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Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2003 sowie Botschaft zu Wirtschaftsvereinbarungen vom 14. Januar 2004

04.005 Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2003 sowie Botschaft zu Wirtschaftsvereinbarungen vom 14. Januar 2004

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, gestützt auf Artikel 10 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über aussenwirtschaftliche Massnahmen (SR 946.201; «Gesetz») beehren wir uns, Ihnen Bericht zu erstatten.

Wir beantragen Ihnen, von diesem Bericht samt seinen Beilagen (Ziff. 9.1.1 und 9.1.2) Kenntnis zu nehmen (Art. 10 Abs. 1 des Gesetzes).

Gleichzeitig unterbreiten wir Ihnen gestützt auf Artikel 10 Absatz 3 des Gesetzes eine Botschaft über zwei internationale Wirtschaftsvereinbarungen mit dem Antrag, den Entwurf zum Bundesbeschluss betreffend Rückversicherungsverträge auf dem Gebiet der Exportrisikogarantie zwischen der Schweiz und Schweden sowie zwischen der Schweiz und Tschechien (Ziff. 9.2.1 samt Anhängen) zu genehmigen Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

14. Januar 2004

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Joseph Deiss Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2003­2763

291

Übersicht Das Einleitungskapitel des Berichts (Ziff. 1) zeigt auf, dass die schrittweise Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf die zehn neuen EU-Mitgliedsländer im Rahmen der schweizerischen Arbeitsmarktregelung der schweizerischen Wirtschaft grosse Chancen bieten.

Des Weitern gibt der Bericht einen Überblick über die Wirtschaftslage (Ziff. 2) und über die Aussenwirtschaftstätigkeiten des Jahres 2003 auf multilateraler, bilateraler und autonomer Ebene (Ziff. 3­8 und Beilage 9.1). Ferner ist dem Bericht eine Botschaft zu zwei Rückversicherungsverträgen der Schweiz mit Schweden und Tschechien auf dem Gebiet der Exportrisikogarantie (Beilage 9.2.1) beigefügt.

Überblick über die Wirtschaftslage Die Schweizer Wirtschaft blieb über weite Teile des Jahres 2003 unter dem Einfluss einer auf ihren wichtigsten Märkten noch anhaltend schwachen internationalen Konjunktur.

Anfänglich noch sehr zögerlich, setzte sich die Erholung der internationalen Konjunktur in der zweiten Jahreshälfte - bei ausgeprägten Unterschieden zwischen den wichtigsten Ländern und Regionen - zunehmend deutlich durch. Stimuliert durch eine sehr expansive Geldpolitik und massive Steuersenkungen beschleunigte sich das Wachstum in den USA in der Folge des Irak-Kriegs in unerwartetem Masse. Erstmals seit rund drei Jahren setzte auch in der japanischen Volkswirtschaft eine nennenswerte Erholung ein. Auf dem europäischen Kontinent, wo verschiedene bedeutende Volkswirtschaften in eine leichte Rezession abgeglitten waren, erholt sich die Wirtschaft hingegen nur sehr langsam.

Der Aufschwung wird 2004 an Fahrt und an Breite gewinnen. Die wichtigsten Regionen werden aber weiterhin in unterschiedlichem Masse profitieren. Einer Normalisierung der US-amerikanischen Konjunktur auf hohem Niveau, einer weiterhin bemerkens-werten Leistung der japanischen Wirtschaft und einer wieder überaus dynamischen Entwicklung im übrigen asiatischen Raum wird ein bescheidenerer Aufschwung der westeuropäischen Wirtschaft gegenüberstehen. Der EuroRaum wird sich dabei primär auf eine Erstarkung seiner Binnennachfrage verlassen müssen, da die Übertragung der kräftigeren weltwirtschaftlichen Impulse durch die neue Stärke des Euro behindert wird. Die wohl grösste Gefahr für einen dauerhaften Aufschwung der Weltwirtschaft besteht in dessen hoher Abhängigkeit von der
Konjunktur in den USA, in Verbindung mit den massiv gestiegenen Ungleichgewichten in der amerikanischen Volkswirtschaft.

Die Schweizer Wirtschaft wurde von der anhaltenden weltwirtschaftlichen Schwäche stärker betroffen als die meisten übrigen Industriestaaten. Neben einer für die Schweiz besonders ungünstigen Konstellation im internationalen Umfeld dürfte auch die anhaltende strukturelle Wachstumsschwäche der Wirtschaft eine Rolle gespielt haben. Zwar begannen sich die Exporte im Herbst zu erholen. Für das Jahr 2003 insgesamt ist jedoch bei weitgehend stagnierenden Ausfuhren und schwacher In-

292

landnachfrage von einem leichten Rückgang des realen Bruttoinlandprodukts auszugehen.

Mit der Übertragung der weltwirtschaftlichen Erholung auf Westeuropa wird die ausländische Nachfrage zunehmend auch auf unsere Wirtschaft übergreifen. Anfänglich noch langsam wachsende Exporte und ein nach jahrelanger Investitionsschwäche aufgestauter Modernisierungsbedarf werden auch die Investitionstätigkeit der Unternehmen wieder anregen. Der Konsum der privaten Haushalte wird von der verbesserten Stimmung in der Wirtschaft und der allmählich stabilisierten Arbeitslosigkeit profitieren. Nach rund dreijähriger weitgehender Stagnation dürfte die Schweizer Wirtschaft damit 2004 wieder um rund 1,5 Prozent und damit nahe ihren längerfristigen Möglichkeiten wachsen.

Übersicht über die Aussenwirtschaftstätigkeiten 2003 Mit der Erweiterung der EU auf den 1. Mai 2004 werden die sektoriellen Abkommen von 1999 zwischen der Schweiz und der EG (Bilaterale I) auf die zehn neuen Mitgliedstaaten ausgedehnt werden. Einzig bei der Personenfreizügigkeit ist eine Übergangsregelung nötig, wozu am 16. Juli Verhandlungen mit der EU aufgenommen wurden. Die Verhandlungen über neun weitere bilaterale Abkommen (Bilaterale II) wurden fortgeführt.

Am 26. Juni ist zwischen den EFTA-Staaten und Chile ein Freihandelsabkommen unterzeichnet worden.

Nachdem die WTO-Ministerkonferenz vom 10.­14. September in Cancún (Mexiko) ergebnislos abgebrochen werden musste, ist in Bezug auf den Abschluss der DohaRunde (vorgesehen auf den 1. Januar 2005) mit Verzögerungen zu rechnen. Das von der Schweiz und weiteren Klägern gegen die USA angestrengte Streitbeilegungsverfahren betreffend Schutzzölle auf Stahlimporten endete mit dem Entscheid, dass die USA die beanstandeten Schutzzölle aufheben müssen.

Im Berichtsjahr trat der neue Rahmenkredit für die Weiterführung der Finanzierung von wirtschafts- und handelspolitischen Massnahmen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit in Kraft. Bei dieser Zusammenarbeit hat sich die Notwendigkeit einer stärkeren Ausrichtung der Hilfe auf die Förderung des wirtschaftlichen Wachstums und die Entwicklung des Privatsektors in den Partnerländern der Schweiz bestätigt.

Auf dem Gebiet des Investitionsschutzes traten bilaterale Abkommen mit Kirgisien und Nigeria in Kraft; ein entsprechendes Abkommen wurde mit Libyen
unterzeichnet. Im Bereich der Exportrisikogarantie (ERG) wurden zwischen der Schweiz und Schweden sowie zwischen der Schweiz und Tschechien je ein Rückversicherungsvertrag abgeschlossen.

293

Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1 Die Personenfreizügigkeit in einer erweiterten EU 1.1 Generelle wirtschaftliche Effekte einer Personenfreizügigkeit 1.1.1 Integrationsgewinne 1.1.2 Arbeitsmarktflexibilität und flankierende Massnahmen 1.1.3 Die Bedeutung des Humankapitals 1.1.4 Fiskalische Auswirkungen 1.2 Spezifische Auswirkungen auf die Schweiz 1.2.1 Abschätzung des Migrationspotenzials 1.2.2 Zuwanderung im Zeitablauf 1.2.3 Qualitative Aspekte der Zuwanderung 1.2.4 Auswirkungen auf die Löhne 1.2.5 Folgen für den Fiskus 1.3 Die Guillotine-Klausel 1.3.1 Ausgangslage 1.3.2 Rechtliche Beurteilung 1.3.3 Politische Beurteilung 1.3.4 Wirtschaftliche Beurteilung 1.4 Chancen nutzen und Potenziale der Schweizer Wirtschaft erhalten

299 300 300 301 301 302 302 302 304 305 307 307 308 308 309 309 310 310

2 Zur Wirtschaftslage 2.1 Weiter verzögerte Erholung der internationalen Konjunktur 2.2 Von der anhaltenden globalen Schwäche besonders stark betroffene Schweizer Wirtschaft 2.3 Allmähliche Erholung der Schweizer Wirtschaft im Sog des globalen Wiederaufschwungs

311 311

3 Europäische Wirtschaftsintegration 3.1 Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU 3.1.1 Beziehungen im Rahmen der geltenden Abkommen 3.1.1.1 Freihandelsabkommen (FHA) Schweiz-EG von 1972 3.1.1.2 Die sektoriellen Abkommen Schweiz-EG von 1999 3.1.1.3 Anpassungen an die EU-Erweiterung 3.1.2 Verhandlungen über weitere bilaterale Abkommen 3.2 Europäische Freihandelsassoziation (EFTA) und andere europäische Freihandelsbeziehungen 3.2.1 EFTA-interne Beziehungen 3.2.2 Beziehungen der EFTA zu europäischen Drittstaaten und Mittelmeerländern 3.3 Europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Forschung und Technologie 3.3.1 Eureka 3.3.2 COST

324 324 324 324 325 329 330

4 Multilaterale Wirtschaftszusammenarbeit

337

294

316 322

334 334 335 336 336 336

4.1 Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) 4.1.1 Tagung des OECD-Rates auf Ministerebene 4.1.2 Schwerpunkte der analytischen Tätigkeiten 4.1.2.1 Schweizerische Wirtschaftspolitik 4.1.2.2 Entwicklungszusammenarbeit 4.1.2.3 Arbeitsmarktpolitik 4.1.2.4 Territoriale Entwicklung 4.1.2.5 Handelspolitik 4.1.3 Instrumente im Investitionsbereich 4.1.3.1 Multilaterale Investitionsregeln 4.1.3.2 Kodex für multinationale Unternehmen 4.1.3.3 Korruptionspraktiken 4.1.4 Instrumente in anderen Bereichen 4.1.4.1 Internationale Zusammenarbeit im Wettbewerbsbereich 4.1.4.2 OECD-Grundsätze der Corporate Governance 4.1.4.3 Unlauterer Steuerwettbewerb 4.2 Welthandelsorganisation (WTO) 4.2.1 Ministerkonferenz in Cancún (Mexiko) 4.2.2 Landwirtschaft 4.2.3 Industrieprodukte 4.2.4 Dienstleistungen (GATS) 4.2.5 Geistiges Eigentum 4.2.6 Streitbeilegungsfälle 4.2.7 Handel und Entwicklung 4.2.8 Beitrittsverfahren 4.3 Präferenzielle Abkommen mit Staaten ausserhalb Europas und des Mittelmeerraums 4.4 Vereinte Nationen (UNO) 4.4.1 UNCTAD 4.4.2 UNIDO 4.4.3 Folgeprozess von Rio und Johannesburg 4.4.4 UNO-Wirtschaftskommission für Europa 4.4.5 Internationale Arbeitsorganisation (IAO) 4.4.6 Welternährungsorganisation (FAO) 4.5 Sektorale Zusammenarbeit 4.5.1 Zusammenarbeit im Energiebereich 4.5.1.1 Internationale Energie-Agentur (IEA) 4.5.1.2 Energiecharta-Vertrag 5 Internationales Finanzsystem 5.1 Internationaler Währungsfonds 5.1.1 Lage der Weltwirtschaft und Turbulenzen auf den internationalen Finanzmärkten 5.1.2 Verstärkung des internationalen Finanzsystems und Reform des IWF 5.1.3 Internationale Währungszusammenarbeit und die Schweiz 5.2 Die Zehnergruppe (G10)

337 337 338 338 339 339 340 340 341 341 342 342 343 343 343 344 345 345 346 347 347 348 348 349 350 350 351 351 352 353 354 355 357 358 358 358 358 359 359 359 360 362 362 295

5.3 Internationale Aufsichtsgremien 5.3.1 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht 5.3.2 Internationale Organisation der Effektenhandelsaufseher (IOSCO) 5.3.3 Internationale Vereinigung der Versicherungsaufseher (IAIS) 5.3.4 Joint Forum 5.3.5 Internationale Task Force zur Bekämpfung der Geldwäscherei (FATF)

363 363 363 364 365 365

6 Wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit 6.1 Multilaterale Finanzierungsinstitutionen 6.1.1 Weltbankgruppe 6.1.2 Regionale Entwicklungsbanken 6.1.2.1 Afrikanische Entwicklungsbank 6.1.2.2 Asiatische Entwicklungsbank 6.1.2.3 Interamerikanische Entwicklungsbank 6.1.3 Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) 6.2 Unterstützungsmassnahmen zugunsten von Entwicklungs- und Transitionsländern 6.2.1 Entwicklungsländer 6.2.1.1 Makroökonomische Unterstützung: Budgethilfen und Entschuldungsmassnahmen 6.2.1.2 Investitionsförderung 6.2.1.3 Mischfinanzierungen 6.2.1.4 Handels- und Umwelttechnologiekooperation 6.2.2 Mittel- und Osteuropa sowie die GUS 6.2.2.1 Infrastrukturfinanzierung 6.2.2.2 Makroökonomische Hilfe 6.2.2.3 Investitionsförderung 6.2.2.4 Handels- und Umwelttechnologiekooperation

366 366 367 368 369 369 370 370

7 Bilaterale Beziehungen 7.1 Westeuropa 7.2 Mittel- und Osteuropa sowie die GUS 7.3 Südosteuropa 7.4 Nordamerika 7.5 Zentral- und Südamerika 7.6 Asien/Ozeanien 7.7 Mittlerer Osten 7.8 Afrika

376 377 377 378 379 381 383 384 385

8 Autonome Aussenwirtschaftspolitik 8.1 Exportkontroll- und Embargomassnahmen 8.1.1 Massnahmen zur Nichtweiterverbreitung von Gütern zur Herstellung von Massenvernichtungs- und konventionellen Waffen 8.1.1.1 Güterkontrollverordnung 8.1.1.2 Chemikalienkontrollverordnung 8.1.2 Embargomassnahmen 8.1.2.1 Embargomassnahmen der UNO

387 387

296

371 372 372 373 373 374 374 375 375 375 376

387 387 389 389 389

8.2

8.3

8.4 8.5 8.6

391 8.1.2.2 Embargomassnahmen der EU 8.1.2.3 Massnahmen gegen Konfliktdiamanten 391 Aussenhandel mit Stahl 392 8.2.1 WTO-Streitbeilegungsverfahren gegen Schutzmassnahmen der USA im Stahlsektor 392 8.2.2 Europäische Union (EU) 393 8.2.3 OECD 393 ERG, IRG, Exportfinanzierung, Umschuldung 394 8.3.1 Exportrisikogarantie 394 8.3.2 Investitionsrisikogarantie 395 8.3.3 Exportfinanzierung 395 8.3.4 Umschuldungen 396 Exportförderung 397 Standortförderung 397 Tourismus 398 8.6.1 Wirtschaftliche Lage des internationalen Tourismus 398 8.6.2 Massnahmen zur Stärkung der touristischen Wettbewerbsfähigkeit 399 8.6.3 Multilaterale und bilaterale Zusammenarbeit im Bereich des Tourismus 399

Abkürzungsverzeichnis

400

9 Beilagen 9.1 Beilagen 9.1.1­9.1.2 (zur Kenntnisnahme) 9.1.1 Ergänzende Tabellen und Grafiken zur Wirtschaftslage 9.1.2 Bewilligungspflichtige Versandkontrollen in der Schweiz im Auftrag ausländischer Staaten 9.2 Beilage 9.2.1 (zur Genehmigung) 9.2.1 Botschaft zu den Rückversicherungsverträgen auf dem Gebiet der Exportrisikogarantie zwischen der Schweiz und Schweden sowie zwischen der Schweiz und Tschechien Bundesbeschluss betreffend Rückversicherungsverträge auf dem Gebiet der Exportrisikogarantie zwischen der Schweiz und Schweden sowie zwischen der Schweiz und Tschechien (Entwurf) Vertrag wechselseitige Rückversicherungsverpflichtungen zwischen der Geschäftsstelle für die Exportrisikogarantie, Kirchenweg 8, 8032 Zürich (nachfolgend «ERG» genannt), handelnd für die Schweizerische Eidgenossenschaft, und der EKN ­ Exportkreditnämden, Postfach 3064, SE-103 61 Stockholm, (nachfolgend «EKN» genannt), handelnd für die schwedische Regierung

405 405 405 417 419 421

427

429

297

Vertrag über wechselseitige Rückversicherungsverpflichtungen zwischen der Geschäftsstelle für die Exportrisikogarantie, Kirchenweg 8, 8032 Zürich (nachfolgend «ERG» genannt), handelnd für die Schweizerische Eidgenossenschaft, und der Exportgarantie- und -versicherungsgesellschaft, Vodickova 34/701, 111 21 Prag 1, Tschechische Republik (nachfolgend «EGAP» genannt), handelnd gestützt auf das Gesetz Nr. 58/1995 über die Versicherung und Finanzierung von Exporten mit staatlicher Unterstützung, in revidierter Fassung 451

298

Bericht 1

Die Personenfreizügigkeit in einer erweiterten EU Mit dem EU-Beitritt von 10 Mitgliedstaaten am 1. Mai 2004 nimmt die Bevölkerungszahl im EU-Binnenmarkt um 75 Millionen zu. Auf dieses Datum werden die sektoriellen Abkommen von 1999 («Bilaterale I») und die andern Abkommen zwischen der Schweiz und der EG auf die Neumitglieder ausgedehnt. Dies trifft aber nicht auf das Abkommen über die Freizügigkeit (FZA) von 1999 zu, weil dieses nicht nur zwischen der Schweiz und der EG, sondern auch zwischen der Schweiz und jedem einzelnen Mitgliedstaat der EU abgeschlossen worden ist.

Zur Ausdehnung des FZA bedarf es eines entsprechenden Erweiterungsprotokolls, dessen Genehmigung in der Schweiz dem fakultativen Referendum unterstellt sein wird. Es ist davon auszugehen, dass die Verweigerung der Ausdehnung des FZA durch die Schweiz die Kündigung dieses Abkommens zur Folge hätte. Da jedes der sieben Abkommen von 1999 die Klausel enthält, dass im Falle der Aufhebung eines Abkommens die anderen sechs Abkommen ebenfalls ausser Kraft treten, würden dabei die «Bilateralen I» ebenfalls ausser Kraft treten.

Um dies zu vermeiden und aus der Überzeugung, dass eine Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf die neuen EU-Mitgliedsländer ­ verbunden mit den im Juli 2004 in Kraft tretenden flankierenden Massnahmen ­ für die Schweizer Wirtschaft grosse Chancen beinhaltet, befürwortet der Bundesrat die Ausdehnung des FZA. Über geeignete Übergangsfristen und Kontingente wird gegenwärtig verhandelt.

Am 1. Mai 2004 werden die acht mittel- und osteuropäischen Länder Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechische Republik und Ungarn (MOEL-8) sowie Malta und Zypern der Europäischen Union beitreten. In diesen zehn Ländern leben 75 Millionen Menschen, was rund 20 Prozent der heutigen EU-Bevölkerung entspricht. Im Jahr 2007 hoffen auch Bulgarien und Rumänien der EU beitreten zu können, womit weitere 30 Millionen Personen zur EU stossen würden.

299

Bevölkerungszahlen in den neuen EU-Mitgliedsländern sowie in ausgewählten Kandidatenländern (in Mio.)

Beitrittsländer (2004):

Kandidatenländer (ca. 2007):

Polen Tschechische Republik Ungarn Slowakei Litauen Lettland Slowenien Estland Zypern Malta

38,7 10,3 10,2 5,4 3,7 2,4 2,0 1,4 0,6 0,4

Rumänien Bulgarien

Beitrittsländer (2004) Kandidatenländer (2007) EU-15

22,4 8,0

75,0 30,4 370,0

Quelle: Eurostat

1.1

Generelle wirtschaftliche Effekte einer Personenfreizügigkeit

1.1.1

Integrationsgewinne

Aus ökonomischer Sicht sind von einer wirtschaftlichen Integration, welche den freien Güter-, Kapital- und Personenverkehr zwischen den Ländern eines gemeinsamen Wirtschaftsraums gewährleistet, positive Auswirkungen zu erwarten. Güter und Produktionsfaktoren können in einem grösseren gemeinsamen Markt effizienter eingesetzt werden als innerhalb enger nationaler Grenzen. Für die Produzenten vereinfacht sich der Zugang zu den Absatzmärkten. Aber auch die Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit werden insgesamt produktiver und nutzbringender eingesetzt.

Langfristig gleichen sich innerhalb eines integrierten Marktes Güterpreise und Faktorkosten und damit auch die Lebensbedingungen im gesamten Integrationsgebiet tendenziell an.

Dank der am 1. Juni 2002 in Kraft getretenen sektoriellen Abkommen mit der EU («Bilaterale I») hat die Schweiz noch besseren Zugang zum EU-Binnenmarkt und kann wie die EU-Staaten von vielen Integrationsgewinnen profitieren. Das Personenfreizügigkeitsabkommen1 nimmt dabei volkswirtschaftlich einen besonderen Stellenwert ein, da die Güter- und Kapitalmärkte im Vergleich zum Arbeitsmarkt bereits stärker international liberalisiert sind. Natürlich ist ein international relativ offener Arbeitsmarkt für die Schweizer Unternehmen nicht neu, denn die Schweiz hat eine reiche Erfahrung mit der Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte. Die Tatsache, dass der Anteil der ausländischen Bevölkerung in der Schweiz im internationalen Vergleich relativ hoch ist, verdeutlicht die Offenheit unseres Landes und ist zugleich Ausdruck der volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Durch die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte waren und sind die Schweizer Unternehmen in der

1

300

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (SR 0.142.112.681).

Lage, ihre Produktion durch das zusätzliche ausländische Arbeitsangebot bei Bedarf relativ kurzfristig und gezielt auf die Bedürfnisse des Marktes auszurichten.

1.1.2

Arbeitsmarktflexibilität und flankierende Massnahmen

Zentrale Voraussetzung dafür, dass sich Zuwanderung im Aufnahmeland tatsächlich positiv auswirkt, ist ein gut funktionierender Arbeitsmarkt. Diese Bedingung ist darum so wichtig, weil die Zuwanderung nicht zu einer Verdrängung einheimischer Arbeitskräfte in die Arbeitslosigkeit führen darf. Glücklicherweise weist der Schweizer Arbeitsmarkt u.a. dank seinem dezentralen Lohnfindungssystem, einer effizienten Arbeitsgesetzgebung, einer modernen Arbeitslosenversicherung sowie einem integrativen und erfolgreichen Bildungssystem denn auch eine hohe Flexibilität auf, womit die Chancen für unser Land gut stehen, aus der Zuwanderung tatsächlich volkswirtschaftlichen Nutzen ziehen zu können. Die hohe Arbeitsmarktpartizipation sowie die im internationalen Vergleich tiefe Erwerbslosenquote verdeutlichen, dass der Schweizer Arbeitsmarkt in einem positiven Sinn flexibel ist und den grössten Teil der Bevölkerung im Erwerbsalter zu integrieren vermag.

Die Kehrseite eines sehr flexiblen Arbeitsmarktes kann aus der Sicht der einheimischen Arbeitskräfte sein, dass ihre Löhne und Arbeitsbedingungen durch vermehrte Zuwanderung unter einen gewissen Druck geraten. Die flankierenden Massnahmen, welche Mitte 2004 in Kraft treten werden, sollen daher verhindern, dass die Lohnund Arbeitsbedingungen als Folge der Personenfreizügigkeit erodieren. Die flankierenden Massnahmen umfassen drei Regelungsfelder: ­

Das Entsendegesetz (SR 823.20) und die dazugehörige Verordnung (SR 823.201) legen minimale Arbeits- und Lohnbedingungen für Arbeitnehmende fest, die von einem ausländischen Arbeitgeber im Rahmen einer Dienstleistung in die Schweiz entsendet werden.

­

Im Fall von wiederholter missbräuchlicher Unterbietung der üblichen Arbeitsbedingungen können Mindestlöhne und Arbeitszeitbestimmungen in Gesamtarbeitsverträgen leichter für allgemeinverbindlich erklärt werden.

­

Wenn kein Gesamtarbeitsvertrag in der betroffenen Branche besteht, können über Normalarbeitsverträge Mindestlöhne vorgeschrieben werden.

1.1.3

Die Bedeutung des Humankapitals

Neben der Arbeitsmarktflexibilität ist der Aspekt des Humankapitals für den Arbeitsmarkt ein weiteres Schlüsselelement. Wie die Erfahrung der Schweiz und vieler anderer Länder zeigt, ist die Zuwanderung für ein Aufnahmeland volkswirtschaftlich um so günstiger, je höher die Qualifikation der zuwandernden Arbeitskräfte ist.

Dieser Zusammenhang ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass das Humankapital mit seinen Kenntnissen und Fertigkeiten ein wichtiger Produktionsfaktor ist.

Der technologische Fortschritt hat die Bedeutung des Humankapitals noch verstärkt und die Nachfrage der Unternehmen nach hochqualifizierten Arbeitskräften weiter gesteigert. Für die Schweizer Unternehmen, welche über einen relativ kleinen HeimArbeitsmarkt verfügen, ist es geradezu von strategischer Bedeutung, bei der Rekru301

tierung hoch qualifizierter Spezialisten auch auf den internationalen Arbeitsmarkt zurückgreifen zu können. Nur dank dessen können grosse oder stark spezialisierte Firmen in der Schweiz überhaupt die notigwendige, kritische Firmengrösse erreichen.

1.1.4

Fiskalische Auswirkungen

Neben den rein arbeitsmarktlichen Fragen kann es für die ansässige Bevölkerung von Interesse sein, wie sich die Zuwanderung fiskalisch auswirkt. Im Zentrum des Interesses steht dabei die Frage, ob die zuwandernde Bevölkerung per Saldo ­ über den Lebenszyklus hinweg betrachtet ­ allenfalls mehr öffentliche Dienstleistungen oder Sozialleistungen bezieht, als sie in Form von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen bezahlt. Gemäss einer empirischen Studie für die Schweiz ist diese Befürchtung im Falle der in der Schweiz lebenden Ausländerinnen und Ausländer unbegründet2. Grundsätzlich ist aus theoretischer Sicht zu erwarten, dass dieser Saldo mit steigendem Qualifikationsniveau der zuwandernden Personen steigt. Der Grund für diese Vermu-tung liegt einerseits im progressiven Steuersystem und andererseits in der Tatsache, dass die Wahrscheinlichkeit, von Sozialleistungen abhängig zu werden, mit steigender Qualifikation abnimmt. Im Bereich der umlagefinanzierten Sozialversicherungen und insbesondere bei der AHV ist zu beachten, dass eine Zuwanderung von Beitragszahlern mithelfen kann, die demografischen Probleme zu entschärfen.

1.2

Spezifische Auswirkungen auf die Schweiz

1.2.1

Abschätzung des Migrationspotenzials

Das Migrationspotenzial aus den zehn neuen EU-Mitgliedsländern in die Staaten der heutigen EU-15 wird von der EU selber insgesamt als durchaus beträchtlich eingeschätzt. Je nach angewandter Methodik wird die Zuwanderung in die EU aus den acht mittel- und osteuropäischen Ländern (MOEL-8) auf 140 000­240 000 Personen pro Jahr geschätzt. Unter Einbezug von Bulgarien und Rumänien (MOEL-10), beträgt die Spannweite der Schätzungen 200 000­790 0003. Mit dieser Grössenordnung liegen die Schätzungen der Zuwanderung deutlich über den Werten, welche man bei der Erwei-terung der Europäischen Gemeinschaft nach Süden effektiv beobachtete. Die grosse Spannbreite von Ergebnissen verdeutlicht aber auch, wie schwierig eine Abschätzung ist.

Die Gründe für das relativ hohe Migrationspotenzial aus den neuen Mitgliedsländern ist einerseits die grosse Bevölkerungszahl dieser Länder und andererseits das erhebliche Gefälle in den Pro-Kopf-Einkommen, welches Anreize zur Migration setzt.

Die erwartete Konvergenz der Einkommen wird zudem zu langsam erfolgen, als dass sich die Einkommensdifferenz rasch verringern würde: 1997 erreichte das BIP 2

3

302

Vgl. Weber René und Straubhaar Thomas (1996), «Immigration and the Public Transfer System: Some Empirical Evidence for Switzerland», in: Weltwirschaftliches Archiv, Bd. 132, Nr. 2, S. 330­355.

Vgl. Europäische Kommission (2001) «The Free Movement of Workers in the Context of Enlargement», Information note, 6. März 2001. ­ Malta und Zypern, welche zusammen rund 1 Million Einwohner vereinigen, sind in den Untersuchungen nicht enthalten.

pro Kopf (zu Kaufkraftparitäten) der MOEL-10 erst 30 Prozent des Niveaus der EU-15.

Neben dem Einkommensgefälle sind für eine Vorhersage von Migrationsbewegungen u.a. die folgenden Faktoren von Bedeutung: ­

die Arbeitsmarktsituation im Herkunfts- und Aufnahmeland

­

die bereits anwesende Bevölkerung aus dem entsprechenden Herkunftsland

­

die geografische, kulturelle und sprachliche Nähe des Herkunfts- zum Zielland.

Eine von der EU-Kommission mandatierte Studie4 zur EU-Erweiterung um die acht bzw. zehn mittel- und osteuropäischen Länder (MOEL-8 resp. MOEL-10) enthält Projektionen zur Zuwanderung in einzelne Länder der EU, welche sich unter gewissen vereinfachenden Annahmen auch auf die Schweiz übertragen lassen. Natürlich sind diese auf einfachen Analogieschlüssen basierenden Ergebnisse mit der gebotenen Vor-sicht zu interpretieren. Eine eingehendere Studie zur Abschätzung der zu erwartenden Migration wird vom Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung (IMES) in Auftrag gegeben werden.

Gemäss den Schätzungen von Brücker (2000) beträgt die erwartete Zuwanderung in die EU bei unverzüglicher Einführung der Personenfreizügigkeit aus den MOEL-8 pro Jahr 200 000 Personen bzw. 70 000 Arbeitskräfte. Unter Einbezug der Kandidatenländer Bulgarien und Rumänien soll sich die Zuwanderung auf 335 000 Personen bzw. 120 000 Arbeitskräfte belaufen. Auf 30 Jahre hinaus wird das Migrationspotenzial der MOEL-10 auf 3,9 Millionen Personen geschätzt, was rund 4 Prozent der Bevölkerung der Herkunftsländer bzw. 1 Prozent der EU-Bevölkerung entspricht.5 Zur Abschätzung der Verteilung auf die verschiedenen EU-Länder geht Brücker (2000) in seinen Simulationen davon aus, dass sich die Zuwanderung proportional zu den bereits im entsprechenden EU-Land wohnhaften Bürgern der MOEL-10 verhält. Bei diesem Szenario hätten Deutschland mit 65 Prozent und Österreich mit 12 Prozent der Zuwanderung zu rechnen. Rechnet man die Schweiz mit ein ­ 1998 lebten rund 20 000 Personen aus den MOEL-10 in unserem Land ­ würde bei Anwendung der gleichen Schätzmethode ein Anteil von 2,3 Prozent der Zuwanderung auf unser Land entfallen.

Unter den geschilderten Modellannahmen und ohne Einbezug von Übergangsfristen wäre im ersten EU-Erweiterungsschritt aus den MOEL-8 eine zusätzliche jährliche Zuwanderung von rund 4600 Personen bzw. rund 1600 Arbeitskräften in die Schweiz zu erwarten. Im Falle eines Beitritts von Rumänien und Bulgarien, welcher für 2007 vorgesehen ist, wäre mit einer weiteren Erhöhung der Zuwanderung um rund 3100 Personen bzw. 1100 Arbeitskräften pro Jahr zu rechnen. Auf Grund der Konvergenz der Lebensverhältnisse innerhalb der EU würden sich die Migrationssaldi sukzessive verringern. Im Verlauf von rund 30 Jahren würde sich der Bestand der Personen aus den MOEL-10 in der Schweiz von gegenwärtig 20 000 auf gut 90 000 erhöhen.

4

5

Brücker Herbert (2000), «The Impact of Eastern Enlargement on Employment and Labour Markets in the EU Member States ­ Part 1», Bericht zu Handen der EU-Kommission.

Sensitivitätsanalysen ergeben Schätzungen der Zuwanderung zwischen 2,9 und 4,5 Millionen Personen.

303

Wenn diese Projektionen auch mit grosser Unsicherheit verbunden sind, lässt sich doch aus ihnen folgern, dass die zusätzlich zu erwartende Zuwanderung als Folge der EU-Erweiterung für den Schweizer Arbeitsmarkt nicht unbedeutend ist. Zum Vergleich: in der Periode von 1994­2002 bewegte sich die jährliche NettoZuwanderung in die Schweiz in einer Grössenordnung von 20 000 Personen pro Jahr. Die Zuwanderung aus den neuen Mitgliedsländern würde damit 23 Prozent (MOEL-8) bzw. 39 Prozent (MOEL-10) der heutigen Zuwanderung ausmachen.6

1.2.2

Zuwanderung im Zeitablauf

Für eine Abschätzung der Auswirkungen der Zuwanderung auf den Arbeitsmarkt ist es auch wesentlich, wie die Zuwanderung im Zeitverlauf erfolgen würde.

Bezüglich des zeitlichen Aspekts der Zuwanderung ist auf drei Punkte hinzuweisen.

Als Erstes ist die grosse Bedeutung angemessener Übergangsfristen hervorzuheben.

Für die Schweizer Migrationspolitik bedeutet der Übergang zur Personenfreizügigkeit mit der EU einen Paradigmenwechsel, bei dem verschiedene Instrumente zur Steuerung der Zuwanderung ­ so die systematische Kontrolle der Lohn- und Arbeitsbedingungen von Zuwandernden, der sog. Inländervorrang und letztlich auch die Kontingentierung der Zuwanderung von EU-Bürgerinnen und Bürgern ­ schrittweise aufgehoben werden. An deren Stelle treten neue Instrumente wie die flankierenden Massnahmen in Kraft. Da die realen Auswirkungen dieser Politikänderung nur bedingt vorhersagbar sind, sind Übergangsfristen essentiell, um einen abrupten Anstieg der Zuwanderung und allfällige damit verbundene negative Auswirkungen auf den Schweizer Arbeitsmarkt zu verhindern. Die Ausdehnung des FZA auf die neuen EU-Mitgliedstaaten bedeutet gegenüber der heutigen Ausländerpolitik, unter welcher aus diesen Ländern nur im Rahmen des Kontingents gemäss BVO (SR 823.21) und ausschliesslich qualifizierte Arbeitskräfte zugelassen werden, eine deutliche Lockerung. Wie erwähnt, sind Prognosen zur Zuwanderung sowie deren Auswirkung auf den Arbeitsmarkt schwierig und unsicher, was die Bedeutung von Übergangsfristen erhöht.

Ein zweiter Punkt betrifft den Zusammenhang der Erweiterung des FZA mit der demografischen Entwicklung in der Schweiz. Geht man von einer siebenjährigen Übergangsfrist aus, so fällt die Einführung der vollen Personenfreizügigkeit gegenüber den neuen EU-Mitgliedern für die Schweiz in eine Phase, in der unsere Volkswirtschaft aus demografischen Gründen mit einer Abflachung (ab 2010) bzw. einem Rückgang der Erwerbsbevölkerung (ab 2015) zu rechnen hat. Die Ausdehnung des Personenfreizügigkeitsabkommens kommt damit aus demografischer Sicht zu einem günstigen Zeitpunkt.

Als Drittes ist zum zeitlichen Ablauf einer möglichen Zuwanderung ihr Zusammenhang mit der konjunkturellen Entwicklung zu sehen. Wie die Erfahrungen der Schweiz und verschiedener EU-Staaten zeigen, ist die Zuwanderung von Arbeits-

6

304

Ein Anstieg der Zuwanderung aus den neuen Mitgliedstaaten der EU dürfte die Zuwanderung aus anderen Ländern teilweise substituieren. Die Bedeutung dieses Effekts hängt von vielen Faktoren wie z.B. der Qualifikationsstruktur ab und ist, wie auch das Ausmass der Zuwanderung, in einer eingehenderen Analyse zu untersuchen.

kräften sehr eng an die Arbeitskräftenachfrage der Unternehmen gebunden.7 Dieser Zusammenhang wird auch für die Migration zwischen der Schweiz und der EU bestehen bleiben, da nur in die Schweiz zuwandern darf, wer in unserem Land eine Stelle findet. Zuwanderung ist daher vorwiegend in konjunkturellen Aufschwungphasen zu erwarten, wenn die Arbeitskräftenachfrage hoch ist. Umgekehrt hat die Abschwächung der Zuwanderung in konjunkturellen Schwächephasen eine konjunkturglättende Wirkung.

1.2.3

Qualitative Aspekte der Zuwanderung

Neben den zeitlichen sind für den Arbeitsmarkt vor allem die qualitativen Aspekte der Zuwanderung bedeutsam. Wie die Erfahrung der Schweiz zeigt, ist aus volkswirtschaftlicher Sicht vor allem die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte vorteilhaft zu beurteilen. Die Rekrutierung wenig qualifizierter Arbeitskräfte im grossen Stil war zwar in der Vergangenheit für verschiedene Branchen ebenfalls wichtig, verursachte dem Schweizer Arbeitsmarkt aber auch einige strukturelle Probleme, die Anfang der 90er Jahre mit dem besonders starken Anstieg der Arbeitslosigkeit bei wenig qualifizierten Arbeitskräften zum Vorschein kamen. Für die Schweizer Volkswirtschaft war das Angebot an wenig qualifizierten Arbeitskräften auch auf Grund der Ausländerpolitik eher zu hoch, was u.a. die technologische Entwicklung und damit das Produktivitätswachstum der Unternehmen hemmte. Diese Erkenntnisse waren für den Bundesrat Anlass, seine Ausländerpolitik in den 90er Jahren zu revidieren und konsequenter auf die Rekrutierung qualifizierter Arbeitskräfte auszurichten.

In einem Regime mit freiem Personenverkehr ist eine Steuerung der Migration anhand bestimmter Kriterien wie beispielsweise der Qualifikation nicht mehr möglich. Eine Vorhersage über die Qualifikationsstruktur der Zuwanderer aus den neuen EU-Mitgliedsländern gestaltet sich zudem als schwierig. Betrachtet man den Ausbildungsstand der Bevölkerung im Alter von 25­64 Jahren in den neuen Mitgliedsländern, so stellt man fest, dass dieser z.B. im Vergleich zu den südeuropäischen Ländern der EU relativ hoch ist. Insbesondere die Anteile an Personen ohne nachobligatorische Schulbildung sind in den vier grössten neuen EU-Mitgliedsländern ähnlich tief oder gar tiefer als in den potenziellen Aufnahmeländern Österreich, Deutschland und Schweiz (vgl. nachstehende Grafik). Tendenziell etwas tiefer liegt in den Beitrittsländern der Anteil an Personen mit tertiärer Ausbildung.

7

Vgl. Straubhaar Thomas (1999), «Integration und Arbeitsmarkt ­ Auswirkungen einer Annäherung der Schweiz an die Europäische Union», BWA Schriftenreihe, Beiträge zur Wirtschaftspolitik Nr. 3, Bern. ­ Weber Bernhard (1999), «Die Auswirkungen eines EU-Beitritts auf den Schweizer Arbeitsmarkt», in: Materialienband zum Integrationsbericht, BWA Schriftenreihe, Beiträge zur Wirtschaftspolitik Nr. 2, Bern.Fussnotentext

305

GR I

SüdEU15

E P CZ SK

neue EU-Mitgliedstaaten

PL H CH D

typische Zielländer

A 0

10

20

30

40

keine nach-obligatorische Schulbildung

50

60

70

80

90

Ausbildung auf Tertiärstufe

Entscheidend für die Qualifikation der zuwandernden Bevölkerung ist jedoch nicht nur das Arbeitsangebot, sondern vor allem auch die Arbeitskräftenachfrage unserer Wirtschaft. Diesbezüglich war in der Schweiz, wie in den meisten entwickelten Ländern während der letzten Jahrzehnte, eine stetig wachsende Nachfrage nach höher qualifizierten Arbeitskräften und ein Abbau von Arbeitsplätzen mit geringen Qualifikationserfordernissen zu verzeichnen. Im Zuge der technologischen Entwicklungen ist mit einer Fortsetzung dieses Trends zu rechnen, weshalb heute und in Zukunft auch nicht mehr mit einer massenhaften Zuwanderung von unqualifizierten Arbeitskräften in die Schweiz zu rechnen ist. Der grosse volkswirtschaftliche Vorteil der Personenfreizügigkeit in einer erweiterten EU besteht für unser Land in erster Linie darin, dass Schweizer Unternehmen bei Bedarf qualifiziertes Personal im ganzen EU-Raum rekrutieren können. Tatsächlich waren Verknappungen im Arbeitsangebot in den letzten Jahren im Bereich qualifizierter Arbeitskräfte sehr häufig zu verzeichnen.

Verschiedene Branchen wie die Landwirtschaft, das Bau- und Gastgewerbe, einzelne Industriezweige sowie allenfalls das Gesundheitswesen werden dank einem erweiterten Personenfreizügigkeitsabkommen auch Arbeitskräfte für einfachere Tätigkeiten aus den neuen Mitgliedsländern anwerben können, welche sie in den Ländern der EU-15 in den letzten Jahren nurmehr mit Mühe anzuziehen vermochten. Die Ausdehnung des FZA eröffnet Schweizer Unternehmen ein zusätzliches Rekrutierungsgebiet für wenig qualifizierte Arbeitskräfte. Allerdings spricht die langfristig sinkende Nachfrage und das hohe Angebot an wenig qualifizierten Arbeitskräften in der Schweiz gegen eine Zuwanderung solcher Arbeitskräfte in grossem Ausmass. Sollte diese Zuwanderung dennoch höher ausfallen als erwartet, stellen sich für die Schweizer Arbeitsmarktpolitik zwei spezifische Herausforderungen. Zum einen ist durch die Aufrechterhaltung einer hohen Arbeitsmarktflexibilität zu verhindern, dass ansässige Erwerbspersonen von Zuwandernden in die Arbeitslosigkeit gedrängt werden. Zum andern ist zu vermeiden, dass die Zuwanderung insbesondere im Bereich tiefer Löhne zu einer Erosion der Lohn- und Arbeitsbedingungen und damit potenziell zu einer Verschärfung der Working-Poor-Problematik, 306

aber auch zur «künstlichen» Erhaltung wertschöpfungsschwacher Branchen und einer Hemmung des Strukturwandels führt. Dort wo die beiden Ziele ­ Schutz der Interessen einheimischer Arbeitskräfte und Arbeitsmarktflexibilität ­ in Widerspruch geraten, obliegt es den Sozialpartnern und den Arbeitsmarktbehörden, welche zusammen die sog. Tripartiten Kommissionen bilden und für die Anwendung der flankierenden Massnahmen zuständig sein werden, tragfähige Kompromisse zu schliessen.

1.2.4

Auswirkungen auf die Löhne

Die Sorge um allfällige negative Auswirkungen auf Löhne und Arbeitsbedingungen (Stichwort «Lohn- und Sozialdumping») war bereits im Vorfeld zum geltenden Personenfreizügigkeitsabkommen ein wichtiges Thema gewesen. Den in diesem Zusammenhang stehenden flankierenden Massnahmen, welche im Juli 2004 eingeführt werden, wird nach der Erweiterung der EU wohl eine noch grössere Bedeutung zukommen, dürfte doch aufgrund der grossen Einkommensdifferenzen die Bereitschaft der Personen aus den neuen Mitgliedstaaten relativ gross sein, die in der Schweiz üblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen tatsächlich zu unterbieten. Mit den flankierenden Massnahmen sollen hier Missbräuche verhindert werden.

Nicht jede Unterbietung von Löhnen durch Zuwanderer ist jedoch als Missbrauch zu qualifizieren. Insbesondere im Bereich von qualifizierten und hochqualifizierten Tätigkeitsfeldern kann eine Belebung der Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt durch die Personenfreizügigkeit durchaus erwünscht sein. Gerade aus der Verringerung der teilweise chronischen Arbeitskräfteknappheit in solchen Bereichen könnten der Schweizer Volkswirtschaft dank der EU-Personenfreizügigkeit wichtige Integrationsgewinne erwachsen, die sich u.a. in Form sinkender Preise, zusätzlicher Investitionen und zusätzlicher Arbeitsplätze manifestieren würden.

1.2.5

Folgen für den Fiskus

Es ist sehr schwierig, die aus der Zuwanderung für den Fiskus entstehenden Folgen abzuschätzen. Von Bedeutung dürften vor allem die Anzahl und die Qualifikationsstruktur der Zuwanderer sein. Generell ist damit zu rechnen, dass die fiskalischen Folgen umso positiver sind, je mehr zugewanderte Personen in unserem Land als qualifizierte Arbeitskräfte eingesetzt werden. Ein hohes Erwerbseinkommen erhöht über die progressive Ausgestaltung der Steuersysteme und der Sozialversicherungen die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person ihren Konsum öffentlicher Güter über Steuerern und Beiträge selber finanziert. Im Bereich der Arbeitslosenversicherung sinkt zudem mit steigender beruflicher Qualifikation die Wahrscheinlichkeit, von Arbeitslosenentschädigung abhängig zu werden. Für die im Umlageverfahren finanzierte Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (AHV) ist eine im Vergleich zu den Bezügern hohe Zahl von Beitragszahlern vorteilhaft. Entsprechend wirkt sich eine Zuwanderung von erwerbstätigen, beitragszahlenden Ausländerinnen und Ausländern positiv auf die Stabilität des Systems aus. Mittel- und langfristig ist allerdings zu berücksichtigen, dass Beitragszahlungen auch Ansprüche auf Geldleistungen begründen, womit der Effekt der Zuwanderung langfristig praktisch neutral sein dürfte.

