00.435 s Parlamentarische Initiative Herabsetzung des Mindestnennwertes von Aktien (WAK-SR) Bericht und Antrag der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates vom 11. September 2000

Sehr geehrter Herr Präsident, Sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen gemäss Artikel 21quater des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG) den vorliegenden Bericht mit Antrag und überweisen ihn gleichzeitig dem Bundesrat zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt einstimmig, dem beiliegenden Beschlussentwurf zuzustimmen.

11. September 2000

Im Namen der Kommission

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Der Präsident: Franz Wicki

2000-2230

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Bericht 1

Allgemeiner Teil

1.1

Einleitung

Der Mindestnennwert von Aktien ist seit der Aktienrechtsreform von 1991 auf 10 Franken festgelegt1. Da diese Limite auf Grund ihrer Höhe Aktiengesellschaften zahlreiche Probleme stellt, ist in zahlreichen parlamentarischen Vorstössen ­ die zum Teil im Parlament bereits behandelt wurden ­ verlangt worden, diesen Mindestnennwert herabzusetzen.

Der Ständerat überwies am 21. und der Nationalrat am 23. September 1999 eine Motion der ständerätlichen Kommission für Wirtschaft und Abgaben, in der u.a.

eine Reduktion des Nennwertes von Aktien verlangt wird (99.3460)2. Am 27. September 1999 reichte Ständerat Reimann eine Parlamentarische Initiative in der Form der allgemeinen Anregung ein, die verlangt, den Mindestnennwert von 10 auf 1 Franken zu senken (99.446 Herabsetzung des Mindestnennwertes von Aktien).

Auch in der von Nationalrat Kofmel eingereichten Motion vom 8. Juni 2000 (00.3261) wird eine Reduktion des Nennwertes ­ in diesem Falle auf einen Rappen ­ gefordert.

Der Bundesrat seinerseits schlägt in seiner Botschaft vom 13. Juni 2000 zum Fusionsgesetz3 (00.052), insbesondere auf Grund der Motion der WAK-SR, vor, den Mindestnennwert von Aktien auf einen Rappen zu reduzieren.

1.2

Kommissionsinitiative

Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates prüfte an ihrer Sitzung vom 17. August 2000 die oben erwähnte Parlamentarische Initiative Reimann.

Der Kommission boten sich dabei drei Möglichkeiten, das Thema Herabsetzung der Mindestnennwerte anzugehen. Sie konnte entweder der Initiative Folge geben, oder diese Frage im Rahmen der Botschaft zum Fusionsgesetz durch die zuständige Rechtskommission behandeln lassen, oder aber eine eigene Kommissionsinitiative einreichen.

Die Frage der Reduzierung des Nennwertes von Aktien wird sowohl in Wirtschaftsals auch in politischen Kreisen grösstenteils befürwortet und sollte so rasch als möglich geregelt werden, da die schweizerischen Aktiengesellschaften heute auf dem Kapitalmarkt gegenüber ausländischen Gesellschaften benachteiligt sind. Die Kommission sprach sich daher einstimmig für die Einreichung einer Kommissionsinitiative aus, da mit dieser Variante die Gesetzesänderung bereits in der Wintersession unter Dach gebracht werden könnte. Die Behandlung im Rahmen des Fusionsgesetzes wird sicherlich viel mehr Zeit in Anspruch nehmen, wenn man sich die Anzahl der zu prüfenden Artikel vor Augen hält. Auch bei der Variante «der Initiative

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AS 1992 733 AB 1999 743 ; AB 1999 N 1785 BBl 2000 4337

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Folge geben» könnte die Schlussabstimmung erst einige Monate später stattfinden als bei der Variante der Kommissionsinitiative.

Ständerat Reimann hat sich mit dem Entscheid der Kommission einverstanden erklärt und demzufolge seine Initiative zurückgezogen. Die mit der Prüfung des Fusionsgesetzes beauftragte Kommission für Rechtsfragen wurde über diesen Entscheid informiert, um allfällige Doppelspurigkeiten zu vermeiden.

1.3

Geltendes Recht

Mit der Revision des Aktienrechts vom 4. Oktober 19914 wurde der Mindestnennwert von Aktien schweizerischer Gesellschaften von 100 auf 10 Franken herabgesetzt. Gemäss Artikel 622 Absatz 4 des Obligationenrechts (OR) «muss der Nennwert der Aktie mindestens 10 Franken betragen». Dieser Nennwert kann nur bei einer Sanierung der Gesellschaft unter diesen Betrag herabgesetzt werden.

