentarierinnen und

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-parlamentarier1 für das Frühjahr 2017 in Aussicht stand, wurde das Geschäft sistiert, um die oben erwähnten parlamentarischen Initiativen im Rahmen einer Gesamtschau zu beurteilen.

Am 19. Juni 2017 lag der entsprechende Bericht vor. Mit 8 zu 5 Stimmen lehnte die SPK-SR einen Antrag für die Ausarbeitung einer Kommissionsinitiative für eine grundlegende Überprüfung und Reform der geltenden Regelung des parlamentarischen Einkommens und der Entschädigungen ab. In diesem grösseren Rahmen hätten auch die Forderungen der verschiedenen parlamentarischen Initiativen geprüft werden können. Die Studie zeigte nach Ansicht der Kommission auf, dass die geltende Regelung einerseits den verschiedenen Voraussetzungen der Parlamentsmitglieder gerecht wird, andererseits aber keine übermässige Bürokratie verursacht. An derselben Sitzung wurde aber der Initiative Eder (16.413) mit 7 zu 3 Stimmen und 3 Enthaltungen Folge gegeben.

Am 17. August 2017 nahm auch die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK-NR) von der Studie Kenntnis. Wie ihre Schwesterkommission lehnte auch sie Anträge für die Ausarbeitung einer umfassenden Vorlage für ein reformiertes Entschädigungssystem mit 12 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung bzw. 16 zu 8 Stimmen ab. Sie schloss sich auch bei der Initiative Eder (16.413) der SPK-SR an und stimmte dem Folgegeben mit 13 zu 10 Stimmen bei 1 Enthaltung zu.

Anders als die beiden SPK beschloss das Büro des Nationalrates (Büro NR) am 26. Februar 2018, eine grundlegende Reform auszuarbeiten: «Die aktuelle Regelung, die auf tätigkeits- beziehungsweise anwesenheitsbezogenen Bezügen basiert, soll durch ein Modell ersetzt werden, das auf einer einmaligen Entschädigung beruht, die alle Grundkosten eines Parlamentsmandats abdeckt» (18.403). Nachdem dieser Entscheid am 4. Mai 2018 im Büro des Ständerates keine Zustimmung erhielt, beschloss das Büro-NR am 23. August 2018, dieses Projekt nicht weiter zu verfolgen.

Am 11. Oktober 2018 hat die SPK des Ständerates den Vorentwurf ihres Sekretariates für die Umsetzung der Initiative Eder beraten und in der Gesamtabstimmung mit 10 Stimmen gegen 1 Stimme bei einer Enthaltung angenommen.

2

Grundzüge der Vorlage

Wie in Ziff. 1.3 dargelegt, geniesst das aktuelle Entschädigungssystem für Mitglieder der eidgenössischen Parlamente im Grossen und Ganzen eine breite Akzeptanz.

Es nimmt gebührend Rücksicht auf individuelle Voraussetzungen (z.B. mittels der Distanzentschädigung für Parlamentarierinnen und Parlamentarier mit langen Anreisewegen), verursacht aber dank Pauschalbeiträgen keinen grossen administrativen Aufwand. Hingegen findet eine Mehrheit der SPK beider Räte, dass eine steuerfreie 1

Pascal Sciarini, Frédéric Varone, Giovanni Ferro-Luzzi, Fabio Cappelletti, Vahan Garibian und Ismail Muller: Studie über das Einkommen und den Arbeitsaufwand der Bundesparlamentarierinnen und Bundesparlamentarier. Département de science politique et relations internationales und Institut de recherche appliquée en économie et gestion (IREG), Universität Genf. Schlussbericht, 25. April 2017.

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Übernachtungspauschale nur dann ausgerichtet werden soll, wenn auch tatsächliche Kosten anfallen. Diese Entschädigung gehört nicht zum steuerbaren Lohn, sondern sie soll effektive Mehrausgaben decken. Heute wird aber eine Entschädigung für die auswärtige Übernachtung zwischen zwei aufeinander folgenden Sitzungstagen aufgrund der festgestellten Präsenz des Ratsmitgliedes an den Sitzungen automatisch ausbezahlt, also unabhängig davon, ob dem Ratsmitglied tatsächliche Übernachtungskosten entstanden sind. Die jetzige Regelung ist ungerecht gegenüber denjenigen, die reale Ausgaben haben, denn Ratsmitglieder, die an ihrem Wohnort oder anderswo unentgeltlich übernachten, erhalten einen ungerechtfertigten Zuschuss. Diese Praxis ist auch für die Öffentlichkeit nicht nachvollziehbar.