307

1.3

Die Guillotine-Klausel

1.3.1

Ausgangslage

Beim Abschluss der «Bilateralen I» hat die Europäische Union darauf gedrängt, die sieben Abkommen bezüglich Inkrafttreten und Geltungsdauer untereinander zu verbinden. Daher wurde das Schicksal dieser Abkommen verknüpft, indem in jedes Abkommen eine entsprechende, häufig als «Guillotine-Klausel»8 bezeichnete Bestimmung aufgenommen wurde. In der Botschaft des Bundesrates vom 23. Juni 1999 zur Genehmigung der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EG (BBl 1999 6128) wird hierzu ausgeführt (Ziff. 148.1): «Die Forderung des angemessenen Parallelismus zwischen den sieben Abkommen ergibt sich aus der Einschätzung der EU, dass nur die Gesamtheit dieser Verträge im gegenseitigen Interesse der Schweiz und der EU liege. Demzufolge werden die sieben Abkommen entweder gleichzeitig geschlossen, genehmigt und in Kraft gesetzt oder aber verhindert die Ablehnung eines einzigen Abkommens das Inkrafttreten der anderen sechs Abkommen. Gleichermassen hat die EU die Bedingung gestellt, dass im Falle der Aufhebung eines der Abkommen, die anderen sechs Abkommen ausser Kraft treten.» In den Vertragstexten wird das Territorium der EU durchwegs offen definiert, die Abkommen gelten daher, abgesehen von technischen Anpassungen, im Grundsatz für deren gesamtes Gebiet9. Mit der Erweiterung der EU werden damit alle Verträge zwischen der Schweiz und der EG automatisch auf die neuen Mitgliedstaaten ausgedehnt, mit Ausnahme des Freizügigkeitsabkommens (FZA), welches ein «gemischtes» Abkommen darstellt. Hierzu wird in der erwähnten Botschaft des Bundesrates (Ziff. 11 in fine) festgehalten: «Die Anpassung des Vertrages mit der Schweiz (...) wird notwendig sein, da der Personenverkehrsvertrag nicht nur zwischen der Schweiz und der EG, sondern auch zwischen der Schweiz und jedem einzelnen Mitgliedstaat geschlossen wurde.» Im Bundesbeschluss über die Geneh8

9

308

Der entsprechende Art. 25 im Abkommen über die Freizügigkeit (FZA) lautet wie folgt: (1) Dieses Abkommen bedarf der Ratifikation oder Genehmigung durch die Vertragsparteien gemäss ihren eigenen Verfahren. Es tritt am ersten Tag des zweiten Monats in Kraft, der auf die letzte Notifikation der Hinterlegung der Ratifikations- oder Genehmigungsurkunden aller nachstehenden sieben Abkommen folgt: ­ Abkommen über die Freizügigkeit, ­ Abkommen über den Luftverkehr, ­ Abkommen über den Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Strasse, ­ Abkommen über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, ­ Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen, ­ Abkommen über bestimmte Aspekte des öffentlichen Beschaffungswesens, ­ Abkommen über die wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit.

(2) Dieses Abkommen wird für eine anfängliche Dauer von sieben Jahren geschlossen.

Es verlängert sich für unbestimmte Zeit, sofern die Gemeinschaft oder die Schweiz der anderen Vertragspartei vor Ablauf der anfänglichen Geltungsdauer nichts Gegenteiliges notifiziert. Im Falle einer solchen Notifikation findet Absatz 4 Anwendung.

(3) Die Europäische Gemeinschaft oder die Schweiz kann dieses Abkommen durch Notifikation gegenüber der anderen Vertragspartei kündigen. Im Falle einer solchen Notifikation findet Absatz 4 Anwendung.

(4) Die in Absatz 1 aufgeführten sieben Abkommen treten sechs Monate nach Erhalt der Notifikation über die Nichtverlängerung gemäss Absatz 2 oder über die Kündigung gemäss Absatz 3 ausser Kraft.

So hält das FZA bezüglich den räumlichen Geltungsbereich in Art. 24 fest: Dieses Abkommen gilt für das Hoheitsgebiet der Schweiz einerseits und die Gebiete, in denen der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Anwendung findet, und nach Massgabe jenes Vertrags andererseits.

migung der «Bilateralen I» haben die eidgenössischen Räte überdies eine Bestimmung10 eingefügt, wonach die territoriale Ausdehnung des Abkommens dem Referendum unterliegt.

Diese Ausgangslage ist im Hinblick auf die EU-Erweiterung vom 1. Mai 2004 aus schweizerischer Sicht rechtlich, politisch und wirtschaftlich zu beurteilen.

1.3.2

Rechtliche Beurteilung

Rechtlich ist die Ausdehnung der sieben Abkommen auf die neuen EUMitgliedstaaten als Gesamtpaket vorgesehen. Das FZA entfaltet im Verhältnis zu den Neumitgliedern erst dann Rechtskraft, nachdem ein unter den Vertragsparteien vereinbartes Erweiterungsprotokoll in Kraft getreten ist. Es gibt keine besonderen Regeln für den Fall, dass die Erweiterung der Rechte und Pflichten der Schweiz aus sechs der sieben Verträge auf die neuen EU-Mitgliedstaaten von sich aus wirksam wird, während die Ausdehnung des FZA auf sich warten lässt oder gar unterbleibt.

1.3.3

Politische Beurteilung

Politisch ist davon auszugehen, dass die EU eine allzu lange Verzögerung oder gar Verweigerung der Ausdehnung des FZA auf die neuen Mitgliedstaaten durch die Schweiz nicht akzeptieren würde, entstünden doch diesfalls im Verhältnis zur Schweiz zwei Klassen von EU-Bürgern, solche mit und solche ohne Freizügigkeitsrechte. Es ist daran zu erinnern, dass das FZA auch im Zusammen-hang mit zwei EU-Begehren bei den «Bilateralen I» zu sehen ist. Es stellt mit andern Worten einen Ausgleich im Verhältnis zu Abkommen in Bereichen dar, welche seitens der EU seinerzeit als primär im Interesse der Schweiz stehend gewertet worden sind. Die Nicht-Realisierung der Personenfreizügigkeit zwischen der Schweiz und den neuen Mitgliedstaaten würde ein derart störendes Ungleichgewicht im vertraglichen Verhältnis Schweiz-EU schaffen, dass es auf Dauer kaum hingenommen werden könnte.

Die EU könnte den Ausgleich letztlich durch die Kündigung des FZA selber herbeiführen. Mit der Kündigung würden wegen der Guillotine-Klausel auch die anderen sechs Abkommen der «Bilateralen I» ausser Kraft treten. Eine solcherart eskalierende Entwicklung des Verhältnisses zwischen der Schweiz und der EU würde die gemeinsame Lösung von Alltags- und andern Problemen massiv beeinträchtigen.

Letztlich riskierte die Schweiz all das zu verlieren, was sie im letzten Jahrzehnt an Kooperation mit der EU mühsam aufgebaut hat. Zwar ist anzunehmen, dass gewisse Mitgliedstaaten, die namentlich an der Öffnung des Schweizer Arbeitsmarktes besonderes Interesse haben, eine derartige Entwicklung zu verhindern oder wenigstens zu bremsen versuchten. Doch lassen die EU-internen Abstimmungsprozeduren nicht die Erwartung zu, dass eine Kündigung des FZA mit der Schweiz a priori unwahrscheinlich oder gar unmöglich wäre. Mit anderen Worten steht mit der Genehmigung der Erweiterung des Geltungsbereichs des FZA von den bisherigen 15

10

Art. 2: Die Bundesversammlung entscheidet mit einem Bundesbeschluss, der dem Referendum untersteht, über: (...) b. die Ausdehnung des Abkommens über die Freizügigkeit auf Staaten, die bei dessen Genehmigung nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörten (AS 2002 1527).

309

auf die künftigen 25 EU-Mitgliedstaaten die innenpolitische Bestätigung der «Bilateralen I» insgesamt an.

1.3.4

Wirtschaftliche Beurteilung

Wirtschaftlich würde die Schweiz mit der Nichtanpassung des FZA an die EUErweiterung die Chancen von Schweizer Unternehmen gegenüber ihren Konkurrenten im EU-Raum schmälern, qualifizierte Arbeitskräfte aus den neuen Mitgliedsländern zu rekrutieren oder ihre dortigen Betriebe mit schweizerischen Kadern besetzen zu können. Indirekt könnte ein solcher Entscheid den Verlust der Errungenschaften aus dem gesamten Paket der «Bilateralen I» zur Folge haben. Neben den Vorteilen der Freizügigkeit im Verhältnis zu den 15 bisherigen EU-Mitgliedstaaten würden ausserdem die Vorteile aus der Einmal-Zertifizierung von Exportgütern (anstelle der früheren Doppelzertifizierung) und aus der Auslagerung der Zertifizierung in ausländische Prüfstellen entfallen; auch gäbe es keine gleich langen Spiesse für Schweizer Anbieter bei öffentlichen Beschaffungen von Gemeinden und Städten in der EU und für die Bereiche Strom- und Wasserversorgung sowie für städtische Transporte; die Schweizer Käseexporte in den EU-Raum wären engen Limitierungen unterworfen, und schweizerische Bio-Produkte würden von der EU nicht anerkannt; Schweizer Camionneure könnten im EU-Raum diskriminiert werden; Schweizer Luftverkehrsunternehmen verlören ihre europäischen Flugrechte. Mit anderen Worten würden mit einem Scheitern der Ausdehnung des FZA auf die neuen EU-Mitglieder die von der Schweizer Wirt-schaft als positiv erfahrenen Auswirkungen der «Bilateralen I» aufs Spiel gesetzt.

1.4

Chancen nutzen und Potenziale der Schweizer Wirtschaft erhalten

Die schweizerische Aussenwirtschaftspolitik ist aufgerufen dafür zu sorgen, dass die Schweizer Wirtschaft die Chancen und Potenziale, die sich mit der Erweiterung der EU nach Mittel- und Osteuropa ergeben, nutzen kann. Gleichzeitig muss sie dazu beitragen, die damit zusammenhängenden Gefahren abzuwenden. Entsprechend hat die Schweiz Mitte 2003 Verhandlungen über die Ausdehnung des FZA auf die neuen EU-Mitgliedstaaten in konstruktiver Weise aufgenommen. Mit dem Auslaufen der Kontrolle von Lohn- und Arbeitsbedingungen bei der Bewilligungserteilung werden die so genannten flankierenden Massnahmen zur Abwendung von Lohnund Sozial-Dumping wirksam, welche ebenfalls auf die Neumitglieder der EU anzuwenden sein werden. Die in den Verhandlungen mit der EU diskutierten Vorschläge für die schrittweise Öffnung der Arbeitsmärkte der Schweiz und der neuen EU-Mitgliedstaaten orientieren sich an den übergangsregeln, welche die EU-Länder untereinander während maximal sieben Jahren nach der Erweiterung anwenden können. Ohne übertriebenen Optimismus ist zu erwarten, dass die Verhandlungen mit einem vernünftigen Ergebnis abgeschlossen werden können.

310

2

Zur Wirtschaftslage

(Tabellen und Grafiken: vgl. Beilage, Ziff. 9.1.1) Der Wiederaufschwung der internationalen Konjunktur hat sich vor allem in Europa nochmals verzögert. 2004 wird die Weltwirtschaft insgesamt aber auf einen normalen Wachstumspfad zurückfinden. Die Volkswirtschaften der USA, Grossbritanniens, der meisten Schwellenländer und auch Japans werden wieder weitgehend im Rahmen ihrer längerfristigen Möglichkeiten wachsen. Auf dem westeuropäischen Kontinent verläuft die Erholung jedoch immer noch unterdurchschnittlich. Die hohe Abhängigkeit von der amerikanischen Konjunktur macht den globalen Erholungsprozess besonders verwundbar. Die Schweizer Wirtschaft wurde von der anhaltenden weltwirtschaftlichen Schwäche stärker betroffen als die meisten Industriestaaten. Neben ungünstigen Faktoren im internationalen Umfeld ­ dem weltweiten Einbruch des Finanzsektors und der Investitionsgüternachfrage sowie der Lethargie der europäischen Märkte ­ dürfte auch die anhaltende strukturelle Wachstumsschwäche der Schweizer Wirtschaft dazu beigetragen haben. Nach einem bis Mitte 2003 dauernden Rückgang der Wirtschaftstätigkeit scheint die Talsohle erreicht. Zwar werden Exporte und gesamtwirtschaftliche Dynamik in einer ersten Phase noch verhalten zunehmen.

Nach jahrelangem Rückgang wieder wachsende Investitionen der Unternehmen und eine ­ mit der verbesserten Stimmung in der Wirtschaft und allmählich stabilisierter Arbeitslosigkeit ­ wieder stimulierte Konsumbereitschaft der privaten Haushalte werden die Erholung jedoch auf eine breitere Basis stellen. Nach dreijähriger Stagnation dürfte die Schweizer Wirtschaft 2004 um rund 1,5 Prozent und damit nahe ihren längerfristigen Möglichkeiten wachsen.

2.1

Weiter verzögerte Erholung der internationalen Konjunktur

Der globale Konjunkturaufschwung verzögert sich weiter. Weltwirtschaft und Welthandel haben im Berichtsjahr noch kaum rascher als 2002 expandiert. Bei erheblichen Unterschieden zwischen den grossen Regionen der Weltwirtschaft bleibt die Dynamik immer noch deutlich unter dem längerfristigen Durchschnitt.

Vorreiter der globalen Erholung bleiben die USA, wo die Wirtschaft im ersten Halbjahr mit einer Rate von 2,25 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode wuchs.

Gestützt wurde das Wachstum vor allem von den Konsumausgaben, wozu die expansive Geld- und Fiskalpolitik entscheidend beitrug. Der überwiegende Teil der überraschend kräftigen Wachstumsbeschleunigung im zweiten Quartal ist auf die drastische Anhebung der Militärausgaben (um rund 46 %) als Folge des Irak-Kriegs zurückzuführen. Sie war für zwei Drittel des BIP-Wachstums gegenüber dem Vorquartal massgebend. Abgesehen von einer Aufhellung im IT-Sektor ist noch kein selbsttragender Investitionsaufschwung in Gang gekommen. Die zu Beginn des Herbstes verfügbaren Indikatoren deuten klar auf eine Wachstumsbeschleunigung im zweiten Semester hin.

Die Risiken eines Rückschlags bleiben erheblich. Im Zuge der expansiven Fiskalpolitik ist das Staatsdefizit massiv angeschwollen. Wie lange das hohe Ausgabenni311

veau aufrechterhalten werden kann, erscheint angesichts der schwierigen Lage der öffentlichen Haushalte unsicher. Die Nachfrageeffekte der markanten Steuersenkungen dürften aufgrund der starken Konzentration der Massnahmen auf die oberen Einkommensschichten eher verhalten bleiben.

Erstmals seit rund drei Jahren zeigte die japanische Volkswirtschaft im ersten Semester Anzeichen einer nennenswerten Erholung. Sie resultierte im zweiten Quartal in einem BIP-Wachstum von gegen 4 Prozent im Vorjahresvergleich. Die Beschleunigung stützt sich auf einen moderaten Zuwachs der Konsumausgaben und auf höhere Investitionen der Unternehmen, die von verbesserten Gewinnen profitierten.

Auch steigende Exporte vor allem nach China und Südostasien bei rückläufigen Importen trugen zum unerwartet günstigen Ergebnis bei. Indessen bleibt abzuwarten, ob in Japan ein anhaltender Konjunkturaufschwung in Gang kommt.

Eckdaten der wirtschaftlichen Entwicklungen in der Schweiz, in der Euro-Zone und in den USA R e a le s B IP , E xp o rtvo lu m e n u n d A rb e itslo s e n ra te V e rä n d e ru n g e n g e g e n ü b e r d e m V o rja h r b z w . A rb e its lo s e n ra te in P ro z e n te n 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 -1

2002

2003

2004

U S A Q u e lle n : O E C D , s e c o

2002

2003 E u ro -Z o n e

B IP -W a c h s tu m

A rb e its lo s e n ra te

2004

2002

2003

2004

S c h w e iz E xp o rte G ü te r + D ie n s te

seco - D P W W

In Kontinentaleuropa kommt die Konjunktur im dritten aufeinanderfolgenden Jahr kaum voran. Im Euro-Raum stagniert das BIP seit dem vierten Quartal 2002 weitgehend; im ersten Semester erreichte das Wachstum gegenüber der Vorjahresperiode nur gerade 0,5 Prozent. Verschiedene bedeutende Volkswirtschaften, wie Deutschland, Italien und Holland, sind in eine Rezession abgeglitten. Wichtigstes Element der Stabilisierung einer insgesamt stagnierenden europäischen Wirtschaft ist nach wie vor der private Konsum, obwohl auch dessen Wachstum klar unter dem längerfristigen Durchschnitt bleibt. Die Investitionsflaute hält unvermindert an. Bei verbesserten Gewinnen und relativ niedrigen Nominalzinsen sind Kapazitätsauslastung und Absatzerwartungen zu schwach, um die Unternehmen zu einer Ausweitung ihrer Investitionen zu veranlassen. Nicht zuletzt erschwert die Aufwertung des Euro gegenüber dem Dollar die Übertragung weltwirtschaftlicher Impulse und bremst den europäischen Export und die Investitionen. Schrumpfende Exporte bei stabilen Importen dürften 2003 das BIP in der Euro-Zone um 0,5 Prozent gedrückt haben.

Nach teils empfindlichen SARS-bedingten Rückschlägen, welche namentlich die Volkswirtschaften Südkoreas, Taiwans, Hongkongs und Singapurs im zweiten Quartal schrumpfen liessen, scheinen die asiatischen Schwellenländer insgesamt 312

wieder zu einem kräftigen Wachstum zurückzufinden, wenngleich bei deutlichen Unterschieden zwischen den einzelnen Ländern. Wachstumsmotor der Region und zugleich dynamischstes Element der Weltwirtschaft bleibt die chinesische Wirtschaft. Von SARS vergleichsweise wenig betroffen, dürfte sie 2003 erneut ein Realwachstum von etwa 8 Prozent erreichen. Die kräftige Expansion des chinesischen Aussenhandels ­ Exporte und Importe wuchsen zu Jahresmitte mit Raten von über 30 Prozent ­ ist eine massgebende Stütze für die Region.

Die Volkswirtschaften Lateinamerikas erholen sich langsam und uneinheitlich von den Turbulenzen der vergangenen beiden Jahre. Während der Wiederaufschwung in Argentinien nach der Finanz- und Wirtschaftskrise gut in Fahrt gekommen ist, fällt die konjunkturelle Entwicklung in Brasilien einstweilen enttäuschend aus. Ein unter dem Eindruck unerwartet hoher Inflation und hoher Zinsen schrumpfender Konsum liess die Wirtschaft im ersten Halbjahr in eine Rezession abgleiten. Ohne einen kräftigen Wachstumsbeitrag des Aussenhandels wäre der gesamtwirtschaftliche Rückschlag noch stärker ausgefallen. Nach wie vor nur zögerliche Reformen zur Liberalisierung der Wirtschaft halten schliesslich auch das Wachstum der mexikanischen Volkswirtschaft ­ mit 1,2 Prozent im ersten Halbjahr ­ noch tief.

Vergleichsweise dynamisch und zumeist besser als im vergangenen Jahr entwickeln sich die Volkswirtschaften Mitteleuropas und Russlands. Wichtigste Konjunkturstütze bleibt in den meisten mitteleuropäischen Ländern die Konsumnachfrage, die von höheren Reallöhnen, steigender Beschäftigung und einer expansiven Fiskalpolitik stimuliert wird. Exporte und Investitionen leiden hingegen zusehends unter der schwachen Nachfrage aus dem zentralen Absatzraum Westeuropa. In verschiedenen Transformationsländern ­ so namentlich in der Tschechischen Republik und in Ungarn ­ bremst zudem eine deutliche reale Aufwertung der Währung Exporte und Wirtschaftswachstum.

Uneinheitlicher weltwirtschaftlicher Wiederaufschwung W eltw irtschaft und W elthandel W achstum des realen B IP und des W elthandelsvolum ens in % 14

5

12 4 10 3 8 6

2

4 1 2 0 0 -2

-1 1995

1996

1997

E uro-Z one Q uelle: O E C D

1998

USA

1999

Japan

2000

2001

2002

2003

2004

2005

W elthandelsvolum en (rechte S kala) seco - D P W W

Nach drei Jahren anhaltender Wachstumsschwäche und mehreren enttäuschten Aufschwungsprognosen scheint die Weltwirtschaft insgesamt doch allmählich auf 313

einen «normalen» Wachstumspfad zurückzufinden. Es wird sich aber einstweilen um eine Erholung mit unterschiedlicher Dynamik handeln. Die Volkswirtschaften der USA, Grossbritanniens, der meisten Schwellenländer und mit Einschränkungen auch Japans dürften 2004 im Rahmen ihres längerfristigen Potenzials wachsen. In Kontinentaleuropa, insbesondere in der Euro-Zone, wird die Konjunktur jedoch weiter hinterherhinken. Im OECD-Raum insgesamt wird die Wirtschaft 2004 und 2005 um je etwa 3 Prozent expandieren.

Nach einer kräftigen Beschleunigung im dritten Quartal des Berichtsjahres mit einem BIP-Zuwachs von 7,2 Prozent dürfte die Wirtschaft der USA 2004 auf einen Wachstumspfad von etwa 4 Prozent einschwenken. Dafür sprechen zum einen wirtschaftspolitische Argumente: Der fiskalische Stimulus wird sich allmählich abschwächen und mit einer weiteren monetären Stimulierung kann nicht gerechnet werden. Zum andern dürfte sich die Dynamik des privaten Konsums abschwächen, da nach dem erneuten kräftigen Schub im dritten Quartal kaum mehr Nachholbedarf zu decken verbleibt.

Nach der unerwarteten Beschleunigung im Berichtsjahr dürfte die japanische Wirtschaft im Zuge des weltwirtschaftlichen Aufschwungs auch 2004 um gegen 2 Prozent expandieren. Eine stärkere Aufwertung des Yen gegenüber dem Dollar könnte die Auftriebskräfte allerdings rasch wieder bremsen. Mittelfristig dürfte das Wachstum wieder auf einen etwas tieferen Rhythmus zurückfallen. Noch ist die Deflation nicht überwunden, und auch die strukturellen Herausforderungen, vor allem unbewältigte Probleme des Finanzsektors, bleiben beträchtlich.

Im Euro-Raum kann für den Rest des Berichtsjahres noch kaum mehr als ein allmähli-ches Auslaufen der Stagnation erwartet werden. Zwar mehrten sich zu Herbstbeginn die Hinweise auf eine Aufhellung der Stimmung in den Unternehmen. Die Verbesserung betrifft aber einstweilen praktisch ausschliesslich die Erwartungen.

Hingegen bleibt die Einschätzung der aktuellen Lage angesichts immer noch sinkender Auftragseingänge und überhöhter Lager ­ mit Ausnahme einiger Lichtblicke im Dienstleistungssektor ­ noch ungünstig. Auch bleibt abzuwarten, inwieweit der erneute Anstieg des Euro-Kurses gegenüber dem Dollar im September die Erholung weiter verzögern wird. Nach einem knappen halben Prozent 2003 dürfte damit das BIP der Euro-Zone
auch 2004 noch kaum um wesentlich mehr als 1,5 Prozent wachsen.

In den übrigen weltwirtschaftlichen Regionen bildet vor allem die Nachfrage aus Asien eine kräftige Stütze des weltwirtschaftlichen Wiederaufschwungs, mit Wachstumsraten 2004 von voraussichtlich rund 7 Prozent in China und gegen 5 Prozent in den asiatischen Schwellenländern. Diese Länder ernten zunehmend die Früchte der strukturellen Reformen, die sie seit der Asienkrise von 1997 umgesetzt haben. Eine leichte Wachstumsbeschleunigung ist in den mitteleuropäischen EU-Beitrittsländern zu erwarten. Nach dem hohen Wachstum 2003 wird die russische Volkswirtschaft auch in den kommenden Jahren kräftig expandieren. Schliesslich dürfte sich auch die wirtschaftliche Entwicklung in Lateinamerika weiter verbessern. Dazu tragen neben den generell helleren weltwirtschaftlichen Perspektiven und steigenden Rohstoffpreisen auch die Fortschritte der wichtigsten Länder in der Sanierung ihrer öffentlichen Finanzen und ihrer aussenwirtschaftlichen Bilanzen bei.

Die wohl grösste Gefahr für den weltwirtschaftlichen Wiederaufschwung besteht in dessen hoher Abhängigkeit von der Konjunktur in den USA, in Verbindung mit den massiv gestiegenen Ungleichgewichten in der amerikanischen Volkswirtschaft: 314

rekordhohen öffentlichen Defiziten bei ungenügender privater Spartätigkeit und einem entsprechend hohen Fehlbetrag in der Leistungsbilanz. Angesichts des Gefälles der inländischen Nachfrage vor allem zwischen den USA und Europa kann dieses aussen-wirtschaftliche Defizit letztlich nur durch eine anhaltende Dollarschwäche abgebaut werden. Diese wiederum behindert die globale Übertragung der Konjunkturimpulse aus den USA. Die Lage erscheint umso schwieriger, als sich zahlreiche asiatische Länder gegen eine zu starke Aufwertung ihrer Währungen gegenüber dem Dollar zur Wehr setzen. Damit kommt die Anpassungslast einseitig auf Europa zu liegen, dessen Konjunktur auf externe Impulse besonders stark angewiesen ist.

Mit der Verlangsamung der globalen Konjunktur und als Folge der nach kurzer Erholung wiederum schwächeren IT-Märkte verlangsamte sich der Welthandel im Winterhalbjahr 2002/2003 erneut. Während vor allem der Handel unter den westlichen Industriestaaten an Fahrt einbüsste, blieb die Nachfrage aus den übrigen konjunkturell insgesamt dynamischeren Regionen eine Stütze. Im Herbst begann sich der Welthandel wieder zu erholen. Sein Wachstum dürfte sich von 4 Prozent 2003 auf rund 8 Prozent in den kommenden beiden Jahren verdoppeln. Trotz ausgeprägter Erholung des Handels unter den OECD-Ländern gehen die stärksten Impulse weiterhin von den Regionen ausserhalb der alten Industrieländer aus. Angesichts der uneinheitlichen Struktur der weltwirtschaftlichen Erholung werden die Ungleichgewichte in den aussenwirtschaftlichen Bilanzen weiter zunehmen.

Reale Wechselkursindizes des Schweizerfrankens Entwicklung des realen Frankenkurses gegenüber den wichtigsten Währungen 130

Index, Januar 1999 = 100

120

110

100

90

80

US-Dollar

Euro

Yen

Total, exportgewichtet

Woche vom 10.-14.11.

.

70 1995 Quelle: SNB

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003 seco - DPWW

Die internationalen Devisenmärkte standen 2003 im Zeichen einer markanten Abschwächung des Dollars und neuer Stärke des Euro. Nach einem ersten Höhepunkt Ende Mai stieg der Euro-Kurs zum Dollar bis Anfang Oktober erneut auf gegen 1.18. Im Vergleich zum Jahresmittelkurs 2002 entspricht dies einer Aufwertung von rund 25 Prozent. Der Yen ­ und mit ihm die meisten asiatischen Währungen ­ 315

folgten lange relativ eng der Entwicklung des Dollars. Erst in der zweiten Hälfte September ­ nach dem Aufruf des G8-Gipfels von Dubai zu mehr Wechselkursflexibilität ­ festigte sich die japanische Valuta im Verhältnis zum Dollar und zum Euro deutlich.

Nach einer ab Frühjahr 2000 andauernden kontinuierlichen Höherbewertung tendierte der Schweizer Franken ab dem zweiten Quartal 2003 insgesamt wieder schwächer. Zwar erfuhr der Franken gegenüber dem Dollar (der Dollarkurs sank von rund 1.50 im Oktober 2002 bis Mitte November 2003 unter grösseren Schwankungen auf rund 1.32) wie auch gegenüber den Währungen verschiedener asiatischer Länder eine deutliche Höherbewertung. Sie wurde aber mehr als ausgeglichen durch den Kursverlust des Frankens gegenüber dem Euro. Nachdem der EUR/FR-Kurs während mehr als einem Jahr zwischen 1.45 und 1.48 notiert hatte, festigte er sich vom April 2003 an und blieb ab Juni bis Mitte November recht stabil bei rund 1.55.

Damit bewegte sich der exportgewichtete, reale (d.h. um die Teuerungsdifferenzen zugunsten der Schweiz korrigierte) Frankenkurs ab Juli dieses Jahres stets leicht unter dem Jahresmittel 2002. Zugleich fiel der reale Franken zum Euro unter den Ausgangsstand von Januar 1999.

2.2

Von der anhaltenden globalen Schwäche besonders stark betroffene Schweizer Wirtschaft

Die Schweizer Wirtschaft wurde von der anhaltenden weltwirtschaftlichen Schwäche stärker betroffen als die meisten Industriestaaten. Ein kontinuierlicher Rückgang des realen BIP vom vierten Quartal 2002 bis Mitte des Berichtsjahres bildete den vorläufigen Abschluss einer rund drei Jahre währenden Stagnation der Wirtschaftstätigkeit in unserem Land. Die Gründe hiefür sind vielschichtig. Zum einen wurden mit den Investitionsgüterindustrien und dem Finanzsektor zwei Schlüsselbranchen der Schweizer Wirtschaft vom globalen Rückschlag besonders betroffen. Zudem waren einige der bedeutendsten europäischen Absatzländer der Schweiz, allen voran Deutschland, ebenfalls in eine Rezession abgeglitten. Neben diesen konjunkturellen Faktoren dürfte auch die anhaltende strukturelle Wachstumsschwäche der Wirtschaft eine Rolle spielen. Diese u.a. in mangelndem Wettbewerb und ungenügender Produktivität in verschiedenen Bereichen begründete Wachstumsschwäche tendiert dazu, die Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft gegenüber konjunkturellen und anderen externen Schocks zu vermindern. In dieser Lage war auch die Höherbewertung des Frankens bis ins Frühjahr 2003 wenig hilfreich. Hatten anfänglich vor allem die Exporte und die Investitionstätigkeit der Unternehmen gelitten, so verlor im Berichtsjahr auch der zuvor bemerkenswert robuste Konsum der privaten Haushalte zusehends an Schwung.

Weitgehende Stagnation der Exporte

316

Güterexporte: Verlauf und Vorjahresvergleich Verlauf monatlich, arbeitstäglich bereinigt, glatte Komponente, 1997 = 100 140

Verlauf, Index 1997 = 100

Veränderung gegen Vorjahresquartal, real, %

18

Veränderung gegen VJQ, real, % Verlauf, Volumen

130

15

Verlauf, Mittelwert/Preis Verlauf, Wert

12

10.9 10.1

120

9.3

8.7

8.3

9

8.3 6.4 5.3

6

5.4

4.6

110

3.6 2.9

3

1.8 1.1

0.5

0.1

0.8

0.4

0

100

-0.9

-0.9 -3.5

-3

-2.3

-2.5

90

-6 .

1997

Quelle: OZD

1998

1999

2000

2001

2002

2003 seco - DPWW

Nach einem leichten Anstieg im Laufe des Jahres 2002 tendierten die Schweizer Güterexporte im Berichtsjahr (in saisonbereinigter Betrachtung) zunächst wieder leicht nach unten. Im Herbst begannen sich die Ausfuhren zusehends zu erholen. Im Mittel der Monate Januar bis Oktober 2003 stiegen sie real um 0,5 Prozent; nominell gingen sie noch um 0,8 Prozent zurück. Nach einem seit Ende 2000 andauernden Rückgang stabilisierten sich die Exportpreise Anfang 2003. Im bisherigen Jahresmittel blieben sie noch um 1,3 Prozent unter dem Vorjahresstand.

Bei uneinheitlicher Entwicklung lagen die Exportwerte der wichtigsten Branchen mehrheitlich leicht unter den Ergebnissen der Vorjahresperiode. Einen eigentlichen Exportboom (+27,1 %) erlebt ­ nun bereits im dritten aufeinanderfolgenden Jahr ­ die Bekleidungsindustrie. Deutlich verbessert zeigen sich auch die Ausfuhren der Nahrungsmittel- und der Kunststoffindustrien sowie die Exporte von Präzisionsinstrumenten, mit einem erneut sehr dynamischen Wachstum im Bereich der Medizinaltechnik.

Etwas aufgehellt präsentiert sich die Lage in den übrigen Investitionsgütersektoren.

Während sich die Exporte der Metallindustrie gut zu behaupten vermochten, gingen die im Vorjahr stark geschrumpften Maschinenausfuhren ­ sowohl im Maschinenbau als vor allem in der Elektroindustrie ­ nur noch geringfügig zurück.

317

Branchenexporte in den Jahren 2002 und 2003 (Januar - Oktober) Nominelle Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in % (in Klammern: Exportanteil 2002 in %) -1.1

Nahrungsmittel (1.4)

6.7 -3.6

Papier (2.5)

-1.5

-8.8

Textilien (1.8)

-10.3 -0.2

Kunststoffe (2.3)

3.9 7.2

Chemie (34.4)

-0.9 10.9

(Pharmazeutika) (23.6)

-0.7 -0.1

Uhren (8.2)

-4.5 -6.8

Metalle (7.5)

1.4 6.0

Instrumente (6.8)

9.0 -12.0

Maschinen, Apparate (24.3)

-3.6 -10.9

(Maschinenbau) (13.7)

2002

-2.6 -14.1

(Elektroindustrie) (6.5)

2003 (Januar-Oktober)

-1.6 -1.0 -0.8

Export total -15

Quelle: OZD

27.1

5.5

Bekleidung (0.9)

-10

-5

0

5

10

15

20

seco - DPWW

Die Exporte der chemisch-pharmazeutischen Industrie, jahrelang die Hauptträger des Schweizer Exportwachstums, büssten ab Mitte 2002 jeglichen Schwung ein. Die Ergebnisse der Grundstoffchemie wie auch der Auslandabsatz chemischer Endprodukte, vorab von Pharmazeutika, blieben mit wenigen Ausnahmen leicht unter dem Ergebnis des Vorjahres. Fühlbare Einbussen erlitten schliesslich die Exporte der Uhren- und vor allem der Textilindustrie.

Zuversichtlicher stimmt die jüngste (saisonbereinigte) Entwicklung im Jahresverlauf. Die meisten gesamtwirtschaftlich bedeutsamen Exportzweige verzeichneten im Spätherbst zumindest eine Stabilisierung. In der Metall- und vor allem in der Pharmaindustrie wurden Anzeichen einer fühlbaren Erholung sichtbar und in der Instrumentebranche setzte sich der Aufschwung nach kurzer Pause wieder fort.

318

Exporte nach Regionen in den Jahren 2002 und 2003 (Januar - Oktober) Nominelle Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in % (in Klammern: Exportanteil 2002 in %) -1.0 -0.8

Exporte total -2.8

EU (60.0)

0.2 -7.6

Deutschland (20.8)

2.2 2.6

USA (11.0)

-5.8 -4.8

Japan (3.8)

5.8 -0.2

Mitteleuropa (3.5)

7.8 -1.5

Asien SL (6.3)

2003 (Januar-Oktober) -7.0 13.7

OPEC (3.0)

-8.7 -2.5

Übrige EL (3.9)

-8.1

-16 Quelle: OZD

2002

-5.4 -15.3

Lateinamerika SL (1.8)

-12

-8

-4

0

4

8

12 seco - DPW W

Die regionale Entwicklung der Schweizer Güterausfuhr entspricht derzeit wenig dem geschilderten Muster der internationalen Konjunktur. In Europa vermochten sich die Exporte nach der EU bei ausgeprägten Unterschieden unter den einzelnen Ländern insgesamt auf dem Vorjahresstand zu behaupten. Bei den Ausfuhren nach den überseeischen Industriestaaten führten hingegen Rückschläge der Lieferungen nach Nordamerika ­ trotz einer bemerkenswerten Zunahme des Absatzes in Japan ­ zu einem niedrigeren Gesamtergebnis.

Ausserhalb der westlichen Industriestaaten bilden die Märkte in Mitteleuropa sowie insbesondere in der VR China eigentliche Wachstumspole. Der Absatz in den Schwellenländern war mit wenigen Ausnahmen rückläufig, dies sowohl in Asien als auch ­ gegenüber dem Vorjahr deutlich verlangsamt ­ in Lateinamerika. Empfindliche Rückschläge hatten schliesslich der im 2002 noch sehr dynamische Absatz im OPEC-Raum sowie der Handel mit den nicht ölexportierenden Entwicklungsländern zu verzeichnen.

319

Verlangsamter Rückgang der Importe Güterimporte: Verlauf und Vorjahresvergleich Verlauf monatlich, arbeitstäglich bereinigt, glatte Komponente, 1997 = 100 140

Veränderung gegen Vorjahresquartal, real, %

Verlauf, Index 1997 = 100

20

Veränderung VJQ, real, % Verlauf, Volumen

130

15

Verlauf, Mittelwert/Preis

11.7

Verlauf, Wert

120

8.1

7.7

8.5

8.3

8.5

10

8.4

8.0 7.0

5.9 5.0

110

5.1

5.1

4.8

5 3.0

0.4

0.1

100

-0.6

-1.3

0

-1.6

90

-5 -6.1

-6.4

-7.3

80

-10 .

1997

Quelle: OZD

1998

1999

2000

2001

2002

2003 seco - DPWW

Die anhaltend schwache Exportkonjunktur und eine zusehends schwindende Dynamik der inländischen Nachfrage drückten im Berichtsjahr weiter auf die Importe.

Nachdem diese im ersten Semester wiederum deutlich nach unten tendierten, begannen sie sich ab Jahresmitte merklich zu erholen. Im Mittel der ersten zehn Monate schrumpften die Güterimporte real um 0,6 Prozent und wertmässig um 1,5 Prozent.

Die Importpreise stabilisierten sich weitgehend. In diesem Zeitraum blieben sie noch um 0,9 Prozent unter dem Vorjahresniveau.

320

Importe nach Verwendung 2002 und 2003 (Januar - Oktober) Nominelle Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in % (in Klammern: Importanteil 2002 in %) -5.3

Einfuhr total

-1.5 -8.9

Rohstoffe, Halbfabrikate (26.2)

-0.6 -16.4

Energieträger (4.4)

2.2 -10.2

Investitionsgüter (26.6)

-2.9 -10.4

(Maschinen, Apparate) (21.5)

-4.4 -14.2

(Nutzfahrzeuge) (3.0)

3.0

Konsumgüter (42.9)

1.9

2002

-1.5

2003 (Januar-Oktober)

12.3

(Arzneiwaren) (12.7)

2.0 -7.6

(Personenautomobile) (6.4) (Bijouterie, Schmuck) (1.7)

-2.5 9.8

-26.2

-20

-15

-10

-5

0

5

Quelle: OZD

10

15

seco - DPWW

Der Importrückgang bleibt breit abgestützt, sein Ausmass hat sich jedoch sektoriell unterschiedlich zurückgebildet. Die Einfuhren industrieller Vorleistungen gingen nur noch unwesentlich zurück. Der Rückgang der Investitionsgüterimporte verlangsamte sich deutlich, bei einer wesentlich geringeren Abnahme der Maschineneinfuhren und steigenden Aufwendungen für die Flugzeugbeschaffung. Die Entwicklung der Konsumgüterimporte bleibt uneinheitlich: während die Bezüge von Nahrungsmitteln und Arzneiwaren weiter expandierten, gingen die Einfuhren dauerhafter Konsumgüter zurück. Dabei stand einem verlangsamten Rückgang der Personenwagenimporte ein massiver Einbruch der zuvor noch sehr dynamischen Einfuhren von Bijouterie- und Juwelierwaren gegenüber.

Nach dem Einbruch von 2001 wieder verbesserte Ertragsbilanz Nach dem Einbruch im Jahr zuvor ­ dem ersten seit Beginn der 90er-Jahre ­ stieg der Überschuss der schweizerischen Ertragsbilanz im Jahr 2002 wieder leicht auf 38,6 Milliarden Franken an. Haupteinflussfaktoren waren eine durch die schwache Konjunktur bedingte markante Verbesserung der Handelsbilanz und ein massiver Rückgang der Nettokapitaleinkommen als Folge des niedrigeren Zinsniveaus und rückläufiger Direktinvestitionen. Der Überschuss aus dem Dienstleistungsverkehr stagnierte: Einbussen in den Fremdenverkehrseinkommen, einem erneut schwächeren Kommissionsgeschäft der Banken sowie rückläufigen internationalen Transporten standen deutlich höhere Einnahmen aus den Versicherungsleistungen, massiv höhere Erträge aus dem Transithandel sowie gestiegene Nettoeinkommen aus technologischen Dienstleistungen (Lizenzen und Patente) gegenüber.

Im Berichtsjahr wird der Ertragsbilanzüberschuss deutlich auf voraussichtlich gegen 46 Milliarden Franken oder knapp 11 Prozent des BIP steigen. Diese Verbesserung ist entscheidend einem kräftigen Wiederanstieg der Netto-Kapitalerträge primär als Folge höherer Direktinvestitionen zuzuschreiben.

321

Die Ertragsbilanz der Schweiz Salden der wichtigsten Komponenten in Mrd. Franken 70 60

Warenverkehr

Dienstleistungen

Arbeitseinkommen

Kapitaleinkommen

Übertragungen

Ertragsbilanz

53.5 45.7 36.2 45.7

38.6

37.0

50

44.8 33.6

40

12.0

21.3

25.2

37.0

27.2

34.0

30.0

30 20

20.8 19.0

19.2

21.9

10 13.0

15.1

15.2

18.9

1995

1997

21.6

25.6

21.8

22.1

0 -10 -20 1990 Quelle: SNB

1992

1999

2000

2001

2002

*2003 = Prognose SNB/Expertengruppe Wirtschaftsprognosen des Bundes 23.10.2003

2003* seco - DPWW

Konjunkturell schwächere Importe als Exporte dürften auch den Aktivsaldo der Handelsbilanz weiter steigen lassen. Der Überschuss der Bilanz im engeren Sinn (ohne Handel mit Edelmetallen, Edel- und Schmucksteinen) nahm in den ersten zehn Monaten 2003 um rund 640 Millionen auf 6,03 Milliarden Franken zu. Die Gesamtbilanz verbesserte sich um rund 280 Millionen auf 5,15 Milliarden Franken.

In der Tourismuswirtschaft setzte sich der in den Wintermonaten beobachtete Rückgang der Ausländerübernachtungen trotz ausgezeichneter Witterungsbedingungen während der Sommersaison fort. In den Monaten Januar ­ September 2003 gingen die Hotelübernachtungen ausländischer Gäste um 5,2 Prozent zurück. In verschiedenen weiteren Sparten des Dienstleistungssektors sind teils bescheidene (Transporte, Lizenzen und Patente), namentlich bei den Finanz- und Versicherungsdienstleistungen auch spürbare Verbesserungen zu erwarten.

2.3

Allmähliche Erholung der Schweizer Wirtschaft im Sog des globalen Wiederaufschwungs

Im Herbst mehrten sich die Zeichen, dass die Schweizer Konjunktur den Tiefpunkt überwunden hat. Mit der Übertragung der weltwirtschaftlichen Erholung auf Westeuropa wird die ausländische Nachfrage, die allein einen tragfähigen Erholungsprozess in der Schweiz auslösen kann, zunehmend auch auf unsere Wirtschaft übergreifen.

322

Exporte und gesamtwirtschaftliche Dynamik werden in einer ersten Phase noch verhalten zunehmen. 2004 wird die Konjunktur in der Euro-Zone und insbesondere in unserem bedeutendsten Absatzmarkt Deutschland noch hinter der Dynamik der überseeischen Wirtschaftsräume zurückbleiben. Auch werden sich die Unternehmensinvestitionen in den europäischen Volkswirtschaften nur langsam erholen.

Damit dürfte das Wachstum unseres Exportvolumens 2004 3 Prozent noch kaum übersteigen. Angesichts günstigerer Absatzperspektiven und eines nach jahrelanger Investitionsschwäche aufgestauten Modernisierungsbedarfs dürften auch die Unternehmensinvestitionen wieder zum Wachstum beitragen.

Der Konsum der privaten Haushalte wird von der verbesserten Stimmung in der Wirtschaft und der allmählich stabilisierten Arbeitslosigkeit profitieren. Nach rund dreijähriger weitgehender Stagnation dürfte die Schweizer Wirtschaft 2004 wieder um rund 1,5 Prozent und damit nahe ihren längerfristigen Möglichkeiten wachsen.

Indikatoren der schweizerischen Konjunktur (Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in Prozenten) 2001

Produktion und Arbeitsmarkt Bruttoinlandprodukt real Beschäftigte insgesamt (Vollzeitäquivalent) Arbeitslosenquote Aussenwirtschaft Exportvolumen (Güter) Importvolumen (Güter) Ausländerübernachtungen Ertragsbilanz (Saldo in Mrd. Fr.)

Monetäre Indikatoren und Preise Realer Wechselkurs, exportgewogen Zinsen Dreimonatsdepots (Libor) Rendite eidg. Obligationen (10 Jahre) Landesindex der Konsumentenpreise

2002

2003

2004

0,9 1,1 1,7

0,2 ­0,6 2,5

­0.3 ­1.5 3,7

1,5 ­0,2 3,9

2,1 0,2 ­3,3 36,2

1,1 ­2,7 ­7,9 38,6

­0,5 ­1,0 ­5,0 45,7

3,0 3,5 3,0 47,0

2,1 2,9 3,4 1,0

3,4 1,1 3,2 0,6

­0,2 0,3 2,7 0,7

­1,6 0,5 3,0 0,6

Quelle: Expertengruppe Wirtschaftsprognosen des Bundes (2002: Schätzungen, 2003/04: Prognosen)

323

3

Europäische Wirtschaftsintegration Seit dem 1. Juni 2002 steht das Vertragswerk der «Bilateralen I» zusammen mit der revidierten EFTA-Konvention in Kraft. Die sieben sektoriellen Abkommen ergänzen die bestehenden Freihandelsabkommen mit der EG und den EFTAStaaten. Zwar ist es noch zu früh, die Wirkung der Verträge auf die Schweiz abschliessend zu beurteilen, doch sind die ersten Erfahrungen positiv zu bewerten.

Verhandlungen zu neun weiteren bilateralen Abkommen mit der EU («Bilaterale II») sind im Gange. Das bestehende Netz an EFTA-Dritt-landabkommen mit den übrigen europäischen Partnern wird weiter ausgebaut.

3.1

Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU

Mit dem Inkrafttreten der sieben sektoriellen Abkommen am 1. Juni 2002 wurde das kurzfristige integrationspolitische Ziel des Bundesrates erreicht. Bei den «Bilateralen II» wird ein baldiger Abschluss der Verhandlungen angestrebt, sofern inhaltlich ein ausgewogenes Gesamtergebnis erzielt werden kann. Mit der Erweiterung der EU auf den 1. Mai 2004 werden die «Bilateralen I» automatisch auf die zehn neuen Mitgliedstaaten ausgedehnt, womit teilweise bestehende bilaterale Abkommen ersetzt werden. Einzig bei der Personenfreizügigkeit sind Verhandlungen über ein Übergangsregime notwendig; diese wurden am 16. Juli aufgenommen.

3.1.1

Beziehungen im Rahmen der geltenden Abkommen

3.1.1.1

Freihandelsabkommen (FHA) Schweiz-EG von 1972

Mitte Dezember fand das 48. Treffen des Gemischten Ausschusses zum Freihandelsabkommen Schweiz-EG (SR 0.632.401/402) statt.