1.4

Antrag der Kommission und Handlungsbedarf

Die Kommission beantragt ­ gleich wie der Bundesrat in seiner Botschaft zum Fusionsgesetz ­ den Mindestnennwert von Aktien von 10 Franken auf einen Rappen herabzusetzen. Für diese Reduktion sprechen mehrere Gründe.

Investoren auf den Finanzmärkten bevorzugen Titel mit tiefem Börsenwert, da sie einfacher zu handeln sind. Bekanntlich sind die Aktienkurse der schweizerischen Gesellschaften im Allgemeinen viel zu hoch und deshalb weniger kapitalmarktgerecht. Während die Kurse von Schweizer Aktien oft über 1000 Franken liegen, bevorzugen sowohl Kleinanleger als auch ausländische Kapitalmärkte die leichten Titel, die beispielsweise an der New Yorker Börse erhältlich sind (deren Kurse in der Regel 200 Franken nicht übersteigen). Dadurch geraten die schweizerischen Aktiengesellschaften, welche zur Aufstockung des Eigenkapitals neue Investoren suchen, oft in grosse Schwierigkeiten. Die Möglichkeit, Aktien mit einem Nennwert von einem Rappen und damit in grösserer Stückzahl zu emittieren, hätte natürlich tiefere Kurse für die Titel schweizerischer Aktiengesellschaften zur Folge. Damit fiele es diesen Gesellschaften leichter, kleinere oder ausländische Investoren zu gewinnen.

Die Reduktion des Mindestnennwertes käme den Unternehmen nicht nur bei der Aktienemission zugute, sondern auch in Bezug auf die bereits emittierten schweren Titel. Eine Gesellschaft, die den Kurs ihrer Titel senken möchte, hat die Möglichkeit, ihre Aktien aufzuteilen (Splitting). Dieser Möglichkeit werden natürlich mit dem Mindestnennwert Grenzen gesetzt. Die meisten Schweizer Aktiengesellschaften haben seit 1991 die Nennwerte ihrer Aktien bereits auf 10 Franken reduziert und somit keinen Handlungsspielraum mehr. Mit der Reduktion auf einen Rappen böte sich ihnen die Gelegenheit, ihre Titel weiter zu splitten, wodurch deren Liquidität und damit auch deren Attraktivität erhöht würde.

Mit der Herabsetzung des Aktiennennwertes auf einen Rappen ergäben sich auch Vorteile bei Fusionsgeschäften. Bei solchen Geschäften muss der Nennwert für die Festlegung des Umtauschverhältnisses beachtet werden. Dabei kann aber ein Nenn4

AS 1992 733

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wert von 10 Franken je nach Umständen Schwierigkeiten bieten. Umgekehrt würden Aktien mit einem Nennwert von einem Rappen natürlich ermöglichen, die Aktien so zu splitten, dass ein Umtauschverhältnis erreicht wird, in dem mit ganzen Zahlen gerechnet werden kann.5 Ein niedrigerer Mindestnennwert hätte auch sozial positive Auswirkungen. Das Angebot von günstigeren Titeln auf dem Finanzmarkt wird zur Folge haben, dass auch weniger begüterte Personen ihr Geld in Aktien anlegen können. Dies würde zu einer breiteren Streuung des Aktienkapitals beitragen. Ebenso würde dadurch die Kapitalbeteiligung der Arbeitnehmer begünstigt.

Schliesslich ist festzuhalten, dass die Reduktion des Nennwerts mit Bestimmtheit den Jungunternehmen helfen wird, in der Startphase, in der sie oftmals in finanziellen Engpässen stecken, einfacher ihre Mitarbeiter mit Aktien zu entlöhnen. Auch wird die Emission einer (dank der Reduktion des Nennwerts) grösseren Aktienanzahl eine breitere Streuung des Risikokapitals während der Subskriptionsphase ermöglichen.

Der Antrag der Kommission, den Nennwert auf einen Rappen ­ und nicht wie in der Initiative Reimann vorgeschlagen auf einen Franken ­ zu reduzieren, lässt sich damit begründen, dass dadurch den Aktiengesellschaften viel mehr Flexibilität verschafft wird. Ebenfalls für diese Reduktion spricht der teure Schweizer Franken, vor allem aber die eindeutig sehr hohen Kurse der Schweizer Aktien. Schliesslich gilt es auch zu vermeiden, dass in einigen Jahren wieder eine Gesetzesänderung vorgenommen werden muss.

