Generelle Bewilligung zur Offenbarung des Berufsgeheimnisses zu Forschungszwecken im Bereich der Medizin und des Gesundheitswesens Die Expertenkommission für das Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung, hat an der Plenarsitzung vom 30. Januar 2004 und im Zirkularverfahren vom 30. März 2004, gestützt auf Artikel 321bis des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB, SR 311.0); Artikel 1, 3 Absatz 1, 9 Abs. 4 und 5, 10, 11 und 13 der Verordnung vom 14. Juni 1993 über die Offenbarung des Berufsgeheimnisses im Bereich der medizinischen Forschung (VOBG, SR 235.154), in Sachen Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern, betreffend Gesuch vom 19. September 2003 für eine generelle Bewilligung zur Offenbarung des Berufsgeheimnisses im Sinne von Artikel 321bis StGB zu Forschungszwecken im Bereich der Medizin und des Gesundheitswesens, verfügt: 1. Bewilligungsnehmer Dem Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern wird unter den nachfolgenden Bedingungen und Auflagen eine generelle Bewilligung gemäss Artikel 321bis StGB in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 und 2 und Artikel 11 VOBG erteilt.

Verantwortlich für die Forschung gestützt auf die vorliegende Bewilligung ist der medizinische Direktor, Prof. Matthias Egger.

Durch die Bewilligung wird dem mit der Forschung betrauten Personal des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern gestattet, zu Forschungszwecken im Bereich der Medizin und des Gesundheitswesens unter den nachstehenden Bedingungen nicht anonymisierte Personendaten einzusehen.

Durch die Bewilligung wird die Einsichtnahme in nicht anonymisierte Personendaten ermöglicht, ohne dass der Dateninhaber dadurch sein Berufsgeheimnis verletzt.

Sollten Forschungsprojekte auf nicht anonymisierte Daten anderer Forschungsinstitute angewiesen sein, oder soll externen Forschergruppen Einblick in nicht anonymisierte Personendaten des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern gewährt werden, ist der Expertenkommission ein Sonderbewilligungsgesuch einzureichen.

2. Zweck und Umfang der Dateneinsicht Die Bewilligung umfasst das Recht, Einsicht in Patientendossiers zu nehmen, welche Daten enthalten, die für Forschungsprojekte des Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern relevant sind.

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3. Bedingungen Es dürfen nur dann nicht anonymisierte Personendaten verwendet werden, wenn das Forschungsprojekt nicht mit anonymisierten Daten durchgeführt werden kann.

Wenn die Einwilligung der Patientinnen und Patienten zur Verwendung ihrer Daten ohne unverhältnismässige Schwierigkeiten und ohne dass ihnen ein erheblicher Schaden zugefügt wird, eingeholt werden kann, so dürfen die Personendaten nicht gestützt auf die vorliegende Bewilligung zu Forschungszwecken verwendet werden.

4. Aufklärung und Vetorecht Die Patientinnen und Patienten sind darüber aufzuklären, dass sie die Datenweitergabe untersagen können. Personendaten, deren Weitergabe untersagt wurde, dürfen nicht zu Forschungszwecken verwendet werden.

Der verantwortliche medizinische Direktor hat den Schutz der Personendaten sicherzustellen und dafür zu sorgen, dass allfällige durch die Berechtigten erfolgten Verwendungsverbote eingehalten werden.

Bezüglich Datenerhebungen bis zum 31. Dezember 1995 verzichtet die Expertenkommission praxisgemäss auf den Nachweis der erfolgten Aufklärung der Berechtigten. Für Datenerhebungen ab dem 1. Januar 1996 kann sie nicht mehr davon absehen. Der Bewilligungsnehmer hat demnach die Betroffenen darüber aufzuklären, dass sie die Verwendung ihrer Daten zu Forschungszwecken untersagen können. In welcher Form dies geschieht, bleibt ihm überlassen.

