Extremismusbericht (in Erfüllung des Postulats 02.3059 der Christlichdemokratischen Fraktion vom 14. März 2002) vom 25. August 2004

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, in Erfüllung des Postulats der Christlichdemokratischen Fraktion vom 14. März 2002 «Extremismus-Bericht. Aktualisierung» unterbreiten wir Ihnen den vorliegenden Bericht zur Kenntnisnahme.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

25. August 2004

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Joseph Deiss Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2003-2496

5011

Übersicht Die Christlichdemokratische Volkspartei CVP verlangte im Frühjahr 2002 in einem Postulat vom Bundesrat einen umfassenden Bericht zum Phänomen Extremismus und dessen Auswirkungen auf die Sicherheit der Schweiz. Das vorliegende Resultat bietet eine Lagebeurteilung, Informationen über alle Aktivitäten und Bestrebungen extremistischer Bewegungen, das Gefährdungspotenzial durch gewalttätige extreme Gruppen und ihre Aktivitäten und legt das Konzept des Bundesrates zur frühzeitigen Erkennung und Prävention der Gefahren dar.

Extremistische Aktivitäten bergen ein Gewaltpotenzial in sich und können die innere Sicherheit eines Landes bedrohen. Es gilt deshalb, potenziell gewalttätige Aktivitäten extremistischer Organisationen frühzeitig zu erkennen und zu verhindern.

Die rechtsextreme Szene besteht aus vielen kleinen Gruppierungen. Diese sind meist nicht strukturiert, sondern halten lose zusammen und wechseln häufig die Zusammensetzung und den Namen. Die rechtsextreme Szene in der Schweiz verfügt weder über eine einheitliche Weltanschauung noch über eine gemeinsame Basis. Man kann heute von insgesamt gegen 1000 Rechtsextremen in der Schweiz ausgehen.

Auch die linksextreme Szene der Schweiz umfasst eine Vielzahl von Gruppierungen, die zumeist miteinander vernetzt sind. Ein Teil der neomarxistisch bzw. leninistisch Orientierten engagiert sich auch in anarchistischen Kreisen. Insgesamt gehören der Szene rund 2000 Militante an. In dieser Zahl sind die mehreren hundert, nur bei konkreten Anlässen auftretenden Mitläufer und Sympathisanten des Schwarzen Blocks nicht berücksichtigt.

Der sich tendenziell verschärfende Konflikt zwischen den beiden extremistischen politischen Lagern wird vorab von den Linksextremisten immer radikaler ausgetragen. Das hat zur Folge, dass sich die ohnehin klar dem Urbanen zuneigende linksextreme Bewegung in grösseren Städten wie Zürich und Basel gegen die Rechtsextremen durchzusetzen vermag.

Ausländische extremistische Gruppen nutzen den grundrechtlich geschützten relativ grossen Handlungsspielraum. Spendensammlungen und Propagandaaktionen haben aber in der Regel nur beschränkte Auswirkungen auf die innere Sicherheit. Nach den gewaltsamen Protestaktionen kurdisch-türkisch extremistischer Gruppen in den 1990er Jahren hat sich die Lage insgesamt beruhigt. Verschiedene Gruppen
sind aber in der Lage, jederzeit gewaltextremistisch aufzutreten. Das Risiko, dass es zu Protest- und Solidaritätskundgebungen kommt, besteht weiterhin.

Wie in anderen Ländern Europas ragen unter den religiös motivierten Extremisten islamistische Gruppierungen hervor. Sie sind bestrebt, verstärkt auf die muslimische Gemeinde in der Schweiz Einfluss zu nehmen, vor allem in den islamischen Zentren und Moscheen. Mehrere humanitäre Institutionen befinden sich in der Schweiz und sammeln bei ihren Landsleuten und in der Bevölkerung Geld. Belege für direkte Terrorfinanzierungen liegen nicht vor. Einzelne Mitglieder dieser extremistischen Organisationen benutzen unser Land auch als Transitroute oder als Aufenthaltsort.

5012

Bislang haben islamistische Gruppierungen in der Schweiz keine terroristischen Aktivitäten im eigentlichen Sinn entwickelt.

Weitere extremistische Tendenzen sind auch bei Sportveranstaltungen spürbar.

Vereinzelt versuchen Aktivisten gewaltextremistischer Gruppen, einen Aufenthalt über den Asylweg zu erreichen. Legal wie illegal anwesende Angehörige solcher Gruppierungen agieren meist verdeckt.

Der Einfluss der Medien sowohl auf das Entstehen als auch auf die Wahrnehmung des Extremismus ist bedeutsam. Für die Aktivisten dürfte eine hohe Medienpräsenz im Vordergrund stehen. Extremistische Gruppierungen erkannten auch rasch die sich für ihre Propaganda bietenden Vorteile der neuen Informationstechnologien.

Das Internet bietet ihnen eine vielfältig nutzbare Plattform mit schneller, weltweiter Ausstrahlung. Entsprechend verfügen nahezu alle bekannten gewaltextremistischen Gruppierungen über eigene Websites.

Die innere Sicherheit der Schweiz wird zurzeit durch keine extremistische Gruppierung schwerwiegend bedroht.

Rechtsextrem motivierte Aktivitäten gefährden teils punktuell, teils lokal erheblich die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit. Die Schweiz gilt nach wie vor als attraktiver Standort für Skinheadkonzerte und ähnliche Veranstaltungen.

Eine erhebliche Gefahr geht zurzeit von linksextremen Exponenten aus.

Die Situation bei ausländischen extremistischen und religiös motivierten extremistischen Gruppen ist insgesamt als ruhig, aber gespannt zu bezeichnen. Das Mobilisierungspotenzial ausländischer extremistischer Gruppen bleibt hoch, und eine Änderung der politischen Situation in ihren Heimatländern könnte zu einer Zunahme der Gefährdung auch in der Schweiz führen.

Der Bundesrat hat bereits eine Reihe präventiver und repressiver Massnahmen getroffen, um rechtswidrige Tätigkeiten extremistischer Organisationen in der Schweiz zu verhindern oder zu bekämpfen. Dazu gehören die Verschärfung des Waffenrechts, die Beobachtung einer konsequenten Umsetzung der RassismusStrafnorm, die Internetüberwachung und als ultima ratio auch Organisationsverbote.

Zur Einschränkung von Propaganda und Beschaffungstätigkeiten bietet die Schweizer Gesetzgebung wenig Handlungsspielraum.

Mit neuen Rechtsgrundlagen soll deshalb den Phänomenen Rassismus, Gewaltpropaganda und Gewalt, vor allem bei Sportveranstaltungen,
entgegengetreten werden.

Die vorgeschlagenen Regelungen enthalten Verstärkungen des straf- und verwaltungsrechtlichen Instrumentariums wie auch der Prävention (Revisionspaket BWIS I).

Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 gewann die Frage der Terrorismusprävention und -abwehr an Bedeutung und Dringlichkeit. Der Bundesrat ordnete deshalb im Sommer 2002 an, die Rechtsgrundlagen des präventiven Staatsschutzes grundsätzlich zu überprüfen und geeignete Massnahmen vorzuschlagen (Revisionspaket BWIS II).

5013

Die gesetzlichen Grundlagen für asylpolitische und ausländerrechtliche Massnahmen erlauben es, Personen, die die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz gefährden könnten, von der Schweiz fernzuhalten. Sie greifen jedoch nicht, wenn sich eine Person bereits in der Schweiz aufhält und wegen unzulässigem, unzumutbarem oder unmöglichem Vollzug nicht weggewiesen werden kann.

Schliesslich haben Forschung sowie Behörden des Bundes und der Kantone den seit einigen Jahren feststellbaren Trend zu mehr Gewalttätigkeit auch bei Jugendlichen in unserer Gesellschaft erkannt und ernst genommen. Es gibt ein breites und weitgehend fundiertes, allerdings noch in der wissenschaftlichen Diskussion stehendes Wissen um Ursachen und Erscheinungsformen von Gewaltphänomenen.

5014

Inhaltsverzeichnis Übersicht

5012

1 Einleitung 1.1 Anlass und Auftrag 1.2 Berichtsperiode und Informationsbeschaffung 1.3 Der Begriff des Extremismus 1.4 Ursachen des Extremismus

5017 5017 5018 5019 5021

2 Lagebeurteilung und Gefährdungsanalyse 2.1 Rechtsextremismus 2.1.1 Chronologie 2.1.2 Akteure 2.1.3 Aktuelle Lage und Gefährdung 2.2 Linksextremismus 2.2.1 Chronologie 2.2.2 Akteure 2.2.3 Aktuelle Lage und Gefährdung 2.3 Religiös motivierter Extremismus 2.3.1 Chronologie 2.3.2 Akteure 2.3.3 Aktuelle Lage und Gefährdung 2.3.4 Religiös motivierter Extremismus anderer Religionen/Glaubensrichtungen 2.4 Politisch motivierter Ausländerextremismus 2.4.1 Extremistische ethnische Albaner 2.4.2 Kurdische und türkische extremistische Gruppierungen 2.4.3 Nah- und mittelöstlicher politischer Extremismus 2.4.4 Extremistische tamilische Gruppe 2.5 Fazit

5023 5023 5023 5028 5035 5036 5037 5040 5045 5046 5046 5047 5053

3 Konzept des Bundesrates zur frühzeitigen Erkennung und Prävention 3.1 Prävention und Repression des Bundes seit 1992 3.1.1 Sicherheitspolitische Instrumente der Früherkennung 3.1.2 Waffenrecht 3.1.3 Bekämpfung des Rechtsextremismus und Rassismus 3.1.4 Organisationsverbote 3.1.5 Unterbindung von Propaganda und Beschaffungstätigkeiten 3.1.6 Massnahmen gegen den Hooliganismus 3.1.7 Extremismus in der Armee ­ Massnahmen 3.2 Rechtsetzungsprojekte zur verbesserten Prävention 3.2.1 Bundesgesetz über Massnahmen gegen Rassismus, Hooliganismus und Gewaltpropaganda (BWIS I) 3.2.2 BWIS II 3.3 Asylpolitik/Ausländerrechtliche Massnahmen

5055 5057 5058 5060 5063 5065 5066 5066 5067 5067 5067 5068 5071 5072 5072 5073 5074 5074 5076 5077

5015

3.4 Forschung und Bildung 3.4.1 Nationale Forschungsprojekte 3.4.2 Präventionskampagnen der Kantone 3.4.3 Präventionskampagnen des Bundes Anhang

5016

5078 5078 5079 5079 5081

Bericht 1

Einleitung

1.1

Anlass und Auftrag

Verschiedene Parlamentarierinnen und Parlamentarier ersuchten kurz vor dem Ende des Kalten Krieges den Bundesrat in Vorstössen um einen Bericht über extreme Umtriebe und gewalttätige Gruppierungen in der Schweiz.1 Der Bundesrat entschied 1990, dem Parlament einen Gesamtbericht über den Extremismus in der Schweiz vorzulegen. Der Bericht wurde dann am 16. März 1992 den Räten unterbreitet und veröffentlicht.2 Bis 2000 orientierte die Bundespolizei regelmässig über ihre Erkenntnisse zu extremistischen Bewegungen. Seit 2001 ist die Berichterstattung darüber Teil des vom Bundesamt für Polizei (fedpol) herausgegebenen jährlichen Berichts Innere Sicherheit der Schweiz.

Extremismus beschäftigte die Schweiz seit den 1990er Jahren in verschiedener Hinsicht weiter. Rechtsextreme Aktivitäten nahmen, mit einem Höhepunkt im Jahr 2000, in Europa und in der Schweiz kontinuierlich zu. Gewalt- und Straftaten von Rechtsextremen zeigten eine starke Zunahme. Dies veranlasste den Bundesrat zu verschiedenen präventiven Massnahmen und zur Überprüfung der einschlägigen Rechtsgrundlagen.

Die 1990er Jahre waren aber auch von linksextremen Aktivitäten gekennzeichnet.

Seit den frühen 1990er Jahren führten linksextreme Gruppen einen Kampf gegen den Faschismus (Antifa), der sich nicht nur gegen Rechtsextremismus und Rassismus richtete, sondern in ihrem Verständnis auch gegen den Imperialismus, das Patriarchat, den Kapitalismus und damit ebenso gegen den Staat. Dieser Kampf wurde und wird zum Teil mit gewalttätigen Mitteln und Aktionen geführt. Die weltweite Globalisierungskritik, die im mexikanischen Zapatistenaufstand gegen die Nordamerikanische Freihandelszone (NAFTA) wurzelt, betraf die Schweiz erstmals 1998 anlässlich einer WTO-Konferenz in Genf. Grossanlässe wie das jährlich stattfindende World Economic Forum (WEF) in Davos oder der G8-Gipfel von 2003 in Genf sind seither Plattformen für Aktionen, die teilweise mit massiven Gewaltausschreitungen verbunden waren.

Ende der 1990er Jahre reagierte der Bundesrat auf die durch Krisenlagen im Ausland ­ vor allem in Südosteuropa und in der Türkei ­ in der Schweiz ausgelösten rechtswidrigen Handlungen ausländischer extremistischer Organisationen und ihrer Mitglieder rasch und ordnete verschiedene Massnahmen an.3 Europaweit wurde der

1

2 3

89.533 ­ Postulat Grendelmeier, NR, Rechtsradikale Umtriebe in der Schweiz; 89.643 ­ Postulat Reimann Maximilian, NR, Gewalttätige Gruppierungen in der Schweiz; 89.678 ­ Postulat Steffen, NR, Extreme Umtriebe in der Schweiz.

92.033 ­ Extremismus in der Schweiz. Bericht des Bundesrates zum Extremismus in der Schweiz vom 16. März 1992.

Vgl. dazu: Stellungnahme des Bundesrates zur Motion Freund, «Extremistische ausländische Organisationen in der Schweiz» (NR 99.3519). Erklärung des Bundesrates 1.12.1999: Der Bundesrat beantragt, die Motion in ein Postulat umzuwandeln. 22.12.1999 NR: Die Motion wird in Form eines Postulates überwiesen. 2004 Antrag auf Abschreibung.

5017

Extremismus seit den 1990er Jahren auf verschiedenen Ebenen Teil der politischen Agenda.4 Die Terroranschläge vom 11. September 2001 belebten die Diskussion um gewalttätigen Ausländerextremismus erneut und schürten besonders die Angst vor islamistischen Bewegungen. Die Gewaltakte lenkten das Bewusstsein besonders auf den religiös motivierten Terrorismus. Der Bundesrat nahm dazu in einer ausführlichen Lage- und Gefährdungsanalyse für das Parlament Stellung.5 Die Christlichdemokratische Fraktion reichte in diesem Zusammenhang am 14.

März 2002 ein Postulat (02.3059) ein, in dem sie den Bundesrat ersuchte, dem Parlament einen umfassenden Bericht zum Phänomen Extremismus und seinen Auswirkungen auf die Sicherheit der Schweiz vorzulegen. Der Bericht sollte nebst einer Lagebeurteilung und Informationen über alle Aktivitäten und Bestrebungen extremistischer Bewegungen das Gefährdungspotenzial durch gewalttätige extreme Gruppen und deren Aktivitäten aufzeigen und das Konzept des Bundesrates zur frühzeitigen Erkennung von Gefahren und deren Prävention darlegen. Damit sollte auch pauschalen und ungerechten Vorverurteilungen von in der Schweiz lebenden Ausländergruppen entgegenwirkt werden.

Am 8. Mai 2002 nahm der Bundesrat das Postulat entgegen, und am 21. Juni 2002 nahm es der Nationalrat an.

1.2

Berichtsperiode und Informationsbeschaffung

Der vorliegende Bericht ist eine Standortbestimmung des Bundesrates zuhanden des Parlamentes. Die Lagebeurteilung zeichnet gleichzeitig die Entwicklungen von 1992 bis 2003 nach. Auf frühere Ereignisse wird nur dort Bezug genommen, wo es für das Verständnis wichtig ist. In der Gefährdungsanalyse werden auch die Entwicklungsmöglichkeiten beurteilt.

4

5

Eine parlamentarische Arbeitsgruppe des Europarates hat am 25. Juli 2003 einen Bericht über die von extremistischen Parteien und Gruppierungen für die Demokratie in Europa ausgehende Gefahr vorgelegt. Sie kommt darin zum Schluss, dass alle 45 Mitgliedstaaten betroffen sind und dass extremistische Parteien und Bewegungen in den letzten Jahren vor allem in Westeuropa beachtliche Wahlergebnisse erzielen konnten. Weiter stellt sie fest, dass neben rechtsextremen Bewegungen vor allem Parteien und Gruppierungen des linksextremen Spektrums wieder Aufwind erhalten haben. Am 29. September 2003 hat die Parlamentarische Versammlung des Europarates in Strassburg den Bericht mit einer Resolution verabschiedet. Die Versammlung empfiehlt den Regierungen, den Extremismus mit gesetzgeberischen Massnahmen zu bekämpfen, die auch gewisse Grundrechte wie die Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit beschränken (Conseil de l'Europe, Assemblée parlementaire: Menace des partis et mouvements extrémistes pour la démocratie en Europe. Doc. 9890, 25 juillet 2003).

Ende Januar 2004 veröffentlichte der Europarat den dritten Bericht der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) über die Schweiz. Der Bericht wurde von einer Delegation der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz erarbeitet, welche die Schweiz im Mai 2003 besuchte. Im Bericht werden die Fortschritte gewürdigt, die in der Schweiz in den letzten Jahren gemacht wurden. Die ECRI ist eine Kommission, die 1993 durch einen Entscheid auf höchster politischer Ebene durch den Gipfel der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten des Europarates eingesetzt wurde. Sie besteht aus unabhängigen Experten aus jedem Mitgliedsland.

Lage- und Gefährdungsanalyse Schweiz nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Bericht des Bundesrates an das Parlament vom 26. Juni 2002.

BBl Nr. 8, 4.3.2003, 1832.

5018

Die Darstellung des gewalttätigen Extremismus beruht weitgehend auf Informationen der Sicherheitsorgane des Bundes und der Kantone gemäss den Aufgaben des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS, SR 120). Es haben sich gleichzeitig seit Erscheinen des ersten Extremismusberichtes 1992 verschiedene sozialwissenschaftliche Arbeiten und Forschungsprojekte dieses Gegenstands angenommen. Der vorliegende Bericht ist keine sozialwissenschaftliche Studie.

1.3

Der Begriff des Extremismus

Unter Extremismus werden nachfolgend diejenigen politischen Richtungen verstanden, welche die Werte der freiheitlichen Demokratie und des Rechtsstaats ablehnen.

Der Bericht folgt damit der Begriffsbestimmung des Berichts des Bundesrates von 1992. Diese Kurzformel lässt sich konkretisieren.

Extremismus als Ablehnung der freiheitlich-demokratischen Ordnung Als extremistisch werden im Allgemeinen Bewegungen und Parteien, Ideen sowie Einstellungs- und Verhaltensmuster bezeichnet, die den demokratischen Verfassungsstaat, die Gewaltenteilung, das Mehrparteiensystem und das Recht auf Opposition ablehnen. An die Stelle politischer Gegnerschaft setzen Extremisten die Unterscheidung von Freund und Feind. In der Konsequenz lehnen sie andere Meinungen und Interessen strikt ab und glauben an bestimmte, angeblich unwiderlegbare politisch-gesellschaftliche Ziele oder Gesetzmässigkeiten.

Extremisten bezeichnen sich selbst nicht als solche. Sie nutzen für sich nicht selten die Errungenschaften der freiheitlich-demokratischen Ordnung aus, gegen die sie sich stellen: Diese Errungenschaften sind unter anderem die Meinungs-, Presse-, Religions- und Versammlungsfreiheit sowie der Rechtsschutz.

Entscheidend ist die Gegnerschaft gegenüber den demokratischen Grundwerten und Ordnungsprinzipien und nicht die politische Randlage extremistischer Phänomene.

Aussenseiterpositionen sind in jeder Gesellschaft unvermeidlich. Extremistisch werden diese Positionen erst, sobald jemand von der Randposition aus den Anspruch erhebt, für eine grössere Menge oder sogar für alle zu sprechen, und dementsprechend einzeln oder zusammen mit anderen beginnt, seine oft einseitigen Ansprüche gegen die Mehrheit zu stellen und auch gewaltsam durchzusetzen.

Die rechtspolitische Tradition der Schweiz kennt nicht wie diejenige Deutschlands das Konzept der Verfassungsfeindlichkeit. Im Gegensatz zu den Ländern, die die Institutionen des Verfassungsschutzes weit entwickelt haben, reichen in der Schweiz also organisierte Bestrebungen einer Gruppe zur Abschaffung der Demokratie, der Menschenrechte oder des Rechtsstaates alleine noch nicht, um sie von den Staatsschutzorganen beobachten zu lassen. Eine Gruppe muss zur Erreichung dieser Ziele zusätzlich Gewalttaten verüben, befürworten oder in Kauf nehmen.

Der Begriff der Gewalt selbst ist im Strafrecht
unscharf und strittig. Der gemeinsame Nenner einer Definition beschreibt Gewalt als die unter Einsatz körperlicher Kraft vollzogene physische Einwirkung auf einen anderen. Ob der Begriff der Gewalt über die physische Einwirkung hinaus, z.B. auf psychischen Druck, auszudehnen sei, ist umstritten. Im Folgenden wird Gewalt definiert als aktive und individuelle oder kollektive Anwendung von physischem Zwang durch den Körper oder 5019

ein Mittel, um ein bestimmtes Ziel durchzusetzen. Darunter fallen weder passives Verhalten noch strukturelle Gegebenheiten. Gewaltbereit sind jene Extremisten, die von ihrer politischen Einstellung und ihrem öffentlichen Auftreten her eine Bereitschaft zur Gewaltanwendung bekunden, aber aus strategischen oder taktischen Rücksichtsnahmen nicht kontinuierlich militant agieren. Dies ist bei den gewalttätigen Extremisten der Fall, die sich durch ihre Gewaltanwendung von den gewaltbereiten unterscheiden lassen. Entgegen auch eigenen Darstellungen ist die Gewaltanwendung nicht nur gegen Sachen gerichtet.

Extremismus und Radikalismus Es ist wichtig, den Extremismusbegriff gegen zwei weitere Termini abzugrenzen: Radikalismus und Terrorismus. Der Begriff «Radikalismus» wird häufig immer noch als Synonym von Extremismus verwendet. Er bezieht sich allerdings eher auf die Mittel, mit denen ein politisches Ziel durchgesetzt werden soll, während der Begriff Extremismus das politische Ziel und das politische Denken selbst meint. Der Radikalismusbegriff beschreibt also die Entschlossenheit und die Konsequenz der politischen Haltung, nicht die politische Zielsetzung der Akteure. Er ist auch nicht gleichbedeutend mit antidemokratischer Gesinnung oder Gewaltbereitschaft. Der Begriff Radikalismus kann zur Beschreibung der Intensität einer politischen Position dienen, über deren Inhalt sagt er jedoch wenig aus.6 Extremismus und Terrorismus Ein weiterer, mit dem Extremismus eng verknüpfter Terminus ist «Terrorismus».

Einige Terrorismusforscher definieren ihn sogar als «Kampfesform des politischen Extremismus» resp. als Form des politischen Extremismus, die auf Beseitigung des demokratischen Verfassungsstaates mittels systematischer Anwendung massiver Gewalt zielt.7 Der Terrorismusbegriff bezeichnet Bestrebungen, die in der Zielsetzung und/oder in der Wahl der Mittel antidemokratisch sind. Charakteristisch ist hier, dass durch massive, auf Furcht und Einschüchterung abzielende Gewaltanwendung, insbesondere gegen Unbeteiligte, die eigenen, im politischen Willensbildungsprozess nicht erfolgreichen Forderungen durchgesetzt werden sollen. So gesehen, kann der Terrorismus zwar als letzte Konsequenz des politischen Extremismus gelten. Er ist aber umgekehrt kein Synonym für alle Formen politisch motivierter Gewaltanwendung.
Mediale Präsenz Terrorismus und Extremismus teilen ein weiteres Merkmal: Beide sind auf mediale Wirkung angelegt und suchen deshalb bewusst die Medienöffentlichkeit. Ein Mittel, dies zu erreichen, ist Gewaltanwendung. Dass Extremisten die mediale Aufmerksamkeit brauchen und sich deshalb wirkungsvoll in Szene zu setzen versuchen, gilt gleichermassen für Hooligans, Skinheads wie auch für vermummte Aktivisten des Schwarzen Blocks. Für die Medien ergibt sich daraus ein Dilemma: Einerseits soll über extremistische Aktivitäten, Ausschreitungen, Übergriffe, Untaten usw. berichtet werden, um die Öffentlichkeit zu informieren, Betroffenheit auszudrücken und sich 6 7

Wenn im Folgenden also von «radikal», «Radikalismus» usw. die Rede ist, dann sind diese Ausdrücke nicht als Synonyme von «extremistisch» usw. zu verstehen.

Gerd Langguth, zit. nach: Carmen Everts, Politischer Extremismus. Theorie und Analyse am Beispiel der Parteien REP und PDS, Berlin 2000 (ww.weissensee-verlag.de/php/cat-kapitel.php3?Buch=3-934479-24-3&Nummer=3).

5020

mit allfälligen Opfern zu solidarisieren. Andererseits erreichen damit die Extremisten ihr Ziel und werden so in ihrem Tun bestärkt.

Im Umfeld medienwirksamer Anlässe muss deshalb weiterhin und in steigendem Masse mit gewalttätigen Aktionen gerechnet werden. Insbesondere die Präsenz internationaler Medien bietet sich als Plattform für wirkungsvolle Auftritte und Störmanöver geradezu an.

1.4

Ursachen des Extremismus

Die Frage nach den Ursachen des Extremismus lässt sich nur wissenschaftlich beantworten. Eine sozialwissenschaftliche Studie ist der vorliegende Bericht zwar nicht, doch soll hier kurz auf einige Ergebnisse einschlägiger Studien eingegangen werden. In den Sozialwissenschaften genügt die Definition des Extremismus als antidemokratisch nicht. Sie fragen vielmehr nach den Zusammenhängen von Gesellschaft, Verfassungsstaat und Extremismus. Geht es dabei um Ausländerextremismus, ist entsprechend in den Ursprungsländern der Extremisten nach Ursachen zu suchen. Als gängige, wenn auch nicht unumstrittene Ansätze bieten sich für die Beobachtung über längere Zeiten die (miteinander mannigfaltig verknüpften) Modernisierungs- und Säkularisierungstheorien an, auch wenn diese heute nicht mehr von zielgerichteten, eindeutigen und unumkehrbaren Prozessen ausgehen.

Modernisierung als Ursache des Extremismus Individualisierung lässt sich als eine Ausprägung sowohl des Modernisierungs- wie Säkularisierungsprozesses verstehen. Ambivalent beurteilbare Phänomene wie Desintegration und Enttraditionalisierung, Verlust oder zumindest Relativierung von Werten, Normen und Handlungskonzepten sind die Folgen der Individualisierung.

Parallelen zu diesen Entwicklungen in der Gesellschaft lassen sich mit den nämlichen Folgen auch im Wirtschaftssystem beschreiben (falls man die Entwicklungen der Ökonomie nicht gleich als ursächlich für die gesellschaftlichen Entwicklungen ansieht). Alle diese Prozesse schaffen für die Individuen Freiräume, aber auch neue Zwänge. Auf der Ebene der Individuen lassen sich diese Prozesse beobachten, wobei im Zusammenhang mit dem Extremismus die so genannten Modernisierungsverlierer interessieren. Ängste, z.B. vor Konkurrenz im wirtschaftlichen, vor Statusverlust im gesellschaftlichen Bereich, Vereinzelung und ein Gefühl des Ausgeschlossenseins, Orientierungslosigkeit, Ohnmachtsgefühle, Langeweile, Perspektivenlosigkeit, Frustration ­ die Phänomene lassen sich ebenso benennen wie die mehr oder minder tauglichen Strategien, unter diesen Voraussetzungen eine eigene Identität zu generieren. Unter den Modernisierungsverlierern wären denn auch die Extremisten zu suchen ­ was empirisch manchmal zutrifft, manchmal aber auch nicht.

Aufgrund der individuellen Betroffenheiten lassen sich aber zumindest die
extremistischen Reaktionen verstehen. Rechte Extremisten kompensieren den individuellen wie kollektiven Identitätsverlust mit überzogenen Gemeinschaftsvorstellungen von Rasse, Volk und Nation und schliessen alle, die nicht zu dieser Gemeinschaft gehören, systematisch aus: mit gewalttätigen Folgen. Am anderen Ende des politischen Spektrums äussert sich dasselbe Phänomen in Sozialromantik und Utopie, mit denselben Konsequenzen von Intoleranz und Gewalt.

5021

Die wichtigste Erkenntnis ist, dass der Extremismus sich mitten in der Gesellschaft befindet. Bekannte Interpretationen des Rechtsextremismus etwa nennen diesen den «Extremismus der Mitte» und verankern die Prädisposition und Anfälligkeit dazu in der «autoritären Persönlichkeit».8 Charakterliche Dispositionen oder Ausprägungen sozialer Ungleichheit können als Ausgangslagen für Erklärungen auch im Zentrum von Theorien stehen, die nicht soziologisch oder gesellschaftstheoretisch argumentieren, sondern das Augenmerk auf den politischen Prozess richten. Unter dem ­ auch politisch verwendeten ­ Begriff «Populismus» lassen sich z.B. politische Strategien namhaft machen, die latent bereits vorhandene Ängste schüren oder etwa durch die Ethnisierung sozialer Ungleichheit die Wahrnehmung von Problemen den eigenen Interessen gemäss verschieben. Beispiele hierfür finden sich in allen politischen Lagern. Ohne Instrumentalisierungsvorwürfe und auf theoretisch anspruchsvollerem Niveau argumentiert die Diskursanalyse in eine ähnliche Richtung.

Säkularisierung als Ursache des Extremismus Säkularisierung meint entweder die Erosion von Religion in der Gesellschaft überhaupt oder bezeichnet die Verlagerung religiöser Überzeugungen aus der gesellschaftlichen oder politischen Öffentlichkeit in den Bereich individueller Meinungen und damit in die Privatsphäre. Die staatlich garantierte Religions- und Kultusfreiheit besiegelt diesen Vorgang und hat dann Schwierigkeiten mit Überzeugungen, welche diesen Prozess nicht akzeptieren. Genau dies ist es, was ein religiös motivierter Extremismus tut ­ die Folgen der Säkularisierung lassen sich ähnlich wie diejenigen der Modernisierung beschreiben, allerdings mit einem wichtigen Unterschied: Religiöser Fundamentalismus lässt sich sowohl als überzogene Gegenwehr traditioneller Religion gegen die Säkularisierung oder aber als eine Refundamentalisierung und damit Politisierung dieser Religion unter säkularisierten Bedingungen verstehen.

