Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags

Die Schweizerische Eidgenossenschaft und die Europäische Gemeinschaft, nachstehend «Vertragsparteien» genannt ­ in der Erwägung, dass der Rat der Europäischen Union am 18. Februar 2003 die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist1 (nachstehend «Dublin-Verordnung» genannt), angenommen hat, die das am 15. Juni 1990 in Dublin unterzeichnete Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrags2 (nachstehend «Dubliner Übereinkommen» genannt) abgelöst hat, und dass die Kommission der Europäischen Gemeinschaften am 2. September 2003 die Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist3 (nachstehend «Verordnung mit den Dublin-Durchführungsbestimmungen» genannt), angenommen hat, in der Erwägung, dass der Rat der Europäischen Union am 11. Dezember 2000 die Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 über die Einrichtung von «Eurodac» für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens4 (nachstehend «Eurodac-Verordnung» genannt) angenommen hat, damit die gemäss dem Dubliner Übereinkommen für die Prüfung eines Asylantrags zuständige Vertragspartei leichter bestimmt werden kann, und dass er am 28. Februar 2002 die Verordnung (EG) Nr. 407/2002 zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 über die Einrichtung von «Eurodac» für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens5 (nachstehend «Verordnung mit den Eurodac-Durchführungsbestimmungen» genannt) angenommen hat, in der Erwägung, dass die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung

1 2 3 4 5

ABl. L 50 vom 25.2.2003, S. 1.

ABl. C 254 vom 19.8.1997, S. 1.

ABl. L 222 vom 5.9.2003, S. 3.

ABl. L 316 vom 15.12.2000, S. 1.

ABl. L 62 vom 5.3.2002, S. 1.

2004-2082

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Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags.

Abkommen mit der EG

personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr6 (nachstehend «Datenschutz-Richtlinie» genannt) bei der Verarbeitung von Daten für die Zwecke dieses Abkommens von der Schweizerischen Eidgenossenschaft in derselben Weise anzuwenden ist, in der sie die Mitgliedstaaten der Europäischen Union anwenden, eingedenk der geografischen Lage der Schweizerischen Eidgenossenschaft, in der Erwägung, dass die Teilnahme der Schweizerischen Eidgenossenschaft an dem durch die Dublin- und Eurodac-Verordnungen gebildeten gemeinschaftlichen Besitzstand (nachstehend «Dublin/Eurodac-Besitzstand» genannt) es ermöglicht, die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zu verstärken, in der Erwägung, dass die Europäische Gemeinschaft ein Übereinkommen mit der Republik Island und dem Königreich Norwegen über die Kriterien und Regelungen zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in Island oder Norwegen gestellten Asylantrags7 auf der Grundlage des Dubliner Übereinkommens geschlossen hat, in der Erwägung, dass es wünschenswert ist, die Schweizerische Eidgenossenschaft auf gleichwertiger Ebene wie Island und Norwegen bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Dublin/Eurodac-Besitzstands zu assoziieren, in der Erwägung, dass zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft ein Abkommen geschlossen werden sollte, das gleichartige Rechte und Pflichten begründet wie das Übereinkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft einerseits sowie Island und Norwegen andererseits, in der Überzeugung, dass die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei der Umsetzung, praktischen Anwendung und künftigen Weiterentwicklung des Dublin/Eurodac-Besitzstands organisiert werden muss, in der Erwägung, dass ein Ausschuss nach dem institutionellen Muster der Assoziierung Islands und Norwegens eingesetzt werden muss, um die Schweizerische Eidgenossenschaft bei den Tätigkeiten der Europäischen Gemeinschaft in den von diesem Abkommen erfassten Bereichen zu assoziieren und ihr die Teilnahme daran zu ermöglichen, in der Erwägung, dass die Zusammenarbeit in den von der Dublin- und der Eurodac-Verordnung erfassten Bereichen auf den Grundsätzen der Freiheit, der
Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der Menschenrechte, wie sie insbesondere in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 gewährleistet sind, beruht, in der Erwägung, dass Titel IV des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und die auf der Grundlage des genannten Titels angenommenen Rechtsakte gemäss dem Protokoll über die Position Dänemarks, das durch den 6 7

ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31.

ABl. L 93 vom 3.4.2001, S. 38.

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Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags.

