04.030 Botschaft zum Bundesbeschluss über den Friedensförderungseinsatz von Schweizer Armeeangehörigen in der multinationalen European Union Force (EUFOR) in Bosnien-Herzegowina vom 26. Mai 2004

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen die Botschaft zu einem einfachen Bundesbeschluss über den Friedensförderungseinsatz von Schweizer Armeeangehörigen in der multinationalen European Union Force (EUFOR) in Bosnien-Herzegowina mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

26. Mai 2004

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Joseph Deiss Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2004-0728

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Übersicht Im Dezember 1995 lancierte die NATO nach dem Abschluss des Dayton-Abkommens mit der Entsendung der 60 000-köpfigen IFOR (Implementation Force) nach Bosnien und Herzegowina (BiH) ihre bisher grösste Friedensoperation. Die UNO mandatierte die NATO, in diesem Land ein sicheres Umfeld zu schaffen. Nach einem Jahr wurde die IFOR in die SFOR (Stabilization Force) umgewandelt und verfügte noch über einen Truppenbestand von 32 000 Personen. Wie die IFOR stützt sich die SFOR auf eine Resolution des UNO-Sicherheitsrates und verfügt damit über ein Mandat der internationalen Staatengemeinschaft zur Friedenssicherung. An der Friedensmission nehmen nebst NATO-Staaten zahlreiche weitere europäische Staaten teil (u.a. Österreich, Finnland, Irland, Schweden). Die SFOR hat mit ihrer Präsenz massgeblich zur Stabilisierung von BiH beigetragen. Fortschritte sind vor allem bei der Befriedung der ehemaligen Kriegsparteien erzielt worden; die Wahrscheinlichkeit eines von aussen provozierten Konfliktes ist gering geworden.

Am 1. Dezember 2003 gaben die NATO-Verteidigungsminister in Auftrag, bis zum NATO-Gipfel in Istanbul am 28. Juni 2004 Planungen anzustellen, wie die SFOR von einer EU-geführten Mission (EUFOR) abgelöst werden kann. Die EU erwartet den Entscheid zur SFOR-Ablösung am NATO-Gipfel Ende Juni 2004 in Istanbul und den Transfer der Mission von der NATO zur EU im Dezember 2004.

Grossbritannien, vorgesehen als Führungsnation («lead nation») im ersten Jahr der zukünftigen EUFOR, beabsichtigt, die Truppenpräsenz von anfänglich 7000 Personen in BiH sukzessive zu reduzieren. Bereits ab Juni 2005 ist ein schrittweiser Rückzug der EUFOR-Bataillone geplant. Kleine sogenannte LOT (Liaison and Observation Teams) sollen in bekannten und potentiellen Konfliktstellen stationiert werden und im Sinne der Frühwarnung operative und strategische Reserven für allfällige Interventionen alarmieren können.

Mit der Resolution 1088 vom 12. Dezember 1996 legte der UNO-Sicherheitsrat die Grundlage für die Einrichtung einer multinationalen Stabilisierungstruppe (SFOR).

Mit der Resolution 1491 vom 11. Juli 2003 hat der Sicherheitsrat den SFOR-Einsatz bis zum 11. Juli 2004 verlängert. Das SFOR-Mandat soll letztmals verlängert werden und vor dem Beginn des EUFOR-Einsatzes soll eine dafür gültige Resolution des UNO-Sicherheitsrates
verabschiedet werden. Gemäss Artikel 66 Absatz 1 des Militärgesetzes (MG), kann der Einsatz von Schweizer Armeeangehörigen in der EUFOR erst erfolgen, nachdem die EUFOR ein entsprechendes UNO-Mandat erhalten hat.

Die Schweiz wurde von Grossbritannien angefragt, sich mit einem bis zwei LOT und Stabsoffizieren in der britischen Brigade in der EUFOR zu beteiligen. Schweizerischerseits ist es möglich, solche Teams (je acht Personen) zur Verfügung zu stellen.