Unter den religiösen Fundamentalismen steht zu Beginn des 21. Jahrhunderts der Islamismus im Zentrum der Aufmerksamkeit. Der Islamismus ist eine auf dem Islam gründende politische Theologie. Er findet seine geistigen Quellen bei Mohammad Ibn Abd al-Wahhab und anderen muslimischen Reformatoren des 18. Jahrhunderts, die mit ihren Predigten die
Wiedereinführung der islamischen Dogmen und des islamischen Kultus in ursprünglicher Reinheit betrieben. Sie pflegten am Vorbild der Lehre und des Lebens der Begleiter des Propheten eine Idealisierung der muslimischen Gemeinschaft. Diese «Salaf» genannten Persönlichkeiten sind mit ihrem Ideal einer Rückkehr zu den Ursprüngen die geistigen Ziehväter vieler zeitgenössischer fundamentalistischer Bewegungen geworden.

Der Islamismus erlebte seinen Aufschwung zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit den fundamentalistischen Ideen Al-Mawdoudis in Pakistan und dem Aufkommen der muslimischen Bruderschaft 1928 in Ägypten. Zunächst ist der Islamismus anscheinend eine Utopie: Die muslimische Bruderschaft wollte zu der auf der Scharia basierenden Organisation der muslimischen Gesellschaft zurückkehren, wie sie vermeintlich zu Lebzeiten des Propheten Mohammed in Medina bestand. Die Ideen der muslimischen Bruderschaft fanden Verbreitung im Maghreb, im Maschrek, in Zentralasien und der übrigen Welt.

8

Uwe Backes, Eckhard Jesse, Extremismus der Mitte? ­ Kritik an einem modischen Schlagwort, in: dies. (Hrg.), Jahrbuch Extremismus und Demokratie 7, Baden-Baden 1995, S. 13­26.

5022

Staaten als extremistische Akteure Extremistisch können theoretisch auch staatliche Akteure sein, auf die im Folgenden nicht weiter eingegangen werden wird. Fundamentalistische islamische Staaten erheben den Islam in ihrer Interpretation zu einer politischen Theologie mit Universal- und Absolutheitsanspruch, die jedes staatliche Handeln spezifischen ­ eben islamischen ­ Gesetzen unterwirft. Die zum Extremismus neigende Weltanschauung wird von diesen Staaten unter Einbezug ihrer Nachrichtendienste mit allen Mitteln verteidigt. Mit dem absoluten Anspruch auf Unveränderbarkeit des Islam lehnen sie die Rechts- und Gesellschaftsordnung in der westlichen Welt ab. Deshalb werden die Nachrichten- und Sicherheitsdienste solcher Länder nebst ihren klassischen Spionageaufgaben (militärische, politische und wirtschaftliche Informationsbeschaffung) oft auch zur Ausforschung der Emigration sowie zur Planung und Durchführung von staatsterroristischen Handlungen zwecks Eliminierung von Abtrünnigen und Ungläubigen eingesetzt.

2

Lagebeurteilung und Gefährdungsanalyse

2.1

Rechtsextremismus

Rechtsextremismus ist ein Sammelbegriff für vielfältige Erscheinungen am rechten Pol des politischen Spektrums. Zwischen Neofaschismus, Neonazismus usw. gibt es fliessende ideelle und organisatorische Übergänge, so dass die Bezeichnungen oft als Synonyme verstanden werden. Der Rechtsextremismus lässt sich aufgrund seiner Merkmale besser beschreiben: Eine rechtsextreme Grundhaltung ist gekennzeichnet durch einen übersteigerten, mit Xenophobie und Ausländerfeindlichkeit verbundenen Nationalismus sowie durch aggressiven Rassismus und Antisemitismus. Politische Idealvorstellung ist der autoritäre Führerstaat, der in einem ethnisch einheitlichen Gebilde hierarchisch auf dem Prinzip der Stärke aufgebaut ist. Rechtsextremisten hegen ein tiefes Misstrauen gegenüber demokratischen Prinzipien und zeigen eine ausgeprägte Gewaltakzeptanz.

2.1.1

Chronologie

Der Schweizer Rechtsextremismus in seiner heutigen Form ist ein Kind der 1990er Jahre. Er präsentierte und präsentiert sich damals wie heute als Vielzahl kleiner Gruppierungen unterschiedlicher Herkunft. Drei Zweige des Rechtsextremismus lassen sich unterscheiden.

Entwicklung der drei Hauptzweige des Rechtsextremismus Der älteste Zweig ist die «Alte Rechte»: Altfaschisten, Negationisten (Revisionisten), Rassisten usw. mit langen Wurzeln in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Etwas jünger ist der zweite Zweig; ihm verdankt der heutige Rechtsextremismus allerdings seine Blüte: die Skinheads. Die Skinheadbewegung entstand in den 1960er Jahren in Grossbritannien als unpolitische Jugendkultur mit einer ausgeprägten Musikszene. Über die Musik wurde ihr rassistisches und fremdenfeindliches Gedankengut in ganz Europa und in den USA rezipiert; Musik ist auch heute noch ein wichtiger Transmissionsriemen dieses Gedankenguts. Die ursprünglich unpolitischen Skinheads wurden seit den 1970er Jahren durch rechtsextreme politische 5023

Gruppierungen vereinnahmt. Obwohl die Schweizer Skinheads von Anfang an politischer waren als ihre Pendants im europäischen Ausland, ist dieser Vereinnahmungsprozess kein abgeschlossener Vorgang, sondern findet laufend statt ­ unpolitische Skinheads sollen für die Ideen der Rechtsextremisten gewonnen werden.

In der zersplitterten rechtsextremistischen Szene gab und gibt es immer wieder Sammlungsbewegungen. So versuchte schon 1983 die Nationale Koordination unter Leitung des bekannten Negationisten Gaston-Armand Amaudruz Altfaschisten, Negationisten, Rassisten und Skinheads über die Generationen hinweg zu einen. Es gelang der stark intellektuell geprägten Vereinigung allerdings nie, eine Mehrheit der jungen Aktivisten für ihre Zwecke zu vereinnahmen. Anfang der 1990er Jahre wurden die theoretisierenden Vertreter der «Alten Rechten» vor allem wegen ihres möglichen Einflusses auf gewalttätige jugendliche Rechtsextreme als latente Gefahr betrachtet.

Ab 1988 traten vermehrt militante Gruppen unter der Bezeichnung «Neue Rechte» in Erscheinung, so etwa die Rechtsradikale Mutschellenfront (RMF), die Patriotische Front (PF) oder die Nationalrevolutionäre Partei der Schweiz. Führende Exponenten der «Neuen Rechten» versuchten so, sich neu zu formieren und die Skinheads für ihre Ideen zu gewinnen. Es wanderte denn auch ein Teil der Skinheadszene zu Gruppierungen der «Neuen Rechten» ab. Ab Mitte der 1990er Jahre verloren diese Gruppierungen jedoch stark an Bedeutung. Sowohl die Skinheadbewegung wie die Negationisten der «Alten Rechten» blieben aber weiterhin aktiv und präsent. Sie sind bis heute die beiden Hauptzweige der rechtsextremen Szene.

Entwicklung rechtsextremer Vorfälle Anfang der 1990er Jahre nahmen in der Schweiz die Aktivitäten und Gewaltakte mit vermutetem oder erwiesenem rechtsextremem Hintergrund stark zu, doch entwickelte sich kein politisch bedeutender Rechtsextremismus.

5024

Rechtsextremismus Schweiz: Vorfälle / M itgliederzahl 1200

160 140

1000 120

600

80 60

Mitglieder

Vorfälle

800 100

400 40 200 20

Dem Bundesam t für Polizei gem eldete Vorfälle, ohne Schm ierereien

2003

2002

2001

2000

1999

1998

1997

1996

1995

1994

1993

1992

1991

1990

0 1989

0

VorfälleTotal Mitglieder (geschätzt)

Das grösste gewalttätige Potenzial in der rechtsextremen Szene ging von Skinheads aus. Ziel ihrer verbalen Angriffe oder gewalttätigen Aktionen waren ausländische Personen, aber auch Sympathisanten aus der linken Szene und Randgruppen. Skinheads übten ­ mit einem ersten Höhepunkt von 1990 bis 1992 ­ immer wieder Anschläge auf Einrichtungen des Asylwesens aus. Parallel zu der ab Ende 1991 rückläufigen Zahl der Asylsuchenden in der Schweiz nahm auch die Deliktsdichte seit 1993 markant ab. Neben den Gewaltakten gegen Asyleinrichtungen wurden Fälle von tätlichen Angriffen auf Asylsuchende registriert. Ab 1993 richteten sich die meist verbalen Angriffe der Rechtsextremen vor allem gegen Personen. Die Feindbilder der Skinheads (Ausländer, Linke, Randgruppen) blieben über die Jahre konstant. Seit 2002 verschärften sich die Konfrontationen zwischen links- und rechtsextremen Gruppierungen.

Ab 1995 nahmen die Aktivitäten gewalttätiger Skinheads deutlich zu. Es fanden mehr Versammlungen statt, mehr Anhänger traten in eine Vielzahl neu gegründeter Gruppierungen ein. Der verstärkte Zulauf zu Skinheadbewegungen sowie die erhöhten Aktivitäten hielten seither an: 1999 kam es zu einer erneuten Zunahme von Anschlägen auf Asylunterkünfte und zu einer beträchtlichen Zahl von Übergriffen gegen ausländische Personen. 2000 sanken diese Zahlen wieder, 2001 und 2002 wurden keine Angriffe auf Einrichtungen des Asylwesens registriert, 2003 kam es aber wieder zu Anschlägen. Kontinuierlich waren Konfrontationen zwischen Rechtsextremen und Ausländern zu verzeichnen.

5025

Gewaltakte gegen Einrichtungen des Asylwesens

80 70

77

60 50 40 30 20 10

27

42 9

10

6

6

11

10 4 1 0 0 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 3

3

Skinheadkonzerte als Propaganda-Plattformen Die Musikszene der Skinheads konnte gegen Ende des 20. Jahrhunderts ein grösseres Publikum gewinnen und dadurch zur Verbreitung rechtsextremen Gedankenguts beitragen: Seit 1998 finden in der Schweiz häufiger grössere Konzerte statt, obwohl 1999 dank polizeilicher Intervention zwischenzeitlich ein Rückgang verzeichnet werden konnte. So fanden 2001 und in den folgenden Jahren etliche grössere, jeweils 600 bis 800 Teilnehmer mobilisierende Skinheadkonzerte in verschiedenen Regionen der deutschen Schweiz statt. Ein beträchtlicher Anteil der Konzertbesucherinnen und -besucher reiste aus dem Ausland, besonders aus Deutschland, an.

Skinheadkonzerte, aber auch die Einfuhr von Propagandamaterial aus dem Ausland förderten grenzüberschreitende Kontakte.

Im Jahr 2000 zeichnete sich der Trend ab, Veranstaltungen in Privatklubs abzuhalten. In mehreren Kantonen mieteten rechtsextreme Gruppen für ihre Treffen private Räume oder solche in Restaurants oder anderen Lokalitäten und deklarierten gegenüber den Vermietern und den Behörden ihre Veranstaltungen als Privatanlässe, etwa als Geburtstagsfeiern oder Waldfeste.

In der Schweiz ist der Besitz rechtsextremistischer Musik nicht strafbar. Nur die öffentliche Verbreitung von rassistischer Musik untersteht der AntirassismusStrafnorm. Nicht nur der Vertrieb, sondern auch die Auftritte rechtsextremer Skinheadbands müssen unter diesem Gesichtspunkt beurteilt werden. Bei als privat organisierten Konzerten ohne öffentliche Werbung ist deshalb eine Kontrolle durch Polizeikräfte problematisch.

Neue Artikulationsformen des Rechtsextremismus Im Sommer desselben Jahres nahmen nicht nur rechtsextrem motivierte Straf- und Gewalttaten zu. Es kam auch zu verschiedenen anderen Vorfällen, etwa zu Störaktionen von Skinheads während der Rede des Bundespräsidenten auf dem Rütli. Dies veranlasste den Bundesrat und die Behörden, den Handlungsbedarf politisch zu prüfen. Im Herbst 2000 beauftragte der Bundesrat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), eine nationale Arbeitsgruppe einzusetzen, die sich mit

5026

der Bekämpfung rechtsextremer Gewalt auf der Ebene der Gesetzgebung, der Forschung und der gesellschaftlichen Prävention befassen sollte.9 Der 1. August 2000 kann als Beginn der öffentlichen Artikulation der Skinheads angesehen werden. Die Skinheads traten zum ersten Mal medienwirksam auf und erzielten eine politische Wirkung, was sich auch in der Vorfallstatistik deutlich spiegelt.

So trat etwa Avalon in diesem Jahr immer wieder in Erscheinung, und verschiedene politisch orientierte Gruppen wurden zusammen mit Exponenten der Skinheadszene aktiv. Aber schon 2001 liess sich ein Rückgang der provokativen Publizität feststellen. Dahinter dürfte der Wunsch verschiedener Gruppierungen wie etwa der im September 2000 gegründeten Partei National Orientierter Schweizer (PNOS) stehen, sich als politische Kraft zu etablieren. Zu diesem passt das Image einer aggressiven, randalierenden Schlägertruppe nicht. Seit 2003 nimmt die PNOS an Wahlen auf kantonaler und Bundesebene teil, und rechtsextreme Gruppierungen wie etwa die Nationale Ausserparlamentarische Opposition versuchen, aktuelle politische Themen (Kinderpornografie, Irak-Krieg) aufzugreifen. Bislang hatte ersteres kaum, letzteres keinen Erfolg.

Grenzüberschreitende Verbindungen des Schweizer Rechtsextremismus Neu waren im Jahr 2000 auch Versuche, die schweizerischen Skinheads und Rechtsextremisten von Deutschland aus politisch zu aktivieren. Die rechtsextreme Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) musste in Deutschland mit einem Parteiverbot rechnen und plante unter anderem deshalb eine Parteigründung in der Schweiz. Im April 2000 wurde in Bern die Nationale Partei der Schweiz (NPS) als schweizerischer Anknüpfungspunkt für die NPD gegründet. Auch andere Schweizer rechtsextreme Gruppen wie die Nationale Aufbauorganisation (NAO) oder die PNOS versuchten, sich als Brückenkopf für eine NPD-Niederlassung in der Schweiz anzubieten. Es zeigte sich 2001, dass die Versuche der NAO, verschiedene Gruppierungen in einer Dachorganisation zu vereinigen, zumindest vorläufig scheiterten.

Dass das deutsche Bundesverfassungsgericht 2002 das beantragte Verbot der NPD ablehnte, nahm den Befürchtungen in der Schweiz die Virulenz, obwohl weiterhin Kontakte der NPD in die Schweiz bestehen.

In der Schweiz wurde auch befürchtet, dass die im Jahr 2000 in Deutschland
ausgesprochenen Verbote der Skinheadorganisation Blood & Honour Division Deutschland und ihres Jugendverbands White Youth sich auf die Lage in der Schweiz auswirken. Erwartet wurde der Aufbau von Ersatzstrukturen in der Schweiz; dieser blieb aber aus.

Rechtsextreme Propaganda und Antirassismus-Strafnorm Rechtsextreme Gruppierungen erkannten rasch die Vorteile, welche die neuen Informationstechnologien für Propaganda boten. Das Internet war und ist für sie eine vielfältig nutzbare Plattform mit schneller, weltweiter Ausstrahlung. Entsprechend verfügten nahezu alle einschlägig bekannten gewaltextremistischen Gruppierungen im In- und Ausland schnell über eigene Websites.

9

Vgl. dazu den Bericht der interdepartementalen Arbeitsgruppe «Koordination und Umsetzung von Massnahmen im Bereich des Rechtsextremismus» an den Bundesrat (Oktober 2001) (http://www.fedpol.ch/d/archiv/berichte/weitere/massnahmenbericht_200110.pdf).

5027

Zwischen der vermehrten Hass- und Gewaltpropaganda und den Versammlungsaktivitäten sowie der zunehmenden Zahl von Delikten sind Zusammenhänge erkennbar: Die Verbreitung von fremdenfeindlichen, neonazistischen und Gewalt befürwortenden Propagandamaterialien und Tonträgern nahm seit 1997 stark zu. Diese Entwicklung könnte auch dadurch begünstigt worden sein, dass Anfang Juli 1998 der das staatsgefährdende Propagandamaterial betreffende Bundesratsbeschluss von 1948 aufgehoben wurde, weshalb Sendungen von rassistischem und gewaltextremistischem Propagandamaterial nicht mehr präventiv beschlagnahmt resp. eingezogen werden konnten.

Seit 1998 verlagerten sich solche Inhalte von der gedruckten Publikation weg ins Internet. Dies war nicht zuletzt eine Folge der ersten Verurteilungen aufgrund der neuen Antirassismus-Strafnorm (Art. 261bis StGB). Bei Nachforschungen fanden sich 1998 an die 700 Websites mit einschlägigen Inhalten.

Eine Analyse der 2003 aufgrund Artikel 261bis StGB ergangenen Entscheide (Verurteilungen, Freisprüche und Einstellungen) auf allen Ebenen der Schweiz kann einen knappen Eindruck der Problematik liefern. Insgesamt wurden 2003 33 Entscheide gefällt, was in etwa dem Umfang der vorhergehenden Jahre entspricht. Sechs (18 %) gingen auf Äusserungen zurück, die einer antisemitischen Motivation entsprangen, fünf (15 %) auf Inhalte, die als Negationismus und Neonazismus begriffen werden können, drei gingen auf unsachliche Kritik gegen den Staat Israel und auf Antizionismus zurück ­ politisch motivierte Äusserungen gegen den Staat Israel und den Zionismus sind aber nach Artikel 261bis StGB nicht strafbar. 19 Entscheide (58 %) hatten andere diskriminierende oder rassendiskriminierende Gründe.

Wichtig ist es festzuhalten, dass sich nicht alle gegen Juden gerichteten strafbaren Äusserungen einem rechtsextremen, sondern gerade auch einem linksextremen Umfeld zuschreiben lassen. Hier vermischen sich seit neuestem ­ nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Europa ­ die Differenzen zwischen den Extremisten an beiden Polen des politischen Spektrums. Unter Einbezug gleichgerichteter Tendenzen im Islam wird dieses Phänomen seit neustem unter dem Begriff «Neuer Antisemitismus» europaweit in der Öffentlichkeit diskutiert.

2.1.2

Akteure

Am Erscheinungsbild der rechtsextremen Szene hat sich seit den 1990er Jahren wenig geändert: Die Szene besteht aus vielen kleinen Gruppierungen, die meist nicht strukturiert sind, nur lose zusammenhalten und häufig Zusammensetzung und Namen wechseln. Dass auch Mehrfachmitgliedschaften einzelner Rechtsextremisten vorkommen, erschwert es zusätzlich, genaue Zahlen zur Grösse der einzelnen Gruppen und der rechtsextremen Szene insgesamt zu nennen. Ausgehen kann man heute von gegen 1000 Rechtsextremen in der Schweiz, zu denen sich weitere ca. 700 bis 800 Mitläufer oder Sympathisanten gesellen. Letztere können nicht zum harten Kern gezählt werden, sind aber an Veranstaltungen rechtsextremer Gruppen anzutreffen und teilen tendenziell deren Gedankengut. Im Jahresvergleich nimmt der harte Kern aber stetig zu: 1999 waren es 600 bis 700, im folgenden Jahr etwa 800 bis 900 Personen. Neben Konzerten und Festen in der Skinheadszene sind das Internet und die Hooliganszene als Rekrutierungsmilieus des Rechtsextremismus nochmals zu nennen. Der Altersdurchschnitt liegt zwischen 16 und 22 Jahren.

5028

Regionale Unterschiede Die rechtsextreme Szene verteilt sich in der Schweiz auf verschiedene regionale Schwerpunkte. Diese liegen vor allem in der deutschsprachigen Schweiz, namentlich in den Kantonen Aargau, Zürich, Bern, Basel-Landschaft, Solothurn, Luzern und in der Ostschweiz, aber auch in den französischsprachigen Kantonen Genf, Waadt und Wallis.10 In der Westschweiz existierten zunächst vor allem kleinere, sehr aktive rechtsextreme Gruppen und Einzelpersonen. Seit 1996 verstärkten sich die Aktivitä10

Rechtsextreme Szene in der Schweiz (gestützt auf Angaben der Kantone) Kanton

Gruppen: Zahl / Namen / Mitglieder

AG

10 / SHS, B&H, PNOS, Morgenstern, Avalon, NAO, Nationale Offensive (NO), Nationale Initiative Schweiz (NIS), Patrioten CH, National Korps / 429 plus hohe Dunkelziffer 6 / NAO, Nationalkorps Limmattal, Nordisch Zürich, Patrio- Skinheadkonzerte tische Jugend Winterthur, Volkssturm Unterland, Wylandsturm / 300 6 / NPS, Avalon, NO, Skinhead Aktion Bern, Orden der arischen Ritter (aufgelöst) / 200

ZH

Aktivitäten

BE (Stadt und Kanton) GE 4 / Vérité et Justice, Jeunesse Nationaliste Suisse et Européenne, «Nouvelle Droite», Supporters 88 (Hooligans) / 132 SO ­ / unstrukturiert, lose Szene / 120 LU 2 / SHS, Morgenstern / 85 Skinheadkonzerte VD 3 / B&H Romandie, non-Hammers, Skaters / 100 BL 6 / PNOS, B&H (inaktiv), Ombre Nero (inaktiv), Laufentaler Patrioten, Rechte Schweizer Jugend (RSJ) Oberbaselbiet (aufgelöst), Warriors (neu) / 80 VS 3 / Vérité et Justice, B&H Romandie, Allobroges Klan, lose Szene / 75 SZ 1 / Schweizerischer Art- und Kulturverein der Patrioten (SAKVP), lose Szene / 64 BS 1 / PNOS, lose Szene / 60 TI 1 / Movimento Destra Svizzero Ticinese (MDST), Hooligans: BezieHooligans, lose Szene / 45 hungen zu Deutschschweizer rechtsextremer Szene TG 2 / SHS, Patriotischer Ostflügel (POF) / 40 Skinheadkonzerte, Versand-Tätigkeit SG 6 / Toggenburger Skinheads, St. Galler Skinheads, Skinheads Werdenberg, (Eschenbach-Front, Heimat-Front, Oi-Front zerschlagen) / 35 OW ­ / unstrukturiert, lose Szene / 20 FR 2 / Vérité et Justice, PNOS (neu), lose Szene / 20 (grösster Teil nicht im Kanton wohnhaft) GR 2 / Rheinfront (praktisch aufgelöst), Bündner Werwölfe / 20 NE ­ / unstrukturiert, lose Szene / 20 NW ­ / unstrukturiert, lose Szene / 5 AI ­/­/­ AR ­ / unstrukturiert, einzelne Exponenten / 2 UR ­/­/­ JU ­/­/­ SH ­/­/­ ZG ­ / unstrukturiert, lose Szene / 5 GL ­ / unstrukturiert, lose Szene / 5­10

5029

ten der Skinheads hier stetig. Der harte Kern der Aktivisten zählte in den Kantonen Neuenburg, Genf, Waadt und Wallis rund zwanzig bis dreissig Personen. In der Romandie äusserten und äussern sich rechtsextreme Positionen aufgrund verschiedener soziokultureller Strukturen zum Teil anders als in der Deutschschweiz. Die rechtsextreme Szene beschränkte sich vornehmlich auf intellektuelle Netzwerke (Neue Rechte und Negationisten). Neben intellektuellen Zirkeln liessen sich auch Verflechtungen mit französischen rechtsextremen Parteien nachweisen. Im Tessin gibt es nur rechtsextremistische Einzelpersonen, doch hat hier die Hooliganszene nebst Verbindungen zu Gleichgesinnten in Italien auch feste Kontakte zur Deutschschweizer Skinheadszene.

Im Folgenden sollen einzelne Organisationen aus der rechtsextremistischen Szene kurz analysiert werden. Es handelt sich nicht um eine vollständige Liste aller Organisationen, aber um die im Moment wichtigsten und aktivsten, mithin um einen aussagekräftigen Querschnitt. Der Schnitt setzt bei den Trägern des politischen Rechtsextremismus an, zunächst bei der durch negationistische Vereinigungen repräsentierten Alten Rechten, sodann bei den jüngeren, politisch motivierten Gruppierungen, um bei denjenigen fortzufahren, welche die zahlenmässige Stärke des Rechtsextremismus hauptsächlich ausmachen: den Skinheads. Die Analyse endet bei den per se apolitischen Hooligans, was dem Umstand zuzuschreiben ist, dass diese in jüngster Zeit zu einer Rekrutierungsbasis der Skinheads geworden sind.

Negationistische Vereinigungen Der politisch motivierte Versuch, die Verbrechen der Nationalsozialisten während ihrer Herrschaftszeit zu leugnen oder zu relativieren, wird als Negationismus oder Revisionismus bezeichnet. Seit Jahren versuchen Negationisten aus aller Welt im Rahmen einer gezielten «Revisionismus-Kampagne», den millionenfachen Mord an den europäischen Juden zu bestreiten oder zumindest die Zahl der Opfer zu verkleinern. Sie berufen sich dazu in ihren Publikationen auf ­ häufig von ihnen selbst in Auftrag gegebene ­ «Gutachten» («Leuchter-Report», «Rudolf-Gutachten»), in denen mit anscheinend wissenschaftlichen Methoden gezeigt werden soll, dass die Massenvernichtung in den Konzentrationslagern technisch unmöglich war. Im Ausland fielen in den letzten Jahren als Negationisten
besonders Ernst Zündel, OttoErnst Remer, Thies Christophersen und David Irving auf,11 in der Schweiz Jürgen Graf, Philippe Brennenstuhl, Gaston-Armand Amaudruz und Bernhard Schaub. Sie ziehen als Einzelpersonen die Aufmerksamkeit auf sich, doch gibt es in der Schweiz mit Vérité et Justice und Avalon auch zwei Gruppierungen, die als negationistisch bezeichnet werden müssen.

­

Vérité et Justice Der Verein wurde 1999 vom Basler Holocaust-Leugner Jürgen Graf gegründet. Vérité et Justice hat Mitglieder in den Kantonen Freiburg und Genf.

Diese verbreiten ihre negationistischen Ansichten in Büchern oder Vorträgen.

11

Der in Kanada lebende Deutsche Ernst Zündel mit seinem «Germania-Rundbrief»; die beiden im europäischen Ausland agierenden Altnazis Otto-Ernst Remer («DeutschlandReport», früher «Remer-Depesche») und der 1997 verstorbene Thies Christophersen («Die Bauernschaft»); der britische Historiker David Irving.

5030

Im März 2002 wurde der Verein aufgrund von Artikel 78 ZGB (wegen widerrechtlichem oder unsittlichem Vereinszweck) durch gerichtliche Verfügung aufgelöst und das Vereinsvermögen eingezogen. Die Vereinigung ist trotz der angeordneten Auflösung immer noch aktiv; es finden immer noch Mitgliedertreffen statt. Vérité et Justice gibt auch weiterhin ein Bulletin heraus und organisiert nationale und internationale Veranstaltungen, die von Negationisten aus aller Welt besucht werden. Auch die Website wird noch betrieben (Stand März 2004). Mitglieder der Gruppierung wie z.B. der Gründer des Vereins, Jürgen Graf, wurden und werden immer wieder angeklagt, gegen die Antirassismus-Strafnorm zu verstossen.

­

Avalon Avalon ist ein «neuheidnischer» Zirkel. Die 1990 im Kanton Bern gegründete und auch im Kanton Aargau niedergelassene Gruppe rekrutierte ihre Kader unter anderem aus Mitgliedern der aufgelösten Wiking Jugend. In Bern schätzt man die Mitgliederzahl auf ein Dutzend, im Aargau ist die Grösse nicht bekannt. Avalon entfaltet seine kulturellen Aktivitäten mit mythischen Waldfesten und historischen Seminaren. Dabei propagiert die Gruppierung völkisches Ideengut mit Einsprengseln indogermanischer und keltischer Mythen.

Avalon unterhält enge Beziehungen zu Skinheads, z.B. zur Nationalen Offensive (NO), aber auch zur PNOS sowie zu gleichgesinnten Einzelpersonen und Gruppen im Ausland. Die Gruppierung steht auch in Kontakt mit Vérité et Justice. Im Gegensatz zu den vornehmlich sehr jungen Skins sind die Mitglieder dieser negationistischen Gruppe durchschnittlich um die fünfzig Jahre alt.

Einzelne Mitglieder von Avalon sind mit dem Gesetz in Konflikt geraten, vorwiegend wegen Verstosses gegen die Antirassismus-Strafnorm. Das Gewaltpotenzial der Gruppierung wird als tief eingeschätzt.

Rechtsextreme politische Gruppierungen Einige noch vor drei Jahren wichtige Gruppierungen haben inzwischen an Bedeutung verloren wie z.B. die Nationale Initiative Schweiz (NIS) und die NPS. Die weitgehende Auflösung der NPS zeigt deutlich, dass Gruppierungen zum Teil stark von Einzelmitgliedern abhängig sind. Seit der Anführer der NPS nicht mehr aktiv in der rechten Szene auftritt, reduzieren sich die Aktivitäten der Gruppe auf ein Minimum. Diese Gruppierungen teilten somit das Schicksal der Neuen Rechten der 1990er Jahre. Am aktivsten sind zurzeit die PNOS und die NAPO.

­

Partei National Orientierter Schweizer (PNOS) Am 1. September 2002 feierte die PNOS ihr zweijähriges Bestehen.

Gegründet worden war sie von Aktivisten der Skinheadgruppe Blood & Honour, unter anderem um die rechtsextreme Szene zu einen. Etliche Mitglieder der PNOS waren oder sind noch aktive Skinheads. Die PNOS hat ungefähr 100­130 Mitglieder, etwa 60 davon gehören der Kantonalsektion beider Basel an. Die Partei finanziert sich vornehmlich über Mitgliederbeiträge (Fr. 180.­ Jahresbeitrag). Wie viel Unterstützung sie von anonymen Geldgebern erhält, ist nicht bekannt.

