Bericht des Bundesrates über die Restwassersanierung bei historisch wertvollen Wasserkraftanlagen (in Erfüllung des Postulats 01.3211 vom 10. April 2001 der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates) vom 27. Oktober 2004

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren in Erfüllung des Postulats 01.3211 vom 10. April 2001 der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK-NR) mit dem Titel «Historisch wertvolle Wasserkraftanlagen» unterbreiten wir Ihnen den vorliegenden Bericht zur Kenntnisnahme.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

27. Oktober 2004

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates: Der Bundespräsident: Joseph Deiss Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2004-1481

6633

Bericht 1

Auftrag und Ziele

Im November 2000 nahm der Ständerat eine Motion von Hans Hofmann (Mo 00.3494, Gewässerschutzgesetz. Ausnahmeregelungen zur Erhaltung von historischen Kleinstwasserkraftwerken) an. In der Folge befasste sich auch der Nationalrat mit diesem Vorstoss. Anstelle der Motion nahm er am 17. September 2001 ein Postulat seiner Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie betreffend historisch wertvolle Wasserkraftanlagen (01.3211) an. Darin wird der Bundesrat aufgefordert zu prüfen, ob bei der Restwassersanierung nach Artikel 80 des Gewässerschutzgesetzes auf Bundesebene spezielle Massnahmen erforderlich sind, damit aus der Sicht des Denkmalschutzes erhaltenswerte Wasserkraftanlagen mit ehehaften Wasserrechten weiterbetrieben werden können.

In seiner Antwort auf eine Einfache Anfrage von Hans Hofmann (03.1009, Historisch wertvolle Wasserkraftanlagen) vertritt der Bundesrat die Auffassung, dass kleine historische Wasserkraftwerke, namentlich alte Mühlen, auf Grund ihres kulturellen Wertes so weit wie möglich erhalten werden müssen. Er hat deshalb beschlossen, im Detail zu untersuchen, inwiefern eine Restwassersanierung im Sinne von Artikel 80 des Bundesgesetzes vom 24. Januar 1991 über den Schutz der Gewässer (GSchG) einen Weiterbetrieb von aus der Sicht des Denkmalschutzes erhaltenswerten Wasserkraftanlagen verhindern könnte.

Die Frage der Aufrechterhaltung des Betriebes von Kleinstwasserkraftwerken, die vor allem auf Grund ihrer Bedeutung als Kulturerbe schützenswert sind, ist auch Gegenstand einer parlamentarischen Initiative der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerates (04.435, Restwassermengen).

2

Restwassermengen und historische Kleinstwasserkraftwerke Situationsanalyse und typische Fälle

2.1

Projektorganisation

Die Erarbeitung der Grundlagen zur Beantwortung dieses Postulats wurde an das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) übertragen. Das BUWAL schrieb dazu einen externen Auftrag für eine Situationsanalyse bezüglich Restwassermengen bei kleinen historischen Wasserkraftwerken sowie die Untersuchung einiger typischer Fälle aus. Dieser wurde 2002 an das Ingenieurbüro Emch+Berger AG vergeben. Die Untersuchungsergebnisse sind in einem Bericht dokumentiert (s. Beilage), der im Herbst 2004 zur Veröffentlichung gelangt.

Diese Studie wurde in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen Ämtern bei Bund und Kantonen durchgeführt (Gewässerschutz, Natur- und Landschaftsschutz, Heimatschutz, Wasserkraftnutzung).

6634

2.2

Methodik

In einem ersten Schritt wurden insbesondere bei den zuständigen Dienststellen der Kantone die verfügbaren Informationen über kleine historische Wasserkraftwerke gesammelt. Das Ziel war, eine wenn möglich die gesamte Schweiz abdeckende Liste dieser Kraftwerke mit den nötigen Angaben (Nutzungsrechte, Umweltsituation, Notwendigkeit einer Restwassersanierung, denkmalschützerischer Wert) zu erstellen.