In einer ersten Phase soll vorerst ein LOT zur Verfügung gestellt werden. Dieser LOT-Einsatz ist für die Weiterentwicklung schweizerischer Beteiligungen an friedensunterstützenden Operationen interessant. Zudem ist es möglich, Schweizer Stabsoffiziere in den britischen Brigadestab zu entsenden; in einer ersten Phase ist der Einsatz von zwei Stabsoffizieren vorzusehen.

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Die EUFOR wird mit der Gewährleistung eines sicheren Umfelds entscheidend dazu beitragen, dass auch die multi- und bilateralen Unterstützungsaktivitäten der Schweiz in BiH durchgeführt werden können. Mit einer EUFOR-Beteiligung kann die Schweiz an unterstützenden EUFOR-Aktivitäten für zivile Bereiche wie Flüchtlingsrückkehr und Bekämpfung der organisierten Kriminalität mitwirken.

Die Schweiz nimmt bereits heute an zwei zivilen friedensunterstützenden Operationen der EU im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) teil. Seit Anfang 2003 stellt sie in der Polizeimission (EUPM = European Union Police Mission) in BiH vier Zivilpolizisten, seit März 2004 drei Zivilpolizisten in der Polizeimission PROXIMA in Mazedonien.

Der friedensfördernde Einsatz sieht vor, dass sich die Schweiz mit bis zu zwei LOT und vier Stabsoffizieren an der EUFOR beteiligt. Der Einsatz erfolgt zum Selbstschutz bewaffnet und wird länger als drei Wochen dauern. Daher muss der Einsatz nach Artikel 66b Absatz 4 MG (SR 510.10) von der Bundesversammlung genehmigt werden. Der Bundesrat hat den Einsatz am 26. Mai 2004 gutgeheissen.

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Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

Im Dezember 1995 lancierte die NATO nach dem Abschluss des Dayton-Abkommens mit der Entsendung der 60 000 Mann starken Implementation Force (IFOR) nach Bosnien und Herzegowina (BiH) ihre bisher grösste Friedensoperation. Die UNO mandatierte die NATO, ein sicheres Umfeld für die Rückkehr von bosnischen Asylbewerbern und Flüchtlingen und für den zivilen Wiederaufbau in BiH zu schaffen. Nach einem Jahr wurde die IFOR 1996 in die Stabilization Force (SFOR) überführt und gleichzeitig auf einen Truppenbestand von 32 000 Personen reduziert.

Aufgrund einer stabileren Sicherheitslage konnte der Truppenbestand in den letzten Jahren sukzessive reduziert werden und beträgt gegenwärtig noch rund 10 500 Personen in drei Brigaden. Bis zum NATO-Gipfel am 28. Juni 2004 in Istanbul soll die Truppe auf rund 7000 Personen in drei Task Forces reduziert werden. An der Friedensmission SFOR nehmen nebst NATO-Staaten zahlreiche Mitgliedstaaten der Partnerschaft für den Frieden (PfP) teil (u.a. Österreich, Finnland, Irland und Schweden).

Die NATO-Verteidigungsminister haben am 1. Dezember 2003 den Auftrag erteilt, bis zum NATO-Gipfel am 28. Juni 2004 in Istanbul Planungen anzustellen, wie die SFOR von einer durch die Europäische Union (EU) geführten Mission (EUFOR) abgelöst werden kann. Der Europäische Rat hat am 12. Dezember 2003 seine bereits ein Jahr zuvor bekundete Bereitschaft zur Übernahme dieser Mission bestätigt. Am NATO-Gipfel Ende Juni 2004 in Istanbul soll die Ablösung der SFOR durch die EUFOR auf Ende 2004 beschlossen werden.