Bei zukünftigen Forschungsprojekten, für die ab 1996 erhobene Patientendaten verwendet werden, muss im Forschungsprotokoll nachgewiesen werden, dass die Betroffenen über ihr Vetorecht informiert worden sind. Die Ethikkommission muss insbesondere diesen Punkt überprüfen. Mit seiner Unterschirft auf der «non obstat»Erklärung bestätigt der medizinische Direktor das Vorliegen der entsprechenden Nachweise.

Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass im Unterlassungsfalle neben dem Strafverfolgungsrisiko auch die Gefahr einer Forschungslücke aufkommt. Letztere entsteht, da Personendaten bei fehlender Aufklärung der Berechtigten nicht für die Forschung verwendet werden dürfen, selbst wenn die übrigen gesetzlichen Bedingungen erfüllt sind.

5. Datensammlungen und Kreis der Zugriffsberechtigten a.

Das Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern ist berechtigt, Dossiers sowohl in Papier- wie auch in elektronischer Form zu führen. Es muss sichergestellt werden, dass die personenbezogenen Angaben von den bereits anonymisierten Daten getrennt werden.

b.

Mit Einwilligung des für die Forschung zuständigen Leiters oder des medizinischen Direktors dürfen die Mitarbeitenden des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern zu Forschungszwecken auf Datenmaterial zugreifen. Auf bereits bearbeitete Daten darf je nach Bedürfnis erneut zugegriffen werden. Nach Abschluss des Forschungsprojektes ist für einen erneuten Datenzugriff die Einwilligung des medizinischen Direktors einzuholen.

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6. Dauer der Datenaufbewahrung Die Aufbewahrungsfrist richtet sich nach kantonalem Recht. Die Vernichtung der für das Forschungsprojekt verwendeten Daten hat gemäss den Vorschriften des kantonalen Datenschutzbeauftragten zu erfolgen.

7. Massnahmen für die Anonymisierung Die den Dateien des Instituts für Forschungszwecke entnommenen Daten müssen zu Beginn der Forschungstätigkeit anonymisiert werden.

8. Erkennungsmerkmale Es ist sicherzustellen, dass in den auf den verwendeten Daten basierenden Publikationen keine Identifizierung der betroffenen Personen möglich ist.

9. Auflagen a.

Für jedes Forschungsprojekt muss eine «non obstat»-Erklärung der zuständigen Ethikkommission eingeholt werden. Diese überprüft neben der ethischen Vereinbarkeit der Forschungsprojekte, ob die datenschutzrechtlichen Bestimmungen eingehalten sind. Insbesondere hat sie sich zu vergewissern, dass das Forschungsprojekt nicht mit anonymisierten Daten durchgeführt werden kann, dass es unmöglich oder unverhältnismässig schwierig wäre, die Einwilligung der Berechtigten einzuholen, dass die jeweiligen Forschungsinteressen die Geheimhaltungsinteressen der Berechtigten überwiegen, dass die Berechtigten über ihr Vetorecht informiert worden sind und dass die Personendaten zu Beginn der Forschungstätigkeit anonymisiert werden. Durch Visum auf der «non obstat»-Erklärung bestätigt der medizinische Direktor als Verantwortlicher gegenüber der Expertenkommission, dass das Forschungsprojekt den ethischen und datenschutzrechtlichen Anforderungen genügt. Wird die «non obstat»-Erklärung verweigert, darf das Forschungsprojekt nicht gestützt auf die vorliegende Bewilligung durchgeführt werden. In solchen Fällen bleibt die Möglichkeit, bei der Expertenkommission ein Gesuch um Erhalt einer Sonderbewilligung zu stellen.

b.

Haben die Berechtigten die Verwendung ihrer Daten für Forschungszwecke untersagt, so muss diese Weigerung vermerkt und das Verwendungsverbot beachtet werden.

c.