In einem zweiten Schritt wurden jene Kleinstwasserkraftwerke ausgeschieden, bei denen sich ein Konflikt zwischen Restwassersanierung und Denkmalschutz ausschliessen lässt. Dabei handelt es sich namentlich um Kraftwerke, für die lediglich eine wirtschaftlich tragbare Sanierung erforderlich ist (Art. 80 Abs. 1 GSchG). In der Tat handelt es sich in diesen Fällen um eine beschränkte Restwassersanierung, die nicht zur Einstellung des Kraftwerkbetriebes führen kann. Einzig eine weitergehende Sanierung (Art. 80 Abs. 2 GSchG) könnte die Aufrechterhaltung des Betriebes verhindern und somit in Konflikt mit dem Denkmalschutz geraten. Ebenfalls ausgeschieden werden konnten Kleinstwasserkraftwerke, bei denen nur die Gebäude und nicht die technischen Anlagen oder der Betrieb zum Schutzziel des Denkmalschutzes gehören.

Letztlich wurden unter den verbleibenden Kraftwerken, die den Kriterien des Postulats entsprechen, sechs möglichst repräsentative Objekte im Rahmen von Ortsbegehungen eingehender untersucht.

2.3

Ergebnisse

In den acht Kantonen, für welche die erforderlichen Daten erhoben werden konnten (BE, BS, GE, JU, NE, OW, TG, ZH), wurden 309 historisch wertvolle Kleinstwasserkraftwerke identifiziert. Ein Konflikt zwischen Denkmalschutz und Restwassersanierung ist lediglich in 18 Fällen (6 %) denkbar.

Das Postulat stützte sich auf die Annahme, dass sämtliche Kleinstwasserkraftwerke von historischem Wert über ehehafte, zeitlich unbegrenzte Wasserrechte verfügten.

Im Laufe der Untersuchungen hat sich gezeigt, dass kleine Wasserkraftwerke von historischem Wert auch über zeitlich begrenzte Konzessionen verfügen. Diese wurden in den weiteren Untersuchungen ebenfalls berücksichtigt.

In den sechs vertieft untersuchten Fällen stellt sich die Situation wie folgt dar: ­

In vier Fällen liess sich ein Konflikt zwischen Denkmalschutz und Restwassersanierung letztlich ausschliessen. In den beiden ersten Fällen ist eine weitergehende Sanierung gemäss Artikel 80 Absatz 2 GSchG vermutlich nicht erforderlich, und die Aufrechterhaltung des Kraftwerkbetriebes ist demzufolge nicht in Frage gestellt. Selbst wenn sich weitergehende Sanierungsmassnahmen als nötig erwiesen, müsste die Minderproduktion entschädigt werden, und es stünde genügend Wasser für einen Weiterbetrieb zur Verfügung (Spinnerei Trümpler ZH, Mühle Wyssachen BE). Im dritten Fall ist eine Wiederinbetriebnahme der Mühle ohnehin ausgeschlossen (Untere Mühle Bottighofen TG). Im vierten Fall gibt es gar keine Restwasserstrecke, da das Wasser direkt an einer Quelle gefasst und in einen Weiher geleitet wird, von wo aus es genutzt wird (Kalchrain TG).

6635

­

In einem Fall besteht ein Konflikt zwischen Denkmalschutz und Restwassersanierung (Aumühle Stallikon ZH). Dieser Konflikt ergibt sich allerdings aus der geringen Abflussmenge, die sowohl die Bedürfnisse des Fliessgewässers als auch jene der Mühle abdecken muss, und nicht aus den gesetzlichen Anforderungen. Hier ist eine Erhöhung der Restwassermenge nach Artikel 80 Absatz 2 GSchG erforderlich, um den in einem inventarisierten Gebiet gelegenen Bach zu schützen. Dadurch wird die für den Mühlebetrieb zur Verfügung stehende Wassermenge vermindert. Die Ziele des Naturschutzes und des Denkmalschutzes lassen sich dennoch erreichen, und zwar durch zumutbare Auflagen sowohl in Bezug auf die Restwassermenge (die zuständige Behörde verfügt über einen breiten Beurteilungsspielraum bei der Festlegung der für den Schutz des Fliessgewässers erforderlichen Restwassermenge) als auch auf den Betrieb der Mühle (eine geringfügige Herabsetzung der Anzahl Tage mit Volllastbetrieb ist im Hinblick auf den Denkmalschutz unproblematisch, da die Mühlen ursprünglich auch nicht dauernd in Betrieb waren). Eine Änderung des Gewässerschutzgesetzes würde zu keiner andern Lösung führen.