1.2

Ablösung SFOR durch EUFOR

Mit der Resolution 1088 vom 12. Dezember 1996 legte der UNO-Sicherheitsrat die Grundlage für die «Einrichtung einer multinationalen Stabilisierungstruppe (SFOR)». Mit der Resolution 1491 vom 11. Juli 2003 hat der Sicherheitsrat den Einsatz der SFOR für weitere zwölf Monate bis zum 11. Juli 2004 verlängert. Das SFOR-Mandat soll letztmals verlängert werden, und vor dem Beginn des EUFOREinsatzes soll eine dafür gültige Resolution des UNO-Sicherheitsrats verabschiedet werden. Im Rahmen der jährlichen Verlängerung der Resolution durch den UNOSicherheitsrat soll die Übergabe der SFOR an die EUFOR analog der Übergabe von der IFOR an die SFOR erfolgen. Die für die EUFOR gültige UNO-Resolution wird voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2004 verabschiedet.

Grossbritannien, welches derzeit in der SFOR die Führung sowie das Gros der multinationalen Brigade Nordwest stellt, soll im ersten Jahr die Führungsrolle (lead nation) der EUFOR übernehmen. Die Mission soll im Rahmen der «Berlin-Plus»Vereinbarungen (Rückgriff auf NATO-Mittel und -Kapazitäten bei Friedensoperationen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik [ESVP]) erfolgen. Im weiteren soll ein kleinerer Kern einer US-geführten NATO-Präsenz mit Hauptquartier in Sarajewo neben der EUFOR zur Terrorismusbekämpfung, Festnahme von 3272

angeklagten Kriegsverbrechern und Förderung der bosnischen Verteidigungsreform bestehen bleiben.

Die EU ist nach der 1999 begonnenen Aufbauphase der ESVP seit 2003 mit friedensunterstützenden Operationen aktiv. Insgesamt hat sie bisher zwei Missionen erfolgreich abgeschlossen, zwei weitere laufen noch: ­

Operation CONCORDIA in Mazedonien: Einsatz von rund 350 Militärpersonen (31.3.­15.12.2003);

­

Operation ARTEMIS in Kongo: Einsatz von rund 1800 Militärpersonen (12.6.­1.9. 2003);

­

EU-Polizeiüberwachungsmission EUPM (European Union Police Mission) in BiH: Einsatz von rund 450 Zivilpolizisten (seit 1.1.2003);

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Operation PROXIMA in Mazedonien: Einsatz von rund 200 Zivilpolizisten (seit 15.12.2003).

Die EUFOR soll wie bisher die SFOR mit einer robusten militärischen Präsenz für die notwendige Abschreckung früherer bewaffneter Streitkräfte und Gruppierungen sorgen und neue Gewaltausbrüche in BiH verhindern. Sie soll zu einem sicheren Umfeld beitragen und damit die Bemühungen der internationaen Gemeinschaft für eine nachhaltige Befriedigung des Landes unterstützen. Die EUFOR soll auch den zivilen Akteuren in BiH bei der Umsetzung von zivilen Teilen des DaytonAbkommens (organisierte Kriminalität, Flüchtlingsrückkehr, Rechtsstaat, Terrorismusbekämpfung u.a.) helfen.

Die EUFOR wird Teil einer zunehmend integrierten militärisch-zivilen EU-Präsenz in BiH sein. Diese Präsenz wird einerseits über eine zivile Komponente mit EUPM, EUMM (EU Monitoring Mission), Programmen der EU-Kommission und einer gestärkten Rolle des EU-Sondergesandten (zurzeit Paddy Ashdown) verfügen.

Andererseits wird sie mit der EUFOR nun eine militärische Komponente erhalten.

Die Ablösung der SFOR durch die EUFOR stellt mit der Übernahme einer Mission in der Grösse von rund 7000 Personen für die EU eine grosse Herausforderung dar.

Die EU bringt Voraussetzungen mit, die ihr bei der Erfüllung dieser Aufgabe nützlich sein werden: Sie verfügt über ein breites Instrumentarium im zivilen und militärischen Krisenmanagement, das in der veränderten Bedrohungslage in BiH (stärkere Fokussierung auf innere Sicherheit) besonders gut zum Tragen kommt. Sie verfügt über eine Polizeimission (EUPM) in BiH, auf der sie aufbauen kann. Dazu kann sie von den Erfahrungen der Operation CONCORDIA bei der Übernahme der NATOOperation ALLIED HARMONY in Mazedonien profitieren.