Die Schweiz forderte die EU auf, bei den Arbeiten zur Revision des EU-Zollkodexes der wirtschaftlichen Verflechtung Rechnung zu tragen. Kern der Revision ist eine 24-Stunden-Regel, die zur Folge hätte, dass Waren 24 Stunden vor der Gestellung beim entsprechenden Zollamt angemeldet werden müssten. Weitere Diskussionen betrafen die von der Schweiz vorgesehene Lenkungsabgabe für gesüsste, destillierten Alkohol enthaltende Getränke (Alcopops) sowie die Stellung der Schweiz auf dem europäischen Strommarkt im Gefolge der Strompanne in Italien von Ende September. Die im Briefwechsel vom 17. März 2000 (SR 0.632.401.22; AS 2003 3793) enthaltene Einfuhrregelung der EG für Erfrischungs-getränke wurde verlängert. Zudem wurden die Konsolidierung des Protokolls Nr. 3 über Ursprungsregeln vorbereitet sowie die Folgen der bevorstehenden Erweiterung der EU (Ablösung der EFTA-Freihandelsverträge mit den Beitrittsstaaten durch das Freihandelsabkommen Schweiz-EG) besprochen.

Im Rahmen des Zollausschusses wurden die Fortschritte bei der Informatisierung des Zolltransits (SR 0.631.242.04) gewürdigt und Möglichkeiten zur Förderung der 324

Verkehrsverlagerung auf die Schiene mittels Anpassung der Zollverfahren für den Bahntransit erörtert.

3.1.1.2

Die sektoriellen Abkommen Schweiz-EG von 1999

Nach Abschluss des Ratifikationsverfahrens seitens der EU und ihrer Mitgliedstaaten am 17. April 2002 traten die sieben sektoriellen Abkommen Schweiz-EG vom 21. Juni 1999 (AS 2002 1527) zusammen mit der revidierten EFTA-Konvention (AS 2003 2684) am 1. Juni 2002 in Kraft. Damit wurde das vertragliche Beziehungsnetz zwischen der Schweiz und der EU bzw. den EWR-Staaten auf eine breitere Grundlage gestellt.

Für die Verwaltung und die ordnungsgemässe Anwendung dieser sektoriellen Abkommen («Bilaterale I») sind Gemischte Ausschüsse zuständig, in deren Rahmen Vertreter der Schweiz und der EU mittels übereinstimmender Willensbekundung die in den Abkommen vorgesehenen Entscheidungen treffen. Eine wichtige Aufgabe der Gemischten Ausschüsse besteht darin, die Anhänge der Abkommen an die Rechtsentwicklung in der EU anzupassen. Ausserdem dienen die Gemischten Ausschüsse dem Informationsaustausch zwischen den Vertragsparteien und können grundsätzlich mit allen Fragen im Zusammenhang mit den jeweiligen Abkommen befasst werden.

Der Bundesrat hat Ende Mai seine Sicht der ersten Erfahrungen ein Jahr nach Inkrafttreten der «Bilateralen I» präsentiert. Die Umsetzung der Verträge hat nur geringe Schwierigkeiten verursacht. Die Zusammenarbeit mit der EU und den Mitgliedstaaten funktioniert reibungslos. Auch wenn die Datenbasis noch zu schmal ist, um eine definitive Beurteilung der Auswirkungen der «Bilateralen I» vorzunehmen, fällt die Analyse grundsätzlich positiv aus. Märkte, die vorher weitgehend gegen aussen abgeschottet waren, werden schrittweise und kontrolliert geöffnet. Die daraus folgende Dynamisierung in den betroffenen Sektoren hat teilweise bereits eingesetzt.

Abkommen über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen Das Landwirtschaftsabkommen (SR 0.916.026.81) vereinfacht den Handel mit Agrarprodukten durch den Abbau von Zöllen und die Beseitigung von nichttarifären Handelshemmnissen. Neben der Anerkennung der Gleichwertigkeit von technischen Vorschriften, beispielsweise in den Bereichen Pflanzenschutz, biologischer Landbau und Veterinärmedizin, sieht das Abkommen einen erleichterten Marktzutritt für bestimmte Agrarprodukte vor. Insbesondere der Handel mit Käse wird fünf Jahre nach Inkrafttreten des Abkommens vollständig liberalisiert.

Im ersten Jahr seit Inkrafttreten des Abkommens stand die
Aktualisierung der verschiedenen Anhänge im Vordergrund. Mit ihr soll die Äquivalenz der Rechtsgrundlagen wieder hergestellt und damit die vollständige Umsetzung des Abkommens ermöglicht werden. Die Aufdatierung der Anlagen stand auch im gesonderten Gemischten Ausschuss zum Anhang 11 über veterinärhygienische und tierzüchterische Massnahmen im Zentrum. Erfreulicherweise konnte nach langwierigen Verhandlungen mit der Kommission erreicht werden, dass die BSE-relevanten Regelungen in den Geltungsbereich des Abkommens aufgenommen wurden. Damit wurde die Voraussetzung für die Beendigung der bestehenden BSE-Massnahmen in einzelnen EU-Mitgliedstaaten geschaffen.

325

Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen Das Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Komformitätsbewertungen (SR 0.946.526.81) macht die doppelte Prüfung und Zulassung der meisten Industrieprodukte nach schweizerischem und nach EU-Recht überflüssig.

Anlässlich der zweiten Sitzung des Gemischten Ausschusses fand im Juni ein erster Erfahrungsaustausch über den Vollzug des Abkommens statt. Dabei wurde übereinstimmend festgestellt, dass die Rückmeldungen aus Wirtschaft sowie seitens der Behörden über das Funktionieren des Abkommens positiv ausgefallen sind. Hinsichtlich des Geltungsbereichs wurde die Absicht bekräftigt, im Interesse der Benutzerfreundlichkeit des Vertragstextes eine konsolidierte Fassung von Anhang 1 des Abkommens unter Einschluss aller Produktekapitel zu erstellen. Diese wird auch eine erste Erweiterung auf neue Produktebereiche (Aufzüge sowie zwei- und dreirädrige Motorfahrzeuge) umfassen. Die diesbezüglichen Verhandlungen sind weit fortgeschritten, konnten aber noch nicht abgeschlossen werden, weil die EG zuvor eine erste Änderung des Abkommens selbst vornehmen möchte. Für die EG steht dabei namentlich die Vereinfachung der Verfahren für die Anpassung der Produktekapitel an die weiterentwickelte Gesetzgebung der Vertragsparteien sowie für die Nachführung der Liste der unter dem Abkommen anerkannten Konformitätsbewertungsstellen im Vordergrund. Des Weitern soll das Abkommen so angepasst werden, dass es künftig auf alle Produkte, unabhängig ihres Ursprungs, Anwendung findet.

Abkommen über bestimmte Aspekte des öffentlichen Beschaffungswesens Seit 1. Januar 1996 ist das WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen in Kraft (SR 0.632.231.422). Es unterstellt Bund und Kantone sowie öffentliche Unternehmen der Wasser-, Verkehrs- und Elektrizitätsversorgung den WTO-Regeln über die Ausschreibung und die Vergabe von Aufträgen, sofern diese vom Volumen her gewisse Schwellenwerte überschreiten. Das Abkommen zwischen der Schweiz und der EU über das öffentliche Beschaffungswesen (SR 0.172.052.68) erweitert den Geltungsbereich des WTO-Beschaffungsabkommens auf die Sektoren Telekommunikation, Schienenverkehr und übrige Energieversorgung sowie auf Gemeinden und konzessionierte private Unternehmen, die aufgrund eines besonderen oder ausschliesslichen
Rechts in den genannten Bereichen tätig sind.

Artikel 3 Absatz 5 des Abkommens sieht die Möglichkeit vor, Beschaffungen in Sektoren, in denen nachweislich Wettbewerb herrscht, von den Bestimmungen des Vertrages auszunehmen, da diesfalls gewährleistet ist, dass sie nach wirtschaftlichen Kriterien erfolgen. Anlässlich des Gemischten Ausschusses haben die Schweiz und die EU die Verfahren eingeleitet, um den Ausschluss des Telekommunikationssektors vom Abkommen formell zu finalisieren und das Abkommen an die Erweiterung der EU anzupassen.

Abkommen über den Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Strasse Mit dem Abkommen über den Landverkehr (SR 0.740.72) hat die Schweiz Zugang zum europäischen Bahn- und Strassentransportmarkt erhalten. Damit verbunden ist einerseits die Einführung der «Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe» (LSVA) und andererseits die etappenweise Erhöhung der Gewichtslimite für Lastwagen auf 40 Tonnen (SR 740.11). Die Bemühungen, den Güterverkehr verstärkt von der Strasse auf die Schiene zu verlagern, zeitigten erste Wirkungen. In den 90er Jahren hatte der Verkehr jährlich um rund 8 Prozent zugenommen; danach zeigt sich eine gewisse Trendwende. Die Anzahl der alpenquerenden Lastwagen, die sich 326

bereits 2001 (in jenem Jahr war der Gotthardtunnel für zwei Monate geschlossen) um 2,4 Prozent vermindert hatte, nahm im Jahre 2002 um weitere 9 Prozent ab.

Dieser Rückgang hing vor allem mit der Wirkung der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA), der Erhöhung der Schwergewichtskapazitäten, der wirtschaftlichen Lage sowie der begrenzten Kapazität des Gotthardtunnels, dessen Wiederinstandstellung einige Zeit in Anspruch nahm, zusammen. Im ersten Semester 2003 nahm der Verkehr in den Alpen um rund 3 Prozent zu. Dabei war eine markante Umverteilung zwischen den einzelnen Alpenübergängen festzustellen.

Während der Verkehr am Gotthard erheblich anstieg, wurden die anderen Übergänge stark entlastet. Die Zunahme am Gotthard war durch die Einführung eines neuen Verkehrsregulierungssystems am 30. September möglich geworden, das insbesondere die Wiedereinführung des Gegenverkehrs erlaubte. Damit konnte unter Aufrechterhaltung einer angemessenen Verkehrssicherheit die Kapazität des Gotthardtunnels gegenüber dem zuvor angewandten Dosierungssystem massgeblich gesteigert werden. Im Rahmen seiner beiden ordentlichen Tagungen hat der Gemischte Ausschuss insbesondere geprüft, welche neuen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts («acquis communautaire») in den Anhang 1 des Abkommens aufzunehmen sind. Darüber hinaus fanden erste Gespräche über die Anpassung der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) ab 2005 statt. Zu jenem Zeitpunkt wird die Schweiz die Gewichtslimite für Fahrzeuge auf 40 Tonnen erhöhen. Der gewichtete Durchschnitt der drei im Landverkehrsabkommen vorgesehenen Fahrzeugkategorien für eine Referenz-strecke von 300 km mit einem Lastwagen von 40 Tonnen wird dann maximal 292,50 Franken betragen, während er zurzeit bei 172 Franken für ein 34-Tonnen-Fahrzeug liegt. Nach der Inbetriebnahme des NEAT-Basistunnels am Lötschberg, spätestens aber auf den 1. Januar 2008, wird der gewichtete Durchschnitt auf 325 Franken angehoben. Ebenfalls diskutiert wurde die Schaffung eines Verkehrsobservatoriums Schweiz-EU.

Abkommen über den Luftverkehr Das Luftverkehrsabkommen (SR 0.748.127.192.68) regelt auf Grundlage der Gegenseitigkeit den Zugang schweizerischer Fluggesellschaften zum liberalisierten europäischen Luftverkehrsmarkt. Durch die schrittweise Gewährung von Verkehrsrechten und das Diskriminierungsverbot
erhalten die schweizerischen Luftfahrtunternehmen gleich lange Spiesse wie ihre europäischen Konkurrenten.

Anlässlich seiner Sitzung am 3. Dezember hat der Gemischte Ausschuss im Grundsatz beschlossen, in den Abkommensanhang bestimmte neue EU-Rechtsakte einzufügen. Ferner wurde der Beitritt der Schweiz zur Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) besprochen.

Am 10. Juni hat die Schweiz bei der Europäischen Kommission gegen die deutsche Verordnung betreffend die An- und Abflüge zum und vom Flughafen Kloten Klage eingereicht. Darin beantragte die Schweiz, die Anwendung jener Verordnung insoweit zu verbieten, als diese im Widerspruch zum Luftverkehrsabkommen stehe. Sie macht dabei insbesondere geltend, dass die deutsche Regelung Schweizer Firmen indirekt diskriminiere und unverhältnismässig sei. Mit ihrer Entscheidung vom 5. Dezember ist die Europäische Kommission der schweizerischen Argumentation nicht gefolgt und hat festgehalten, dass Deutschland seine Verordnung weiterhin anwenden dürfe.

Ferner hat der Bundesrat am 7. März entschieden, dass im Rahmen des Luftverkehrsab-kommens die Überwachung von staatlichen Beihilfen im Bereich der Zivilluft327

fahrt der Wettbewerbskommission übertragen werden soll. Hiezu wird eine Änderung des Luftfahrtgesetzes nötig sein.

Abkommen über die Freizügigkeit Mit Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens (FZA) (SR 0.142.112.681) am 1. Juni 2002 ist die Personenfreizügigkeit zunächst für diejenigen Personen verwirklicht worden, die zu diesem Zeitpunkt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt waren oder sich im Gebiet der Vertragsparteien bei genügend finanziellen Mitteln und einem umfassenden Krankenversicherungsschutz als Nichterwerbstätige niederlassen wollen. Für alle anderen Personen gelten Übergangsfristen. Bis zum 31. Mai 2004 wird die Schweiz das Prinzip des Inländervorranges und der Kontrolle der Entlöhnungs- und Arbeitsbedingungen beibehalten. Diese Kontrolle wird am 1. Juni 2004 durch die flankierenden Massnahmen ersetzt werden. Sodann behält die Schweiz bis zum 31. Mai 2007 die Kontingentierung für Staatsangehörige der EUMitgliedstaaten bei. Am 1. Juni 2007 wird die Personenfreizügigkeit eingeführt werden, welche jedoch bei (zu) grossen Einwanderungsströmen noch bis spätestens 31. Mai 2014 beschränkt werden kann.

Die erste Phase der Einführung der Personenfreizügigkeit hat bisher zu keinen ernsthaften Problemen geführt. Die Kontingente wurden zwar stark beansprucht, was sich indessen mit einem erhöhten Anpassungsbedarf erklären lässt: so hat eine grosse Zahl von bisherigen Grenzgängern in der Schweiz festen Wohnsitz genommen. Die Beanspruchung der Kontingente hält sich aber, auf das Jahr gerechnet, im Rahmen der im FZA vereinbarten Personen-Anzahl.

Mit Beschluss des Gemischten Ausschusses vom 15. Juli wurde Anhang II (Soziale Sicherheit) zum FZA den neuen Gegebenheiten angepasst. Die Anpassungen sind technischer Natur und stellen sicher, dass der Inhalt des Anhangs II zum FZA weiterhin dem Inhalt des EU-Koordinationsrechts (Verordnung 1408/71) entspricht.

Im Bereich der gegenseitigen Anerkennung der Diplome (Anhang III) fällt die Bilanz in der Anwendung positiv aus.

Abkommen über die wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit Gegenstand des Forschungsabkommens von 1999 (AS 2002 1998) war die Assoziierung der Schweiz an das sogenannte fünfte Rahmenprogramm der EG im Bereich der Forschung. Dieses EU-Rahmenprogramm lief Ende 2002 aus, weshalb auch das Forschungsabkommen am 31. Dezember
2002 ausser Kraft getreten ist.

Das Forschungsabkommen sah seine Erneuerung im Hinblick auf die Assoziierung der Schweiz an den sechsten EU-Rahmenprogrammen (2003­2006) ausdrücklich vor. Der Rat der EU sowie der Bundesrat haben ihre Mandate für die Erneuerungsverhandlungen am 20. Februar bzw. am 9. April verabschiedet, worauf die Verhandlungen am 10. April eröffnet und bereits am 16. Juli abgeschlossen werden konnten.

Der Text des erneuerten Forschungsabkommens wurde am 5. September paraphiert; er wird von den Vertragsparteien bis Ende 2003 zu unterzeichnen sein. Im Anschluss an die Unterzeichnung wird das erneuerte Forschungsabkommen dem Parlament zur Genehmigung unterbreitet.

Um sicherzustellen, dass die Schweizer Forschenden mit den gleichen Rechten wie ihre europäischen Partner bereits an den nächsten Ausschreibungen der EURahmenprogramme teilnehmen können, sieht das erneuerte Forschungsabkommen die provisorische Anwendung auf den 1. Januar 2004 vor.

328

3.1.1.3

Anpassungen an die EU-Erweiterung

Allgemeines Auf den 1. Mai 2004 treten der EU zehn neue Mitgliedstaaten bei (Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechische Repubilk, Ungarn, Zypern). Damit erweitert sich der europäische Binnenmarkt um 75 Millionen Konsumenten mit rasch zunehmender Kaufkraft. Die zehn Beitrittsländer werden bei ihrem EU-Beitrittt den gesamten Rechtsbestand der Gemeinschaft (Acquis communautaire) übernehmen. Darunter fallen auch die Abkommen mit Drittstaaten wie die sektoriellen Abkommen Schweiz-EG von 1999 (Bilaterale I) oder das Freihandelsabkommen 1972 (Art. 2 ff. Beitrittsakte, Amtsblatt der EU Nr. L 236 vom 23. September 2003). Den neuen Mitgliedstaaten kommen damit die gleichen Rechte und Pflichten wie den derzeitigen Mitgliedstaaten zu. Im Vertragsverhältnis Schweiz-EU werden mit Ausnahme des Freizügigkeitsabkommens alle sektoriellen Verträge der Bilateralen I automatisch auf die neuen Mitgliedstaaten ausgedehnt. Hiezu braucht es keine neuen Verhandlungen, sondern lediglich Anpassungen technischer Natur.

Gleichzeitig treten die neuen Mitgliedstaaten gemäss Artikel 6 der Beitrittsakte von allen Drittlandübereinkommen im Bereich der Gemeinschaftskompetenz zurück, so von allen Freihandelsabkommen.

Die EU ist gewillt, im Hinblick auf die EU-Erweiterung die Zusammenarbeit mit ihren «neuen Nachbarn» im Osten und Süden zu verstärken, allerdings unterhalb der Beitrittsschwelle (Konzept «Wider Europe»). Des Weitern sollen Bulgarien und Rumänien in ihrem Bestreben unterstützt werden, 2007 der EU beizutreten.

Verhandlungen zur Erweiterung des Personenfreizügigkeitsabkommens Die Verhandlungen zur Ausdehnung des Freizügigkeitsabkommens (FZA) wurden am 16. Juli eröffnet. Gegenstand der Verhandlungen ist ein angemessenes Übergangsregime (Modalitäten der Übergangsfristen und Kontingente) bis zur Einführung der vollen Freizügigkeit mit den neuen Mitgliedstaaten. Damit soll die Zuwanderung gesteuert werden, wie das bereits im FZA gegenüber den bisherigen EUMitgliedstaaten enthalten ist. Die Schweiz verlangt ein mindestens ebenso restriktives übergangsregime gegenüber den neuen Mitgliedstaaten, wie es die alten Mitgliedstaaten ausgehandelt haben. Die Vereinbarung soll in einem Zusatzprotokoll zum FZA festgehalten werden. Der Genehmigungsbeschluss für dieses Zusatzprotokoll wird in der Schweiz
dem fakultativen Referendum unterstehen. Würde die Ausdehnung des FZA auf die künftigen EU-Mitgliedstaaten scheitern, müsste die Schweiz mit einer Kündigung dieses Abkommens durch die EU rechnen. Aufgrund der in allen sektoriellen Abkommen von 1999 gleichlautenden Guillotine-Klausel hätte dies die automatische Kündigung aller Abkommen der «Bilateralen I» zur Folge.

Zusätzlichen Schutz der schweizerischen Arbeitsmärkte bieten vom 1. Juni 2004 an die flankierenden Massnahmen gegen «Lohn- und Sozialdumping» (Aushöhlung des Arbeitsrechts). An der Ausgestaltung der Personenfreizügigkeit (also am materiellen Inhalt des FZA) soll sich nichts ändern.

329

Begehren der EU betreffend einen Kohäsionsbeitrag der Schweiz In einem Brief an die Vorsteherin des EDA lud EU-Aussenkommissar Patten die Schweiz ein, Vorkehren zur Aufnahme von Verhandlungen über einen Beitrag der Schweiz zur wirtschaftlichen und sozialen Kohäsion in der erweiterten EU zu treffen.

Der Bundesrat hat vom Begehren der EU-Kommission Kenntnis genommen. In ihrem Antwortschreiben hielt die Vorsteherin des EDA fest, dass die Schweiz die Erweiterung der EU begrüsse. Die Schweiz habe seit dem Fall der Berliner Mauer die Transition der ostmitteleuropäischen Länder mit beträchtlichem Engagement unterstützt und werde ihre Solidarität mit der Region auch in Zukunft unter Beweis stellen.

Der Bundesrat hat eine interdepartementale Arbeitsgruppe unter der Leitung des Integrationsbüros beauftragt, die finanziellen und wirtschaftlichen sowie innen- und aussenpolitischen Konsequenzen verschiedener Szenarien zu analysieren.

3.1.2

Verhandlungen über weitere bilaterale Abkommen

Die neuen bilateralen Verhandlungen Schweiz-EU («Bilaterale II») umfassen zehn Dossiers: Zinsbesteuerung, Betrugsbekämpfung, verstärkte Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz, Polizei, Asyl und Migration (Schengen/Dublin), verarbeitete Landwirtschaftsprodukte, Statistik, Umwelt, Bildungsprogramme, Medien, Ruhegehälter, Dienstleistungen. Seit Juni 2002 sind in allen diesen Bereichen Verhandlungen im Gang. Hingegen wurde das Dossier Dienstleistungen im Berichtsjahr aus den Verhandlungen herausgelöst, nachdem sich gezeigt hatte, dass dieses Dossier mehr Zeit beansprucht als die andern. In sieben der verbleibenden Bereiche (alle ausser Betrugsbekämpfung und Schengen/Dublin) sind die Verhandlungen praktisch abgeschlossen.

Mit dem politischen Abschluss der Verhandlungen über die Zinsbesteuerung im März sind die «Bilateralen II» in die Schlussphase getreten. Das Ergebnis im Bereich Zinsbesteuerung, das am 3. Juni von den Finanzministern der EU genehmigt wurde, sieht die Verpflichtung der Schweiz zur Einführung eines Steuerrückbehalts von bis zu 35 Prozent vor. Ausländische Bankkunden sollen zudem zwischen dem Steuerrückbehalt und einer Meldung an die Steuerbehörden wählen können (freiwillige Meldung). Ausserdem verpflichtet sich die Schweiz zur Amtshilfe bei Steuerbetrug sowie bei sinngemäss gleich schwer wiegenden Delikten. Mit dieser Regelung konnte das schweizerische Bankgeheimnis gesichert werden.

Die zweite Verhandlungsrunde steht vor dem Abschluss. Für die zwei offenen Punkte in den Dossiers Schengen/Dublin und Betrugsbekämpfung soll an einem Treffen auf hoher Ebene zwischen der Schweiz, der Europäischen Kommission und der EU-Ratspräsidentschaft eine Lösung herbeigeführt werden. Mit dem Abschluss dieser Verhandlungen würde das Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU noch weiter vertieft und auf das Gebiet der inneren Sicherheit ausgeweitet.

330

Zinsbesteuerung Die EU hat die Umsetzung ihrer im Rahmen eines umfassenden Steuerpakets vorgesehenen Richtlinie zur Zinsbesteuerung vom erfolgreichen Abschluss von Verhandlungen über gleichwertige Massnahmen mit wichtigen Drittstaaten, darunter der Schweiz, abhängig gemacht.

Im März haben die Schweiz und die EU in den Zinsbesteuerungsverhandlungen eine politische Einigung erzielt, die sich auf folgende Elemente abstützt: ­

Die Schweiz führt zugunsten der EU einen Steuerrückbehalt auf Zinserträgen von EU-Residenten ein, welcher schrittweise auf 35 Prozent erhöht wird. Dessen Erträge werden aufgeteilt.

­

Anstelle des Steuerrückbehalts sieht die Schweiz die Möglichkeit einer freiwilligen Meldung vor.

­

Die Schweiz leistet auf Anfrage Amtshilfe, sofern in Bezug auf Zinszahlungen ein Steuerbetrug oder dergleichen vorliegt. Die Schweiz und die EUMitgliedstaaten nehmen Verhandlungen auf mit dem Ziel, in ihre Doppelbesteuerungsabkommen eine Bestimmung über die Amtshilfe bei Steuerbetrug und dergleichen aufzunehmen.

­

Eine allfällige, über technische Änderungen hinausgehende Revision des Abkommens kommt frühestens nach 2011 in Frage, das heisst nachdem genügend Erfahrungen beim Steuerrückbehalt mit dem Satz von 35 Prozent vorliegen.

­

Die Quellensteuern auf Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren unter verbundenen Unternehmen werden beidseitig abgeschafft.

Im Juni haben die Wirtschafts- und Finanzminister der EU den Entwurf der Zinsbesteuerungsrichtlinie verabschiedet und den Abkommensentwurf mit der Schweiz betreffend die gleichwertigen Massnahmen genehmigt. Die Verhandlungen zwischen der EU und anderen Drittstaaten (Andorra, Liechtenstein, Monaco, San Marino) dauern noch an.

Betrugsbekämpfung Die Schweiz und die EU verhandeln seit Juli 2001 über ein Abkommen zum Schutz der finanziellen Mittel der EU, ihrer Mitgliedstaaten und der Schweiz («Betrugsbekämpfungsabkommen»). Dieses soll die gegenseitige Amts- und Rechtshilfe verbessern. Die Schweiz und die EU sind sich einig, dass das Betrugsbekämpfungsabkommen nur auf die indirekten Steuern (Zollabgaben, Mehrwertsteuer, besondere Verbrauchssteuern) Anwendung finden soll. Die Zusammenarbeit betreffend die direkten Steuern bildet nicht Gegenstand des Betrugsbekämpfungsabkommens.

Seit Beginn der Verhandlungen fanden zwölf Gesprächsrunden statt. Der gemeinsame Abkommensentwurf konnte praktisch bis auf zwei Punkte bereinigt werden.

Die Differenzen betreffen: ­

zum einen die Voraussetzungen für die Durchführung von Zwangsmassnahmen (Durchsuchung, Beschlagnahme, Zeugeneinvernahme). Hier verlangt die EU, dass die Schweiz diese Instrumente auch bei Abgabehinterziehung anwendet. Die Schweiz ist zur Anordnung von Zwangsmassnahmen bereit, wenn ein Abgabebetrug oder eine gewerbsmässige Hinterziehung vorliegt.

331

­

zum andern die Amts- und Rechtshilfe für Geldwäscherei, wo die EU eine Kooperation auch dann anstrebt, wenn Vermögenswerte, die aus einem Steuerdelikt stammen, in der Schweiz angelegt werden. Steuerdelikte bilden in der Schweiz jedoch keine Vortat zur Geldwäscherei, weshalb Amts- oder Rechtshilfe in diesen Fällen abgelehnt wird.

Schengen/Dublin Mit der zunehmenden Globalisierung der Wirtschaft ist auch eine Zunahme der grenzüberschreitenden Kriminalität verbunden. Die Staaten Europas und der Raum der Europäischen Union, in deren Mitte sich die Schweiz befindet, sind in Bezug auf Kriminalität als Einheit zu betrachten. Die Schweiz hat deshalb schon vor Jahren ihr Interesse an einer verstärkten Zusammenarbeit mit der EU in den Bereichen justizielle und polizeiliche Zusammenarbeit sowie Asyl und Migration (Schengen/ Dublin) bekundet. Dieses Dossier birgt auch potenziell grosse wirtschaftliche Vorteile in sich, namentlich für den schweizerischen Tourismus und Geschäftsreisendenverkehr.

Die Verhandlungen über eine Assoziation der Schweiz an den Schengen- und Dublin-Acquis haben am 11. Juli 2002 begonnen. Die Verhandlungen wurden auf der Basis der Abkommen geführt, welche die EU mit den Drittstaaten Norwegen und Island abgeschlossen hat. Den zentralen Anliegen der Schweiz (genügend lange Fristen zur Übernahme des neuen Rechts und Vorhersehbarkeit zukünftiger Entwicklungen von Schengen/Dublin) konnte in den Verhandlungen Rechnung getragen werden. Der Schweiz wurde eine Frist von zwei Jahren zur Übernahme von neuen Rechtsakten zugestanden. Dies gibt der Schweiz genügend Zeit, die üblichen Gesetzgebungsverfahren einzuhalten (parlamentarische Debatten und allenfalls Referendum). Zur Sicherung der Vorhersehbarkeit der Weiterentwicklung wird im Abkommen der gesamte Acquis genau bezeichnet, auf dem die Zusammenarbeit beruht. Die Weiterentwicklung kann nur auf diesen Rechtsakten aufbauen. Der Schweiz gelang es ausserdem, eine Abschwächung der sog. Guillotine-Klausel (automatische Beendigung des Abkommens bei Nicht-Übernahme eines neuen Rechtsaktes) auszuhandeln: Lehnt die Schweiz einen neuen Rechtsakt ab, suchen die Vertragsparteien gemeinsam nach einer angemessenen Lösung zur Weiterführung der Zusammenarbeit. Würden durch die Übernahme zentrale Pfeiler unseres Staatswesens betroffen (direkte Demokratie, Föderalismus, Neutralität), hätte die Schweiz im Rahmen eines zusätzlichen Konsultationsmechanismus die Möglichkeit, alternative Lösungsvorschläge auf höchster Ebene zu diskutieren.

Zurzeit ist in den Verhandlungen noch eine Frage offen. Es geht dabei, ähnlich wie in den Verhandlungen über die Betrugsbekämpfung, um das Ausmass der
Rechtshilfe in Fiskalsachen. Die Schweiz will hier eine Lösung, welche kohärent ist mit dem Resultat der Verhandlungen über die Zinsbesteuerung, um auch hier das schweizerischen Bankgeheimnis abzusichern.

Verarbeitete Landwirtschaftsprodukte Die im Protokoll Nr. 2 zum Freihandelsabkommen Schweiz-EG von 1972 (SR 0.632.401.2) enthaltene Sonderregelung für verarbeitete Landwirtschaftsprodukte ist nicht mehr in allen Teilen zeitgemäss und erzeugt bei ihrer Anwendung eine Reihe von Problemen. In den Verhandlungen zur Anpassung des Abkommens haben sich die Schweiz und die EU darauf geeinigt, den Deckungsbereich des Protokolls Nr. 2 auszudehnen und den Preisausgleichsmechanismus zu verbessern. Das 332

aktualisierte Abkommen sieht vor, dass die EG sämtliche Zölle auf Importen aus der Schweiz sowie die Erstattungen für Exporte in die Schweiz vollständig abbaut.

Entsprechend reduziert die Schweiz im Gegenzug ihre Erstattungen auf Ausfuhren in die EG und ihre Zölle auf Importen aus der EG. Um Umgehungen zu verhindern, wird ein geeigneter Kontrollmechanismus vorgesehen.

Statistik Die Vergleichbarkeit der statistischen Informationen ist ein wichtiges Element zur Evaluation der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Durch eine bilaterale Zusammenarbeit mit der EU könnte die Erfassung und Verbreitung eurokompatibler statistischer Daten über die Schweiz sichergestellt werden. Namentlich geht es um die Harmonisierung der Statistiken in den Bereichen Handel, Arbeitsmarkt, Sozialversicherung, Transport, Raumplanung und Umwelt. Die Verhandlungen mit der EU im Hinblick auf eine Zusammenarbeit im Bereich Statistik sind weit fortgeschritten.

Das Dossier bietet in politischer Hinsicht keinerlei Probleme.

Umwelt Mit einer Teilnahme an der Europäischen Umweltagentur (EUA) erhielte die Schweiz Zugriff auf Umweltdaten von deren 31 Mitgliedstaaten und könnte an länderübergreifenden Studien mitwirken. Die schweizerischen Daten würden ihrerseits in den Berichten der Agentur veröffentlicht. Auf diese Weise könnte die Schweiz einen indirekten Beitrag zur Erarbeitung von Massnahmen zugunsten der Umwelt auf europäischer Ebene leisten. Die Verhandlungen mit der EU im Hinblick auf eine Teilnahme an der EUA sind weit fortgeschritten. Das Dossier ist politisch problemlos.

Bildung, Berufsbildung, Jugend Die Schweiz strebt eine Vollbeteiligung an den EU-Programmen SOKRATES (allgemeine Bildung), LEONARDO DA VINCI (Berufsbildung) und JUGEND (ausserschulische Jugendarbeit) an. Die EU hat der Schweiz die vollberechtigte Teilnahme an der nächsten Programmgeneration (ab 2007) in Aussicht gestellt. In der Zwischenzeit hat sich die EU bereit erklärt, die jetzige indirekte Teilnahme an gewissen Aktionen (stille Partnerschaft) zu konsolidieren und für die Dauer der aktuellen Programmgeneration (bis 2006) soweit als möglich auszubauen.

Medien Das Verhandlungsobjekt ist die Vollbeteiligung der Schweiz an den EUProgrammen «MEDIA Plus» (Förderung der Entwicklung und des Vertriebs gemeinschaftlicher audiovisueller Werke) und «MEDIA Fortbildung»
(Ausbildungsprogramm für Berufsangehörige der audiovisuellen Programme in der Gemeinschaft) mit der Laufzeit 2001­2006. Die Beteiligung an diesen Programmen soll es der schweizerischen audiovisuellen Industrie und den Filmschaffenden ermöglichen, in den Genuss von sämtlichen MEDIA-Unterstützungsmassnahmen der Europäischen Union zu gelangen. Die Verhandlungen sind auf technischer Ebene abgeschlossen.

Ruhegehälter In diesem Bereich steht die bestehende Doppelbesteuerung von in der Schweiz lebenden, pensionierten Beamten der EU zur Diskussion. Die Schweiz ist grundsätz333

lich bereit, auf der Grundlage eines Abkommens die Doppelbesteuerung von Pensionen der betreffenden Personen im Rahmen des Möglichen zu beseitigen.

Dienstleistungen In einer gemeinsamen Erklärung im Anhang zum Personenfreizügigkeitsabkommen von 1999 verpflichteten sich die EU und die Schweiz, so bald wie möglich Verhandlungen über eine allgemeine Liberalisierung des Dienstleistungsverkehrs auf der Grundlage des Acquis communautaire aufzunehmen.

Die Verhandlungen begannen im Juli 2002. In jenem Jahr fanden insgesamt vier Verhandlungsrunden statt. Zusätzlich wurden Arbeitsgruppen eingesetzt, welche den Auftrag hatten, einen Vergleich zwischen dem dienstleistungsrelevanten europäischen und schweizerischen Recht vorzunehmen.

Im Verlauf der Verhandlungen wurde offenkundig, dass die Verhandlungsziele der Schweiz und der EU nicht parallel verlaufen: die EU strebt ein Abkommen an, das ausnahmslos auf dem Acquis communautaire beruht und neben den Dienstleistungen auch flankierende Politiken wie Konsumentenrecht, Wettbewerbsrecht, Gesellschaftsrecht und Datenschutzrecht umfasst. Demgegenüber strebt die Schweiz ein auf die Dienstleistungserbringung begrenztes Liberalisierungsabkommen an, das in einigen Fällen auch Ausnahmen vom Acquis communautaire oder eine Anerkennung der Gleichwertigkeit der schweizerischen Regeln zulässt. Angesichts dieser divergierenden Auffassungen kamen EU-Kommissar Lamy und der Vorsteher des EVD im März überein, die Verhandlungen über Dienstleistungen vom Paket der «Bilateralen II» abzukoppeln und sie gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen.

3.2

Europäische Freihandelsassoziation (EFTA) und andere europäische Freihandelsbeziehungen

Änderungen in den sektoriellen Abkommen Schweiz-EG von 1999 haben zu entsprechenden Anpassungen der EFTA-Konvention geführt. Mit Liechtenstein konnten erste Zusatzverhandlungen über die Personenfreizügigkeit abgeschlossen werden. Die Erweiterung der EU wird die Beendigung von acht EFTADrittlandabkommen zur Folge haben; der Freihandelsverkehr der Schweiz mit diesen Staaten wird danach vom Freihandelsabkommen Schweiz-EG von 1972 erfasst.

3.2.1

EFTA-interne Beziehungen

Der EFTA-Rat auf Ministerebene traf sich am 26. Juni in Kristiansand (Norwegen) und am 15. Dezember in Genf. Im Rahmen der Umsetzung des Abkommens zur Änderung des EFTA-Übereinkommens (SR 0.632.31), welches am 1. Juni 2002 in Kraft getreten ist, wurden Bestimmungen über die Personenfreizügigkeit (soziale Sicherheit) und die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen angepasst. Diese entsprechen den Änderungen der sektoriellen Abkommen Schweiz-EG von 1999. Zusatzverhandlungen mit Liechtenstein über die Personenfreizügigkeit 334

haben in einer ersten Runde als Ergebnis erbracht, dass die im jeweils andern Staat bereits ansässigen Staatsangehörigen Gleichbehandlung erlangen. Die Neuzulassung von Staatsangehörigen im jeweils andern Staat wird Gegenstand einer zweiten Runde von Zusatzverhandlungen sein.

3.2.2

Beziehungen der EFTA zu europäischen Drittstaaten und Mittelmeerländern

Die EFTA-Staaten haben seit 1990 mit 17 Ländern in Mittel- und Osteuropa sowie im Mittelmeerraum Freihandelsabkommen abgeschlossen (zu den Abkommen mit Überseestaaten: Ziff. 4.3). Mit diesen Abkommen erhalten die Wirtschaftsakteure der EFTA-Staaten vergleichbaren Zugang zu den Märkten dieser Drittstaaten, wie ihn die Konkurrenten aus der EU aufgrund der Präferenzabkommen der EU mit diesen Ländern haben. Im Berichtsjahr wurden Verhandlungen mit Ägypten, Libanon und Tunesien geführt. Im Rahmen bestehender Freihandelsabkommen fanden Tagungen der Gemischten Ausschüsse mit Israel, mit der PLO/Palästinensischen Behörde, mit Rumänien, mit der Slowakei, sowie ­ erstmals ­ mit Kroatien und Mazedonien statt. Mit Israel wurden Probleme im Bereich der Ursprungsnachweise (Importe aus den palästinensischen Gebieten) zur Sprache gebracht. Der in der Zusammenarbeitserklärung EFTA-Algerien vorgesehene Gemischte Ausschuss diskutierte bei seinem ersten Treffen Möglichkeiten zur Vertiefung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Hinblick auf die Eröffnung von Freihandelsverhandlungen.

Die Arbeiten zur Errichtung eines euro-mediterranen Systems der Ursprungskumulation (EU-Mittelmeerstaaten-EFTA) wurden vorangetrieben. Dieses System wird den EFTA-Staaten die baldige Teilnahme an der von der EU im Rahmen des Barcelona-Prozesses beschlossenen grossen Freihandelszone Europa-Mittelmeer erlauben, welche schrittweise bis 2010 realisiert werden soll.

Mit der Osterweiterung der EU im 2004 werden EFTA-Freihandelsabkommen mit acht Partnerstaaten hinfällig werden. Zwischen der Schweiz und diesen Staaten wird vom Zeitpunkt des EU-Beitritts an das Freihandelsabkommen der Schweiz mit der Europäischen Gemeinschaft von 1972 gelten (SR 0.632.401), womit der gegenseitige präferenzielle Marktzugang für Industrieerzeugnisse erhalten bleibt (vgl.

Ziff. 3.1.1.2).

335

3.3

Europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Forschung und Technologie

Die Schweiz ist Gründungsmitglied von Eureka und COST. Diese Initiativen charakterisieren sich durch ihren «Bottom up»-Ansatz, d.h. die Impulse für neue Projekte und Aktionen gehen von den betroffenen Forschenden aus. Zusammen mit den EU-Rahmenprogrammen für Forschung und technologische Entwicklung, welche einen «Top down»-Ansatz verfolgen, bilden Eureka und COST die Grundpfeiler des Europäischen Forschungsraumes.

3.3.1

Eureka

Eureka, im Jahre 1985 mit der Absicht gegründet, durch transnationale F&EPartnerschaften europäische Ressourcen zu mobilisieren, ist ein zwischenstaatliches Instrument der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit europäischer Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Es zielt darauf ab, Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken und den technologischen Rückstand gegenüber Japan und den USA dem Gebiet der Spitzentechnologie zu vermindern. Eureka zählt 34 Mitglieder: 33 Staaten sowie die Europäische Kommission.

Zurzeit laufen 728 Projekte mit Eureka-Status (Gesamtvolumen: rund 2 Mrd. ). An diesen Projekten beteiligen sich 2855 Partner. Anlässlich der Sitzung der Gruppe Hoher Repräsentanten im Juni in Kopenhagen wurden 168 neue Eureka-Projekte mit einem Gesamtvolumen von 402 Millionen Euro genehmigt.

In der Schweiz laufen 61 Projekte mit Eureka-Status. An diesen Projekten beteiligen sich 117 Schweizer Partner (29 Industriepartner, 36 KMU, 52 Hochschulen / Fachhochschulen / Universitäten). Die Gesamtkosten dieser 61 Projekte belaufen sich auf 70 Millionen Franken.

3.3.2

COST

Die «Europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiete der wissenschaftlichen und technischen Forschung» (COST) wurde im Jahre 1971 gegründet und stellt ein zwischenstaatliches Instrument zur Vernetzung von nationalen Forschungsaktivitäten dar. COST-Aktionen sind auf die vorwettbewerbliche und die GrundlagenForschung für zivile und im öffentlichen Interesse liegende Zwecke sowie internationale Harmonisierungen ausgerichtet. COST umfasst derzeit 35 Mitgliedstaaten.

An den zurzeit laufenden 165 COST-Aktionen sind rund 30'000 Forschende in ganz Europa beteiligt. 2003 sind rund 40 neue COST-Aktionen gestartet worden. Die Schweiz nimmt gegenwärtig mit rund 350 Forschenden an etwa 80 Prozent der laufenden COST-Aktionen teil. Im Berichtsjahr hat die Schweiz die Beteiligung an rund 30 COST-Aktionen unterzeichnet. Die Aufwendungen des Bundes für COST belaufen sich für 2003 auf insgesamt 8 Millionen Franken. Die Schweizer Beteiligung umfasst den ETH-Bereich (46 %), Universitäten und Fachhochschulen (36 %), die Privatwirtschaft (6 %) sowie verschiedene Bundesstellen und nichtgewinnorientierte Organisationen (12 %).

336

Für die Beteiligung der Schweiz an COST-Aktionen in den Jahren 2004­2007 haben die eidgenössischen Räte einen Verpflichtungskredit von 37 Millionen Franken bewilligt (BBl 2003 6899).

4

Multilaterale Wirtschaftszusammenarbeit Nachdem die WTO-Ministerkonferenz vom 10.­14. September in Cancún (Mexiko) ergebnislos abgebrochen werden musste, ist mit einer Verzögerung des Abschlusses der Doha-Runde über den 1. Januar 2005 hinaus zu rechnen. Am 9.

Juli hat die Schweiz das Kyoto-Protokoll, das die Industriestaaten zur Reduktion ihrer Treibhausgas-Emissionen verpflichtet, ratifiziert. Die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) hat beschlossen, den 28. April zum «Welttag für Arbeitsschutz zu erklären.

4.1

Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)

Vor dem Hintergrund eines schwierigen und ungewissen Umfeldes bekräftigte die OECD die Bedeutung, welche dem Vertrauen der Wirtschaftsteilnehmer für das Wachstum zukommt. Im Fiskalbereich ist die Verabschiedung einer OECDEmpfehlung, welche einen umfassenden Austausch von Bankinformationen zu Steuerzwecken vorsah, mangels Konsenses der OECD-Mitglieder gescheitert.

4.1.1

Tagung des OECD-Rates auf Ministerebene

Die Jahrestagung des OECD-Rats auf Ministerebene vom 29./30. April in Paris unter dem Vorsitz von Neuseeland stand unter dem Leitmotiv «Wachstum und Entwicklung». Sie befasste sich mit Massnahmen zur Stärkung des Vertrauens und des wirtschaftlichen Wachstums, mit der Förderung von Wachstum und Investitionen in den Entwicklungsländern sowie ­ im Vorfeld der WTO-Ministerkonferenz von Cancún ­ mit Fragen des internationalen Handels. Mehrere Nichtmitgliedstaaten nahmen an Teilbereichen der Tagung teil.

Verbreitete Arbeitslosigkeit, gedrückte Börsenstimmung, kritische Ereignisse in mehreren internationalen Unternehmen, der Irak-Krieg und die Sars-Epidemie haben das Vertrauen der Konsumenten und Investoren im Berichtsjahr stark strapaziert.

Angesichts dieses schwierigen Umfeldes bekräftigten die Minister die Bedeutung, die dem Vertrauen der Wirtschaftsteilnehmer für die Förderung des Wirtschaftswachstums zukommt, und diskutierten über hiezu geeignete Massnahmen.

In Bezug auf die Förderung von Wachstum und Investitionen in den Entwicklungsländern weist die OECD darauf hin, dass viele Länder und Regionen wenig Nutzen aus der Globalisierung ziehen. Einem entsprechenden Kapazitätsaufbau kommt daher besonderes Gewicht zu. Die Minister erinnerten daran, dass Investitionen 337

massgeblich zu Wirtschaftswachstum, Arbeitsbeschaffung und Minderung der Armut beitragen, dass hiezu aber politische Stabilität und für den Privatsektor entsprechende Rahmenbedingungen nötig sind.

Im Vorfeld der Ministertagung der WTO in Cancún rief die Ministerkonferenz die in Doha in Aussicht gestellten Ziele in Erinnerung. Die Schweiz trat für Lösungen ein, die eine Stärkung des multilateralen Handelssystems bewirken und für die Mitglieder der WTO ausgeglichene Resultate zeitigen.

Die Bestrebungen der OECD, zum Abbau unrentabler Stahlproduktionskapazitäten beizutragen, und die Verhandlungen über ein multilaterales Abkommen zur Kürzung oder gar Beseitigung von staatlichen Subventionen im Stahlsektor wurden fortgeführt (vgl. Ziff. 8.2).

Schliesslich befasste sich der Exekutivausschuss in Sondersession mit der Reform der OECD, die mit Blick auf die künftige Erweiterung der Organisation, ihrer Prioritäten im nächsten Jahrzehnt und dem Anpassungsbedarf der Arbeitsmethoden unausweichlich wird. Diese Fragen bildeten auch Gegenstand einer vom seco durchgeführten Informationsveranstaltung in Bern, an welcher die wichtigsten schweizerischen Vertreter in den verschiedenen OECD-Ausschüssen teilnahmen.

4.1.2

Schwerpunkte der analytischen Tätigkeiten

4.1.2.1

Schweizerische Wirtschaftspolitik

Im November fand die Überprüfung der Schweizer Wirtschaftspolitik durch die OECD statt. Der Bericht wird im Januar 2004 veröffentlicht. Ausgangspunkt ist eine erneut unterdurchschnittliche Entwicklung der Schweizer Volkswirtschaft. Die OECD-Experten schreiben diese neben einem für die Schweiz besonders ungünstigen internationalen Umfeld auch dem schleppenden Fortgang der strukturellen Reformen und einer anhaltenden Wachstumsschwäche der Wirtschaft zu. Die wichtigste Herausforderung der Wirtschaftspolitik bleibe damit die Stärkung der Wachstumskräfte der Wirtschaft.

