Elektronische Auszählung von Stimmen (E-Counting) Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 5. September 2017 Stellungnahme des Bundesrates vom 1. Dezember 2017

Sehr geehrte Frau Kommissionspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 5. September 2017 betreffend die «Elektronische Auszählung von Stimmen (E-Counting)» nehmen wir nach Artikel 158 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Kommissionspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

1. Dezember 2017

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Doris Leuthard Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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BBl 2018

Stellungnahme 1

Ausgangslage

Bei E-Counting-Verfahren werden maschinenlesbare Stimmzettel durch ein optisches Lesegerät erfasst und ausgewertet oder es wird durch einen Scanner eine Bilddatei des Stimmzettels erstellt, die durch eine nachgelagerte Software interpretiert und ausgewertet wird. Im Rahmen der Volksabstimmung vom 18. Mai 2014 wurde in der Stadt Bern im Rahmen einer Stichprobenkontrolle bei einem Stimmzettel eine Fehlinterpretation festgestellt.

Die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK-N/S) haben am 30. Januar 2015 beschlossen, die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) mit einer Evaluation der elektronischen Auszählung von Stimmen (E-Counting) zu beauftragen. Gegenstand der Evaluation1 waren die zweckmässige Verteilung und die Einhaltung der rechtlichen Zuständigkeiten für die Genehmigung elektronischer Auszählung beim Bund sowie die Zweckmässigkeit der Anforderungen des Bundes an die elektronische Auszählung und deren Einhaltung im Genehmigungsverfahren.

Geprüft wurde zudem die Genauigkeit der elektronischen Auszählung.

Am 5. September 2017 verabschiedete die GPK-N den Bericht Elektronische Auszählung von Stimmen (E-Counting)2. Der Bundesrat wurde ersucht, bis am 8. Dezember 2017 eine Stellungnahme zu den Feststellungen und Empfehlungen der GPK-N sowie zur Evaluation der PVK abzugeben.

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Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat hat vom Bericht der GPK-N vom 5. September 2017 sowie von der Evaluation der PVK vom 9. Februar 2017 Kenntnis genommen. Zu den einzelnen Empfehlungen nimmt der Bundesrat wie folgt Stellung: Empfehlung 1

Befristete Bewilligung der Betriebskonzepte

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, die Betriebskonzepte sämtlicher heute im Einsatz stehender technischer Hilfsmittel bei der elektronischen Auszählung zu kontrollieren bzw. nachzuprüfen, ob sämtliche betroffenen Kantone und Gemeinden über ein Betriebskonzept verfügen.

Die Betriebskonzepte sollten neu einer periodischen Überprüfung durch die Bundeskanzlei unterliegen. Die GPK-N schlägt dem Bundesrat vor, das Kreisschreiben dahingehend zu ändern, als diese Überprüfung der Betriebskonzepte künftig die Genehmigung gemäss Artikel 84 Absatz 2 BPR ersetzt und der Bundeskanzlei dafür die Kompetenz eingeräumt wird.

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Gemäss Beschluss vom 7. Okt. 2015 der für die Evaluation zuständigen Subkommission EJPD/BK der GPK-N.

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Der Bundesrat teilt die Auffassung der GPK-N, wonach Gemeinwesen, welche die abgegebenen Stimmen elektronisch auszählen (E-Counting), über Betriebskonzepte, das heisst über eine hinreichende Dokumentation der manuellen Prozesse, der eingesetzten Technologie, der technischen Abläufe sowie der Massnahmen zur Gewährleistung der Datensicherheit sowie der Plausibilisierungsmassnahmen verfügen sollten. Das geltende Kreisschreiben des Bundesrates vom 18. Mai 20163 an die Kantonsregierungen über die Ermittlung der Ergebnisse eidgenössischer Volksabstimmungen mit technischen Hilfsmitteln verlangt dies nicht ausdrücklich, sondern konzentriert sich in erster Linie auf materielle Vorgaben (vgl. Ziff. 3.4 des Kreisschreibens).

Der Bundesrat ist bereit, solche Betriebskonzepte künftig zu verlangen und eine periodische Überprüfung durch eine übergeordnete Stelle vorzusehen.

In Bezug auf die Zuständigkeitsregelung für die periodische Überprüfung der Betriebskonzepte kann sich der Bundesrat der Empfehlung der GPK-N allerdings nicht anschliessen. Im Gegensatz zur elektronischen Stimmabgabe (E-Voting) ist dem Bundesrat im Bereich der elektronischen Ergebnisermittlung (E-Counting) keine führende Rolle zugedacht.