Abkommen mit der EG

Vertrag von Amsterdam dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügt wurde, auf das Königreich Dänemark nicht anwendbar sind, dass es der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Dänemark jedoch ermöglicht werden sollte, die materiellen Bestimmungen dieses Abkommens in ihren Beziehungen untereinander anzuwenden, in der Erwägung, dass sichergestellt werden muss, dass die Staaten, mit denen die Europäische Gemeinschaft eine Assoziierung bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Dublin/Eurodac-Besitzstands geschaffen hat, diesen Besitzstand auch in ihren Beziehungen untereinander anwenden, in der Erwägung, dass das ordnungsgemässe Funktionieren des Dublin/EurodacBesitzstands verlangt, dass dieses Abkommen und die Übereinkünfte zwischen den verschiedenen bei der Umsetzung und Entwicklung des Dublin/Eurodac-Besitzstands assoziierten Parteien, in denen die Beziehungen dieser Parteien untereinander geregelt sind, gleichzeitig zur Anwendung gelangen, eingedenk der Assoziierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands, in Anbetracht der Verknüpfung, die zwischen dem Schengen-Besitzstand und dem Dublin/Eurodac-Besitzstand besteht, in der Erwägung, dass aufgrund dieser Verknüpfung der Dublin/Eurodac-Besitzstand und der Schengen-Besitzstand gleichzeitig in Kraft gesetzt werden müssen ­ sind wie folgt übereingekommen: Art. 1 1. Die Bestimmungen ­

der Dublin-Verordnung,

­

der Eurodac-Verordnung,

­

der Verordnung mit den Eurodac-Durchführungsbestimmungen und

­

der Verordnung mit den Dublin-Durchführungsbestimmungen

werden von der Schweizerischen Eidgenossenschaft (nachstehend «Schweiz» genannt) umgesetzt und im Rahmen ihrer Beziehungen zu den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (nachstehend «Mitgliedstaaten» genannt) angewendet.

2. Die Mitgliedstaaten wenden die in Absatz 1 genannten Verordnungen in ihren Beziehungen zur Schweiz an.

3. Unbeschadet des Artikels 4 werden die Rechtsakte und Massnahmen der Europäischen Gemeinschaft zur Änderung oder Ergänzung der in Absatz 1 genannten Bestimmungen sowie die Entscheidungen, die nach den in diesen Bestimmungen vorgesehenen Verfahren getroffen werden, von der Schweiz ebenfalls akzeptiert, umgesetzt und angewendet.

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Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags.

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4. Die Bestimmungen der Datenschutz-Richtlinie, die für die Mitgliedstaaten in Bezug auf die Daten gelten, die zum Zwecke der Umsetzung und Anwendung der in Absatz 1 genannten Bestimmungen verarbeitet werden, sind von der Schweiz entsprechend umzusetzen und anzuwenden.

5. Für die Zwecke der Absätze 1 und 2 schliessen Bezugnahmen in den in Absatz 1 genannten Bestimmungen auf die «Mitgliedstaaten» auch die Schweiz ein.

Art. 2 1. Bei der Erarbeitung neuer Rechtsvorschriften zur Änderung oder Ergänzung der in Artikel 1 genannten Bestimmungen zieht die Kommission der Europäischen Gemeinschaften (nachstehend «Kommission» genannt) Sachverständige aus der Schweiz informell gleichermassen zurate, wie sie Sachverständige aus den Mitgliedstaaten für die Ausarbeitung ihrer Vorschläge zurate zieht.

2. Wenn die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union (nachstehend «Rat» genannt) Vorschläge nach Absatz 1 vorlegt, so übermittelt sie diese in Kopie auch an die Schweiz.

Auf Antrag einer Vertragspartei kann vorab im Rahmen des mit Artikel 3 eingesetzten Gemeinsamen Ausschusses ein Meinungsaustausch geführt werden.

3. Die Vertragsparteien konsultieren einander erneut auf Antrag einer der Vertragsparteien bei wichtigen Etappen vor der Verabschiedung von in Absatz 1 genannten Rechtsvorschriften im Rahmen eines ständigen Informations- und Konsultationsprozesses im Gemeinsamen Ausschuss.