1.5

Vernehmlassung

Der in die Vernehmlassung geschickte Vorentwurf zum Fusionsgesetz enthielt noch keine Herabsetzung des Mindestnennwertes6. Diese Frage bildete somit nicht Gegenstand der Vernehmlassung. Allerdings wird diese Reduktion weder von Wirtschafts- noch von politischen Kreisen angefochten. Die Arbeitgeberverbände haben diese Gesetzesänderung sogar ausdrücklich gewünscht. Eine vom Fusionsgesetz getrennte Behandlung dieser Gesetzesrevision ist ebenfalls begrüsst worden.

5

6

Der Bundesrat weist in seiner Botschaft zum Fusionsgesetz auch darauf hin, dass die Herabsetzung des Mindestnennwertes die Durchführung von Fusionen mit Gesellschaften ohne Anteilscheine (Genossenschaften, Vereine) und die Umwandlung solcher Gesellschaften in Aktiengesellschaften erleichtert. Gesellschafter ohne Anteilscheine haben bei solchen Fusionen oder Umwandlungen Anspruch auf mindestens einen Anteil. Die Herabsetzung des Mindestnennwertes ermöglicht beispielsweise, bei der Übernahme eines Vereins durch eine Aktiengesellschaft den bisherigen Vereinsmitgliedern je nach Umständen je eine Aktie mit dem Nennwert von einem Rappen zuzuweisen.

Im Vorentwurf wurde allerdings präzisiert, dass der Nennwert bei einer Fusion oder Umwandlung nötigenfalls unter dem gesetzlichen Mindestnennwert festgelegt werden kann. Damit sollte das Problem geregelt werden, das sich bei der Fusion eines Unternehmens ohne Gesellschaftskapital mit einer Kapitalgesellschaft oder bei einer Umwandlung eines solchen Unternehmens in eine Kapitalgesellschaft stellt (Art. 7 Abs. 3 und Art. 71 Abs. 2 des Vorentwurfs).

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1.6

Inkrafttreten

Die Kommission hat, wie oben (Ziff. 1.2) erwähnt, die Variante der Kommissionsinitiative gewählt, um die Einführung des reduzierten Mindestnennwertes zu beschleunigen. Sollte der revidierte Artikel 622 Abs.4 in der Herbstsession vom Ständerat und in der Wintersession vom Nationalrat verabschiedet werden, könnte er nach Ablauf der Referendumsfrist Anfang Mai 2001 in Kraft treten. Die Aktiengesellschaften wären somit in der Lage, an ihren Generalversammlungen, die in der Regel im ersten Quartal des Jahres (März/April) stattfinden, von den neuen Möglichkeiten dieser Gesetzesänderung Gebrauch zu machen. Selbst wenn der revidierte Artikel zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Kraft stünde, könnten die Generalversammlungen bedingt ­ d.h. unter dem Vorbehalt des Inkrafttretens ­ beschliessen, beispielsweise die Aktien der Gesellschaft aufzuteilen oder Aktien zu einem Nennwert von einem Rappen auszugeben. Ein rascheres Inkrafttreten, wie dies beispielsweise möglich wäre, wenn das Gesetz als dringlich erklärt würde, ist somit nicht nötig.

1.7

Verrechnungssteuer

Die Herabsetzung des Nennwertes auf einen Rappen hat natürlich zur Folge, dass die Verrechnungssteuer auf viel kleineren Beträgen bemessen wird. Für den Steuerbezug dürfte dies keine Probleme stellen, weil die Steuer auf der Dividende als Ganzes erhoben wird. Dagegen ist es möglich, dass es sich bei den Rückerstattungsbeträgen um Rappenbruchteile handelt. Dieses Praxisproblem ist von geringer Bedeutung und sollte kein Grund sein, auf die Reduktion des Mindestnennwertes auf einen Rappen zu verzichten.