Für den (operativen) Einsatz von E-Counting-Verfahren sind in der überwiegenden Mehrheit der Fälle die Gemeindebehörden zuständig. Die Aufsicht über die Gemeinden ist Sache der Kantone. Gemäss Artikel 46 der Bundesverfassung (BV)4 setzen die Kantone das Bundesrecht um. Mit Bezug auf die eidgenössischen Volksabstimmungen sieht das Bundesgesetz vom 17. Dezember 19765 über die politischen Rechte (BPR) zudem vor, dass die Kantone die Abstimmungen auf ihrem Gebiet durchführen und die erforderlichen Anordnungen erlassen. Wie bei der manuellen, teilweise ebenfalls digital unterstützten Ergebnisermittlung sind es auch beim Einsatz von E-Counting-Verfahren die Kantone, die für eine präzise und nachvollziehbare Ergebnisermittlung sorgen.

Nach Auffassung des Bundesrates haben deshalb die Kantone zu gewährleisten, dass auf ihrem Gebiet nur solche elektronische Auszählungsverfahren angewendet werden, die über ein ausreichendendes Betriebskonzept verfügen. Aufgabe des Bundes beziehungsweise der Bundeskanzlei wird es sein, die Anforderungen an die Betriebskonzepte festzulegen und deren periodische Überprüfung durch die
Kantone einzufordern.

Der Bundesrat wird zudem prüfen, ob und gegebenenfalls wie das Genehmigungsverfahren gemäss Artikel 84 Absatz 2 BPR im Sinne der Ausführungen ersetzt werden sollte.

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BBl 2016 4099 SR 101 SR 161.1; Art. 10 Abs. 2

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Empfehlung 2

Erhebung statistisch relevanter Stichproben

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, sicherzustellen, dass die Kantone bei der Verwendung technischer Hilfsmittel zum Zwecke der Bestimmung eines Abstimmungs- bzw. Wahlergebnisses statistisch relevante Stichproben erheben, die zufällig und unabhängig erfolgen. Die Pflicht zur Erhebung von Stichproben sollte für jede Vorlage gelten. Das Vorgehen hierzu ist im Betriebskonzept darzulegen.

Der Bundesrat teilt die Auffassung, wonach das konkrete Vorgehen bei der Erhebung von Stichproben in den jeweiligen Betriebskonzepten zu verankern ist. Das geltende Kreisschreiben sieht als Massnahmen zur Gewährleistung der Vertrauenswürdigkeit der mit E-Counting ermittelten Ergebnisse bereits vor, dass die elektronisch ermittelten Ergebnisse durch den Vergleich mit einer Stichprobe von Stimmzetteln plausibilisiert werden müssen (vgl. Ziff. 3.4 Bst. c des Kreisschreibens). Bis anhin definieren jedoch die Kantone die Grösse der zu ziehenden Stichprobe. Mit Bezug auf die gewählte Stichprobengrösse muss aber bekannt sein, welche Aussagen betreffend die durchwegs korrekte Funktionsweise der eingesetzten Mittel zulässig sind.

Der Bundesrat ist bereit, das Thema der Plausibilisierung durch Stichproben mit den Kantonen wieder aufzunehmen. Dabei wird zu erörtern sein, ob konkretere Bundesvorgaben betreffend die statistische Aussagekraft notwendig sind oder ob sich die Empfehlung auf der jetzigen Grundlage umsetzen lässt.

Empfehlung 3

Prüfung der Stimmzettel

Die Bundeskanzlei stellt sicher, dass in den Betriebskonzepten eine Überprüfung der ausgefüllten Stimmzettel vorgesehen ist, bevor diese elektronisch ausgezählt werden.

Die sorgfältige Prüfung der maschinenlesbaren Stimmzettel ist in der Praxis bereits etabliert. Die vorgängige Kontrolle erfolgt im Interesse einer präzisen und effizienten Auszählung.

Die von der PVK durchgeführte Genauigkeitsprüfung hat denn auch keine Hinweise auf systematische Fehlinterpretationen bei der elektronischen Auszählung der Stimmzettel zu Tage gefördert.6 Der Bundesrat ist bereit, mit den Kantonen zu prüfen, wo gegebenenfalls Handlungsbedarf für zusätzliche Auflagen an die Gemeinden besteht, und das Kreisschreiben auf dieser Grundlage anzupassen.

Der Bundesrat hat die Bundeskanzlei mit der Umsetzung der Empfehlungen im Sinne der vorhergehenden Ausführungen beauftragt. Bis Ende des 3. Quartals 2018 wird die Bundeskanzlei dem Bundesrat die notwendigen Anpassungen am Kreisschreiben des Bundesrates vom 18. Mai 20167 an die Kantonsregierungen über die Ermittlung der Ergebnisse eidgenössischer Volksabstimmungen mit technischen 6 7

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Bericht PVK, S. 22 ff.

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Hilfsmitteln zum Entscheid vorlegen. Die Kantone sind in die Umsetzung der Empfehlungen einzubeziehen. Im Rahmen dieser Arbeiten soll auch geprüft werden, ob betreffend die bestehende Genehmigungspflicht für Wahl- und Abstimmungsverfahren mit technischen Mitteln nach Artikel 84 Absatz 2 BPR gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht.

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