Sofern die Sicherheitslage dies zulässt, ist ab Juni 2005 ein schrittweiser Rückzug der EUFOR-Bataillone bis Ende 2006 geplant. Im Feld werden ausschliesslich die Liaison and Observation Teams (LOT) präsent bleiben. Diese LOT, welche teilweise bereits operationell sind, sind die eigentlichen Sensoren der EUFOR und setzen sich aus acht Offizieren und Unteroffizieren unter dem Kommando eines Hauptmanns zusammen. Die LOT werden zentral geführt. Sie leben und arbeiten inmitten und in einer engen Verflechtung mit der lokalen Bevölkerung und den lokalen Behörden, aber auch mit internationalen Organisationen und Nicht-Regierungsorganisationen (NGO), die in derselben Gegend aktiv sind.

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Ihre Aufgaben decken ein breites Spektrum von Beobachtungs- und Informationsaufträgen sowie zivil-militärischer Zusammenarbeit ab. Im Rahmen des Zusammenstellens der multinationalen Schutztruppe (Force Generation Process) hat Grossbritannien unter anderen auch die Schweiz um Unterstützung angefragt. Damit EUFOR per Anfang 2005 operationell ist, soll der schweizerische Beitrag bereits ab November 2004 erbracht werden können, was bedingt, dass Ausbildung und Einsatzvorbereitung noch im SFOR-Rahmen erfolgen.

1.3

Sicherheitslage

1.3.1

Allgemeine Einschätzung

Auf strategischer Ebene ist die Sicherheitslage in BiH zurzeit insgesamt ruhig und stabil. Gegen die SFOR gerichtete Attacken können auch weiterhin nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Diese Einschätzung gilt auch für die EUFOR.

Innenpolitische, wirtschaftliche, sicherheitspolitische und regionale Entwicklungen machen eine Beibehaltung des Engagements der internationalen Gemeinschaft in BiH ­ unter Einbezug einer militärischen Komponente ­ weiterhin nötig. Zeitlich und örtlich begrenzte krisenhafte Entwicklungen können jederzeit auftreten und unter Umständen die Sicherheitslage lokal vorübergehend verschärfen. Dabei könnte SFOR bzw. EUFOR involviert werden.

1.3.2

Fundamentalismus

Zurzeit dominieren zwei Fragestellungen die Diskussion der Internationalen Gemeinschaft: Kann es in BiH zu ähnlichen Ausschreitungen wie in Kosovo von Mitte März 2004 kommen? Ist eine fundamentalistische Islamisierung BiHs möglich? Zu beiden Fragen fällt die Antwort differenziert aus: Im Prinzip ist eine vergleichbare Eruption der Gewalt wie in Kosovo auch in BiH denkbar. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist in BiH zurzeit deutlich geringer. Ein wesentlicher Unterschied zu Kosovo besteht darin, dass sich die ethnischen Führer BiHs ­ wenn auch unter erheblichem internationalen Druck ­ auf eine Trennungslinie geeinigt haben, während in Kosovo keine definitive Regelung der Nachkriegsordnung festgelegt worden ist.

Wesentliche Unterschiede bestehen ebenfalls in der Topographie und Bevölkerungsdichte von BiH: Die geringere Bevölkerungsdichte und die grössere geographische Ausdehnung Bosniens gegenüber Kosovo erschweren die landesweite Mobilisierung der Volksmasse. Aufgrund dieser Faktoren ist nur im eher unwahrscheinlichen Fall einer gesamtregionalen Verschlechterung der Lage mit einer drastischen Zuspitzung der Sicherheitslage zu rechnen. Nach wie vor sind islamische Länder (besonders Saudi-Arabien und in geringerem Ausmass Iran) bestrebt, den westlichen Einfluss auf die bosniakische (muslimische) Bevölkerung einzudämmen bzw.

zurückzudrängen. Bislang gelang es aber nicht, die Orientierung der Bosniaken Westeuropa gegenüber zu ändern. Es ist auch sehr unwahrscheinlich, dass eine Trendumkehr hin zu einer streng islamischen (wahabitischen) Ausrichtung der Bosniaken stattfinden wird. Die Bosniaken sehen die besten «Überlebenschancen» für ihre Volksgruppe in der europäischen Integration Bosnien-Herzegowinas.