Die Anpassung der Verordnung zielt darauf ab, die Auszahlung der Übernachtungsentschädigung an die Bedingung zu knüpfen, dass tatsächlich Übernachtungskosten entstanden sind. Die Neuerung soll aber keinen grossen administrativen Aufwand auslösen, weder für die Ratsmitglieder selbst noch für die Verwaltung, welche für die Auszahlung der Spesen zuständig ist. Die Ratsmitglieder melden mit einem einfachen System an, ob sie die Übernachtungsentschädigung geltend machen, und reichen einen Beleg ein (Hotelabrechnung, Mietvertrag, o.ä.). Es wird nach wie vor eine Pauschale pro Übernachtung ausbezahlt; es werden nicht die tatsächlichen Auslagen rückerstattet. Die Parlamentsdienste können im Auftrag der Verwaltungsdelegation der Bundesversammlung Stichproben vornehmen, ob der Anspruch auf eine Übernachtungsentschädigung besteht und ob die erforderlichen Belege vorliegen.

Die Kommissionsminderheit (Müller Philipp, Abate, Engler, Lombardi, Müller Damian, Stöckli) will auf die Belegpflicht und die damit verbundene Kontrollmöglichkeit verzichten. Es gilt der Grundsatz der Selbstverantwortung des Ratsmitglieds.

Damit kann der administrative Aufwand für die Parlamentsdienste und für die einzelnen Ratsmitglieder vermindert werden.

3

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

Art. 3 Abs. 2 Der Inhalt des bisherigen Absatzes 2 wird auf drei Absätze aufgeteilt, um eine übersichtlichere Darstellung zu ermöglichen.

Der neue Absatz 2 stellt klar, dass die Entschädigung für Übernachtungen zwischen zwei Tagen, an denen das Ratsmitglied Anspruch auf ein Taggeld hat, nicht mehr automatisch ausgerichtet wird. Damit eine Übernachtungsentschädigung ausbezahlt wird, muss das Ratsmitglied aktiv werden und seinen Anspruch geltend machen.

Voraussetzung ist, dass Auslagen entstanden sind, d.h. Hotelkosten, die Miete für eine Wohnung oder Ähnliches. Ausbezahlt wird in jedem Fall die Pauschale von 180 Franken gemäss Artikel 3 Absatz 1 VPRG.

Die Modalitäten der Meldung eines Anspruches auf eine Übernachtungsentschädigung müssen durch die Verwaltungsdelegation festgelegt werden.

Das Ratsmitglied meldet an, dass es eine Entschädigung beansprucht, und legt dieser Meldung einen Beleg (Hotelrechnung, Mietvertrag oder Ähnliches) bei. Dies ermög7246

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licht grundsätzlich eine Kontrolle der Anspruchsberechtigung. Eine systematische und damit sehr aufwändige Kontrolle vor Auszahlung der Entschädigungen ist nicht nötig; die Möglichkeit einer nachträglichen Kontrolle genügt, um das Risiko eines Missbrauchs weitgehend auszuschliessen. Zuständig für die Festlegung der Form der Kontrolle (z.B. die Durchführung von Stichproben pro Jahr bei einer durch das Los bestimmten Auswahl von Ratsmitgliedern) ist die Verwaltungsdelegation der Bundesversammlung.

Die Kommissionsminderheit (Müller Philipp, Abate, Engler, Lombardi, Müller Damian, Stöckli) will auf die Belegpflicht und die damit verbundene Kontrollmöglichkeit verzichten. Die Verantwortung für die Beurteilung, ob ein Anspruch besteht, liegt beim Ratsmitglied. Belege müssen keine beigebracht oder aufbewahrt werden; eine Überprüfung findet nicht statt. Es ist auch keine nachträgliche Überprüfung der Anspruchsberechtigung möglich, falls in einem Einzelfall Zweifel aufkommen, ob ein Ratsmitglied zu Recht Übernachtungsentschädigungen geltend gemacht hat.