4. Die Vertragsparteien arbeiten während der Informations- und Konsultationsphase loyal zusammen, um die Tätigkeit des Gemeinsamen Ausschusses gemäss diesem Abkommen am Ende dieses Prozesses zu erleichtern.

5.Die Vertreter der Schweizer Regierung sind berechtigt, zu von Absatz 1 erfassten Fragen im Gemeinsamen Ausschuss Anregungen vorzutragen.

6. Die Kommission gewährleistet, dass Schweizer Sachverständige je nach Bereich so weitgehend wie möglich an der Ausarbeitung jener Massnahmenentwürfe beteiligt werden, die anschliessend den Ausschüssen zu unterbreiten sind, die die Kommission bei der Ausübung ihrer Durchführungsbefugnisse unterstützen. In diesem Zusammenhang zieht die Kommission bei der Ausarbeitung von Massnahmen Sachverständige aus der Schweiz auf derselben Grundlage heran wie Sachverständige aus den Mitgliedstaaten.

7. In Fällen, in denen der Rat gemäss dem betreffenden Ausschussverfahren befasst wird, übermittelt ihm die Kommission die Stellungnahmen der Schweizer Sachverständigen.

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Art. 3 1. Es wird ein Gemeinsamer Ausschuss aus Vertretern der Vertragsparteien eingesetzt.

2. Der Gemeinsame Ausschuss gibt sich einvernehmlich eine Geschäftsordnung.

3. Der Gemeinsame Ausschuss tritt auf Initiative seines/seiner Vorsitzenden oder auf Antrag eines seiner Mitglieder zusammen.

4. Der Gemeinsame Ausschuss tritt je nach Bedarf auf der entsprechenden Ebene zusammen, um die praktische Umsetzung und Anwendung der in Artikel 1 genannten Bestimmungen zu prüfen und einen Meinungsaustausch über die Ausarbeitung von Rechtsakten und Massnahmen zur Änderung oder Ergänzung der in Artikel 1 genannten Bestimmungen zu führen.

Es wird davon ausgegangen, dass der gesamte Informationsaustausch im Zusammenhang mit diesem Abkommen im Rahmen des Mandats des Gemeinsamen Ausschusses stattfindet.

5. Der Vorsitz im Gemeinsamen Ausschuss wird abwechselnd jeweils für die Dauer von sechs Monaten vom Vertreter der Europäischen Gemeinschaft und vom Vertreter der Schweizer Regierung wahrgenommen.

Art. 4 1. Nimmt der Rat Rechtsakte oder Massnahmen zur Änderung oder Ergänzung der Bestimmungen von Artikel 1 an und werden Rechtsakte oder Massnahmen gemäss den in diesen Bestimmungen vorgesehenen Verfahren angenommen, so werden diese Rechtsakte oder Massnahmen, sofern in ihnen nichts anderes bestimmt ist, vorbehaltlich des Absatzes 2 vom selben Zeitpunkt an von den Mitgliedstaaten und von der Schweiz angewendet.

2. Die Kommission notifiziert der Schweiz unverzüglich die Annahme der Rechtsakte oder Massnahmen nach Absatz 1. Die Schweiz entscheidet, ob sie deren Inhalt akzeptiert und in ihre innerstaatliche Rechtsordnung umsetzt. Der diesbezügliche Beschluss wird der Kommission innerhalb von 30 Tagen nach Annahme der betreffenden Rechtsakte oder Massnahmen notifiziert.

3. Kann der Inhalt eines solchen Rechtsakts oder einer solchen Massnahme für die Schweiz erst nach Erfüllung ihrer verfassungsrechtlichen Voraussetzungen rechtsverbindlich werden, so unterrichtet sie die Kommission davon zum Zeitpunkt ihrer Notifizierung. Die Schweiz unterrichtet die Kommission unverzüglich in schriftlicher Form über die Erfüllung aller verfassungsrechtlichen Voraussetzungen. Wird kein Referendum ergriffen, so erfolgt die Notifizierung unverzüglich nach Ablauf der Referendumsfrist. Wird ein Referendum ergriffen, so verfügt die
Schweiz für die Notifizierung über eine Frist von höchstens zwei Jahren ab der Notifizierung durch die Kommission. Von dem Zeitpunkt an, der für das Inkrafttreten des betreffenden Rechtsakts oder der betreffenden Massnahme für die Schweiz vorgesehen ist, bis zur Mitteilung über die Erfüllung der verfassungsrechtlichen Voraussetzungen wendet

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Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags.