5031

Die PNOS sucht den Einstieg in die Politik der Schweiz. Ihre Herkunft aus dem gewalttätigen Rechtsextremismus versucht sie durch einen möglicherweise nur strategischen Gewaltverzicht vergessen zu machen. Die PNOS nimmt immer wieder Stellung zu aktuellen politischen Fragen, z.B. mit Pamphleten gegen einen Schweizer Beitritt zur UNO, für Bauerndemonstrationen oder gegen die Wehrmachtsausstellung. Ausserdem plante und plant sie weiterhin, an Wahlen auf kantonaler und Bundesebene teilzunehmen. Im März 2003 ersuchte die Partei um Zuteilung einer Wahllisten-Nummer für die kantonalen basellandschaftlichen Landratswahlen. Sie hat sich schliesslich aber doch nicht für diese Wahlen angemeldet. Aber der an den Nationalratswahlen im Oktober 2003 im Kanton Aargau teilnehmende Kandidat der PNOS erzielte dann mit knapp 3000 Listenstimmen einen bescheidenen Anfangserfolg. Ein Mitglied der PNOS beabsichtigt 2004, an Gemeinderatswahlen im Kanton Aargau teilzunehmen.

Die PNOS propagiert unter anderem den Verzicht auf Gewalt, weil das Bild einer aggressiven, randalierenden Schlägertruppe sich nicht mit der angestrebten Etablierung als politische Kraft verträgt. Fraglich bleibt, ob der aktuelle Gewaltverzicht nur eine kurzfristige Strategie oder programmatisch und damit langfristig ist. Das Parteiprogramm, die Parteizeitung und andere Publikationen der PNOS sind nach wie vor geprägt von fremdenfeindlicher, antidemokratischer und rechtsextremer Rhetorik. Sie vertritt in ihren Verlautbarungen eindeutig Haltungen und Werte, die in klarer Diskrepanz zu den Grundlagen des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates stehen. Sie hat Kontakte zu in- und ausländischen rechtsextremen Gruppierungen, die teilweise gewalttätig sind. Sie pflegt Verbindungen zum Verein Vérité et Justice und zu bekannten Negationisten wie Philippe Brennenstuhl oder Gaston-Armand Amaudruz. Der Negationist Bernhard Schaub ist jedoch offiziell aus der PNOS ausgetreten. Neben den üblichen Parteizwecken strebt die PNOS auch die Zusammenarbeit mit anderen schweizerischen oder ausländischen rechtsextremistischen Parteien (vor allem mit der NPD) an.

In der Vergangenheit kamen auch diverse Einzelmitglieder ­ ohne dass die Tat einen direkten Bezug zur PNOS hatte ­ wiederholt mit dem Gesetz in Konflikt.

­

Nationale Ausserparlamentarische Opposition (NAPO) Die NAPO ist ein Zusammenschluss verschiedener Gruppierungen aus dem rechtsextremen Umfeld. Sie ist nach dem Zellenprinzip gegliedert. Ihre Stützpunkte arbeiten unabhängig voneinander und können, falls gewünscht, völlig anonym bleiben. Jeder Stützpunkt ist personell und finanziell selbständig. Die einzelnen Zellen können eine Grösse von drei bis zwölf Personen haben. Wenn eine Zelle zu gross wird, soll sie geteilt und ein neuer Stützpunkt errichtet werden.

Die NAPO ist Anfang 2003 mit einer Flugblattaktion im Kanton Solothurn (gegen Kinderpornografie) und an zwei Aufmärschen, in Egerkingen (SO) und Zofingen (AG), sowie an einem Anlass Ende Juli 2003 in Mels (SG) aufgetreten. Sie nahm zusammen mit der PNOS auch an den Feierlichkeiten zum 1. August 2003 auf der Rütli-Wiese teil. Ein wesentlicher Teil der bei diesen Anlässen anwesenden Aktivisten scheint aus der PNOS oder deren Umfeld zu stammen. Redner war jeweils Bernhard Schaub, der immer wie-

5032

der an nationalen und internationalen negationistischen Kongressen und anderen Veranstaltungen auftritt. Es ist nicht auszuschliessen, dass Schaub die NAPO (in Anlehnung an die NPD, mit der er eng verbunden ist) zur Ergänzung der PNOS eingeführt hat, damit diese als Plattform für den aktionsbezogenen Kampf auf der Strasse und der Mobilisierung jüngerer rechtsextremer Aktivisten dienen kann.

Skinheads Die Skinheads sind der gut sichtbare Teil der schweizerischen rechtsextremen Szene. Sie erhielten 1999/2000 primär in der Deutschschweiz grossen Zulauf. Die Szene hat sich dadurch stark verjüngt. Das Durchschnittsalter liegt bei ungefähr zwanzig Jahren, ein guter Teil der Skinheads ist noch minderjährig.

Die Skinheads grenzen sich mit einer Reihe von Zeichen gesellschaftlich ab. Ihre Symbole sind mythologisch aufgeladen und nur Eingeweihten bekannt. Besonders auffällig sind Kleidung und Haarschnitt. Ein zentrales Element der Selbstdarstellung ist der eigene Musikstil mit harten und aggressiven Rhythmen. Die Musik ist ein wichtiges verbindendes Element der Subkultur und spielt eine bedeutende Rolle bei der Rekrutierung neuer Anhänger sowie bei der Entstehung und Verfestigung der Gruppen. Sie bietet damit auch Zugang zu Gedankengut und Weltbild der Skinheads. Obschon die Musikszene auch unpolitische Formen kennt, spricht sie mehrheitlich mit ihren Texten fremdenfeindliche und rassistische Affekte an und bestätigt oder erzeugt damit Feindbilder. Sie fördert nach Meinung von Experten auch die Gewaltbereitschaft. Unter diesem Blickwinkel muss die Tatsache betrachtet werden, dass in der Schweiz in den letzten Jahren eine markante Zunahme von Skinheadkonzerten mit zum Teil über 1000 Besuchern zu verzeichnen war.

Die Skinheadszene in der Schweiz ist nur zum Teil in Gruppen mit festen Strukturen organisiert. Derzeit sind folgende Skinheadgruppierungen besonders aktiv: ­

Schweizerische Hammerskins (SHS) Als wichtigste Gruppierung der schweizerischen Skinheads sind die SHS eine Art Dachorganisation mit elitärem Führungsanspruch. Ursprünglich aus den USA stammend, wurde 1990 in Luzern der erste Ableger in Europa gegründet. Heute sind die SHS vornehmlich in den Kantonen Luzern, Aargau und Thurgau mit mehreren Dutzend Mitgliedern aktiv. Viele ältere und erfahrene Aktivisten treten als Doppel- und Mehrfachmitglieder in anderen lokalen oder regionalen Skinheadgruppen auf. Der Kanton Aargau verzeichnet eine starke Zunahme von Mitgliedern, während im Kanton Thurgau eine Stagnation festzustellen ist. Im Kanton Luzern nimmt die Mitgliederzahl ab, diejenige der Sympathisanten zu. Ein grosser Teil der Anlässe der Skinheadszene wird durch die SHS mitorganisiert.

Die SHS verfügen im Kanton Luzern über Statuten. Hauptaktivitäten der SHS sind die Organisation von und Teilnahme an Veranstaltungen wie Konzerten und Partys, der Internet-Auftritt und der Handel mit rechtsextremem Schriftgut. Es gibt Kontakte zu anderen rechtsextremen Gruppierungen in Deutschland, Frankreich, Österreich, Italien und dem Fürstentum Liechtenstein.

In mehreren Kantonen kamen einzelne Mitglieder der SHS mit dem Gesetz in Konflikt, im Namen der Gruppe erfolgte bis heute jedoch keine Straftat.

5033

­

Blood & Honour Schweiz (B&H) Blood & Honour Schweiz wurde Ende 1998 als Ableger einer internationalen Bewegung gegründet, die rassistisches und ultranationales Gedankengut verbreitet. Vorübergehend bestanden in mehreren Kantonen Sektionen: Basel-Landschaft, Aargau und Waadt. Die gesamtschweizerische Zahl der Mitglieder ist unbekannt. Im Kanton Waadt geht man von ca. zwanzig Mitgliedern aus, allerdings nimmt die Mitgliederzahl hier ab, während im Kanton Aargau eine starke Zunahme zu verzeichnen ist ­ absolute Zahlen sind nicht bekannt.

B&H sieht sich als Konkurrenz zu den SHS. Die B&H-Anhänger besuchen vor allem Konzerte im In- und Ausland und handeln mit rechtsextremem Schriftgut sowie Ton- und Bildträgern. Im Kanton Basel-Landschaft ist die Gruppierung nur noch wenig aktiv, das Gefährdungspotenzial wird dort als unklar bezeichnet; in den Kantonen Waadt und Aargau als eher klein.

Gegenwärtig zeigen einzelne Sektionen Ermüdungs- und sogar Auflösungserscheinungen oder wechseln zur PNOS, die ja, wie bereits erwähnt, von B&H-Mitgliedern gegründet worden ist.

Wie bei den SHS sind einzelne Mitglieder der B&H straffällig geworden, nie aber die Gruppe als solche.

­

Morgenstern Die Skinheadgruppe Morgenstern wurde 1993 in Sempach/LU gegründet.

Sie hat je eine Sektion in den Kantonen Luzern und Aargau. Die Mitgliederzahl ist nicht bekannt; im Kanton Aargau geht man jedoch von einer Zunahme aus, im Kanton Luzern eher von einer Abnahme der Mitglieder, aber einer Zunahme der Schar von Sympathisanten. Teilnahme an Konzerten und Partys, Internet-Auftritt und Handel mit rechtsextremem Schriftgut sind die Hauptaktivitäten der Gruppe. Der Morgenstern pflegt auch regen Kontakt mit gleichgesinnten Gruppierungen im Ausland. Das Gefährdungspotenzial wird als gering eingeschätzt, ebenso die Gewaltbereitschaft. Der Morgenstern ist eng mit der SHS verflochten.

Hooligans Hooligangruppen sind ­ gemäss der Definition des Bundesamts für Sport ­ organisierte Gruppen meist junger Männer, die an öffentlichen Veranstaltungen, hauptsächlich Sportveranstaltungen, zuvor geplante Gewaltakte verüben. Ausschreitungen entzünden sich rund um den sportlich-dramatischen Kampf eines Fussball- oder Eishockeyspiels; die Konfrontationen reichen von Provokationen und Beschimpfungen über Handgreiflichkeiten und Sachbeschädigungen bis hin zu Massenschlägereien. Beteiligt sind gleichgesinnte Gruppen, welche die Bühne des Sports missbrauchen, um sich gegenseitig zu bekämpfen oder die Ordnungskräfte als weitere Konfliktpartei in die Ausschreitungen einzubeziehen versuchen.

Was die Gewalt bei Sportveranstaltungen betrifft, waren in der Schweiz während sehr langer Zeit keine gravierenden Ausschreitungen zu verzeichnen. Auch nach dem Drama im Heysel-Stadion im Jahre 1985 erachteten Schweizer Sportverbände, Swiss Olympic und der Bund die Fragen im Zusammenhang mit der Sicherheit in den Stadien und deren Umgebung als nicht besonders vordringlich. Die Sicherheitsvorkehrungen in diesem Bereich blieben teilweise rudimentär.

5034

Nach 2000 änderte sich die Lage: Eine wesentliche Steigerung von Gewaltakten wurde verzeichnet. Heute ist es eine Tatsache, dass sowohl in der Schweiz wie im übrigen Europa Sportveranstaltungen oftmals Schauplatz von Gewaltakten werden.

Sachbeschädigungen sowie Übergriffe auf unbeteiligte Fans, auf Sicherheitspersonal und Polizeibeamte werden häufiger. Dabei nehmen die Gewalttäter auch schwere Körperverletzungen ihrer Opfer in Kauf.

Ausschliesslich rechtsextreme Gruppen versuchen die Ausschreitungen und ihre Träger, die Hooligans, für ihre Zwecke auszunützen. Rechtsextremes Gedankengut wird vermehrt in die Szene hinein getragen. Zudem haben auch verschiedene Fussballfans erkannt, dass sie mit rechtsextremen Parolen verstärkt öffentliche provokative Aufmerksamkeit erlangen können. Der momentane Verjüngungsprozess der Skinheadszene alimentiert sich zum Teil aus der Hooliganszene, die damit nicht nur von den Skinheads instrumentalisiert, sondern auch als Rekrutierungsbasis gebraucht wird.

2.1.3

Aktuelle Lage und Gefährdung

Am Erscheinungsbild des Rechtsextremismus in der Schweiz hat sich ­ ausser dass die Szene seit dem Jahr 2000 in die (mediale) Öffentlichkeit drängt und stetig grösser wird ­ seit den 1990er Jahren wenig geändert: Es gibt eine Vielzahl loser Gruppierungen meist ohne Strukturen und vielfach ohne ernstzunehmenden politischen Hintergrund; diese finden sich vorwiegend in den ländlichen Teilen der Schweiz.

Einige Gruppen bestehen seit längerem und weisen auch eine gewisse Kontinuität bei den Mitgliedschaften auf. Dazu gehören die Gruppen SHS, Morgenstern und Patriotischer Ostflügel. Daneben verschwinden immer wieder Gruppierungen und neue tauchen auf.

Alte Erscheinungsformen und neue Zielsetzungen rechtsextremer Gruppen Auffällig ist, dass die gewalttätigen Exponenten der rechten Szene immer jünger werden und dass nach Alkoholkonsum die Hemmschwelle für Sachbeschädigung, Körperverletzung und Rassendiskriminierung sinkt. Die Zunahme rechtsextremer Gewalttaten zu Beginn des 21. Jahrhunderts wird durch eine gegenläufige Tendenz konterkariert. Rechtsextreme Gruppierungen wie die noch junge PNOS stehen zumindest strategisch von Gewalttätigkeiten ab und suchen den Einstieg in die Politik zu finden. Sie planen Teilnahmen an kantonalen und nationalen Parlamentswahlen. Es ist jedoch von bescheidenen Erfolgen auszugehen.

Relativ neu ist auch die Tendenz Rechtsextremer, Demonstrationen oder Aufmärsche zu organisieren. So protestierten rechtsextreme Gruppen anfangs 2003 gegen Pädophilie, gegen Globalisierung oder den Irak-Krieg. Solche Veranstaltungen haben aber nur geringe Beteiligung und bleiben von der Öffentlichkeit auch weitgehend unbemerkt.

Gefährdungen der inneren Sicherheit durch Rechtsextremismus und Hooliganismus Die rechtsextrem motivierten Aktivitäten gefährden zurzeit die innere Sicherheit der Schweiz nicht namhaft. Es kommt aber immer wieder zu punktuellen, teils erheblichen Störungen der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit. Vor allem Konfrontationen zwischen rechtsextremen und linksextremen Exponenten führen immer wieder zu Schwierigkeiten. Zudem gilt die Schweiz nach wie vor als attraktiver 5035

Standort für Skinheadkonzerte und ähnliche Veranstaltungen. Zu solchen Anlässen reisen besonders auch aus dem grenznahen Ausland Teilnehmende an. Die präventiven Massnahmen gegen die rechtsextreme Szene müssen daher weitergeführt werden.

Der Schweizer Hooliganismus stellt keine zentrale Bedrohung für die innere Sicherheit dar, birgt jedoch je nach Spielkonstellation unterschiedliche Risiken für Spieler, Zuschauer und das Umfeld der Sportstätten. Hooligans bringen ihre Stärke in der Masse zum Ausdruck und scheuen Gewalttaten ausserhalb der schützenden Anonymität. Aus diesem Grund besteht ein grundlegender Schritt der Bekämpfung und Prävention von gewalttätigen Ausschreitungen im Sport in der Identifizierung und zentralen Registrierung gewaltbereiter Fans. Nach wie vor fehlen in der Schweiz die gesetzlichen Grundlagen, die dem Hooliganismus wirksame Schranken setzen könnten.

Im Gegensatz zu England, Deutschland und Holland kennt die Schweiz keine grösseren Ausschreitungen bei Spielen der eigenen Nationalmannschaft im In- oder Ausland. Die Schweizer Hooliganszene konzentriert sich auf Spiele der Klubmannschaften. Die Präsenz grosser ausländischer Bevölkerungsgruppen erhöht das Potenzial zum ausserordentlichen Aufmarsch Angehöriger einer bestimmten Nationalität zu einem Spiel.

Ein entsprechend hohes Gefährdungspotenzial ­ besonders durch die Teilnahme im Ausland wohnhafter Hooligans ­ bergen die Fussball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland (WM 06) und die Fussball-Europameisterschaft 2008 in der Schweiz und Österreich (EURO 08) in sich.

2.2

Linksextremismus

Linksextremismus ist ein Sammelbegriff für Kommunismus, Marxismus, Leninismus, Teile des Sozialismus und Anarchismus. Als ideengeschichtliche Motivstränge stammen die Genannten teilweise aus denselben Wurzeln, grenzen sich aber deutlich voneinander ab und pflegen unter sich teilweise seit Anbeginn eine intime Feindschaft. Gemeinsam war und ist ihnen allen das Ziel, das kapitalistische System zu zerschlagen.

Der ursprüngliche, absolut autoritäts- und organisationsfeindliche Anarchismus zielt dabei auf die Rückkehr zu einem vermeintlich harmonischen Urzustand ab. Heute sind vor allem die so genannten Autonomen Träger anarchistischen Ideenguts. Dabei handelt es sich allerdings nicht um ein ausgereiftes und in sich widerspruchfreies weltanschauliches Konzept. Als einigende Klammern dienen in der Szene der Autonomen deshalb Antifaschismus und Globalisierungskritik, die zugleich starke Bindeglieder zu den anderen Linksextremisten (hauptsächlich Neomarxisten und Leninisten) sind. Auch die weiteren bereits genannten linksextremistischen, am Marxismus ausgerichteten Ideen haben, gemessen an den einstigen kommunistischen Staatsparteien, teilweise stark sektiererische Züge.

5036

2.2.1

Chronologie

Der Zusammenbruch des Ostblocks, der Konkurs der kommunistischen Diktaturen hat auch den westeuropäischen Linksextremismus organisatorisch wie programmatisch in Mitleidenschaft gezogen. Es ist dem Schweizer Linksextremismus allerdings gelungen, Themen zu finden, die es ihm in den letzten Jahren erlaubten, immer mehr vor allem junge Menschen zu mobilisieren. Einige thematische Schwerpunkte gehören zwar seit langem und immer noch zum festen Bestandteil des Protestpotenzials.

Dazu zählen insbesondere Solidaritäts- oder Erinnerungsaktionen für inhaftierte Terroristen im Ausland,12 aber auch zugunsten von Befreiungsorganisationen wie den mexikanischen Zapatisten oder extremistischen Gruppierungen im Nahen Osten, und ebenso Systemkritik, Klassenkampf und die Forderung nach Schaffung autonomer Räume. Als Themen mit dem grössten Mobilisierungspotenzial erwiesen sich aber der durch das Aufkommen des Rechtsextremismus aktuell gewordene Antifaschismus13 und die Globalisierungskritik. Bei Konfrontationen zwischen Links- und Rechtsextremisten ging die Gewalt häufiger von den Linksextremisten aus. Mehr oder weniger mit diesen allgemeinen Themen verbunden war ein bunter Strauss von internationalen und nationalen Anlässen, die jeweils die linksextremistischen Aktionen begründen sollten.14 Übernahme globalisierungskritischer Anliegen durch den Linksextremismus Besonders die Übernahme globalisierungskritischer Anliegen erweiterte dem zuvor eher isolierten Linksextremismus das Betätigungsfeld und sicherte ihm Zulauf. Zu ersten, über mehrere Tage andauernden Ausschreitungen kam es in diesem Zusammenhang anlässlich der Jubiläumstagung der Welthandelsorganisation (WTO) in Genf im Mai 1998. Sie verursachten Schäden in der Höhe von rund fünf Millionen Franken. Organisiert wurden die Demonstrationen von der People's Global Action (PGA). 1999 wurde auch das während Jahrzehnten stets ruhig verlaufene World Economic Forum (WEF) in Davos mit der Unterbrechung der Stromversorgung erstmals zum Ziel von Aktionen. Nachdem die von schweren Ausschreitungen begleitete WTO-Ministerkonferenz von Seattle (November/Dezember 1999) erneut gezeigt hatte, welches Mobilisierungspotenzial in der Thematik lag, wurde die Globalisierungskritik endgültig zu einem Schwerpunktanliegen der Linksextremen, insbesondere des Revolutionären Aufbaus Schweiz
(RAS). Die Demonstration am WEF 2000, zu der die Anti-WTO-Koordination Bern, der Revolutionäre Aufbau Zürich (RAZ) und andere Organisationen aufgerufen hatten, war aus der Sicht der Linksextremisten ein Erfolg; die verursachten Sachschäden beliefen sich auf eine Summe von rund 100 000 Franken. Der Erfolg bestätigte sie in der Wahl der neuen 12

13

14

So z.B. für Inhaftierte der Roten Armee Fraktion (RAF) in Deutschland, der Action directe (AD) in Frankreich, der Euskadi ta Askatasuna (ETA) in Spanien, der Cellules Communistes Combattantes (CCC) in Belgien usw.

Im linksextremistischen Verständnis bedeutet allerdings der Antifaschismus nicht allein den Kampf gegen Rechtsextremismus, Rassismus usw., sondern «Faschismus» ist geradezu das Synonym für das Ganze: Imperialismus, Patriarchat, Kapitalismus, Staat usw.

So richteten sich Gewalttaten gegen «Sexismus und antidemokratisches Verhalten», eine zu harte Ausländerpolitik, die Wiederaufnahme der französischen Atombombentests im Südpazifik, Militärdefilees, die Politik der SVP, Ausstellungen der Armee an Messen, Bankenfusionen, Stellenabbau, die Errichtung einer Statue der 1898 in Genf von einem Anarchisten ermordeten österreichischen Kaiserin Elisabeth, humanitäre Aktionen, militärische Einsätze der USA (insbesondere gegen den Irak-Krieg: hier manifestierte sich ausserdem Antiamerikanismus), Kriegsgewinnler, Tiermissbrauch oder einfach «gegen finstere Zeiten».

5037

Marschrichtung und bewirkte den verstärkten Einbezug der Szene um die Berner Reithalle.

Das Jahr 2001 stand denn nicht nur international (EU-Gipfel in Göteborg im Juni 2001, G8-Gipfel in Genua im Juli 2001), sondern auch national im Zeichen sich häufender Gewaltakte: Die Anti-WEF-Demonstration 2001 in Zürich verursachte Schäden in der Höhe von nicht weniger als 700 000 Franken. Selbst das in New York durchgeführte WEF 2002 führte an verschiedenen Orten in der Schweiz zu Stellvertreteraktionen. Die deutliche Zunahme der Gewalt gerade während Grossanlässen hatte allerdings noch andere Ursachen: Seit der Jahrtausendwende stiess zum inneren Zirkel der häufig schon seit den 1970er oder 1980er Jahren engagierten Linksextremisten eine beträchtliche Zahl von neuen Mitgliedern, Mitläufern und Sympathisanten im Alter zwischen 16 und 25 Jahren. Letztere denken weit weniger politisch und agieren anlassbezogener. Zwar macht sich seither immer deutlicher ein Generationenkonflikt mit der im Durchschnitt 40­45 Jahre alten Führung bemerkbar, zumal den Organisationen die dazwischen liegende Generation fehlt.

Gleichzeitig setzt sich die Tendenz zur Netzwerkbildung fort, die im Bereich der Mobilisierung neue Möglichkeiten erschloss. Als Vorbild dienen zum Teil die Ad-hoc-Bündnisse im Zusammenhang mit Antiglobalisierungsprotesten im Ausland, wobei gerade dem Internet eine immer wichtigere Rolle zukommt. So wurde etwa die Rote Hilfe, eine linksextreme Selbsthilfeorganisation der 1970er Jahre, die während und nach Ausschreitungen sofortige juristische Unterstützung organisiert und sich um inhaftierte Szeneangehörige im In- und Ausland kümmert, wieder belebt. Flexibilität, gute Organisation und rasche Mobilisierbarkeit sind nebst dem extremistischen Gedankengut, der fehlenden Gesprächsbereitschaft und vor allem der wachsenden Aggressivität die herausragendsten Kennzeichen einer wachsenden Szene, die für Ausschreitungen immer weniger auf fremde Anlässe angewiesen ist, sondern ihre Auftritte zusehends selbst organisiert.

Im Verlauf des Sommers 2003 nahmen die aus der Reithalle in Bern vorgetragenen Angriffe auf die Polizei ein bisher unbekanntes Ausmass an. Ein weiteres Beispiel für die zunehmende Gewaltbereitschaft lieferte das WEF 2003: Trotz des Entgegenkommens der Behörden im Vorfeld des Anlasses war es schliesslich
das von RAZMitgliedern getragene Organisationskomitee «Oltner Bündnis», welches sich nie ausdrücklich von Gewaltanwendung distanzieren mochte und damit die von ihm vorbereitete Demonstration selbst verunmöglichte. Das WEF endete schliesslich mit schweren Ausschreitungen in Bern (Sachschaden rund 600 000 Franken). Nicht anders verhielt es sich im Falle des G8-Gipfels von Evian (Mai/Juni 2003), der zu Ausschreitungen in Lausanne und Genf und zu Schäden in der Höhe von 7,5 Millionen Franken führte.

Beteiligung apolitischer Mitläufer an den Krawallen Zugleich machte sich während dieser Krawalle ein neues, bereits während der gewalttätigen Nachdemonstration im Gefolge der Feierlichkeiten zum 1. Mai 2002 in Zürich erstmals in Erscheinung getretenes Phänomen bemerkbar: Immer mehr beteiligen sich apolitische Mitläufer und Schaulustige, die nicht der linksextremen Szene zugeordnet werden können, an den Ausschreitungen oder nützen die Gelegenheit zu anderen kriminellen Handlungen. So kam es 2003 in Bern, vor allem aber in Genf und Lausanne zu erheblichen Schäden durch Plünderungen.

5038

Angesichts dieser Entwicklung zeigte das 2002 postulierte 3-D-Modell ­ Dialog, Deeskalation, Durchgreifen ­ unterschiedliche Wirkung. Erfolg hatte die Strategie bei denjenigen Teilnehmern an Kundgebungen gegen die Globalisierung, die der Gewaltanwendung wenn auch nicht völlig ablehnend, so doch kritisch gegenüberstanden. Bei den zu keinen Gesprächen bereiten Exponenten der extremen Linken und den im Voraus ohnehin nicht eruierbaren apolitischen, zur Strassenkriminalität neigenden Mitläufern musste sie jedoch scheitern. Eine Änderung zeichnete sich erst während des WEF 2004 ab, als militante Globalisierungsgegner am 24. Januar 2004 in Landquart einen (in der Folge von mitfahrenden Chaoten total verwüsteten) Eisenbahnzug stoppten: Die Polizei unterzog die Passagiere einer ausführlichen Kontrolle und legte damit den Schwerpunkt in deutlich verstärktem Masse auf das Durchgreifen.

Aber auch in anderer Beziehung stellte das World Economic Forum 2004 eine Zäsur dar: In Anbetracht der im Vorjahr mit dem Oltner Bündnis gemachten Erfahrungen kam ­ trotz entsprechender Aufrufe militanter Gruppierungen ­ weder eine Trägerschaft zur Organisation einer Grosskundgebung noch eine zentrale Demonstration nennenswerten Umfangs zustande, womit die medienwirksame Plattform weitgehend fehlte.

Gleichwohl ist für die Zukunft wohl weniger eine grundsätzliche Veränderung des Verhaltens oder eine Schwächung der militanten Szene anzunehmen als vielmehr die Möglichkeit einer von weiterer Radikalisierung geprägten, grundlegenden strategischen Umorientierung der innerhalb der Globalisierungsbewegung zusehends isolierten Linksextremisten. Eine erste Bestätigung erfuhr diese Einschätzung am 21. Februar 2004, als in Bern und Umgebung von einer Gruppe «Kinder der Freiheit ­ Kommando Landquart» an elf Geschäftsfilialen schweizerischer Banken und internationaler Unternehmungen Sachschäden in der Höhe von weit mehr als 100 000 Franken verursacht wurden ­ eine Summe, wie sie bislang nur von demonstrationsbegleitenden Ausschreitungen her bekannt war. Neu war aber insbesondere auch, dass die Racheaktion nicht mehr wie bislang spontan, sondern stark verspätet und sorgfältig organisiert erfolgte.

Zielscheiben der Gewalt Die Anwendung von Gewalt richtete sich lange Zeit fast ausschliesslich gegen staatliche und wirtschaftliche Objekte
mit hohem Symbolwert, ausserdem gegen diplomatische Vertretungen anderer Staaten, ausländische Firmenniederlassungen, Geldinstitute oder Luftfahrtgesellschaften sowie die Einrichtungen missliebiger internationaler Organisationen wie etwa der WTO.15 Oftmals fanden Anschläge im Vorfeld von Grossanlässen statt, die mit der Globalisierung in Verbindung stehen.

Gemäss einem Flugblatt, das im Januar 1993 anlässlich einer unbewilligten Demonstration «gegen das Kapital und seinen Staat» in Zürich verteilt wurde, galt dabei allerdings der einschränkende Grundsatz: «Ein Gewaltakt muss immer im Zusammenhang mit dem Ziel oder der Aussage einer Aktion stehen». In diesem Sinne schien in beschränktem Masse auch der Einsatz körperlicher Gewalt etwa gegen Exponenten des zunehmenden Rechtsextremismus und ­ vorab an Demonst-

15

Verwendet wurden von Farbbeuteln resp. -sprays über Steine bis hin zu Brandsätzen, Molotowcocktails und aus Feuerwerksmaterial gefertigten Brandsätzen viele Mittel. Der Einsatz von Pyrotechnik ist seit 1995 zumeist dem RAS anzulasten.

5039

rationen ­ gegen Angehörige der Polizei als sichtbare Vertreter der kapitalistischen Staatsmacht gerechtfertigt.

Seit 2003 erreichte diese gegen Personen gerichtete Militanz allerdings eine neue Qualität: Während der Nach-WEF-Demonstration in Bern (25. Januar 2003) wurde ein Polizist mit einer Leuchtpetarde angegriffen, und anlässlich einer AntiRepressions-Kundgebung in Basel (15. November 2003) erlitten drei Beamte Verätzungen durch das Besprühen mit Schwefelsäure. Dieselbe Substanz wurde auch bei Teilnehmern einer gegen das WEF gerichteten Manifestation in Winterthur (10. Januar 2004) gefunden.