Gemäss Artikel 14 Absatz 3 Parlamentsressourcengesetz ist die Verwaltungsdelegation zuständig für den Entscheid, ob im Einzelfall Anspruch auf eine Entschädigung besteht. Daraus kann die Kompetenz der Verwaltungsdelegation abgeleitet werden, zu Unrecht ausbezahlte oder nicht hinreichend belegte Entschädigungen zurückzufordern oder mit späteren berechtigten Entschädigungen zu verrechnen.

Art. 3 Abs. 2a Der neue Absatz 2a legt fest, in welchen Fällen Anspruch auf eine Übernachtungsentschädigung besteht.

Im Normalfall besteht ein Anspruch auf eine Übernachtungsentschädigung zwischen zwei Sitzungstagen (erster Satz des geltenden Absatzes 2). Buchstabe a regelt diesen Fall und präzisiert, dass der Anspruch für das Ratsmitglied für eine Entschädigung der auswärtigen Übernachtung «zwischen zwei aufeinander folgenden Tagen, an welchen es Anspruch auf ein Taggeld hat» besteht. Anspruch auf ein Taggeld besteht nicht nur an «Sitzungstagen», sondern auch «für jeden Arbeitstag, an dem es im Auftrag des Ratspräsidenten oder einer Kommission eine besondere Aufgabe erfüllt» (Art. 3 Abs. 1 PRG).

Buchstabe b begründet den Anspruch auf eine Entschädigung für eine Übernachtung vor oder nach einem Tag mit Anspruch auf Taggeld. Die bisherige Formulierung (dritter Satz des
geltenden Absatzes 2) begründet keinen Anspruch auf eine Entschädigung. Es werden Anträge von Ratsmitgliedern geprüft ­ durch wen? ­ , ob «im Rahmen ihrer parlamentarischen Tätigkeit» entstandene Übernachtungskosten «ausnahmsweise» entschädigt werden sollen. Diese Regelung lässt einen weiten Ermessensspielraum offen. Eine solche Regelung lässt sich mit dem Grundsatz der Selbstdeklaration der Ansprüche der Ratsmitglieder nicht vereinbaren. Die neue Regelung soll einen klaren Anspruch in eindeutig definierten Anwendungsfällen definieren.

In der Praxis sind die «ausnahmsweise im Rahmen ihrer parlamentarischen Tätigkeit entstandenen Übernachtungskosten» bereits heute verursacht durch frühe Anreisen oder späte Rückreisen von Sitzungen. Die bis 1996 geltende Regelung mit einer

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Festlegung der Uhrzeiten zur Definition der frühen Anreise bzw. späten Rückreise soll wiederaufgenommen werden.

Heute können Ratsmitglieder, welche eine Distanzentschädigung erhalten, keine «ausnahmsweise» Übernachtungsentschädigung bei früher Anreise oder später Heimreise geltend machen. Die Begründung dieses Ausschlusses mit Hinweis auf die Materialien der Änderung der Verordnung von 1996 (Ziff. 1.2.2) ist ungenügend; dafür wäre eine klare Grundlage in der Verordnung notwendig, die aber fehlt.

Auf diesen Ausschluss soll verzichtet werden. Die Regelung würde dadurch komplizierter und damit im neuen System der Selbstdeklaration der Ratsmitglieder schwieriger anwendbar. 1996 wurde gegen die damals abgeschaffte Regelung das Argument vorgebracht, sie verursache aufgrund der nötigen systematischen Überprüfung der Anspruchsberechtigung in jedem Einzelfall grosse administrative Kosten. Dieses Argument entfällt, wenn jetzt vom Grundsatz der Selbstdeklaration mit bloss ausnahmsweisen Stichprobenkontrollen ausgegangen wird. Es ist auch zweifelhaft, ob die Distanzentschädigung die zusätzlichen Übernachtungskosten vor oder nach einem Tag mit Anspruch auf Taggeld tatsächlich deckt: Aus den Materialien von 1996 geht hervor, dass mit der damaligen Erhöhung der Distanzentschädigung für Ratsmitglieder mit langen Reisezeiten (Tessin, Engadin) bloss etwa fünf Übernachtungen bezahlt werden konnten.

Art. 3 Abs. 2b Der neue Absatz 2b entspricht dem zweiten Satz des geltenden Absatzes 2. Wie bisher ist für die Definition der auswärtigen Übernachtung die Reisezeit mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ausschlaggebend. Massgebend ist die Fahrtzeit zwischen den dem Wohnsitz und dem Sitzungsort am nächsten gelegenen Haltestellen des öffentlichen Verkehrs, nicht die gesamte Reisezeit vom Wohnsitz bis zum Gebäude, in dem die Sitzung stattfindet. Diese Fahrtzeit durch das Ratsmitglied kann auf einfache Weise festgestellt und im Falle einer Stichprobe durch die kontrollierende Stelle überprüft werden.