Abkommen mit der EG

die Schweiz den Inhalt des Rechtsakts oder der Massnahme, wenn möglich, vorläufig an.

4. Kann die Schweiz den betreffenden Rechtsakt oder die betreffende Massnahme nicht vorläufig anwenden und führt diese Tatsache zu Schwierigkeiten, die das Funktionieren der Dublin/Eurodac-Zusammenarbeit beeinträchtigen, so wird die Situation vom Gemeinsamen Ausschuss geprüft. Die Europäische Gemeinschaft kann in Bezug auf die Schweiz diejenigen Massnahmen treffen, die verhältnismässig und notwendig sind, um das ordnungsgemässe Funktionieren der Dublin/EurodacZusammenarbeit zu gewährleisten.

5. Akzeptiert die Schweiz den Inhalt von Rechtsakten und Massnahmen nach Absatz 1, so begründet dies Rechte und Pflichten zwischen der Schweiz und den Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

6. Für den Fall, dass a)

die Schweiz ihren Beschluss notifiziert, den Inhalt eines Rechtsakts oder einer Massnahme nach Absatz 1, auf den beziehungsweise auf die die in diesem Abkommen vorgesehenen Verfahren angewendet wurden, nicht zu akzeptieren, oder

b)

die Schweiz die Notifizierung nicht innerhalb der in Absatz 2 vorgesehenen Frist von 30 Tagen vornimmt oder

c)

die Schweiz die Notifizierung nicht nach Ablauf der Referendumsfrist oder, im Falle eines Referendums, innerhalb der in Absatz 3 vorgesehenen Frist von zwei Jahren vornimmt oder von dem Zeitpunkt an, der für das Inkrafttreten des betreffenden Rechtsakts oder der betreffenden Massnahme vorgesehen ist, nicht für die vorläufige Anwendung nach Absatz 3 sorgt,

gilt dieses Abkommen als ausgesetzt.

7. Der Gemeinsame Ausschuss prüft die Angelegenheit, die zur Aussetzung geführt hat, und wirkt darauf hin, dass die Gründe für die Verweigerung der Zustimmung oder der Ratifizierung innerhalb von 90 Tagen behoben werden. Hat der Ausschuss alle weiteren Möglichkeiten zur Sicherung des ordnungsgemässen Funktionierens dieses Abkommens, einschliesslich der Möglichkeit, das Vorliegen entsprechender Rechtsvorschriften zur Kenntnis zu nehmen, geprüft, kann er einstimmig die Wiedereinsetzung des Abkommens beschliessen. Bleibt dieses Abkommen jedoch nach 90 Tagen weiterhin ausgesetzt, so gilt es als beendet.

Art. 5 1. Um das Ziel der Vertragsparteien einer möglichst einheitlichen Anwendung und Auslegung der in Artikel 1 genannten Bestimmungen zu erreichen, verfolgt der Gemeinsame Ausschuss ständig die Entwicklung der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (nachstehend «Gerichtshof» genannt) sowie die Entwicklung der einschlägigen Rechtsprechung der zuständigen schweizerischen Gerichte. Zu diesem Zweck kommen die Vertragsparteien überein,

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Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags.

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für die unverzügliche gegenseitige Übermittlung dieser gerichtlichen Entscheidungen Sorge zu tragen.

2. Die Schweiz kann in Fällen, in denen ein Gericht eines Mitgliedstaats dem Gerichtshof eine Frage in Bezug auf die Auslegung einer in Artikel 1 genannten Bestimmung zur Vorabentscheidung vorgelegt hat, beim Gerichtshof Schriftsätze einreichen oder schriftliche Stellungnahmen abgeben.

Art. 6 1. Die Schweiz legt dem Gemeinsamen Ausschuss jährlich einen Bericht darüber vor, wie ihre Verwaltungsbehörden und Gerichte die in Artikel 1 genannten Bestimmungen ­ gegebenenfalls im Sinne der Auslegung des Gerichtshofs ­ angewendet und ausgelegt haben.