2.2.2

Akteure

Der Eingangsbefund zum Rechtsextremismus spiegelt sich auf der entgegengesetzten Seite des politischen Spektrums: Auch hier findet sich eine organisatorisch fragmentierte, ideell an sich zersplitterte Szene, die aus einer Vielzahl von Gruppen besteht. Diese Gruppen sind miteinander vernetzt, es gibt personelle Überschneidungen und Mehrfachmitgliedschaften ­ wie auf der rechtsextremen Seite auch.

Angesichts historisch hergebrachter Feindschaften wie zwischen dem Anarchismus und dem Kommunismus gibt es aber auch ein erstaunliches Mass an Kooperation in der linksextremen Szene. So engagieren sich etwa neomarxistisch oder leninistisch motivierte Linksextreme auch in anarchistischen Kreisen.

Umfang der linksextremen Szene Die geltenden Regelungen im nachrichtendienstlichen wie im Polizeibereich machen es schwierig, den Umfang der linksextremistischen Szene in der Schweiz anzugeben. Werden lediglich die Zahlen des RAS/RAZ sowie der Anti-WTO-Koordination und des Schwarzen Blocks herangezogen und wird ferner berücksichtigt, dass es allein schon in Genf etwa 300 als extremistisch einzustufende Squatters (Hausbesetzer autonom-anarchistischer Ausrichtung) gibt, so kommt man auf ein Total von etwa 2450 Linksextremisten. Ausserdem muss gesamtschweizerisch von weiteren rund 200 Neomarxisten, Squatters und Autonomen/Anarchisten ausgegangen werden. Werden bei diesen 2650 Personen von einem Viertel Doppel- oder Mehrfachmitgliedschaften angenommen, so ergibt sich daraus ein Total von rund 2000 Linksextremisten. In dieser Zahl sind Hunderte von Mitläufern und Sympathisanten des Schwarzen Blocks nicht berücksichtigt, die ein beträchtliches Gewaltpotenzial aufweisen und auch ohne ideelle Einbindung den Extremisten in die Hände arbeiten. Im Folgenden sollen die wichtigsten Gruppierungen vom Revolutionären Aufbau über das Komitee gegen Isolationshaft und die Anti-WTO-Koordination bis hin zum Schwarzen Block analysiert werden.

Revolutionärer Aufbau Schweiz (RAS) / Revolutionärer Aufbau Zürich (RAZ) Der marxistisch-leninistisch orientierte Revolutionäre Aufbau ist mit grossem Abstand die wichtigste und zugleich auch gewalttätigste linksextremistische Organisation der Schweiz; er ist in der linksextremen Szene tonangebend. Bislang hat er sich auf Anschläge mit Farbbeuteln und zu Sprengsätzen umgebauten Feuerwerkskörpern gegen Einrichtungen und Objekte mit Symbolcharakter beschränkt, er befürwortet jedoch Terrorismus, und seine Gewaltbereitschaft steigt generell.

5040

Der Revolutionäre Aufbau entstand Ende 1992 aus dem im selben Jahr gegründeten «Aufbau-Vertrieb», der dem Verkauf revolutionärer Literatur diente. Im Februar 1993 trat die Gruppierung anlässlich einer Gerichtsverhandlung gegen ihre Gründerin und führende Exponentin, Andrea Stauffacher, in Erscheinung. Entstanden ist der Revolutionäre Aufbau aus Bemühungen, das nach dem Zusammenbruch des Ostblocks entstandene politische Vakuum in der linksextremen Szene der Schweiz zu füllen.

Über die Organisationsstruktur des Revolutionären Aufbaus ist wenig bekannt. Als Vorbild diente die (seit März 1998 nach 28jährigem Bestehen aufgelöste) deutsche Rote Armee Fraktion (RAF). Die rund fünfzig Hauptexponenten des Revolutionären Aufbaus sind bereits in den 1970er und 1980er Jahren politisch aktiv gewesen und unterhielten damals intensive Beziehungen zur Terrorszene.

Der RAS wird eindeutig vom RAZ dominiert, hat aber auch Ableger in Bern (RABe) und Basel (RABa). Aus den Grossräumen Zürich, Bern und Basel stammen mehrheitlich auch die Mitglieder. Diese Aussagen könnten künftig aber ihre Gültigkeit verlieren: Nach einer zehnjährigen Dominanz des RAZ nehmen die Aktivitäten mittlerweile nicht nur in Bern und Basel, sondern auch in Genf zu. Ausserdem werden im Rahmen einer neuen dezentralen Strategie auch kleinere Städte wie Luzern, St. Gallen, Solothurn, Freiburg oder Zug in «Widerstandsaktionen» einbezogen. Der RAS zählt etwa achtzig Mitglieder, die durchschnittlich rund vierzigjährig sind. Die Altersstruktur ist jedoch ungleichgewichtig, weil die Mitglieder des RAZ wesentlich älter sind als die Mitglieder der Berner und Basler Ableger. Die Sympathisanten des RAS sind ca. zwanzig Jahre alt.

Der RAS hat verschiedene Untergruppen.16 Diese sind bei der Wahl ihrer Themen weitgehend autonom. Allgemein sind die Themen des RAS breit gefächert und umfassen Friedenspolitik, den Nahostkonflikt, die Globalisierung, den Imperialismus, das Patriarchat, Arbeitskämpfe im In- und Ausland, das Asyl- und Flüchtlingswesen, die Unterstützung politischer Gefangener, Antifaschismus oder die Kurdenfrage. Mit Slogans17 kämpft der RAS für eine klassenlose Gesellschaft. Er richtet seine Aktionen gegen den Kapitalismus und die dazugehörenden Strukturen (Banken, Grosskonzerne sowie staatliche Einrichtungen wie Polizei, Justiz usw.).

Für seine
Propaganda stehen dem RAS die Zeitung «Aufbau» (seit 1996; vier Ausgaben/Jahr), Radio-Sendegefässe (LoRa in Zürich; Kanalratte in Basel), eine eigene Website, eine Wandzeitung und der «Rote Motor» (Flyer) zur Verfügung.

Kontakte pflegt der RAS in der Schweiz mit der Reitschule Bern, der REBELL, der Phase 1 (beide LU), dem Subversiven Freundeskreis (vorher: Revolutionäre Jugend) Zug sowie linksextremen Gruppierungen im Tessin. Nicht zuletzt im Rahmen der Roten Hilfe pflegen einzelne Exponenten regen Kontakt mit gleich gesinnten Krei-

16

17

Komitee gegen Isolationshaft (KGI), MarLen (Frauengruppe), AG Antifa (agaf), Migrationskomitee (mk), AG Klassenkampf (agkkb), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Rote Hilfe-AG Anti-Rep (rh-ar), Jugend-Arbeitsgruppe (jag), Arbeitsgruppe Bern (agbe), Kulturredaktion (kur).

Beispiele: «Den Kampf auf die Strasse tragen»; «Für eine revolutionäre Perspektive»; «Der Kapitalismus hat keine Fehler, er ist der Fehler».

5041

sen im Ausland, vorab in Italien und Deutschland.18 Die internationalen Aktivitäten dienen vorab dem Informationsaustausch und der Roten Hilfe. Zugleich beteiligt sich der RAS an Kundgebungen gleich gesinnter Türken und Kurden in der Schweiz. Besonders präsent ist er jeweils an den berüchtigten 1.-Mai-Nachdemonstrationen in Zürich, aber auch an anderen von Gewalt überschatteten Anlässen, an denen der von ihm instruierte Schwarze Block auftritt.

Komitee gegen Isolationshaft (KGI) Eine klassenlose Gesellschaft ist auch das Ziel des seit 1974 so genannten Komitees gegen Isolationshaft (KGI; zuvor: Komitee gegen Vernichtungshaft). 1974 wurde das KGI formell mit der Roten Hilfe verbunden.

Das personell beinahe vollständig auch im RAS vertretene KGI ist eine überaus exklusive Organisation, die seit 1990 vermehrt Kader und Personen aus dem oberen Mittelstand als Mitglieder aufweist und eine zunehmend elitäre Struktur entwickelt.

Wie andere revolutionär orientierte Gruppierungen ist das KGI einer starken Alterung unterworfen: Das Durchschnittsalter liegt zurzeit bei rund vierzig Jahren. Die Gruppe zählt im harten Kern weniger als zwanzig Aktive, kann jedoch bis zu 200 Personen mobilisieren. Das KGI ist Teil eines Beziehungsnetzes vieler gleich gesinnter Organisationen im In- und Ausland und unterhält zahlreiche Kontakte zu Exponenten verschiedener, zum Teil heute nicht mehr existierender, internationaler Extremisten- und Terrorgruppen.19 Anti-WTO-Koordination Die Anti-WTO-Koordination mit Hauptstandort Bern und Beziehungen insbesondere nach Basel, Genf, Lausanne, Lugano und Zürich entstand aus autonomen, feministischen und zapatistischen Kreisen. Die Gruppierung versteht sich als Kämpferin für Menschenwürde und soziale Gerechtigkeit und lehnt Kapitalismus, Imperialismus, Globalisierung und Diskriminierungen jeglicher Art ab. Sie besteht konstant aus etwa zwanzig Personen, die durchschnittlich um die dreissig Jahre alt und dem mittleren bis gehobenen Mittelstand angehören. Die Geschlechterverteilung ist ausgewogen. Die Anti-WTO-Koordination kann dank ausgezeichneter Beziehungen zu lokalen linksextremistischen Gruppen bis zu 200 Personen mobilisieren; trotz stagnierender Mitgliederzahl wächst ihr Potenzial zur Mobilisierung.

Die Anti-WTO-Koordination hat keine klaren Hierarchien. Sie unterhält enge
Beziehungen zur autonomen Szene um die Berner Reithalle und zu Linksextremistengruppen auf lokaler Ebene. Ausserdem bestehen Verbindungen zum RAS/RAZ.

Ihre Aktivitäten weisen neuerdings zunehmend einen Bezug zur Migrationspolitik auf, nachdem die Verlegung des WEF nach New York (2002) zu einer Identitätskrise geführt hat. Die Grundhaltung der Gruppe ist von hoher Gewaltbereitschaft geprägt, was sich in den letzten drei Jahren durch eine starke Zunahme von Straf-

18

19

Italien ­ Neue Rote Brigaden (Erkenntnis aus den Fällen Ghiringhelli 1999/2000, Baragiola-Lajacono 2000/01, Bortone 2002, Mordfälle Biagi und D'Antona 2003/noch laufend); Comitati di Appoggio alla Resistenza per il Comunismo (CARC). Spanien ­ ETA. Belgien ­ CCC. Grossbritannien ­ Liverpooler Dockerstreiker.

Italien ­ Rote Brigaden. Deutschland ­ «Bewegung 2. Juni»; RAF. Spanien ­ ETA.

Belgien ­ CCC. Frankreich ­ AD. Grossbritannien und Irland ­ Irish Republican Army (IRA ­ logistische Unterstützung, Kampagnen).

5042

taten im Vorfeld von Grossveranstaltungen im Bereich der Globalisierung geäussert hat. Eine weitere Radikalisierung kann nicht ausgeschlossen werden.

Schwarzer Block Der Schwarze Block ist keine Organisation, sondern eine heterogene, anlass- und kundgebungsbezogene Aktionsplattform. Er ist eine unstrukturierte, unberechenbare Ansammlung verschiedener, zumeist autonom-anarchistischer Gruppierungen vor Ort. Er agiert sehr mobil und flexibel, ist schwarz gekleidet, vermummt und weist eine extrem hohe, weiter im Steigen begriffene Gewaltbereitschaft auf. Martialisches Auftreten und beinahe militärische Präzision sichern ihm die beabsichtigte psychologische Wirkung und die angestrebte Medientauglichkeit ­ seit etwa 2001 ist er einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Er wird von einer kleinen Gruppe von Exponenten etwa des RAS/RAZ oder der Anti-WTO-Koordination gesteuert. Grundsätzlich erfolgt die Steuerung ebenso wie die Wahl der anvisierten Ziele durch politische Aktivisten. Auch apolitische Chaoten spielen der Steuerungsgruppe nolens volens in die Hände.

Der Schwarze Block zählt rund 850 Aktivisten. Ihr Durchschnittsalter liegt bei zwanzig Jahren, zwei Drittel davon sind Männer. Sie stammen aus allen sozialen Schichten und aus der ganzen Schweiz, mit Schwergewicht aber aus den Grossräumen Zürich (49 % der Wohnorte der Aktivisten) und Bern (20 %).20 Wird dem Schwarzen Block ein Vierkreisemodell zugrunde gelegt, so setzt sich der innerste Kern, die Steuerung, aus rund fünfzig Exponenten der linksextremen Szene zusammen, während dem zweiten Kreis (C) mindestens hundert Aktivisten zuzuordnen sind, die verschiedenen Gruppierungen vorab autonom-anarchistischer Ausrichtung angehören. Ein dritter Kreis (B) umfasst mehr als 700 militante Aktivisten mit mutmasslich nur noch teilweiser politischer Motivation, und zum vierten Kreis (A) werden mehrere hundert Personen ­ primär spontane, ereignisorientierte, gewaltbereite und mehrheitlich apolitische Mitläufer ­ gezählt. Organisiert die linksextreme Szene die zu Gewaltexzessen Anlass gebende Veranstaltung und nicht ein anderer Veranstalter, so treten ob des erhöhten politischen Inhalts der Kundgebung die beiden Kreise A und B nur noch sehr begrenzt oder kaum noch in Erscheinung.

20

Die weitere Verteilung der Wohnorte der Aktivisten des Schwarzen Blocks nach Kantonen: AG: 7 %; BS: 4 %; GE, SG: je 3 %; TG, BL, SO, ZG: je 2 %; FR, AR, LU, SZ: je 1 %; Rest: insgesamt 2 %.

5043

Der Schwarze Block als Nichtorganisation unterhält selber keine Beziehungen ins Ausland, lässt sich aber durch Mittelsleute für Veranstaltungen auch jenseits der Schweizer Grenzen mobilisieren.

Der Schwarze Block richtet sich gegen Staat und Gesellschaft und kämpft namentlich gegen die «Unterdrückung» durch den «Staatsapparat». Dementsprechend geht er insbesondere gegen die Polizei und andere Behörden vor und nimmt dabei Straftaten bewusst in Kauf. Wie die immer wieder gestellte Frage beantwortet wird, ob es sich bei diesem noch eher spärlich erforschten Phänomen um eine politische oder apolitische Erscheinung handelt, hängt von der Definition des Begriffs «Politik» ab.

Unter dem Blickwinkel eines institutionellen Politikbegriffs ist der Schwarze Block unpolitisch, da er sich nicht am demokratischen Prozess beteiligt, es sei denn, man rechnet dazu auch den Angriff auf die politischen Institutionen selbst. Wird die Medienöffentlichkeit als demokratietheoretisches Glied einbezogen, so ist das Kriterium für ein politisches Phänomen gegeben: Politisch relevante Themen werden aufgegriffen und diskutiert ­ allerdings in einer Form, die sich dem Dialog mit breiten Teilen der Gesellschaft verweigert. Die dabei unter Umständen begangenen Straftaten sind dagegen im engeren Sinne keine politischen Vergehen. Unterschiedlich fällt die Antwort auch unter dem Blickwinkel der Motivation der Akteure aus: Je nachdem geht es ihnen um die Machtfrage, um das Gemeinwohl, um die Durchsetzung partikularer Interessen oder aber um das Ausleben rein privater Motive ­ nur im letzten Fall handelt es sich um eine apolitische, mitunter ­ etwa bei Plünderungen ­ genuin kriminelle Motivation.

5044

2.2.3

Aktuelle Lage und Gefährdung

Anders als der Nationalsozialismus wurde der Marxismus weder militärisch besiegt noch seine Protagonisten völkerrechtlich abgeurteilt. Eine vergleichbare Diskreditierung des Gedankenguts blieb damit ebenso aus, wie eine geschichtliche Aufarbeitung teilweise noch fehlt. Deswegen und aufgrund zahlreicher welthistorischer Veränderungen der letzten 15 Jahre wurde der Marxismus nach jahrzehntelanger Angst sehr bald nicht mehr als Gefahr wahrgenommen oder zumindest unterschätzt.

Die Folge war vielerorts eine Vernachlässigung der nach wie vor unabdingbaren Überwachung der Szene und die Konzentration auf den Rechtsextremismus. Im Bereich des Linksextremismus haben aber seit 1992 sowohl die Zahl der Vorfälle als auch das Gewaltpotenzial deutlich zugenommen. Ebenfalls angestiegen ist die Zahl der Anhänger marxistischer und anarchistischer Gruppierungen.

Gefährdungen der inneren Sicherheit durch den Linksextremismus Die gewaltextremistische Linke ist wegen ihrer Ziele und Methoden ein nicht zu unterschätzendes Risiko für die innere Sicherheit der Schweiz, zumal es ihr immer wieder gelingt, Anliegen zu vereinnahmen und zu radikalisieren. Dabei werden die Institutionen des Staates ebenso missbraucht wie die demokratischen Rechte. Ein erheblicher Anteil linker Extremisten zeigt im Bemühen, seine Ziele zu verwirklichen, eine beträchtliche kriminelle Energie und schreckt nicht davor zurück, mit Gewalttätern zusammenzuarbeiten oder ihnen doch zumindest eine Plattform zu bieten.

Von nicht zu unterschätzender Bedeutung sind zwei weitere Faktoren: Im Gegensatz zum eher in ländlichen Gebieten verwurzelten Rechtsextremismus konzentriert sich der Linksextremismus als primär urbanes Phänomen trotz seiner neuen dezentralen Strategie vor allem auf grössere Städte wie Zürich, Basel, Bern und Genf und damit auf die wirtschaftlichen und politischen Nervenzentren der Schweiz. Auffallend ist auch die soziale Schichtung der marxistisch Orientierten: Viele unter ihnen gehören dem Mittelstand an und können durch ihre Position Einfluss geltend machen, was um so gravierender ist, als einige dieser Exponenten nach wie vor Kontakte zur Terroristenszene unterhalten.

Der Schwarze Block ist zwar ein Störfaktor, der den friedlichen Verlauf von Anlässen und Kundgebungen immer wieder verhindert. Er alleine vermag die innere Sicherheit
der Schweiz nicht zu bedrohen. Seine Verbindungen zum innersten Kern der linksextremistischen Gruppierungen sichern ihm jedoch ein gewisses Gefährdungspotenzial, insofern er ein mögliches Reservoir für einen wieder aufflammenden linksextremistischen Terrorismus im Ausland sein könnte. Trotz der Tendenz zur Bildung internationaler Netzwerke gibt es allerdings zurzeit keine Anzeichen für ein Wiederaufleben einer dem linksextremen Terrorismus nahe stehenden Sympathisantenszene, wie sie in den 1970er und 1980er Jahren existiert hat.

Die schwierige wirtschaftliche Situation und der in mancher Beziehung labile Zustand unserer Gesellschaft werden den Linksextremisten auch in Zukunft Zulauf garantieren und das Mobilisierungspotenzial noch weiter erhöhen. Nach aktuellem Wissensstand muss im Umfeld medienwirksamer Anlässe weiterhin und in steigendem Masse mit gewalttätigen Aktionen gerechnet werden. Dabei dürften die Ordnungskräfte gerade bei internationalen Grossanlässen in ihren Bemühungen um die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung zusehends an die Grenzen ihrer Möglichkeiten stossen.

5045

Die fehlende Gesprächsbereitschaft und die spürbar zunehmende Radikalisierung auf Seiten der Linksextremen lassen kaum Spielraum für kreative Ansätze zur Problemlösung erkennen.

Eine erhebliche Gefahr geht zurzeit von linksextremen Exponenten aus.

2.3

Religiös motivierter Extremismus

Wer zu Beginn des 21. Jahrhunderts von religiös motiviertem Extremismus spricht, kann vom islamistischen Terrorismus kaum schweigen. Die Chronologie erinnert deswegen an die Ereignisse in den letzten Jahren. Unter der Überschrift Akteure werden dann aber extremistische Gruppierungen, die in der Schweiz vertreten sind, und nicht die Akteure, welche die grossen Terroranschläge durchgeführt haben, analysiert. Die Frage jedoch, wie eng Islamismus und Terrorismus zusammengehören, bleibt unabweisbar.

Dennoch dürfen auch andere religiös motivierte Extremismen nicht vergessen werden ­ beleuchtet werden deshalb auch der jüdische politische Extremismus sowie derjenige der Sikhs und vereinnahmender Bewegungen.

2.3.1

Chronologie

Seit jeher untermauern gewisse Terrorgruppen ihre Zielsetzungen mit religiösen Argumenten. Dennoch dominiert auch bei diesen heute oft die politische und nicht die religiöse Motivation. Zu den vielfältigen Gründen hierfür zählen der Erfolg der islamischen Revolution im Iran 1979, der Verlust der Anziehungskraft kommunistischer Theorien durch den Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 sowie gesellschaftliche Faktoren wie Bevölkerungswachstum, Armut und Perspektivenlosigkeit.

Islamismus Seit rund zwanzig Jahren dient in der islamischen Welt der islamistische Fundamentalismus gewalttätigen Gruppierungen als gemeinsame Klammer zur Rekrutierung von Aktivisten und Sympathisanten. In Afghanistan wurden etwa Ende der 1980er Jahre für Muslime aus der ganzen islamischen Welt paramilitärische Ausbildungsstätten für den Djihad21 eingerichtet. Die Zahl der Konfrontationen islamistischer Gruppen mit der Staatsgewalt ihrer Heimatstaaten hat zugenommen, die betroffenen Länder haben ihre Repression verstärkt. Zu einer Verhärtung der Fronten beigetragen hat auch der israelisch-palästinensische Konflikt. Terroristische Gewalt hat sich bis jetzt regional sehr unterschiedlich gezeigt.

Die iranische Revolution von 1979 und der Kampf der Afghanen gegen die sowjetischen Truppen wirkten sich insbesondere auf die islamistischen Gruppen in Algerien und Ägypten aus. Der Djihad als Heiliger Krieg wurde zum Leitmotiv dieser Gruppen, die Machtübernahme das Endziel und der Islamismus der Wegweiser. Die Anhänger des Islamismus werden generell in zwei Gruppen unterteilt. Die einen 21

Der Begriff «Djihad» wird im Folgenden dem Kontext entsprechend als «Heiliger Krieg» verstanden. Djihad meint aber auch «Anstrengung auf dem Wege Gottes»: Der grosse Djihad ist der innere geistige Kampf jedes Einzelnen zur Erfüllung des Gottesgesetzes, während der kleine Djihad den kriegerischen Einsatz meint.

5046

sind zum offenen Krieg gegen die Ungläubigen bereit, die anderen wollen ihren Kampf im legalen Rahmen führen. Der Terrorismus ist ebenso ein Kampfmittel des radikalen Islam, wie auch die friedliche politische Integration ein Weg zum Endziel, der islamistischen Machtübernahme in einer Mehrheit der hauptsächlich von Muslims bewohnten Staaten, sein kann.

Islamistische Terroranschläge Seit den 1990er Jahren nahmen die Aktivitäten des arabisch-islamistischen Terrorismus zu. Die Anschläge in den USA 2001 waren dabei der Höhepunkt der Gewaltbereitschaft islamistischer Terrorgruppierungen gegen Ziele mit hohem Symbolgehalt. Bei den Attentätern handelte es sich nicht nur um Veteranen des Afghanistankrieges, sondern auch um junge Islamisten, die in afghanischen Ausbildungslagern unter der Führung von Usama Bin Ladens Al Qaïda geschult worden waren. Die meisten islamistischen Gruppierungen sind durch das von Al Qaïda verbreitete Gedankengut geprägt. Innerhalb dieser Organisation sind denn auch die Verantwortlichen zu suchen, die in den letzten zehn Jahren eine Vielzahl von Anschlägen geplant und durchgeführt haben. In der Tat haben sich die Aktivitäten islamistischfundamentalistischer Terroristen zwischen 1992 und 2003 weltweit vervielfacht, insbesondere in Ländern mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung wie Algerien oder Ägypten (Massaker von Luxor 1997) und im Nahen Osten. Auch nach dem 11. September 2001 verübten islamistische Gruppierungen massive und gezielte Anschläge gegen Zivilisten, so in Tunesien (Synagoge von Djerba 2002), in Indonesien (Bali 2002), in Pakistan (Islamabad 2002), in Saudi-Arabien (Riad 2003), in Marokko (Casablanca 2003), in der Türkei (Istanbul 2003) und Madrid (2004).

Dabei waren auch Schweizer Staatsangehörige als Opfer zu beklagen. 2003 nahmen Mitglieder der Salafisten-Gruppe Pour la Prédication et le Combat (GSPC) in der algerischen Sahara unter anderen Schweizer Touristen als Geiseln. Nach der militärischen Intervention der USA und ihrer Verbündeten im Irak verübten islamistische Gruppen terroristische Anschläge nicht nur gegen die Besatzungsmächte, sondern auch gegen die UNO und das IKRK. Auch die Bombenanschläge in Madrid vom 11. März 2004 zeigten die Beziehungen zwischen islamistischem Terrorismus und der Entwicklung im Irak.

Im Falle der Anschläge von Bali und Riad
führen möglicherweise Spuren in die Schweiz; sie sind Gegenstand laufender gerichtspolizeilicher Abklärungen. Schon in den 1990er Jahren missbrauchten Exponenten gewaltextremistischer Gruppen Algeriens (Front Islamique du Salut/FIS, Groupe Islamique Armé/GIA) ihr Schweizer Exil für die illegale Beschaffung von Waffen und Sprengstoff und für Propaganda.

2.3.2

Akteure

Die islamistischen Gruppen sind im Allgemeinen sehr gut strukturiert. Die bedeutendsten Organisationen wie die libanesische Hizbollah, der FIS oder die Muslimische Bruderschaft verfügen über eine ausgebaute Hierarchie, welche üblicherweise von einem konsultativen Rat geleitet wird und den Auftrag hat, die politischen Entscheide zu fällen.

5047

Finanzierung islamistischer Gruppierungen Islamistische Organisationen finanzieren sich in der Regel über Spendengelder, welche oft von im Ausland lebenden Sympathisanten zusammengetragen werden.

Das trifft zu für En Nahdha, den FIS, die Muslimbruderschaft, den GIA, die GSPC und die palästinensische Hamas. Die GSPC und die GIA erpressen teilweise auch Schutzgelder in Algerien. Andere Gruppen wie die libanesische Hizbollah, Al-Takfir wal-Hijra oder auch die Hamas sowie die Muslimbruderschaft werden von Staaten unterstützt, genauer von Iran, Saudi-Arabien und den Golfstaaten. Die Hizbollah, obwohl dies nicht ihre Haupteinnahmequelle ist, erzielt auch Gewinne mit dem Anbau von Drogen (Cannabis und Mohn) in der Bekaa-Ebene im Libanon.

Islamistische Gruppierungen und Gewalt Die Muslimbruderschaft wie auch En Nahdha sind eifrige Bekehrer und verbreiten die Lehre des Islam unter dem Volk. Um die Ziele zu erreichen, infiltrieren sie selbst staatliche Institutionen muslimischer Länder. Obwohl die Muslimbruderschaft jede Form von Gewalt öffentlich ablehnt, soll die Bewegung in Verbindung mit mehreren in Ägypten verübten Mordtaten stehen, da sie die Jamaa und den ägyptischen Djihad beeinflussen können. Die Bruderschaft kontrolliert auch eine grosse Anzahl islamischer Zentren in Europa und den USA.

Mehrere Organisationen wie die palästinensische Hamas, Al-Takfir wal-Hijra, Hizbut-Tahrir, die sudanesische Nationale Front oder der FIS berufen sich auf die gewaltbereiten Ideen der Muslimischen Bruderschaft. Aber auch wenn sich diese Mutterorganisation für Gewaltlosigkeit aussprechen würde, neigten die Sympathisanten dieser verschiedenen Gruppen dazu, weiterhin an ihren Parolen und Aktionen gegen die bestehenden Regierungen muslimischer Länder festzuhalten.

Auch andere Organisationen (FIT, Hizbollah, GIA, GSPC und Groupe Islamique Combattant Libyen/GICL) waren an Anschlägen im Ausland beteiligt oder haben dort Gewalttaten geplant.

Vor allem in Ländern Zentralasiens sind mehrere Aktivisten der Organisation Hizbut-Tahrir wegen terroristischer Machenschaften verhaftet worden. Hizb-ut-Tahrir ruft über die eigene Homepage regelmässig zu Gewalt auf. So rief die Organisation via Internet auch im Vorfeld des Anschlags auf die Synagoge in Djerba vom 11. April 2002 alle Muslime dazu auf, Juden zu töten, wo auch immer
diese anzutreffen seien. Dabei berief man sich auf eine entsprechende Textstelle im Koran.

Gleichzeitig kritisierte die Organisation einmal mehr die Haltung arabischer Regierungen zum israelisch-palästinensischen Konflikt.

Wie die meisten islamistischen Organisationen, so setzt auch der FIS oft elektronische Kommunikationsmittel ein. Im Jahr 2002 organisierte der FIS einen Kongress, welcher sich durch die Vertretung aller politischen Richtungen auszeichnete. Wer nicht selbst vor Ort teilnehmen konnte, hatte die Möglichkeit, die neuen Mitglieder des Konsultativrates sowie den Interimsverantwortlichen des FIS-Exekutivbüros, den in der Schweiz weilenden Mourad Dhina, über eine elektronische Plattform zu wählen.

Sympathisanten islamistischer Gruppen nehmen häufig an Kundgebungen teil, die zur Unterstützung von Inhaftierten veranstaltet werden oder Konflikte verurteilen, die in mehrheitlich von Muslimen bewohnten Ländern herrschen. Bei solchen Anlässen werden nicht selten Traktate verteilt.

5048

Vornehmlich sunnitische Gruppierungen in der Schweiz Abgesehen von den Mitgliedern der libanesischen Hizbollah, welche sich in erster Linie für das Ende der israelischen Besatzung im Südlibanon einsetzen, handelt es sich bei den in der Schweiz bestehenden islamistischen Gruppen um Organisationen von Sunniten. Allen Gruppen ist die Praxis eines radikalen Islam gemeinsam. Dabei werden eine strikte Anwendung der Scharia und die Wiedereinführung des Kalifats gefordert. Die Vorgehensweisen unterscheiden sich je nach Organisation, vor allem lassen diese sich aber danach unterscheiden, auf welcher Ebene sie ihren Kampf führen: Die erste Gruppe verfolgt allein regionale, mitunter auch nationale Interessen; diese Organisationen wollen in ihrer Heimat einen islamischen Staat errichten.