Die einzelnen betriebsinternen Forschungsprojekte und Doktoratsarbeiten sind zu registrieren und jährlich dem Sekretariat der Expertenkommission zuhanden des Präsidenten zu melden. Diese Meldung hat folgendes zu beinhalten: ­ den Titel des Forschungsprojektes; ­ die (vermutete) Grösse des Kollektivs, die Einschlusskriterien und den Forschungszweck; ­ den Namen der für das Forschungsprojekt verantwortlichen Person; ­ die Namen der Personen, welche Einblick in nicht anonymisierte Daten erhalten; ­ für jedes einzelne Forschungsprojekt den Nachweis einer «non obstat»Erklärung der zuständigen Ethikkommission gemäss Buchstabe a.

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d.

Das Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern hat ein Zugriffsreglement zu erstellen und dieses zur Genehmigung dem Sekretariat der Expertenkommission zuhanden des Präsidenten zuzustellen. Aus dem Zugriffsreglement muss hervorgehen, in welcher Funktion die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Forschungszwecken Zugriff auf elektronische oder in papierform geführte Personendaten oder Patientendossiers haben.

Personen, die über keine Zugriffsberechtigung verfügen, ist der Zugriff auf die nicht anonymisierten Daten zu verweigern. Insbesondere dürfen anderen Spitälern, externen Instituten oder externen Forschergruppen nur anonymisierte Daten zur Verfügung gestellt werden.

Die Mitarbeiterinnnen und Mitarbeiter sowie die Doktorandinnen und Doktoranden, welche gestützt auf diese Bewilligung Forschung betreiben, sind auf ihre Schweigepflicht gemäss Artikel 321bis StGB hinzuweisen.

10. Bewilligungsdauer und -beständigkeit Die vorliegende Bewilligung wird für die Dauer von fünf Jahren seit Eintritt der Rechtskraft erteilt. Vor Ablauf der Bewilligungsdauer ist ein neues, ergänzendes Gesuch zu stellen, sofern ein Wechsel des medizinischen Direktors erfolgt oder wenn Änderungen in der Datenverwaltung oder im Zugriffsreglement erfolgen.

Ausserdem hat der Bewilligungsnehmer der Expertenkommission jede Änderung in der Verwaltungs- oder Organisationsstruktur des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern zu melden.

11. Frist zur Auflagenerfüllung Dem Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern wird zur Erfüllung der Auflagen gemäss Ziffer 9 Buchstabe c und d eine Frist von 6 Monaten ab Rechtskraft der vorliegenden Bewilligung gesetzt.

12. Strafbarkeit Wer gemäss Artikel 321bis StGB ein Berufsgeheimnis unbefugterweise offenbart, das er durch seine Tätigkeit für die Forschung im Bereich der Medizin oder des Gesundheitswesens erfahren hat, wird nach Artikel 321 StGB bestraft.

13. Rechtsmittelbelehrung Gegen diese Verfügung kann nach Massgabe von Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe c des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (DSG; SR 235.1) und Artikel 44 ff. des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren (VwVG; SR 172.021) innert 30 Tagen seit deren Eröffnung bei der Eidgenössischen Datenschutzkommission, Postfach, 3000 Bern 7, Verwaltungsbeschwerde erhoben werden. Die Beschwerde ist im Doppel einzureichen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift der beschwerdeführenden Partei oder ihres Vertreters oder ihrer Vertreterin zu enthalten 14. Mitteilung und Publikation Diese Verfügung wird dem Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern und dem Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten schriftlich mitgeteilt. Das Verfügungsdispositiv wird im Bundesblatt veröffentlicht. Wer zur Beschwerde legitimiert ist, kann innert der Beschwerdefrist beim Sekretariat der Experten-

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kommission, Bundesamt für Gesundheit, Abteilung Recht, 3003 Bern, nach telefonischer Voranmeldung (Telefon 031 324 94 02) Einsicht in die vollständige Verfügung nehmen.

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Expertenkommission für das Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung Der Präsident: Prof. Dr. iur. Franz Werro

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