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1.3.3

Verminung

Es wird noch Jahrzehnte dauern, bis BiH minenfrei sein wird. Aufgrund der Ausdehnung der ehemaligen Frontlinien, teils fehlender Dokumentation (Verminungspläne) sowie gelegentlich unorganisierter Verlegung durch die Konfliktparteien gehört die Minen- und Blindgängerlage in BiH zu den komplexesten weltweit. Über 10 000 Standorte, oder über 4 % der Fläche von BiH, sind minen- bzw. blindgängerverseucht. 54 Minen- und Blindgängerzwischenfälle, wovon 23 tödliche, gab es noch 2003. Hauptsächlich Rückkehrer, welche die lokalen Gefahren noch nicht richtig einschätzen können, gehören zu den Opfern. Da die minenverseuchten Gebiete bekannt sind, sind die Risiken ­ unter der Voraussetzung, dass die geltenden Sicherheitsvorschriften und Standardverhalten eingehalten werden ­ für Angehörige von EUFOR sehr gering. Für internationales Personal stellt realistischerweise der Strassenverkehr das grössere Risiko dar als die Minen- und Blindgängersituation.

1.3.4

Streitkräftereform

Die umfassende Streitkräftereform, die vom Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft und EU-Sonderrepräsentanten für BiH, Paddy Ashdown, angeordnet wurde, stellt einen Schritt in die Richtung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik und Führung der Streitkräfte Bosniens dar. Trotz dieses Fortschrittes wäre es illusorisch damit zu rechnen, dass in absehbarer Zeit eine gesamtbosnische Armee entstehen wird. Die ethnische Teilung der Streitkräfte dürfte auf allen Ebenen noch für geraume Zeit andauern und damit die faktisch bestehende Teilung des Landes zusätzlich zementieren. Sie stellen auf Grund ihrer begrenzten Fähigkeiten kein direktes Bedrohungspotenzial für SFOR bzw. EUFOR dar.

1.4

Bisheriges militärisches und ziviles Engagement der Schweiz in BiH

Im Aussenpolitischen Bericht 2000 und im Bericht zur Konzeption der Armee XXI wird die Option zur Beteiligung an friedensunterstützenden Operationen der EU ausdrücklich erwähnt. Die Schweiz hat seit 1996 in BiH Hilfe in verschiedener Form (technische Zusammenarbeit, humanitäre Hilfe, Finanzhilfe, Rückkehrhilfe, zivile und militärische Friedensförderung) in der Höhe von über 330 Millionen Franken geleistet. Damit erhielt dieses Land neben Kosovo von allen südosteuropäischen Staaten und Regionen mit Abstand am meisten schweizerische Unterstützung.

Die Schweiz nimmt bereits heute an zivilen friedensunterstützenden Operationen der EU im Rahmen der ESVP teil. Sie stellt seit Anfang 2003 vier Zivilpolizisten in der EUPM in BiH (weitere drei Schweizer Zivilpolizisten sind seit März 2004 in der zweiten zivilen friedensunterstützenden Operation der EU, PROXIMA, in Mazedonien beteiligt.

Im Weiteren unterstützt die Schweiz das unter treuhänderischer Leitung Grossbritanniens aufgebaute Ausbildungs- und Trainingszentrum für friedensfördernde Einsätze in Sarajewo (PSOTC: Peace Support Operations Training Centre). Im Gründungsjahr 2002 hat sich die Schweiz mit einem einmaligen Betrag von rund 3275

300 000 Franken beteiligt. Für die Folgejahre (2003­2007) hat die Schweiz einen Anteil von rund 105 000 Fr. an die laufenden Kosten in Aussicht gestellt. Zusätzlich beteiligt sich die Schweiz auch personell, indem sie seit September 2003 bis Ende 2006 den Stabschef des Zentrums und einen Assistenten stellt.