Zur zweiten Gruppe zählen Organisationen, die Al Qaïda nahe stehen. Diese rufen zum bewaffneten Kampf auf internationaler Ebene auf und nehmen vor allem amerikanische und israelische Interessen ins Visier. Zahlreiche Gruppen, welche sich ursprünglich auf regionale Ziele konzentriert hatten, haben sich mittlerweile dem globalen Djihad verschrieben. Unter anderen handelt es sich dabei um den ägyptischen Djihad und Al-Jamaa al-Islamiyya (Ägypten). Von den Gruppen, die in der Schweiz Ableger haben, gehören beinahe alle zur ersten Gruppe.

Islamistische Gruppierungen im regionalen oder nationalen Kampf Zehn in der Schweiz vertretene islamistische Gruppen gehören zu dieser ersten Kategorie: En Nahdha (Tunesien), Tunesische Islamische Front (Front Islamique Tunisien/FIT), Muslimische Bruderschaft (auch Moslembrüderschaft/Ägypten), Algerische Heilsfront (Front Islamique du Salut/FIS), Bewaffnete Islamische Gruppe (Groupe Islamique Armé/GIA), Salafisten-Gruppe für Verkündung und Kampf (Groupe Salafiste pour la Prédication et le Combat/GSPC), Libysche kämpfende Islamische Gruppe (Groupe Islamique Combattant Libyen/GICL), palästinensische Hamas und palästinensischer Djihad, libanesische Hizbollah, Al-Takfir wal-Hijra (Ägypten). Einige dieser Gruppen sollen im Folgenden analysiert werden. Mit in die Analyse einbezogen wird auch die Schweizer PRO-PLO. Begründen lässt sich dies damit, dass zum Islam konvertierte Europäer offensichtlich bei der islamistischen Radikalisierung eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen; möglicherweise waren
europäische Konvertiten an den Attentaten von Djerba oder Casablanca beteiligt.

Auch in der Schweiz sind konvertierte Personen als Verfechter einer rigorosen Vision der islamischen Religion in Erscheinung getreten, die PRO-PLO ist hierfür ein Beispiel.

­

Marokkanische und tunesische Islamisten In der Schweiz ist die marokkanische Gemeinschaft die bei weitem grösste Personengruppe nordafrikanischer Herkunft. Es gibt keine Hinweise, wonach sie von Islamisten unter Druck gesetzt wurde. Die wenigen Sympathisanten der grössten marokkanischen Oppositionsbewegung, Al-Adl wal Ihsane (Gerechtigkeit und Nächstenliebe), sind in der Schweiz nicht aufgefallen; die Bewegung wendet sich öffentlich gegen jegliche Form von Gewaltanwendung.

In der Schweiz leben zahlreiche Anhänger der sunnitisch-islamistischen Organisation En Nahdha. Das Hauptziel der in Tunesien verbotenen Organisation ist die Einführung einer islamischen Verfassung. Einige Mitglieder stehen unter dem Verdacht, radikalere Organisationen wie etwa die FIT zu unterstützen.

5049

­

Algerische Heilsfront (Front Islamique du Salut/FIS) Der Koordinationsrat des Front Islamique du Salut (CCFIS), der im Oktober 1997 gegründet wurde, verfolgte bis zu seiner Auflösung anfangs August 2002 eine radikale Linie, indem der Dialog mit der algerischen Regierung verweigert wurde. Ahmed Zaoui, ein Gründungsmitglied des CCFIS, reiste illegal in die Schweiz ein und ersuchte um Asyl. 1998 wurde er nach Burkina Faso ausgewiesen, weil er die innere und äussere Sicherheit der Schweiz gefährdete. Nachdem er Burkina Faso im November 2000 verlassen hatte, wurde Ahmed Zaoui am 4. Dezember 2002 in Neuseeland mit gefälschten Papieren verhaftet. Er stellte in diesem Land auch einen Asylantrag. Nachdem dieser abgewiesen worden war, legte er gegen den Entscheid Berufung ein. Ahmed Zaoui ist mit einer Einreisesperre in die Schweiz belegt.

Die Schweizerische Bundesanwaltschaft führte im März 1994 eine gerichtspolizeiliche Untersuchung gegen Mourad Dhina, den Interimchef des FISExekutivbüros. Die Ermittlungen kamen zum Schluss, dass Mourad Dhina Mitte der 1990er Jahre in der Schweiz eine Gruppe von FIS-Sympathisanten mit dem Ziel führte, die FIS in Algerien im Kampf gegen die Regierung logistisch zu unterstützen. Am 18. Dezember 2000 stellte die Bundesanwaltschaft die polizeilichen Ermittlungen aber ein. Im Oktober 2002 verbot der Bundesrat Mourad Dhina, von der Schweiz aus Propaganda zu betreiben, die Gewalt rechtfertigt, befürwortet oder unterstützt. Dhina darf auch nicht Dritte mit solchen Aktivitäten beauftragen. Für den Fall einer Widerhandlung droht ihm die Ausweisung aus der Schweiz.

­

Libanesische Hizbollah Der Südlibanon ist weiterhin Schauplatz der Kämpfe zwischen der 1982 gegründeten Hizbollah («Hizb» = Partei und «Allah» = Gott), den israelischen Truppen und der pro-israelischen Miliz (ALS). Bereits in der Vergangenheit hat die Hizbollah bei Ermordungen oder Entführungen von Personen aus westlichen Ländern mitgewirkt. Im Oktober 2000 hat sie vier israelische Staatsangehörige verschleppt. Ihr Chef, Hassan Nasrallah, hat Gerüchte dementiert, wonach eine der Geiseln in der Schweiz gekidnappt worden sei.

Anfangs der 1990er Jahre wurden in Bern und Neuenburg unter iranischem Patronat je ein islamisches Zentrum eröffnet, welche beide die Hizbollah unterstützen sollten. Eine in der Schweiz durchgeführte, aber misslungene Operation des Mossad zielte im Februar 1998 auf den Leiter eines dieser Zentren ab. Diese Tatsache bestätigt, dass auch die Schweiz von Aktivitäten der Hizbollah unmittelbar betroffen sein kann.

1987 entführte der Luftpirat Hussein Hariri, Mitglied der libanesischen Hisbollah, ein Flugzeug der Air Afrique, zwang es in Genf zur Landung und schlug einen Passagier nieder. Das Bundesgericht verurteilte ihn zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe und lehnte sein 1999 eingereichtes Begnadigungsgesuch ab. Nachdem er ab April 2002 in den Genuss von Hafturlaub kam, benutzte er einen solchen zur Flucht. Im Dezember 2002 wurde Hariri in Marokko festgenommen und am 15. August 2003 von Marokko an die Schweiz ausgeliefert.

5050

­

Hamas und palästinensischer Djihad Durch den Rückzug Israels aus dem Südlibanon und die gescheiterten Friedensverhandlungen im israelisch-palästinensischen Konflikt haben die islamistischen Gruppen ihre Position stärken und vermehrten Rückhalt in der Bevölkerung gewinnen können. Das gilt auch für die Hamas und den palästinensischen Djihad, die ihre terroristischen Operationen bislang hauptsächlich auf israelischem Boden oder in den besetzten palästinensischen Gebieten durchgeführt haben. Zwei in der Schweiz aktive Wohlfahrts- und Hilfsorganisationen - das Comité de Bienfaisance et de Solidarité avec la Palestine und die Association de secours palestinien - wurden verdächtigt, in Verbindung mit der Hamas zu stehen. Diese beiden Vereinigungen sammeln Spendengelder zur Unterstützung sozialer Projekte in den besetzten Gebieten. Bislang liegen keine Hinweise vor, dass mit diesem Geld terroristische Aktionen der Hamas finanziert worden wären. Die Hamas ist nicht ausschliesslich eine Terrorgruppe, sondern organisiert auch zahlreiche soziale Projekte zugunsten der in Palästina lebenden Muslime. Dieser Umstand macht Nachforschungen geradezu unmöglich, welche im Einzelfall feststellen könnten, für welchen Zweck die in der Schweiz gesammelten Spendengelder verwendet werden.

Die finanzielle Unterstützung dieser fundamentalistischen und nationalistischen Gruppen ist durchaus von Bedeutung; für Gewaltakte sind sie jedoch auf die technischen Kenntnisse und die logistische Unterstützung von Gruppen des internationalen islamistischen Djihads wie z.B. der türkischen Hizbollah und anderen nicht direkt in den Konflikt involvierten Gruppen angewiesen.

Der israelisch-palästinensische Konflikt hatte auch tödliche Folgen für eine Schweizer Staatsbürgerin. Am 26. März 2002 sind sie und ihr türkischer Kollege als Beobachter im Rahmen der Temporary International Presence in Hebron (TIPH) in einen Hinterhalt geraten und von Palästinensern, die dem palästinensischen Islamischen Djihad nahe standen, erschossen worden.

­

Schweizerische PRO-PLO Seit einigen Jahren tritt eine weitere Kleinstgruppierung, die PRO-PLO, in Erscheinung. Der Verantwortliche der PRO-PLO hatte mit dem am 22. März 2004 getöteten geistlichen Führer der Hamas, Scheich Yassin, Kontakt.

Obschon es der PRO-PLO verboten worden war, in Zürich zu manifestieren und einen Informationsstand einzurichten, verteilten einige ihrer Mitglieder im Juli 2002 Flugblätter, in denen zum Boykott gegen den «zionistischen Apartheid-Staat Israel» aufgerufen wurde. Daraufhin reichte der Präsident der Zürcher Sektion der Gesellschaft Schweiz-Israel Klage wegen Verletzung des Artikels 261bis StGB ein. Die Bezirksanwaltschaft befand indessen, dass die Voraussetzungen für eine Anklage nicht erfüllt seien.

Islamistische Gruppierungen im internationalen Kampf ­

Hizb-ut-Tahrir Die Organisation Hizb-ut-Tahrir kann weder eindeutig der ersten, auf regionale oder nationale Konflikte beschränkten, noch der zweiten, Al Qaïda nahe stehenden Gruppe zugeordnet werden. In der Schweiz zählt diese Gruppe 5051

nur wenige Anhänger. Sie ist jedoch transnational in zahlreichen Ländern der arabisch-muslimischen Welt aktiv und kämpft für die Wiedererrichtung des Kalifats. Ihre Vorgehensweise lässt sich mit derjenigen der erwähnten Organisationen der ersten Kategorie vergleichen, denn der Hizb-ut-Tahrir richtet sich gegen nationale Regierungen, ohne sich dem von Usama bin Laden verkündeten Djihad anzuschliessen.

­

Türkische Hizbollah Spätestens seit 1996 ist die türkische Hizbollah in Europa bzw. in der Schweiz präsent. Dafür sprechen zahlreiche Propagandaaktivitäten der zwei im Ausland besonders aktiven Nebenorgane ­ Islamischer Djihad-B (IC-B) und Muslimische Jugend (MG). In der Region Basel ist eine Gruppe von etwa drei Dutzend Personen türkischer Abstammung aktiv.

Die Hizbollah ist eine islamistische, gewaltextremistische, anti-laizistische, antichristliche sowie antisemitische Organisation. Sie wurde 1983 in Ostanatolien gegründet. Organisatorisch hat sie mit der namensgleichen libanesischen Organisation nichts zu tun.

Wie viele gewaltextremistische Gruppen verfügt auch die türkische Hizbollah über Nebenorganisationen. Sie werden grundsätzlich gegründet, um zu verhindern, dass die Gewaltaktionen mit der Hauptorganisation in Verbindung gebracht werden können.

Die Geldbeschaffung wird weitgehend von Kapitalgebern des politischen Islam und von den islamischen Staaten unterstützt, die unter Verdacht stehen, dem internationalen Terrorismus Rückendeckung zu geben. Im Übrigen beschafft sich die Organisation die notwendigen Gelder einerseits über die als gemeinnützige Institutionen konzipierten Ableger (Stiftungen) und andererseits über kriminelle Handlungen wie Raub, Überfall und Erpressung. In Europa finanziert sich die Organisation auch mittels systematischer Geldeintreibung unter Anwendung bzw. Androhung von Gewalt.

­

Stürmerfront des Grossen Islamischen Ostens (IBDA-C) Am 15. und 20. November 2003 wurde Istanbul Ziel mehrerer Selbstmordanschläge. Dafür verantwortlich gemacht wird Al Qaïda, die dabei durch die türkische Islamistengruppe IBDA-C unterstützt worden sein soll. Am 17. November 2003 reisten zwei türkische Staatsangehörige, die laut einer Website der IBDA-C der Führung dieser Gruppierung angehören sollen, in die Schweiz ein und reichten ein Asylgesuch ein. Die Bundesanwaltschaft eröffnete Anfang Dezember 2003 ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Beteiligung an bzw. Unterstützung einer kriminellen Organisation (Art. 260ter StGB) im Zusammenhang mit den Terroranschlägen. In der Schweiz sind bis heute keine organisierten Strukturen der IBDA-C bekannt.

5052

2.3.3

Aktuelle Lage und Gefährdung

Die Expansion des Islam in der Schweiz ist kein Sonderfall. Auch andere europäische Länder sehen sich damit konfrontiert, insbesondere Deutschland und Frankreich. Für unser Land stellt sich die Frage, ob das Aufkommen des radikalen Islam innerhalb der minoritären schweizerischen muslimischen Bevölkerung eine Grundlage für gewalttätige islamistische Bewegungen werden kann. Die Antwort muss differenziert ausfallen.

Internationalisierung und Radikalisierung Etliche Studien belegen, dass die Radikalisierung von Teilen der muslimischen Bevölkerung vor allem über religiöse Predigten in islamischen Begegnungsstätten erfolgt. Das Konzept der Umma, einer muslimischen Gemeinschaft über Nationen und Ethnien hinweg, bleibt der traditionalistischen muslimischen Bevölkerung jedoch fremd. Sie ist vor allem mit ihren jeweiligen Ursprungsländern verbunden oder pflegt noch engere persönliche Verbindungen, z.B. mit dem Dorf oder der Verwandtschaft. Dies gilt für die türkischstämmige Gemeinschaft und die Gemeinschaften Ex-Jugoslawiens. In der Schweiz stellt man zurzeit auch keinen aus Schwarzafrika stammenden extremistischen Islam fest. Diese Gläubigen sind im Allgemeinen mit den traditionellen Strukturen ihrer Ethnie oder ihres Stammes verbunden.

In Europa wurden aber seit 2001 mehrere nicht mehr aktiv geglaubte Netzwerke ausgehoben, was auf eine Internationalisierung der islamistischen Bestrebungen hinweist. Während sich einige der verhafteten Kämpfer in misslichen sozio-ökonomischen Situationen befanden (Gefängnisaufenthalte, finanzielle Schwierigkeiten), stammten andere aus wohlhabenden Kreisen und pflegten Umgang in kultivierten Milieus. Das Engagement für den Kampf der islamistischen Sache lässt sich also nicht allein aus materieller Not oder sozialen Missständen erklären. Vor allem bei den in Europa lebenden Islamisten stehen oft rein ideelle Motive im Vordergrund.

Obwohl die Schweiz nach wie vor als eines der sichersten Länder Europas gilt, kann sie sich der Gefahr dieser Art von Terroristen, den so genannten Schläfern, nicht ganz entziehen.

Potenziale islamistischer Gruppierungen Die islamistischen Gruppen agieren weniger öffentlich sichtbar als andere extremistische Organisationen und haben anpassungsfähige Organisationsstrukturen. Sie haben wegen ihrer weltweiten Verflechtung mit den gesellschaftlichen
und religiösen Strukturen der Muslime ein beträchtliches Wachstumspotenzial. Angesichts der beträchtlichen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Probleme in Marokko, Tunesien und Ägypten könnten sie dort weiteren Auftrieb erhalten. Dies bedeutet aber nicht unbedingt, dass es zu ähnlichen Gewaltakten wie in Algerien kommt. Je nach Entwicklung der politischen Lage könnten sich die dortigen Oppositionsbewegungen aber radikalisieren. Kontakte dieser Oppositionsbewegungen reichen auch in die Schweiz. Auch der Irak-Krieg zeigt, dass Terrororganisationen auch die globalen Migrations- und Fluchtbewegungen aus Krisengebieten zum Aufbau von Netzwerken missbrauchen können.

Obwohl die Mehrheit der aktiven Bewegungen und islamischen Parteien in muslimischen Ländern terroristische Aktionen in aller Offenheit verurteilt, zirkuliert der extremistische Islamismus in der muslimischen Bevölkerung. Das Ansehen, das die 5053

legalen oder verbotenen Vereinigungen in der Bevölkerung geniessen, könnte nicht nur innerhalb der Staaten zunehmen, sondern sich auch auf Zonen ausdehnen, die sich staatlicher Autorität weitgehend entziehen (z.B. pakistanisch-afghanische Grenzzone, Peripherie internationaler Metropolen). Die Abwesenheit oder das Versagen des staatlichen Gewaltmonopols könnte für islamistische Gruppen neue Rekrutierungsfelder oder sogar Ausbildungsmöglichkeiten schaffen. Die Ausbreitung des Extremismus ist weiter auch durch den Grad der Integration der in Europa oder den USA lebenden Bevölkerungsteile bedingt.

Reaktionen auf die Entwicklungen des Islamismus in Europa und in der Schweiz Europäische Länder haben ihre Politik gegenüber den Islamisten verschärft und könnten somit mittelfristig zum Angriffsziel extremistischer Muslime werden.

Ausserdem erscheint es aber auch wahrscheinlich, dass die Extremisten künftig eine konziliantere Ausgangsposition anstreben werden. Wenn ein Land die Aktivitäten einer Organisation verbietet, so besteht die Gefahr, dass die Aktionen im Untergrund fortgesetzt werden. Es muss auch davon ausgegangen werden, dass die Sympathisanten verbotener Organisationen versuchen werden, sich in andere Staaten abzusetzen. Die Schweiz, wegen ihrer geografischen Lage im Zentrum Europas und in Ermangelung eines Verbotes terroristischer Gruppen (Al Qaïda ausgenommen), könnte von solchen Veränderungen betroffen sein.

Die islamischen Begegnungsstätten könnten in der Schweiz durchaus ideale Kontakt- und Rekrutierungsorte für terroristische Netzwerke sein. Das schweizerische Verfassungsrecht untersagt die präventive Beobachtung in Kultus- und Versammlungsorten (Glaubens- und Gewissensfreiheit Art. 15 BV; Versammlungsfreiheit Art. 23 BV). Entsprechend könnten Moscheen, islamische Zentren oder Sportvereine missbraucht werden. Erfahrungen in Frankreich und Italien beweisen, dass islamistische Terroristen nicht selten eine Moschee oder ein islamisches Zentrum besucht oder in einer Sportmannschaft trainiert haben. Entsprechend stellen Begegnungsstätten mit strikt radikalislamischen Leitern oder Besuchern ein besonderes Risiko dar. So hat man festgestellt, dass charismatische Personen in solchen Lokalitäten andere Leute über die Rückkehr zur buchstabengetreuen Religionsausübung und dann über die zunehmende
Ermunterung, den Islam politisch zu verstehen, zur Gewaltbereitschaft anstiften können.

Islamismus führt nicht zwingend zu Terrorismus Das Aufkommen des radikalen Islam muss aber nicht zwingend den Übergang zu terroristischen Handlungen bedeuten. Gerade in der Schweiz könnte er zu legalen politischen Aktivitäten oder aber zur Gewährleistung logistischer und finanzieller Unterstützung des Terrorismus führen. Erste Anzeichen einer solchen Entwicklung konnten bereits anlässlich der Auseinandersetzungen um das Tragen islamischer Kopftücher und um muslimische Begräbnisstätten beobachtet werden. Auch wenn die Tendenz zur Bildung terroristischer Netzwerke in den islamischen Begegnungsstätten derzeit eine Ausnahme bleibt, so droht die Politisierung gewisser Forderungen (z.B. das Tragen des Kopftuches während des Unterrichts oder die Ablehnung gemischtgeschlechtlicher Klassen) langfristig mit einigen Grundnormen unserer Gesellschaft und unserer westlichen Lebensart in Konflikt zu geraten. In der Tat erleben wir in unserem Land eine Reislamisierung gewisser Bevölkerungsschichten (insbesondere der Jugendlichen), die sich bei ihrer Suche nach kultureller und religiöser Identität gleichzeitig auch politisch abschotten. Sie finden sich in Moscheen, 5054

islamischen Zentren, in Vereinen und an Koranschulen zusammen. Einige Vereinigungen verfolgen das erklärte Ziel, die oft versprengte muslimische Bevölkerung zu vereinen, um sich als Vertreter dieser Gemeinschaft gegenüber den politischen Behörden zu etablieren.

Im Allgemeinen halten sich islamistische Aktivitäten im Rahmen der Schweizer Gesetze. Einige der in der Schweiz aktiven islamistischen Bewegungen lehnen zwar ausdrücklich die Integration in die europäische Gesellschaft ab. Bislang haben aber islamistische Gruppierungen in der Schweiz keine terroristischen Aktivitäten im eigentlichen Sinn entwickelt. Mitglieder terroristischer Organisationen benützen jedoch unser Land als Transitroute oder als Aufenthaltsort. Mehrere humanitäre Institutionen, die mit Organisationen wie z.B. der Hamas in Verbindung stehen, befinden sich in der Schweiz und sammeln bei ihren Landsleuten und in der Bevölkerung Geld. Ausserdem laufen zurzeit immer noch Ermittlungen mit direktem oder indirektem Bezug zu Al Qaïda. Schliesslich weisen die Aktivitäten der Organisationen wie En Nahdha, des FIS, der GIA und der Hamas darauf hin, dass die Schweiz eine immer wichtigere Rolle als Drehscheibe internationaler Verbindungen spielt.

2.3.4

Religiös motivierter Extremismus anderer Religionen/Glaubensrichtungen

Jüdischer politischer Extremismus Der jüdische politische Extremismus wird getragen von religiös-orthodoxen Gruppierungen, von Siedlerbewegungen wie Gush Emunim und inspiriert von der zionistischen religiösen Bewegung sowie von rechtsextremen nationalistischen Parteien wie die Kach-Kahane-Haï-Bewegung, die über einen militärischen Arm verfügt. Die gemeinsame Bestrebung der israelischen Extremisten ist es, die Palästinenser aus dem als jüdisches Territorium betrachteten Heiligen Land zu vertreiben und jegliche Friedensbemühungen zu vereiteln.

1994 tötete ein Sympathisant der Kahane-Haï-Bewegung 29 Palästinenser, während sich diese in der grossen Moschee in Hebron beim Gebet befanden. Seither steht der Name dieser Bewegung zwar auf der Liste terroristischer Gruppierungen, aber dennoch werden stets neue Mitglieder angeworben. Der Führer dieser Bewegung, Benjamin Zeev, wurde im Dezember 2000 getötet. Religiöse rechtsextreme Kreise waren in den letzten Jahren in verschiedene Anschläge in Palästina verwickelt.

In Frankreich, wo es im Jahr 2002 mehrere gewaltsame Zwischenfälle gab, machte die Betar von sich reden. Die Betar ist eine Jugendbewegung, die sich dem Kampf zur Verteidigung Israels verschrieben hat und der nationalistischen israelischen Rechten nahe steht.

Jüdische extremistische Organisationen benützen regelmässig das Internet, um rassistische Botschaften gegen Palästinenser im Besonderen und Muslime im Allgemeinen zu verbreiten. Zu den radikalsten französischen Websites gehörte die mittlerweile gelöschte Homepage des «Comité pour une information authentiquement juive» (Cpiaj), auf welcher Palästinenser offen als «Abfall» bezeichnet wurden.

In der Schweiz sind weder Verbindungen zur Terrorgruppe Kahane-Ha noch gewalttätige Aktionen festgestellt worden. Angesichts des neuen Antisemitismus

5055

könnten aber gewalttätige antisemitische Aktionen zu Selbstjustiz und zur Entstehung eines gewaltbereiten jüdischen Extremismus führen.

International Sikh Youth Federation Ebenfalls in den 1990er Jahren war die International Sikh Youth Federation (ISYF) in der Schweiz wie im übrigen Europa und in Kanada aktiv. Sie hat das Ziel, einen unabhängigen Sikh-Staat «Khalistan» zu gründen. Mehrere Mordanschläge innerund ausserhalb Indiens gehen zu Lasten der ISYF. So wurden etwa Anfang der 1990er Jahre politisch motivierte Anschläge unter rivalisierenden Gruppen in Europa verübt: zwei davon in der Schweiz. Mit dem Attentatsversuch gegen den indischen Botschafter Ribeiro im Jahre 1991 in Bukarest ­ der Botschafter erlitt dabei eine Schussverletzung ­ erreichten die Aktivitäten ihren Höhepunkt. Vier der fünf Attentäter waren Asylbewerber aus der Schweiz. Die lückenlose Aufklärung dieses Anschlags bewog die Sikh-Gemeinschaft, in der Schweiz einen gemässigteren Kurs einzuschlagen, der bis heute beibehalten wurde.

Die International Sikh Youth Federation Switzerland (ISYF) wurde 1984 als Überseezweig der extremistisch/terroristischen Sikh-Gruppierung «All India Sikh Student Federation/AISSF» aus dem indischen Panjab gegründet.

Zurzeit halten sich rund 6000 indische Staatsangehörige, darunter nur ein kleiner Teil Sikhs, in der Schweiz auf. Unter diesen Sikhs sind vier von zwölf aus pakistanischen Gefängnissen entlassene Flugzeugentführer, die sich seit 1995 in der Schweiz befinden. Weitere Sikh-Extremisten, welche Kontakte zu ausländischen Sektionen dieser Organisation oder anderen extremistischen Sikh-Gruppierungen hatten, hielten sich verschiedentlich in der Schweiz auf. Erneute Aktivitäten indischer Staatsangehöriger in der Schweiz zugunsten der in Pakistan stationierten terroristischen Sikh-Gruppierungen konnten bislang nicht festgestellt werden.

In der Schweiz sind derzeit keine Organisationsstrukturen und Verbindungen innerhalb der indischen Emigration bekannt, die Aufschluss über eine aktive Zusammenarbeit mit extremistischen Organisationen in Indien geben könnten. Die Organisationen der Sikhs verhalten sich in der Schweiz seit Jahren ruhig.

Vereinnahmende Bewegungen Auch im Zusammenhang mit vereinnahmenden Bewegungen muss auf tödliche Ereignisse hingewiesen werden: Erinnert sei in zeitlicher Folge an
den Massenselbstmord der Volkstempler in Guayana 1978, an das Ende David Koreshs und einiger Dutzend seiner Anhänger der «Branch Davidians» in einer Feuersbrunst in Waco (Texas) im April 1993, an das für vereinnahmende Bewegungen untypische, weil gegen Unbeteiligte gerichtete Attentat mit Sarin-Gas in der Tokioter U-Bahn

5056

durch Anhänger der japanischen Aum-Sekte im März 199522 und endlich an das Drama des Sonnentemplerordens in der Schweiz, Frankreich und Kanada, d.h. an die Gruppen- resp. Selbstmorde der so genannten Sonnentempler im Oktober 1994, Dezember 1995 und März 1997.

Bei den Massenselbstmorden stellt sich insbesondere die Frage, ob die Selbstmorde durch Dritteinwirkung veranlasst wurden. Jedenfalls ist es bei den vereinnahmenden Bewegungen fraglich, inwieweit sie dem gewalttätigen Extremismus zugerechnet werden können. Ein Kriterium für die Rechtfertigung staatlichen Handelns gegenüber vereinnahmenden Bewegungen zumindest könnte das staatliche Ziel sein, die Respektierung der Menschenrechte sowohl gegen Aussen wie gegen Innen durchzusetzen.23 Okkultverbrechen verdienen als Formen der gewalttätigen Religiosität eine besondere Beachtung. Sie reichen von Körperverletzungen und Vergewaltigung bis hin zu Mord und Kannibalismus.

In der Schweiz werden die Satanisten in Zusammenhang mit Friedhofschändungen, Graffiti mit Satanssymbolen und vandalischen Kircheneinbrüchen gebracht. Häufig werden von den Anhängern des Satanismus auch Symbole wie Haken- und Satanskreuze verwendet. Auch die satanistische Rockmusik weist Parallelen zu derjenigen der rechtsextremen Szene auf. Bei den durch Satanisten verübten Straftaten handelt es sich in der Schweiz aber meist um spontane Einzelaktionen.

Aufgrund der heutigen Komplexität der Bedrohungslage dürfen die momentan als nicht staatsgefährlich eingestuften vereinnahmenden Bewegungen nicht völlig ausser Acht gelassen werden. Die Tätigkeiten vereinnahmender Bewegungen stellen für die innere Sicherheit der Schweiz jedoch keine Bedrohung dar.

2.4

Politisch motivierter Ausländerextremismus

Ausländerextremismus hat seine Ursachen in weltanschaulichen, nationalen, ethnischen und religiösen Konflikten in den Heimatländern der hier lebenden ausländischen Menschen. Diese Konflikte werden von organisierten Extremisten unter den Ausländern auch in der Schweiz ausgetragen. Hier agieren verschiedene Gruppierungen, deren Aktivitäten sich auf die innere Sicherheit der Schweiz auswirken können. Sie verüben vereinzelt Gewaltakte und sammeln teilweise mit erpresserischen Methoden Spendengelder unter Landsleuten. Die Gelder werden zum Teil dazu verwendet, den Kampf in den Heimatländern finanziell oder mit Waffen zu unterstützen.

22

23

Bis 1995 handelte es sich bei der Annahme, dass terroristische oder extremistische Gruppen sich für ihre Zwecke auch nicht-konventioneller Mittel bedienen könnten, vorwiegend um Spekulation. Der in jenem Jahr mit Sarin verübte Nervengas-Anschlag der Aum-Sekte in der Tokioter U-Bahn war ein einschneidender Präzedenzfall. Seither hat sich die Problematik noch ausgeweitet: Gewisse Gruppen könnten nebst chemischen Waffen auch biologische oder sogar nukleare Mittel für ihre Attentate einsetzen. Der Einsatz und der Umgang mit nicht-konventionellen Waffen gestalten sich indessen nicht ganz so einfach. Vor allem gilt es, die Ausgangsstoffe (toxische Chemikalien, biologische Toxine und radioaktives Material) erst einmal zu beschaffen. Schwierig zu kontrollieren sind dabei die Vertriebsstrukturen und die Verbreitung technischen Wissens durch das Internet.

Antwort des Bundesrates auf den Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 28.6.2000.

5057

Nach dem Ende des Kalten Krieges nahmen in den 1990er Jahren weltweit in verschiedenen Regionen Minderheitenprobleme und Bürgerkriege zu.