Auf die zusätzliche Bedingung, dass der Wohnsitz im Umkreis von zehn Kilometern Luftdistanz liegen muss, kann verzichtet werden. Es ist in der Praxis kaum denkbar, dass die Fahrtzeit mehr als 30 Minuten beträgt, wenn weniger als 10 Kilometer Luftlinie zwischen Wohnsitz und Sitzungsort liegen.

4

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Mitglieder des Ständerates erhielten im Jahre 2017 im Durchschnitt Übernachtungsentschädigungen in der Höhe von 9865 Franken, für Mitglieder des Nationalrates waren es 9287 Franken. Der gesamte Aufwand für Übernachtungsentschädigungen betrug also ca. 2,3 Mio Franken (ohne Entschädigungen für Übernachtungen im Ausland).

Im Rahmen der Ausarbeitung der «Studie über das Einkommen und den Arbeitsaufwand der Bundesparlamentarierinnen und Bundesparlamentarier» vom 25. April 2017 (siehe Fussnote 1) wurde den Ratsmitgliedern auch die Frage gestellt, wie 7248

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häufig sie zu Hause bzw. am Sitzungsort übernachtet haben. Aus den Antworten ergibt sich, dass etwa 25 % der Übernachtungen nach geltendem Recht entschädigt wurden, obwohl das Ratsmitglied nicht am Sitzungsort übernachtet hat. Für diese Übernachtungen könnte nach neuem Recht keine Entschädigung mehr geltend gemacht werden. Diese Rechnung ist mit einigen Unsicherheiten behaftet: Nur 53 % der anspruchsberechtigten Ratsmitglieder haben geantwortet; die Resultate basieren auf subjektiven Schätzungen der einzelnen Ratsmitglieder. Es ist auch denkbar, dass sich aufgrund der neuen Regelung das Verhalten der Ratsmitglieder ändert, indem sie vermehrt eine entschädigte Übernachtung am Sitzungsort der nicht entschädigten Übernachtung am Wohnort vorziehen.

In Anbetracht dieser Vorbehalte kann grob gerechnet mit Einsparungen von etwa 600 000 Franken pro Jahr gerechnet werden.

Die vorgeschlagene Reform der Übernachtungsentschädigungen muss durch technische Anpassungen des für die Auszahlung eingesetzten Systems umgesetzt werden.

Die notwendige Software-Anpassung zieht Kosten in der Grössenordnung von CHF 20 000 bis 25 000 nach sich. Die Bearbeitung der Entschädigungen wird aufwändiger als bisher, weil die Auszahlungen nicht mehr automatisch aufgrund der erfassten Taggelder ausgelöst werden können. Der Mehraufwand für die Erfassung der Meldungen der einzelnen Ratsmitglieder kann begrenzt werden, indem eine bestimmte Periodizität dieser Meldungen vorgegeben wird: Monatliche Meldungen würden 2800 Mutationen pro Jahr, quartalsweise Meldungen hingegen nur 900 Mutationen pro Jahr auslösen.

Während dieser Mehraufwand mit den jetzigen personellen Ressourcen der Parlamentsdienste zu bewältigen ist, braucht es für die Aufbewahrung der durch die Ratsmitglieder eingereichten Belege zusätzliche Ressourcen; dies gilt sowohl für eine physische wie auch für eine elektronische Lösung. Der zusätzliche Aufwand für Stichprobenkontrollen hängt stark ab von dem durch die Verwaltungsdelegation festzulegenden Ausmass dieser Kontrollen. Es wird zu prüfen sein, ob eine Durchführung der Kontrollen durch Dienststellen der Parlamentsdienste zweckmässig ist oder ob diese Aufgabe an eine externe Prüfstelle ausgelagert werden soll.

5

Gesetzliche Grundlage

Artikel 4 Parlamentsressourcengesetz (PRG) sieht vor, dass Ratsmitglieder eine Mahlzeiten- und eine Übernachtungsentschädigung erhalten. Artikel 14 PRG hält fest, dass die Ausführung des PRG durch eine Verordnung der Bundesversammlung geregelt wird.

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