Die makroökonomische Wirtschaftspolitik erhält insgesamt gute Noten. Gelobt wird die frühzeitige aggressive Lockerung der Geldpolitik. Die Gefahr einer deflationären Entwicklung dürfe zwar nicht überschätzt werden, doch gelte es, die Entwicklung weiter aufmerksam zu verfolgen und notfalls auch mit unorthodoxen Massnahmen, wie Devisenmarktinterventionen, Gegensteuer zu geben. Auch der leicht expansive Kurs der Budgetpolitik sei in naher Zukunft noch angemessen, auch wenn damit kurzfristig von einer strikten Umsetzung der Schuldenbremse abgewichen werde.

Nicht zuletzt mit Blick auf die Alterung der Bevölkerung bleibe eine grundlegende, langfristige Sanierung der öffentlichen Haushalte jedoch vordringlich. Zu überprüfen seien dabei vor allem die Systeme der sozialen Wohlfahrt.

Ein Sonderkapitel widmet die OECD dem Themenkreis Wettbewerb und Wirtschaftsleistung. Der Schlüssel zur unumgänglichen Stärkung des Wachstumspotenzials der Wirtschaft liege in der Stärkung des Wettbewerbs und einer konsequenten Verbesserung des Regulierungsrahmens namentlich in den vom internationalen Wettbewerb abgeschirmten Bereichen der Wirtschaft. Ungenügenden Wettbewerb und entsprechenden Handlungsbedarf ortet die OECD u.a. in den Bereichen der Netzwerkindustrien, im Gesundheitswesen, in der Landwirtschaftspolitik sowie in 338

den Gebieten freie Berufe und öffentliches Beschaffungswesen. Nach Meinung der OECD vermöchte ein konsequent wettbewerblicher Rahmen in diesen Sektoren die Wirtschaftsleistung in der Schweiz über eine Zehnjahresperiode hinweg um rund 8 Prozent anzuheben.

4.1.2.2

Entwicklungszusammenarbeit

Im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit konnten verschiedene organisatorische Massnahmen abgeschlossen werden, welche den Stellenwert von Entwicklungsfragen innerhalb der OECD weiter stärken. Der Entwicklungshilfeausschuss (DAC) erhielt im Zuge dieser Umgestaltungen ebenfalls eine neue Struktur. Dessen Tätigkeiten werden auf zwei Arbeitsgruppen aufgeteilt, die eine befasst sich mit Statistik, die andere mit der Wirksamkeit der Entwicklungshilfe. Daneben bearbeiten sechs sog. Spezialisten-Netz-werke die Themen Armut, gute Regierungsführung, Konfliktprävention, Gleichstellung von Mann und Frau, Evaluation und Umwelt.

Die Prioritäten des Entwicklungshilfeausschusses waren auf das «Aktionsprogramm für eine gemeinsame Entwicklungsagenda» ausgerichtet, worin die OECD für Politikkohä-renz im Dienst der Entwicklung, für gute Regierungsführung, Effizienzsteigerung der Entwicklungszusammenarbeit sowie die Stärkung von Partnerschaften eintritt. Intensiv diskutiert wurde die Frage, wie die unterschiedlichen HilfePraktiken (Vergabe, Monitoring, Reporting usw.) der Geberländer harmonisiert werden könnten, damit sich für die Empfängerländer Effizienzgewinne realisieren lassen. Hiezu wurde im Februar an einer internationalen Konferenz in Rom ein Referenzdokument mit Empfehlungen verabschiedet. Deren Umsetzung soll im DAC Ende 2004 überprüft werden.

An der Tagung des Entwicklungshilfeausschusses (DAC) standen die Themen Wirtschaftswachstum und öffentliche Entwicklungshilfe, die Initiative «Neue Partnerschaft für Afrikas Entwicklung» (NEPAD) sowie die Harmonisierung der HilfePraktiken der Geberländer im Vordergrund. Das letztgenannte Thema sowie die Aktionslinien bildeten auch Gesprächsgegenstand anlässlich des Besuchs, den der neue Präsident des DAC im Dezember der Schweiz abstattete.

4.1.2.3

Arbeitsmarktpolitik

Die für Arbeit und Beschäftigung zuständigen Minister der OECD-Länder tagten am 29./30. September in Paris unter französischem Vorsitz. Dabei wurde bekräftigt, dass es das Ziel der Arbeitsmarktpolitik sein soll, mehr Beschäftigung und bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen. Zur Erreichung dieses Ziels tragen eine entsprechende Wirtschaftspolitik bei, aber auch lebenslanges Lernen sowie Effizienz- und Qualitätssteigerungen bei der öffentlichen Arbeitsvermittlung.

Die Mobilisierung der unterrepräsentierten Erwerbskategorien ist aus ökonomischer Perspektive sinnvoll, weil damit zum einen die Armut und die soziale Marginalisierung bekämpft und zum anderen die Probleme der Alterung eingedämmt werden. In diesem Kontext ist die Vereinbarkeit von Familie und Arbeit von fundamentaler Bedeutung. Die Umsetzung von Strukturreformen und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit genügen indes nicht, die Beschäftigungsquote zu erhöhen. Vielmehr müs-

339

sen auf allen Ebenen Partnerschaften eingegangen und es muss an das Verantwortungsbewusstsein der Akteure am Arbeitsmarkt appelliert werden.

Die Bildung sollte im Rahmen der Arbeitsmarktpolitik oberste Priorität geniessen.

Einerseits müssen die Bildungsperspektiven markant verbessert werden, damit neue Technologien nutzbar gemacht und Produktivitätspotenziale vollumfänglich ausgeschöpft werden. Andererseits sollte angesichts der Alterung die Bedeutung des lebens-langen Lernens hervorgehoben werden. Im Gegensatz zu den besser Qualifizierten profitiert nur eine kleine Minderheit der weniger Qualifizierten von der Weiterbildung.

Gute arbeitsmarktliche Massnahmen tragen neben der wirtschaftlichen Effizienz auch zur Festigung des sozialen Zusammenhalts bei. Bezüglich Lenkung und Effizienz der öffentlichen Arbeitsvermittlung unternimmt die Schweiz erhebliche Anstrengungen. Diesbezüglich spielt die Schweiz im internationalen Vergleich eine führende innovative Rolle. Zur Festigung des sozialen Zusammenhalts bedarf es einer umfassenden und kohärenten Arbeitsmarktpolitik. Allen Kategorien sollte geholfen werden, damit sie am Arbeitsmarkt aktiv teilnehmen und von der Weiterbildung profitieren können. Instru-mente, welche zur Passivität beitragen, dürfen keine Zukunft haben. In Anbetracht der Leistung des schweizerischen Arbeitsmarktes stellen wir fest, dass die schweizerische Arbeitsmarktpolitik in die von der OECD angepeilte Richtung zielt.

4.1.2.4

Territoriale Entwicklung

Auf Einladung des seco fand am 25./26. Juni in Martigny ein Treffen des OECDAusschusses für territoriale Entwicklungspolitik auf Stufe hochrangiger Regierungsvertreter statt, das vom Vorsteher des EVD eröffnet wurde und unter schweizerischem Präsidium stand. Das von rund 140 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus sämtlichen Mitgliedstaaten der OECD besuchte Treffen war dem Thema «Innovation und Wirksamkeit in Politikbereichen der territorialen Entwicklung» gewidmet.

Die Tagung bezweckte, einen Erfahrungsaustausch über neue Ansätze zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit von Regionen zu ermöglichen. Die Diskussionen zeigten auf, dass nur über eine verstärkte Ausschöpfung der lokalen Potenziale, durch Förderung von Innovation, Unternehmertum und lokalen Initiativen sowie Partnerschaften zwischen öffentlicher Hand und Privaten die Regionen befähigt werden können, die Möglichkeiten der Globalisierung und des technologischen Fortschritts zu ihrem Vorteil zu nutzen. Der Ausschuss wurde aufgerufen, sich als internationales zentrales Forum gegenüber den staatlichen Entscheidungsträgern für eine Stärkung der regionalen Wettbewerbsfähigkeit einzusetzen.

4.1.2.5

Handelspolitik

Der unter schweizerischer Präsidentschaft stehende OECD-Handelsausschuss erarbeitete für die WTO-Verhandlungen analytische Grundlagen, deren Ergebnisse in Berichtsform den Ministern zugeleitet wurden. Nach dem Abbruch der WTOMinisterkonferenz in Cancún hat der Ausschuss eine Lagebeurteilung vorgenommen. Seine Arbeiten konzentrieren sich neu auf Bereiche, denen bei der Wiederauf340

nahme der Verhandlungen eine zentrale Rolle zufällt: Überprüfung des WTOStreitschlichtungsverfahrens, Erosion des Zollpräferenzsystems für Entwicklungsländer, Marktzugang, Korruption, nichttarifari-sche Handelshemmnisse, Handel mit Dienstleistungen, handelsbezogene Aspekte der Investitionen und der Wettbewerbspolitiken, Handelserleichterungen, Handel mit Texti-lien und Stahl. Die Frage der Marktzugangsverbesserungen für Entwicklungsländer wurde mit Nichtmitgliedern der OECD konferenziell erörtert. Die erneuten Konsultatio-nen mit Nichtmitgliedstaaten sowie mit den Vertretern der Zivilgesellschaft (Wirtschaft, Arbeitnehmerschaft, NGO) waren angesichts der unterschiedlichen Betrachtungsweisen ein nützlicher Bestandteil der Verständnisförderung und tragen zur Erhaltung der Doha-Dynamik bei.

In Zusammenarbeit mit der internationalen Migrationsorganisation und der Weltbank organisierte die OECD im November in Genf ein Seminar über Handel und Migration.Es bezweckte, die Einwirkung von Handelsabkommen auf die Migrationsflüsse zu analysieren.

4.1.3

Instrumente im Investitionsbereich

Unter den OECD-Instrumenten im Investitionsbereich lag das Hauptaugenmerk im Berichtsjahr auf der weiteren Operationalisierung des Kodexes für multinationale Unternehmen aus dem Jahr 2000 und der Anti-Korruptionskonvention von 1997. Wichtigstes Ergebnis des weitreichenden Dialogs mit Nichtmitgliedstaaten stellte die Veröffentlichung einer umfassenden Analyse zum Investitionsregime der Volksrepublik China dar.

4.1.3.1

Multilaterale Investitionsregeln

Anders als für den grenzüberschreitenden Waren- und Dienstleistungsverkehr besteht auch heute noch kein globales Regelwerk für internationale Investitionen. Die bedeutendste Grundlage auf diesem Gebiet bilden bis auf weiteres die seit den 1960er Jahren entwickelten Normen der OECD, unter ihnen der Kapitalverkehrskodex und das sog. Inländerbehandlungsinstrument. Auf die inzwischen 38 Teilnehmerstaaten der OECD-Investitionsinstrumente ­ neben den OECD-Mitgliedern sind dies Argentinien, Brasilien, Chile, Estland, Lettland, Litauen, Israel und Slowenien ­ entfallen rund 90 Prozent der grenzüberschreitenden Investitionstätigkeit.

Der Investitionsausschuss schloss seine Arbeiten zum Wettbewerb um ausländische Direktinvestitionen mittels steuerlicher und anderer Anreize ab. Zwar vermochte er sich nicht auf Politikempfehlungen an die Mitgliedstaaten zu einigen. Die publizierten Resultate umfassen neben einem analytischen Teil aber auch Kriterien, welche dazu beitragen sollen, ineffiziente Investitionsanreize zu erkennen und zu vermeiden. Einen weiteren thematischen Schwerpunkt bildete die Analyse grundlegender rechtlicher Standards in internationalen Investitionsabkommen ­ dies vor dem Hintergrund, dass die Gerichte sich in letzter Zeit vermehrt mit bilateralen und regionalen Investitionsabkommen, deren weltweite Zahl heute 2000 übersteigt, zu befassen haben.

341

Im Investitionsbereich pflegt die OECD einen breit angelegten Dialog mit Nichtmitgliedstaaten. Ziel ist ein Heranführen dieser Staaten an OECD-Standards, aber auch eine generelle Verbesserung der Voraussetzungen für eine künftige, tragfähige multilaterale Investitionsordnung. Im Berichtsjahr konnte nach mehrjähriger Zusammenarbeit eine eingehende Untersuchung ­ verbunden mit Handlungsempfehlungen ­ bezüglich des Investitionsregimes von China abgeschlossen werden. Als neue Initiative wurde unter Schweizer Vorsitz ein investitionspolitisches Programm für Afrika in Angriff genommen.

4.1.3.2

Kodex für multinationale Unternehmen

Bei den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen handelt es sich um Empfehlungen der Teilnehmerstaaten an die von ihrem Territorium aus tätigen Unternehmen für ein verantwortungsbewusstes Verhalten auch in Drittländern.

Im dritten Jahr seit der umfassenden Revision der Leitsätze verzeichneten die 38 «Nationalen Kontaktpunkte» eine deutliche Zunahme von Anfragen und von Gesuchen um Vermittlung in Einzelfällen. Besondere Aufmerksamkeit wurde der Kooperation mit einem Expertenausschuss des UNO-Sicherheitsrates zuteil, welcher die Aktivitäten zahlreicher Unternehmen im Konfliktgebiet der Demokratischen Republik Kongo als mit dem Standard der OECD-Leitsätze unvereinbar erklärt hatte. Die Förderung, aber auch die Wahrung der Integrität des Kodexes wird weiterhin ein wichtiges Anliegen der Schweiz sein.

4.1.3.3

Korruptionspraktiken

Das OECD-Übereinkommen von 1997 über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr (SR 0.311.21; AS 2003 4243) stellt einen wesentlichen Beitrag zur weltweiten Stärkung der guten Regierungsführung dar und entspricht dem schweizerischen Interesse an einem unverfälschten internationa-len Wettbewerb. Inzwischen haben alle 35 Unterzeichnerstaaten das Abkommen ratifi-ziert; 34 haben es in ihre nationalen Rechtsordnungen umgesetzt. Diese Umsetzungen wurden durch eine unter Schweizer Vorsitz stehende OECD-Arbeitsgruppe überprüft mit dem Ziel, Lücken zu schliessen und Fälle von Bestechungen ausländischer Amts-träger in Zukunft auf gleichwertiger Basis verfolgen zu können. Mit dem Inkrafttreten der strafrechtlichen Haftung von Unternehmen am 1. Oktober 2003 (SR 311.0; AS 2003 3043) fand die Umsetzung der Konvention in das Schweizer Recht ihren Abschluss.

In einer zweiten Phase werden die Unterzeichnerstaaten einer eingehenden Prüfung in Bezug auf die Anwendung des Abkommens unterzogen. Im Berichtsjahr führte die Schweiz zusammen mit den USA zuhanden der Arbeitsgruppe die Überprüfung von Kanada durch. Das Prüfverfahren für die Schweiz ist für 2004 vorgesehen. Bis Ende 2007 sollen alle heutigen Unterzeichnerstaaten einem derartigen Prüfverfahren unterzogen worden sein.

342

4.1.4

Instrumente in anderen Bereichen

4.1.4.1

Internationale Zusammenarbeit im Wettbewerbsbereich

Die im Rahmen des OECD-Wettbewerbsausschusses durchgeführten Länderexamen, deren Gegenstand ausgewählte Deregulierungs- wie auch allgemeine Wettbewerbsfragen sind, waren für die Schweiz von besonderem Interesse, da sie sich mit unseren Nachbarstaaten Deutschland und Frankreich befassten. Mit der Ausdehnung der Länderexamen auf Südafrika fand diese Praxis, die dem Dialog und der Unterstützung der staalichen Wettbewerbspolitik dienen soll, erstmals Eingang in das OECD Global Forum on Competition. Die Diskussionen in diesem Gremium, in dem auch Nicht-OECD-Staaten, internationale Organisationen und NGO vertreten sind und das zu einer wichtigen Dialog-Plattform des Wettbewerbsausschusses geworden ist, waren den allgemeinen Zielen der Wettbewerbspolitik, den optimalen Strukturen einer Wettbewerbsbehörde sowie dem Wettbewerb in kleinen Volkswirtschaften gewidmet.

Vertieft wurde die Verfolgung von Kartellen behandelt. Im wiederholt diskutierten Problemkomplex des Informationsaustausches bei internationalen Kartellen brachten Experten aus den Gebieten Steuerbetrug und Finanzstrafrecht ihre Erfahrungen ein.

In der Frage nach angemessenen Sanktionen gegen harte Kartelle hat sich gezeigt, dass der allgemeine Trend dahin geht, für Kaderleute von beteiligten Unternehmen Gefängnisstrafen vorzusehen.

Ein weiteres Schwerpunktthema bildet regelmässig die Liberalisierung staatlicher Sektoren. Im Berichtsjahr standen die Branchen Energie, Elektrizität, Gas sowie die Vereinbarkeit von Grundversorgungsauflagen bei den sogenannten Universaldienstleistungen (Post, Telekommunikation, Kabelfernsehen, Transport usw.) mit den Grundsätzen des Wettbewerbs im Vordergrund.

Die Sitzungen der gemeinsamen Arbeitsgruppe Handel und Wettbewerb standen im Zeichen des WTO-Ministertreffens in Cancún. Mit Blick auf dieses Treffen fand ein gemeinsamer Anlass mit Nicht-OECD-Mitgliedern statt, an dem die wichtigsten Aspekte im Verhältnis Handel und Wettbewerb diskutiert wurden. Nach dem Scheitern von Cancún kommt der OECD in Zukunft möglicherweise vermehrt die Rolle eines Dialog-Forums zwischen Industrie- und Entwicklungsländern zu.

4.1.4.2

OECD-Grundsätze der Corporate Governance

Die Minister hatten an ihrer Ratstagung im Mai 2002 vor dem Hintergrund zahlreicher Unternehmensskandale weltweit die Bedeutung eines modernen und effizienten Systems der Corporate Governance (gute Unternehmungsführung und -kontrolle) bekräftigt und den zuständigen OECD-Steuerungsausschuss beauftragt, einen Überblick über die Entwicklungen auf dem Gebiet der Corporate Governance in den Mitgliedstaaten zu erstellen sowie die Überprüfung der Grundsätze an die Hand zu nehmen. Ziel ist, den Ministern im Mai 2004 ein Ergebnis dieser Arbeiten zur Verabschiedung zu unterbreiten.

Als Zwischenergebnis der laufenden Revision lässt sich festhalten, dass die OECDGrundsätze der Corporate Governance hoch geschätzt werden. Sie sind bereits heute weltweit als massgeblicher Standard anerkannt, insbesondere auf Grund ihrer uni343

versellen Anwendbarkeit und ihres flexiblen, funktionalen und ergebnisorientierten Charakters. Dieser Charakter soll unverändert bleiben, weshalb die Grundsätze in ihrem Grundaufbau und in ihrer Substanz nicht geändert werden sollen. Die laufende Revision zielt vielmehr darauf ab, fällige Ergänzungen vorzunehmen sowie die Erläuterungen zu aktualisieren und zu präzisieren. Unbestritten ist ferner, dass den Grundsätzen zu einer nachhaltigen Umsetzung verholfen werden muss. In welcher Form dies erfolgen soll, ist noch offen.

4.1.4.3

Unlauterer Steuerwettbewerb

Auf der Grundlage des Berichts «Schädlicher Steuerwettbewerb», an dessen Verabschiedung sich die Schweiz und Luxemburg 1998 der Stimme enthalten und dadurch zum Ausdruck gebracht hatten, im Rahmen dieser Arbeiten keine Verpflichtungen übernehmen zu wollen (vgl. Ziff. 414.4 des Berichts 98/1+2), prüfte die OECD 47 Steuerregime in OECD-Mitgliedsländern, welche im Jahr 2000 als potenziell schädlich identifiziert worden waren. Während mit Ausnahme Luxemburgs und der Schweiz die Steuerregime aller OECD-Länder als nicht schädlich eingestuft wurden, droht der Schweiz, mit drei kantonalen Steuerregimen auf die schwarze Liste gesetzt zu werden. Die Schweiz kann diese einseitige Beurteilung nicht akzeptieren. Weitere Beratungen sind im Gange.

In Folge eines im April 2000 veröffentlichten Berichts des Fiskalausschusses über den Zugang der Steuerbehörden zu Bankinformationen (vgl. Ziff. 414.3 des Berichts 2000) arbeitete die OECD eine Empfehlung aus, welche die OECD-Mitgliedstaaten aufgefordert hätte, bis 2005 umfassenden Zugang zu Bankinformationen bei Betrug und Steuerhinterziehung zu gewähren bzw. einen umfassenden Informationsaustausch zu Steuerzwecken einzuführen. Die Schweiz konnte dieser Empfehlung, welcher die Preisgabe des Bankkundengeheimnisses bedeutet hätte, nicht zustimmen. Sie hatte bereits anlässlich der Verabschiedung des erwähnten Berichts ­ dieser hatte die Legitimität sowie die rechtliche und historische Verwurzelung des Schutzes des Bankkundengeheimnisses vollumfänglich anerkannt ­ erklärt, dass sie an ihrem Vorbehalt in Bezug auf den Austausch von Bankkundeninformationen bei Steuerhinterziehung festhalte. Die Schweiz brauchte indessen bei der Rückweisung der Empfehlung nicht auf das Instrument des Veto zurückzugreifen, da sich auch drei EU-Länder widersetzten, welche im Rahmen der EU-Zinsbesteuerungsrichtlinie das Quellensteuermodell gewählt hatten. Der Präsident des OECD-Rates hatte somit festzustellen, dass die Empfehlung mangels Konsenses unter den OECD-Mitgliedstaaten nicht zustande gekommen war. Die OECD hatte allerdings schon früher über 30 als Steueroasen eingestufte Drittländer politisch dazu verpflichtet, bis Ende 2005 die Voraus-setzungen für den Austausch von Bankinformationen auf der Grundlage dieser Empfehlung zu schaffen. Obwohl die Frage des Informationsaustausches zu
fiskalischen Zwecken unter den OECD-Ländern bis auf weiteres nicht mehr zur Diskussion steht, dürfte die OECD versuchen, die Steueroasen unter Hinweis darauf, dass immerhin 26 OECD-Länder einen Informationsaustausch befürworten, von der Notwendigkeit des Informationsaustausches zu überzeugen. Innerhalb der OECD dürfte das Scheitern der Empfehlung zu einer Verringerung der Angriffe gegen das Bankkundengeheimnis und zu einer Verlagerung der Aktivitäten zurück zu den traditionellen Aufgaben der OECD in der Fiskalpolitik (Doppelbesteuerungsabkommen, Transferpreise, elektronischer Geschäftsverkehr) führen.

344

4.2

Welthandelsorganisation (WTO)

Das Berichtsjahr stand im Zeichen der Vorbereitung der fünften WTOMinisterkonferenz, die vom 10.­14. September in Cancún, Mexiko, stattfand. Die Konferenz musste ergebnislos abgebrochen werden. Es muss daher mit einer Verzögerung des Abschlusses der Doha-Runde über den 1. Januar 2005 hinaus gerechnet werden.

4.2.1

Ministerkonferenz in Cancún (Mexiko)

Die Ministerkonferenz in Cancún (Mexiko) hatte zum Ziel, den Stand der im November 2001 in Doha lancierten Verhandlungen zu evaluieren, politische Impulse für die Fortsetzung der Verhandlungen zu geben und die erforderlichen operationellen Entscheide zu treffen. Dieses Ziel konnte nicht erreicht werden. Die Verhandlungspositionen der verschiedenen WTO-Mitglieder blieben bis zuletzt weit voneinander entfernt, insbesondere bei den Schlüsselthemen Landwirtschaft und Industrieprodukte, vor allem aber bei den «Singapur-Themen» (Investitionen, Wettbewerb, Handelserleichterungen und Transparenz im öffentlichen Beschaffungswesen). Der mexikanische Aussenminister als Präsident der Ministerkonferenz erachtete es als unmöglich, rechtzeitig einen Konsens herbeizuführen, und brach die Konferenz ab.

In den Verhandlungen über die Landwirtschaft und die Industrieprodukte ging es in Cancún um die Verabschiedung eines Rahmens zur späteren Ausarbeitung von detaillierten Verhandlungsmodalitäten für die vereinbarten Liberalisierungsschritte.

Dabei konnten immerhin gewisse Fortschritte verzeichnet werden. Bezüglich der «Singapur-Themen» hätten formelle Verhandlungen lanciert werden sollen; die Positionen lagen aber bis zuletzt zu weit auseinander. Vordergründig scheiterte die Konferenz denn auch am fehlenden Konsens über die weitere Behandlung dieser Themen. Die Flexibilität, welche die EU und andere WTO-Mitglieder einige Stunden vor Abbruch der Verhandlungen an den Tag gelegt hatten, dürfte zu spät erfolgt sein.

Allerdings lässt sich nicht sagen, ob im Fall einer Einigung über die «SingapurThemen» die Verhandlungen nicht wegen Uneinigkeit in einem der anderen Dossiers gescheitert wären. So hatten zahlreiche Entwicklungsländer geltend gemacht, dass ihren Begehren betreffend die Umsetzung der bestehenden WTO-Abkommen und die Vorzugsbehandlung, die in diesen Abkommen für sie vorgesehen ist, nicht im Geringsten entsprochen worden sei. In diesem Zusammenhang erhielt auch die von vier westafrikanischen Staaten lancierte Initiative, die unter anderem die Aufhebung von Subventionen auf Baumwolle verlangt, besondere Bedeutung (vgl.

Ziff. 4.2.7). Die schwache Antwort auf diese Initiative im letzten Entwurf für eine Ministererklärung dürfte dazu geführt haben, dass sich insbesondere die ärmsten Entwicklungsländer ihrer
Machtlosigkeit in diesen Verhandlungen bewusst geworden sind.

Die Schweiz zeigte sich über den ergebnislosen Abbruch der Konferenz enttäuscht.

Die fehlenden Entscheide und Weichenstellungen für die Fortsetzung der Verhand345

lungen dürften sich im Falle einer längeren Verhandlungspause insbesondere auf mittlere und kleinere Entwicklungsländer negativ auswirken. Immerhin konnten zahlreiche konstruktive Vorschläge erarbeitet werden, die bei der Fortsetzung der Verhandlungen nützlich sein werden.

Das Scheitern der Ministerkonferenz in Cancún und damit die zu erwartende Verzögerung der Doha-Runde droht die Bedeutung der WTO und des multilateralen Handelssystems zu schwächen. Sollte die WTO nicht in der Lage sein, sich mit den Herausforderungen der Globalisierung wirkungsvoll auseinanderzusetzen und die Verhandlungen zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen, könnte dies eine Verlagerung der Prioritäten einzelner Mitglieder auf die Aushandlung von Regionalabkommen zur Folge haben. Eine Marginalisierung der WTO würde aber mit Bestimmtheit den Interessen der grossen Mehrzahl ihrer Mitglieder ­ das sind kleinere und mittlere Industrie- und Entwicklungsländer ­ schaden.

Für die Schweiz ist ein erfolgreicher Abschluss der Doha-Verhandlungen von grosser Bedeutung. Sie müssen deshalb fortgesetzt werden. Allerdings muss die Wiederaufnahme umsichtig vorbereitet werden, um eine weitere Verhärtung der Positionen zu vermeiden. Bis Ende des Berichtsjahres fanden in Genf Konsultationen statt in den Bereichen Landwirtschaft, Industrieprodukte, zu den «Singapur-Themen» sowie der Initiative betreffend Baumwolle. Am 16. Dezember beschlossen die WTOMitglieder, im neuen Jahr die Doha-Verhandlungen wiederaufzunehmen. Parallel dazu werden die Konsultationen über die weitere Behandlung der Singapur-Themen im Rahmen der Doha-Runde fortgesetzt.

4.2.2

Landwirtschaft

Die Beratungen über die Verhandlungsmodalitäten im Agrarbereich hatten Verbesserungen des Marktzugangs, die Reduktion der internen Stützung und einen massiven Abbau der Exportsubventionen zum Gegenstand. Die in Doha zur Verabschiedung der Verhandlungsmodalitäten gesetzte Frist vom 31. März 2003 konnte nicht eingehalten werden. Erst kurz vor der Ministerkonferenz in Cancún kam es zu einer gewissen Annäherung der Positionen, insbesondere zwischen den USA und der EU.

Es wurde aber klar, dass die Verabschiedung von detaillierten Verhandlungsmodalitäten in Cancún schwierig werden würde. Auch der Versuch, einen weniger detaillierten Rahmen ohne Reduktionszahlen auszuarbeiten, war zum Scheitern verurteilt, wurde die Konferenz doch mangels Konsenses in andern Verhandlungsgebieten abgebrochen.

Die Schweiz setzte sich in Cancún erneut ­ in Allianz u.a. mit Japan, Korea, Taipeh/ China, den EFTA-Staaten, Bulgarien, Israel, Mauritius, aber auch der EU ­ dafür ein, dass Instrumente zur Umsetzung von nicht-handelsbezogenen Anliegen im Rahmen der Verhandlungen berücksichtigt werden. Dazu gehören die Aus-dehnung des Schutzes von geographischen Herkunftsangaben auf andere Produkte als Weine und Spirituosen sowie die Kennzeichnung der Produktionsmethoden.

346

4.2.3

Industrieprodukte

Um die Verhandlungen über den Marktzugang für Industrie- und Fischereiprodukte voranzutreiben, legte der Präsident der Verhandlungsgruppe im Mai einen Entwurf vor. Er enthielt als Grundlage für die Verhandlungsmodalitäten zum einen eine auf alle WTO-Mitglieder anwendbare Zollsenkungsformel, zum andern den Vorschlag, die Zölle auf Produkten in jenen Sektoren, in denen die Entwicklungsländer Exportinteressen bekunden, ganz abzubauen. Ferner waren Erleichterungen für Entwicklungsländer vorgesehen.

Diese beiden Vorschläge bereiteten die grössten Probleme in den Verhandlungen.

Die Zollsenkungsformel wurde von einzelnen Entwicklungsländern als zu weitgehend, von den meisten Industrieländern, u.a. auch der Schweiz, hingegen als zu wenig ehrgeizig erachtet. Die Formel bezweckt zwar eine grössere Senkung von höheren Zöllen, erlaubt aber eine Berücksichtigung des Durchschnittszolls jedes Landes, womit Länder mit hohen Zöllen weniger abbauen müssen. In Bezug auf den Vorschlag, in bestimmten Sektoren die Zölle vollständig abzubauen, wehrten sich die Entwicklungsländer vehement, dass dieser Zollabbau auch für sie, und nicht nur für die Industrieländer gelten soll.

Da kein Konsens erreicht werden konnte, versuchte man ­ wie bei den Landwirtschaftsverhandlungen ­ wenigstens einen in Cancún zu verabschiedenden Rahmen vorzubereiten. Die Verhandlungen wurden aber abgebrochen, bevor dieses Thema eingehend erörtert werden konnte. Trotz den unterschiedlichen Positionen zu einzelnen wichtigen Punkten hätte man wahrscheinlich in Cancún in diesem Sektor eine Kompromisslösung finden können. Es wird nun darum gehen, auf der Basis der Konsultationen in Cancún die Verhandlungen fortzusetzen.

4.2.4

Dienstleistungen (GATS)

Im Rahmen der im Jahr 2000 begonnenen WTO-Verhandlungen über den Handel mit Dienstleistungen, die ebenfalls Gegenstand der Doha-Runde sind, hätten alle Mitglieder der WTO am 31. März 2003 individuelle Offerten einreichen sollen.

Zahlreiche WTO-Mitglieder unterliessen dies. Die von der Schweiz fristgerecht eingereichte Offerte reflektiert die Interessen der Schweiz im Rahmen der bestehenden Gesetzgebung und nimmt Bezug auf die von über 30 Mitgliedern an die Schweiz gerichteten Begehren. Dieses Vorgehen gestattet es, den Service public im bisherigen gesetzlichen Rahmen aufrecht zu erhalten.

Im Verlauf des Berichtsjahres wurden auch die Offerten der wichtigsten Handelspartner verfügbar, so dass die Schweiz mit deren Prüfung beginnen konnte. In der Folge fanden mehrere bilaterale Verhandlungen mit den betreffenden Handelspartnern über die Begehren und Offerten statt.

Die Verhandlungen sollen 2004 fortgesetzt werden. Die Schweiz hat ein vitales Interesse am internationalen Handel mit Dienstleistungen.

347

4.2.5

Geistiges Eigentum

Der Zugang zu Medikamenten für Entwicklungsländer Die in Doha verabschiedete «Erklärung zum TRIPS-Übereinkommen und der öffentlichen Gesundheit» (Ziff. 9.1.3 des Berichts 2001) hat die Frage offengelassen, wie Mitglieder mit keiner oder einer nur ungenügenden Produktionskapazität im pharmazeutischen Sektor vom Instrument der Zwangslizenzen Gebrauch machen können. Die Frage stellt sich deshalb, weil gemäss TRIPS-Abkommen eine Zwangslizenz vorwiegend für die Belieferung des eigenen, nationalen Territoriums benutzt werden darf. Verfügt ein Land über keine oder nur ungenügende eigene Produktionskapazitäten, kann es das benötigte patentgeschützte Produkt also auch nicht importieren. Am 30. August einigten sich die WTO-Mitgliedstaaten auf eine Lösung dieses Problems. Sie ermöglicht Entwicklungsländern ohne ausreichende eigene Produktionskapazitäten die Einfuhr von bestimmten Medikamenten. Es braucht dazu ­ sofern das benötigte Medikament in beiden Staaten patentgeschützt ist ­ zwei Zwangslizenzen: im einen Staat für die Herstellung und den Export, im anderen für den Import, wobei die bisherigen Regeln betreffend Zwangslizenzen nur bezüglich der Exportlizenz geändert werden müssen. Die entsprechenden Produkte sind besonders zu kennzeichnen, um sie von patentierten Originalprodukten zu unterscheiden. Damit soll verhindert werden, dass solche Produkte auf finanziell lukrativere Märkte umgeleitet werden. Der WTO-Beschluss ist ein erster konkreter Beitrag zur besseren Versorgung von Entwicklungsländern mit Medikamenten im Falle schwerer öffentlicher Gesundheitsprobleme wie Aids, Malaria und Tuberkulose. Für eine umfassende Lösung des Problems sind indessen noch weitere Massnahmen nötig, so die Senkung der Importzölle auf Medikamenten, die Verbesserung der Prävention sowie der medizinischen und logistischen Versorgung vor Ort.

Der Schutz von geographischen Herkunftsangaben Die Verhandlungen über die Schaffung eines Registers für geographische Angaben von Weinen und Spirituosen wurden fortgesetzt. Diese hätten gemäss der Erklärung von Doha bis zur Ministerkonferenz in Cancún abgeschlossen werden müssen, was angesichts der Meinungsunterschiede insbesondere in Bezug auf die rechtlichen Wirkungen eines Registereintrages aber nicht erreicht werden konnte.

Die Schweiz und zahlreiche andere WTO-Mitglieder setzen
sich auch weiterhin dafür ein, den Schutz von Herkunftsangaben für Weine und Spirituosen auch auf andere Produkte auszudehnen. Vom Nutzen eines solchen verbesserten Schutzes werden insbesondere die Agrarexporteure zu überzeugen sein.

4.2.6

Streitbeilegungsfälle

Während des Berichtsjahres ist die Zahl der seit 1995 gestellten Anträge um Aufnahme von Konsultationen im Rahmen des WTO-Streitschlichtungsverfahrens auf über 300 gestiegen. Wie in den Vorjahren konnte die überwiegende Zahl der Streitfälle ohne Einberufung einer Sondergruppe («Panel») in gegenseitigem Einvernehmen beigelegt werden. Durch Entscheid eines Panels oder der Berufungsinstanz («Appellate Body») wurden bisher 75 Fälle entschieden. Zurzeit sind ungefähr 20 Fälle hängig.

348

Die Schweiz hat im Jahr 2002 zum ersten Mal die Einsetzung eines Panels beantragt. Zusammen mit sieben anderen Klägern verlangte sie eine Beurteilung der Rechtmässigkeit der von den USA im März 2002 ergriffenen Schutzzölle im Stahlbereich (vgl. Ziff. 8.2.1).

Besondere Erwähnung verdienen zwei weitere Fälle. Im ersten Fall hat die Berufungsinstanz die Klage der EG und zehn weiterer WTO-Mitglieder gegen die USA wegen eines Zusatzes zu den amerikanischen Antidumping- und Subventionsbestimmungen (sog. Byrd Amendment) geschützt. Dieser Zusatz sieht vor, dass die im Rahmen eines Verfahrens gegen ausländische Dumping- oder Subventionsmassnahmen erhobenen Ausgleichszölle den amerikanischen Unternehmen überwiesen werden, die sich für die Einleitung des Verfahrens eingesetzt haben. Damit war für amerikanische Unternehmen ein im Antidumping- und Subventionsabkommen (SR 0.632.20, Anhang 1A.8 und 1A.13) nicht vorgeseher und somit unzulässiger finanzieller Anreiz zur Einleitung von Verfahren gegen ausländische Anbieter geschaffen worden. Im zweiten Fall haben die Vereinigten Staaten zusammen mit Argentinien und Kanada die Einsetzung eines Panels verlangt, um das de factoMoratorium einzelner EG-Mitgliedstaaten gegen die Zulassung neuer gentechnisch veränderter Produkte zu überprüfen. Die klägerischen Staaten machen geltend, das Moratorium verletze das WTO-Regel-werk, so das Abkommen über technische Handelshemmnisse und das Abkommen über sanitarische und phytosanitarische Massnahmen (SR 0.632.20, Anhang 1A.6 und 1A.4). Das Urteil des Panels wird im Sommer 2004 erwartet, sofern sich die Streitparteien nicht doch noch auf eine gütliche Lösung einigen können.

4.2.7

Handel und Entwicklung

Auch in den als unmittelbar entwicklungsrelevant bezeichneten Fragen konnten die in Doha vorgegebenen Entscheidfristen mangels Konsenses nicht eingehalten werden. Immerhin gelang es, neben der Einigung des Zugangs von Entwicklungsländern zu patentgeschützten Medikamenten (vgl. Ziff. 4.2.5) auch Richtlinien für ein beschleunigtes Aufnahmeverfahren für die ärmsten Entwicklungsländer zu verabschieden, auf deren Grundlage mit Nepal und Kambodscha erstmals seit der Gründung der WTO zwei ärmste Entwicklungsländer als Neumitglieder in Cancún begrüsst werden konnten (vgl. Ziff. 4.2.8). Allgemein als erfolgreich und nützlich gewürdigt wurde die von der WTO ­ u.a. dank Mitfinanzierung durch die Schweiz ­ erbrachte technische Unterstützung in den Verhandlungsdossiers zu Gunsten der Entwicklungsländer (vgl. Ziff. 9.2.5 des Berichts 2002), welche die bilaterale handelspolitische Zusammenarbeit ergänzt.

Beim für viele Mitglieder zentralen Thema «Verbesserung der Vorzugsbehandlung von Entwicklungsländern» konnte zwar kein Durchbruch, jedoch in einigen ­ nach Ansicht der Entwicklungsländer allerdings substanziell eher nebensächlichen ­ Punkten Einigung erzielt werden. Für die Zukunft dürfte entscheidend sein, ob sich der von der Schweiz vertretene, von vielen Entwicklungsländern aber zurückgewiesene Vorschlag einer stärkeren Differenzierung in der Vorzugsbehandlung der bisher als einheitliche Gruppe behandelten Entwicklungsländer durchsetzen kann.

Erhebliche Bedeutung erlangte die «Baumwollinitiative», ein von westafrikanischen Staaten (Benin, Burkina Faso, Mali, Tschad) im Frühjahr 2003 eingebrachter sektororientierter Vorschlag, Produktions- und Exportsubventionen für Baumwolle welt349

weit abzuschaffen sowie einen Unterstützungsfonds einzurichten. Mit dieser Initiative könnte ein für die westafrikanischen Volkswirtschaften wichtiger Produktionsund Exportzweig vor dem Ruin durch Preiszerfall bewahrt werden, und die WTO so einen, mit dem WTO-Gedankengut im Einklang stehenden und rasch wirksamen Beitrag an die Entwicklung einer Gruppe von ärmsten Entwicklungsländern leisten.

Die Initiative hat sich inzwischen zu einem Symbol entwickelt, an dem die Behandlung der Entwicklungsländerinteressen in der Doha-Runde gemessen wird. Der Reaktion auf die Baumwollinitiative dürfte daher weiterhin eine Schlüsselfunktion zukommen.

4.2.8

Beitrittsverfahren

Nach dem Beitritt Armeniens, der Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien und Vanuatus seit der vierten Ministerkonferenz in Doha sowie Kambodschas und Nepals anlässlich der fünften Ministerkonferenz in Cancún zählt die WTO nunmehr 148 Mitglieder. Vanuatu, Kambodscha und Nepal haben ihren Beitritt noch nicht ratifiziert. Beitrittsverhandlungen werden zurzeit mit 25 Ländern geführt (unter ihnen Algerien, Aserbaidschan, Bosnien und Herzegowina, Kasachstan, Libanon, Russland, Saudi-Arabien, Serbien und Montenegro, Ukraine, Vietnam und Weissrussland).

4.3

Präferenzielle Abkommen mit Staaten ausserhalb Europas und des Mittelmeerraums

Am 26. Juni 2003 ist das Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und Chile unterzeichnet worden. Für die EFTA-Staaten ist es nach den Abkommen mit Mexiko und Singapur das dritte Freihandelsabkommen ausserhalb Europas und des Mittelmeerraums. Wie die beiden andern Abkommen regelt es zusätzlich zum Warenhandel auch den Dienst-leistungssektor, die Investitionen und das öffentliche Beschaffungswesen.

Das Freihandelsabkommen der EFTA-Staaten mit Chile (BBl 2003 7139) konnte anlässlich der EFTA-Ministerkonferenz am 26. Juni in Kristiansand unterzeichnet werden. Es soll am 1. Februar 2004 in Kraft treten. Wie schon die Freihandelabkommen der EFTA-Staaten mit Mexiko (SR 0.632.315.631.1; AS 2003 2231) und Singapur (SR 0.632.316.891.1; AS 2003 2019) geht der Geltungsbereich des Abkommens mit Chile über den Warenverkehr (Freihandel für Industrieprodukte und bilaterale Vereinbarungen über Zollpräferenzen für gewisse Agrarprodukte) hinaus.

Das Abkommen umfasst zusätzlich den Handel mit Dienstleistungen, die Zulassung von Auslandinvestitionen, das öffentliche Beschaffungswesen und den Schutz des geistigen Eigentums. Damit reiht es sich in die seit einigen Jahren verfolgte geografische und inhaltliche Ausweitung der Freihandelspolitik der EFTA ein, welche der wachsenden Diskriminierungsgefahr entgegengewirken soll, die aus der weltweit zunehmenden Tendenz zu umfassenden regionalen und überregionalen Präferenzabkommen resultiert. Angesichts der gegenwärtigen Schwierigkeiten im multilateralen WTO-Verhandlungsprozess (vgl. Ziff. 4.2) ist kaum damit zu rechnen, dass sich 350

diese Tendenz in nächster Zukunft abschwächen wird. Für die Schweiz sind der WTO-Prozess und der Abschluss von Freihandelsabkommen zwei sich ergänzende Instrumente zur Verbesserung des Marktzugangs und der aussenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen.

Als stark exportabhängiges Land mit weltweit diversifizierten Absatzmärkten wird die Schweiz auch künftig beim Ausbau ihres Netzes von Freihandelsabkommen ausserhalb Europas und des Mittelmeerraums eine aktive Rolle wahrnehmen. So führen die EFTA-Staaten zurzeit Freihandelsverhandlungen mit der Südafrikanischen Zollunion (SACU: Südafrika, Botswana, Lesotho, Namibia und Swaziland); auch mit Kanada sind seit längerem Verhandlungen im Gang (zu den Verhandlungen mit Mittelmeerstaaten: vgl. Ziff. 3.2.2). Mit dem Golfkooperationsrat (GCC) und dem Mercosur bestehen EFTA-Zusammenarbeitserklärungen, die eine gemeinsame Prüfung einer Aufnahme von Freihandelsverhandlungen vorsehen (im Berichtsjahr hat das erste Treffen des Gemischten Ausschusses EFTA-GCC stattgefunden). Auch bezüglich weiterer potenzieller Partner wird die Situation seitens der EFTA-Staaten laufend geprüft (Südkorea, Japan, ASEAN-Staaten).

Anlässlich der zweiten Sitzung des Gemischten Ausschusses zum Freihandelsabkommen EFTA-Mexiko konnte das gute Funktionieren des Abkommens bestätigt werden.

4.4

Vereinte Nationen (UNO)

4.4.1

UNCTAD

Die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) wurde 1964 gegründet und hat zum Ziel, entwicklungsrelevante Fragen im Zusammenhang mit Handel, Finanzierung, Technologie, Investitionen und nachhaltige Entwicklung auf umfassende Art zu behandeln. Die in Genf domizilierte UNCTAD unterstützt die Bestrebungen zu einer stärkeren Beteiligung der Entwicklungsländer am internationalen Handel und zu vermehrten Investitionen.

Die Schweiz ist Gründungsmitglied der UNCTAD.

Die Haupttätigkeit galt der Vorbereitung der elften Handelskonferenz der UNCTAD (UNCTAD XI), die vom 14.­18. Juni 2004 in Sao Paulo durchgeführt werden soll.

Sie wird eine Analyse der Ergebnisse des in Bangkok im Februar 2000 verabschiedeten Arbeitsprogrammes vornehmen und die Prioritäten für die UNCTAD in den folgenden vier Jahren festlegen. Die in der Regel alle vier Jahre zusammentretende Ministerkonferenz ist das höchste Organ der UNCTAD.

Im Bereich der handelsrelevanten technischen Zusammenarbeit ist die Schweiz nach wie vor ein bedeutender Geber. Im Berichtsjahr finanzierte das seco in Lateinamerika ein Projekt auf dem Gebiet der Wettbewerbspolitik. Dabei führt die UNCTAD in einer ersten Phase eine Bedarfsanalyse in ausgewählten Ländern durch, die in den Bereichen Wettbewerbsrecht und des Konsumentenschutz legiferieren wollen oder die bei der Umsetzung ihrer Gesetze auf Schwierigkeiten stossen. In einer zweiten Phase sollen die identifizierten Bereiche gezielt technische Unterstützung erfahren.

351

Mit der Initiative BioTrade werden mittels Programmen auf internationaler, regionaler und nationaler Ebene Handel und Investitionen mit Biodiversitätsprodukten und Dienstleistungen im Einklang mit den drei Zielen der Biodiversitätskonvention gefördert: (1) Schutz der Biodiversität, (2) nachhaltige Nutzung ihrer Komponenten und (3) gerechte und ausgewogene Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile. Eines dieser Programme ist das BioTrade Facilitation Program. Es vereint die nachhaltige wirtschaftliche Nutzung und den Schutz der Biodiversität und fördert so in den Entwicklungs- und Transitionsländern die Akzeptanz des Schutzgedankens. Dieses Programm ist anlässlich des Weltgipfels von Johannesburg von der Schweiz in Partnerschaft mit der UNCTAD und ITC lanciert worden. Es verfolgt das Ziel, den nachhaltigen Handel mit Biodiversitätsprodukten und Dienstleistungen zu erleichtern. Zu diesem Zweck müssen entsprechende rechtliche und politische Rahmenbedingungen geschaffen, das notwendige unternehmerische Wissen (nachhaltiges Management von biologischen Ressourcen, Marketing, Produktentwicklung) erworben, die potenziell marktfähigen Produkte identifiziert und Kontakte zu Importeuren in den Industrieländern vermittelt werden. Als Teil dieser Initiative wurde im Sommer das nationale BioTradeProgramm für Bolivien gestartet.