Anfang 1990er Jahre waren vor allem Konflikte in der Türkei, in Jugoslawien, Iran, Libanon und Sri Lanka für die Schweiz und die hier lebende Bevölkerung aus diesen Ländern bedeutsam. In einigen dieser Länder ist die politische Situation nach wie vor prekär. In anderen konnten die Konflikte so weit beigelegt werden, dass sie für die Schweiz und die hier lebende Diaspora kaum mehr eine Bedeutung haben.

Ausländische politische Gruppen haben in der Schweiz dank Grundrechtsgarantien seit je einen relativ grossen Handlungsspielraum. Spendengeld- und Propagandaaktionen haben zwar in der Regel nur beschränkte Auswirkungen auf die innere Sicherheit. Die Schweiz hat jedoch aus Gründen der inneren und äusseren Sicherheit kein Interesse daran, als Hort und Finanzierungsquelle für die Aktivitäten von Organisationen zu dienen, die sich in den Heimatländern gewaltsamer Mittel bedienen.

Die Ursachen des politisch motivierten Ausländerextremismus liegen in der Regel nicht in der Schweiz, sondern in den jeweiligen Heimatländern der Extremisten. In den folgenden Abschnitten können einzelne Regionen zwar zusammengefasst werden, tatsächlich müssen jedoch die verschiedenen ausländerextremistischen Organisationen einzeln betrachtet werden. Die Chronologie aus Schweizer Perspektive kann zwar festhalten, dass in den 1990er Jahren gewalttätige Aktionen extremistischer kurdisch-türkischer Gruppen im Vordergrund (Anschläge der Kurdischen Arbeiterpartei PKK auf türkische Einrichtungen 1993, Botschaftsbesetzungen 1999, Bundeshausbesetzung 2000) standen und dass Ende der 1990er Jahre sowohl Beschaffungsnetzwerke der tamilischen Unabhängigkeitsorganisation Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) in der Schweiz aufgedeckt wie auch im Zusammenhang mit dem Kosovokonflikt die Spendensammlungen und illegalen Waffentransfers verfolgt wurden. Dem Verständnis dienlicher ist jedoch eine gesonderte Behandlung einzelner geografischer Einheiten: Die folgenden Beschreibungen lassen den Blick vom Näheren zum Ferneren schweifen, sie setzen im Westen an (Balkan) und enden im Osten (Sri Lanka).

2.4.1

Extremistische ethnische Albaner

Chronologie Seit Beginn der krisenhaften Entwicklungen in Südosteuropa anfangs der 1990er Jahre ist die Schweiz in besonderem Masse von den Aktivitäten extremistischer Gruppen aus jener Region betroffen. So sind heute noch insbesondere Exponenten radikaler kosovo-albanischer Vereinigungen politisch aktiv. Sie verfügen über gute Netzwerke, doch ist ihre Basis bedeutend weniger breit als während des Krieges im Kosovo. Bei Demonstrationen anlässlich der pogromartigen ethnischen Unruhen in Kosovo Mitte März 2004 wurde die Wiederbelebung der 1999 aufgelösten albanischen Befreiungsarmee von Kosovo (UÇK) gefordert.

Innerhalb und auch zwischen den grossen serbischen und kosovo-albanischen Bevölkerungsgruppen in der Schweiz kam es bis jetzt zu keinen gewaltsamen Aktionen. Die Tätigkeiten extremistischer kosovo-albanischer Gruppen bergen jedoch stets das Risiko in sich, dass bei Verschärfung der regionalen Konflikte (Südserbien, Mazedonien) eine Minderheit der Diaspora bereit sein könnte, bewaffnete extremistische Gruppen bei der Anwerbung, Rekrutierung, Finanzierung und illegalen Waf5058

fenbeschaffung zu unterstützen. Wichtige Führungspersonen militanter kosovoalbanischer und mazedonisch-albanischer Parteien leben oder lebten mit Flüchtlingsstatus in der Schweiz.

Anfang 2003 mehrten sich die Anzeichen für eine Zunahme von Unterstützungsaktionen von Teilen der albanischen Diaspora in der Schweiz zu Gunsten extremistischer Gruppen, die auch nach dem Friedensabkommen von Ohrid einen grossalbanischen Staat proklamieren.

Akteure Zu diesen extremistischen Gruppen zählt die so genannte Albanische Nationale Armee (AKSh). Schwerpunkte der AKSh-Aktivitäten befinden sich im Nordwesten Mazedoniens, im Grenzgebiet zum Kosovo, im südserbischen Presevo-Tal und in Teilen Albaniens. Die AKSh hat sich zu einer Reihe von Anschlägen bekannt, bei denen seit 2001 etwa zwei Dutzend Angehörige der Sicherheitskräfte aus Mazedonien und Serbien getötet wurden. Anfang 2003 hat die AKSh öffentlich zum bewaffneten Kampf aufgerufen, was jedoch bei der Bevölkerung auf kein grosses Echo stiess. Die Kämpfer der lokalen AKSh-Gruppen sind als Angehörige krimineller Clanstrukturen in Schutzgelderpressungen, Schmuggel, Waffen-, Drogen- und Menschenhandel involviert.

Die Albanische Nationale Armee (AKSh) begann in den letzten zwei Jahren, ihr Netzwerk in der Schweiz aufzubauen. Nebst der konspirativen und im Untergrund agierenden AKSh hat sich die politische Dachorganisation Front für Albanische Nationale Vereinigung (FBKSh) etabliert. Die FBKSh zählt in der Schweiz mehrere Hundert, in ganz Europa etwa 4000­5000 Mitglieder.

2003 fanden regelmässig Informationsveranstaltungen statt, die zum Teil als Kulturanlässe oder musikalische Unterhaltungsveranstaltungen getarnt waren. Als Veranstalter und Tagungsorte wurden verschiedene Einrichtungen und Organisationen der ethnischen Albaner vornehmlich in der Ostschweiz benutzt. Das jährliche Sammelergebnis zu Gunsten der AKSh wird auf einige Hunderttausend Franken geschätzt.

Seit Ende Januar 2003 gibt die AKSh/FBKSh die Zeitung «Ribashkimi Shqiperise» (Albanische Wiedervereinigung) heraus. Das Blatt dient der Propaganda und als Informationsträger. Insgesamt erreichten die Unterstützungsaktionen bei weitem nicht das Niveau der Solidaritätsaktionen zur Zeit des Kosovo-Krieges 1998­1999.

Aktuelle Lage und Gefährdung Die in der Schweiz agierenden extremistischen ethnisch
albanischen Organisationen unterstützen den bewaffneten Kampf in ihren Heimatländern finanziell und rufen direkt zur Gewaltanwendung oder zum bewaffneten Kampf gegen Regierungen im Balkan auf. Insbesondere erhält die im Balkan mit Gewaltmethoden kämpfende so genannte AKSh von Teilen der albanischen Diaspora in der Schweiz sowohl propagandistische als auch finanzielle Unterstützung. Die extremistischen und kriminellen Gruppierungen weisen Parallelstrukturen auf und sind häufig aufs engste miteinander verbunden.

5059

2.4.2

Kurdische und türkische extremistische Gruppierungen

Chronologie PKK/Kongra-Gel Anwerbung und Ausbildung von Aktivisten, Rekrutierung von Aktivisten für den Fronteinsatz in der Türkei, Beschaffung von Kriegsmaterial, Schulung der Aktivisten, Einschleusung von Aktivisten und Geldbeschaffung galten in den 1990er Jahren als wichtigste Aktivitäten von PKK-Anhängern in der Schweiz. Dabei gaben vor allem die Geldsammlungen immer wieder Probleme auf.

1993 wurden mehrere europäische Staaten mit einer Welle konzertierter, teilweise gewalttätiger Aktionen bisher unbekannten Ausmasses konfrontiert. Davon war auch die Schweiz betroffen: Im Juni 1993 gingen Hunderte von Kurden gleichzeitig gewaltsam gegen offizielle türkische Vertretungen in Bern, Zürich und Genf vor. Es kam zu Zerstörungsaktionen, Brandanschlägen und gewalttätigen Ausschreitungen.

Das Schwergewicht der Gewalt lag in Bern, wo anlässlich einer Kundgebung vor der türkischen Botschaft ein Kurde von Schüssen türkischer Sicherheitsbeamter tödlich getroffen wurde. Im November 1993 kam es erneut zu massiven Gewaltakten in verschiedenen Schweizer Städten.

Die gewalttätigen Aktivitäten der PKK richteten sich auch in den Jahren 1995/6 vorrangig gegen türkische Einrichtungen. Die PKK/Kongra-Gel war und ist die türkische Gruppierung, die die meisten gewalttätigen Aktionen in Europa und in der Schweiz ausübte resp. noch über das grösste Gewaltpotenzial verfügt.

In der Folge der Festnahme von PKK-Führer Öcalan im Februar 1999 und seiner Verurteilung im November gleichen Jahres fanden neuerlich massive Ausschreitungen in ganz Europa statt. In der Schweiz kam es zu Botschafts- und Konsulatsbesetzungen in Bern und Zürich, zum Eindringen auf das UNO-Gelände in Genf und weiteren Aktionen.

Seitdem verliefen alle Manifestationen der PKK in der Schweiz friedlich.

Chronologie türkische extremistische Gruppierungen Türkische Gruppen linksextremer Ausrichtung führten in der Schweiz seit den 1980er Jahren gewalttätige Aktionen durch, die vorwiegend auf türkische Einrichtungen zielten. Es kam auch wiederholt zu Schutz- und Spendengelderpressungen.

Sowohl die Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front (DHKP-C) wie die Türkische Volksbefreiungspartei/-front (THKP-C), beides Spaltprodukte interner Richtungskämpfe der einstigen Devrimci-Sol, taten sich vor allem durch Solidaritätskundgebungen mit revoltierenden Gefangenen
in der Türkei hervor. Dies führte ab 1995/96 zu einer beträchtlichen Zunahme der gewalttätigen Aktionen in der Schweiz. Im Juni 1998 besetzten sie das Zentralsekretariat der Schweizerischen Sozialdemokratischen Partei; die 1999 in der Schweiz durchgeführten internationalen Veranstaltungen der THKP-C verliefen jedoch gewaltfrei.

Im Jahr 2000 solidarisierten sich die Mitglieder der beiden Gruppen und der Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten (TKP-ML) mit den revoltierenden Gefangenen in türkischen Gefängnissen. Wie bei allen türkisch-kurdischen Gruppierungen kam es auch bei der TKP-ML immer wieder zu ausgeprägter Gewaltanwendung. Auch sie führte in den 1990er Jahren gewalttätige Aktionen

5060

durch, die sich vorwiegend gegen türkische Einrichtungen richteten. Ebenso nahm sie an Solidaritätskundgebungen teil.

Kundgebungen, Demonstrationen und Hungerstreiks in der Schweiz mehrten sich ab Dezember 2000, um gegen die Justizreform in der Türkei zu protestieren. Zur Koordinierung und Durchführung von Solidaritätskundgebungen gründeten Vertreter der wichtigsten linksextremen türkisch-kurdischen Gruppen zwei Aktionsgemeinschaften, das Komitee für Solidarität mit revolutionären politischen Gefangenen (DETUDAK-DESTUDAK) und das Komitee für Solidarität mit politischen Gefangenen im Todesfasten (ÖODK). Sie besetzten am 19. Dezember 2000 kurzfristig das Bundeshaus.

Akteure Die extremistischen türkischen und kurdischen Gruppen sind regional unterschiedlich stark vertreten. Die kurdische Gruppierung Kongra-Gel ist weiterhin schwerpunktmässig in den Kantonen Basel-Stadt und Basel-Landschaft angesiedelt. Im Kanton Basel-Stadt finden sich auch die meisten extremistischen türkischen Gruppierungen. So verfügen die DHKP-C, die THKP-C, die TKP-ML und die Grauen Wölfe in Basel über Vertretungen. Die TKP-ML, die DHKP-C und die THKP-C agieren auch im Kanton Basel-Landschaft, derzeit aber auf tiefem Niveau.

Die PKK begann ab 1984 einen bewaffneten Kampf mit den türkischen Streitkräften und operierte seit 1991 in grösseren Verbänden. Das Ziel des bewaffneten Kampfes und der politischen Bemühungen war ursprünglich ein unabhängiges Kurdistan, später nur noch eine föderative Lösung mit kurdischer Selbstbestimmung innerhalb eines künftigen türkischen Staatsverbandes. Das Ziel der türkisch linksextremen Gruppierungen ist es, mit einer Revolution in der Türkei die geltende Staatsordnung aufzuheben und eine «Demokratische Volksrepublik» einzurichten. Nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Staatsidee und mit dem politischen Reformkurs des Heimatlandes treten diese Gruppen öffentlich nur mehr anlassbezogen auf.

Auf der anderen Seite des politischen Spektrums streben die türkischen rechtsextremen Grauen Wölfe ein grosstürkisches Reich an.

­

Kongra-Gel (vormals Kadek; vormals PKK) Mitte 1990 zählte die PKK in der Schweiz rund 2'000 Aktivisten, davon waren ungefähr 50­60 hauptamtliche Kader. Die Führungsfunktionäre operieren konspirativ und unter Decknamen. Heute hat die Kongra-Gel ­ die Namensänderungen brauchen nicht weiter beachtet zu werden, wurden sie doch weder von einem Strukturwandel noch von einer Neubestimmung der Ziele begleitet ­ gegen 4000 Mitglieder, wovon etwa 100 hauptamtliche Kaderleute sind. Im Kanton Basel-Stadt finden sich 300 bis 500 und in Zürich gegen 400 Anhänger. In den meisten Kantonen ist die Zahl der Aktivisten stabil bis rückläufig. Der Politisierungsgrad sowie die Gewaltbereitschaft nehmen tendenziell ab, sind aber beide abhängig von der weiteren internationalen Entwicklung.

Während Ende der 1990er Jahre mit einem Mobilisierungspotenzial von gegen 20 000 Personen gerechnet werden musste, bekundete die Organisation 2003 Mühe, genügend Aktivisten für Protestaktionen im Rahmen des Irak-Krieges der USA aufzubieten.

5061

Die politische Öffentlichkeitsarbeit zählt weiterhin zu den wichtigsten Aufgaben der Kongra-Gel, auch die politische Ausbildung der Kader und die Geldbeschaffung (Spendensammlung resp. -einziehung) bleiben wichtig.

Die Kongra-Gel ist jedoch nach wie vor in der Lage, jederzeit gewaltextremistisch aufzutreten.

­

Devrimci-Sol (DHKP-C und THKP-C) Die seit 1992 herrschenden Spannungen innerhalb des Bündnisses Devrimci-Sol (Dev-Sol) mündeten in eine Aufspaltung in zwei rivalisierende Gruppen, der Revolutionären Volksbefreiungspartei/-front (DHKP-C) und der Türkischen Volksbefreiungspartei/-front (THKP-C). Die Bewegungen wurden europaweit und in der Schweiz durch nachfolgende Flügelkämpfe geschwächt. Die Mitgliederzahl der DHKP-C und THKP-C im Kanton Basel-Stadt beträgt je ca. 50. Der Hauptsitz befindet sich in Zürich mit ca.

40 Aktivisten. Gesamtschweizerisch ist mit ungefähr 400 Mitgliedern zu rechnen.

­

Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP-ML) Die TKP-ML finanziert sich vorwiegend über Spendenkampagnen, Mitgliederbeiträge und Verkauf von Propagandamaterial. Von der TKP-MLZentrale in Basel sind zirka 100 bis 150 Aktivisten bekannt. Die TKP-ML unterhält in allen grösseren Schweizer Kantonen Klublokale, so z.B. in Bern, wo sie aber wenig aktiv ist; in Zürich sind es ca. 40 Mitglieder und im Wallis etwa 100 Anhänger. Gesamtschweizerisch ist mit einer Mitgliederzahl der TKP-ML von etwa 500 Personen zu rechnen.

Die TKP-ML ist seit einiger Zeit nur mehr sporadisch aktiv, zum Teil sind Auflösungstendenzen feststellbar. Aus diesem Grund ist das Gefährdungspotenzial allgemein als gering einzuschätzen.

­

Graue Wölfe Als rechtsextreme türkische Gruppierung sind die Grauen Wölfe einzustufen, die als paramilitärische Einheit der MHP (Milli Hareket Partisi/ Nationale Bewegungs-/Aktionspartei) auftreten. Sie pflegen einen ausgeprägten Nationalismus und Rassismus gegen ethnische Minderheiten in der Türkei und greifen auch Mitglieder türkischer linker Gruppen an.

Den Mitgliedern der Grauen Wölfe wird in der Türkei die Ermordung von mehr als 5000 Personen sowie Beteiligung an Folterungen angelastet. Ende der 1990er Jahre kam es vor allem im Raum Basel mehrfach zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Mitglieder der Grauen Wölfe in der Schweiz werden verdächtigt, ebenfalls hier ansässige türkische Linksgruppierungen auszuforschen.

Aktuelle Lage und Gefährdung In der Schweiz verhalten sich die extremistischen kurdischen Gruppen seit längerem ruhig. Seit Ende 2000 ereigneten sich nur sehr wenige gewaltsame Vorfälle. Es finden Veranstaltungen, Demonstrationen und Protestmärsche statt; sie verlaufen aber in der Regel gewaltlos.

5062

Anders als im europäischen Ausland kam es in letzter Zeit in der Schweiz zu keinen gewaltsamen Flügelkämpfen der verfeindeten Fraktionen der DHKP-C und THKP-C.

Das Mobilisierungspotenzial der extremistischen kurdischen und türkischen Gruppierungen in der Schweiz ist nach wie vor gegeben.

2.4.3

Nah- und mittelöstlicher politischer Extremismus

Chronologie Naher Osten Im Kontext des sich stetig verschärfenden Nahostkonflikts sind in Europa mehrere Anschläge gegen Synagogen und jüdische Geschäfte verübt worden. Die Schweiz wurde nicht von solchen Vorfällen betroffen. Auch verliefen hier die Kundgebungen gegen Israels militärische Aktionen in den autonomen palästinensischen Gebieten und die Boykottaufrufe ohne gewaltsame Ausschreitungen. Kleinere linksextreme Gruppierungen und Globalisierungsgegner machen den israelisch-palästinensischen Konflikt mehr und mehr zum Gegenstand von Protestaktionen.

Chronologie Iranische Volksmudjaheddin Die Iranischen Volksmudjaheddin (MEK) veranstalteten verschiedentlich Kundgebungen in europäischen Staaten, bei denen es manchmal auch zu Gewalttätigkeiten kam. Ausserdem stehen die MEK unter Verdacht, eine Reihe führender iranischer Persönlichkeiten ermordet zu haben. Mitglieder der MEK besetzten im April 1992 die diplomatischen Vertretungen Irans in 13 Ländern, darunter auch in der Schweiz.

Mit dieser Aktion ist deutlich geworden, dass die MEK in der Lage sind, zur selben Zeit mehrere gross angelegte Operationen durchzuführen. Iranische Regierungsvertreter im Ausland werden immer wieder tätlich angegriffen, wie zuletzt anlässlich des WEF in Davos 2001. Aktivisten der MEK veranstalten seit Jahren Spendengeldsammlungen. Die Hartnäckigkeit und Aggressivität, mit der bei diesen Sammlungen vorgegangen wird, haben wiederholt zu Klagen geführt.

Ein am 12. April 2001 in Paris eingeleitetes Ermittlungsverfahren gegen die MEK führte am 17. Juni 2003 zu einer grossen Polizeiaktion in ganz Frankreich. Die MEK wurden und werden verdächtigt, terroristische Aktionen in Europa geplant zu haben.

Die französische Polizeiaktion provozierte extreme Reaktionen. In Frankreich, London und vor der französischen Botschaft in Bern versuchten mehrere Personen, sich selbst zu verbrennen. In Bern konnte die Polizei die Selbstverbrennung eines Mannes verhindern. Beim wiederholten Versuch am Tag darauf erlitt dieser Mann jedoch schwere Verletzungen. Diese Reaktionen auf die Festnahme von Maryam Radjavi, der Anführerin der Gruppierung, deckten das extremistische und fanatische Verhalten der Kämpfer der MEK auf.

Akteure Das Hauptziel extremistischer, nicht islamistischer arabischer Organisationen ist die gewaltsame Befreiung Palästinas. Im
Iran kämpfen die Volksmudjaheddin seit der Mitte der 1960er Jahre gegen das jeweilige Regime ­ zunächst gegen den Schah und nach kurzer Solidarisierungen mit der Revolution auch gegen die Machthaber im Gottesstaat.

5063

­

Marxistisch-leninistische Gruppierungen aus dem Nahen Osten Zu den sich an kommunistischem Ideengut orientierenden Gruppierungen aus dem Nahen Osten zählen die Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP), die Volksfront für die Befreiung Palästinas-Generalkommando (PFLP-GK), die Palästinensische Befreiungsfront (PLF) und die Demokratische Front zur Befreiung Palästinas (DFLP).

­

Al-Fatah-Revolutionsrat (FRC) Die Weltanschauungen im FRC sind breit gefächert. Er ist für zahlreiche Terroranschläge sowohl in Europa als auch im Nahen Osten verantwortlich.

Die letzte Tat wurde 1994 verübt. In der Schweiz halten sich einige wenige Mitglieder des Fatah-Revolutionsrates auf.

­

Iranische Volksmudjaheddin (MEK) Die Volksmudjaheddin treten auch unter den Namen Mujaheddin-e Khalq (MEK) oder People's Mujahedin of Iran (PMOI) in Erscheinung. Die Organisation marxistisch-leninistischer Ausrichtung wurde 1964 von Massoud Radjavi gegründet. Damals verfolgten die MEK das Ziel, das Regime unter Schah Reza Pahlavi zu stürzen. Im Jahr 1979 unterstützte die Bewegung die Machtergreifung Khomeinis. Im Zuge der islamischen Revolution stellte das machthabende Regime eine Revolutionsgarde (Islamic Revolutionary Guard Corps, IRGC) auf. Diese Sicherheitskräfte schossen im Juni 1981 auf die Teilnehmer einer Kundgebung der MEK. Letztere tauchten in der Folge in den Untergrund ab und bekämpften das iranische Regime mit Waffengewalt.

Die Welle terroristischer Anschläge erreichte 1988 ihren Höhepunkt. Mehrere tausend Kämpfer verfügten im Irak, wo sie von Saddam Hussein unterstützt wurden, über Militärbasen.

Die MEK sammeln hartnäckig und aggressiv Geld in der Schweiz. Die Kollekten, welche für Waisenkinder der Opfer des iranischen Regimes, für Hinterbliebene oder Gefolterte bestimmt seien, werden zugunsten von Vereinigungen und Gesellschaften durchgeführt, welche regelmässig ihre Namen ändern («OEuvre de bienfaisance Iran», «Vereinigung iranischer Flüchtlinge», «Verein iranisch-muslimischer Studenten»). In der Tat dürfte ein Teil der Spenden für den bewaffneten Arm der Organisation eingesetzt werden.

Keine der Organisationen, welche Spendengelder sammeln, wird von der «Zentralstelle für Wohlfahrt» (ZEWO) anerkannt.

Aktuelle Lage und Gefährdung Der Fatah-Revolutionsrat verlor aufgrund seiner finanziellen Probleme und in der Folge des Todes von Abu Nidal an Einfluss und besitzt nicht mehr das Gefahrenpotenzial, das noch in den 1980er Jahren von ihm ausging.

Das Risiko von Terrorakten im Nahen Osten bleibt hoch. Der israelischpalästinensische Konflikt radikalisiert die Meinungen, nicht nur in den Nachbarländern der beiden Staaten, sondern auch in Europa. Die Netze der radikalsten Bewegungen könnten diesen Konflikt weiterhin zum Zweck der Rekrutierung für terroristische Aktionen missbrauchen. In der Schweiz sind noch andere Unterstützungsmassnahmen zugunsten des palästinensischen Volkes möglich. Es dürfte sich dabei allerdings um friedliche Aktionen handeln.

5064

Einige Mitglieder der Palästinensischen Befreiungsfront PLF und anderer radikaler Organisationen aus dem Nahen Osten haben in der Schweiz um Asyl nachgesucht.

Sie sind aber bis anhin nicht durch in der Schweiz vorbereitete terroristische Aktionen aufgefallen.

Die im Zuge der amerikanisch-britischen Militäroffensive gegen den Irak erwartete Flucht vieler Volksmudjaheddin ins europäische und nordamerikanische Exil blieb aus. Die Besatzungsbehörden internierten die MEK-Mitglieder nördlich von Bagdad. Im Dezember 2003 beschlossen die irakischen Interimsbehörden, Waffen und Geld der MEK zu konfiszieren sowie die Mitglieder der Gruppe aus dem Land zu weisen. Der Status der MEK-Mitglieder ist noch nicht geregelt. Einzelne haben die Flucht Richtung Europa oder in andere Aufnahmeregionen ergriffen.

2.4.4

Extremistische tamilische Gruppe

Chronologie Die schätzungsweise 35 000 Asylbewerber und Einwanderer aus Sri Lanka in der Schweiz sind (nebst denjenigen in anderen europäischen Ländern, den USA, Kanada und Australien) für die vor allem aus Spendengeldaktionen, Veranstaltungen und Geschäftserlösen stammende Finanzierung der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) von grosser Bedeutung. Bis Ende 1990er Jahre waren Geldsammlungen der LTTE in der Schweiz oft mit Gewalt verbunden. Wegen des vermehrten Einsatzes von Schusswaffen bei Auseinandersetzungen zwischen Tamilen erliess der Bundesrat am 3. Juni 1996 ein Waffenerwerbs- und Tragverbot für Personen aus Sri Lanka.

Dies und die Untersuchungen gegen Exponenten der LTTE im Jahre 1996 in Zürich führten zu einer wesentlichen Beruhigung innerhalb der tamilischen Kolonie in der Schweiz.

Akteure Die sri-lankische tamilische Unabhängigkeitsorganisation Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) ist in der in der Schweiz lebenden tamilischen Emigration stark verankert. Die separatistische Guerillaorganisation kämpft für einen unabhängigen tamilischen Staat. Sie wurde 1972 von Velupillai Prabhakaran vorerst als «Tamil New Tigers» gegründet und 1976 in LTTE umbenannt. Der Konflikt, der 1983 in Sri Lanka offen ausgebrochen ist, hat zwischenzeitlich mehr als 60 000 Todesopfer gefordert und 350 000 Kriegsvertriebene verschuldet.

Obwohl in der Schweiz durch den unerwarteten Weggang des LTTE-Chefs Muralitharan Ende 1997 innerhalb der LTTE Unsicherheiten und Rivalitäten ausgelöst wurden und ein Führungswechsel stattgefunden hat, gingen die Geldsammelaktivitäten weiter.

Aktuelle Lage und Gefährdung Die sri-lankische tamilische Unabhängigkeitsorganisation LTTE bleibt in der in der Schweiz lebenden tamilischen Emigration stark verankert. Im Hinblick auf die internationale Finanzierung der LTTE scheint die tamilische Emigration in der Schweiz immer noch einen bedeutenden Platz einzunehmen. Eine negative Entwicklung des Friedensprozesses in Sri Lanka und die gewaltsame Austragung von Kon-

5065

flikten zwischen den Fraktionen der LTTE in Sri Lanka könnten auch innerhalb der tamilischen Diaspora in der Schweiz zu Auseinandersetzungen führen.

2.5

Fazit

Die innere Sicherheit der Schweiz wird zurzeit durch keine extremistische Gruppierung bedroht. Die Situation bei den ausländischen politisch oder religiös motivierten extremistischen Gruppen ist als ruhig zu bezeichnen. Das Mobilisierungspotenzial ausländischer extremistischer Gruppen wie der Kurden oder der LTTE bleibt hoch, und eine Änderung der politischen Situation in ihren Heimatländern könnte zu einer Zunahme der Gefährdung auch in der Schweiz führen. Dabei ist im Falle der Kurden mit Anschlägen auf türkische Einrichtungen in der Schweiz zu rechnen.

Vereinzelt versuchen Aktivisten gewaltextremistischer Gruppen, einen Aufenthalt über den Asylweg zu erreichen. Extremismusrelevante Aktivitäten in der Schweiz (z.B. logistische Unterstützung) können nicht nur eine Beeinträchtigung der inneren Sicherheit sein, sondern auch zu politischem Druck auf die Schweiz durch Staaten führen, die in direktem Konflikt mit diesen Organisationen stehen. Legal wie illegal anwesende Angehörige solcher Gruppierungen agieren meist verdeckt. Meist ist es nicht möglich, erkannte hier aktive Exponenten gewaltextremistischer Organisationen wegzuweisen, da sie weder in ihr Heimatland ausgewiesen werden können noch ein Drittland bereit ist, sie aufzunehmen. Dies ist eine Schwachstelle im Sicherheitsdispositiv und bindet polizeiliche Kräfte.

Der Rechtsextremismus bedroht momentan die innere Sicherheit der Schweiz nicht.

Eine erhebliche Gefahr geht zurzeit von linksextremen Exponenten aus.

3

Konzept des Bundesrates zur frühzeitigen Erkennung und Prävention

Der Bundesrat hat, gestützt auf die geltenden rechtlichen Grundlagen, bereits eine Reihe präventiver und repressiver Massnahmen ergriffen, um rechtswidrige Tätigkeiten extremistischer Organisationen in der Schweiz zu verhindern oder zu bekämpfen. Dazu gehören die Verschärfung des Waffenrechts, die Beobachtung einer konsequenten Umsetzung der Rassismus-Strafnorm, die Internetüberwachung und in äusserster Konsequenz auch Organisationsverbote.

Für die Einschränkung von Propaganda und Beschaffungstätigkeiten bietet die aktuelle Schweizer Gesetzgebung wenig Handlungsspielraum.

Mit neuen Rechtsgrundlagen soll deshalb den Phänomenen Rassismus, Hooliganismus, Gewalt und Gewaltpropaganda mit verstärkten straf- und verwaltungsrechtlichen Massnahmen entgegengetreten werden. Die vorgeschlagenen Regelungen enthalten Verstärkungen des straf- und verwaltungsrechtlichen Instrumentariums wie auch der Prävention (Revisionspaket BWIS I).

Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 gewann die Frage der Terrorismusprävention und -abwehr an Bedeutung und Dringlichkeit. Der Bundesrat ordnete deshalb im Sommer 2002 an, die Rechtsgrundlagen zum präventiven Staats-

5066

schutz grundsätzlich zu überprüfen und geeignete Massnahmen vorzuschlagen (Revisionspaket BWIS II).