Zu erwähnen ist zudem der Einsatz einer unbewaffneten Schweizer Logistikeinheit zugunsten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).

Von Juli 1996 bis Dezember 2000 standen insgesamt 420 Angehörige der Armee als sogenannte Gelbmützen im Einsatz. Der durchschnittliche Kontingentsbestand betrug 55 Personen, und die Gesamtkosten des Gelbmützeneinsatzes beliefen sich auf 46,9 Millionen Franken.

1.5

Militärisches Engagement der Schweiz im Rahmen der EUFOR

Der Bundesrat hat dem VBS am 18. Mai 2004 den Auftrag erteilt, die Teilnahme an der EUFOR mit vorerst einem LOT und zwei Stabsoffizieren an der EUFOR einzuleiten und dem Bundesrat formell Antrag zu stellen. Das VBS beantragt deshalb aus folgenden Überlegungen den Friedensförderungsdienst in BiH, in einer ersten Phase ab November 2004 mit zwei Stabsoffizieren und einem LOT, gutzuheissen: ­

Im Sicherheitspolitischen Bericht 2000 ist festgehalten, dass die «internationale Solidaritätsbilanz» eines einzelnen Landes von dessen Partnern gesamthaft aufgerechnet wird und es nicht einfach auf Grund guter Leistungen in einem spezifischen Zusammenarbeitssektor (z.B. die Schweiz im humanitären Bereich) aus der Mitverantwortung in anderen Sektoren entlassen wird.

Gerade mit der stark zugenommenen Nachfrage nach Friedenstruppen der letzten Jahre sind die Erwartungen an die Schweiz gestiegen. Unser Land sieht sich vermehrt mit Anfragen um Beteiligung an friedensunterstützenden Operationen konfrontiert.

­

Südosteuropa wird im Aussenpolitischen Bericht 2000 zusammen mit Osteuropa und dem Mittelmeerraum als Raum bezeichnet, in dem die schweizerischen friedenspolitischen Bemühungen konzentriert werden sollen. BiH ist darüber hinaus ein Schwerpunktland der schweizerischen Osteuropa-Zusammenarbeit. Die Schweiz hat deshalb ein grosses Interesse, sich auch an den militärischen Stabilisierungsbemühungen in diesem Land aktiv zu beteiligen. Die internationale Militär- und Zivilpräsenz in BiH der vergangenen Jahre war eine massgebliche Voraussetzung für die Ermöglichung der Rückkehr von Tausenden von bosnischen Asylbewerbern und Flüchtlingen aus der Schweiz in ihr Herkunftsland.

­

Die EU nimmt mit ihren politischen, wirtschaftlichen und jüngst auch militärischen Aktivitäten eine Schlüsselfunktion in Südosteuropa war. Die Perspektive dieser Staaten, Mitglied der EU zu werden, ist für die Stabilisierung dieser konfliktträchtigen Region von zentraler Bedeutung. Die schweizerische Teilnahme an der EUFOR ist ein nach aussen sichtbarer Entscheid für eine solidarische Beteiligung der Schweiz an den Anstrengungen für Frieden und Stabilität auf dem Balkan («burden sharing»).

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­

Die Entsendung von einsatzerfahrenen Schweizer Stabsoffizieren und LOT ermöglicht einen äusserst wertvollen Wissens- und Erfahrungsgewinn zugunsten unserer militärischen Friedensförderung. Mit Erfolg nehmen Schweizer Miliz- und Berufsoffiziere an internationalen Ausbildungsangeboten im Bereich der Friedensförderung teil, weshalb auch Erwartungen bestehen, die erworbene Fachkompetenz umzusetzen.

­

Im Rahmen unserer SWISSCOY- und ISAF-Einsätze in Kosovo und Afghanistan sowie in zahlreichen UNO-Einsätzen haben unsere Milizsoldaten und -offiziere gezeigt, dass sie auch in multinationalen Stäben effektive Beiträge leisten und so auch Beweise für die Leistungsfähigkeit unseres Milizsystems erbringen können.

