02.439 Parlamentarische Initiative Nahrungsmittel. Kennzeichnung von besonderen Eigenschaften aufgrund der schweizerischen Gesetzgebung Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates vom 14. September 2004

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung des Landwirtschaftsgesetzes vom 29. April 19981.

Gleichzeitig erhält der Bundesrat gestützt auf Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20022 Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben beantragt, das Landwirtschaftsgesetz im vorgeschlagenen Sinne zu ändern.

14. September 2004

Im Namen der Kommission Der Präsident: Fulvio Pelli

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SR 910.1 SR 171.10

2004-2345

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Übersicht Nationalrat Melchior Ehrler reichte am 21. Juni 2002 eine parlamentarische Initiative (02.439 Nahrungsmittel. Kennzeichnung von besonderen Eigenschaften aufgrund der schweizerischen Gesetzgebung) ein. Danach sollen einheimische Nahrungsmittel, welche aufgrund von gesetzlichen Vorschriften (z.B. umweltgerechte Produktion, artgerechte Tierhaltung oder Lebensmittelsicherheit) höhere Anforderungen erfüllen als vergleichbare importierte Nahrungsmittel, entsprechend gekennzeichnet und ausgelobt werden können.

Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N) beantragte am 17. Februar 2003, der Initiative Folge zu geben, was der Nationalrat am 11. Dezember 2003 auch beschloss.

Die Initiative wurde der WAK-N zum Erarbeiten einer Vorlage zugeteilt. Die WAK-N beriet am 23. August und 14. September 2004 den entsprechenden Entwurf, der durch das Bundesamt für Landwirtschaft und das Bundesamt für Gesundheit, in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Veterinärwesen, dem Staatssekretariat für Wirtschaft und dem Büro für Konsumentenfragen erarbeitet worden war.

Zweck dieses Berichtes ist es, dem Parlament einen Vorschlag für eine Klärung der Rechtslage im Zusammenhang mit der Auslobung positiver Eigenschaften bei Lebensmitteln zu unterbreiten. Nach Abwägung verschiedener Varianten beantragt die Kommission dem Rat mit 20 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen, das Landwirtschaftsgesetz (LwG) mit einem neuen Artikel 16a zu ergänzen.

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

Nationalrat Melchior Ehrler reichte am 21. Juni 2002 eine parlamentarische Initiative (02.439 Nahrungsmittel. Kennzeichnung von besonderen Eigenschaften aufgrund der schweizerischen Gesetzgebung) ein, mit dem Ziel, dass einheimische Nahrungsmittel, welche aufgrund von gesetzlichen Vorschriften (z.B. umweltgerechte Produktion, artgerechte Tierhaltung oder Lebensmittelsicherheit) höhere Anforderungen erfüllen als vergleichbare importierte Nahrungsmittel, entsprechend gekennzeichnet und ausgelobt werden können.

Die Initiative gründet darauf, dass die schweizerische Gesetzgebung an die Lebensmittelproduktion in vielen Fällen höhere Anforderungen stellt als dies in anderen Staaten der Fall ist. Dies kann bei Konsumentinnen und Konsumenten ein entsprechendes Informationsbedürfnis hervorrufen und ­ wenn diese Information nicht gewährleistet wird ­ für inländische Produkte zu einem Konkurrenznachteil führen.

Unbestritten ist, dass die hohen gesetzlichen Anforderungen an die Lebensmittelproduktion in der Schweiz zum guten Image dieser Produkte beitragen, doch diese Rahmenbedingungen beeinflussen auch die Wettbewerbsfähigkeit der einheimischen Produktion, welche es im Hinblick auf die progressive Marktöffnung zu stärken gilt.

Die Initiative bezweckt denn auch, dass diese preislichen Wettbewerbsnachteile mindestens teilweise wettgemacht werden können.

Nach der Lebensmittelgesetzgebung ist es grundsätzlich zulässig, auf die bei der Herstellung eines Lebensmittels angewendeten Produktionsverfahren, die entsprechenden Gesetzesvorschriften oder die auf diese Produktionsverfahren zurückzuführenden besonderen Eigenschaften des betreffenden Lebensmittels hinzuweisen.

Verboten ist nach Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b der Lebensmittelverordnung vom 1. März 1995 (LMV, SR 817.02) hingegen das Ausloben von Eigenschaften, die alle anderen vergleichbaren Lebensmittel auch aufweisen. Als solche gelten nach heutiger Vollzugspraxis beispielsweise Hinweise darauf, dass ein bestimmtes Lebensmittel den bestehenden gesetzlichen Anforderungen genügt.