Auf dem Gebiet der Investitionsförderung konzentrieren sich die Arbeiten der UNCTAD auf den Aufbau von Kompetenzen in Entwicklungsländern auf dem Gebiet der internationalen Investitionsabkommen. Dazu steht ein multilateraler Trust Fund zur Verfügung, an dem sich das seco weiterhin beteiligt.

Der bilaterale Trust Fund ­ das sog. Quick Response Window ­ dient der Finanzierung von kurz- oder mittelfristigen Projekten der UNCTAD, welche nicht durch multilaterale Trust Funds unterstützt werden. Die bilaterale Projektfinanzierung ermöglicht dem seco, die Mittel auf die prioritären Länder bzw. Regionen der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit zu konzentrieren. Finanziert werden in erster Linie Beratungs-, Ausbildungs- und Informationsdienstleistungen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für nationale und internationale Investitionen in Entwicklungs- und Transitionsländern. Im Berichtsjahr wurden Projekte in Bosnienund Herzegovina, Tansania und Costa Rica finanziert.

4.4.2

UNIDO

Die Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO) wurde 1966 gegründet und hat ihren Sitz in Wien. Das Ziel dieser Organisation ist die Förderung der nachhaltigen industriellen Entwicklung in Entwicklungsund Transitionsländern. Ferner gehört die UNIDO zu den Umsetzungsorganisationen für das Montrealprotokoll zum Schutz der Ozonschicht und die Globale Umweltfazilität. Die Schweiz ist seit 1966 Mitglied der UNIDO.

Die Sitzung des Rats für industrielle Entwicklung (IDB) der UNIDO vom August in Wien galt der Vorbereitung der zehnten Generalkonferenz, dem höchsten Gremium der UNIDO, welche im Dezember stattfand. Im Zentrum der Diskussionen stand die Frage, welche Aufgaben im Rahmen der nachhaltigen industriellen Entwicklung im Hinblick auf die Millenium Development Goals der UNO zu erfüllen sind.

352

Die Schweiz hat die Organisation insbesondere während des 1997 eingeleiteten Reformprozesses stark unterstützt. Dabei hat sie mit der UNIDO eine strategische Partnerschaft im Bereich der Förderung der nachhaltigen industriellen Entwicklung aufgebaut. Im Vordergrund steht die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der lokalen Unternehmen mit Hilfe der Einführung von öko-effizienten Produktionsmethoden durch den Aufbau von Umwelttechnologiezentren (Cleaner Production Centers).

Seit 1998 unterstützt die Schweiz dieses Programm. Zu den bisher von der Schweiz aufgebauten Zentren in Vietnam, Marokko, Guatemala, Costa Rica, El Salvador, Brasilien, Peru, Indien, China und Südafrika sind im Berichtsjahr drei weitere Umwelttechnologiezentren in Jordanien, Laos und Kambodscha sowie ein auf Umwelttechnologietransfer spezialisiertes Zentrum in Rumänien dazu gekommen. Ergänzend dazu werden auch Projekte im Bereich der nachhaltigen Bewirtschaftung von Haushalts- und Sonderabfällen unterstützt.

In Vietnam wurde ein erstes Programm zur Stärkung der Kapazitäten im Bereich Metrologie, Industrienormen und Testverfahren lanciert mit dem Ziel, den Produkten lokaler Unternehmen durch die Bereitstellung von besseren Messverfahren und Kontrollen von internationalen Standards und Normen den Zutritt zu den Märkten der Industrieländer zu erleichtern. Eine Zusammenarbeit in diesem Bereich in weiteren Ländern steht zurzeit in Prüfung.

4.4.3

Folgeprozess von Rio und Johannesburg

An der im Juni 1992 in Rio de Janeiro abgehaltenen UNO-Konferenz über Umwelt und Entwicklung (UNCED) wurden der Aktionsplan von Rio («Agenda 21») verabschiedet und die Kommission für nachhaltige Entwicklung ins Leben gerufen. Auf diese Konferenz gehen auch das Übereinkommen über die biologische Vielfalt, das Rahmenübereinkommen über Klimaänderung sowie die Deklaration zu den Prinzipien einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung zurück. Mit dem Ziel, die Fortschritte seit der Konferenz von Rio zu überprüfen und Empfehlungen für die weitere Umsetzung der Agenda 21 festzulegen, fand vom 26. August­4. September 2002 in Johannesburg der Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung statt.

Auf internationaler Ebene Seit September 2002 sind Vorkehrungen getroffen worden, um die Ergebnisse des Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung von Johannesburg in Taten umzusetzen.

Auf multilateraler Ebene ist die bereits im Nachgang zur Konferenz von Rio ins Leben gerufene UNO-Kommission für Nachhaltige Entwicklung (CSD) nunmehr auch mit der Koordination der Folgearbeiten von Johannesburg betraut. Im Mai haben Vertreter von 190 Staaten, darunter die Schweiz, eine Neuausrichtung der Arbeitsweise der CSD beschlossen und ein mehrjähriges Arbeitsprogramm festgelegt. Was die Arbeitsweise betrifft, sollen politische Empfehlungen nur noch jedes zweite Jahr verhandelt und die CSD vermehrt zu einer Plattform für den Austausch konkreter Erfahrungen und deren politischer Umsetzung werden. Mit den Themen Wasser und Energie wurden zwei für die Nachhaltigkeit zentrale Bereiche an den Anfang des neuen Arbeitsprogramms gestellt. Diese Themen sind bisher nicht eigenständig in mulitlateralen Formen oder Prozessen behandelt worden.

353

Anlässlich des Weltgipfels in Johannesburg wurde ein Beschluss des UNEP (UNOOrgan für Umweltfragen) bestätigt, wonach die internationalen Regelungen im Chemikalienbereich zu überarbeiten und Lücken zu identifizieren sind. In diesem Zusammenhang soll bis zum Jahr 2006 ein «Strategic Approach to International Chemicals Management» (SAICM) erarbeitet und verabschiedet werden. Im November fand die erste Konferenz zu diesem UNEP-Programm statt, an welcher erste Rahmenbedingungen verabschiedet werden konnten.

Anlässlich der neunten Vertragsparteienkonferenz des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (SR 0.814.01; Klimakonvention) vom Dezember in Mailand wurden die noch ausstehenden Modalitäten für (Wieder-) Aufforstungsprojekte in Entwicklungsländern verabschiedet, womit alle Voraussetzungen für die praktische Anwendung der sog. flexiblen Mechanismen vorliegen.

Diese erlauben den Industriestaaten, einen Teil ihrer Verpflichtungen mit Klimaschutzprojekten im Ausland ­ in andern Industriestaaten (Joint Implementation) oder in Entwicklungsländern (Clean Development Mechanism) ­ sowie über den internationalen Emissionshandel (International Emission Trading) zu erfüllen.

Auf nationaler Ebene Die Bundesverwaltung hat dem Bundesrat 2003 einen Bericht zur konkreten Umsetzung der Beschlüsse von Johannesburg durch die Schweiz unterbreitet. Er enthält unter anderem eine Reihe von spezifischen politischen Empfehlungen in den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit, Wasser, Umwelt, Chemikalien und Energie.

Die Schweiz hat das Kyoto-Protokoll (BBl 2002 6438) am 9. Juli 2003 ratifiziert.

Das Protokoll verpflichtet die Industriestaaten zur konkreten Reduktion ihrer Treibhausgas-Emissionen. Im Zeitraum 2008-2012 soll erreicht werden, dass der Ausstoss von Treibhausgasen in den Industriestaaten gegenüber 1990 um 5,2 Prozent tiefer liegt. Die Schweiz hat sich wie die EU zu einer Reduktion um 8 Prozent verpflichtet.

Das Kyoto-Protokoll tritt in Kraft, sobald es von 55 Vertragsparteien der Klimakonvention, welche 1990 zugleich für mindestens 55 Prozent der von Industriestaaten verursachten Kohlendioxidemissionen verantwortlich waren, ratifiziert worden ist.

Für die Erfüllung dieser Bestimmung fehlt noch die Ratifikation Russlands.

Im Rahmen des Schweizer Pilotprogramms zu Joint Implementation
werden die zwei in Rumänien eingerichteten Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen laufend einem Monitoring unterzogen. Des Weitern wurden mögliche Klimaschutzprojekte in Bulgarien, Rumänien und Russland geprüft.

4.4.4

UNO-Wirtschaftskommission für Europa

Die Wirtschaftskommission für Europa (ECE-UNO) ist im Jahre 1947 durch ECOSOC gegründet worden. Sie ist eine der fünf Regionalorganisationen der Vereinten Nationen. Ihr wichtigstes Ziel besteht in der Förderung der Wirtschaftszusammenarbeit unter den 55 Mitgliedstaaten. Die Aktivitäten der ECEUNO konzentrieren sich auf Wirtschaftsanalysen, die Initiierung von Konventionen, Normen sowie auf technische Unterstützung.

354

Die Jahrestagung bot Gelegenheit, den Stand der vor einem Jahr begonnenen Reform zu diskutieren und die Kommission darin zu unterstützen, die drei Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung ­ die kulturelle Vielfalt, die soziale Dimension der Globalisierung sowie die Umweltaspekte in den multilateralen Handelsverhandlungen ­ in ihre Aktivitäten einzubeziehen. Der ECE-UNO-Ausschuss für Handel, Industrie und Unternehmen organisierte zum zweiten Mal ein Forum über Handelserleichterungen. Im Zentrum der Debatte standen die möglichen Gewinne aus den Handelserleichterungen, Sicherheitsaspekte sowie die Rolle des Privatsektors.

4.4.5

Internationale Arbeitsorganisation (IAO)

Die IAO (Internationale Arbeitsorganisation) ist eine Sonderorganisation der UNO mit Sitz in Genf. In ihren Gremien sind ausser den Regierungen der Mitgliedstaaten stets die Sozialpartner (Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen) vertreten. Zu den Aufgaben der IAO zählt in erster Linie die weltweite Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen durch die Ausarbeitung internationaler Arbeitsnormen und die Überwachung ihrer Einhaltung. Die Bemühungen um eine weltweite Anwendung der grundlegenden Arbeitsnormen gehört zu den IAO-Haupttätigkeiten für menschenwürdige Arbeit.

In einer globalisierten Wirtschaft ist die Stärkung der sozialen Dimension von grosser Bedeutung. Wirtschaftliche Entwicklung und sozialer Fortschritt müssen weltweit besser miteinander in Einklang gebracht werden. In der Verfolgung ihrer Aufgaben kommt der IAO auch die Funktion zu, Frieden durch soziale Gerechtigkeit weltweit zu fördern.

Die Strategie der IAO ist auf menschenwürdige Arbeit für alle ausgerichtet. Eines der wichtigsten Mittel zu ihrer Umsetzung ist die Stärkung eines freien und offenen sozialen Dialogs. Diese Strategie findet ihren Ausdruck u.a. in der 2001 lancierten «globalen Agenda für Beschäftigung» ­ diese erklärt die Schaffung von bezahlter, frei gewählter Beschäftigung zum Hauptziel der nationalen Wirtschafts- und Sozialpolitik der Staaten ­ und insbesondere in der Förderung einer weltweiten Anwendung der grundlegenden Arbeitsnormen. So machten die Diskussionen der diesjährigen Internationalen Arbeits-konferenz über Diskriminierung bei der Arbeit sowie Armutsbekämpfung deutlich, wie wichtig es ist, die Bekämpfung der Diskriminierung auf eine rechtliche Grundlage zu stellen, und welche Bedeutung der Gleichberechtigung am Arbeitsplatz insbesondere für Frauen sowie ethnische und rassische Minderheiten zukommt. Die Voten zeigten, dass Diskriminierung eine der Hauptursachen von Armut ist, und dass sie neue Formen aufgrund von Alter, sexuellen Neigungen, Aids und von Behinderungen annimmt.

Zur Förderung der sozialen Dimension der Globalisierung hat das seco im Rahmen des anlässlich des Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung 2002 in Johannesburg unterzeichneten Zusammenarbeitsabkommens der Schweiz mit der IAO, der UNIDO und der UNEP ein erstes Umsetzungsprojekt lanciert. Mit diesem Projekt werden Produktionszentren
(Cleaner Production Centers) finanziert, welche die Einhaltung von sozialen und Umweltnormen fördern. Die erste Phase dieses Projekts wird in Lateinamerika verwirklicht und von der IAO organisiert.

355

Im Bereich der Normensetzung wurden die Reformarbeiten, die einer auf das gesamte Vertragswerk der IAO ausgerichteten, integrierten Sichtweise folgen, fortgeführt.

So hat die Internationale Arbeitskonferenz (IAK) die Instrumente betreffend Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz überprüft und dabei eine globale Strategie verabschiedet, die darauf zielt, durch abgestimmte Massnahmen die Zahl der Opfer von Arbeitsunfällen weltweit zu verringern. Die IAO hat beschlossen, künftig den 28. April zum «Welttag für Arbeitsschutz» zu erklären. Dieser soll die Regierungen und die Sozialpartner jedes Jahr darauf aufmerksam machen, sich um die Senkung der Zahl von Berufsunfällen und -krankheiten zu bemühen.

Die Umsetzung des IAO-Aktionsplans zur Bekämpfung der Zwangsarbeit in Myanmar (ehemals Burma) wird durch die aktuelle politische Situation ­ Hausarrest von Daw Hung San Suu Kyi, Generalsekretärin der National League for Democracy (NLD) sowie zahlreicher NLD-Mitglieder ­ behindert. Dieser Plan, der vom Verbindungsoffizier der IAO in Rangun mit der Zustimmung der burmesischen Behörden ausgearbeitet wurde, sieht u.a. die Einsetzung eines Mediators vor, der die Aufgabe hat, Beschwerden über Zwangsarbeit entgegenzunehmen. Die vom Bundesrat im Oktober 2000 gegen Myanmar verhängten Sanktionen wurden mit Wirkung vom 16. Oktober 2003 verschärft; die Ausnahmemöglichkeiten vom Einreiseverbot in die Schweiz im Hinblick auf einen politischen Dialog betreffend Myanmar wurden indessen aufrecht erhalten (Verordnung vom 2. Oktober 2000 über Massnahmen gegenüber Myanmar; SR 946.208.2; AS 2003 3755).

Auf bilateraler Ebene wurde das Projekt zur technischen Zusammenarbeit mit dem südlichen Afrika (Beteiligte: Schweiz, IAO, Südafrika, Namibia, Swaziland, Lesotho, Zimbabwe und Botswana) zur Stärkung des sozialen Dialogs und des Arbeitsfriedens am 1. Juli verlängert. Gleichzeitig wurde es auf Mosambik und Angola ausgedehnt und um eine Programmkomponente auf Unternehmensebene ergänzt, die fortan vom seco finanziert wird. Kleinen und mittleren Unternehmen der Region werden künftig Beratung und Anleitung zur Einhaltung von Sozialnormen angeboten. Die Einhaltung dieser Normen soll den Unternehmen die Beteiligung an den globalen Produktionsketten erleichtern und ihre Wettbewerbschancen auf dem Weltmarkt erhöhen. Dem 2001 begonnenen
Projekt zur technischen Zusammenarbeit mit China hat das seco entsprechend den Empfehlungen einer im August 2002 durchgeführten externen Evaluation eine neue Ausrichtung gegeben. Mit diesem Projekt sollen die Entwicklung der Humanressourcen und die Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in zwei Wirtschaftsförderungszonen verbessert werden; es trägt ausserdem dazu bei, die Arbeitsbedingungen in der globalen Produktionskette zu verbessern. Die Schweiz leistet so ihren Beitrag zur Umsetzung der im Global Compact des Generalsekretärs der Vereinten Nationen festgelegten Prinzipien.

356

4.4.6

Welternährungsorganisation (FAO)

Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) wurde 1945 gegründet und hat ihren Sitz seit 1951 in Rom. Zu ihren Aufgaben gehört es, Informationen über die Land-, Forst-, Fischerei- und Ernährungswirtschaft zu sammeln, Agrar- und Ernährungsstrategien zu entwickeln sowie Entwicklungsprogramme auszuarbeiten. Die Schweiz ist seit 1947 Mitglied der FAO.

Anlässlich der 31. Konferenz der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (Food and Agriculture Organisation, FAO) wurde am 3. November 2001 der Internationale Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft verabschiedet. Seine Ziele sind die Erhaltung und nachhaltige Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft sowie die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung solcher Ressourcen ergebenden Vorteile «Access/Benefit Sharing». Der Internationale Vertrag anerkennt die traditionellen Leistungen der Bauern bei der Erhaltung und Weiterentwicklung pflanzengenetischer Ressourcen (sog. Farmers' Rights); er enthält Bestimmungen über die internationale Zusammenarbeit.

Ein zentrales Element des Internationalen Vertrags ist das multilaterale System für den erleichterten Zugang zu pflanzengenetischen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft und für die Aufteilung der Vorteile, die sich aus der Nutzung solchen Materials ergeben. Dieses System soll die internationale Zusammenarbeit im Bereich der Pflanzenzüchtung fördern und damit eine genügend breite Basis für die Weiterentwicklung verbesserter Pflanzensorten sicherstellen. Es umfasst die für die globale Ernährungssicherheit wichtigen Ressourcen wie Weizen, Gerste, Mais und Kartoffeln.

Der Internationale Vertrag ist ein politischer Erfolg für eine nachhaltige Landwirtschaft mit ihren vielfältigen Aufgaben. Wichtige multifunktionale Aspekte der schweizerischen Agrarpolitik erhalten einen eigenständigen internationalen Rechtsrahmen. Dies kommt einer völkerrechtlichen Anerkennung von wesentlichen Elementen der Multifunktionalität der Landwirtschaft gleich. Insgesamt leistet der Internationale Vertrag einen wichtigen Beitrag zur Ernährungssicherheit der ständig wachsenden Weltbevölkerung und zur nachhaltigen Landwirtschaft.

Die Schweiz hat den Internationalen Vertrag unter Vorbehalt
der Ratifizierung am 28. Oktober 2002 anlässlich der 123. Sitzung des FAO-Rats unterzeichnet. Am 15. Oktober 2003 verabschiedete der Bundesrat die Botschaft an die eidgenössischen Räte im Hinblick auf die Ratifizierung des Vertrags (BBl 2003 7295).

357

4.5

Sektorale Zusammenarbeit

4.5.1

Zusammenarbeit im Energiebereich

Die Internationale Energie-Agentur ist eine selbständige Institution innerhalb der OECD und zählt 26 Staaten als Mitglieder. Ihre Hauptziele sind die Sicherstellung einer gleichmässigen Energieversorgung mit Erdöl sowie die Bekämpfung von Versorgungskrisen. Im Laufe ihres bald dreissigjährigen Bestehens wurde die Thematik der Versorgungssicherheit im Erdölbereich im Sinne einer Diversifizierung der Energieträger und der Förderung höherer Energieeffizienz erweitert. Der am 16. April 1998 in Kraft getretene Energiecharta-Vertrag bildet den rechtlichen Rahmen zu einer langfristigen gesamteuropäischen und euroasiatischen Zusammenarbeit im Energiesektor.

4.5.1.1

Internationale Energie-Agentur (IEA)

An der Ministerkonferenz der Internationalen Energie-Agentur vom 28./29. April in Paris wurden Fragen der Energieversorgungssicherheit, die Liberalisierung der Energiemärkte und die Herausforderung der nachhaltigen Entwicklung für die heutige und künftige Energiepolitik besprochen: Die weltweite Energiewirtschaft wird laut IEA-Prognosen noch während Jahrzehnten auf fossilen Trägern beruhen.

Eine Veränderung des Energiemixes benötigt Zeit, in welcher die vorhandenen Energiesparpotenziale genutzt und die erneuerbaren Energien verstärkt entwickelt und ­ wo möglich ­ eingesetzt werden sollten. Eine wirksame Energiepolitik ist auch zur Erreichung der Klimaschutzziele unerlässlich. Der laufende Prozess der Öffnung von Energiemärkten wird weiterhin begrüsst. Damit die gesicherte Energieversorgung gewährleistet werden kann, müssen aber geeignete Rahmenbedingungen erarbeitet werden. Einig waren sich die Energieminister ausserdem, dass die IEA die Beziehungen zu Nicht-Mitgliedsländern und Öl produzierenden Staaten verstärken soll.

Als vorsorgliche Massnahme zur Bewältigung allfälliger Versorgungsprobleme wegen militärischer Aktivitäten im Nahen oder Mittleren Osten hat die IEA einen Notstandsplan erarbeitet und verabschiedet. Die Schweiz sieht eine Beteiligung an diesem Notstandsplan im Rahmen ihrer Pflichtlager vor. Der Irak-Krieg erforderte jedoch keine Umsetzung des Plans. Während des Konflikts kam es in keinem IEALand zu Engpässen bei der Energieversorgung. Da die Spannungen im Nahen und Mittleren Osten weiter anhalten, bleibt der Notstandsplan in Kraft.

4.5.1.2

Energiecharta-Vertrag

Bei den schleppenden Verhandlungen über ein Transitprotokoll zum Energiechartavertrag (SR 0.730.0) hat sich der Interessenkonflikt zwischen der EU als sich erweiternde Staatengemeinschaft mit offenen, sich integrierenden Märkten, und Russland als Grossproduzent mit monopolistischem Gassektor zugespitzt. Trotz weitestgehenden Konzessionen der EU, die sogar bereit wäre, Ausnahmen von ihrem Acquis Communautaire zu Gunsten Russlands zuzulassen, konnte sich Russland unter der 358

dominierenden Haltung des staatlichen Konzerns Gazprom mit dem Protokolltext nicht einverstanden erklären. Am 10. Dezember 2003 haben daher die Mitgliedstaaten der Energiecharta (westeuropäische und Transitionsländer) den Text des Transitprotokolls vorerst bis auf Weiteres suspendiert.

Die Verhandlungen über einen Zusatzvertrag im Investitionsbereich blieben im Berichtsjahr mit Blick auf die Bemühungen um ein umfassendes multilaterales Investitionsabkommen im Rahmen der WTO weiterhin suspendiert. Der angestrebte Zusatzvertrag würde eine diskriminierungsfreie Zulassung neuer ausländischer Investitionen im Energiesektor sicherstellen. Nach dem Scheitern der WTOVerhandlungen in Cancún könnte die Frage des Energiecharta-Zusatzvertrages im Investitionsbereich wieder aktuell werden. Hingegen wurde die Überprüfung gesetzlicher Anpassungen im Investitionsbereich durch die Transitionsländer fortgesetzt.

Die Arbeitsgruppe hält an ihrem Ziel fest, im Jahr 2004 diese Überprüfungen auch auf OECD-Länder auszudehnen.

5

Internationales Finanzsystem Nach den Turbulenzen des Vorjahres kehrte 2003 auf den internationalen Kapitalmärkten wieder etwas Ruhe ein. Dies widerspiegelt sich auch in der Nachfrage nach Krediten vom Internationalen Währungsfonds. Im Vorjahres-vergleich hat sich diese um rund 40 Prozent verringert. Das Berichtsjahr stand im Zeichen der Konsolidierung des Instrumentariums zur Verstärkung der internationalen Finanzarchitektur. Die Überwachungstätigkeit wurde noch wirksamer gestaltet und der Rahmen zur Beurteilung der Nachhaltigkeit von Staatsschulden weiter verfeinert. Die Arbeiten im Bereich der Krisenlösung konzentrierten sich auf die Ausgestaltung eines Insolvenzmechanismus für Staaten und die Anwendung von Kollektivklauseln in Anleihensverträgen. Die Umsetzung eines Insolvenzmechanismus scheiterte im IWF daran, dass die notwendige Mehrheit von 85 Prozent nicht erreicht wurde. 2004 werden die Arbeiten über die Verletzlichkeiten im Finanzbereich fortgesetzt. Dabei rückt insbesondere der Bilanz-Ansatz in den Vordergrund.

5.1

Internationaler Währungsfonds

5.1.1

Lage der Weltwirtschaft und Turbulenzen auf den internationalen Finanzmärkten

Die weltwirtschaftlichen Aussichten haben sich in der zweiten Jahreshälfte verbessert. In den USA, der Lokomotive der Weltwirtschaft, erscheint der Aufschwung etwas robuster und weniger risikobehaftet als im «Weltwirtschaftlichen Ausblick» des IWF vom Frühjahr noch angenommen wurde. Auf den internationalen Kapitalmärkten hat sich die Situation wieder beruhigt. Dank dem derzeit tiefen Zinsniveau können sich die Schwellenländer günstig auf den internationalen Kapitalmärkten finanzieren. Als Diver-sifizierungsinstrument sind Schuldtitel von Schwellenländern für die internationalen Anleger wieder interessant geworden. Diese positive Entwicklung sind die Lorbeeren für die erfolgreiche Umsetzung von Reformen in 359

verschiedenen Schwellenländern. Durch einen Anstieg des Zinsniveaus könnten jedoch die Schulden rasch untragbar werden. Der IWF mahnt deshalb die Schwellenländer zu einer vorsichtigen Verschul-dung. Die positive Entwicklung in verschiedenen Ländern zeigt sich auch in der Beanspruchung der finanziellen Ressourcen des IWF. Dessen Neukreditvergabe betrug in den ersten neun Monaten des Jahres 2002 31,5 Milliarden US-Dollar, im Berichtsjahr belief sie sich für die gleiche Zeitspanne nur noch auf 17,6 Milliarden US-Dollar. Nach den Turbulenzen im Vorjahr hat sich die Situation in Lateinamerika etwas beruhigt. Die neue Regierung in Brasilien konnte dank der Weiterführung einer gesunden Wirtschafts- und Finanzpolitik Vertrauen im internationalen Kapitalmarkt schaffen und die notwendigen Strukturreformen weiterführen. Mit Argentinien vereinbarte der IWF im Januar 2003 ein Transitionsprogramm zur Überbrückung der Wahlen, welches im September durch ein dreijähriges Beistandsabkommen abgelöst wurde. Da die Schweiz die Programm-Konditionalität als ungenügend und somit das Programm als unglaubwürdig erachtete, hat sie sich im Exekutivrat der Stimme enthalten. Im Rahmen dieses Beistandsabkommen hat sich Argentinien dazu verpflichtet, eine Regelung der argentinischen Staatsschuld, welche seit Anfang 2001 nicht mehr bedient wird, mit den privaten und öffentlichen Gläubigern zu finden. Aufgrund der Vielzahl von sehr heterogenen Schuldtiteln sind langwierige und schwierige Verhandlungen zu erwarten.

Die grossen IWF-Kredite der letzten Jahre an Argentinien, die Türkei, Brasilien, Uruguay und andere Länder haben deutlich gemacht, dass für umfangreiche Kredite des IWF klarere Richtlinien nötig sind. Im Januar 2003 legte der Exekutivrat des IWF des-halb die Prinzipien für IWF-Programme mit ausserordentlichem Zugang fest. Von ausserordentlichem Zugang zu den IWF-Ressourcen spricht man bei Krediten, die pro Jahr 100 Prozent oder als Ganzes 300 Prozent der Länderquote übersteigen. Dabei soll das IWF-Management dem Exekutivrat genauer und ausführlicher als bisher den Pro-gramminhalt und die Kredithöhe darlegen, bevor gegenüber dem Programmland Zusi-cherungen abgegeben werden. Die vereinbarten Prinzipien ermöglichen eine objektivere Analyse der Kriterienerfüllung für den ausserordentlichen Zugang zu IWF-Ressourcen.

5.1.2

Verstärkung des internationalen Finanzsystems und Reform des IWF

Nachdem in den vergangenen Jahren die Instrumentarien zur Verstärkung der internationalen Finanzarchitektur ständig verbessert worden sind, geht es jetzt im IWF um eine Konsolidierung der erreichten Fortschritte. Um die Überwachungstätigkeit noch wirksamer zu gestalten, wurde der IWF-Stab aufgefordert, in seinen Berichten mehr Objektivität bzw. Transparenz walten zu lassen. Dabei sollen die unterschiedlichen Meinungen der verschiedenen IWF-Departemente auch im Exekutivrat zur Sprache kommen. Zudem können die Länderexamen verbessert werden, indem sie in Programmländern getrennt von den Programmüberprüfungen durchgeführt werden. 2004 soll die Überwachungstätigkeit in all ihren Aspekten Gegenstand einer umfassenden Prüfung sein.

Der im Juni 2002 eingeführte standardisierte Rahmen zur Beurteilung der Schuldennachhaltigkeit wurde im Berichtsjahr weiter verfeinert. Insbesondere sollen mittels Szenarien die möglichen Pfade der Schuldenentwicklung mit und ohne Anpassung 360

der Wirtschaftspolitik deutlicher herausgearbeitet werden. Auch auf länderspezifische Aspekte soll in Zukunft besser eingegangen werden. Die Schweiz erachtet diese Verbesserungsvorschläge als konstruktiv. An der Frühjahrstagung hat der IWF gemäss Auftrag des Internationalen Währungs- und Finanzausschusses (IMFC) ein Instrument für die Krisenlösung vorgestellt, nämlich die konkrete Ausgestaltung eines Insolvenzmechanismus für Staaten (Sovereign Debt Restructuring Mechanism, SDRM). In der Diskussion wurde deutlich, dass zwar eine klare Mehrheit für den SDRM eintritt, diese jedoch nicht die für eine Änderung der IWF-Statuten erforderliche qualifizierte Mehrheit von 85 Prozent, erreicht. Die Schweiz hat ihre Unterstützung für den SDRM ausgedrückt. Auch wenn dieses Projekt zurzeit auf Eis gelegt wurde, so werden die Arbeiten zu den identifizierten Schwachstellen im internationalen Finanzsystem weitergeführt. Parallel zu den Arbeiten zum SDRM wurden von den G10 Kollektivklauseln erarbeitet. Solche Klauseln erlauben einer qualifizierten Mehrheit der Gläubiger, die Zahlungsbedingungen in einem Schuldvertrag zu ändern, wodurch im Bedarfsfall eine Umschuldung erleichtert wird. Im Laufe des Berichtsjahres haben mehrere Schwellenländer solche Klauseln in ihre Anleihen integriert (Ziff. 5.2).

Die 1999 geschaffene Vorsorgliche Kreditlinie (Contingent Credit Line), welche als Ziel hatte, Länder vor einer Krisenansteckung zu schützen, wurde bis anhin nie in Anspruch genommen. Der Exekutivrat hat deshalb beschlossen, die Fazilität nicht zu erneuern.

Im Berichtsjahr hat das neu geschaffene Unabhängige Evaluationsbüro des IWF (IEO) zwei detaillierte Analysen veröffentlicht. In seiner Analyse über die Rolle des Währungsfonds in den Finanzkrisen Indonesiens (1997/98), Koreas (1997/98) und Brasiliens (1998/99) gelangt es zu einer Reihe von Empfehlungen an die Adresse des IWF. Diese Empfehlungen unterstützen zum Teil jene Massnahmen, die der Fonds während und nach den Krisen bereits ergriffen hatte. So soll zum Beispiel die Krisenresistenz des Landes im Rahmen der regelmässigen Länderexamen getestet werden. Mit der Empfehlung, die Wirksamkeit der Länderexamen durch eine vermehrte Veröffentlichung von Stabsberichten zu verstärken, unterstützt das IEO das Lager der Befürworter einer offenen Transparenzpolitik ­ darunter
die Schweiz ­, welches sich schon seit geraumer Zeit für dieses Anliegen engagiert hat.

Die zweite Analyse befasst sich mit den haushaltspolitischen Anpassungen in IWFProgrammen im Zeitraum 1993­2001. Die in der Öffentlichkeit stark verbreitete Ansicht, IWF-Programme würden besonders die ärmsten Bevölkerungsschichten stark benachteiligen, konnte nicht bestätigt werden. Die Analyse zeigt weiter, dass die geforderten wirtschaftspolitischen Anpassungen im Allgemeinen den länderspezifischen Umständen Rechnung tragen. Demgegenüber kommt die Studie zum Schluss, dass sich die Anpassungen allzu oft auf kurzfristige Massnahmen konzentrieren, die nach Pro-grammende in vielen Fällen wieder rückgängig gemacht werden. Deshalb empfiehlt das IEO, dass notwendige längerfristige Strukturanpassungen im Rahmen der wirtschafts-politischen Überwachungstätigkeit des IWF offener und kritischer diskutiert werden.

Zurzeit arbeitet das IEO zusammen mit der Weltbank an einem Bericht über die Wirksamkeit der Armutsbekämpfungs- und Wachstumsfazilität (PRGF) sowie der Armutsstrategien. Ausserdem wird anfangs 2004 eine Fallstudie über Argentinien veröffentlicht. Dabei untersucht das IEO unter anderem, ob der IWF die Lage in Argentinien richtig einschätzte, ob seine Einschätzungen und Empfehlungen in

361

Politikmassnahmen ihren Niederschlag fanden, welche Rolle die bedeutenden Gläubigerländer im IWF in den Diskussionen spielten und inwieweit noch andere Faktoren die Entscheide beeinflussten.

5.1.3

Internationale Währungszusammenarbeit und die Schweiz

Im Juni genehmigten die eidgenössischen Räte eine Verlängerung der Teilnahme der Schweiz an den Allgemeinen Kreditvereinbarungen (AKV) des IWF um fünf Jahre (BBl 2003 4812). Bereits zuvor hatte der Bundesrat eine Verlängerung der Teilnahme der Schweiz an den Neuen Kreditvereinbarungen (NKV) gutgeheissen. Diese beiden Vereinbarungen, die Ende 2003 auslaufen, stellen eine eigentliche Rückversicherung für den IWF dar. Im Falle einer Krise und bei eigener Mittelknappheit kann der IWF damit auf Kreditlinien von maximal rund 66 Milliarden Franken zurückzugreifen, wovon die Schweiz maximal 3 Milliarden Franken aufbringen würde.

Im Berichtsjahr hat die Schweiz keine neuen Währungshilfemassnahmen ergriffen.

Zurzeit ist unter dem Währungshilfebeschluss (SR 941.13) einzig ein Darlehen an Bulgarien im Umfang von 12 Millionen US-Dollar ausstehend. Dieses wurde im Jahr 2000 im Rahmen einer koordinierten Zahlungsbilanzhilfe der G-24 gewährt.

Die Laufzeit beträgt maximal sieben Jahre, und die Verzinsung erfolgt zu Marktbedingungen. Eine Vorlage zur umfassenden und transparenten Regelung der internationalen Währungshilfe des Bundes (Bundesgesetz über die internationale Währungshilfe, BBl 2003 4798), welches den geltenden Währungshilfebeschluss ersetzen soll, befindet sich in der parlamentarischen Beratung.

5.2

Die Zehnergruppe (G10)

Mit Zufriedenheit konnten Minister und Gouverneure der Zehnergruppe an der Herbst-tagung feststellen, dass eine Reihe von wichtigen Schwellenländern (u.a.

Brasilien, Korea, Mexiko, Südafrika) den Empfehlungen der G10 über die Einführung von Kollektivverhandlungsklauseln in Staatsanleihen Folge geleistet haben.

Verbesserungen der Vertragsklauseln für die Schuldenrestrukturierung bleiben ein zentrales Betätigungsfeld für die G10. Dabei wird auch zu verfolgen sein, inwiefern Kollektivverhandlungsklauseln bei der Emission von Staatsanleihen Marktstandard zu werden vermögen. In der Schweiz befasst sich parallel eine Arbeitsgruppe mit der möglichen Umsetzung von Kollektivverhandlungsklauseln am heimischen Emissionsstandort. Neu wird sich die Zehnergruppe der Bedeutung von Klumpenrisiken für die IWF-Finanzen widmen. Im Vordergrund steht die Analyse der Kreditvergaberisiken in Fällen, in denen der IWF ausserordentlich grosse Kredite vergibt, wie dies jüngst in Argentinien, Brasilien und der Türkei der Fall war.

362

5.3

Internationale Aufsichtsgremien

5.3.1

Basler Ausschuss für Bankenaufsicht

Im Mittelpunkt der Tätigkeit des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht steht seit 1999 die Revision seiner Eigenkapitalvereinbarung (Capital Accord) aus dem Jahre 1988. Das vorgeschlagene Regelwerk zeichnet sich durch eine differenziertere Regulierung in Form von mehreren zur Wahl stehenden Verfahren zur Bestimmung der Mindestkapital-anforderungen für Kreditrisiken und neu auch für operationelle Risiken aus. Je nach Verfahren geht damit bisweilen auch ein wesentlich höherer Detaillierungsgrad einher. Zudem wird die künftige, auch als «Basel II» bezeichnete Eigenkapitalvereinbarung neben den Mindestkapitalanforderungen auch das individualisierte Aufsichtsverfahren und die Marktdisziplin durch vermehrte Offenlegung umfassen.

Mehrere technische Arbeitsgruppen, an denen auch Vertreter der Eidgenössischen Ban-kenkommission (EBK) und der Schweizerischen Nationalbank (SNB) beteiligt waren, setzten sich intensiv mit der weiteren Ausgestaltung des Regelwerkes auseinander. Um die eigenmittelmässigen Auswirkungen der neuen Vorschläge besser abschätzen bzw. um die verschiedenen Parameter konform mit den eigenmittelmässigen Zielen von «Basel II» kalibrieren zu können, waren bereits drei umfangreiche Studien durchgeführt worden. Aus schweizerischer Sicht ist zu bedauern, dass die zielbezogene Forderung nach einer generellen Anhebung der internationalen Mindeststandards für Eigenmittel bei der Mehrheit der Ausschussmitglieder keinen Zuspruch fand. Nach der Analyse der Studienergebnisse wird das Regelwerk in die Vernehmlassung gegeben. Die definitive Fassung soll bis spätestens Mitte 2004 verabschiedet sein.

5.3.2

Internationale Organisation der Effektenhandelsaufseher (IOSCO)

Die Jahresversammlung der IOSCO in Seoul, Südkorea, stand unter dem Motto «Neue Herausforderungen für Wertpapiermärkte und Regulierungs- bzw. Aufsichtsbehörden». Das Konferenzthema trug vor allem der Erkenntnis Rechnung, dass die in jüngster Vergangenheit erfolgten Zusammenbrüche bedeutender Unternehmen und weitere globale Ereignisse regulatorische Mängel aufgezeigt haben, die behoben werden müssen.

Die Bewahrung der Integrität der internationalen Kapitalmärkte ist im Hinblick auf den Anlegerschutz zentraler Bestandteil der Aufgaben der zuständigen Behörden.

Die aktuellen Ereignisse zeigen, dass die Integrität der Kapitalmärkte entscheidend abhängt von der Qualität der von Emittenten publizierten Finanzinformationen und von einer angemessenen Lösung der Interessenkonflikte, mit denen professionelle Akteure konfrontiert sind.

An der Jahresversammlung konnte in Bezug auf das 2002 verabschiedete Verständigungsprotokoll über den Austausch von Informationen zwischen Wertpapieraufsichtsbehörden («IOSCO Multilateral Memorandum of Understanding Concerning Consultation and Cooperation and the Exchange of Information», IOSCO MoU) eine wachsende Bereitschaft zu seiner Unterzeichnung festgestellt werden. Es setzt einen neuen internationalen Massstab für die zur Bekämpfung von Gesetzesverlet363

zungen im Effektenbereich so bedeutsamen Zusammenarbeit. Im MoU wird dem Willen Ausdruck verliehen, effiziente und wirksame Vorkehrungen für den Informationsaustausch zu etablieren, um die illegale Nutzung der Effektenmärkte zu bekämpfen.

Zu den obersten Prioritäten der IOSCO zählt nach wie vor die Umsetzung der an der Jahresversammlung 1998 verabschiedeten Ziele und Prinzipien der Effektenhandelsaufsicht. Im Hinblick auf eine möglichst hohe Verbindlichkeit und wirksame Umsetzung in den einzelnen Ländern wird die Implementierung dieser Grundsätze von IOSCO begleitet und sichergestellt. Die IOSCO hat zur Beurteilung der Implementierung der Regulierungsziele und -grundsätze als neues Instrument einen Methodenkatalog erstellt, der ihren Mitgliedern beim Erlass von effektiveren Regulierungen behilflich sein soll. Anhand des Katalogs können die Mitglieder diejenigen Bereiche identifizieren, die den (in den IOSCO-Grundsätzen niedergelegten) internationalen Standards nicht entsprechen. Dabei sind eine Kategorisierung der Implementierungsversäumnisse nach Schweregrad, eine Identifizierung der Bereiche mit vorrangigem Handlungsbedarf und die Entwicklung eines Aktionsplans für die Einleitung notwendiger Reformen vorgesehen.

5.3.3

Internationale Vereinigung der Versicherungsaufseher (IAIS)

2003 hat die IAIS ihre «Internationalen Grundsätze der Assekuranz» revidiert und erweitert. Diese definieren die Grundvoraussetzungen für eine wirksame Aufsicht und ein zweckmässiges Aufsichtssystem, sie nennen die ­ insbesondere aufsichtsrechtlichen ­ Anforderungen, die an die Versicherer (und Rückversicherer) gestellt werden, und sie beschreiben die Aufsichtsverfahren. Ausdrücklich erwähnt wird darin auch die Notwendigkeit einer grösseren Transparenz der Versicherer gegenüber dem Markt sowie die Notwendigkeit einer stärkeren Berücksichtigung der Konsumentenschutz-anliegen. Die IAIS hat zudem im Berichtsjahr eine Empfehlung verabschiedet, welche die Aufsicht über die Rückversicherer betrifft; sie trägt sowohl den Besonderheiten der Rückversicherer als auch der Notwendigkeit einer gemeinsamen Aufsicht über die Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen Rechnung. Darin werden folgende Anforderungen an die Adresse der Rückversicherer gestellt: finanzielle Solidität, wirksame Aufsicht und Auskunftserteilung. Die Empfehlung will dem Vorwurf der mangelnden Aufsicht entgegenwirken. Schliesslich wurde eine IAIS-Task Force für mehr Transparenz und für Informationsoffenlegung im Versicherungssektor geschaffen, deren Arbeit in die gleiche Richtung zielt.

Die von der IAIS im Hinblick auf die Schaffung umfassender aufsichtsrechtlicher Grundlagen im Versicherungs- und Rückversicherungswesen unternommenen Anstrengungen führten zur Publikation zweier Konzeptpapiere, eines über die Solvabilitätskontroll-Schwellen und eines über die Rolle der Aktuare im Rahmen der Aufsichtstätigkeit.

364

5.3.4

Joint Forum

Das Joint Forum ist ein zu gleichen Teilen aus Vertretern der Banken-, Effektenhandels- und Versicherungsaufsicht zusammengesetztes Gremium, in welchem für die Schweiz die Eidgenössische Bankenkommission (EBK) Einsitz nimmt. Das Forum befasst sich mit Aspekten der Beaufsichtigung von Finanzkonglomeraten und auf technischer Ebene mit Fragen aus allen drei Aufsichtsbereichen. Im August veröffentlichte das Joint Forum zwei Berichte: der eine hat Entwicklungen in der Risikointegration und -aggregation, der zweite den Transfer operationeller Risiken über die Sektorgrenzen zum Gegenstand.

5.3.5

Internationale Task Force zur Bekämpfung der Geldwäscherei (FATF)

An ihrer Plenarsitzung im Juni hat die Arbeitsgruppe zur Bekämpfung der Geldwäscherei (FATF) die 40 revidierten Empfehlungen verabschiedet. Sie stellen nunmehr die neuen internationalen Standards bei der Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung dar und ergänzen die acht Spezialempfehlungen über die Terrorismusfinanzierung, die von der FATF im Oktober 2001 verabschiedet worden waren. Zusammengenommen bilden diese neuen Regeln ein umfassendes, kohärentes und erheblich verstärktes Dispositiv von internationalen Standards zur Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung.

Die wichtigsten Neuerungen betreffen namentlich eine präzisere Definition der Geldwäscherei und die Verstärkung der Sorgfaltspflichten gegenüber der Kundschaft der Finanzinstitute. Im letzten Punkt hat die FATF weitgehend die neuen Standards des Basler Ausschusses übernommen, die im Bankensektor bezüglich der Sorgfalt in den Kundenbeziehungen gelten. Die neuen Empfehlungen dehnen den Anwendungsbereich der Massnahmen zur Bekämpfung der Geldwäscherei auf weitere Unternehmen und Berufe des Nichtfinanzsektors aus (Spielbanken, Immobilienhändler, Edelstein- und Edelmetallhändler, Buchhalter, Rechtsanwälte, Notare und selbständige Angehörige der Rechtsberufe, Dienstleister für Gesellschaften und Trusts). Die revidierten Empfehlungen unterscheiden sich in nur wenigen Punkten von der schweizerischen Politik zur Bekämpfung der Geldwäscherei und der schweizerischen Gesetzgebung, die beispielsweise auch im Nichtfinanzsektor bereits einen sehr weitreichenden Schutz bietet.

Auf dem Gebiet der Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung hat die FATF die Auslegung der acht Spezialempfehlungen fortgeführt, die sie im Oktober 2001 in Washington verabschiedet hatte. Ausserdem hat die FATF mehrere ihrer Mitgliedstaaten einer Evaluation unterzogen und damit begonnen, diejenigen Länder zu identifizieren, die auf fachliche Hilfe angewiesen sind, um ihr System zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung zu verbessern.

365

6

Wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit Hauptziel der wirtschafts- und handelspolitischen Entwicklungszusammenarbeit ist die Verminderung der Armut, was in erster Linie mit der Förderung der Marktwirtschaft und einem starken und nachhaltigen Wachstum in den Partnerländern erreicht werden soll. Zentral ist zudem die Unterstützung von Reformen für eine bessere Integration der Entwicklungs- und Transitionsländer in die Weltwirtschaft, die Mobilisierung von privaten Ressourcen sowie das Engagement in den multilateralen Entwicklungsbanken.

Die Notwendigkeit einer stärkeren Ausrichtung der Hilfe auf die Förderung des wirtschaftlichen Wachstums und die Entwicklung des Privatsektors in den Partnerländern hat sich bestätigt. Neben bewährten Instrumenten werden zunehmend auch neue Formen der Zusammenarbeit wie «Public Private Partnership», «Clean Technology Cooperation», aber auch innovative Instrumente zur Finanzierung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit von KMU eingesetzt.

6.1

Multilaterale Finanzierungsinstitutionen

Die Geschäftsprüfungskomission des Ständerats nahm das 10-Jahre-Jubiläum des Beitritts der Schweiz zu den Bretton-Woods-Institutionen (BWI) zum Anlass, die Tätigkeit der mit dem Vollzug der schweizerischen Mitgliedschaft betrauten Bundesbehörden sowie den aus der Mitgliedschaft resultierenden Nutzen für die Schweiz zu untersuchen. Der Bericht kommt zum Schluss, dass das Engagement der Schweiz in Weltbank und IWF weitgehend positiv zu werten ist, dass die Schweiz trotz ihrer Grösse über einen wichtigen Einfluss auf die Politik der BWI ausübt, und dass die mit der Mitgliedschaft verbundenen Kosten im Verhältnis zum ­ vor allem auch ­ politischen Nutzen als gering einzustufen sind. Dieses erfreuliche Resultat bestätigt die Bedeutung der multilateralen Entwicklungszusammenarbeit unseres Landes.