2. Ist der Gemeinsame Ausschuss innerhalb von zwei Monaten, nachdem ihm eine wesentliche Abweichung zwischen der Rechtsprechung des Gerichtshofs und derjenigen der schweizerischen Gerichte oder eine wesentliche Abweichung zwischen den Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten und den schweizerischen Behörden in Bezug auf die Anwendung der in Artikel 1 genannten Bestimmungen zur Kenntnis gebracht worden ist, nicht in der Lage, eine einheitliche Anwendung und Auslegung sicherzustellen, so wird das Verfahren nach Artikel 7 angewendet.

Art. 7 1. Kommt es zu einem Streit über die Anwendung oder Auslegung dieses Abkommens oder zu einer Situation nach Artikel 6 Absatz 2, so wird die Angelegenheit offiziell als Streitigkeit auf die Tagesordnung des Gemeinsamen Ausschusses gesetzt.

2. Der Gemeinsame Ausschuss verfügt ab dem Zeitpunkt der Annahme der Tagesordnung, auf die die Streitigkeit gesetzt wurde, über eine Frist von 90 Tagen zur Beilegung des Streits.

3. Kann der Streit vom Gemeinsamen Ausschuss innerhalb der in Absatz 2 genannten Frist von 90 Tagen nicht beigelegt werden, so ist zur endgültigen Beilegung des Streits eine weitere Frist von 90 Tagen vorzusehen. Hat der Gemeinsame Ausschuss bei Ablauf dieser zweiten Frist keinen Beschluss gefasst, so gilt dieses Abkommen mit Ablauf des letzten Tages der Frist als beendet.

Art. 8 1. Was die Verwaltungskosten und die operativen Kosten im Zusammenhang mit der Einrichtung und dem Betrieb der Eurodac-Zentraleinheit betrifft, so leistet die Schweiz an den Gesamthaushalt der Europäischen Gemeinschaften einen Beitrag von 7,286 % eines anfänglichen Referenzbetrags in Höhe von 11 675 000 EUR und ab dem Haushaltsjahr
2004 jährlich einen Beitrag von 7,286 % der für das betreffende Haushaltsjahr vorgesehenen Haushaltsmittel. An den sonstigen Verwaltungskosten oder operativen Kosten im Zusammenhang mit der Anwendung dieses 6485

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Abkommens beteiligt sich die Schweiz am Gesamthaushalt der Europäischen Gemeinschaften mit einem jährlichen Beitrag entsprechend dem Verhältnis ihres Bruttoinlandsprodukts zum Bruttoinlandsprodukt aller teilnehmenden Staaten.

2. Die Schweiz ist berechtigt, Unterlagen im Zusammenhang mit diesem Abkommen zu erhalten und auf den Tagungen des Gemeinsamen Ausschusses eine Verdolmetschung in eine von ihr gewählte Amtssprache der Organe der Europäischen Gemeinschaften zu verlangen.

Art. 9 Die nationale Datenschutzkontrollbehörde der Schweiz sowie die unabhängige Kontrollstelle nach Artikel 286 Absatz 2 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft arbeiten in dem für die Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Mass zusammen, indem sie insbesondere alle zweckdienlichen Informationen austauschen. Die beiden Stellen legen die Modalitäten ihrer Zusammenarbeit einvernehmlich fest.

Art. 10 1. Dieses Abkommen berührt in keiner Weise die anderen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweiz geschlossenen Abkommen.

2. Dieses Abkommen berührt in keiner Weise etwaige künftige Abkommen, die die Europäische Gemeinschaft mit der Schweiz schliesst.

Art. 11 1. Das Königreich Dänemark kann beantragen, an diesem Abkommen teilzunehmen. Die Vertragsparteien legen die Bedingungen für diese Teilnahme im Einvernehmen mit dem Königreich Dänemark in einem Protokoll zu diesem Abkommen fest.

2. Die Schweiz schliesst ein Übereinkommen mit der Republik Island und dem Königreich Norwegen über die Begründung gegenseitiger Rechte und Pflichten aufgrund ihrer jeweiligen Assoziierungen bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Dublin/Eurodac-Besitzstands.

Art. 12 1. Dieses Abkommen bedarf der Ratifizierung oder Genehmigung durch die Vertragsparteien. Die Ratifizierungs- oder Genehmigungsurkunden werden beim Generalsekretär des Rates als Verwahrer dieses Abkommens hinterlegt.