Die Abgrenzung der Angaben, die derartige Hinweise betreffen und demnach verboten sind (sofern alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Eigenschaften aufweisen), von denjenigen, die für die Konsumentinnen und Konsumenten tatsächlich einen Informationsgewinn bringen, erweist
sich in der Praxis als schwierig (vgl.

Beispiele in Anhang 1). Der Wortlaut von Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b LMV lässt diesbezüglich einen erheblichen Interpretationsspielraum offen. Die darauf zurückzuführende Rechtsunsicherheit hat dazu geführt, dass der Lebensmittelhandel von Hinweisen auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen bei der Erzeugung und Herstellung von Lebensmitteln nur zögerlich Gebrauch gemacht hat. In Ihrer Stellungnahme zur vorliegenden Initiative hat sich die Bundesverwaltung deshalb bereits dafür ausgesprochen, Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b LMV zu präzisieren und klarzustellen, dass Hinweise auf die Produktionsvorschriften, nach denen ein Lebensmittel hergestellt wurde, zulässig sein sollen. Damit soll die schwierige Abwägung zwischen den legitimen Informationsbedürfnissen der Konsumenten und den Anliegen des Täuschungsschutzes erleichtert werden.

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Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N) beantragte am 17. Februar 2003, der Initiative Folge zu geben, was der Nationalrat am 11. Dezember 2003 auch beschloss.3 Die Initiative wurde der WAK-N zum Erarbeiten einer Vorlage zugeteilt. Die WAK-N beriet am 23. August 2004 den entsprechenden Entwurf, der durch das Bundesamt für Landwirtschaft und das Bundesamt für Gesundheit, in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Veterinärwesen, dem Staatssekretariat für Wirtschaft und dem Büro für Konsumentenfragen erarbeitet worden war.

Nach Abwägung verschiedener Varianten beantragt die Kommission dem Rat mit 20 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltung, das Landwirtschaftsgesetz (LwG) mit einem neuen Artikel 16a zu ergänzen. Dieser hält explizit fest, dass landwirtschaftliche Produkte mit Hinweisen auf Eigenschaften oder Produktionsmethoden, welche sich auf Grund der Vorschriften (z.B. umweltgerechte Produktion, ökologischer Leistungsnachweis oder artgerechte Tierhaltung) ergeben, oder mit Hinweisen auf diese Vorschriften versehen werden können. Diese Hinweise auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen bei der Erzeugung und Herstellung von Lebensmitteln sollen auf freiwilliger Basis beruhen.

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Grundzüge der Vorlage

2.1

Änderung des Landwirtschaftsgesetzes

Die WAK beantragt, das Landwirtschaftsgesetz wie folgt zu ergänzen: Art. 16a (neu) Hinweise auf Eigenschaften oder Produktionsmethoden Landwirtschaftliche Erzeugnisse und deren Verarbeitungsprodukte dürfen mit Hinweisen auf Eigenschaften oder Produktionsmethoden, welche sich auf Grund der Vorschriften (umweltgerechte Produktion, ökologischer Leistungsnachweis oder artgerechte Tierhaltung) ergeben, oder mit Hinweisen auf diese Vorschriften versehen werden.

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Die Hinweise müssen insbesondere den Vorschriften über den Täuschungsschutz im Bereich des Lebensmittelrechtes entsprechen.

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Mit der Verankerung dieses Grundsatzes auf Gesetzesstufe im Landwirtschaftsrecht wird explizit festgehalten, dass landwirtschaftliche Produkte mit einer entsprechenden Deklaration versehen werden können, in Bezug zum Beispiel auf die Ökologie oder den Tierschutz. Dieser neue Artikel gehört zu den Bestimmungen über die Kennzeichnung gemäss dem 2. Titel, 2. Abschnitt des Landwirtschaftsgesetzes. Die Bestimmung ist generell formuliert und beschränkt sich somit nicht auf einheimische Nahrungsmittel. Von dem vom Initianten postulierten Hinweis auf die Lebensmittelsicherheit wird abgesehen, weil es einer Selbstverständlichkeit gleichkommt, dass nur sichere Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden. Die entsprechenden Grundsätze finden sich in der Lebensmittelgesetzgebung, die sowohl für einheimische als auch für importierte Produkte gilt, sowie in den Bestimmungen über die landwirtschaftlichen Produktionsmittel und die Tiergesundheit.