Im Berichtsjahr hat die Schweiz in ihren Beziehungen zu den multilateralen Entwicklungsbanken wichtige konzeptionelle Arbeiten vorangetrieben, welche unter anderem die mittelfristige Strategie der Schweiz in den einzelnen Entwicklungsbanken definieren. Die Überprüfung der zehnjährigen schweizerischen Tätigkeit in den Bretton-Woods-Institutionen durch die Geschäftsprüfungs-kommission des Ständerats kam zum Schluss, dass das Engagement der Schweiz in Weltbank und IWF weitgehend positiv verläuft, unser Land trotz seiner Grösse einen wichtigen Einfluss auf die Politik der BWI ausübt und der Nutzen für die Aussenpolitik und die Wirtschaft hoch ist. Die anhaltenden Budgetkürzungen sowie das Anwachsen des Finanzbedarfs des multilateralen Systems stellen eine zunehmende Herausforderung dar.

366

6.1.1

Weltbankgruppe

Die Weltbankgruppe hat ihren Sitz in Washington D.C. Sie besteht aus der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD), der Internationalen Entwicklungsorganisation (IDA), der Internationalen Finanz-Corporation (IFC) und der Multilateralen Investitionsgarantie-Agentur (MIGA). Gemeinsames Ziel sind die Armutsbekämpfung und die Verbesserung des Lebensstandards in den Entwicklungsländern. Die Schweiz ist seit 1992 Mitglied der Gruppe und mit einem Exekutivdirektor in den Verwaltungsräten aller vier Organisationen vertreten.

Im abgelaufenen Fiskaljahr (Juli 2002­Juni 2003) verzeichnete die Weltbank gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang ihrer Verpflichtungen um eine Milliarde Dollar auf 18,5 Milliarden Dollar. Der Anteil der Ausleihungen der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD), welche Darlehen an Länder mittleren Einkommens vergibt, betrug 11,2 Milliarden Dollar (Vorjahr: 11,5 Mrd.). Die Internationale Entwicklungsorganisation (IDA) wiederum tätigte Ausleihungen im Umfang von 7,3 Milliarden Dollar (Vorjahr: 8,0 Mrd.). Die IDA vergibt Kredite an die ärmsten Länder zu besonders günstigen Konditionen.

Die Jahreskonferenz der Bretton-Woods-Institution vom September in Dubai war vor allem der Umsetzung der Millenniums-Entwicklungsziele gewidmet, welche anlässlich der UNO-Konferenz von Monterrey im März 2002 verabschiedet worden waren (vgl. Ziff. 6.1.1 des Berichts 2002). Um mit Blick auf diese Ziele die internationale Entwicklungszusammenarbeit wirksamer zu gestalten, strebt die Weltbank eine Verfeinerung ihres Mess- und Evaluationssystems sowie eine stärkere Ausrichtung ihrer Tätigkeit auf die Bedürfnisse der Klientenländer an. Die Schweiz verfolgt diesen Prozess mit regem Interesse im Entwicklungsausschuss der Bretton-WoodsInstitutionen, in ihrer Tätigkeit im Verwaltungsrat der Weltbankgruppe sowie in den bilateralen Kontakten zur Weltbank.

Teil des Konsenses von Monterrey bildet auch die Berücksichtigung des Anliegens der armen Entwicklungsländer nach mehr Gewicht und Einfluss in den Entscheidungsgremien der Bretton-Woods-Institutionen. Darin enthalten ist die Forderung nach mehr Stimmrechten in Weltbank und IWF. Entsprechende Vorschläge wurden sowohl im Frühjahr als auch im Herbst im Rahmen des Entwicklungsausschusses von den Finanz- und Wirtschaftsministern der
wichtigsten Mitgliedstaaten diskutiert.

Vor allem der Widerstand der USA verhinderte, dass weiterreichende Vorschläge zur Änderung der Stimmengewichte weiterverfolgt wurden. Die Schweiz zeigte sich gegenüber einer Stärkung der Basisstimmrechte der ärmsten Mitglieder offen, schloss aber ebenfalls eine signifikante Verlagerung der Stimmrechte von den hauptsächlichen Kapitalgebern zu den Entwicklungsländern aus.

Die Weltbank ist massgeblich am Wiederaufbau des Iraks beteiligt. Anlässlich der Geberkonferenz von Madrid im Oktober erklärte sie sich bereit, hiezu in den kommenden fünf Jahren 2 bis 5 Milliarden Dollar zu investieren, sofern die Sicherheitslage des Landes einen Ausbau der Aktivitäten zulässt. Ein Teil dieser Mittel dürfte von der IDA stammen. Die Schweiz unterstützt grundsätzlich eine starke Rolle der Weltbank. Allerdings ermahnte sie die Bank darauf zu achten, dass der Irak möglichst rasch wieder Zugang zu den normalen Darlehen der Weltbank (d.h. der IBRD) 367

erhält, damit das zinsgünstige Kreditfenster der IDA zugunsten der ärmsten Länder nicht strapaziert wird. Im Rahmen der IDA-Verhandlungen im November betonte die Schweiz, dass der Wiederaufbau des Iraks vor allem aus den Erdöleinnahmen dieses Landes finanziert werden müsse.

Im Berichtsjahr hat die Schweiz die erste Tranche ihres Beitrags (2003­2011: 530,7 Mio. Fr.) an die 13. Wiederauffüllung der IDA geleistet.

Im abgelaufenen Fiskaljahr erwirtschaftete die IFC, der Privatsektorarm der Weltbankgruppe, dank fallenden Zinssätzen und der Verbesserung des Wirtschaftsklimas in einzelnen Märkten einen unerwartet hohen Ertrag von 528 Millionen US-Dollar.

Damit schloss die IFC deutlich besser ab als im Vorjahr (161 Mio. US-$), das wegen der Argentinienkrise durch überdurchschnittlich hohe Rückstellungen gekennzeichnet war. Gleichzeitig konnte die IFC ihre Verpflichtungen in Form von Krediten, Garantien und Kapitalbeteiligungen auf 3,9 Milliarden US-Dollar erhöhen, was einer Zunahme gegenüber dem Vorjahr (3,1 Mrd. $) von 24,7 Prozent entspricht. Fast die Hälfte der Verpflichtungen floss in den Finanzsektor, ein Drittel nach Lateinamerika und die Karibik. Die 2002 begonnene Reorganisation und die Dezentralisierung der IFC wurden weiter vorangetrieben.

Die MIGA hat im Umfang des Vorjahres erneut Garantien von insgesamt 1,4 Milliarden Dollar gesprochen. Die Stagnation des Geschäftsvolumens reflektiert das globale wirtschaftliche Umfeld sowie eine Abnahme von ausländischen Direktinvestitionen in Entwicklungsländern. Die MIGA erzielte eine Diversifikation ihres Portfolios auf regionaler Ebene wie auch in Bezug auf die Investitionsländer nicht zuletzt aufgrund erhöhter Präsenz vor Ort sowie verstärkter Marketingaktivitäten.

Die 1991 geschaffene Globale Umweltfazilität (Global Environment Facility ­ GEF) dient u.a. der Förderung des Transfers umweltfreundlicher Technologien. Im Berichtsjahr zeichnete die Schweiz ihren Anteil von 99 Millionen Franken an der jüngsten Wiederauffüllung des GEF und überwies eine erste Tranche von 24,7 Millionen Franken.

6.1.2

Regionale Entwicklungsbanken

Zu den wichtigsten Aufgaben der Afrikanischen, der Asiatischen und der Interamerikanischen Entwicklungsbank gehören der Minderung der Armut sowie die Förderung der interregionalen Zusammenarbeit und der regionalen Integration. Diese drei Banken mit ihrem jeweiligen Sitz in Abidjan, Manila und Washington D.C. sind für viele Länder die wichtigste Devisenquelle. Sie führen zusammen mit dem IWF vermehrt auch makro-ökonomische Anpassungsprojekte durch. Die Schweiz hat keinen Exekutivdirektor in den drei Verwaltungsräten, sie ist aber Stimmrechtsgruppen befreundeter Staaten angeschlossen und durch Berater vertreten.

368

6.1.2.1

Afrikanische Entwicklungsbank

Die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) ist im Fiskaljahr 2002 Verpflichtungen in der Höhe von 2,1 Milliarden US-Dollar (Vorjahr: 2,2 Mrd. US-$) eingegangen. In diesem Betrag inbegriffen sind zinsgünstige Darlehen in Höhe von 900 Millionen US-Dollar, welche das konzessionelle Fenster der Bank, der Afrikanische Entwicklungsfonds, an die ärmsten Länder der Region vergeben hat. Die Aktivitäten der Bank konzentrierten sich auf die Bereiche Agrarwirtschaft und ländliche Entwicklung, Förderung der Humanressourcen und des Privatsektors, wirtschaftliche Integration, Umwelt sowie Gleichberechtigung von Mann und Frau.

Seit 1999 sieht sich die AfDB mit der politischen Krise des Gastlandes Côte d'Ivoire konfrontiert. Im September 2002 stürzte ein neuerlicher Umsturzversuch das geteilte Land in einen offenen Bürgerkrieg. Diese Situation hat die Geschäftstätigkeit und die Finanzlage der AfDB stark beeinträchtigt. Vor diesem Hintergrund sah sich die Bank im Februar 2003 gezwungen, Notmassnahmen zu treffen. Sie beschloss, ihren Sitz mit insgesamt 1000 Mitarbeitern für zwei Jahre nach Tunis (Tunesien) zu verlegen. Dies stellt für sie sowohl in operationeller wie auch in finanzieller Hinsicht eine grosse Herausforderung dar.

Im Berichtsjahr wurde keine Verhandlungsrunde im Schosse der AfDB abgehalten.

Die neunte Wiederauffüllung des Fonds war im September 2002 abgeschlossen worden. Die ausgehandelten Geberbeiträge in der Höhe von rund 3,5 Milliarden USDollar finanzieren die Operationen des Fonds im Zeitraum 2002­2004. Der Beitrag der Schweiz beläuft sich auf 153,47 Millionen Franken, was einem Fondsanteil von 3 Prozent entspricht. Anfang 2004 ist die Schweiz Gastgeberin für eine Zwischenevaluation im Rahmen der neunten Wiederauffüllung des Afrikanischen Entwicklungsfonds.

6.1.2.2

Asiatische Entwicklungsbank

Die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) ist im Fiskaljahr 2002 Verpflichtungen in der Höhe von 5,68 Milliarden US-Dollar (Vorjahr: 5,34 Mrd. US-$) eingegangen. In diesem Betrag inbegriffen sind zinsgünstige Darlehen in der Höhe von 1,63 Milliarden US-Dollar, welche das konzessionelle Fenster der Bank, der Asiatische Entwicklungsfonds (ADF), an die ärmsten Länder der Region vergeben hat (2001: 1,36 Mrd. US-$). Gemäss vorläufigen Daten ist das Geschäftsvolumen der ADB im Berichtsjahr leicht angestiegen.

Da die ADB ihre diesjährige Jahrestagung absagen musste, führte der im seco für die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit verantwortliche Delegierte des Bundesrates in seiner Eigenschaft als Schweizer Gouverneur der ADB im September eine bilaterale Mission bei der in Manila ansässigen Institution durch. Gesprächsthemen waren die bevorstehenden Verhandlungen für die neunte Wiederauffüllung des ADF, die strategische Ausrichtung der Bank sowie die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der ADB.

Nach der erfolgreichen Zwischenevaluation der Bank kündigte deren Präsident die Lancierung der neunten Wiederauffüllung des Fonds an. Hiezu fand am 9./10. Oktober in Kopenhagen eine erste Verhandlungsrunde statt. Dabei forderten die USA die Einführung von Schenkungen («grants») anstelle von Krediten. Die Mehrheit der Geberländer teilte aber die Einwände der Schweiz, dass dadurch der 369

Eigenfinanzierungsgrad des Fonds untergraben werden und es zu Überschneidungen mit den Aktivitäten der UNO kommen könnte. Die Schweiz und andere Geberländer schlugen stattdessen eine Lockerung der Darlehenskonditionen vor. Die USA insistierten indessen mit Nachdruck auf ihrem Vorschlag.

6.1.2.3

Interamerikanische Entwicklungsbank

Die Interamerikanische Entwicklungsbank (IDB) ist im Fiskaljahr 2002 Verpflichtungen in der Höhe von 4,55 Milliarden US-Dollar (2001: 7,85 Mrd. US-$) eingegangen. In diesem Betrag inbegriffen sind zinsgünstige Darlehen in der Höhe von 406 Millionen US-Dollar (2001: 443 Mio. US-$), welche das konzessionelle Fenster der Bank, der Fund for Special Operations, an die fünf ärmsten Länder der Region vergeben hat.

Der auffallend starke Rückgang des Kreditvolumens ist auf die schwerwiegenden Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise Argentiniens und das ungünstige weltwirtschaftliche Umfeld zurückzuführen. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass die wirtschaftliche Erholung Argentiniens und Brasiliens sowie die Verbesserung der Weltwirtschaftslage dieser Entwicklung entgegenwirken werden.

Zurzeit wird eine Reorganisation aller Privatsektoraktivitäten der Bank diskutiert.

Eine unabhängige Expertenkommission, in der die Schweiz mit einem Berater vertreten ist, hat kürzlich der Bank empfohlen, die wichtigsten Privatsektoraktivitäten in der Interamerikanischen Investitionsgesellschaft zusammenzufassen.

6.1.3

Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD)

Die EBRD wurde 1991 gegründet, um die Länder Zentral- und Osteuropas sowie der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) im Übergang zu marktwirtschaftlich orientierten Volkswirtschaften zu unterstützen. Die EBRD ist heute in 27 Operationsländern tätig, in denen sie Wettbewerb, Privatisierung und Unternehmertum fördert. Sie verfügt zurzeit über ein Stammkapital von 20 Milliarden Euro und zählt 62 Mitglieder einschliesslich der Europäischen Union (EU) und der Europäischen Investitionsbank (EIB).

Trotz der schwierigen weltwirtschaftlichen Lage erreichte die EBRD im Jahre 2002 das höchste jährliche Geschäftsvolumen seit ihrer Gründung (3,9 Mrd. ; Vorjahr: 3,7 Mrd. ), dies bei einem Budget-Nullwachstum. Der Gewinn belief sich auf 108 Millionen Euro (Vorjahr: 157 Mio. ). Gleichzeitig gelang es der Bank, zusätzliche Gelder in der Höhe von 4,9 Milliarden Euro von privaten Investoren zu mobilisieren. Dieses Ergebnis ist vor allem die Folge eines vergleichsweise stabilen Wirtschaftsklimas in den Operationsländern der Bank. Die weiteren Voraussagen bleiben jedoch angesichts der unsicheren Weltwirtschaftslage, der Volatilität der Rohstoffpreise und den Unwägbarkeiten bei den Reformfortschritten in einigen Transitionsländern risikobehaftet.

370

Die Jahresversammlung der EBRD fand am 4./5. Mai in Usbekistan statt, zum ersten Mal in der Geschichte der Bank in einem zentralasiatischen Land, welches zudem Mitglied der Schweizer Stimmrechtsgruppe ist. Das Treffen, das Vertreter aus Regierung, Privatwirtschaft und NGO zusammenbrachte, war trotz im Vorfeld gehegter Zweifel von einer offenen und konstruktiven Atmosphäre geprägt. Im Vordergrund der Diskussionen im Gouverneursrat stand das Thema Good Governance. Die Erwartungen, dass die usbekische Regierung ein klares Bekenntnis zu wirtschaftlichen und politischen Reformen sowie zur Verbesserung der Menschenrechtssituation ablegen würde, blieben indessen unerfüllt. Die Schweiz rief ihre Partnerländer in Zentralasien auf, die Reformanstrengungen voranzutreiben und dadurch die Voraussetzungen für eine nachhaltige Entwicklung des Privatsektors zu schaffen. Zudem forderte sie von der EBRD, sich vermehrt in kleinen und ärmeren Transitionsländern zu engagieren. In ihrer Rolle als Stimmrechtsgruppenführerin sieht sich die Schweiz veranlasst, sich intensiver mit den Fragen der Guten Regierungsführung in Zentralasien auseinanderzusetzen. Mit dem Ziel, eine kohärente Politik gegenüber diesen Partnerländern zu erreichen, wurde im September eine interdepartementale Koordinationsgruppe unter der Leitung des seco eingesetzt.

Die Schweiz beteiligt sich weiterhin an der Finanzierung der unter der Schirmherrschaft der EBRD stehenden Projekte im Bereich der nuklearen Sicherheit. Diese betreffen Verbesserungen in der Sicherheit von Kernkraftwerken in Osteuropa und Russland, finanzielle Unterstützung bei der Schliessung je eines Kernkraftwerks in Bulgarien (Kozloduy), Litauen (Ignalina) und der Slowakei (Bohunice) sowie die Finanzierung einer Schutzhülle über dem Sarkophag des 1986 explodierten Atomkraftwerks Tschernobyl. Auf die offizielle Anfrage des slowakischen Aussenministers hin entschied die Schweiz, dem Bohunice International Decommissioning Support Fund beizutreten.

6.2

Unterstützungsmassnahmen zugunsten von Entwicklungs- und Transitionsländern

Im Rahmen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit hat sich die Schweiz 2003 mit 166 Millionen Franken in Entwicklungs- und mit 95 Millionen Franken in Transitionsländern engagiert. Die Massnahmen stellen für die Partnerländer einen wichtigen Beitrag dar, ihre Herausforderungen zu bewältigen und die Marktkräfte in den Dienst der Verminderung der Armut zu stellen. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit trägt massgeblich dazu bei, Investitionen und Handel zu fördern und ein Umfeld zu schaffen, welches günstige Rahmenbedingungen für die Wirtschaftstätigkeit und eine bessere Verteilung der Früchte des Wachstums ermöglicht.

Im Berichtsjahr trat der neue Rahmenkredit für die Weiterführung der Finanzierung von wirtschafts- und handelspolitischen Massnahmen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit in Kraft. Die Zusammenarbeit mit Osteuropa und der GUS soll 2004 auf eine neue Grundlage gestellt werden. Dem Parlament wird hiezu eine Botschaft und ein entsprechendes Bundesgesetz unterbreitet werden.

371

6.2.1

Entwicklungsländer

6.2.1.1

Makroökonomische Unterstützung: Budgethilfen und Entschuldungsmassnahmen

Mit Budgethilfen unterstützt die Schweiz reformwillige Entwicklungsländer mit dem Zweck, die volkswirtschaftlichen Bedingungen für eine Verminderung der Armut zu verbessern. Die schweizerische Hilfe fusst auf drei Elementen: erstens soll ein Beitrag zur Finanzierung von umfassenden wirtschaftlichen Reformprogrammen geleistet werden. Zweitens will die Schweiz in einem intensiven Politikdialog mit der Regierung, dem Privatsektor und der Zivilgesellschaft des Partnerlands dazu beitragen, die richtigen Prioritäten im Budgetprozess zu setzen. In diesem Dialog achtet die Schweiz insbesondere auf eine effizientere Funktionsweise der Verwaltungen der Partnerländer und auf eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Privatsektor, insbesondere auch für kleine und mittlere Unternehmen. Drittens leistet die Schweiz technische Hilfe (Aufbau von Institutionen, Ausbildung) in den Bereichen Steuerpolitik und Budgetmanagement. Mit dem Politikdialog und der technischen Hilfe soll sichergestellt werden, dass die schweizerischen Gelder wirksam im Sinne der nationalen Armutsbekämpfungsstrategien und der Millenium Development Goals eingesetzt werden. Um die Hebelwirkung der schweizerischen Gelder zu erhöhen, erfolgt die Unterstützung jeweils im Verbund mit anderen Geberstaaten und in zunehmend engerer Abstimmung mit den Programmen der Weltbank und des Währungsfonds. Im Berichtsjahr gewährte die Schweiz Budgethilfen an Burkina Faso (8 Mio. Fr.), Ghana (7,5 Mio. Fr.), Mosambik (8 Mio. Fr.), Nicaragua (9 Mio. Fr.) und Tansania (8 Mio. Fr.).

Eng verwandt mit den Budgethilfen ist das Instrument der Entschuldungsmassnahmen. Im Berichtsjahr wurden die letzten Auszahlungen unter dem 1991 vom Parlament bewilligten Rahmenkredit für Entschuldungsmassnahmen vorgenommen.

Wie in den Vorjahren konzentrierte sich die Schweiz auf die Unterstützung der Entschuldungsinitiative von Weltbank und IWF und auf Programme zur Verbesserung der Schuldenverwaltung in Partnerländern. Daneben wurde eine international koordierte Entschuldung der Demokratischen Republik Kongo mit 8 Millionen Franken unterstützt.

Der 2002 von der Schweiz zusammen mit der Weltbank, dem IWF, Grossbritannien, Holland und Kanada errichtete Fonds FIRST (Financial Reform and Strengthening Initiative) hat im Berichtsjahr stark an Dynamik gewonnen. Das Programm hat die
Erwartungen, den Partnerländern rasch und unbürokratisch Zugang zu Expertise und Ausbildungsprogrammen im Finanzsektor zu verschaffen, voll erfüllt. Es deckt die gesamte Palette von Finanzsektoraktivitäten ab (z.B. Förderung der nationalen Kapitalmärkte, Verbesserung der Bankenaufsicht, Kampf gegen Geldwäscherei).

Auf bilateraler Basis arbeitete die Schweiz weiter intensiv mit Vietnam zusammen (Aufbau einer Börse, Beratung bei der Restrukturierung des Bankensystems, Beratung von privaten Banken bei der Beurteilung von Kreditrisiken) und verstärkte seine Aktivitäten in Aserbaidschan. Weitere Abklärungen wurden auch in Tansania und Peru getroffen; in diesen Ländern soll die Kooperation im Finanzsektor intensiviert werden.

372

6.2.1.2

Investitionsförderung

Im Berichtsjahr wurde das Mandat für die 1997 vom Bund gegründete Stiftung SOFI (Swiss Organisation for Facilitating Investments) für vier Jahre bis Ende 2007 verlängert. Die SOFI hat zum Ziel, Investitionen in ausgewählten Entwicklungs- und Transitionsländern zu fördern. Sie bietet Informationen über Partnerländer, vermittelt Geschäftskontakte und organisiert Investorenseminare. Für das Angebot an öffentlichen Diensten wird die SOFI vom Bund jährlich mit 4,5 Millionen Franken unterstützt. In Zentralamerika und Bolivien wurde in Zusammenarbeit mit der Schweizer Stiftung FUNDES ein Projekt zur Vereinfachung der Unternehmensregistrierung lanciert. Ferner beteiligte sich die Schweiz an zwei neuen KMUFazilitäten der Weltbankgruppe in Nordafrika und Asien (mit 4,9 Mio. Fr. an der North Africa Enterprise Development und mit 5 Mio. Fr. an der Indonesia Enterprise Development Facility). Sie bezwecken, kleine und mittlere Unternehmen über direkte Unterstützung an Unternehmen (Ausarbeitung von Businessplänen, Vermittlung von Geschäftspartnern, Suche nach Finanzierungen, Managementausbildungen) zu fördern und den Zugang zu Finanzierungen (beispielsweise über Ausbildung von Kreditspezialisten in Banken) sowie das regulatorische Umfeld für KMU zu verbessern.

Im Bereich der Finanzierungen konnten die neu entwickelten Konzepte für die Bereitstellung von Kreditlinien in lokaler Währung und für «grüne Kreditlinien» (Kredite für die Einführung von umweltverträglichen Produktionsmethoden) mit einem Projekt in Ghana (Kreditlinie in lokaler Währung im Umfang von 3,75 Mio.

Fr.) und einem Projekt in Kolumbien (grüne Kreditlinie im Umfang von 8,75 Mio.

Fr.) umgesetzt werden. Das Engagement an Risikokapitalfonds zur Finanzierung von KMU wurde mit einer Beteiligung von 7,5 Millionen Franken am Transandean Fund, 10,5 Millionen Franken am Aureos East Africa Fund und mit 20 Millionen Franken am ASEAN China Investment Fund weiter vertieft.

6.2.1.3

Mischfinanzierungen

Der Einsatz der Mischfinanzierungen wurde über die letzten Jahre konsequent auf entwicklungspolitische Ziele ausgerichtet und wird heute strikt auf kommerziell nicht tragfähige Projekte (vor allem im Bereich soziale Infrastruktur und Umweltschutz) beschränkt, für welche sich eine konzessionelle Finanzierung rechtfertigt.

Die Identifi-kation entsprechender Projekte mit China, Jordanien und Vietnam ist angelaufen. Wieder beansprucht wurde zudem auch die bereits bestehende Finanzierungslinie mit Tunesien, welche während den letzten Jahren kaum mehr benützt wurde. Neben diesen Ländern bestehen noch Mischfinanzierungsaktivitäten mit Ägypten sowie Guatemala und Kolumbien. Die wichtigsten laufenden oder anlaufenden Finanzierungsaktivitäten betreffen zwei Gesundheitsprojekte in Ägypten, Projekte im Umweltbereich (Abfallverbrennung und Abwasserreinigung) in China, ein Projekt im Bereich des Schienenverkehrs in Vietnam sowie ein Katasterprojekt in Guatemala.

Mit dem neuen Rahmenkredit wurde ­ neben den Mischfinanzierungen ­ ein neues Instrument für Infrastrukturfinanzierungen in Entwicklungsländern eingeführt. Es handelt sich um nicht-rückzahlbare Finanzierungszuschüsse für die Unterstützung von Infrastrukturprojekten in ärmeren Empfängerländern, welche in irgend einer 373

Form mit privater Beteiligung realisiert werden sollen (sog. öffentlich-private Partnerschaften). Ein erstes Projekt wurde in Bolivien identifiziert. Es handelt sich um die Ausdehnung der auf Konzessionsbasis durch einen privaten Anbieter betriebenen Wasserversorgung auf ärmere Quartiere der Stadt Palo Alto.

6.2.1.4

Handels- und Umwelttechnologiekooperation

Ein erstes Schwergewicht in der handelsrelevanten Entwicklungszusammenarbeit bestand in der Förderung von wirtschaftlich, sozial und umweltgerechtem Handel in Entwicklungs- und Transitionsländern. So wurden im Hinblick auf die fünfte WTOMinisterkonferenz in Cancún verschiedene Veranstaltungen zum Thema nachhaltiger Handel durchgeführt. Dabei ging es insbesondere um die Förderung von Nischenprodukten, die gemäss anerkannten Umwelt- und Sozialkriterien produziert und entsprechend gekennzeichnet sind. Das zweite Schwergewicht lag in der Stärkung der Befähigung von KMU, im internationalen Handel vermehrt elektronische Mittel zu nutzen. Höhepunkt bildete dabei der Weltgipfel über die Informationsgesellschaft (World Summit on Information Society), welcher Anfang Dezember in Genf stattfand. Im Rahmen des Gipfels hat die Schweiz mehrere Projekte zur Förderung des elektronischen Handels in Entwicklungs- und Transitionsländern lanciert.

Die Dienstleistungen des Swiss Import Promotion Program (SIPPO) wurden vor allem in Vietnam, wo ein grosses Projekt zur Importförderung im Bereich der biologischen Aquakulturen aufgebaut worden ist, sehr positiv aufgenommen. Weitere Importförderungsprogramme hat SIPPO u.a. auch mit Aegypten, Bolivien, Ghana, Indien, Indonesien, Jordanien und Peru durchgeführt. Die Anstrengungen im Importbereich wurden durch substanzielle Programme zur Förderung der Exportkapazitäten ausgewählter Entwicklungsländer ergänzt, so in Vietnam, Laos und Kambodscha. Ziel ist der Aufbau bzw. die Stärkung von Exportförderorganisationen, die Ausarbeitung von nationalen Aussenhandelsstrategien sowie die Beratung von Exporteuren. Ferner konnten zwei umfassende bilaterale Handelsprogramme mit Peru und Bolivien gestartet werden, die vor allem auch der Stärkung des Dialogs im Handelsbereich zwischen Regierung und Privatwirtschaft dienen.

6.2.2

Mittel- und Osteuropa sowie die GUS

Die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Osteuropa und der GUS hat die Unterstützung dieser Länder bei der Schaffung von marktwirtschaftlichen Strukturen zum Ziel. Im Vordergrund stehen die Verbesserung der Basis-Infrastruktur, die Beschleunigung struktureller Reformen, die Förderung des Privatsektors und des Handels sowie die Integration dieser Länder in den internationalen Wirtschaftsverkehr. Die Zusammenarbeit konzentriert sich vor allem auf Südosteuropa (Albanien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Mazedonien, Rumänien, Serbien und Montenegro, Kosovo), auf Zentralasien (Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan) sowie im Südkaukasus auf Aserbaidschan.

374

6.2.2.1

Infrastrukturfinanzierung

Finanzierungen zur Sanierung und Modernisierung der Basis-Infrastruktur tragen dazu bei, die Lebensbedingungen der Bevölkerung zu verbessern und die Voraussetzungen für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu schaffen. Die schweizerische Unterstützung konzentriert sich vor allem auf die Sektoren Energie (Elektrizität und Fernwärme), Wasser (Trinkwasseraufbereitung und Abwasserreinigung) und öffentliche Transporte. Daneben werden auch Projekte im Katasterwesen finanziert. Die Unterstützung ist eingebettet in einen politischen Dialog und wird von Massnahmen zur Verbesserung der institutionellen Strukturen begleitet. Über die letzten Jahre wurde das Finanzierungsprogramm zu Gunsten grösserer Wirksamkeit gestrafft. An neuen Programmen sind der Start eines Energieeffizienzprojekts in Mazedonien sowie Projekte im Bereich Trinkwasser in Kosovo und im Fernwärmebereich in Bulgarien und Rumänien zu nennen. Ferner wurden in Aserbaidschan und Usbekistan je ein Wasserprojekt sowie in Kirgisistan und Tadschikistan Projekte im Elektrizitätsbereich gestartet. Dagegen ist vorgesehen, die Zusammenarbeit mit Russland und der Ukraine vornehmlich auf die Unterstützung multilateraler Programme im Umweltbereich zu reduzieren.

6.2.2.2

Makroökonomische Hilfe

Das zur Verbesserung der Schuldenverwaltung geschaffene Unterstützungsprogramm kommt Aserbaidschan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan zugute. In diesen Ländern liegt das Schwergewicht auf der externen Verschuldung. In Kirgisistan und Tadschikistan umfasst das Programm jedoch auch eine gewichtige Komponente bezüglich der Inlandschuld. Diese Programmkomponente soll zu fiskalpolitischer Stabilität und zum Aufbau von nationalen Kapitalmärkten beitragen. In Aserbaidschan wurde das Projekt zum Aufbau einer dezentralen Tresorerie forgeführt.

6.2.2.3

Investitionsförderung

Das mit der Weltbankgruppe realisierte Assistenzprogramm zur Verbesserung der Rahmenbedingungen und Unterstützung von KMU in Zentralasien (Private Enterprise Partnership) konnte mit Aktivitäten in den Bereichen Corporate Governance und Leasing auf Aserbaidschan ausgedehnt werden. In Südosteuropa wurde die Unterstützung des im Rahmen des Stabilitätspakts lancierten Investment Compact der OECD zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für private Investitionen sowie des Foreign Investment Advisory Service (FIAS) der Weltbank, welche Regierungen bei der Ausgestaltung der Rahmenbedingungen für Investitionen berät, fortgeführt. In Usbekistan und Kasachstan wurde mit der Europäischen Entwicklungsbank das Business Advisory Services Program lanciert, welches KMU verschiedene Beratungsdienste anbietet und den Aufbau von lokalen Dienstleistungserbringern fördert.

Im Bereich der Finanzierungen beteiligte sich die Schweiz mit 3 Millionen Franken an einer Kreditlinie der Europäsichen Entwicklungsbank für KMU in Tadschikistan.

Des Weitern beteiligte sich unser Land mit 7,5 Millionen Franken an dem South

375

Balkan Fund (SEAF), welcher KMU in Serbien, Montenegro und Mazedonien Eigenkapital zur Verfügung stellt.

6.2.2.4

Handels- und Umwelttechnologiekooperation

Der Bundesrat hat im Oktober beschlossen, das Mandat für das Swiss Import Promotion Program (SIPPO) um vier Jahre bis zum 31. Dezember 2007 zu verlängern. Die Dienstleistungen von SIPPO in Osteuropa sind im Berichtsjahr in Rumänien, Bulgarien, Mazedonien sowie in Bosnien und Herzegowina weiter ausgebaut worden. In diesen Ländern fanden exportorientierte KMU Unterstützung in den Bereichen landwirtschaftliche Erzeugnisse, Möbel und Holzprodukte, Textilien, mechanische Produkte und Halbfabrikate sowie Software.

Seit Dezember wird in Serbien und Montenegro ein umfassendes Handelsförderungsprogramm umgesetzt. Nebst den Dienstleistungen von SIPPO in Serbien wird die serbische Regierung in Fragen des WTO-Beitrittes, vor allem bei der WTOkonformen Umsetzung des Konzeptes einer multifunktionalen Landwirtschaft, unterstützt. Im Bereich der Handelseffizienz soll der serbische Zoll bei der Verbesserung der Abfertigung an den Eisenbahn-Grenzübergängen unterstützt werden, damit ­ in Übereinstimmung mit der schweizerischen Verkehrspolitik ­ im Verkehr Südosteuropa-Schweiz mittelfristig wieder mehr Güter auf die Schiene gebracht werden. Neben Bulgarien wird nun auch in Rumänien der Aufbau einer unabhängigen Zertifizierungsstelle für Bioprodukte gefördert.

In Zentralasien (Kirgisistan, Kasachstan, Usbekistan und Tadschikistan) konnte in Zusammenarbeit mit dem internationalen Handelszentrum in Genf (ITC) ein umfassendes regionales Handelsförderungsprogramm mit der Zielgruppe KMU umgesetzt werden. Übergeordnetes Ziel ist es, zur Entwicklung und Diversifizierung des Aussenhandels und damit zum erfolgreichen Einstieg der Länder in das multilaterale Handelssystem beizutragen. Ein ähnliches Programm mit dem ITC konnte für Rumänien und Bulgarien finalisiert werden.

7

Bilaterale Beziehungen Durch die Entsendung von Wirtschaftsmissionen in die aufstrebenden Märkte in Osteuropa, im Mittleren Osten, Maghreb, Asien und Südamerika wurden die bilateralen Kontakte auf allen Ebenen vertieft. Auch die Besuche mehrerer Staatspräsidenten und Regierungschefs in der Schweiz boten Gelegenheit zur Erörterung von Wirtschaftsfragen. Mit Singapur und Chile sind im Rahmen der EFTA ausgehandelte Freihandelsabkommen am 1. Januar 2003 in Kraft getreten bzw. am 26. Juni unterzeichnet worden. Auf dem Gebiet des Investitionsschutzes traten bilaterale Abkommen mit Kirgisien und Nigeria in Kraft; ein entsprechendes Abkommen wurde mit Libyen unterzeichnet.

376

7.1

Westeuropa

Der wirtschaftliche Krebsgang und eine abnehmende Investitionstätigkeit in praktisch allen westeuropäischen Ländern zeigten Auswirkungen auf den Handel dieser Länder mit der Schweiz. Mit Deutschland, dem weitaus bedeutendsten Handelspartner der Schweiz, konnte das Handelsvolumen zwar leicht gesteigert werden, es blieb aber noch deutlich unter dem Stand von 2001. Die verbesserten Konjunkturaussichten in den meisten westeuropäischen Ländern für 2004 werden auch positive Auswirkungen auf die Schweiz haben.

Im Berichtsjahr fanden wiederum verschiedene bilaterale Kontakte auf Regierungsebene statt. Diese dienten dazu, die schweizerischen Positionen im europäischen Integrationsprozess ­ namentlich im Rahmen der laufenden Verhandlungen zu den «Bilateralen II» ­ darzulegen, bilaterale Wirtschaftsprobleme zu erörtern und die Positionen zu multilateralen Themen zu besprechen.

In diesem Zusammenhang ist der Staatsbesuch des italienischen Präsidenten Ciampi im Mai zu erwähnen. An der jährlichen Tagung der Wirtschaftsminister Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, welche Ende Oktober turnusgemäss in Bonn stattfand, traf sich der Vorsteher des EVD mit seinen Ministerkollegen Clement und Bartenstein. Anlässlich dieses Treffens konnten im Verhältnis zu Deutschland Marktzutrittsprobleme bei grenzüberschreitenden Finanzdienstleistungen aus der Schweiz zur Sprache gebracht und erreicht werden, dass Deutschland bei den EUSchutzmassnahmen für Stahl auf die Einforderung von Barhinterlagen verzichtet. Im Verhältnis zu Österreich gelang es, auf Ende 2003 das Importverbot für lebende Rinder zu beseitigen, nachdem im Januar bereits das österreichische Importverbot für Sperma aufgehoben worden war. Im November weilte der Vorsteher des EVD zu einem Arbeitsbesuch in Paris. Gelegenheit zum Meinungsaustausch mit europäischen Amtskollegen ergab sich für den Vorsteher des EVD und für den Staatssekretär für Wirtschaft anlässlich der WTO-Ministerkonferenz im September in Cancún (Mexiko). Eine grosse Delegation mit zahlreichen Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung unternahm unter der Leitung des Staatssekretärs für Wirtschaft, des Staatssekretärs für Wissenschaft und Forschung sowie des Direktors des Bundesamtes für Bildung und Technologie Ende November eine Mission nach Lyon und Grenoble. Hieraus sollen auf dem Gebiet der Spitzentechnologie im Medizinalbereich neue Partnerschaften mit Unternehmen und Forschungsinstituten in der Region Rhône-Alpes entstehen.

7.2

Mittel- und Osteuropa sowie die GUS

Alle Länder Mittel- und Osteuropas wiesen durchschnittlich höhere Wachstumsraten auf als jene der Eurozone. Mittel- und Osteuropa vermochte sich weiterhin als sehr dynamische Region für den Schweizer Aussenhandel zu behaupten.

Im März führte der Vorsteher des EVD eine Wirtschaftdelegation nach Polen. Ziel dieses Besuches war es, die Beziehungen zu unserem wichtigsten Exportmarkt und Bestimmungsland für Schweizer Direktinvestitionen in Mittel -und Osteuropa enger zu gestalten und den Wirtschafts- und Handelsaustausch zu intensivieren. Anlässlich dieses Besuchs weihte der Vorsteher des EVD den Swiss Business Hub in der Schweizer Botschaft ein.

377

Der Beitritt von acht Staaten aus Mittel- und Osteuropa zur EU am 1. Mai 2004 dürfte einen positiven Einfluss auf die Wirtschaftsbeziehungen dieser Länder mit der Schweiz haben, nicht zuletzt auch deshalb, weil unsere wirtschaftsvertraglichen Beziehungen mit der EU wesentlich weiter gehen als jene mit den mittel- und osteuropäischen Ländern. In Volksabstimmungen bekräftigten diese Länder ihre europäische Wahl und den Willen zur weiter gehenden Integration.

Im GUS-Raum erwies sich Russland mit einem BIP-Wachstum von rund 6 Prozent erneut als Motor der wirtschaftlichen Entwicklung. Positiv vermochten sich ausserdem die Ukraine, Kasachstan und Aserbaidschan ins Bild zu setzen. Im zweiten Glied verharrten die südlichen Staaten Zentralasiens, Transkaukasiens (ohne Aserbaidschan) sowie Belarus. Der bilaterale Handel mit den wirtschaftlich stärksten GUS-Mitgliedern nahm bei den Ausfuhren im Vorjahresvergleich kräftig zu. Das Investitionsaufkommen blieb in den GUS-Staaten dagegen weiterhin schwach, auch wenn Russland, die Ukraine und Aserbaidschan bei den ausländischen Investoren etwas stärkere Berücksichtigung fanden. Eine weitere Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wird den Investitionsfluss in die GUS-Staaten verstärken.

Die Beitrittsverhandlungen Russlands, der Ukraine, Kasachstans und Belarus zur WTO dauern an. Die vier Staaten haben im September beschlossen, in den kommenden Jahren unter sich einen gemeinsamen Wirtschaftsraum aufzubauen.

Im bilateralen Rahmen fanden verschiedene Besuche statt. Im Januar weilte der kasachische Staatspräsident Nazarbajew zu einem Arbeitsbesuch in der Schweiz. Im März erfolgte ein Besuch des ukrainischen Regierungschefs Janukowitsch. Im April führte der Staatssekretär für Wirtschaft eine Delegation von KMU-Vertretern in die Ukraine. Im Mai eröffnete er in Aserbaidschan eine von der Schweiz als Hauptsponsorin finanzierte internationale Investorenkonferenz, was ihm Gelegenheit zu bilateralen Kontakten bot. Der Vorsteher des EVD nahm im Juni an der EBRDJahrestagung in der usbekischen Hauptstadt Taschkent teil. Ferner wurde im März eine ordentliche Tagung der Gemischten Schweizerisch-Russischen Wirtschaftskommission in der Schweiz durchgeführt. Im Oktober tagte zudem erstmals die Gemischte Wirtschaftskommission Schweiz-Kasachstan in Astana.

Mit dem
Inkrafttreten eines Investitionsschutzabkommens mit Kirgisistan (17.4.2003) und eines Doppelbesteuerungsabkommens mit Usbekistan (15.8.2003) wurde das bilaterale Vertragsnetz weiter ausgebaut.

7.3

Südosteuropa

Südosteuropa hat die kriegsbedingte wirtschaftliche Instabilität überwunden. Allerdings zeichnet sich immer deutlicher eine disparitäre wirtschaftliche Entwicklung ab. Bulgarien, Kroatien und Rumänien erholen sich deutlich rascher als die anderen Länder der Region. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten manifestieren sich vor allem in Ländern, die unter innenpolitischer Instabilität leiden und noch nicht in der Lage sind, die für ausländische Investitionen nötige Sicherheit zu gewährleisten. Die hohe Arbeitslosigkeit und insbesondere die Entindustrialisierung stellt diese Länder vor grosse Herausforderungen.

Die Wirtschaftsreformen in Belgrad beginnen allmählich zu greifen, so dass mittlerweile eine Reihe wichtiger struktureller Reformfortschritte vorgewiesen werden

378

kann. Im Beitrittsprozess zur WTO und bei der Annäherung an die EFTA wird Serbien und Montenegro von der Schweiz unterstützt.

Albanien sowie Bosnien und Herzegowina werden trotz makroökonomischer Stabilisierung noch für längere Zeit auf internationale Hilfe angewiesen sein. In Albanien stellen die grossen Energieversorgungsengpässe nach wie vor ein ernsthaftes Problem für die Industrieproduktion dar. Die Schweiz gewährt Albanien sowie Bosnien und Herzegowina weitgehende Zollpräferenzen. Damit soll für ihre industriellen und landwirtschaftlichen Exportgüter der Zugang zum Schweizer Markt erleichtert werden. Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Mazedonien, Rumänien sowie Serbien und Montenegro sind Schwerpunktländer im Rahmen des Swiss Import Promotion Program (SIPPO), das deren Exportbemühungen unterstützt (vgl. Ziff. 6.2.2.4).

Der Wiederaufbau der Länder Südosteuropas wird im Rahmen des «Stabilitätspakts für Südosteuropa» international unterstützt. Wichtige wirtschaftliche Initiativen des Stabilitätspakts sind der Investment Compact und die Trade Initiative, an denen die Schweiz massgeblich beteiligt ist. Daneben realisiert unser Land im Rahmen des Stabilitätspaktes eine grössere Zahl von Energie-Infrastrukturprojekten in der Region.

Der Aufbau von bilateralen vertraglichen Beziehungen zwischen der Schweiz und den Ländern Südosteuropas wird zielstrebig weitergeführt. Mit Bosnien und Herzegowina wurde ein Investitionsschutzabkommen unterzeichnet und Verhandlungen über ein Doppelbesteuerungsabkommen sind im Gange.

Die Investitionstätigkeit von Schweizer Unternehmen in den Ländern Südosteuropas ist nach wie vor gering, aber zunehmend. Rund drei Viertel des Güteraustauschs der Schweiz in dieser Region wird mit Bulgarien, Kroatien und Rumänien getätigt. Das Potenzial der betreffenden Wirtschaften lässt in den kommenden Jahren eine Intensivierung erwarten. Zur Auslotung dieser Perspektive besuchte eine vom seco angeführte Wirtschaftsdelegation im Juni Kroatien.

7.4

Nordamerika

Die US-Wirtschaft zeichnete sich im dritten Quartal durch eine unerwartet deutliche Bestätigung des Aufschwungs (Wachstum von 8,2 %) aus. Zudem ist das Wachstum erstmals wieder deutlich breiter abgestützt. Das kräftige Wachstum ist wesentlich durch die überaus expansive Wirtschaftspolitik bestimmt. Mit dem Auslaufen dieser Impulse wird sich der Wachstumsrhythmus im 2004 normalisieren.

Der Aufschwung in den Vereinigten Staaten hat sich allerdings noch nicht im Handelsverkehr mit der Schweiz niedergeschlagen. In den ersten acht Monaten entwickelte sich der Handel rückläufig, und zwar sowohl hinsichtlich der schweizerischen Exporte in die USA (9,5 Mrd. Fr. bzw. ­9,3 %), als auch der Importe aus den USA (4,3 Mrd. Fr. bzw. ­22,1 %).

Im Januar 2003 weilte der amerikanische Wirtschaftsminister zu einem offiziellen Arbeitsbesuch in Bern. Dieser bilaterale Kontakt konnte am Rande des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos anlässlich des Treffens der bilateralen Wirtschaftskommission Schweiz-USA (JEC) vertieft werden. Ausserdem führten der Vorsteher des EVD und sein amerikanischer Amtskollege gemeinsam mit führenden Wirtschaftsvertretern der beiden Länder ein Diskussionsforum zum Thema «Restoring confidence: New standards for corporate accountability» durch. Hervorzuheben sind 379

des Weiteren die Teilnahme des Bundespräsidenten an der Eröffnung des Festivals «Swiss-Peaks», das von Präsenz Schweiz im Februar in New York organisiert wurde, eine Mission des Staatssekretärs für Wirtschaft im selben Monat nach Washington sowie die Teilnahme des Bundespräsidenten am G8-Jahresgipfel in Evian, an dem auch Vertreter von Entwicklungs- und Schwellenländern anwesend waren.

Im September unterzeichneten der Bundespräsident und der US- Gesundheitsminister ein Memorandum of Understanding (MoU), das eine engere Zusammenarbeit zwischen dem schweizerischen Heilmittelinstitut (Swissmedic) und der US Food and Drug Administration (FDA) auf den Gebieten Human- und Tierarzneimittel sowie Medizinprodukte vorsieht und zwischen den beiden Behörden zu einem besseren Informationsaustausch (z.B. Marktüberwachungsdaten) führen soll. Ferner wurde mit der FDA ein gemeinsames Inspektionsprogramm im Bereich der Herstellungskontrollen vereinbart, das zusammen mit dem MoU die notwendige Vertrauensbasis zwischen Swissmedic und FDA für die von der Schweiz angestrebte gegenseitige Anerkennung von Inspektionsberichten und Zertifikaten über die «Gute Herstellungspraxis» (GMP) schaffen soll.