Etwas problematischer ist sicher der Umstand, dass die Gesellschaften auf Grund dieser Reduktion die Verrechnungssteuer vermeiden können. Es ist nämlich möglich, dass eine Aktiengesellschaft ihr Kapital über eine Reduktion des Nennwertes ihrer Aktien verringert und darauf den Aktionären ­ an Stelle der verrechnungsteuerpflichtigen Dividendenausschüttung ­ die so freigewordenen Eigenmittel als Kapitalrückzahlung entrichtet. Unter dem geltenden Recht haben die Aktiengesellschaften diese Möglichkeit allerdings auch, und teilweise wird davon auch bestimmt Gebrauch gemacht. Doch wird mit einer Herabsetzung auf einen Rappen offensichtlich einer weiteren Anwendung dieser Praxis der Weg geebnet und die Gesellschaften, die schon früher davon profitiert ­ d.h. ihre Aktiennennwerte zu diesem Zweck auf 10 Franken gesenkt ­ haben, könnten nun ein weiteres Mal auf diese Möglichkeit zurückgreifen.

Die Kommission ist allerdings der Meinung, dass dieses Problem sich nur bei einer kleinen Minderheit stellt. Bei der seinerzeitigen Reduktion von 100 auf 10 Franken machten nur wenige Gesellschaften von dieser Möglichkeit Gebrauch. Die daraus resultierenden Steuereinbussen dürften somit gering sein.

1.8

Nennwertlose Aktien

Die Kommission diskutierte auch die Möglichkeit, im Schweizer Aktienrecht die nennwertlose Aktie einzuführen. Dies ist bereits in elf europäischen Staaten geschehen oder wird demnächst geschehen; dabei dürfte die Umstellung auf den Euro si-

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cher eine Rolle spielen. Da das gesamte Schweizer Aktienrecht ­ wie übrigens auch das Steuerrecht ­ aber auf dem festen Nennkapital basiert, bedürfte die Einführung der nennwertlosen Aktie einer umfassenden Revision unserer Gesetzgebung. Die Kommission hat ein Postulat eingereicht (siehe Anhang), das den Bundesrat ersucht, zu dieser Frage einen Bericht vorzulegen.

2

Besonderer Teil

Mit der vorgeschlagenen Revision von Art. 622 Abs. 4 OR wird Folgendes geändert: a.

Der Mindestnennwert der Aktien soll künftig auf einen Rappen festgelegt werden. Die Herabsetzung des Nennwertes gilt allgemein. Dadurch wird die Ausgabe von neuen Aktien mit einem Nennwert von einem Rappen sowie die Zerlegung von bestehenden Aktien gemäss Art. 623 Abs. 1 OR in Aktien von geringerem Nennwert ermöglicht. Die Herabsetzung des Mindestnennwerts von Aktien hat Auswirkungen auf die Partizipationsscheine, deren Mindestnennwert in der Folge ebenfalls auf einen Rappen sinkt (s. Verweis in Art. 656a Abs. 2 OR).

b.

Der zweite Satz des geltenden Art. 622 Abs. 4 OR soll aufgehoben werden.

Nach dieser Bestimmung kann eine Gesellschaft im Fall einer Sanierung den Nennwert ihrer Aktien unter den gesetzlichen Mindestnennwert herabsetzen.

Solange der Mindestnennwert 10 Franken beträgt, erscheint dieser Vorbehalt angemessen. Mit der Herabsetzung auf einen Rappen wird diese Vorschrift überflüssig. Ihre Beibehaltung würde im Falle einer Sanierung eine Herabsetzung des Nennwerts auf Null ermöglichen, was jedoch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden wäre (s. auch Peter Böckli, Schweizer Aktienrecht, 2. Auflage, Zürich 1996, N 305i). Als problematisch würden sich insbesondere die Festlegung des Stimmrechts, des Rechts auf Dividende sowie des Bezugsrechts erweisen. Gemäss Obligationenrecht werden diese Rechte im Verhältnis des Nennwertes der Aktien berechnet. Mit einem Nennwert von Null wird es nicht mehr möglich sein, diese Rechte zu bestimmen.

3

Finanzielle Auswirkungen

Da gewisse Aktiengesellschaften versucht sein könnten, die Verrechnungssteuer zu vermeiden (vgl. Ziff. 1.7 oben), könnten sich Steuerverluste ergeben. Diese sind schwer zu beziffern, doch dürften sie nur geringe Steuereinbussen mit sich bringen.

4

Verfassungsgrundlage

Der Bund ist gemäss Artikel 122 Absatz 1 der Bundesverfassung für die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Zivilrechts zuständig.

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