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AB 2003 N 1961

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Hinweise auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen bei der Erzeugung und Herstellung von Lebensmitteln sollen auf freiwilliger Basis beruhen. Es besteht somit keine Deklarationspflicht, wie sie zum Beispiel im Artikel 18 Landwirtschaftsgesetz (LwG) stipuliert ist.

Absatz 2 verweist auf das Täuschungsverbot nach der Lebensmittelgesetzgebung.

Dieses stellt sicher, dass der Täuschungsschutz gewahrt bleibt und eine Kennzeichnung nach dieser Bestimmung nur in den Schranken des Täuschungsverbotes zulässig ist.

Werden etwa importierte Lebensmittel mit Produktionsverfahren hergestellt, welche in der Schweiz verboten sind, darf im Rahmen der Kennzeichnung der einheimischen Erzeugnisse auf die in der Schweiz geltenden besonderen Produktionsvorschriften hingewiesen werden (Bsp: «Schweizer Mastkälber werden in einem Laufstall mit Einstreu gehalten»). Derartige Auslobungen finden dort ihre Grenze und wären täuschend, wo vorgegeben wird, das betreffende Produkt besitze selbst im Verhältnis zu vergleichbaren Schweizer Produkten der gleichen Produktkategorie besondere Eigenschaften, obwohl dies gar nicht zutrifft. So dürfte beispielsweise der Hinweis «Das Kalbfleisch mit dem xy-Label stammt von Kälbern, welche in eingestreuten Laufställen gehalten werden» täuschend sein. Denn in der Schweiz ist die Anbindehaltung von Kälbern verboten und ein eingestreuter Liegebereich vorgeschrieben, weshalb sämtliches Schweizer Kalbfleisch von Tieren stammt, welche in Laufställen mit Einstreu gehalten werden.

Eine allenfalls täuschende Kennzeichnung ist nach wie vor durch die Organe der kantonalen Lebensmittelkontrolle zu beanstanden. Da die Täuschungsgefahr nur situativ festgestellt werden kann, wird lediglich der Grundsatz der Zulässigkeit dieser Auslobung auf Gesetzesstufe festgehalten.

Die vorgeschlagene Verankerung im Landwirtschaftsgesetz (LwG) ist mit einer allfälligen Ergänzung der Lebensmittelverordnung, welche auch Anwendung ausserhalb des vom LwG anvisierten Bereiches finden würde (Bsp: Zuckerzusatz in Orangensaft, siehe Anhang 1) kompatibel.

2.2

Zusammenfassende Würdigung der geprüften Varianten

Die von der Kommission vorgeschlagene Änderung des Landwirtschaftsgesetzes wurde aus einer vertieften Diskussion von drei Varianten ausgewählt. Zur Diskussion standen: 1.

Änderung LwG: Eine Regelung im LwG entspricht voll und ganz der Stossrichtung der Initiative, wonach auf zunehmend liberalisierten Märkten die landwirtschaftlichen Produkte mit Information über ihre besonderen Eigenschaften und Produktionsvorschriften zu vermarkten sind. Sie ist nicht diskriminierend; auch auf Importprodukten ist die Deklaration von besonderen Eigenschaften oder Vorschriften im Ursprungsland zugelassen. Die Vielzahl der Vorschriften für die einzelnen Stufen der Produktion und der Verarbeitung sowie die vielfältigen Erwartungen der Konsumentinnen und Konsumenten stellen hohe Ansprüche an die Deklaration und an einen einheitlichen Vollzug; mit der vorgeschlagenen Ergänzung des LwG wird dazu eine klare Basis gelegt.

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2.

Änderung Lebensmittelgesetz vom 9. Oktober 1992 (SR 817.0, LMG): Auch eine Änderung des LMG würde den Anliegen des Initianten voll entsprechen. Ein solches Vorgehen hätte zudem zum Vorteil, dass die Deklarationsvorschriften im Lebensmittelbereich tendenziell in einem Erlass konzentriert werden könnten. Weiter soll das LMG in genereller Weise den Gesundheits- und den Täuschungsschutz gewährleisten.

3.

Verzicht auf eine Gesetzesänderung und Regelung in der LMV: Dem Anliegen des Initianten könnte grundsätzlich auch entsprochen werden, wenn das in Artikel 19 LMV verankerte Täuschungsverbot präzisiert würde.