Wie andere Länder ist auch die Schweiz mit den negativen Auswirkungen von amerikanischen Sicherheitsmassnahmen ­ insbesondere auf dem Gebiet der internationalen Transporte und im Zollbereich ­ sowie der Bekämpfung des Bioterrorismus (Importanforderungen der USA im Nahrungsmittelbereich) konfrontiert. Konsultationen sind im Gange, um die Unannehmlichkeiten für unsere Wirtschaft möglichst gering zu halten. Die vom Repräsentantenhaus im Rahmen der Verabschiedung des Verteidigungsbudgets 2004 vorgeschlagene Einführung einer «Buy American»Klausel, die ausländische Zulieferungen an die amerikanische Rüstungsindustrie stark erschwert, wenn nicht gar verunmöglicht hätte, wurde im Differenzbereinigungsverfahren mit dem Senat stark abgeschwächt. Die nun verabschiedete Klausel sieht zwar weiterhin Massnahmen gegen Länder vor, die wegen militärischer oder Antiterror-Operationen die Ausfuhr von militärischen Gütern oder die Erbringung von Dienstleistungen gegenüber den USA beschränken. Diese Regel gilt jedoch erst ab Inkrafttreten des Gesetzes und ist somit nicht rückwirkend. Zudem dürften ausländische Werkzeugmaschinen auch bei grösseren
Verteidigungsprojekten nach wie vor zum Einsatz gelangen. Das Verteidigungsministerium wurde jedoch beauftragt, ein Anreizprogramm zur Verwendung amerikanischer Werkzeugmaschinen vorzubereiten. Der Vorsteher des EVD hatte sich in Washington entschieden gegen eine Aufnahme der «Buy American»-Klausel eingesetzt.

Was die im März 2000 von den USA eingeführten Schutzzölle auf Stahlimporten betrifft, wurde im dagegen angestrengten WTO-Streitbeilegungsverfahren entschieden, dass die USA diese Schutzzölle aufheben müssen (vgl. Ziff. 8.2.1), was inzwischen erfolgt ist.

Dank einer starken Binnennachfrage und des Aufschwungs der US-Wirtschaft dürfte das Wachstum der kanadischen Wirtschaft andauern und Kanada sich wahrscheinlich weiterhin im Vorfeld der Industrieländer befinden. In den ersten acht Monaten des Berichtsjahres gingen die Exporte der Schweiz nach Kanada auf 938,4 Millionen Franken zurück (­11,9 %) während unsere Importe aus Kanada auf 352,1 Millionen Franken (+8,4 %) anstiegen. Bilaterale und multilaterale Treffen boten der Schweiz Gelegenheit, ihr Interesse am Abschluss eines Freihandelsabkommens mit Kanada im Rahmen der EFTA erneut zu bekräftigen. Die Verhandlungen sind wegen Differenzen in der Frage des Schiffbaus nach wie vor blockiert.

380

Stärken der mexikanischen Wirtschaft ­ geringe Inflation, grosse Devisenreserven und eine grundsätzlich stabile Landeswährung ­ kontrastieren mit einem geringen Wachstum und fehlender Dynamik des Marktes. In den ersten acht Monaten des Berichtsjahres gingen die Exporte der Schweiz nach Mexiko (567,5 Mio. Fr.) um 13 Prozent zurück, während die Importe der Schweiz (151,2 Mio. Fr.) um 18,7 Prozent zunahmen.

Am 7. November fand in Genf die zweite Sitzung des Gemischten Ausschusses des Freihandelsabkommens EFTA-Mexiko statt (vgl. Ziff. 4.3).

7.5

Zentral- und Südamerika

Die gegenüber 2002 verbesserte Wirtschaftsentwicklung in Lateinamerika unterscheidet sich von Land zu Land beträchtlich. Mexiko, Zentralamerika und die Karibik hängen stark von den USA ab, und die ermutigenden Resultate der USWirtschaft im Verlauf des Berichtsjahres lassen einen positiven Einfluss für diese Region erwarten. Für Venezuela und Kolumbien, die weniger stark vom US-Markt abhängig sind, stellen ihre internen Probleme eine grosse Herausforderung dar: Venezuela dürfte einen Rückgang des Bruttoinlandproduktes aufweisen und das Wirtschaftswachstum in Kolumbien droht sich zu verzögern.

Die Wirtschaft im südlichen Teil des Subkontinentes, vor allem in Argentinien, Brasilien und Chile ­ deren Aussenhandel breit auf die Region sowie auf die übrigen weltwirtschaftlichen Räume ausgerichtet ist ­, hat sich ebenfalls unterschiedlich entwickelt.

In Chile hat sich die Wirtschaftslage vor allem dank dem Freihandelsabkommen mit den USA deutlich verbessert. Die Wirtschaft Argentiniens erholt sich von der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise; das Wachstum wird jedoch durch strukturelle Probleme (Scheitern des Finanzsystems, fragliche Regelung der Auslandsverschuldung) behindert. In Brasilien bemüht sich die Regierung, eine von den internationalen Märkten akzeptierte Wirtschaftspolitik mit der Bekämpfung der Armut in Einklang zu bringen. Das von Brasilien angewandte Wirtschaftsmodell könnte Auswirkungen auf den ganzen Subkontinent zeitigen. Brasilien spielte auch eine wichtige Rolle bei den WTO-Verhandlungen in Cancún, wo es gemeinsam mit Argentinien die Interessen der Landwirtschaftsprodukte exportierenden Entwicklungsländer vertrat.

Die Bemühungen um die regionale Integration fanden ihren Niederschlag im Assoziierungsabkommen Perus mit dem Mercosur (Brasilien, Argentinien, Paraguay, Uruguay). Brasilien möchte die Integration Lateinamerikas vorantreiben, besonders diejenige zwischen den Ländern der Andengemeinschaft und denen des Mercosur.

Diese Länder erhoffen sich davon eine Stärkung ihrer Position in den Verhandlungen mit den USA über ein panamerikanisches Freihandelsabkommen (FTAA), aber auch in ihren Verhandlungen mit der EU.

Im Handelsverkehr zwischen der Schweiz und den Ländern dieser Region (Südamerika, Zentralamerika und die Karibik ohne Mexiko) ist in den ersten acht Monaten des Berichtsjahres
ein Rückgang sowohl der Importe als auch der Exporte zu verzeichnen. Die Importe im Wert von 654,3 Millionen Franken gingen um 44,6 Prozent zurück. Besonders auffallend ist die Abnahme der Einfuhren aus Brasilien (­53,6 %) und Kolumbien (­87 %). Die schweizerischen Exporte in diese Region im 381

Wert von 1551,7 Millionen Franken verminderten sich gegenüber der Vorjahresperiode um 14,8 Prozent, diejenigen nach Venezuela sogar um 62,4 Prozent.

Das Weltwirtschaftsforum von Davos bot auch im Berichtsjahr Gelegenheit zu Kontakten auf hoher Ebene, unter anderem mit den Präsidenten Mexikos, Kolumbiens, Perus, Brasiliens und Argentiniens. Die Beziehungen mit den Partnern aus dieser Region konnten anlässlich des Besuchs zahlreicher Staatschefs und Minister in Lausanne Ende Mai auf dem Weg zum G8-Gipfel in Evian sowie im Rahmen der Lateinamerikanischen Handelskammer in der Schweiz weiter vertieft werden.

Im Juni reiste der Staatssekretär für Wirtschaft mit einer gemischten Wirtschaftsdelegation nach Peru und Bolivien. In diesen beiden Ländern unterhält das seco mehrere Programme für wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit. Der Besuch ermöglichte die Lancierung von Projekten im Bereich der Handelsförderung und der Investitionen.

Im September reiste der Vorsteher des EVD nach Brasilien, um multilaterale und anstehende bilaterale Fragen zu erörtern. Da die Reise einige Tage vor dem WTOMinistertreffen in Cancún begann, traf sich die Schweizer Delegation mit den wichtigsten brasilianischen WTO-Verhandlungsleitern wie dem Landwirtschaftsminister, dem Finanzminister und dem Aussenhandelsminister, um die Positionen beider Länder in der WTO zu besprechen. Das Treffen mit dem Präsidenten erlaubte der Schweizer Delegation, sich über die zunehmende Bedeutung Brasiliens in der internationalen Politik ein Bild zu machen. In den verschiedenen Gesprächen wurden den brasilianischen Behörden die bilateralen Anliegen wie das Investitionsschutzabkommen, das Doppelbesteuerungsabkommen, ein mögliches Freihandelsabkommen EFTA-Mercosur, eine effiziente Umsetzung des TRIPS-Abkommens und eine Lockerung der Preiskontrollen im Pharmabereich in Erinnerung gerufen.

In Begleitung von Wirtschaftsvertretern begab sich eine Delegation des seco nach Argentinien, um die neusten Entwicklungen auf politischer und wirtschaftlicher Ebene vor Ort zu erkunden und bilaterale Fragen zu besprechen. Die Ankunft der Delegation erfolgte gleichzeitig mit der Vergabe eines neuen IWF-Kredites, der den Weg für die Restrukturierung der Aussenschulden Argentiniens und den Zugang zum internationalen Kapitalmarkt ebnen soll. Wie für den Nachbar
Brasilien, steht für Argentinien die regionale Integration im Rahmen des Mercosur im Vordergrund.

Am 26. Juni 2003 konnte das Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und Chile unterzeichnet werden, dessen Inkrafttreten für das erste Quartal 2004 vorgesehen ist. Der Dialog zu einer Intensivierung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Zonen EFTA und Mercosur wurde fortgesetzt. Mit Kolumbien wurden erneut Verhandlungen über ein Investitionsschutzabkommen geführt. Gespräche auf diesem Gebiet fanden auch mit Ecuador statt, die zu einer Erneuerung des Abkommens von 1968 führen sollen. Entsprechende Verhandlungen mit Guyana und Belize stehen kurz vor dem Abschluss. Ferner sollen demnächst Investitionsschutzabkommen mit der Dominikanischen Republik sowie Trinidad und Tobago unterzeichnet werden können. Als Folge der verschiedenen Kontakte der letzten Jahre mit Peru werden Anfang 2004 Verhandlungen über ein Doppelbesteuerungsabkommen aufgenommen.

382

7.6

Asien/Ozeanien

Trotz der Sars-Epidemie und des Irak-Krieges kann für die Region Asien und Ozeanien gesamthaft eine positive Bilanz gezogen werden. Sars hat bisher kaum tiefgreifende Konsequenzen auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der betroffenen Gegenden gehabt, mit Ausnahme teilweise von Singapur und Hong Kong. Mehrere Länder der Region erreichten Wachstumsraten von über 5 Prozent, und zwar nicht nur China (mit über 8 %), sondern auch Indien, Pakistan, Thailand und Vietnam.

Chinas markanter Aufstieg hat sich in diesem Jahr weiter fortgesetzt. Die Modernisierung der Wirtschaft ist voll im Gange und ausländische Investitionen fliessen in grossem Masse ins Land. Sein Wachstum wird zum einen durch eine massive Steigerung der Exporte, zum andern durch die Inlandnachfrage einer expandierenden Mittelklasse begründet. Mit einer Zunahme der Schweizer Exporte in den ersten acht Monaten des Berichtsjahres um 27 Prozent ist China neu auf den zweiten Rang unter unseren Handelspartnern in Asien aufgestiegen. Hierbei spielt Chinas Markt besonders für den Maschinensektor eine wichtige Rolle (63 % der Exporte). Ausserdem profiliert sich China als einflussreicher Akteur in der WTO und in andern internationalen Organisationen und Gremien. Wirtschaftlich hat Japan ­ nach mehreren Krisenjahren ­ mit seiner Rückkehr auf den Wachstumspfad überrascht. Dazu beigetragen haben auch die eingeleiteten Reformen und die positive Entwicklung der Auslandnachfrage. Demgegenüber befindet sich Südkorea in einer weniger günstigen Situation: Den 2002 aufgrund hohen Wachstums geweckten optimistischen Erwartungen folgten nur mittelmässige Resultate. Die neue Regierung kommt mit ihrem Reformprogramm nicht recht voran und verbreitete Arbeitskonflikte lassen ausländische Investitionen weiter sinken. Hingegen weist Taiwan ­ nach der bewältigten Sars-Krise ­ gute Leistungen auf, die grösstenteils auf einen Anstieg der internationalen Nachfrage auf den Gebieten der Informations- und Kommunikationstechnologien zurückzuführen sind. Bei Taiwan handelt es sich ebenfalls um einen für die Schweizer Exporte stark expandierenden Markt.

Südostasiens Ansehen hat in den letzten Jahren unter negativen Faktoren (SarsEpidemie, Asien-Krise, Terroranschläge, Konjunkturflaute) gelitten. Die ASEANStaaten stehen bezüglich Marktgrösse, ArbeitskräftepotenziaI und
Investitionsattraktivität im Schatten von China und Indien. Die Mitgliedsländer sind daher bestrebt, die wirtschaftliche Integration zu beschleunigen (AFTA-ASEAN Free Trade Area, in Kraft seit Anfang 2002). Überdies ist kürzlich der Grundstein zur Errichtung von Freihandelsabkommen mit China, Japan und Indien innerhalb der kommenden zehn Jahre gelegt worden. Das Wachstum in der Region hängt aber immer noch stark von der Nachfrage aus den USA, der EU und Japan ab. Für das Berichtsjahr wird mit einer leichten Abschwächung auf 3,9 Prozent gerechnet. Indien weist ein breit abgestütztes Binnenwachstum auf, das auch für die Schweizer Wirtschaft zunehmend interessante Marktchancen eröffnet. Das Land, das wichtige Reformen für die wirtschaftliche Öffnung des Landes unternommen hat, ist daran, sich in bestimmten Hochtechnologiegebieten (insbesondere IT) zu einem Zentrum zu entwickeln. In den nächsten Jahren soll daher die indisch-schweizerische Zusammenarbeit im Wissenschafts- und Technologiebereich stärker gefördert werden. In Pakistan hat sich die Wirtschaftslage ­ u.a. dank einem massiven Umschuldungsprogramm ­ weitgehend stabilisiert.

383

Nach einem im Vorjahr überaus günstigen Verlauf der Wirtschaftsentwicklung in Australien und Neuseeland verlangsamte sich das wirtschaftliche Wachstum 2003 etwas, blieb aber mit rund 2,5 Prozent deutlich über dem Mittel der OECD-Länder.

Im Rahmen einer Mission zur Förderung des schweizerischen Wirtschaftsstandorts besuchte der Staatssekretär für Wirtschaft im Mai Japan. Anlässlich der sechsten Wirtschaftskonsultation Schweiz-Japan im Juni in Tokio wurden bilaterale Fragen wie der Zugang von schweizerischen Produkten zum japanischen Markt erörtert. In der zweiten Jahreshälfte begab sich eine gemischte Wirtschaftsdelegation unter Führung des Vorstehers des EVD nach Südkorea und Hong Kong. Während in Seoul den Themen Technologie und Innovation besonderes Gewicht zukam, unterstrich die Visite in Hong Kong generell das Interesse der Schweiz an diesem wichtigen Handelspartner. Im Anschluss reiste ein Teil der Delegation weiter in die Philippinen, wo ebenfalls Gespräche auf Ministerebene stattfanden. Im November unternahm der Bundespräsident an der Spitze einer Delegation eine Reise nach China, bei der Wirtschaftsaspekten (vgl. Ziff. 8.6) ein hoher Stellenwert eingeräumt wurde. Der Besuch in Beijing erlaubte es, wertvolle Kontakte zur neuen chinesischen Führung zu knüpfen. Zu erwähnen sind schliesslich der offizielle Besuch des afghanischen Präsidenten Karzei in der Schweiz sowie das Treffen zwischen dem vietnamesischen Vize-Premierminister VU Khoan und dem Vorsteher des EVD in Bern.

Am 1. Januar 2003 ist das Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und der Republik Singapur in Kraft getreten (vgl. Ziff. 4.3).

7.7

Mittlerer Osten

Die Wirtschaftsentwicklung des Mittleren Ostens wurde vor allem durch den Krieg im Irak und durch die Zuspitzung des Konfliktes zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten geprägt. Die allgemeine Unsicherheit und angespannte Lage haben zu einem Rückgang des Tourismus in der Region geführt und einen erheblichen Anstieg des Erdölpreises bewirkt. Der intraregionale Handelsverkehr ist weitgehend gelähmt. Die hohe Verschuldungsrate und die Notwendigkeit, neue Arbeitsplätze zu schaffen, zählen nach wie vor zu den grossen Herausforderungen der Region. Probleme erwachsen auch aus den grossen Disparitäten zwischen wirtschaftlich entwickelten, aber unterbevölkerten Ländern (Erdölproduzenten) und Gebieten, die arm, jedoch überbevölkert sind.

Die ungünstige geopolitische Lage hat auch den Handelsverkehr zwischen der Schweiz und der Region beeinträchtigt. In den ersten neun Monaten sind die schweizerischen Importe um 17 Prozent und die Exporte um 8 Prozent zurückgegangen.

Der Vorsteher des EVD hat im Mai den iranischen Wirtschafts- und Finanzminister zu einem Arbeitsgespräch empfangen. Die Unterredungen hatten hauptsächlich die Wirtschaftslage der beiden Länder, die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen sowie Möglichkeiten zur Stärkung der Zusammenarbeit zum Inhalt. Zurzeit steht ein bilaterales Wirtschaftskooperationsabkommen in Aushandlung.

Mitte Juni tagten in Genf die gemischten Ausschüsse EFTA-Israel und EFTA-PLO.

Unter anderem wurde die Frage der territorialen Anwendung der jeweiligen Abkommen behandelt.

384

Anfangs September besuchte der Staatssekretär für Wirtschaft Israel und die Palästinensische Behörde in Ramallah. In Israel traf der Staatssekretär den Minister für Handel, Industrie und Arbeit sowie den Wissenschaftsminister. Im Mittelpunkt der Unterredungen standen die Auswirkungen der Intifada auf die israelische Wirtschaft, die Schwierigkeiten der regionalen Handelsintegration sowie die territoriale Anwendung des Abkommens zwischen den EFTA-Staaten und Israel. Auch wurde die Möglichkeit erörtert, zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Forschungsinstituten der beiden Länder eine aus Wirtschaftsfachleuten und Wissenschaftern bestehende Mission (seco-BBT-GWF) in Israel durchzuführen. In Ramallah unterhielt sich der Staatssekretär mit dem Wirtschafts-, dem Finanz- und dem Arbeitsminister. Zur Sprache kamen die wirtschaftliche Lage in den palästinensischen Gebieten, die territoriale Anwendung des Abkommens zwischen den EFTAStaaten und der Palästinensischen Behörde sowie schweizerische Unterstützungsmöglichkeiten des palästinensischen Privatsektors. Sowohl in Israel als auch in Ramallah traf sich der Staatssekretär mit Vertretern lokaler Unternehmen.

Ende Oktober fand in Madrid die internationale Geberkonferenz über den Wiederaufbau im Irak statt. Die finanziellen Zusagen der Geberländer belaufen sich auf insgesamt 33 Milliarden US-Dollar. Dabei handelt es sich vorwiegend um Kreditgarantien und Darlehen; ein geringer Teil besteht aus Schenkungen. Die Schweiz stellte u.a. eine Beteiligung an der Umschuldung der bilateralen Aussenschuld Iraks im Rahmen der Verhandlungen des Pariser Klubs und eine mögliche Zusammenarbeit der ERG mit der neu gegründeten Trade Bank of Iraq (TBI) in Aussicht.

Im Oktober hielt sich eine vom Staatssekretär für Wirtschaft geführte Wirtschaftsdelegation im Libanon auf, wo Begegnungen mit Staatspräsident Emile Lahoud, mit Premierminister Rafic Hariri und weiteren Ministern stattfanden. Die Delegation nahm auch an der schweizerischen Promotionswoche vom 11.­19. Oktober teil.

Zwischen der «Swiss Organisation for Facilitating Investments» (SOFI) und der «Investment Development Authority of Lebanon» (IDAL) wurde ein Zusammenarbeitsprotokoll unterzeichnet.

Im Rahmen der Zusammenarbeitserklärung zwischen den EFTA Staaten und den Mitgliedstaaten des
Golf-Kooperationsrates (GCC) fand in Riad im Januar 2003 das erste Treffen des Gemischten Ausschusses statt. Dabei äusserten die Mitglieder des GCC den Wunsch, unverzüglich Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen aufzunehmen.

7.8

Afrika

Die bereits 2002 sich abzeichnende Entspannung der politischen Situation in verschiedenen Staaten des schwarzen Kontinents hielt an; Erfolge sind vor allem aus Angola, der Demokratischen Republik Kongo, Liberia, Madagaskar, Sierra Leone und Sudan zu vermelden. Der demokratische Machtwechsel in Kenia und die dort eingeleiteten Reformen haben bereits zu einer Verbesserung der Rahmenbedingungen geführt. In Burundi und in Côte d'Ivoire geben gewisse Fortschritte zu Hoffnungen Anlass, auch wenn die allgemeine politische Lage weiterhin kritisch ist.

Das einst wohlhabende Simbabwe versinkt immer mehr in eine politische und wirtschaftliche Krise, welche das Land auf Jahre hinaus nachhaltig schwächen wird.

385

Das für Afrika erhoffte Wirtschaftswachstum blieb wegen der internationalen politischen und wirtschaftlichen Turbulenzen, aber auch wegen interner Konflikte und Naturkatastrophen unter den Erwartungen. Der IWF rechnet für das Berichtsjahr immerhin mit einem Wachstum des BIP von 3,7 Prozent. Für die stärkste Volkswirtschaft der Region, Südafrika, wird ­ bei abnehmender Inflation ­ ein Wachstum von 2,5 Prozent erwartet. Für das Wirtschaftswachstum der Erdöl produzierenden Länder wirkte sich die Entwicklung der Rohölpreise positiv aus. Die Zuflüsse ausländischer Direktinvestitionen konzentrierten sich hauptsächlich auf den Erdölsektor.

Der schweizerische Warenverkehr mit Afrika weist in den ersten neun Monaten eine negative Bilanz auf (­304 Mio. Fr.). Zwar nahmen die Importe aus Afrika um 9,4 % zu, hingegen gingen die schweizerischen Exporte um 12,4 Prozent zurück. Der Anteil Afrikas am globalen Aussenhandel der Schweiz beträgt exportseitig 1,5 Prozent und importseitig 1,9 Prozent.

Der Vorsteher des EVD besuchte mit einer Wirtschaftsdelegation am 11./12. Mai das Königreich Marokko, wo er mit Regierungsmitgliedern Gespräche führte. Die Wirtschaftsdelegation traf sich in Casablanca mit Vertretern der marokkanischen Privatwirtschaft. Der Besuch im Königreich gab ihr auch Gelegenheit, zwei vom seco finanzierte Projekte ­ das Centre marocain de production propre (CMPP) und den Maghreb Private Equity Fund ­ näher kennen zu lernen.

Anfang Juni weilte der südafrikanische Präsident Thabo Mbeki in Begleitung des Handels- und Industrieministers zu einem offiziellen Besuch in Bern. Im Rahmen der bilateralen Gespräche wurden unter anderem Massnahmen für einen vertieften Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen erörtert. An einem Treffen mit Wirtschaftsvertretern erläuterte Präsident Mbeki die Investitionsmöglichkeiten für Schweizer Unternehmen in Südafrika und brachte den Wunsch auf vermehrte Investitionen in seinem Land zum Ausdruck.

Der Präsident von Burkina Faso, Blaise Compaoré, reiste im Juni für einen Arbeitsbesuch in die Schweiz. Er benutzte die Gespräche über die bilaterale Zusammenarbeit, um der Schweiz für die wirksame Entwicklungszusammenarbeit zu danken.

Anlässlich eines Arbeitsbesuchs des libyschen Aussenministers beim Vorsteher des EVD konnte im Dezember in Bern ein bilaterales Investitionsschutzabkommen
unterzeichnet werden.

Im April ist das Investitionsschutzabkommens der Schweiz mit Nigeria in Kraft getreten. Ein gleichartiges Abkommen konnte im Juli mit Lesotho paraphiert werden.

Im November wurde im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit ein Entschuldungsabkommen zugunsten der Demokratischen Republik Kongo abgeschlossen, mit dem die gesamten Aussenschulden gegenüber der Schweiz (31,2 Mio.

Fr.) erlassen worden sind.

386

8

Autonome Aussenwirtschaftspolitik Auf den 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über die Durchsetzung von internationalen Sanktionen (Embargogesetz) in Kraft getreten. Ebenfalls auf den 1. Januar wurde die Verordnung über den internationalen Handel mit Rohdiamanten in Kraft gesetzt. Das von der Schweiz und weiteren Klägern gegen die USA angestrengte WTO-Streitbeilegungsverfahren betreffend Schutzzölle auf Stahlimporten endete mit dem Entscheid, dass die USA die beanstandeten Schutzzölle aufheben müssen. Im Bereich der Exportrisikogarantie (ERG) wurden Neugarantien für Exportaufträge im Gesamtbetrag von 2,5 Milliarden Franken erteilt.

8.1

Exportkontroll- und Embargomassnahmen

Exportkontrollmassnahmen gestützt auf das Güterkontrollgesetz dienen der Nichtverbreitung von Gütern zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen und konventionellen Waffen, während Embargomassnahmen auf der Grundlage des Embargogesetzes die Durchsetzung von internationalen Sanktionen nichtmilitärischer Art zum Ziel haben.

8.1.1

Massnahmen zur Nichtweiterverbreitung von Gütern zur Herstellung von Massenvernichtungs- und konventionellen Waffen

Der im Januar 2003 angekündigte Austritt Nordkoreas aus dem Atomsperrvertrag, verbunden mit der Wiederaufnahme des Nuklearprogramms und von Raketentests, sowie die Rolle Pjongjangs in der Proliferation von Nuklear- und Raketentechnologie geben zu Besorgnis Anlass. Auch über die Ziele Irans sind mit der Aufdeckung bisher unbekannter Nuklearanlagen erhebliche Zweifel aufgekommen. Eine verstärkte Inspektionstätigkeit seitens der Internationalen Atomenergie-Agentur (IAEA) soll die notwendige Transparenz schaffen.

8.1.1.1

Güterkontrollverordnung

Im Berichtsjahr wurden mehrere Anhänge der Güterkontrollverordnung vom 25. Juni 1997 (GKV, SR 946.202.1) angepasst, womit der Nachführung der Kontrolllisten durch die vier Exportkontrollregime (Australiengruppe, Gruppe der Nuklearlieferländer, Raketentechnologie-Kontrollregime, Wassenaar Vereinbarung)

387

Rechnung getragen wurde. Vom 1. Oktober 2002­30. September 2003 wurden aufgrund der GKV die nachfolgend aufgeführten Ausfuhrgesuche bewilligt11: Anzahl Gesuche

Wert Mio. Fr.

Nuklearbereich: ­ Eigentliche Nukleargüter ­ Dual-Use-Güter Dual-Use-Güter im Chemie- und Biologiewaffenbereich Dual-Use-Güter im Raketenbereich

150,0 258,0 294,0 29,0

5,9 126,5 22,0 20,5

Bereich konventionelle Waffen: ­ Dual-Use-Güter ­ Besondere militärische Güter Waffen (gemäss Anhang 5 GKV)12 Sprengstoff (gemäss Anhang 5 GKV)13

346,0 256,0 154,0 49,0

154,4 178,0 1,5 4,7

1536,0

513,5

Total

Bei der obenstehenden Tabelle ist zu berücksichtigen, dass der grösste Teil der Exporte von kontrollierten Gütern nicht mittels Einzelbewilligungen, sondern im Rahmen von Generalausfuhrbewilligungen erfolgt. Per 30. September waren 213 Firmen im Besitz von Ordentlichen Generalausfuhrbewilligungen (OGB). Mit einer OGB kann während zwei Jahren unbeschränkt nach den in Anhang 4 der GKV genannten 27 Ländern ­ es handelt sich dabei um unsere wichtigsten Absatzmärkte ­ exportiert werden. Einer Firma musste aufgrund von Widerhandlungen gegen das Güterkontrollgesetz die OGB entzogen werden. Darüber hinaus verfügten per 30. September zwölf Firmen über eine Ausserordentliche Generalausfuhrbewilligung (AGB), die meisten davon für die Ausfuhr von Verschlüsselungsgeräten. Mit einer AGB können kontrollierte Güter in Länder geliefert werden, welche nicht zu dem in Anhang 4 der GKV aufgeführten Staatenkreis gehören. Zur Erlangung einer AGB müssen die beantragenden Unternehmen eine zuverlässige firmeninterne Kontrolle über die Ausfuhr dieser Güter gewährleisten.

Zwei Ausfuhranträge für Dual-Use-Güter im Nuklear- bzw. Biologiewaffenbereich im Wert von insgesamt 1,2 Millionen Franken wurden abgelehnt. Vom 1. Oktober 2002­30. September 2003 musste das seco aufgrund von Widerhandlungen gegen das GKG in zwei Fällen (Vorjahr: ebenfalls zwei Fälle) Anzeige bei der Bundesanwaltschaft erstatten.

In 42 Fällen haben die Exporteure dem seco die geplante Ausfuhr von nicht in den Anhängen der GKV aufgeführten Gütern gemeldet, die aber gleichwohl für Massenvernichtungswaffen oder deren Trägersysteme «bestimmt sind oder bestimmt sein

11 12 13

388

Gewisse Bewilligungen werden doppelt aufgeführt, da sie von zwei Exportkontrollregimen erfasst sind.

Waffen, deren Ausfuhr nur national (Waffengesetz vom 20. Juni 1997, SR 514.54), aber nicht international kontrolliert ist.

Sprengstoff, dessen Ausfuhr nur national (Sprengstoffgesetz vom 25. März 1977, SR 941.41), aber nicht international kontrolliert ist.

könnten» (Art. 4 GKV). In 25 Fällen bewilligte das seco die Ausfuhr. Die meisten der 17 abgelehnten Gesuche betrafen Dual-Use-Güter im Raketenbereich.

8.1.1.2

Chemikalienkontrollverordnung

Mit der Chemikalienkontrollverordnung vom 3. September 1997 (ChKV, SR 946.202.21) wird das Chemiewaffenübereinkommen (CWÜ) in der Schweiz umgesetzt. Dieses Abkommen wurde bis zum 30. September von 154 Staaten ratifiziert. Etliche Staaten des Nahen Ostens, aber auch Libyen und Nordkorea zählen weiterhin nicht zu den Mitgliedern. Anlässlich der ersten Überprüfungskonferenz des CWÜ, welche vom 28. April­9. Mai in Den Haag stattfand, verabschiedeten die Mitgliedstaaten eine Erklärung, in welcher die Ziele der Konvention bekräftigt und die noch abseits stehenden Staaten zu einem möglichst raschen Beitritt aufgerufen werden.

Vom 1. Oktober 2002­30. September 2003 wurden auf der Grundlage der ChKV 25 Ausfuhrgesuche für Chemikalien im Wert von 2,6 Millionen Franken bewilligt.

Zurzeit besitzen zwölf Firmen eine Generalausfuhrbewilligung (GAB) für Endverwender mit Sitz in einem Vertragsstaat des CWÜ. In der Schweiz unterliegen rund 45 Unternehmen den Inspektionen der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) mit Sitz in Den Haag, wovon neun Unternehmen sowie das Labor Spiez regelmässig kontrolliert werden. Von den Meldepflichten gemäss CWÜ bezüglich Produktion, Lagerung, Verarbeitung, Import und Export sind in der Schweiz rund 50 Firmen betroffen.

8.1.2

Embargomassnahmen

Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über die Durchsetzung von internationalen Sanktionen (Embargogesetz) in Kraft getreten (SR 946.231). Es handelt sich um ein Rahmengesetz, welches die Grundlage bildet, um internationale Sanktionen nichtmilitärischer Art umzusetzen, die von der UNO, der OSZE oder den wichtigsten schweizerischen Handelspartnern erlassen worden sind. Bisher stützten sich solche Sanktionsmassnahmen direkt auf die Bundesverfassung ab.

Das Handelsembargo gegenüber Irak wurde in Übereinstimmung mit den Beschlüssen des UNO-Sicherheitsrates aufgehoben, die Finanzsanktionen gegenüber dem früheren irakischen Regime jedoch verstärkt. Die übrigen Sanktionsmassnahmen wurden weitergeführt und wo nötig angepasst. Die Diamantenverordnung zur Bekämpfung des Handels mit «Konfliktdiamanten» trat am 1. Januar 2003 in Kraft.

8.1.2.1

Embargomassnahmen der UNO

Aufgrund der Vorkommnisse im Irak wurde die Verordnung vom 7. August 1990 über Massnahmen gegenüber der Republik Irak (SR 946.206) mehrmals angepasst.

Am 9. April beschloss der Bundesrat, die bereits bestehende Blockierung irakischer 389

Gelder zu verschärfen und eine Meldepflicht für diese Gelder an das seco einzuführen (AS 2003 864). In Übereinstimmung mit der Resolution 1483 (2003) des UNOSicherheits-rates vom 22. Mai hob der Bundesrat am 28. Mai (AS 2003 1887) die meisten der im Jahre 1990 eingeführten Embargomassnahmen gegenüber der Republik Irak auf. In Kraft blieb das Verbot der Lieferung von Rüstungsgütern. Der Anwendungsbereich der Finanzsanktionen wurde ausgeweitet: zusätzlich zur Sperre von Geldern der früheren irakischen Regierung und von dieser kontrollierten Unternehmen, erliess der Bundesrat auch eine Sperre von Geldern von hohen Amtsträgern der früheren Regierung und deren nächsten Familienmitgliedern, einschliesslich von Unternehmen, die durch diese kontrolliert werden. Für diese Gelder wurde eine Meldepflicht an das seco eingeführt. Zudem wurden Massnahmen im Bereich der Kulturgüter erlassen. Der Handel mit solchen Gütern und deren Erwerb wurden verboten, deren Besitz wurde einer Meldepflicht an das Bundesamt für Kultur unterstellt. Diese Änderungen traten am 25. Juni in Kraft. Die vom Sanktionskomitee der UNO am 30. Juni veröffentlichte Liste der 55 hohen Amtsträger der früheren irakischen Regierung, deren Gelder einzufrieren sind, wurde vom Bundesrat auf den 3. Juli in Kraft gesetzt (AS 2003 2207, 2222). Aufgrund des Krieges im Irak wurde das «Oil-for-Food»-Programm am 17. März de facto suspendiert, mit der Resolution 1472 (2003) vom 28. März den neuen Umständen angepasst und mit Resolution 1483 vom 22. Mai auf den 21. November beendet. Im Rahmen dieses Programmes hatte die Schweiz der UNO insgesamt 75 Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz notifiziert, die Interesse an irakischen Erdölkäufen bekundeten. Vom 1. Oktober 2002­30. September 2003 hat das zuständige Komitee der UNO im Rahmen dieses Programmes 93 Liefer- oder Vermittlungsverträge von 28 Schweizer Firmen im Gesamtwert von rund 113 Millionen Franken (Vorjahr: 286 Mio. Fr.) bewilligt. Der Kompensationsfonds der UNO (UNCC) für Entschädigungen an Firmen, welche durch die irakische Invasion in Kuwait zu Schaden gekommen waren, hat bis am 31. Oktober Forderungen von Schweizer Unternehmen im Umfang von rund 31 Millionen Franken anerkannt und an diese Firmen fast vollständig ausbezahlt.

Insgesamt waren 47 Schadenersatzforderungen von Schweizer Unternehmen
und der Geschäftstelle für die Exportrisikogarantie (ERG) im Betrag von rund 334 Millionen Franken bei der UNCC eingereicht worden.

Der Anhang 2 zur Verordnung vom 2. Oktober 2000 über Massnahmen gegenüber Personen und Organisationen mit Verbindungen zu Usama bin Laden, der Gruppierung «Al-Qaïda» oder den Taliban (SR 946.203) wurde, entsprechend den Beschlüssen des zuständigen UNO-Sanktionskomitees, mehrmals nachgeführt. Gegen die in diesem Anhang genannten natürlichen und juristischen Personen, Gruppen und Organisationen bestehen Lieferverbote für Rüstungsgüter, Ein- und Durchreisesperren sowie Finanzsanktionen. Per Ende Oktober waren aufgrund dieser Verordnung 82 Bankkonten mit einem Gesamtbetrag von rund 34 Millionen Franken blockiert.

In Übereinstimmung mit der Resolution 1478 (2003) des UNO-Sicherheitsrates wurde die Verordnung vom 27. Juni 2001 über Massnahmen gegenüber Liberia (SR 946.208.1) auf den 9. Juli durch ein Importverbot für Rundhölzer und Holzprodukte mit Ursprung in Liberia ergänzt (AS 2003 2185). Gleichzeitig wurde die Namenliste der Personen, welche von der Ein- und Durchreisesperre betroffen sind, aktualisiert (AS 2003 2186).

Am 15. Oktober wurde das in der Verordnung vom 8. Dezember 1997 über Massnahmen gegenüber Sierra Leone (SR 946.209) enthaltene Importverbot für Roh390

diamanten aus Sierra Leone in Anlehnung an einen entsprechenden Beschluss des UNO-Sicherheitsrates aufgehoben (AS 2003 3767). Gleichzeitig wurde die UNOListe der von Reisesanktionen betroffenen Personen als Anhang in die Verordnung aufgenommen.

Die seit 8. April 1999 sistierte Verordnung über Massnahmen gegenüber Libyen wurde in Anlehnung an die durch den UNO-Sicherheitsrat verabschiedete Resolution 1506 (2003) auf den 16. Oktober aufgehoben (AS 2003 3753).

8.1.2.2

Embargomassnahmen der EU

Die in der Verordnung vom 2. Oktober 2000 über Massnahmen gegenüber Myanmar (SR 946.208.2) festgelegten Sanktionen wurden am 15. Oktober verschärft (AS 2003 3755). In Ergänzung zum bestehenden Rüstungsgüterembargo wurde auch die Gewährung von technischer Ausbildung und Hilfe im Zusammenhang mit solchen Gütern verboten. Zudem wurde die Liste der Personen, gegen welche sich die Finanzsanktionen und die Ein- und Durchreisesperre richten, auf 270 Namen erweitert (vgl. Ziff. 4.4.5).

Die in der Verordnung vom 23. Juni 1999 über Massnahmen gegenüber der Bundesrepublik Jugoslawien (SR 946.207) und in der Verordnung vom 19. März 2002 über Massnahmen gegenüber Simbabwe (SR 946.209.2) aufgeführten Sanktionsmassnahmen wurden im Berichtsjahr unverändert weitergeführt.

8.1.2.3

Massnahmen gegen Konfliktdiamanten

Die Verordnung vom 29. November 2002 über den internationalen Handel mit Rohdiamanten (Diamantenverordnung, SR 946.231.11) ist am 1. Januar in Kraft getreten. Seither sind Import, Export sowie die Ein- und Auslagerung aus Zolllagern von Rohdiamanten nur gestattet, wenn diese von einem fälschungssicheren Zertifikat begleitet sind. Der Handel mit Rohdiamanten ist nur noch mit Ländern möglich, welche sich ebenfalls am Zertifizierungssystem des sog. Kimberley Prozesses beteiligen. Mit diesem Zertifizierungssystem soll verhindert werden, dass «Konfliktdiamanten» (Rohdiamanten, welche Rebellengruppen als Finanzquelle dienen) auf die legalen Märkte gelangen. Bis zum 31. Oktober sind 56 Staaten dem internationalen Zertifizierungssystem für Rohdiamanten beigetreten (AS 2003 3260 und 3771).

Anlässlich der Plenarversammlung des «Kimberley Prozesses» Ende Oktober wurde eine (vorerst auf Freiwilligkeit basierende) Überprüfung der nationalen Kontrollsysteme verabschiedet.

Die Schweiz hat seit Inkrafttreten der Diamantenverordnung bis zum 31. Oktober 615 Zertifikate für Rohdiamanten ausgestellt. Vom 1. Januar ­ 30. September wurden Rohdiamanten im Wert von 383,4 Millionen Franken (3,4 Millionen Karat) importiert bzw. in Zolllager eingelagert und solche im Wert von 642,8 Millionen Franken (3,4 Mio. Karat) exportiert bzw. aus Zolllagern ausgelagert.

391

8.2

Aussenhandel mit Stahl

Die im März 2002 von den USA und als Reaktion darauf auch durch die EU eingeführten Schutzzölle auf Stahlimporten blieben im Berichtsjahr unverändert in Kraft. Das gegen die USA angestrengte WTO-Streitbeilegungsverfahren endete letztinstanzlich mit dem Entscheid, dass die beanstandeten Schutzzölle gegen WTO-Recht verstossen. Daraufhin haben die USA die Schutzzölle Ende Jahr aufgehoben. Andernfalls hätte die Schweiz und die anderen Kläger die Möglichkeit gehabt, Ausgleichszölle zu erheben.

Die EU hat die ihrerseits errichteten Schutzmassnahmen nach dem Entscheid der USA, dem Urteil der WTO-Streitschlichtungsbehörde Folge zu leisten, im Dezember ebenfalls aufgehoben. Schweizer Firmen waren mit ihren Lieferungen von den Auswirkungen der Bewirtschaftung der Zollkontingente durch die EU nur am Rande betroffen. Im Rahmen der Überwachungsmassnahmen führte die EU auf Betreiben der Schweiz eine de minimis-Regel ein, welche für Einfuhren bis 500 kg auf zusätzliche administrative Förmlichkeiten verzichtet.

Im Rahmen der OECD wurden die Bestrebungen zum Abbau der Produktionskapazitäten im Stahlsektor fortgesetzt. Es besteht die Absicht, unter der Ägide der OECD zum Abschluss eines multilateralen Abkommens zum Abbau oder zur Beseitigung der staatlichen Subventionen im Stahlsektor zu gelangen. Die Schweiz kennt keine Marktstützungsmassnahmen im Stahlsektor. Ein multilateraler Subventionsabbau würde die internationale Konkurrenzfähigkeit der Schweizer Stahlwerke stärken.

8.2.1

WTO-Streitbeilegungsverfahren gegen Schutzmassnahmen der USA im Stahlsektor

Im Jahre 2002 beantragte die Schweiz erstmals seit der Gründung der WTO die Einsetzung eines Panels. Das Verfahren richtet sich gegen Schutzzölle der USA von bis zu 30 Prozent auf 10 Stahlproduktegruppen. Sowohl das eingesetzte Panel als auch die Rekursinstanz sind im Berichtsjahr zum Schluss gekommen, dass die Voraussetzungen für die Anwendung von befristeten Schutzmassnahmen gemäss WTOÜbereinkommen über Schutzmassnahmen (SR 0.632.20, Anhang 1A.14) vorliegend nicht erfüllt sind. Vielmehr haben gemäss klägerischer Auffassung mangelnde Restrukturierungsmassnahmen sowie weltweite Überkapazitäten im Stahlsektor zu Problemen bei amerikanischen Stahlunternehmen geführt. Neben der Schweiz haben auch die EG, Japan, Südkorea, China, Norwegen, Neuseeland und Brasilien als Mitkläger gewirkt. Am 4. Dezember 2003 hob Präsident Bush die unrechtmässigen Schutzzölle auf und leistete damit dem Urteil der WTO-Streitschlichtungsbehörde Folge. Andernfalls wären die Kläger berechtigt gewesen, gegen die USA Ausgleichszölle in der Höhe des erlittenen Schadens zu erheben.

392

8.2.2

Europäische Union (EU)

Als Reaktion auf die Schutzmassnahmen der USA hat die EU am 27. März 2002 ihrerseits Schutzmassnahmen eingeführt. Diese wurden im Berichtsjahr weitergeführt. Ab einem Ausschöpfungsgrad von 75 Prozent werden bei den einzelnen Zollfreikontingenten von den Importeuren in der EU Bankgarantien für die Absicherung der Zollbeträge eingefordert. Die zugeteilten Kontingentsmengen waren für Schweizer Exporteure immer ausreichend; deren Lieferungen wurden daher vollumfänglich ohne Erhebung von Schutzzöllen zugelassen. Bezüglich der Bankgarantien traten gegen Ende der Kontingentsperiode Schwierigkeiten technischer Natur auf, die in der Zwischenzeit gelöst sind.

Nach Bekanntwerden des Entscheids der USA vom 4. Dezember 2003, dem Urteil der WTO-Streitschlichtungsbehörde Folge zu leisten und die Schutzmassnahmen ausser Kraft zu setzen, hat die EU ihrerseits die Schutzmassnahmen im Stahlsektor ­ und somit auch die Kontingentsbewirtschaftung ­ am 6. Dezember 2003 aufgehoben.

Der Beschluss der EU, Stahleinfuhren aus der Schweiz im Rahmen von Überwachungsmassnahmen ab 1. August 2002 der Bewilligungspflicht zu unterstellen, ist jedoch weiterhin gültig. Diese Massnahme beeinträchtigt Stahlexporte der Schweiz im Umfang von ungefähr 2 Milliarden Franken jährlich. Die administrativen Umtriebe verursachen insbesondere den kleinen und mittleren Unternehmen erhebliche Mehrkosten im Export. Die Erschwernisse bestehen vor allem in administrativen Überwachungsdokumenten, die zum Zeitpunkt der Einfuhr von den Importeuren in der Gemeinschaft ausgestellt werden müssen.

Im Rahmen intensiver Kontakte mit der EU-Kommission konnten spürbare Verfahrensvereinfachungen erwirkt werden. So hat die EU auf Betreiben der Schweiz Anfang 2003 für Einfuhren eine de minimis-Regel eingeführt. Sendungen mit einem Nettogewicht bis 500 kg sind von den Überwachungsmassnahmen befreit. Dadurch unterliegen 23 Prozent der Schweizer Ausfuhren keinen zusätzlichen administrativen Förmlichkeiten.

Mit der Aufhebung der WTO-Schutzmassnahmen muss bei den Überwachungsmassnahmen eine Rückkehr zum Status quo ante ­ die vor dem 1. August 2002 auf dem Gebiet der Handelsstatistik geübte Zusammenarbeit ­ möglich werden. Unter dieser Voraussetzung würde sich das Ergreifen ähnlicher Massnahmen der Schweiz gestützt auf die von den eidg. Räten (vgl. Ziff. 9.2.1 des Berichts 2002) genehmigte Verordnung vom 11. September 2002 über die Überwachung der Einfuhr bestimmter Industriegüter (SR 946.201.1) erübrigen.