­

Analog zu SWISSCOY und ISAF sind die Schweizer Armeeangehörigen auch der EUFOR nicht unterstellt, sondern zur Zusammenarbeit zugewiesen.

Interne Strukturen, Personal- und Disziplinarstrafwesen bleiben unter Schweizer Kontrolle.

­

Die Schweizer Teilnahe an der EUFOR trägt auch dazu bei, ihr Defizit in friedensunterstützenden Operationen im Vergleich zu anderen europäischen Staaten zu verringern. Dieser Rückstand ist gerade in der letzten Zeit aufgrund der gestiegenen Nachfrage nach Einheiten für solche Einsätze deutlich zutage getreten.

­

Der Einsatz von Schweizer Offizieren in Stäben der EUFOR und die Unterstützung der EUFOR mit LOT ist die konsequente Weiterführung der mit dem PSOTC eingeschlagenen Zusammenarbeit mit Grossbritannien.

Der Bundesrat unterstützt ein Engagement mit Schweizer Stabsoffizieren und LOT in der EUFOR. Vorabklärungen in der Armee haben ergeben, dass das VBS per November 2004 zwei einsatzerfahrene Stabsoffiziere sowie ein LOT in den Einsatz nach Bosnien-Herzegowina entsenden kann.

1.6

Rechtslage

1.6.1

Friedensförderungsdienst

Sowohl beim Einsatz von LOT als auch beim Einsatz von Stabsoffizieren handelt es sich um einen Friedensförderungsdienst-Einsatz im Sinne von Artikel 66 ff. MG.

Die Verfassungsmässigkeit des Friedensförderungsdienstes wurde bereits mehrfach geprüft und bejaht, soweit die Einsätze auf Freiwilligkeit beruhen. Keine Rolle spielt dabei, welche Massnahmen zum Schutz von Personen, Truppen und Auftragserfüllung ergriffen werden, wie insbesondere die Bewaffnung. Der Bundesrat ist jedoch verpflichtet, Einsätze im Einzelfall auf die Vereinbarkeit mit den aussen- und sicherheitspolitischen Maximen, dem Neutralitätsrecht sowie der Neutralitätspolitik unseres Landes hin zu prüfen. Der Einsatz von Schweizer Armeeangehörigen in der EUFOR kann erst erfolgen, nachdem die EUFOR ein entsprechendes UNO-Mandat erhalten hat.

3277

1.6.2

Zuständigkeit

Die Kompetenz des Bundesrates zur Anordnung von Friedensförderungsdienst stützt sich auf Artikel 66b Absatz 1 MG, und die Verordnung über den Einsatz von Personal bei friedenserhaltenden Aktionen und Guten Diensten (SR 172.221.104.4) regelt neben den personal- und dienstrechtlichen Fragen die verwaltungsinterne Kompetenzverteilung zwischen VBS und EDA. Mit dem Vorliegen eines UNO-Mandates sind die Voraussetzungen gemäss Artikel 66 Absatz 1 MG für einen Einsatz im Friedensförderungsdienst erfüllt.

Der Bundesrat hat am 26. Mai 2004 beschlossen: 1.

Die Botschaft und der Entwurf zum Bundesbeschluss über den Friedensförderungseinsatz von Schweizer Armeeangehörigen in der multinationalen European Union Force (EUFOR) in Bosnien-Herzegowina werden gutgeheissen.

2.

Gemäss Artikel 66 Absatz 1 MG kann der Einsatz von Schweizer Armeeangehörigen in der EUFOR erst erfolgen, nachdem die EUFOR ein entsprechendes UNO-Mandat erhalten hat.

3.