Während der Beratung der Kommission wurde ein Antrag, die Vorarbeiten zur Kenntnis zu nehmen und die Initiative abzuschreiben, mit 15 zu 6 Stimmen abgelehnt. Für die Antragssteller sind die Lebensmittelsicherheit und der Schutz des Konsumenten vor Täuschung das oberste Ziel der Gesetzgebung. Sie messen der Deklarationspflicht (etwa im Zusammenhang mit gentechnisch veränderten Organismen) eine grosse Bedeutung zu. Weitere Label, welche primär Werbecharakter hätten, würden nur die Verwirrung der Konsumenten fördern und nichts zum Konsumentenschutz beitragen.

Bei der Variantenwahl wurde die Variante 1 mit 15 zu 7 Stimmen der Variante 3 vorgezogen. Für die Mehrheit der Kommission wird mit der gewählten Lösung eine klare gesetzliche Grundlage geschaffen und ein legitimes Informationsbedürfnis der Konsumenten und Konsumentinnen befriedigt. Auf der Basis der Deklaration könnten diese beim Kauf die dank anforderungsreichen Normen qualitativ hervorragenden Schweizer Produkte bevorzugen. Für die Landwirtschaft werde so ein durch die Normen potentiell existierender Wettbewerbsnachteil ausgeglichen und ein Differenzierungspotential für landwirtschaftliche Produkte geschaffen. Für Variante 3 sprach gemäss Minderheit, dass sich das anerkannte Ziel ohne Gesetzesänderung erreichen liesse und die Gesetzgebung schlanker gestaltet würde.

In der Gesamtabstimmung nahm die Kommission die Änderung des LwG mit 20 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen an.

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Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

3.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Sowohl die hier vorgeschlagenen Gesetzesänderungen wie auch eine allfällige Änderung der Lebensmittelverordnung hätten keine personellen oder finanziellen Konsequenzen für den Bund.

3.2

Vollzugstauglichkeit

Die vorgeschlagenen Änderungen tragen zu einer Klärung der Rechtslage und der Erhöhung der Rechtssicherheit bei. Insofern erleichtern sie den Vollzug der Lebensmittelgesetzgebung, namentlich des Täuschungsschutzes, durch die kantonalen Vollzugsorgane. Ein Mehraufwand ist hier nicht zu erwarten, da einzig die Rechtslage in Bezug auf heute schon grundsätzlich zulässige Auslobungen präzisiert und keine neuen Deklarationen geschaffen werden.

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3.3

KMU-Verträglichkeit

Die hier vorgeschlagenen Änderungen klären die Rechtslage und tragen zu einem einheitlicheren Vollzug des Täuschungsschutzes durch die Kantone bei. Damit wird die Rechtssicherheit der Unternehmen erhöht. Insgesamt ist die Revision im Interesse der KMU wie auch der übrigen Wirtschaft.

4

Verhältnis zum internationalen Recht

4.1

EU

Die vorgeschlagene Änderung des Landwirtschaftsgesetzes steht im Einklang sowohl mit dem entsprechenden EG-Recht als auch mit dem Abkommen mit der EG (Abkommen über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen vom 21. Juni 1999, BBl 1999 6929) vom 21. Juni 1999. Wie Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b LMV legt Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer iii der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür (ABl. Nr. L 109 vom 6. Mai 2000 S. 29) fest, dass die Etikettierung und die Art und Weise, in der sie erfolgt, nicht geeignet sein dürfen, den Käufer irrezuführen, und zwar insbesondere nicht indem zu verstehen gegeben wird, dass das Lebensmittel besondere Eigenschaften besitzt, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Eigenschaften besitzen. Die hier vorgestellten Änderungen stehen der Zielsetzung, welche die EG mit Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer iii verfolgt, nicht entgegen.

4.2

WTO

Die vorgeschlagene Änderung des Landwirtschaftsgesetzes bezieht sich sowohl auf in der Schweiz angebauten bzw. erzeugten Lebensmittel als auch auf Importprodukte. Sie steht somit im Einklang mit unseren Verpflichtungen im Rahmen der WTO.

Zu beachten ist nämlich, dass es auf Grund des im WTO-Übereinkommen (Abkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation vom 15. April 1994, SR 0.632.20) verankerten Diskriminierungsverbots sowie aus Gründen der Rechtsgleichheit nicht zulässig ist, das Ausloben besonderer Eigenschaften oder streng reglementierter Produktionsmethoden nur im Zusammenhang mit Schweizer Produkten explizit zuzulassen.

5

Verfassungsmässigkeit

Nach Artikel 104 Absatz 3 der Bundesverfassung kann der Bund Vorschriften zur Deklaration von Herkunft, Qualität, Produktionsmethode und Verarbeitungsverfahren für Lebensmittel erlassen.