8.2.3

OECD

Die Minister der OECD-Länder hatten sich an ihrer Ratstagung im Mai 2002 dazu verpflichtet, zum Abbau der Spannungen in den internationalen Stahlhandelsbeziehungen beizutragen und die Strukturanpassungsmassnahmen im Stahlsektor energisch fortzusetzen. Die unter der Schirmherrschaft der OECD stattfindenden zwischenstaatlichen Stahltagungen sollten ihrerseits Fortschritte beim Abbau von Überschusskapazitäten bringen und die Einhaltung der Regeln zur Abwehr handelsund marktverzerrender Massnahmen stärken. An solchen Tagungen nehmen nicht nur die Mitglieder des Stahlausschusses der OECD, sondern auch die wichtigsten 393

Stahl produzierenden Ländern ausserhalb der OECD teil. Die bisherigen Verhandlungen lassen den Willen erkennen, zu einem international verbindlichen Abkommen zum Abbau oder sogar zur Beseitigung von staatlichen Subventionen an die Stahlindustrie zu gelangen. Die Schweiz ist mit Ausnahme der Schliessung von nicht rentablen Stahlüberkapazitäten gegen die Auszahlung von staatlichen Subventionen. Sie vertritt auch die Meinung, dass durch unterschiedliche Normen im Umweltbereich hervorgerufenen Marktverzerrungen beseitigt werden sollen, indem die betreffenden Länder entsprechende Umweltnormen übernehmen. Die Verhandlungen sollen 2004 abgeschlossen werden. Sollte dies gelingen, würden sich die teilnehmenden Staaten in einem zweiten Schritt der handelsrelevanten Massnahmen im Stahlbereich annehmen. Was die Überkapazitäten betrifft, konzentrieren sich die Arbeiten auf die Überwachung der Entwicklungen der Rohstahlproduktionskapazitäten. Die Situation in der Schweiz wird im Frühjahr 2004 überprüft werden.

8.3

ERG, IRG, Exportfinanzierung, Umschuldung

Die Exportrisikogarantie (ERG) hat Neugarantien für Exportaufträge im Gesamtbetrag von 2,5 Milliarden Franken erteilt; das Gesamtengagement erreicht 9 Milliarden Franken. Die grösste Nachfrage bestand für Lieferungen nach Iran, der Türkei und Bahrain. Im Hinblick auf eine Totalrevision des ERGGesetzes wurde Ende 2003 die Vernehmlassung eröffnet.

Das Exportkreditarrangement der OECD ist im Lichte des WTO- Subventionsabkommens überarbeitet worden. Die Verhandlungen über die Berücksichtigung von Umweltaspekten bei staatlich unterstützten Export-krediten haben zur Verabschiedung einer OECD-Ratsempfehlung geführt.

Die Schweiz hat ein Umschuldungsabkommen mit Jordanien sowie Entschuldungsabkommen mit Sierra Leone und der Demokratischen Republik Kongo (Kinshasa) abgeschlossen. Im Pariser Klub wurden unter der Bezeichnung «Evian Approach» neue Restrukturierungsgrundsätze für die Behandlung von überschuldeten Staaten, die jedoch nicht zur Kategorie der hochverschuldeten armen Länder zählen, verabschiedet.

8.3.1

Exportrisikogarantie

Die Nachfrage nach Garantien hat sich im Vergleich zum Vorjahr leicht erhöht.

Gesamthaft wurden Neugarantien für Exportaufträge von rund 2,5 Milliarden Franken (Vorjahr: 2,2 Mrd. Fr.) genehmigt. Die substanziell grösste Nachfrage bestand für Lieferungen in die Türkei, nach Bahrain sowie in den Iran. Auf diese drei Exportländer entfielen insgesamt 48 Prozent aller Neugarantien. Die höchsten Garantien wurden 2003 für Grossprojekte im Energiebereich in Bahrain im Lieferwert von 326 Millionen Franken bzw. in Iran im Umfang von 258 Millionen Franken gewährt. Das Gesamtengagement hat sich gegenüber dem Vorjahr kaum verändert und erreicht insgesamt rund 9 Milliarden Franken. Etwa die Hälfte des Engagements entfällt auf die Importländer Iran, Türkei, China, Bahrain und Mexiko.

394

Im Berichtsjahr hat die ERG Entschädigungen im Umfang von 140,3 Millionen Franken an Exporteure ausbezahlt. Davon beziehen sich 122,2 Millionen Franken auf Aus-zahlungen unter dem bilateralen Umschuldungsabkommen mit Indonesien.

Im Rahmen dieses Abkommens werden die ausbezahlten Mittel wieder an die ERG zurückfliessen und bis dahin verzinst. Die ERG hat dem Bund 150 Millionen Franken überwiesen und damit den verbleibenden Vorschuss auf 175 Millionen Franken abgebaut.

Seit 2001 bestehen Rückversicherungsabkommen mit Deutschland (SR 0.946.111.36; AS 2003 1228), Frankreich (SR 0.946.113.49; AS 2003 1091), Österreich (SR 0.946.111.63; AS 2003 1078), Italien (SR 0.946.114.54; AS 2003 3457) und Spanien (SR 0.946.113.32; AS 2003 3436). Mit dem schwedischen (EKN) und dem tschechischen Exportkreditversicherer (EGAP) wurde im Laufe des Berichtsjahrs je ein Rückversicherungsrahmenvertrag (vgl. Beilage, Ziff. 9.2.1) abgeschlossen. Rückversicherungsverträge erlauben es dem Exporteur, auch die ausländischen Zulieferungen aus dem jeweiligen Land bei seiner ERG zu versichern; sie regeln die Zusammenarbeit zwischen Erstversicherer und Rückversicherer sowie zwischen Exporteur und Zulieferer und erleichtern die Finanzierung der Projekte. Im Berichtsjahr wurden auf der Basis der bestehenden Rückversicherungsabkommen 11 Transaktionen mit Deutschland (8), Frankreich (2) und Österreich (1) abgeschlossen.

Die 2001 in der OECD verabschiedeten und 2002 umgesetzten Empfehlungen der Exportkreditgruppe der OECD betreffend Umweltaspekte (vgl. Ziff. 8.3.3 des Berichts 2002) wurden anhand der gesammelten Erfahrungen im Berichtsjahr überprüft. 2003 konnten sämtliche angenommenen Geschäfte mit einem Lieferwert von 10 Millionen Franken und mehr nach Einwilligung des Exporteurs im Internet publiziert werden (www.swiss-erg.com). Zudem wurde, ebenfalls mit der Zustimmung des Exporteurs, über beantragte umweltkritische Projekte informiert. Solche umweltsensitiven Projekte sind mehrheitlich im Energiegewinnungsbereich anzusiedeln.

Gegen Ende Jahr wurde die Vernehmlassung über die Totalrevision des ERGGesetzes eröffnet. Hauptstossrichtungen der Revision sind die Einführung der Versicherung des privaten Käuferrisikos sowie die institutionelle Neupositionierung der Versicherung als öffentlich-rechtliche Anstalt. Die Auswertung der Stellungnahmen wird im zweiten Quartal 2004 erfolgen.

8.3.2

Investitionsrisikogarantie

Im Berichtsjahr wurden keine neue Investitionsgarantien erteilt. Es besteht noch eine laufende Garantie für eine Investition in Ghana. Das Gesamtengagement beläuft sich auf 2,9 Millionen Franken; das Fondsvermögen beträgt 31,7 Millionen Franken.

8.3.3

Exportfinanzierung

Das Exportkreditarrangement der OECD wurde im Nachgang zu Streitbeilegungsfällen in der WTO über Subventionstatbestände überarbeitet. WTO-Panels hatten Bestimmun-gen des Arrangements in einer Art ausgelegt, die nicht der ursprünglichen Absicht der Unterhändler entsprach. Die angepassten, anfangs 2004 in Kraft tretenden Bestimmungen definieren die Finanzierungsbedingungen, die nicht unter 395

das Subventionsverbot der WTO fallen. Weitere Elemente der staatlichen Unterstützung, denen aus WTO-Sicht nachgeordnete Bedeutung zukommt, wurden in das künftige Arbeitsprogramm aufgenommen. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Transparenz gegenüber Ländern ausserhalb der OECD.

Im Rahmen der Exportkreditgruppe der OECD bestehen gemeinsame Verfahren zur Berücksichtigung von Umweltaspekten bei staatlich unterstützten Exportkrediten (z.B. in Form der ERG). Grössere Projekte werden je nach dem Grad ihrer Auswirkungen auf die natürliche und soziale Umwelt kategorisiert und überprüft. Das Massnahmenpaket wurde im Dezember als OECD-Ratsempfehlung verabschiedet.

Damit bestehen nunmehr gemeinsame Spielregeln in Bezug auf die Informationspflichten der Exporteure, die anzuwendenden Umweltstandards sowie die Information der interessierten Öffentlichkeit.

8.3.4

Umschuldungen

Auf multilateraler Ebene wurde im Pariser Klub mit Ecuador ein Umschuldungsprotokoll ohne Schuldenreduktion vereinbart; die Umschuldung beläuft sich auf 81 Millionen US-Dollar. Die Schweiz ist von dieser Vereinbarung nicht betroffen.

2003 haben die beiden HIPC-Länder Benin und Mali eine mehrjährige von der Weltbank und dem Internationalen Währungsfond (IMF) begleitete wirtschaftliche und finanzielle Anpassungsperiode erfolgreich abgeschlossen. Beiden Ländern wurden deshalb zusätzliche Schuldenreduktionen gewährt, womit die gesamte Reduktion nun 90 Prozent erreicht. Zudem trat Gambia 2003 in die erste Phase des mit dem Pariser Klub vereinbarten mehrjährigen Umschuldungsabkommens ein. Im Berichtsjahr konnte eine Teilentschuldung mit Sierra Leone (8,8 Mio. Fr.) sowie ein Entschuldungsabkommen mit der Demokratischen Republik Kongo (Kinshasa) vereinbart werden. Der Demokratischen Republik Kongo wurden dabei die 1991 im Rahmen der 700-Jahr-Feier der Schweizer Eidgenossenschaft vom Bund aufgekauften Guthaben im Umfang von 31 Millionen Franken erlassen. Des weiteren konnte mit Jordanien ein bilaterales Umschuldungsabkommen in der Höhe von 18 Millionen Franken abgeschlossen werden.

Im Berichtsjahr verabschiedete der Pariser Klub unter der Bezeichnung «Evian Approach» neue Restrukturierungsgrundsätze für überschuldete, jedoch nicht der Kategorie der hochverschuldeten armen Länder angehörende Staaten. Dabei wird eine Schuldenreduktion nicht explizit ausgeschlossen. Anhand einer vertieften Analyse mit dem Internationalen Währungsfond (IMF) wird festgestellt, ob sich ein überschuldetes Land für die Behandlung unter dem «Evian Approach» qualifiziert.

Bis heute ist noch mit keinem Schuldnerland eine Vereinbarung nach den Kriterien des «Evian Approach» abgeschlossen worden.

396

8.4

Exportförderung

Die Umsetzung der Exportförderung stiess im Parlament im Rahmen der Beratung der Botschaft über die Finanzierung der Exportförderung für die Jahre 2000­2007 teilweise auf heftige Kritik. Kredite im bisherigen Umfang wurden lediglich für zwei Jahre bewilligt. Für die Weiterführung der Exportförderung ab 2006 erwartet das Parlament einen Evaluationsbericht sowie mindestens drei Modelle zur Entwicklung der Exportförderung. Ergebnisse der Überprüfung der strategischen Positionierung der Exportförderung werden im Frühjahr 2004 vorliegen.

Im Rahmen der Behandlung der Botschaft vom 26. Februar 2003 über die Finanzierung der Exportförderung für die Jahre 2004­2007 (BBl 2003 2937) beschloss das Parlament, den Exportförderungskredit vorerst auf zwei Jahre bis Ende 2005 zu befristen (Bundesbeschluss vom 25. Sept. 2003 über die Finanzierung der Exportförderung für die Jahre 2004­2007; BBl 2003 6901). Einigkeit bestand darüber, dass die Exporttätigkeit zentral sei für die Wettbewerbsfähigkeit und das Arbeitsplatzpotenzial der Schweizer Unternehmen. Grossmehrheitlich wurden auch die Leistungen der Osec für Kleinbetriebe in der Anfangsphase der Evaluation einer Exporttätigkeit anerkannt. Eingehend diskutiert und teilweise kritisiert wurden jedoch die ungenügende Abgrenzung zwischen den gemein- und privatwirt-schaftlichen Tätigkeiten der Osec sowie die Möglichkeit von Quersubventionen von staatlich finanzierten Dienstleistungen zugunsten privatwirtschaftlicher Tätigkeiten der Osec und damit die Konkurrenzierung privater Leistungsanbieter. Der Bundesrat wurde beauftragt, die Umsetzung des am 1. März 2001 in Kraft getretenen Export-förderungsgesetzes (SR 946.14) einer Evaluation zu unterziehen und mindestens drei alternative Strategiemodelle zu erarbeiten. Entsprechende Arbeiten wurden unverzüglich an die Hand genommen. Um eine höchstmögliche Glaubwürdigkeit der Evaluation sicherzustellen, hat der Bundesrat die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) als unabhängigen Evaluator eingesetzt. Die Entscheidungs-grundlagen für die strategische Positionierung der Exportförderung werden voraussichtlich bereits im Frühjahr 2004 vorliegen.

Im Berichtsjahr wurde ein Swiss Business Hub in der Schweizerischen Botschaft in Warschau eröffnet, womit insgesamt 13 Anlaufstellen bestehen. Das Netzwerk der Exportförderung im In- und
Ausland sowie die internetgestützte Informationsplattform und das Service Center wurden weiter ausgebaut. Hervorzuheben ist die erfolgreiche Durchführung des Schweizer Tages im Rahmen der Hannover Messe, dem weltweit führenden Investitionsgüteranlass. Das dritte Forum der Schweizer Aussenwirtschaft anfangs Oktober in Zürich vermochte ebenfalls die Aufmerksamkeit von Unternehmen, Verwaltung und Öffentlichkeit auf die Belange der operationellen Exportförderung zu lenken.

8.5

Standortförderung

Die Standortpromotion des Bundes wird mit dem Programm «Standort: Schweiz» umgesetzt. Sie stützt sich auf den Bundesbeschluss vom 6. Oktober 1995 zur Förderung der Informationen über den Unternehmensstandort Schweiz (SR. 951.972). Das 397

Programm war im März 1996 mit einer Laufzeit von zehn Jahren und einem Rahmenkredit von 24 Millionen Franken gestartet worden.

«Standort: Schweiz» ist ein Dienstleister für die kantonalen und überkantonalen Wirtschaftsförderer. Mit aktuellen Informationen über den Unternehmensstandort Schweiz und Marketingplattformen wird die Arbeit der Kantone im Standortmarketing unterstützt und verstärkt.

Im Berichtsjahr organisierte «Standort: Schweiz» insgesamt 32 Investorenanlässe, 14 Messebeteiligungen, zwei Journalistenreisen und 8 Promotionsveranstaltungen.

Den teilnehmenden kantonalen und überkantonalen Wirtschaftsförderern konnten insgesamt über 1600 qualifizierte Kontakte aus der Marktbearbeitung in Europa sowie wertvolle Auftritte in Schlüsselsektoren in Nordamerika geboten werden.

Im Oktober wurde die Internetplattform www.swissbiotech.org aufgeschaltet. Mit dieser umfassenden Branchencluster-Plattform werden die Akteure in der Biotechnologie wesentlich besser vernetzt und die Biotechnologie im In- und Ausland besser positioniert. Die Plattform wurde von «Standort: Schweiz» zusammen mit dem Bundesamt für Berufsbildung und Technologie sowie Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Finanzen aufgebaut.

In der Marktbearbeitung wird mit der auf vorläufig auf drei Jahre angelegten JapanInitiative erstmals ein asiatischer Markt systematisch bearbeitet und damit in Ergänzung zu den Schwerpunktmärkten in Europa und Nordamerika ein drittes Standbein aufgebaut. Diese Initiative erfolgt in enger Abstimmung mit Präsenz Schweiz (BG vom 24. März 2000 über die Pflege des schweizerischen Erscheinungsbildes im Ausland, SR 194.1) und kantonalen Wirtschaftsförderungsstellen.

8.6

Tourismus

8.6.1

Wirtschaftliche Lage des internationalen Tourismus

In den letzen Jahrzehnten gab es im grenzüberschreitenden Tourismus nur im Jahre 2001 einen Rückgang. Aufgrund der Prognosen der Weltorganisation für Tourismus ist ­ nach einem kurzen Wiederaufschwung im Vorjahr ­ 2003 mit einem weiteren leichten Einbruch dieser weltweiten Wachstumsbranche zu rechnen. Die Folgen der Sars-Krise und des Irak-Kriegs sowie die schleppende Konjunktur in den wichtigsten touristischen Herkunftsländern sind die Ursachen, welche erneut zu einer negativen internationalen Wachstumsrate führen werden.

Der Schweizer Tourismus hatte zum zweiten aufeinanderfolgenden Mal eine spürbare Einbusse des Ausländertourismus zu verzeichnen. Trotz günstiger Witterungsbedingungen im Winter und Sommer ging der internationale Tourismus in der Schweiz erneut um 5 Prozent (2002: ­9%) zurück. Gemäss den Tourismusprognosen des BAK und des seco ist für 2004 aufgrund des zu erwartenden wirtschaftlichen Aufschwungs und der günstigeren Wechselkurssituation wieder mit einem ­ allerdings ­ geringen Wachstum von 0,5 Prozent zu rechnen.

398

8.6.2

Massnahmen zur Stärkung der touristischen Wettbewerbsfähigkeit

Der internationale Tourismus ist für die Schweiz nach wie vor bedeutsam. Die Ausgaben der ausländischen Besucher in unserem Land machen den grössten Posten in der Dienstleistungsbilanz aus. Zahlreiche Landesteile sind in hohem Masse auf den internationalen Tourismus angewiesen.

In der Sommersession verabschiedeten die eidgenössischen Räte ein Tourismusprogramm für die Periode 2003­2007, welches einen gezielten Beitrag für ein international marktfähiges touristisches Angebot leistet. Mit dem Bundesgesetz vom 20. Juni 2003 über die Förderung von Innovation und Zusammenarbeit im Tourismus (SR 935.22; AS 2003 3747) sollen die Effizienz der touristischen Strukturen gefördert und die Qualifikationen auf dem touristischen und gastgewerblichen Arbeitsplatz gesteigert werden. Ferner beschlossen die eidgenössischen Räte im Juni, zur Verbesserung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit der Beherbergungswirtschaft den reduzierten Mehrwertsteuersatz von 3,6 Prozent für BeherbergungsLeistungen (BBl 2003 4525) bis zum 31. Dezember 2006 zu verlängern.

8.6.3

Multilaterale und bilaterale Zusammenarbeit im Bereich des Tourismus

Die Schweiz, die auch im Berichtsjahr den Vorsitz im Tourismus-Ausschuss der OECD führte, setzte sich für die Erhaltung dieser tourismuspolitisch wichtigen Kooperationsplattform der entwickelten Länder ein. Das Staatssekretariat für Wirtschaft führte mit der OECD und der Università della Svizzera italiana eine Konferenz über Innovation und Zusammenarbeit im Tourismus durch. Erstmals wurden auf zwischenstaatlicher Ebene die touristischen Innovationsprozesse analysiert und Erfahrungen mit staatlichen Förderungs-Programmen ausgetauscht. Die Schlussfolgerungen für eine auf Innovation und Zusammenarbeit beruhende Tourismuspolitik werden von der OECD veröffentlicht.

Die Europakommission der Weltorganisation für Tourismus stand ebenfalls unter schweizerischem Präsidium. Die Schweiz leistete wesentliche Fachbeiträge für ein Seminar, das den Folgen der bevorstehenden Osteuropa-Erweiterung auf die Mitgliedstaaten der EU und insbesondere die europäischen Drittländer gewidmet war. Die Schweiz setzt sich zudem für die Umwandlung der in Madrid ansässigen Weltorganisation für Tourismus (WTO-Tourismus) in eine Spezialorganisation der UNO ein.

Die Regierung der Volksrepublik China räumte der Schweiz anlässlich des Besuchs des Bundespräsidenten in Beijing vom November den «approved destination»-Status (ADS) ein. Mit der Gewährung des ADS-Status öffnen die chinesischen Behörden die Grenzen für den Gruppenreisemarkt. Bisher konnten nur Geschäftstouristen in die Schweiz reisen. Der Schweizer Tourismus erwartet von dieser Massnahme eine starke Erhöhung der Zahl chinesischer Besucher in der Schweiz.

Mit Schweiz Tourismus verfügt der Bund über eine vom ihm finanziell massgeblich unterstützte öffentlich-rechtliche Körperschaft, welche in der Lage ist, den gemeinsamen Marktauftritt der Tourismuswirtschaft zu organisieren und das chinesische Markpotential auszuschöpfen. Dabei dürfte es von Vorteil sein, dass diese Institution bereits 1998 eine Tourismusvertretung in Beijing eingerichtet hat.

399

Abkürzungsverzeichnis ACWL

Advisory Centre for WTO Law Beratungszentrum für WTO-Recht (Genf)

ADB

Asian Development Bank Asiatische Entwicklungsbank

AfDB

African Development Bank Afrikanische Entwicklungsbank

AFTA

Asian Free Trade Association Freihandelszone des Verbandes südostasiatischer Nationen

AITIC

Agency for International Trade Information and Cooperation Agentur für Internationale Handelsinformation und -kooperation (Genf)

APEC

Asia Pacific Economic Cooperation Anrainerstaaten des pazifischen Beckens

ASEAN

Association of Southeast Asian Nations Verband südostasiatischer Nationen

CEFTA

Central European Free Trade Association Mitteleuropäische Freihandelsassoziation

CIME

Committee on International Investment and Multinational Enterprises Ausschuss für internationale Investitionen und multinationale Unternehmen (der OECD)

Cleaner Produc- Umwelttechnologiezentren tion Centers Coporate Governance

Gute Unternehmensführung und ­kontrolle

COST

Coopération européenne dans le domaine de la recherche scientifique et technique Europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der wissenschaftlichen und technischen Forschung

CSD

Commission on Sustainable Development Kommission für nachhaltige Entwicklung

CWÜ

Chemiewaffenübereinkommen

DAC

Development Assistance Committee Ausschuss für Entwicklungshilfe (der OECD)

EBRD

European Bank for Reconstruction and Development Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung

ECE/UNO

Economic Commission for Europe UNO-Wirtschaftskommission für Europa

ECOSOC

United Nations Economic and Social Council Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen

400

EFTA

European Free Trade Association Europäische Freihandelsassoziation

EG

Europäische Gemeinschaft

ERG

Exportrisikogarantie

ESAF

Enhanced Structural Adjustment Facility Erweiterte Strukturanpassungsfazilität

Euratom

Europäische Atomgemeinschaft

Eureka

European Research Coordination Agency Europäische Agentur für die Koordinierung der Forschung

EWR

Europäischer Wirtschaftsraum

EU

Europäische Union (erster Pfeiler: EG, EGKS, Euratom; zweiter Pfeiler: Gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik; dritter Pfeiler: Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres)

FATF

Financial Action Task Force on money laundering Internationale Task Force zur Bekämpfung der Geldwäscherei (mit Sekretariat bei der OECD)

FAO

Food and Agriculture Organization of the United Nations Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO

FHA

Freihandelsabkommen Schweiz­EWG

FTAA

Free Trade Area of the Americas Gesamtamerikanische Freihandelszone

G­8

Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Italien, Japan, Kanada, Russland, USA

G­10

Group of Ten Zehnergruppe (Vereinigung der mittlerweile 11 wichtigsten Geberländer des IWF)

GATS

General Agreement on Trade in Services Allgemeines Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen

GATT

General Agreement on Tariffs and Trade Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen

GCC

Gulf Cooperation Council Golfkooperationsrat

GEF

Global Environment Facility Globale Umweltfazilität

Global Compact

UN-Initiative mit dem Ziel, global tätige Unternehmen (auf freiwilliger Basis) zur Respektierung von Menschenrechten, zur Einhaltung fairer Arbeitsbedingungen und zum Schutz der Umwelt zu verpflichten

GUS

Gemeinschaft Unabhängiger Staaten

HIPC

Heavily Indebted Poor Countries Initiative des IWF und der Weltbank zur Entschuldung hochverschuldeter armer Länder 401

IAIS

International Association of Insurance Supervisors Internationale Vereinigung der Versicherungsaufseher

IBRD

International Bank for Reconstruction and Development Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung

IDA

International Development Association Internationale Entwicklungsorganisation

IDB

Inter-American Development Bank Interamerikanische Entwicklungsbank

IEA

International Energy Agency Internationale Energie-Agentur

IFC

International Finance Corporation Internationale Finanz-Korporation

IIC

Interamerican Investment Corporation Interamerikanische Investitionsgesellschaft

ILO / IAO

International Labour Organization Internationale Arbeitsorganisation

IMFC

International Monetary and Financial Committee Internationaler Währungs- und Finanzausschuss des IWF

IOSCO

International Organisation of Securities Commissions Internationale Organisation der Effektenhandelsaufseher

IRG

Investitionsrisikogarantie

ITC

International Trade Center Internationales Handelszentrum (von UNCTAD / WTO in Genf)

IWF

Internationaler Währungsfonds

Joint Die gemeinsame Umsetzung von Massnahmen von EntwickImplementation lungsländern und Industrieländern zum Klimaschutz KimberleyProzess

Konsultationsgremium (benannt nach der südafrikanischen Minenstadt Kimberley) zur Verhinderung des Handels mit «Konfliktdiamanten»

KMU

Kleine und mittlere Unternehmen

Mercosur

Mercado Común del Sur Gemeinsamer Markt Lateinamerikas

MIGA

Multilateral Investment Guarantee Agency Multilaterale Investitionsgarantie-Agentur

MOES

Zehn mittel- und osteuropäische Staaten*, mit welchen Freihandelsbeziehungen bestehen

MTCR

Missile Technology Control Regime Raketentechnologie-Kontrollregime

*

402

Ungarn, Polen, die Tschechische Republik, die Slowakische Republik, Slowenien; Bulgarien und Rumänien; Estland, Lettland und Litauen.

NAFTA

North American Free Trade Agreement Nordamerikanisches Freihandelsabkommen zwischen den USA­Kanada­Mexiko

NEPAD

New Partnership for Africa's Development Initiative «Neue Partnerschaft für Afrikas Entwicklung»

NGO

Non-Governmental Organization Nichtregierungs-Organisation

NSG

Nuclear Suppliers Group Gruppe der Nuklearlieferländer

OECD

Organisation for Economic Cooperation and Development Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

OPCW

Organization for the Prohibition of Chemical Weapons Organisation für das Verbot chemischer Waffen

OPEC

Organization of Petroleum Exporting Countries Organisation erdölexportierender Länder

Osec

Osec Business Network Switzerland

Pariser Klub

Vereinigung der weltweit führenden Gläubigerstaaten

SACU

South African Customs Union Südafrikanische Zollunion (Südafrika, Botswana, Lesotho, Namibia und Swaziland)

SDFC

Swiss Development Finance Corporation Schweizerische Gesellschaft für Entwicklungsfinanzierung

SIPPO

Swiss Import Promotion Program Schweizer Programm zur Förderung der Importe aus Entwicklungs- und Transitionsländern

SOFI

Swiss Organisation for Facilitating Investments Schweizerische Organisation zur Förderung von Investitionen in Entwicklungs- und Transitionsländern

SZR

Sondererziehungsrechte

TRIPS

Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights WTO-Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums

UNCED

United Nations Conference on Environment and Development Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung

UNCTAD

United Nations Conference on Trade and Development Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung

UNDP

United Nations Development Program Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen

UNEP

United Nations Environment Program Umweltprogramm der Vereinten Nationen

403

UNIDO

United Nations Industrial Development Organisation Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung

UNO

United Nations Organization Organisation der Vereinten Nationen

WA

Wassenaar Arrangement

WHO

World Health Organization Weltgesundheitsorganisation

WIPO

World Intellectual Property Organization Weltorganisation für geistiges Eigentum

WTO

World Trade Organization Welthandelsorganisation

404

9 9.1

Beilagen Beilagen 9.1.1­9.1.2 Teil I:

9.1.1

Beilagen nach Artikel 10 Absatz 1 des Aussenwirtschaftsgesetzes (zur Kenntnisnahme)

Ergänzende Tabellen und Grafiken zur Wirtschaftslage

Tabellen: Tabelle 1:

Internationale Wirtschafts- und Handelsentwicklung

Tabelle 2:

Entwicklung des schweizerischen Aussenhandels in den wichtigsten Warengruppen Januar­Oktober 2003

Tabelle 3:

Regionale Entwicklung des schweizerischen Aussenhandels Januar­Oktober 2003

Grafiken: Grafik 1:

Weltwirtschaft und Welthandel

Grafik 2:

Reale Wechselkursindizes des Schweizer Frankens

Grafik 3:

Exporte ausgewählter Branchen 1990­2003

Grafik 4:

Regionale Entwicklung des Aussenhandels Januar­Oktober 2003

Grafik 5:

Die schweizerische Fremdenverkehrswirtschaft 1985­2003

Grafik 6:

Die Ertragsbilanz der Schweiz 1990­2003

Grafik 7:

Entwicklung der Direktinvestitionen: Kapitalexporte und Kapitalimporte

405

Tabelle 1

Internationale Wirtschafts- und Handelsentwicklung Entwicklung des realen Bruttosozialprodukts, der Konsumteuerung, der Import- und Exportvolumina sowie der Leistungsbilanzen im OECD-Raum in den Jahren 2002 bis 2005 [Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in Prozenten]

USA

BRD

%

%

EuroZone %

Schweiz

OECD

%

%

Bruttoinlandprodukt, real - 2002 - 2003 - 2004 - 2005

2.4 2.9 4.2 3.8

0.2 0.1 1.5 2.3

0.9 0.5 1.8 2.5

0.2 -0.5 1.2 1.8

1.8 2.0 3.0 3.1

Teuerung 1) - 2002 - 2003 - 2004 - 2005

1.1 1.6 1.2 1.2

1.6 1.0 1.2 0.9

2.4 1.9 1.7 1.6

0.6 -0.1 -0.1 0.3

1.4 1.4 1.2 1.2

Exporte Güter und Dienstleistungen, real - 2002 -1.6 - 2003 1.4 - 2004 8.5 - 2005 8.7

3.4 0.3 4.6 7.2

1.5 -0.7 3.5 6.3

-0.4 -0.5 3.8 5.9

1.6 2.1 7.3 8.3

Importe Güter und Dienstleistungen, real - 2002 3.7 - 2003 3.6 - 2004 7.3 - 2005 7.1

-1.6 2.9 4.4 7.1

-0.1 1.5 3.7 3.2

-3.5 -2.4 4.4 6.5

2.9 3.6 6.5 7.1

2.7 2.0 2.8 3.3

1.1 0.4 0.7 0.9

9.3 9.4 8.9 9.2

-1.1 -1.4 -1.3 -1.3

Aussenhandelsvolumen

Leistungsbilanz Saldo in Prozenten des BIP - 2002 - 2003 - 2004 - 2005

-4.6 -5.0 -5.0 -5.1

Quelle: Perspectives économiques de l'OCDE 2003 = Schätzungen; 2004 und 2005 = Prognosen 1) Preisentwicklung des Bruttoinlandprodukts, OECD-Total ohne die Türkei

406

Tabelle 2

Entwicklung des schweizerischen Aussenhandels in den wichtigsten Warengruppen Januar - Oktober 2003 1) Werte in

Anteil an Gesamtausfuhr bzw.

Gesamteinfuhr %

Mio Fr.

Export total Nahrungsmittel Textilien Bekleidung Papier Kunststoffe Chemie Metalle und Metallwaren Maschinen, Apparate, Elektronik Präzisionsinstrumente Uhren Import total Land- und forstwirtsch. Produkte Energieträger Textilien, Bekleidung, Schuhe Chemikalien Metalle und Metallwaren Maschinen, Apparate, Elektronik Fahrzeuge Handelsbilanz [Vorjahr:

Veränderungen gegenüber dem Vorjahr, in Prozenten

Real/ Mittelmengen- wert/ mässig Preis

Wertmässig

108 532.8

100.0

0.5

-1.3

-0.8

1 618.1 1 750.7 1 319.7 2 719.8 2 664.2 38 230.1 8 329.7 25 162.6 7 993.0 8 149.6

1.5 1.6 1.2 2.5 2.5 35.2 7.7 23.2 7.4 7.5

4.2 -9.3 19.5 0.0 5.7 0.3 0.9 -2.7 9.1 .

2.4 -1.1 6.4 -1.5 -1.7 -1.2 0.5 -0.9 -0.1 .

6.7 -10.3 27.1 -1.5 3.9 -0.9 1.4 -3.6 9.0 -4.5

102 506.5

100.0

-0.6

-0.9

-1.5

8 466.3 4 617.2 7 354.1 22 810.0 8 135.1 20 856.1 10 819.0

8.3 4.5 7.2 22.3 7.9 20.3 10.6

3.6 -5.3 -1.1 -4.1 1.3 2.0 2.0

-0.3 7.9 -0.9 2.3 1.0 -5.2 -2.6

3.3 2.2 -2.0 -1.9 2.3 -3.3 -0.7

6 026.3 5 386.6

]

1) Ohne Handel mit Edelmetallen, Edel- und Schmucksteinen sowie Antiquitäten und Kunstgegenständen

407

7 072.7 2 965.9 928.1 868.6 730.3

Transformationsländer Zentraleuropäische Transf.länder Polen Tschechien Ungarn

408

84 203.4 65 918.8 23 357.2 9 579.8 9 181.0 5 193.9 3 751.4 3 619.3 2 112.4 3 866.7 826.5 1 377.8 564.3 441.7 17 843.0 11 378.8 1 196.5 4 300.5 847.5

Industrieländer EU BR Deutschland Frankreich Italien Grossbritannien Oesterreich Niederlande Belgien Spanien Dänemark Schweden Finnland EFTA Aussereuropäische Industrieländer USA Kanada Japan Australien 12.5 7.8 - 2.8 9.0 21.1

- 0.6 0.2 2.2 - 5.8 2.0 - 4.1 - 3.1 6.3 - 8.7 4.7 - 1.4 11.1 - 7.3 - 3.1 - 3.4 - 5.8 - 10.1 5.8 - 4.6 6.5 2.7 0.9 0.8 0.7

77.6 60.7 21.5 8.8 8.5 4.8 3.5 3.3 1.9 3.6 0.8 1.3 0.5 0.4 16.4 10.5 1.1 4.0 0.8 4 607.8 2 004.5 408.5 730.5 557.1

91 304.0 83 752.0 34 290.2 11 157.2 11 415.3 4 139.5 4 515.2 5 303.1 3 064.6 2 469.8 873.0 1 378.7 670.5 241.4 7 310.6 4 452.8 423.5 2 230.4 118.2

Mio. Fr.

Einfuhrwert

Mio. Fr.

Einfuhr Anteil an der Gesamtausfuhr %

Ausfuhrwert

Veränderung gegenüber dem Vorjahr %

Ausfuhr

Regionale Entwicklung des schweizerischen Aussenhandels Januar - Oktober 2003

1)

5.2 4.7 6.8 6.1 - 0.5

- 0.8 0.5 2.6 4.4 2.5 - 16.2 2.9 - 5.8 4.6 17.3 - 5.0 11.3 - 16.4 - 3.7 - 13.1 - 20.2 11.5 - 1.2 1.9

Veränderung gegenüber dem Vorjahr %

4.5 2.0 0.4 0.7 0.5

89.1 81.7 33.5 10.9 11.1 4.0 4.4 5.2 3.0 2.4 0.9 1.3 0.7 0.2 7.1 4.3 0.4 2.2 0.1

Anteil an der Gesamteinfuhr %

2 464.9 961.4 519.6 138.1 173.2

-7 100.6 -17 833.2 -10 933.0 -1 577.4 -2 234.3 1 054.4 - 763.8 -1 683.8 - 952.2 1 396.9 - 46.5 - 0.9 - 106.2 200.3 10 532.4 6 926.0 773.0 2 070.1 729.3

Mio. Fr.

Handelsbilanz

Saldo

Tabelle 3

3 908.9 506.1 588.9 108 532.8

Nicht-Oel-Entwicklungsländer Israel Indien

Ausfuhr / Einfuhr / Saldo Total

- 0.8

- 8.1 - 3.2 11.9

- 9.8 - 8.7

- 4.7 - 5.4 - 4.9 - 10.3 - 10.8 11.5 - 0.5 - 7.0 - 7.7 - 12.8 32.1 0.6 - 0.3 3.4

13.0 14.3 19.0 19.9

100.0

3.6 0.5 0.5

2.9 2.7

9.4 6.0 0.6 1.0 2.1 1.0 0.8 1.8 0.8 0.7 0.2 1.6 1.2 0.4

1.0 1.0 1.8 1.8

409

1) Ohne Handel mit Edelmetallen, Edel- und Schmucksteinen sowie Antiquitäten und Kunstgegenständen

3 175.3 2 946.0

10 172.4 6 489.6 605.2 1 132.9 2 235.6 1 086.3 879.9 1 927.9 884.5 733.1 202.3 1 754.8 1 308.4 441.0

1 129.8 1 047.8 1 929.3 1 916.0

Oelexportierende Entwicklungsländer OPEC

Schwellenländer Asiatische Schwellenländer Thailand Singapur Hongkong Taiwan Südkorea Amerikanische Schwellenländer Brasilien Mexiko Argentinien Uebrige Schwellenländer Türkei Südafrika

GUS Südosteuropäische Transf.länder Asiatische Transformationsländer China

102 506.5

1 895.2 187.3 383.1

1 533.6 1 482.8

3 165.9 2 088.8 462.4 150.8 414.1 420.5 431.3 616.6 343.0 182.6 46.5 460.4 350.1 110.0

249.3 370.2 1 983.9 1 981.4

Mio. Fr.

Einfuhrwert

Mio. Fr.

Einfuhr Anteil an der Gesamtausfuhr %

Ausfuhrwert

Veränderung gegenüber dem Vorjahr %

Ausfuhr

- 1.5

- 20.9 - 27.0 - 4.5

- 7.0 - 7.4

- 13.3 - 9.5 5.2 - 15.6 - 17.0 - 15.8 0.3 - 29.1 - 46.0 30.1 2.6 - 2.6 - 0.5 - 8.9

15.6 3.4 4.7 4.7

Veränderung gegenüber dem Vorjahr %

100.0

1.8 0.2 0.4

1.5 1.4

3.1 2.0 0.5 0.1 0.4 0.4 0.4 0.6 0.3 0.2 0.0 0.4 0.3 0.1

0.2 0.4 1.9 1.9

Anteil an der Gesamteinfuhr %

6 026.3

2 013.7 318.8 205.8

1 641.7 1 463.2

7 006.5 4 400.8 142.8 982.1 1 821.5 665.8 448.6 1 311.3 541.5 550.5 155.8 1 294.4 958.3 331.0

880.5 677.6 - 54.6 - 65.4

Mio. Fr.

Handelsbilanz

Saldo

1995

410

Quelle: OECD

-1

0

1

2

3

4

5

1996

Euro-Zone

1997

1998 USA

1999 Japan

2000

2002

2003

Welthandelsvolumen (rechte Skala)

2001

Weltwirtschaft und Welthandel Wachstum des realen BIP und des Welthandelsvolumens

2004

seco - DPWW

2005

Grafik 1

-2

0

2

4

6

8

10

12

14

1995

411

Quelle: SNB

70

80

90

100

110

120

130

1997

1998

1999

Total, exportgewichtet

Yen

1996

Euro

US-Dollar

Index, Januar 1999 = 100

2000

2001

Reale Wechselkursindizes des Schweizerfrankens Entwicklung des realen Frankenkurses gegenüber den wichtigsten

2003 seco - DPWW

2002

Woche vom 10.-14.11.

Grafik 2

412

Gesamtausfuhr Maschinen Metalle

Chemische Produkte Instrumente Uhren

-13.0

Grafik 3

* Januar - Oktober 2003

seco - DPWW

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003*

Quelle: OZD

-10

-5

0

5

10

15

Exporte ausgewählter Branchen 1990 - 2003 (Nominelle Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in

-0.8

413

0.2

EU

Ausfuhr

-1.5

al Tot Quelle: OZD

-20

-16

-12

-8

-4

0

4

8

0.5

D BR

Einfuhr

2.2

2.6

A US

-5.8

ele Mitt

-20.2

pa uro

7.8

4.7

-9.5

-7.0

SL SL en rika e Asi m eina Lat

-5.4

Nominelle Veränderungen gegenüber der Vorjahresperiode in %

-29.1

EC OP

-8.7

Regionale Entwicklung des Aussenhandels Januar - Oktober 2003

-7.4

-20.9

seco - DPWW

-8.1

Grafik 4

1985

IT

FR

UK

US

D

414

Q uelle: B FS

10000

12000

14000

16000

18000

20000

1986

1987

S chw eiz Italien

1988

1989

1990

A usland E ngland

1992

1993

1994

1996

1997

D eutschland USA

1995

* 2003 = H ochrechnung nach 9 M onaten

1991

G rafik 5

1998

2000

F rankreich

1999

2001

2003*

500

seco - D P W W

2002

1000

1500

2000

2500

3000

3500

4000

4500

5000

5500

6000

6500

7000

7500

8000

Logiernächte nach einzelnen H erkunftsländern (in 1000)

G äste aus der S chweiz (linke S kala)

A usländische G äste total (linke S kala)

Logiernächte schweiz. und ausl. G äste total (in 1000)

E ntw icklung der Logiernächte in- und ausländischer G äste

D ie S chw eizer F rem denverkehrsw irtschaft 1985 - 2003

1990

13.0

19.0

12.0

415

Q uelle: S N B

-20

-10

0

10

20

30

40

50

60

70

1995

15.2

20.8

25.2

1997

18.9

30.0

37.0

D ienstleistungen K apitaleinkom m en E rtragsbilanz

1999

21.6

37.0

45.7

2000

25.6

44.8

53.5

2001

22.1

34.0

36.2

2002

21.9

27.2

38.6

*2003 = P rognose S N B /E xpertengruppe W irtschaftsprognosen des B undes 23.10.2003

1992

15.1

19.2

21.3

W arenverkehr A rbeitseinkom m en Ü bertragungen

S alden der w ichtigsten K om ponenten in M rd. F ranken

D ie E rtragsbilanz der S chw eiz 1990 - 2003

seco - D P W W

2003*

21.8

33.6

45.7

G rafik 6

1993

13

416

Quelle: SNB

-10

0

10

20

30

40

50

60

70

1994

15

1995

14

1996

20

Kapitalimporte aus den USA

Kapitalimporte aus der EU

Kapitalimporte total

Kapitalexporte nach den USA

Kapitalexporte nach der EU

Kapitalexporte total

1997

26 27

1998

Kapitalexporte und Kapitalimporte in Milliarden Franken

Entwicklung der Direktinvestitionen

1999

50

2000

75

2002

16

seco - DPWW

2001

31

Grafik 7

9.1.2

Bewilligungspflichtige Versandkontrollen in der Schweiz im Auftrag ausländischer Staaten

Die im Zusammenhang mit dem WTO-Übereinkommen über Kontrollen vor dem Versand (SR 0.632.20, Anhang 1A.10) erlassene Verordnung vom 17. Mai 1995 über die Durchführung von Versandkontrollen (SR 946.202.8) regelt die Zulassung, Durchführung und Überwachung solcher Kontrollen (v.a. Überprüfung der Qualität, der Menge und des Preises) im Auftrag ausländischer Staaten durch spezialisierte Versandkontrollgesellschaften in der Schweiz. Solche Gesellschaften benötigen pro Auftragsland eine Bewilligung des EVD.

Nach Artikel 15 der Verordnung ist jährlich eine Liste zu veröffentlichen, in welcher die Versandkontrollstellen, die über eine Bewilligung zur Vornahme von Versandkontrollen in der Schweiz verfügen, sowie die Länder, auf die sich die Bewilligung bezieht, aufgeführt sind.

Zurzeit verfügen fünf Kontrollgesellschaften über solche Bewilligungen. Es sind dies die Société Générale de Surveillance S.A. in Genf (SGS), die Cotecna Inspection S.A. in Genf (Cotecna), das Bureau Véritas/BIVAC (Switzerland) AG in Weiningen (Véritas), die Inspectorate (Suisse) S.A. in Prilly (Inspectorate) sowie die Intertek Testing Services Switzerland Ltd in Attiswil (ITS). Die entsprechenden Bewilligungen beziehen sich auf 39 Staaten, von denen fünf nicht der WTO angehören. Nachfolgend sind die betreffenden Staaten und Versandkontrollstellen in alphabetischer Reihenfolge aufgelistet14; das Stichdatum ist der 1. Dezember 200315.

Land und WTO-Status (*) = Nichtmitglied

Kontrollstelle(n)

Bewilligung gültig seit:

Aethiopien (*) Angola Bangladesh Benin Bolivien Burkina Faso Burundi Côte d'Ivoire

SGS Véritas ITS Véritas Inspectorate SGS SGS Cotecna Véritas Cotecna SGS Cotecna Véritas ITS

1.10.1999 28. 2.2002 7. 6.2000 21. 6.2000 1. 9.1996 1. 9.1996 1. 9.1996 15. 9.2000 15. 9.2000 15. 8.1996 1. 9.1996 1. 9.1996 1. 9.1996 27. 3.2001

Djibouti Ecuador

14 15

417

Auf der Liste können auch Bewilligungen aufgeführt sein für Kontrollmandate, die sistiert, aber nicht beendet sind, und somit wieder operabel werden können.

Diese Liste findet sich auch auf Internetseite: (http://www.seco.admin.ch/imperia/md/content/aussenwirtschaft/grundlagen/ versandkontroll_laenderliste.pdf).

Land und WTO-Status (*) = Nichtmitglied

Kontrollstelle(n)

Bewilligung gültig seit:

Georgien Guinea Haiti Indonesien Iran (*)

ITS SGS SGS SGS SGS Véritas ITS SGS SGS Véritas Cotecna Véritas SGS Véritas SGS ITS Cotecna SGS SGS ITS Cotecna SGS SGS Cotecna Véritas ITS Cotecna Véritas Cotecna SGS Cotecna ITS ITS SGS SGS Cotecna Véritas ITS

15. 2.2001 1. 9.1996 12. 9.2003 9. 4.2003 1. 3.2000 6. 3.2001 2.12.2002 28. 9.2000 1. 9.1996 22. 8.2003 15. 8.1996 21. 6.2000 8.12.1997 8.12.1997 16. 4.2003 22. 8.2003 3.10.2003 1. 9.1996 2.11.2000 27. 3.2001 8.12.1997 1. 9.1999 1. 9.1996 1. 9.1996 1. 9.1996 2.12.2002 22. 8.2001 1. 9.1996 18. 2.1999 1. 4.1999 1. 9.1996 27. 3.2001 7. 6.2000 10. 4.2001 3. 9.2003 12. 9.2003 12. 9.2003 19. 9.2003

Kambodscha Kamerun Kenia Komoren (*) Kongo (Brazzaville) Kongo (Kinshasa) Liberia (*) Madagaskar Malawi Mali Mauretanien Moldau Mosambik Niger Nigeria Peru Rwanda Senegal Sierra Leone Tansania (ohne Sansibar) Tansania (nur Sansibar) Togo Uganda Usbekistan (*) Venezuela

418

9.2

Beilage 9.2.1 Teil II:

419

Beilage nach Artikel 10 Absatz 3 des Aussenwirtschaftsgesetzes (zur Genehmigung)

420