­

In einem Fall ist demnächst eine Konzessionserneuerung fällig, und es kommen grundsätzlich die Artikel 29 ff. GSchG zur Anwendung (Säge Tägerwilen TG). Eine mögliche Lösung wäre allerdings, die Entnahme auf 20 Prozent der zufliessenden Wassermenge zu senken (Art. 30 Bst. b GSchG). Die gegenwärtige Betriebsform, bei der die gefasste Wassermenge in einen Weiher geleitet und anschliessend die Mühle während einiger Stunden mit dem so gestauten Wasser betrieben wird, sollte beibehalten werden können. Weil der Umleitungskanal und der Weiher einen hohen ökologischen Wert aufweisen, kann der Kanton diesen Fall auch als Korrektion eines Fliessgewässers im Sinne von Artikel 37 Absatz 1 Buchstabe c GSchG erachten. Damit kann er die vorhandene Wasserführung optimal zuteilen, so dass sowohl den ökologischen Interessen hinsichtlich des Fliessgewässers als auch den ökologischen und denkmalschützerischen Interessen bezüglich des Nebenkanals, des Weihers und der Mühle Rechnung getragen wird (s. Wegleitung des BUWAL «Angemessene Restwassermengen ­ Wie können sie bestimmt werden?», S. 16­18).

3

Schlussfolgerungen

Die beauftragten Sachverständigen kommen zu folgendem Schluss: «Gemäss heutigem Wissensstand und unter Berücksichtigung der Ergebnisse der vorliegenden Studie erscheint eine Anpassung des Artikels 80 GSchG als nicht notwendig. Die kantonalen Behörden verfügen mit den heutigen Vorschriften über einen grossen Beurteilungsspielraum, welcher ihnen erlaubt, Lösungen zu finden, die im Sinne der Ausgewogenheit die Interessen des Gewässerschutzes, des Naturund Landschaftsschutzes sowie auch des Denkmalschutzes zufriedenstellend berücksichtigen. Da eine Überprüfung aller Wasserkraftanlagen von historischem Interesse unverhältnismässig wäre, kann jedoch nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass sich in Zukunft ein Fall ergeben wird, bei dem die heutigen Bestimmungen es nicht zulassen, eine Lösung zu finden, welche die Interessen des Denkmalschutzes und diejenigen des Gewässerschutzes ausgewogen berücksichtigt.» 6636

Ausgehend von den Schlussfolgerungen der Sachverständigen ist der Bundesrat der Auffassung, die Einleitung eines Gesetzgebungsverfahrens auf Grund eines hypothetischen Problems wäre unverhältnismässig. Sollte jedoch das Parlament auf die Initiative 04.435, Restwassermengen, der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerates eintreten, so ist der Bundesrat der Ansicht, dass Artikel 80 GSchG ergänzt werden könnte, um etwaige Fälle zu berücksichtigen, in denen die gegenwärtige Gesetzgebung in Sachen Gewässerschutz sowie Natur- und Landschaftsschutz einerseits und Denkmalschutz andererseits keine ausgewogene Lösung zulässt.

4

Weiteres Vorgehen

Der Bundesrat beauftragt das UVEK (BUWAL) damit, die Kantone über die im Rahmen der gegenwärtigen Gesetzgebung bestehenden Möglichkeiten zu informieren, um so bei der Restwassersanierung tragfähige Lösungen für kleine Wasserkraftwerke von historischem Wert zu finden. Im Rahmen dieser Lösungen sind die Interessen des Gewässerschutzes sowie des Natur- und Landschaftsschutzes einerseits und des Denkmalschutzes andererseits auf ausgewogene Weise zu berücksichtigen. Die Information wird gemeinsam mit weiteren zuständigen Bundesämtern erarbeitet.

6637

6638