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Nach Artikel 97 Absatz 1 der Bundesverfassung trifft der Bund Massnahmen zum Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten. In Ausführung dieser Bestimmung legt Artikel 18 des Lebensmittelgesetzes fest, dass die angepriesene Beschaffenheit sowie alle andern Angaben über das Lebensmittel den Tatsachen entsprechen müssen.

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Anhang 1

Aktuelle Beispiele Beispiel 1: Orangensaft «ohne Zuckerzusatz» Mit Entscheid vom 15. Januar 2004 hat das Bundesgericht eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde des EDI betreffend die Anpreisung von Orangensaft abgewiesen.

In diesem Fall ging es um einen Orangensaft, der mit den Hinweisen «100 % naturrein» und «ohne Zuckerzusatz» versehen war. Die zuständige kantonale Lebensmittelkontrollbehörde und das EDI stellten sich auf den Standpunkt, dass es sich beim Hinweis «ohne Zuckerzusatz» um eine Selbstverständlichkeit handle, welche nicht speziell ausgelobt werden dürfe, da nach den lebensmittelrechtlichen Bestimmungen Orangensaft nur dann Zucker zugegeben werden darf, wenn ausdrücklich auf diese Zugabe hingewiesen wird. Weiter machten sie geltend, bei einem als «100 % naturrein» bezeichneten Orangensaft sei die Zugabe von Zucker ohnehin nicht erlaubt, weshalb mit dem Hinweis «ohne Zuckerzusatz» vorgegeben werde, der betreffende Orangensaft verfüge über besondere Eigenschaften, obwohl alle vergleichbaren (d.h.

ebenfalls mit dem Hinweis «100 % naturrein» versehenen) Orangensäfte die selben Eigenschaften aufweisen würden. Die Konsumentinnen und Konsumenten würden somit insofern getäuscht, als sie glauben würden, sie kauften mit dem zusätzlich ausgelobten Orangensaft etwas besonderes, was aber gar nicht der Fall ist.

Das Bundesgericht begründete seinen Entscheid zusammengefasst wie folgt: Bei strenger formeller Betrachtung verstosse der Hinweis «ohne Zuckerzusatz» auf der Verpackung des fraglichen Orangensafts zwar gegen das Täuschungsverbot, namentlich gegen Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b der Lebensmittelverordnung (LMV). Im vorliegenden Fall dürfe jedoch das legitime Informationsbedürfnis der Konsumentinnen und Konsumenten nicht ausser Acht bleiben. Für die Konsumentinnen und Konsumenten könne es nämlich eine wichtige Rolle spielen, ob ein als Fruchtsaft angebotenes Produkt wirklich rein natürlich sei oder aber zugegebenen Zucker enthalte. Der durchschnittliche Konsument kenne die Vorschriften der Lebensmittelverordnung nicht und sei auch nicht ohne Weiteres in der Lage, bereits aus der Bezeichnung eines Produkts und aus der vorgeschriebenen Deklaration über die Zusammensetzung des Lebensmittels bezüglich einer allfälligen Zuckerzugabe sofort den richtigen Schluss zu ziehen.

So gesehen diene der Hinweis
vorab der besseren Information der Konsumentinnen und Konsumenten über eine für deren Kaufentscheid nicht unbedeutsame Frage.

Aus den Ausführungen des Bundesgerichtes kann gefolgert werden, dass im Einzelfall die Täuschungsgefahr bei bestimmten Auslobungen gegenüber dem qualifizierten Informationsbedürfnis der Konsumenten abzuwägen ist.

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Beispiel 2: «Käse aus Milch von Kühen, die sich regelmässig frei bewegen können» In einer Pressemitteilung des Schweizer Tierschutzes STS vom 9. September 2003 und einem Beitrag im Kassensturz vom September 2003 wurden gegen Produzenten von Grana Padano Vorwürfe erhoben; diese betrieben eine Tierhaltung, welche nicht Schweizer Tierschutznormen entspräche. STS und SR Sommaruga forderten Massnahmen gegen die Vermarktung von nicht tierschutzkonform erzeugtem Grana Padano in der Schweiz, namentlich eine entsprechende Deklaration dieses Käses gemäss Artikel 18 Landwirtschaftsgesetz.