Das VBS wird ermächtigt, Schweizer Armeeangehörige in der multinationalen European Union Force (EUFOR) in Bosnien-Herzegowina im Friedensförderungsdienst einzusetzen.

a. Die Armeeangehörigen werden zum Selbstschutz bewaffnet.

b. Der Einsatz umfasst gleichzeitig höchstens vier Stabsoffiziere und zwei Liaison and Observation Teams (LOT), bestehend aus je acht Armeeangehörigen.

c. Die Kosten von jährlich maximal rund 5,4 Millionen Franken werden im Rahmen der eingestellten Mittel der Rubrik 525.3170.001 «Friedensförderung» vollumfänglich aufgefangen.

d. Das VBS kann im Einvernehmen mit dem EDA den Einsatz jederzeit beenden.

4.

Das Sekretariat der Bundesversammlung wird mit Meldezettel der BK über das Erscheinen der Botschaft orientiert.

Der Einsatz im Rahmen der EUFOR erfolgt zum Selbstschutz grundsätzlich bewaffnet und wird länger als drei Wochen dauern. Deshalb muss der Einsatz gemäss Artikel 66b Absatz 4 MG von der Bundesversammlung genehmigt werden. Mit dem Antrag, maximal zwei LOT und vier Stabsoffiziere einzusetzen, soll dem VBS die Möglichkeit gegeben werden, bei Bewährung des Schweizer Einsatzes von vorerst einem LOT und zwei Stabsoffizieren auf entsprechende Anfragen der EUFOR mit einer Aufstockung reagieren zu können.

Das VBS hat auch beim Einsatz zugunsten der EUFOR, entsprechend den anderen Engagements im Ausland, jederzeit die Möglichkeit, aufgrund einer eigenen sicherheitspolitischen Lagebeurteilung die Angehörigen der Schweizer Armee zurückzuziehen. Das EDA ist in diese Lagebeuteilung und in den Entscheidprozess einzubeziehen.

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2

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Bei der Entsendung von zwei Stabsoffizieren und einem LOT (acht Armeeangehörige) bewegt sich der finanzielle Aufwand auf höchstens 2,7 Millionen Franken pro Jahr. Die Ausgaben beruhen einerseits auf Erfahrungswerten (Militärbeobachter im Nahen Osten, SWISSCOY), andererseits auf Schätzungen, zum Beispiel für die logistische Einbindungen.

Die Ausgaben unter der Kreditrubrik 525.3170.001 «Friedensförderung» verteilen sich voraussichtlich wie folgt: Personalausgaben, inkl. Spesen, Gefahrenzulagen:

1,8 Mio. Fr.

Unterkunft, Verpflegung, Betrieb:

0,8 Mio. Fr.

Material, Ausrüstung:

0,1 Mio. Fr.

Die Mehrausgaben für den EUFOR-Einsatz können, auch für maximal zwei LOT und vier Stabsoffiziere und demnach 5,4 Millionen Franken pro Jahr, vollumfänglich im Rahmen der bewilligten Kredite für den Voranschlag 2004 sowie in den eingestellten Krediten des Legislaturfinanzplans 2005­2007 aufgefangen werden.

Bezüglich Rekrutierung, Vertragswesen, Ausbildung und Betreuung bedingt der EUFOR-Einsatz im Kommando SWISSINT keine zusätzlichen Stellen.

3

Legislaturplanung

Die Vorlage ist im Bericht über die Legislaturplanung 2003­2007 vom 25. Februar 2004 nicht angekündigt. Zweifellos dient aber dieser Beschluss über den Friedensförderungseinsatz von Schweizer Offizieren in Stäben der EUFOR und über den Einsatz von LOT zugunsten der EUFOR in Bosnien-Herzegowina den sicherheitspolitischen Zielen der Schweiz. Der vorliegende Beschluss liegt im Sinne der im Sicherheitspolitischen Bericht 2000 formulierten Strategie «Sicherheit durch Kooperation».

4

Rechtsform

Der vorliegende Bundesbeschluss stellt einen Einzelakt der Bundesversammlung dar, der in einem Bundesgesetz (Art. 66b Abs. 4 MG) ausdrücklich vorgesehen ist.

Da er weder rechtsetzend ist, noch dem Referendum untersteht, wird er in die Form des einfachen Bundesbeschlusses gekleidet (Art. 163 Abs. 2 BV, Art. 29 Abs. 1 ParlG).

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