Die gesetzlichen Grundlagen für asylpolitische und ausländerrechtliche Massnahmen erlauben es, Personen, die die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz gefährden könnten, von der Schweiz fernzuhalten. Sie finden jedoch ihre Grenzen, wenn sich eine Person bereits in der Schweiz aufhält und wegen unzulässigem, unzumutbarem oder unmöglichem Vollzug nicht weggewiesen werden kann.

Schliesslich haben Forschung sowie die Behörden des Bundes und der Kantone den seit einigen Jahren feststellbaren Trend zu mehr Gewalttätigkeit auch bei Jugendlichen in unserer Gesellschaft erkannt und ernst genommen. Es gibt ein breites und weitgehend fundiertes, allerdings noch in der wissenschaftlichen Diskussion stehendes Wissen um Ursachen und Erscheinungsformen von Gewaltphänomenen.

3.1

Prävention und Repression des Bundes seit 1992

3.1.1

Sicherheitspolitische Instrumente der Früherkennung

Mit den «Weisungen über die Organisation der Sicherheitspolitischen Führung» vom 3. November 1999 schuf der Bundesrat Instrumente der sicherheitspolitischen Führung.

Der Sicherheitsausschuss (SiA) bereitet als Ausschuss des Bundesrates die Beratungen und Entscheide der Exekutive in sicherheitspolitischen Fragen zeitgerecht vor.

Er setzt sich zusammen aus den Vorstehern oder Vorsteherinnen des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), EJPD und des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS).

Der Vorsitz wechselt in der Regel jährlich.

Ihm ist die Lenkungsgruppe Sicherheit (LGSi) als ein vorbereitendes Stabsorgan unterstellt. Sie verfolgt laufend die Lage und mögliche Entwicklungen in allen sicherheitsrelevanten Belangen im In- und Ausland aufgrund von Informationen und Beurteilungen aus den einzelnen Departementen und dem Lage- und Früherkennungsbüro. Zudem erarbeitet sie Szenarien, Strategien und Optionen zuhanden des SiA und führt die Liste der ständigen Nachrichtenbedürfnisse des Bundesrates.

Beide Organe thematisieren regelmässig mögliche neue Bedrohungsformen durch gewalttätige extremistische, insbesondere islamistische Gruppen und formulieren konkrete Handlungsoptionen.

3.1.2

Waffenrecht

Das schweizerische Waffenrecht ist Gegenstand laufender Änderungen. Bis zum Jahr 1999, als das erste nationale Waffengesetz in Kraft trat, wurde dieser Bereich von einer Vielzahl kantonaler Erlasse normiert. Entsprechend unterschiedlich waren die Vorschriften, die den Zugang zu Waffen regelten. Seit der Einführung des Gesetzes vergeht kein Jahr, in dem das Waffenrecht nicht Änderungen erfährt.

Das geltende Waffenrecht hat zum Zweck, die missbräuchliche Verwendung von Waffen zu bekämpfen. Vorschriften über den Erwerb sollen verhindern, dass Waf5067

fen in die Hände von Personen gelangen, die einen verantwortungsvollen Umgang mit solchen Gegenständen nicht gewährleisten (können) oder die gewaltbereit sind.

Zu Letzteren gehören auch Personen, die Gewalt befürwortender Gesinnung sind oder einer gewaltbereiten Organisation angehören.

Die begründete Annahme, dass eine Person gewaltbereiten Kreisen zuzuordnen ist, stellt einen so genannten Hinderungsgrund für den Erwerb einer Waffe dar. Für den Erwerb der meisten Waffen im Fachhandel muss vorgängig bei den lokalen Polizeibehörden ein Waffenerwerbsschein eingeholt werden. Diese klärt ab, ob bei der betreffenden Person ein Hinderungsgrund vorliegt.

3.1.3

Bekämpfung des Rechtsextremismus und Rassismus

Seit 1999 war eine beunruhigende Verstärkung der rechtsextremen Szene mit Schwergewicht bei den Skinheads zu beobachten. Verschiedene gravierende Vorfälle im Jahr 2000 (Überfall mit Sturmgewehr auf eine von Linksautonomen bewohnte Liegenschaft in Bern am 10. Juli 2000, verschiedene Strafverfahren im Zusammenhang mit der Sicherstellung von Schusswaffen, Sprengstoff und selbst gebastelten Sprengkörpern, Todesdrohungen gegen politische Gegner im Internet) belegten die gestiegene Gewaltbereitschaft der wieder erstarkten Szene.

Der Vorfall am 1. August 2000 auf dem Rütli, bei dem gegen hundert Rechtsextreme die Rede von Bundesrat Villiger störten, war einer der ersten öffentlichen Auftritte dieser Art und erschien in der breiten Öffentlichkeit als besonders stossend.

Die Haltung des Bundesrates Der Bundesrat hat im Rahmen der Beantwortung parlamentarischer Vorstösse mehrmals festgehalten, dass die aktuelle Situation im Bereich Rechtsextremismus allgemein nicht als grosse Gefahr für die nationale Sicherheit der Schweiz einzustufen ist, aber dass ein lokales, oft kurzfristig auftretendes und ernst zu nehmendes Gewaltpotenzial vorhanden sei. Kurz-, mittel- und langfristig gäben allerdings einige Entwicklungen Anlass zur Sorge und erhöhter Wachsamkeit. Die Strategie des Bundesrates im Bereich Rechtsextremismus fusst auf drei Säulen: ­

Rassismus und Rechtsextremismus müssen, wie alle Formen des Extremismus, mit sämtlichen zur Verfügung stehenden rechtlichen Instrumenten und Mitteln bekämpft werden.

­

Es darf in der Schweiz keine Toleranz für Gewalt, Rassenhass und Fremdenfeindlichkeit geben.

­

Rechtsextremismus muss gleichzeitig präventiv und repressiv, durch Koordination und Information, national in Bund, Kantonen und Gemeinden sowie international bekämpft werden.

Als bestehende Massnahmen sind die laufenden präventiven und repressiven Massnahmen gegen den Rechtsextremismus zu nennen, die namentlich von den Staatsschutzbehörden von Bund und Kantonen durchgeführt werden. Verschiedene rechtsextreme Gruppierungen stehen unter deren Beobachtung; in diesem Bereich konnten in letzter Zeit dank der präventiven Vorarbeit mehrere Delikte aufgeklärt werden.

5068

Interdepartementale Arbeitsgruppen Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) beauftragte eine Arbeitsgruppe, die Lage zu analysieren, Schwachstellen festzustellen und Massnahmen zur Behebung allfälliger Schwachstellen vorzuschlagen.

Die interdepartementale Arbeitsgruppe «Rechtsextremismus» erstellte im September 2000 einen Bericht zuhanden des Bundesrates. Am 2. Oktober 2000 nahm der Bundesrat vom Bericht Kenntnis. Er beauftragte das EJPD, die Umsetzung der vorgeschlagenen Massnahmen zu koordinieren und dem Bundesrat binnen Jahresfrist über deren Wirksamkeit zu berichten. Die Öffentlichkeit wurde über den Bundesratsentscheid orientiert, und der Bericht durch das EJPD publiziert.

Bis Oktober 2001 erstellte die Arbeitsgruppe «Koordination und Umsetzung im Bereich des Rechtsextremismus» (AG REX) einen Bericht über die Umsetzung der Aufträge des Bundesrates mit konkreten Vorschlägen zur Umsetzung der Empfehlungen.

Die Arbeitsgruppe empfahl, jegliche Form des gewaltorientierten Extremismus zu verurteilen, nicht nur den gewalttätigen. Der Bericht enthielt eine Reihe von Empfehlungen zur Verstärkung des Abwehrdispositivs in mehreren Rechtsetzungsbereichen der inneren Sicherheit gegen rechtsextreme und rassistische Aktivitäten. Diese Vorschläge waren abgestimmt auf die laufenden Kooperationsanstrengungen der Innenminister der Alpenländersicherheitspartnerschaft (ASP ­ die beteiligten Länder sind Frankreich, Deutschland, Österreich, Italien, Liechtenstein, Slowenien und die Schweiz als Vorsitzende) in den Bereichen Rechtsextremismus, Rassismus und Hooliganismus.

Einige Vorschläge der Arbeitsgruppe im gesellschaftlichen Bereich wurden bereits umgesetzt. So hat u.a. die Fachstelle für Rassismusbekämpfung, die das Sekretariat der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR) entlasten soll, ihre Arbeit im Januar 2002 aufgenommen (Bundesratsbeschluss vom 21. Februar 2001). Dem Forschungsbedarf zu Fragen des Rechtsextremismus wurde Rechnung getragen: Forschungsarbeiten wurden an das bestehende Nationalfondsprojekt NFP 40 «Gewalt im Alltag und organisiertes Verbrechen» angebunden (Bundesratsbeschluss vom 15.6.01). Dieses Projekt, NFP 40+ «Ursachen des Rechtsextremismus» genannt, startete im Sommer 2002.24 Zudem wurde ein «Fonds Projekte gegen Rassismus und für Menschenrechte» geschaffen,
der bis heute über vierzig Projekte zu den Schwerpunkten Sensibilisierung, Bildung und Schule sowie Opfer- und Konfliktberatung unterstützt (Bundesratsbeschluss vom 21. Februar 2001).

Aufgrund des Aussprachepapiers des EJPD vom 18. März 2002 und der Beratung vom 27. März 2002 nahm der Bundesrat den Bericht der AG REX zur Kenntnis. Er beauftragte das EJPD, dem Bundesrat vor der Sommerpause einen Vorschlag für das weitere Vorgehen zur Evaluation und Umsetzung der konkreten Vorschläge zu unterbreiten, unter Berücksichtigung anderer Gesetzgebungsvorhaben im Bereich der inneren Sicherheit. Auch der Bericht vom Oktober 2001 wurde durch das EJPD veröffentlicht.

24

Siehe dazu www.snf.ch

5069

Rassismus-Strafnorm Am 1. Januar 1995 trat die neue Strafnorm gegen Rassismus (Art. 261bis StGB) in Kraft. Diese bestraft Rassendiskriminierung jeglicher Art. Es hat sich gezeigt, dass sich in den Kantonen eine stabile Rechtssprechung ausgebildet hat.

Ab 1998 wurden im Vergleich zu den Vorjahren deutlich mehr Verurteilungen wegen Rassismus ausgesprochen. Auch wurden einige Weg weisende Urteile gegen Exponenten des Negationismus bzw. gegen Holocaustleugner gefällt und hohe Strafen ausgesprochen. 2003 wurden auf Bundes- und Kantonsebene 33 Entscheide gefällt, was etwa dem Volumen der Vorjahre entspricht.

Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) und Fachstelle für Rassismusbekämpfung Mit Beschluss vom 21. Februar 2001 hat der Bundesrat vom Entscheid des EDI Kenntnis genommen, im Generalsekretariat des EDI eine Fachstelle für Rassismusbekämpfung einzurichten und das Sekretariat der EKR zu verstärken. In diesem Sinne wird der Beschluss vom 2. Oktober 2000, durch das EDI die Schaffung einer verwaltungsinternen Fachstelle für Rassismusbekämpfung zu prüfen, umgesetzt. Der Vorschlag stützt sich auf Erfahrungen, welche die EKR sowie das Departement des Innern in den fünf Jahren ihres Bestehens gemacht hat.

Die neue Fachstelle umfasst insgesamt 2,5 Stellen. Aufgabe der neuen Stelle ist die Koordination und Vernetzung der verwaltungsinternen Massnahmen gegen Rassismus. Zudem ist sie Ansprechpartnerin für die Kantone und für Institutionen. Ebenfalls befasst sie sich mit der Begutachtung und Begleitung der Projekte für die Menschenrechte und gegen Rassismus, für welche der Bundesrat in der Nachfolge des Berichts der Unabhängigen Expertenkommission «Schweiz ­ Zweiter Weltkrieg» gleichzeitig einen Kredit von 15 Millionen Franken, verteilt auf fünf Jahre, bereitgestellt hat.25 Internet-Monitoring Die damalige Bundespolizei gründete Ende 1990er Jahre zusammen mit anderen Bundesämtern und verschiedenen Internet-Providern eine Kontaktgruppe, in der Fragen rechtlicher und technischer Natur bezüglich der Internetkriminalität verfolgt werden sollten. Die Gruppe hatte die Verhinderung der Verbreitung von rechtsextremem/negationistischem Gedankengut im Internet zum Ziel. Sie gab im Frühsommer 1999 einen ersten Entwurf eines Arbeitspapiers in die Vernehmlassung. Vor allem Fragen der Strafbarkeit der Provider
(Gehilfenschaft oder Strafbarkeit im Sinne des Medienstrafrechts) und der Verhältnismässigkeit von Sperrungen blieben kontrovers. Ein Ergänzungsgutachten des Bundesamts für Justiz bejahte eine subsidiäre Verantwortlichkeit resp. eine mögliche Gehilfenschaft unter bestimmten Bedingungen. Die kantonalen Justizbehörden werden auch durch die im Januar 2003 neu eingerichtete nationale Koordinationsstelle Internet-Kriminalität (KOBIK)

25

Ausführliche Informationen über die Tätigkeiten, Publikationen, Veranstaltungen, Projekte und anderes der Kommission und der Fachstelle finden sich im Internet unter: www.ekr-cfr.ch und www.edi.admin.ch/ara/d/frb_fachstelle.htm.

5070

mitgetragen.26 Bei KOBIK können verdächtige Inhalte anonym auf einem Meldeformular deponiert werden.27 Bei strafrechtlicher Relevanz und Schweiz-Bezug wird das Dossier zur Eröffnung eines Strafverfahrens an die zuständige kantonale Polizeistelle weitergeleitet. Im ersten Betriebsjahr von KOBIK wurden 143 Fälle von Rassismus/Extremismus gemeldet (= 2,2 % aller gemeldeten Fälle).

Ende November 2001 setzte das EJPD eine Expertengruppe «Netzwerkkriminalität» ein und erteilte ihr den Auftrag zu prüfen, mit welchen rechtlichen, organisatorischen und technischen Massnahmen mittels Internet begangene Rechtsverletzungen verhindert und geahndet werden können. Der entsprechende Expertenbericht wurde dem EJPD Ende Juni 2003 unterbreitet. Er enthält insbesondere Regelungsvorschläge zur strafrechtlichen Verantwortung der Provider. Während der Autor und der Content-Provider für illegale Internet-Inhalte strafrechtlich voll verantwortlich gemacht werden sollen, gilt dies für den Hosting-Provider nur unter besonderen Umständen und für den Access-Provider überhaupt nicht. Im Herbst 2002 setzte das EJPD zudem eine Arbeitsgruppe mit dem Auftrag ein,28 die rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen der für eine optimierte Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen auszuarbeiten. Ein entsprechender Bericht wurde im Herbst letzten Jahres dem EJPD unterbreitet. Der Bundesrat führte am 26. November 2003 eine Aussprache über das weitere Vorgehen und beschloss, das EJPD zu beauftragen, dem Bundesrat einen Vorschlag für die Umsetzung der beiden Berichte zu unterbreiten. Dieser wird mit den Berichten als Dokumentation im Jahr 2004 in die Vernehmlassung geschickt.

3.1.4

Organisationsverbote

Verbote von schweizerischen und ausländischen Organisationen und Parteien widersprechen grundsätzlich der schweizerischen Tradition. Sie lassen sich aus polizeilicher Sicht auch kaum wirksam durchsetzen und würden deren Angehörige noch vermehrt in den Untergrund drängen. Ausnahme bleibt das aus präventiven Gründen am 7. November 2001 gegen Al Qaïda sowie deren Nachfolgeorganisationen verhängte befristete Verbot. Der Bundesrat hat am 5. Dezember 2003 diese Massnahme bis 31. Dezember 2005 verlängert. Verboten sind nicht nur sämtliche Aktivitäten der Organisation selber, sondern auch alle Aktionen, die ihrer Unterstützung dienen (z.B. Propaganda).

26

27 28

Eine interkantonale Arbeitsgruppe zur Bekämpfung des Missbrauchs der Informationsund Kommunikationstechnik (BEMIK) befasste sich ab Juni 2000 im Auftrag der Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten der Schweiz (KKPKS) mit den dringendsten polizeilichen Koordinationsbedürfnissen im Bereich der Internet-Kriminalität. Ende Januar 2001 erschien der Bericht, worin die Arbeitsgruppe eine Reihe konkreter Massnahmen zur raschen Verbesserung der teils sehr unbefriedigenden Situation vorschlug.

Auf dieser Basis beschlossen das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) und die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD), bei der Bekämpfung der Internet-Kriminalität gemeinsam vorzugehen und im Bundesamt für Polizei (fedpol) eine nationale Koordinationsstelle Internet-Kriminalität einzurichten.

www.cybercrime.admin.ch Hintergrund war die Auswertung der Erfahrungen aus der Operation «Genesis» gegen Kinderpornografie.

5071

3.1.5

Unterbindung von Propaganda und Beschaffungstätigkeiten

Die Schweizer Gesetzgebung bietet für die Einschränkung von Propagandanetzwerken und Beschaffungstätigkeiten wenig Handlungsspielraum. Der bis am 1. Juli 1998 bestehende Bundesratsbeschluss vom 29. Dezember 1948 betreffend staatsgefährliches Propagandamaterial (Propagandabeschluss) wurde mit der Inkraftsetzung des BWIS 1999 aufgehoben. Um Propagandanetzwerke und Beschaffungstätigkeiten von Terrorgruppen in der Schweiz einschränken zu können, müssen grundsätzlich die öffentlichen Interessen an einer Verhinderung z. B. von Geldsammelaktionen die privaten Interessen der Betroffenen überwiegen, und die getroffene Massnahme muss sich als verhältnismässig erweisen.

Massnahmen, die von der Schweiz gegen Einzelpersonen und Organisationen (Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit, Waffenerwerbs- und -tragverbot, Asylwiderruf und Einleitung von Strafverfahren) eingeleitet werden, genügen dort nicht, wo Personen ihre Aktivitäten von der Schweiz aus im Ausland ausüben resp.

ihr Aufenthalt zwar in der Schweiz geregelt ist, sie aber mehrheitlich z.B. in den Krisengebieten politisch aktiv sind. Daraus kann der Eindruck entstehen, die Schweiz toleriere oder unterstütze extremistische und terroristische Aktivitäten.

Propaganda und Rekrutierungsaktivitäten in der Schweiz können auch die Beziehungen der Schweiz zu verschiedenen Staaten der betroffenen Regionen belasten.

3.1.6

Massnahmen gegen den Hooliganismus

1998 wurde die Zentralstelle Hooliganismus bei der Stadtpolizei Zürich gegründet.

Ziel der Zentralstelle ist es, eine Hooliganismus-Datenbank aufzubauen, um unter anderem rascher als bisher personelle und organisatorische Zusammenhänge sowie Verbindungen zur rechtsextremen Szene zu erkennen. Dies macht eine Zusammenarbeit mit den Staatsschutzbehörden des Bundes notwendig.

Seit Juli 2001 befasste sich eine Arbeitsgruppe des Bundesamts für Sport (BASPO) mit einer Situationsanalyse der Gewalt bei Sportveranstaltungen.

Die Entwicklungen verlangen eine genauere Beobachtung der Lage und der Szene.

Dazu müssen jedoch die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden. Zur Bekämpfung des Hooliganismus stehen derzeit keine genügenden Instrumente zur Verfügung. Es existiert mangels Rechtsgrundlage keine nationale Sammlung und Aufbewahrung von Daten notorischer Gewalttäter bei Publikumsveranstaltungen. Die bestehenden Datensammlungen müssen auf Grund kantonaler allgemeiner Datenschutzvorschriften teilweise vorzeitig gelöscht werden. Die Bekämpfung des Hooliganismus soll neu teilweise auch eine Aufgabe des Bundes werden. Im Rahmen einer Gesetzesrevision (BWIS I) sollen die rechtlichen Grundlagen für die Schaffung einer nationalen Hooligan-Datenbank erarbeitet werden. Verstärkte Massnahmen drängen sich auch im Hinblick auf die in der Schweiz und in Österreich stattfindende Fussball-Europameisterschaft 2008 (EURO 08) auf.

Hooliganismus ist ein internationales Phänomen, das nicht an Grenzen Halt macht.

Deshalb wird versucht, auf internationaler Ebene gemeinsam dagegen vorzugehen.

Eine Ad-hoc-Expertengruppe «Rechtsextremismus/Hooliganismus» der ASP schlägt Massnahmen zur gemeinsamen Kooperation im Bereich des Hooliganismus vor.

5072

3.1.7

Extremismus in der Armee ­ Massnahmen

Im Dezember 1998 liess das VBS einen umfassenden Bericht über «Extremismus in der Armee» erstellen. Die damaligen Schlussfolgerungen verneinten einen «armeegemachten» Extremismus klar und besagten auch, dass in der Schweizer Armee hinsichtlich politischen Extremismus kein akutes Problem vorläge. Allerdings wurde bei auftretenden Einzelfällen ein konsequentes Handeln aller Verantwortungsträger der Armee und Verwaltung gefordert. Insbesondere sollten extremistische Geisteshaltungen innerhalb des Offizierskorps keineswegs geduldet werden. Auch die Schaffung einer neuen Ausschlussnorm sollte geprüft werden.

Die Eidgenössische Jugend- und Rekrutenbefragung 1997 wurde in einer Studie besonders mit Bezug auf die Thematik Rechtsextremismus ausgewertet.29 Demzufolge neigen mehrheitlich männliche junge Erwachsene eher zum Links- als zum Rechtsextremismus; sofern man überhaupt von der Existenz eines jugendlichen Extremismus sprechen darf. Die Jugend neigt zwar zur Demonstration überzeichneter Haltungen, wenn sie die Öffentlichkeit ansprechen will. Die Daten zeigen aber, dass radikale Haltungen nur von ganz kleinen Gruppen vertreten werden. Unter den 21 314 jungen Männern haben 300 (ca. 1,5 Prozent) angegeben, der Gruppe der Skinheads anzugehören. Überdies liess sich feststellen, dass im Verlauf der Rekrutenschule immer weniger Rekruten extremistische Positionen vertraten. Dieser Umstand lässt sich auf zwei Arten interpretieren: Die Integration könnte einerseits mässigend wirken, andererseits ist es möglich, dass unter den im Verlauf der Rekrutenschule aufgrund allgemein auffälligen Verhaltens Ausgeschlossenen vielfach auch diejenigen sind, die sich zu extremistischen Ansichten bekennen. Im Vergleich hierzu bezeichnen sich gemäss der jährlichen ETH-Befragungsstudie «Sicherheit» immerhin 10 Prozent der 18- und 19-Jährigen als ganz links und 3 Prozent als ganz rechts. Bei den 20- bis 29-Jährigen sind es 4 Prozent ganz links und 3 Prozent ganz rechts. Die Schweizer Armee ist ein Spiegel der Gesellschaft.

Im Gegensatz zu Deutschland, wo in der Vergangenheit wiederholt Ereignisse extremistischer Natur vorgefallen sind, ist in der Schweiz die Problematik nicht akut. Allerdings muss die Situation ständig beobachtet, und einzelne Vorfälle müssen sorgfältig überprüft werden.

Das VBS schuf im Frühjahr 2001 eine Anlauf-
und Koordinationsstelle, die extremistische Vorfälle in der Truppe untersucht und den militärischen Vorgesetzten beratend zur Seite steht. Die Fachstelle für Extremismus ist vor allem auch in den Bereichen Prävention, Kommunikation und Sensibilisierung aktiv.

Die Massnahmen des VBS konzentrieren sich auf die folgenden acht Punkte:

29

­

regelmässiger Informationsaustausch unter Bundesbehörden (EJPD und VBS)

­

weitere wissenschaftliche Untersuchungen (Forschungs- und Untersuchungsprojekte)

­

Sensibilisierung bezüglich des Themas Extremismus

Rafaël Vignando, Henriette Haas, Die Skinhead Bewegung: Eine empirische Studie, in: Werkstattberichte 2000/2001, S. 21­34.

5073

­

Schaffung einer zentralen Anlauf- und Koordinationsstelle innerhalb des VBS in Extremismusbelangen

­

Überprüfung der Informationspolitik des VBS in Problemeinzelfällen

­

Mitarbeit des VBS in der Arbeitsgruppe «Koordination und Umsetzung von Massnahmen im Bereich des Rechtsextremismus»

­

Verbesserung des Personensicherheitsüberprüfungsprozesses

­

Formulierung einer Ausschlussnorm wegen Extremismus

Rekruten werden nur bei der Einteilung in bestimmte Militärbereiche einer automatischen Personensicherheitsüberprüfung unterzogen. Ansonsten wird eine solche Prüfung erst dann vorgenommen, wenn sich während des Militärdienstes Anzeichen einer extremen Einstellung zeigen. Vor der Beförderung werden alle Anwärter überprüft. Einerseits gilt es die allgemeine Dienstpflicht zu beachten und durchzusetzen, andererseits soll verhindert werden, dass sich Personen mit extremistischem Gedankengut in der Armee befinden.

Bei fundierten Anzeichen extremistischer Haltung und nach erfolgter Personensicherheitsprüfung kann die Fachstelle Extremismus in der Armee den Betroffenen zum Ausschluss vom Militärdienst empfehlen.

3.2

Rechtsetzungsprojekte zur verbesserten Prävention

Am 18. und 26. Juni 2002 beriet der Bundesrat das Aussprachepapier des EJPD und nahm vom weiteren Vorgehen Kenntnis. Er beschloss, die anstehenden Rechtssetzungsvorhaben thematisch in zwei Pakete aufzuteilen.

3.2.1

Bundesgesetz über Massnahmen gegen Rassismus, Hooliganismus und Gewaltpropaganda (BWIS I)

Der Bundesrat befasste sich 1992 angesichts der zu Beginn der 90er Jahre stark gestiegenen rechtsextremen Aktivitäten intensiv mit dem Extremismus in der Schweiz. Die rechtsextremen Vorfälle nahmen 1993 bis 1997 deutlich ab. Seit 1999 ist wieder eine beunruhigende Verstärkung der rechtsextremen Gewaltakte zu beobachten. Diese Entwicklung wurde durch die Verbreitung rassistischer oder Gewalt propagierender Ideologien (Neonazis, Skinheads usw.) stark gefördert. Mit dem markanten Anstieg der Aktivitäten von Skinheads nahm auch der Handel mit rechtsextremen Materialien in der Schweiz ­ insbesondere die Einfuhr von Tonträgern ­ erheblich zu. Das meiste Material wurde aus den Nachbarländern eingeführt. Der Inhalt des Materials propagiert oder verharmlost Gewalt und animiert dazu. Inländische Gewaltausübung und -propaganda ist auch linksextremistisch, anarchistisch oder antiimperialistisch motiviert. Die gewaltsamen Aktionen gegen ideologische Gegner liessen sich denn auch oft auf entsprechende Dokumentationen (Bücher, Videos) und Liedinhalte (namentlich CDs) oder Aufrufe (Flugblätter, Szenenschriften, Internet usw.) zurückführen.

Gleichzeitig nehmen international, aber auch in der Schweiz, die Gewaltbereitschaft und Gewaltausübung in Sportstadien zu; Hooligans und gewaltbereite Skinheads agieren dabei oft gemeinsam. Die Schweiz ratifizierte am 16. August 1990 die 5074

«Convention européenne sur la violence et les débordements de spectateurs lors de manifestations sportives» und wünscht, gestützt auf das Konzept des Bundesrates für eine Sportpolitik in der Schweiz, künftig Auswüchse von Gewalt, die dem Ansehen des Sportes schaden, zu bekämpfen.

Das EJPD beauftragte eine Arbeitsgruppe, die Lage zu analysieren, Schwachstellen festzustellen und Massnahmen zur Behebung der Schwachstellen vorzuschlagen.

Nach Kenntnisnahme von Bericht und Empfehlungen der Arbeitsgruppe zur Bekämpfung des Rechtsextremismus30 entschied der Bundesrat, die notwendigen gesetzlichen Grundlagen zur besseren Bekämpfung von Rassismus und Gewalt, namentlich bei Sportgrossveranstaltungen, zu schaffen.

Die vorgeschlagenen Regelungen enthalten Verstärkungen des straf- und verwaltungsrechtlichen Instrumentariums wie auch der Prävention. Sie sollen im Strafgesetzbuch, im Bundesgesetz zur Wahrung der inneren Sicherheit und im Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs verankert werden. Es sollen vor allem Rassismus und Rechtsextremismus ins Visier genommen werden, aber auch die Gewalt bei Sportveranstaltungen sowie die Gewaltpropaganda jedweder Ausrichtung.

Der Bundesrat beschloss am 12. Februar 2003 die Vernehmlassung. Die Frist zur Eingabe von Stellungnahmen war der 31. Mai 2003. Die Auswertung ist abgeschlossen. Vor allem mit Blick auf die Ausrichtung der Fussball-Europameisterschaft 2008 ist das Projekt von strategischer Bedeutung, soll die Sicherheit optimal gewährleistet werden. Es werden weitere administrative Massnahmen zur Bekämpfung der Gewalt im Sport vorgeschlagen, die sich aus der Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Sport ergaben.

Die in der Gesetzesvorlage enthaltenen Massnahmen bilden ein sinnvolles und kohärentes Paket zur Bekämpfung des Rassismus, der Gewalt und insbesondere der Gewalt bei Sportveranstaltungen. Die Massnahmen sind die Basis für das erforderliche Sicherheitskonzept für zukünftige sportliche Grossanlässe wie die FussballEuropameisterschaft EURO 08 in der Schweiz und in Österreich und die FussballWeltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Die Gesetzesnovelle soll die bereits realisierten und geplanten Massnahmen des Bundes und der Kantone ergänzen.

Die meisten Vernehmlasser begrüssten grundsätzlich das Anliegen, den Phänomenen Rassismus
und Gewaltbereitschaft und -ausübung, namentlich auch der Gewalt im Sport, mit verstärkten straf- und verwaltungsrechtlichen Massnahmen entgegenzutreten.

Die Vorlage wird zumeist als taugliches Mittel bezeichnet, um die formulierten Anliegen zu erreichen.

Mit dem Rechtsetzungspaket werden verschiedene parlamentarische Vorstösse umgesetzt. Es ist von erheblicher politischer Tragweite. Die vorgeschlagenen Normen, mit denen Lücken in der bisherigen Gesetzgebung geschlossen werden sollen, führen mit zu einer Verbesserung des Schutzes der Bevölkerung vor Gewalt. Die Verhältnismässigkeit ist namentlich durch die Konzentration auf die überkantonalen und nationalen Ereignisse gegeben.

30

Bericht der Arbeitsgruppe «Rechtsextremismus» vom September 2000 und das Konzept zur Umsetzung der empfohlenen Massnahmen vom Oktober 2001.