Die Verwaltung hat diese Frage geprüft und kommt in ihrem Bericht4 zu folgenden Schlüssen: Deklarationsvorschriften für importierten Grana Padano hätten nur eine kurzfristige Wirkung in der Schweiz, indem sich die italienischen Lieferanten und Importeure so organisieren, dass sie der Deklarationspflicht durch die Erfüllung entsprechender Nachweispflichten entgehen. Eine Deklarationsvorschrift für eine einzelne Käse-Sorte wäre zudem aus Gründen der Gleichbehandlung kaum zu legitimieren. Somit wäre eine Ausdehnung auf alle Importkäse notwendig. Es wäre auch mit Retorsionsmassnahmen auf verschiedenen Ebenen zu rechnen. Für die Schweiz als Käseexporteur seien die diesbezüglichen Risiken angesichts des heutigen schwierigen Marktumfeldes sehr hoch. Langfristig sei in diesem Fall der Erlass von LDV-Deklarationsvorschriften also kaum Erfolg versprechend.

Hingegen würde sich gemäss den Schlussfolgerungen des Berichtes die sogenannte «Auslobung positiver Eigenschaften» grundsätzlich eignen, um die angestrebten Ziele ­ Information der Konsumentenschaft und Schutz der Produzenten vor Wettbewerbsnachteilen ­ zu erreichen. Der Bericht hält aber auch fest, dass die Auslobung positiver Eigenschaften nur dann möglich ist, wenn das Täuschungsverbot nicht verletzt wird. Hierzu bestehe noch Klärungsbedarf, dem mit den hier gemachten Vorschlägen genüge getan wird.

4

«Deklarationsvorschriften für Importkäse oder Auslobung von positiven Eigenschaften von Schweizer Käse bei unterschiedlichen Tierschutzvorschriften?», BLW, 31. März 2004.

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Anhang 2

Hinweis auf ein aktuelles Problem anhand des Beispiels «Suisse Qualité» / «Suisse Garantie» Nachfolgend wird ein konkretes Beispiel geschildert, zu welchem verschiedene Diskussionen geführt wurden. Es handelt sich zwar im vorliegenden Fall um eine Deklaration der Herkunft in Form einer hinterlegten Marke. Dieses Beispiel zeigt jedoch die Rechtsunsicherheit, die sich bei der Deklaration von landwirtschaftlichen Erzeugnissen ergeben kann.

Für die Schweizer Landwirtschaft ist ein Herkunftszeichen von zentraler Bedeutung.

Offenere Märkte, ein geringerer Grenzschutz und mehr Konkurrenz durch ausländische Produkte werden die Zukunft prägen. Umso wichtiger ist es, Schweizer Produkte deutlich zu kennzeichnen und durch strenge Kontrollen vertauenswürdig zu erhalten.

Die Schweizer Landwirtschaft führt daher ein gemeinsames, einheitliches Herkunftszeichen für inländische Landwirtschaftsprodukte ein: Die Marke «Suisse Garantie» zeichnet die Herkunft Schweiz (Schweizer Zollgebiet inkl. Liechtenstein) aus, stellt klare Anforderungen an die Produktion und die Verarbeitung und gewährleistet ein lückenloses, unabhängiges Kontroll- und Zertifizierungssystem. «Suisse Garantie» entspricht den Konsumentenbedürfnissen, wie verschiedene repräsentative Umfragen zeigen.

Die Marke «Suisse Garantie» ist das Ergebnis eines langwierigen Prozesses zwischen Organisationen der Landwirtschaft, der Konsumenten und den kantonalen Vollzugsbehörden im Lebensmittelbereich. Ursprünglich beabsichtigten die Initianten, eine Marke «Suisse Qualité» zu schaffen, welche insbesondere eine Garantie für die in der Schweiz geltenden, besonderen Anforderungen im Bereich der umweltgerechten Produktion, artgerechter Tierhaltung oder der Lebensmittelsicherheit abgeben sollte. Diese Initiative scheiterte jedoch am Widerstand des Bundesamtes für Gesundheit und der Kantonschemiker, welche argumentierten, bei diesem Anforderungsprofil handle es sich um Selbstverständlichkeiten, da es sich im Wesentlichen um gesetzliche Mindestanforderungen handle.

Die Initianten sind daher auf die Bezeichnung «Suisse Garantie» umgeschwenkt, um sich dieser Kritik zu entziehen. Doch auch bei dieser Marke bestehen aufgrund der gesammelten Erfahrungen noch gewisse Rechtsunsicherheiten, die mit der in diesem Bericht vorgeschlagenen Änderungen ausgeräumt werden können.

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