2. Dieses Abkommen tritt am ersten Tag des Monats nach der Mitteilung des Verwahrers an die Vertragsparteien, dass die letzte Ratifizierungs- oder Genehmigungsurkunde hinterlegt wurde, in Kraft.

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Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags.

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3. Die Artikel 2 und 3 sowie Artikel 4 Absatz 2 Satz 1 gelten vorläufig vom Zeitpunkt der Unterzeichnung dieses Abkommens an.

Art. 13 Für Rechtsakte oder Massnahmen, die nach der Unterzeichnung dieses Abkommens, aber vor dessen Inkrafttreten angenommen werden, beginnt die in Artikel 4 Absatz 2 letzter Satz genannte Frist von 30 Tagen mit dem Tag des Inkrafttretens dieses Abkommens.

Art. 14 1. Dieses Abkommen wird nur angewendet, wenn die in Artikel 11 genannten Übereinkünfte ebenfalls angewendet werden.

2. Dieses Abkommen wird ferner nur angewendet, wenn das Abkommen zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweiz über die Assoziierung dieses Staates bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands angewendet wird.

Art. 15 1. Liechtenstein kann diesem Abkommen beitreten.

2. Der Beitritt Liechtensteins wird in einem Protokoll zu diesem Abkommen geregelt; darin werden alle Folgen eines solchen Beitritts aufgeführt, einschliesslich die Rechte und Pflichten, die zwischen Liechtenstein und der Schweiz sowie zwischen Liechtenstein einerseits sowie der Europäischen Gemeinschaft und denjenigen ihrer Mitgliedstaaten, die durch dieses Abkommen gebunden sind, andererseits begründet werden.

Art. 16 1. Jede Vertragspartei kann dieses Abkommen durch eine schriftliche Erklärung an den Verwahrer kündigen. Diese Erklärung wird sechs Monate nach ihrer Hinterlegung wirksam.

2. Dieses Abkommen gilt als gekündigt, wenn die Schweiz eine der in Artikel 11 genannten Übereinkünfte oder das in Artikel 14 Absatz 2 genannte Abkommen kündigt.

Art. 17 1. Dieses Abkommen ist in zwei Urschriften in dänischer, deutscher, englischer, estnischer, finnischer, französischer, griechischer, italienischer, lettischer, litauischer, niederländischer, polnischer, portugiesischer, schwedischer, slowakischer, slowenischer, spanischer, tschechischer und ungarischer Sprache abgefasst, wobei jeder Wortlaut gleichermassen verbindlich ist.

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Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags.

Abkommen mit der EG

2. Die maltesische Sprachfassung des vorliegenden Abkommens wird auf der Grundlage eines Briefwechsels der Vertragsparteien beglaubigt. Sie ist gleichermassen verbindlich wie die in Absatz 1 genannten Sprachfassungen.

Zu Urkund dessen haben die unterzeichneten Bevollmächtigten ihre Unterschriften unter dieses Abkommen gesetzt.

Geschehen zu Luxemburg am 26. Oktober 2004.

(Es folgen die Unterschriften)

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Schlussakte

Die Bevollmächtigten haben die folgenden, dieser Schlussakte beigefügten Gemeinsamen Erklärungen angenommen: 1.

Gemeinsame Erklärung der Vertragsparteien zu einem engen Dialog;

2.

Gemeinsame Erklärung der Vertragsparteien zur Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zum Datenschutz.

Die Bevollmächtigten haben ferner die folgenden, dieser Schlussakte beigefügten Erklärungen zur Kenntnis genommen: 1.

Erklärung der Schweiz zu Artikel 4 Absatz 3 betreffend die Frist für die Übernahme von Weiterentwicklungen des Dublin/Eurodac-Besitzstands;

2.

Erklärung der Europäischen Kommission zu den Ausschüssen, die die Europäische Kommission bei der Ausübung ihrer Durchführungsbefugnisse unterstützen.

Geschehen zu Luxemburg am 26. Oktober 2004.

(Es folgen die Unterschriften)

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Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags.

Abkommen mit der EG

Gemeinsame Erklärungen der Vertragsparteien Gemeinsame Erklärung der Vertragsparteien zu einem engen Dialog Die Vertragsparteien unterstreichen die Bedeutung eines engen und produktiven Dialogs zwischen all jenen, die an der Umsetzung der in Artikel 1 Absatz 1 des Abkommens aufgeführten Bestimmungen teilnehmen.