5075

Die Botschaft zu diesem Gesetzgebungspaket soll dem Bundesrat Anfang 2005 vorgelegt werden.

3.2.2

BWIS II

Im Bericht des Bundesrates zum Extremismus in der Schweiz vom 16. März 1992 (92.033) wurde das gegen terroristische und extremistische Umtriebe beabsichtigte Handlungskonzept dargelegt. Dabei gab der Bundesrat insbesondere seiner Überzeugung Ausdruck, dass ein präventiver Staatsschutz nach wie vor nötig sei (vgl.

S. 16, Ziff. 5 ff).

In der Zwischenzeit wurden die im erwähnten Bericht geforderten gesetzlichen Grundlagen für den Staatsschutz geschaffen. Dabei handelt es sich um das Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS, SR 120) bzw.

um die Verordnung über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (VWIS, SR 120.2). Das Gesetz ist entscheidend von den Auswirkungen der Parlamentarischen Untersuchungskommission EJPD, der Fichendiskussion sowie der Initiative «Schweiz ohne Schnüffelpolizei» geprägt und beschränkt sich im Wesentlichen auf eine Regelung der Datenbearbeitung. Die Informationsbeschaffung blieb unverbindlich, und auf Beschaffungsmassnahmen, welche die Privatsphäre tangieren, wurde weitgehend verzichtet.

In der Folge wurden immer wieder Lücken in der präventiven Gefahrenabwehr festgestellt. Lenkungsgruppe und Sicherheitsausschuss des Bundesrates ordneten eine weitere Vertiefung sowie die Prüfung geeigneter Massnahmen an.

Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 gewann die Frage der Terrorismusprävention und -abwehr an Bedeutung und Dringlichkeit. Zahlreiche Staaten revidierten ihre Gesetzgebung und schnürten finanziell und personell bedeutende Pakete zur Verstärkung der zuständigen Dienste und Massnahmen.

In der Schweiz wurden parallel zu den laufenden Arbeiten zur Überprüfung des präventiven Staatsschutz-Instrumentariums mehrere parlamentarische Vorstösse eingereicht. Sie fordern einen stärkere Rolle der Staatsschutzorgane und Nachrichtendienste, einen Ausbau ihrer Mittel und Instrumentarien sowie umfassende Berichte über die Sicherheitslage (vgl. namentlich Motionen Burkhalter, Leu und FDP/ Merz; die Interpellationen Leutenegger-Oberholzer, FDP-Merz und Suter sowie die Vorstösse der CVP).

Der Bundesrat beauftragte im November 2001 das EJPD, ihm über Massnahmen zur Verbesserung und Bekämpfung des Terrorismus Bericht und Antrag zu unterbreiten.

Am 26. Juni 2002 hiess er den Bericht «Lage- und Gefährdungsanalyse Schweiz nach den Terroranschlägen
vom 11. September 2001» gut.

In der Folge wurden die Gesetzgebungsarbeiten in die Wege geleitet. Eine interdepartementale Arbeitsgruppe erarbeitete unter Beizug von Kantonsvertretern ein Aussprachepapier zu Handen des Bundesrates und legte dieses mehrfach überarbeitet im Herbst 2003 der Konsultativen Sicherheitskommission (KSK) vor. Parallel dazu wurde im Januar 2003 beim Schweizerischen Institut für Rechtsvergleichung (SIR) ein rechtsvergleichendes Gutachten über die Grundlagen der inneren Sicherheit angefordert. Nach dem Wechsel an der Departementsspitze des EJPD nahm der neue Vorsteher vom aktuellen Stand Kenntnis und traf Vorentscheide zum weiteren Vorgehen. Die Orientierung des Bundesrates ist für den Herbst 2004 vorgesehen.

5076

3.3

Asylpolitik/Ausländerrechtliche Massnahmen

Der Dienst für Analyse und Prävention (DAP) überprüft, in den meisten Fällen gestützt auf Asylgesetz und BWIS, Gesuche von Asylsuchenden, die wegen ihrer politischen oder gewaltorientierten Aktivitäten ihr Heimatland verlassen haben.

Die gesetzlichen Grundlagen erlauben es, Personen, die die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz gefährden könnten, von der Schweiz fernzuhalten. Sie finden jedoch ihre Grenzen, wenn sich eine Person bereits in der Schweiz aufhält und wegen unzulässigem, unzumutbarem oder unmöglichem Vollzug nicht weggewiesen werden kann.31 Eine Person kann sich nicht auf das Rückschiebungsverbot berufen, wenn erhebliche Gründe für die Annahme vorliegen, dass sie die Sicherheit der Schweiz gefährdet, oder wenn sie als gemeingefährlich einzustufen ist, weil sie wegen eines besonders schweren Verbrechens oder Vergehens rechtskräftig verurteilt worden ist.32 Ein Einzelfall muss sich noch nicht zwingend auf die Sicherheitslage der Schweiz auswirken. Sollten jedoch zunehmend Angehörige gewaltorientierter Organisationen in die Schweiz kommen, kann sich durch die grosse Zahl der hier anwesenden Exponenten eine Gefährdung der inneren Sicherheit der Schweiz ergeben.

Es fehlen gesetzliche Grundlagen, um präventiv Gefährdungen durch Personen, die sich in der Schweiz befinden, mittels technischer Massnahmen erkennen zu können.

Dies führt zunehmend zu einer Lücke, weil die zuständigen Behörden nur beschränkt über sicherheitsrelevante Erkenntnisse verfügen, die es ermöglichen, rechtzeitig Massnahmen zu ergreifen. Die personellen Ressourcen beim Bund und den Kantonen erlauben es nicht, den Aktivitäten der hier anwesenden Exponenten im nötigen Mass Beachtung zu schenken.

Gegen Angehörige gewaltorientierter Gruppierungen verfügt der DAP eine Einreisesperre, sobald konkrete Erkenntnisse über Identität und Aktivitäten vorliegen. Einreisesperren sind ein wirksames Mittel, Personen, welche aus Gründen der inneren oder äussern Sicherheit unerwünscht sind, fernzuhalten. Allerdings bieten sie keine absolute Gewähr, da eine unkontrollierte Einreise in die Schweiz jederzeit möglich ist.

Im Zusammenhang mit dem Entlastungsprogramm 2003 werden Systemänderungen im Asyl- und Ausländerbereich vollzogen, die Personen betreffen, deren Asylgesuch offensichtlich unbegründet ist oder die sich im Asylverfahren
missbräuchlich verhalten. Auf diese Asylgesuche wird ­ wie bisher ­ nicht eingetreten. Die betroffenen Personen gelten ab Rechtskraft des Nichteintretensentscheides als ausländische Personen, die sich illegal in der Schweiz aufhalten. Sie haben die Schweiz unverzüglich und selbständig zu verlassen. Neu gilt, dass der Bund den Kantonen ab Rechtskraft des Nichteintretensentscheides keine Sozialhilfe mehr abgibt. Diese Massnahme führt nicht nur zu den angestrebten Minderausgaben, sondern erhöht auch die Glaubwürdigkeit des schweizerischen Asylsystems, wenn die beschränkten Mittel nur für die Unterstützung von Personen eingesetzt werden, die wirklich Schutz 31

32

Vgl. AsylG Artikel 5 Absatz 1; zur Änderung und Durchsetzung des internationalen Flüchtlingsrechts im Falle von Kriminellen vgl. 95.3192 ­ Postulat Stamm Luzi, eingereicht 24.3.1995; Erklärung des Bundesrates 31.5.1995: Der Bundesrat beantragt, das Postulat abzulehnen; 14.3.1996 NR Ablehnung.

AsylG Artikel 5 Absatz 2.

5077

benötigen. Zudem dürfte der Ausschluss illegal anwesender Personen aus den Sozialhilfestrukturen des Asylbereichs eine abschreckende Wirkung haben.

3.4

Forschung und Bildung

3.4.1

Nationale Forschungsprojekte

Der seit einigen Jahren feststellbare Trend zu mehr Gewalttätigkeit auch bei Jugendlichen in unserer Gesellschaft wurde von der Forschung und von politischen Stellen erkannt und ernst genommen. Es gibt ein breites und weitgehend fundiertes, allerdings noch in der wissenschaftlichen Diskussion stehendes Wissen um Ursachen und Erscheinungsformen von Gewaltphänomenen.

Insbesondere das NFP 40 zum Thema «Gewalt im Alltag und organisierte Kriminalität»33 beschäftigte sich in mehreren Teilprojekten mit unterschiedlichsten Erscheinungsformen der Gewalt. Hervorzuheben in diesem Kontext sind die Forschungsarbeiten in den Bereichen Gewalt im Jugendalter, Gewalt im privaten Raum und Gewalt im öffentlichen Raum. Die Ergebnisse der Untersuchungen, Präventionsund Interventionsprojekte zu konkreten Phänomenen wie Vandalismus, Rassismus, Jugendgewalt oder Gewalt an Schulen können und sollen Grundlagen für weitere Präventionsarbeit und politische Massnahmen sein. Zudem wurde vom Nationalfonds ein neues Nationales Forschungsprogramm (NFP 52) lanciert, das sich dem Thema «Kindheit, Jugend und Generationenbeziehungen im gesellschaftlichen Wandel» widmet. Darin wird unter anderem auch die Aggressions- und Konfliktproblematik untersucht.

Der Bundesrat beschloss am 15. Juni 2001, das NFP 40 «Gewalt im Alltag und organisierte Kriminalität» um einen Betrag von 4 Millionen Franken aufzustocken und das Zusatzmodul NFP 40+ «Rechtsextremismus ­ Ursachen und Gegenmassnahmen» mit einer Laufzeit von drei Jahren zu realisieren. Betont wurde im Beschluss insbesondere die Notwendigkeit, Anhaltspunkte für Massnahmen zu ermitteln, mit welchen der Rechtsextremismus wirkungsvoll bekämpft werden kann.

Ziel dieses Programms ist es, neue Einsichten über Entstehungsbedingungen, Erscheinungsformen, Verbreitung und Konsequenzen von rechtsextremen Aktivitäten und Einstellungen in der Schweiz zu gewinnen. Besonderes Augenmerk wird dem gesellschaftlichen Umfeld des Rechtsextremismus sowie der Evaluation möglicher Gegenmassnahmen geschenkt. Die Forschungsergebnisse sollen die Grundlagen schaffen für zukunftsorientierte Strategien im Umgang mit Rechtsextremismus auf kommunaler, kantonaler sowie auf Bundesebene. Ausserdem soll das Programm den Anschluss der Rechtsextremismusforschung in der Schweiz an entsprechende Forschungsanstrengungen in
anderen Ländern gewährleisten.

Im August und November 2003 ist mit den Arbeiten der evaluierten Forschungsprojekte begonnen worden. 2007 sollen die Forschungsarbeiten abgeschlossen sein.34 Neben der Forschungstätigkeit in den Nationalen Forschungsprogrammen und anderen universitären Studien wurde das Thema Gewalt auch von einigen Bundesstellen bearbeitet. Die eidgenössische Kommission für Jugendfragen (EKJ), heute 33 34

Siehe dazu: http://www.snf.ch/NFP/NFP40/Home_d.html.

Siehe dazu: http://www.nfp40plus.ch.

5078

Eidgenössische Kommission für Kinder- und Jugendfragen (EKKJ), und die Fachstelle für Rassismusbekämpfung haben z.B. im Jahr 2003 zwei Broschüren zu den Themen Migrationsjugendliche35 und jugendgerechte Integrationspolitik36 herausgegeben. Die von der genannten Kommission bereits im Jahr 1999 herausgegebene Broschüre «Prügeljugend ­ Opfer oder Täter?» stellte konkrete politische Forderungen und verband sie mit Vorschlägen zur praktischen Umsetzung.

Das von der Forschung erarbeitete Grundlagenwissen und die daraus abgeleiteten Empfehlungen für praktische Massnahmen haben inner- und überkantonal zu vielfältigen Formen von Präventions- und Interventionsarbeit geführt.

3.4.2

Präventionskampagnen der Kantone

Die Schweizerische Verbrechensprävention als Fach- und Koordinationsstelle der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) hat die Aufgabe, Kampagnen und Projekte zur Kriminalprävention zu entwickeln und zu gestalten. Zusammen mit den Polizeibehörden der Schweiz und weiteren Partnerorganisationen (v.a. Erziehungsinstitutionen) wurde z.B. die Kampagne «Gemeinsam gegen Gewalt» realisiert. Diese Kampagne aus dem Jahr 1999 fokussiert unter anderem auf das Thema der Jugendgewalt.

Die von der Schweizerischen Verbrechensprävention koordinierte Kampagne initiierte in einigen Kantonen ein weitergehendes Engagement (v.a. bei der Polizei und an Schulen) im Bereich der Gewaltprävention. Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren führte schon im Jahr 1999 eine kantonale Umfrage zu den getroffenen Massnahmen gegen Gewalt an Schulen durch. Diese Evaluation kam zum Schluss, dass im Vergleich zu einer Umfrage von 1993 heute mehr Informations- und Unterrichtsmaterialien über Gewalt zur Verfügung stehen und dass häufiger Gewaltprävention betrieben wird. Rund vier Fünftel der Kantone erwähnen, dass Präventions- und Interventionsprojekte zum Thema Gewalt an Schulen durchgeführt werden. Auch auf Polizeiebene wurde die Gewaltprävention gefördert und teilweise sogar institutionalisiert.

3.4.3

Präventionskampagnen des Bundes

Des Weiteren befassen sich auf Bundesebene mehrere Stellen mit der Präventionsarbeit, die auch die Themen «Gewalt allgemein» und «Gewalt und Jugendliche» aufgreifen. Exemplarisch erwähnt sei hier ­ neben der bereits erwähnten eidgenössischen Kommission für Kinder- und Jugendfragen ­ das Bundesamt für Gesundheit (BAG), das Primär- und Sekundärprävention zu den Themen Risikojugend oder Konfliktlösungen initiierte.

35 36

Offene Jugendarbeit und soziokulturelle Animation: Bestandesaufnahme und Perspektiven der Arbeit bei Migrationsjugendlichen.

Stärken wahrnehmen ­ Stärken nutzen. Perspektiven für eine kinder- und jugendgerechte Integrationspolitik.

5079

Seit drei Jahren führt das BAG die nationale Präventionskampagne «supra-f» für jugendliche Risikogruppen. Zurzeit existieren in sieben Kantonen zwölf Präventionseinrichtungen, bei denen sich Jugendliche mit persönlichen Problemen beraten lassen können. Das BAG plant ein weiterführendes Präventionsprogramm für Jugendliche betreffend Gewalt, Drogen und psychischen Problemen für die Jahre 2004­2007.

5080

Anhang

Nationalrat 02.3059 Postulat Christlichdemokratische Fraktion Extremismus-Bericht. Aktualisierung Wortlaut des Postulates vom 14. März 2002 Der Bundesrat wird ersucht, dem Parlament einen umfassenden Bericht zum Phänomen «Extremismus» sowie seine Auswirkungen auf die Sicherheit der Schweiz zu verfassen. Der Bericht soll einerseits eine Lagebeurteilung mit Informationen über alle Aktivitäten und Bestrebungen extremistischer Bewegungen enthalten. Er soll zudem das Gefährdungspotenzial durch so genannte Schläfer, Aufrufe zur Gewaltanwendung, Rekrutierung, Finanzierung von Gewaltakten, rechtswidrige Aktivitäten usw. von extremistischen Gruppen und Einzelpersonen beurteilen und das Konzept des Bundesrates zur frühzeitigen Erkennung und Prävention der Gefahren darlegen.

Sprecher/in: Leu Begründung Die terroristischen Anschläge vom 11. September 2001 haben die Bevölkerung weltweit verunsichert. Nicht nur die Angst vor neuen Anschlägen spielt dabei eine Rolle. Die Gewaltakte mit islamistischem fundamentalistischem Hintergrund sind geeignet, Misstrauen gegenüber entsprechenden Gruppen und Bewegungen zu wecken. Dies birgt die Gefahr der pauschalen und ungerechtfertigten Vorverurteilung.

Extremistische Tätigkeiten können rasch in rechtswidrige Aktionen abgleiten. Darunter leiden oft auch in der Schweiz lebende Ausländergruppen. Es ist zu verhindern, dass es soweit kommt. Der Bericht soll deshalb aufzeigen, wie das Phänomen des Extremismus im Rahmen einer Gesamtstrategie anzugehen und zu bewältigen ist. Was muss getan werden, um solche Tätigkeiten frühzeitig zu erkennen und nach welchen Kriterien soll dann eingegriffen werden?

Welche Rolle spielt dabei der Schutz der Religionsfreiheit? Wird diese etwa in der Schweiz missbraucht? Sind nicht im Interesse der Sicherheit der Bürger und des Staates gewisse präventive Kontrollen und Überwachungen notwendig?

Eine klare und transparente Lagebeurteilung sowie die Gewissheit, dass sorgfältig und systematisch gegen gefährliche extremistische Bewegungen vorgegangen wird, sind unabdinglich, um die Diskussion zu beruhigen und der Verunsicherung entgegenzutreten.

Stellungnahme des Bundesrates Angeregt durch verschiedene parlamentarische Vorstösse hat der Bundesrat dem Parlament am 16. März 1992 einen umfassenden Bericht über den Extremismus in der Schweiz unterbreitet
(92.033). Seither wird die Bedrohung durch den gewalttätigen Extremismus in den jährlichen Staatsschutzberichten, ab diesem Jahr im Bericht des Bundesamtes für Polizei zur inneren Sicherheit, umfassend behandelt, so dass Sonderberichte, wie sie das vorliegende Postulat verlangt, die Ausnahme bleiben können. Im Herbst 2002 wird der Bundesrat dem Parlament zudem den Schlussbericht «Lage- und Risikoanalyse Schweiz nach den Terroranschlägen vom 11. Sep-

5081

tember 2001» vorlegen. Im Anschluss daran soll mit der verlangten Aufdatierung des Extremismusberichtes begonnen werden.

Erklärung des Bundesrates Der Bundesrat ist bereit, das Postulat entgegenzunehmen.

Parlamentarische Vorstösse zum Extremismusthema seit 1992 92.3382

Dringliche Einfache Anfrage Sozialdemokratische Fraktion, ISIS-Verordnung und Staatsschutz-Weisungen, eingereicht 22.9.1992, NR, 21.10.1992, NR, erledigt.

92.3593

Postulat Grendelmeier Verena, Periodische Extremismusberichte, eingereicht 18.12.1992, NR, 18.3.1994, NR, angenommen, erledigt.

93.3349

Interpellation Christlichdemokratische Fraktion, Gegen eine Schweiz als «Insel der Unsicherheit», eingereicht 18.6.1993, NR, 17.6.1994, NR, erledigt.

93.3469

Interpellation Schwab Heinz, Stärkung der inneren Sicherheit, eingereicht 6.10.1993, NR, 18.3.1994, NR, erledigt.

95.3599

Interpellation Frick Bruno, Bericht über den «Rechtsextremismus in der Schweiz», eingereicht 20.12.1995, SR, 21.3.1996, SR, erledigt.

98.3574

Interpellation Loeb François, Bericht Antisemitismus. Folgerungen, eingereicht 14.12.1998, NR, 19.3.1999, NR, die Diskussion wird verschoben, 21.9.1999, NR, der Vorstoss wird durch Frau Nabholz übernommen, 15.12.2000, NR, abgeschrieben, weil seit mehr als zwei Jahren hängig.

99.3271

Interpellation Reimann Maximilian, Fragwürdige Aussagen der Bundespolizei über Rechtsextremisten-Szene, eingereicht 15.6.1999, SR, 5.10.1999, SR, erledigt.

99.3175

Interpellation Widrig Hans Werner, Gefährdung der Sicherheit durch Personen aus Krisen- und Kriegsgebieten, eingereicht 21.4.1999, NR, 20.3.2001, NR, erledigt.

00.1138

Einfache Anfrage Baumann J. Alexander, World Economic Forum. Sicherheit für Davos, eingereicht 13.12.2000, NR, Antwort des Bundesrates 17.1.2000.

00.1094

Einfache Anfrage Freund Jakob, Extremismus. Ursachen erkennen statt Symptome bekämpfen, eingereicht 2.10.2000, NR, Antwort des Bundesrates 22.11.2000.

00.3059

Interpellation Freund Jakob, Internetaktivitäten des Bundes im Rahmen der Strafverfolgung, eingereicht 16.3.2000, NR, 23.6.2000, NR, erledigt.

00.3429

Dringliche Interpellation Sozialdemokratische Fraktion, Rechtsextremismus, eingereicht 19.9.2000, NR, 5.10.2000, NR, erledigt.

5082

00.3432

Dringliche Interpellation Christlichdemokratische Fraktion, Massnahmen gegen Rechtsradikalismus, eingereicht 19.9.2000, NR, 5.10.2000, NR, erledigt.

01.1068

Einfache Anfrage de Dardel Jean-Nils, Personenregistrierung in den Datensystemen Janus und Isis, eingereicht 21.6.01, NR, Antwort des Bundesrates 5.9.2001.

01.3024

Interpellation Sozialdemokratische Fraktion, Konsequenzen aus dem World Economic Forum 2001, eingereicht 5.3.2001, NR, 22.6.2001, NR, die Diskussion wird verschoben, 21.3.2003, abgeschrieben, weil seit mehr als zwei Jahren hängig.

01.3027

Interpellation Grüne Fraktion, Hollenstein Pia, World Economic Forum. Ausnahmezustand, eingereicht 6.3.2001, NR, 21.3.2003, abgeschrieben.

01.3033

Interpellation Freisinnig-demokratische Fraktion, Pelli Fulvio, Extremismus und Gewalt im Umfeld politischer und wirtschaftlicher Veranstaltungen, eingereicht 6.3.2001, NR, 22.6.2001, NR, erledigt.

01.3052

Interpellation Dunant Jean Henri, Ausschreitungen ausländischer Extremisten, eingereicht 8.3.2001, NR, 22.6.2001, NR, erledigt.

01.3255

Interpellation Baumann J. Alexander, Die Schweiz als Rekrutierungs-, Ausrüstungs- und Finanzierungsbasis im Jugoslawienkonflikt, eingereicht 9.5.2001, NR, 20.6.2001, NR, abgeschrieben.

01.3293

Interpellation Waber Christian, Terrorismus und Antisemitismus.

Stellungnahme des Bundesrates, eingereicht 12.6.2001, NR, 5.10.2001, NR, erledigt.

01.3388

Interpellation Leu Josef, Weiter gehende Massnahmen im Umgang mit albanischen Extremisten, eingereicht 21.6.2001, NR, 20.6.2003, NR, abgeschrieben.

01.3445

Interpellation Hess Bernhard, Zunehmende Gewaltanwendung durch Ausländer, eingereicht 18.9.2001, NR, 14.12.2001, NR, erledigt.

01.3485

Motion Freund Jakob, Daten im Dienst der Sicherheit, eingereicht 27.9.2001, NR, 3.10.2003, NR, abgeschrieben, weil seit mehr als zwei Jahren hängig.

01.3589

Interpellation Teuscher Franziska, Schweiz und G8-Gipfel in Genua.

Fragen danach, eingereicht 4.10.2001, NR, 3.10.2003, abgeschrieben.

01.3612

Interpellation Suter Marc F., Terrorbekämpfung in der EU. Auswirkungen auf die Schweiz, eingereicht 5.10.2001, NR, 14.12.2001, NR, die Diskussion wird verschoben, 3.10.2003, NR, abgeschrieben, weil seit mehr als zwei Jahren hängig.

01.3633

Postulat Leutenegger Oberholzer Susanne, Terroranschläge. Neue Beurteilung der Risikosituation der Schweiz, eingereicht 5.10.2001, NR, 14.12.2001, NR, Annahme.

5083

01.3652

Motion Fraktion der Schweizerischen Volkspartei, Umdenken in der schweizerischen Sicherheitspolitik, eingereicht 16.11.2001, NR, 19.12.2003, NR, abgeschrieben, weil seit mehr als zwei Jahren hängig.

01.3704

Motion Christlichdemokratische Fraktion, Beseitigung von Schwachstellen in der Terrorismusprävention, eingereicht 4.12.2001, NR, 22.3.2002, NR, bekämpft; Diskussion verschoben, 19.12.2003, NR, abgeschrieben, weil seit mehr als zwei Jahren hängig.

02.3164

Motion Bühlmann Cécile, Skinheads in der Armee, eingereicht 22.3.2002, NR, 21.6.2002, NR, abgeschrieben.

02.3504

Interpellation Waber Christian, Islam. Ausserhalb unserer Verfassung?, eingereicht 30.9.2002, NR, 21.3.2003, NR, die Diskussion wird verschoben.

02.3507

Interpellation Dunant Jean Henri, Islamistische Umtriebe in der Schweiz, eingereicht 30.9.2002, NR, 13.12.2002, NR, erledigt.

02.3548

Interpellation Gysin Remo, Globalisierungskritiker. Datenaustausch zwischen schweizerischen und ausländischen Polizeibehörden, eingereicht 2.10.2002, NR, 13.12.2002, die Diskussion wird verschoben.

02.3583

Interpellation Hollenstein Pia, Vorladung von friedlichen Demonstranten, eingereicht 3.10.2002, NR, 13.12.2002, NR, die Diskussion wird verschoben.

03.1049

Einfache Anfrage Teuscher Franziska, Sicherheit von Atomanlagen gegen Terroranschläge. Unbeantwortete Fragen, eingereicht 8.5.2003, NR, Antwort des Bundesrates10.9.2003.

03.3033

Postulat Dunant Jean Henri, Überwachung islamistischer Umtriebe in der Schweiz, eingereicht 5.3.2003, NR, erledigt.

03.3292

Interpellation Wicki Franz, Sicherheitspolitische Konsequenzen aus dem G8-Gipfel in Evian, eingereicht 16.6.2003, SR, 2.10.2003, SR, erledigt.

04.3216

Motion Burkhalter Didier, Terrorismusbekämpfung. Präventive Massnahmen, eingereicht 3.5.2004, NR, im Plenum noch nicht behandelt.

Berichte und Literatur (Auswahl) Öffentliche Berichte des Bundes ­

92.033 ­ Extremismus in der Schweiz. Bericht des Bundesrates zum Extremismus in der Schweiz vom 16. März 1992

­

Bundesamt für Polizei/EJPD (Hrg.), Bericht Innere Sicherheit, Bern 2001 ff.

­

Bundespolizei/EJPD (Hrg.), Staatsschutzbericht, Bern 1993­2000

­

Bundespolizei/EJPD (Hrg.), Skinheads in der Schweiz, Bern 2000

­

Eidgenössische Kommission für Jugendfragen/EDI (Hrg.), Prügeljugend ­ Opfer oder Täter?, Bern 1998

5084

­

Eidgenössische Kommission gegen Rassismus/EDI (Hrg.), Antisemitismus in der Schweiz, Bern 1998

­

Eidgenössische Kommission gegen Rassismus/EDI (Hrg.), TANGRAM, Bulletin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, Bern 1996 ff.

­

EJPD (Hrg.), Das Gewaltpotenzial in der Antiglobalisierungsbewegung, Bern 2001

­

EJPD (Hrg.), Interdepartementale Arbeitsgruppe «Koordination und Umsetzung von Massnahmen im Bereich des Rechtsextremismus», Koordination und Umsetzung von Massnahmen im Bereich des Rechtsextremismus, Bericht an den Bundesrat, Oktober 2001; Gianni D'Amato, Brigitta Gerber, Ausstiegshilfen für Extremistinnen und Extremisten auf der Rechten ­ Möglichkeit und Potentiale für die Schweiz; Schlussbericht ­ Mandant, Interdepartementale Arbeitsgruppe REX; Schweizerisches Forum für Migrationsstudien; Neuenburg, 1. November 2001

­

EJPD (Hrg.), Scientology und Sekten in der Schweiz. Bericht zuhanden des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes vom Dezember 2000

­

Lage- und Gefährdungsanalyse Schweiz nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Bericht des Bundesrates an das Parlament vom 26. Juni 2002. BBl Nr. 8, 4.3.2003, 1832

­

Rechtsextremistische Tendenzen unter jungen Erwachsenen. Werkstattbericht der Eidgenössischen Jugend- und Rekrutenbefragungen (ch-x), Bern 2001

­

VBS (Hrg.), Extremismus in der Armee, Bern 1998

Öffentliche ausländische und internationale Berichte ­

Bundesministerium des Innern (Hrg.), Islamismus, Berlin 2003

­

Conseil de l'Europe, Assemblée parlementaire, Menace des partis et mouvements extrémistes pour la démocratie en Europe, Doc. 9890, 25 juillet 2003

Literaturauswahl ­

Altermatt, Urs, Hanspeter Kriesi, Rechtsextremismus in der Schweiz. Organisationen und Radikalisierung in den 1980 und 1990er Jahren; Zürich 1995 (franz. Freiburg 1995)

­

Backes, Uwe, Eckhard Jesse (Hrg.), Jahrbuch Extremismus und Demokratie, Baden-Baden 1995 ff.

­

Backes, Uwe, Politischer Extremismus in demokratischen Verfassungsstaaten. Elemente einer normativen Rahmentheorie, Opladen 1989

­

Balencie, Jean-Marc, Arnaud de la Grange (Ed.), Mondes rebelles. Guerres civiles et violences politiques, Paris 1999

­

D'Amato, Gianni, Ursachen des Rechtsextremismus. Eine Programmatik für die sozialwissenschaftliche Forschung in der Schweiz, in: Swiss Political Science Review 9 (2003), S. 89­106

­

Heitmeyer, Wilhelm, John Hagan (Hrg.), Internationales Handbuch der Gewaltforschung, Wiesbaden 2002 5085

­

Kepel, Gilles, Les banlieues de l'Islam, Paris 1991

­

Maier, Hans (Hrg.), Wege in die Gewalt. Die modernen politischen Religionen, Frankfurt a. Main 2000

­

Menhorn, Christian, Skinheads. Portrait einer Subkultur, Baden-Baden 2001

­

Meuwly, Olivier, Anarchisme et Modernité, Lausanne 1998

­

Pfahl-Traughber, Armin, Gewaltbereiter und gewalttätiger politischer Extremismus in Deutschland. Darstellung, Einschätzung und Vergleich des Gefahrenpotenzials, in: Kriminalistik 57 (2003), S. 202­208

­

Roy, Olivier, L'islam mondialisé, Paris 2002

­

Wisler, Dominique, Drei Gruppen der Neuen Linken auf der Suche nach der Revolution, Zürich 1996

5086