Unter Wahrung von Artikel 3 Absatz 1 des Abkommens lädt die Kommission Sachverständige der Mitgliedstaaten zu den Tagungen des Gemeinsamen Ausschusses ein, um mit der Schweiz über alle von dem Abkommen erfassten Fragen einen Meinungsaustausch zu führen.

Die Vertragsparteien nehmen die Bereitschaft der Mitgliedstaaten zur Kenntnis, derartige Einladungen anzunehmen und am Meinungsaustausch mit der Schweiz über alle von dem Abkommen erfassten Fragen teilzunehmen.

Gemeinsame Erklärung der Vertragsparteien zur Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zum Datenschutz Die Vertragsparteien vereinbaren, dass im Rahmen des Abkommens bezüglich der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr die Teilnahme der Vertreter der Schweizerischen Eidgenossenschaft gemäss dem Konzept erfolgt, das in dem Briefwechsel über die Ausschüsse, die die Europäische Kommission bei der Ausübung ihrer Durchführungsbefugnisse unterstützen, im Anhang zum Abkommen zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung dieses Staates bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands festgelegt ist.

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Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags.

Abkommen mit der EG

Andere Erklärungen Erklärung der Schweiz zu Artikel 4 Absatz 3 betreffend die Frist für die Übernahme von Weiterentwicklungen des Dublin/Eurodac-Besitzstands Die Maximalfrist von zwei Jahren nach Artikel 4 Absatz 3 schliesst sowohl die Genehmigung als auch die Umsetzung des Rechtsakts oder der Massnahme ein. Sie umfasst folgende Verfahrensschritte: ­

die Vorbereitungsphase,

­

das parlamentarische Verfahren,

­

die Referendumsfrist (100 Tage nach der amtlichen Veröffentlichung des Rechtsakts) und gegebenenfalls

­

das Referendum (Organisation und Abstimmung).

Der Bundesrat unterrichtet den Rat und die Kommission unverzüglich über die Beendigung jedes einzelnen Verfahrensschritts.

Der Bundesrat verpflichtet sich, alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, damit die oben genannten Verfahrensschritte so schnell wie möglich durchgeführt werden können.

Erklärung der Europäischen Kommission zu den Ausschüssen, die die Europäische Kommission bei der Ausübung ihrer Durchführungsbefugnisse unterstützen Derzeit wird die Europäische Kommission bei der Ausübung ihrer Durchführungsbefugnisse im Bereich der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Dublin/ Eurodac-Besitzstands von folgenden Ausschüssen unterstützt: ­

dem Ausschuss nach Artikel 27 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist («Dublin-Ausschuss»), und

­

dem Ausschuss nach Artikel 23 der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 des Rates vom 11. Dezember 2000 über die Einrichtung von «Eurodac» für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens («Eurodac-Ausschuss»).

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Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags.

Abkommen mit der EG

Gemeinsame Erklärung zu gemeinsamen Tagungen der gemeinsamen Ausschüsse Die Delegation der Europäischen Kommission, die Delegationen, die die Regierungen der Republik Island und des Königreichs Norwegen vertreten, die Delegation, die die Regierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vertritt, ­

haben beschlossen, die Tagungen der Gemeinsamen Ausschüsse nach Massgabe des Übereinkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Island und dem Königreich Norwegen über die Kriterien und Regelungen zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in Island oder Norwegen gestellten Asylantrags einerseits und des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags andererseits gemeinsam abzuhalten,

­

stellen fest, dass die Abhaltung gemeinsamer Tagungen eine pragmatische Vereinbarung in Bezug auf deren Vorsitz erfordert, wenn dieser gemäss dem Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags oder dem Übereinkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Island und dem Königreich Norwegen über die Kriterien und Regelungen zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in Island oder Norwegen gestellten Asylantrags von einem der assoziierten Staaten wahrgenommen wird,

­

nehmen den Wunsch der assoziierten Staaten zur Kenntnis, den Vorsitz gegebenenfalls abzutreten und diesen ab Inkrafttreten des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags abwechselnd in der alphabetischen Reihenfolge ihrer Namen wahrzunehmen.

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