03.460 Parlamentarische Initiative Parallelverfahren der Geschäftsprüfungsdelegation mit personalrechtlichen Untersuchungen oder Administrativuntersuchungen des Bundes Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 21. November 2003

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen gemäss Artikel 21quater Absatz 3 des Geschäftsverkehrgesetzes (GVG) den vorliegenden Bericht. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Gesetzesentwurf zuzustimmen.

21. November 2003

Im Namen der Kommission Der Präsident: Michel Béguelin

2004-0228

1469

Bericht 1

Entstehungsgeschichte

1.1

Ausgangslage

Die Delegation der Geschäftsprüfungskommissionen beider Räte (GPDel) hatte bereits am 12. November 1999 einen Bericht zum schweizerischen Nachrichtendienst und seinen Beziehungen zu Südafrika veröffentlicht (BBl 2000 563). Nachdem Ende Juli 2001 neue Mutmassungen über die Rolle des Schweizer Nachrichtendienstes aufgetaucht waren, ergab sich ein Bedarf für neue Abklärungen.

Unabhängig von den Arbeiten der GPDel ordnete auch der Vorsteher des Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) eine Administrativuntersuchung den gleichen Themenbereich betreffend an. Trotz genauer Definition des Untersuchungsgegenstandes und Unterbreitung eines detaillierten Untersuchungskonzepts von Seiten der GPDel, zeigte sich bald, dass der Gegenstand der Administrativuntersuchung in weiten Teilen mit dem Untersuchungskonzept der GPDel übereinstimmte. Die Parallelität des parlamentarischen Aufsichtsverfahrens mit einer departementsinternen Administrativuntersuchung ähnlicher Zielsetzung führte zu wesentlichen Abgrenzungs- und Koordinationsproblemen.

Die GPDel hatte während ihrer Untersuchung mit grossen Schwierigkeiten zu kämpfen, welche in ihrem Bericht vom 30. September 2003 detailliert aufgezeichnet sind (vgl. Bericht der GPDel vom 30. September 2003 «Zur Abgrenzung der Untersuchungen der Delegation der Geschäftsprüfungskommissionen von verwaltungsinternen Administrativuntersuchungen am Beispiel der Abklärung Südafrika»; BBl 2004 ...). Die Parallelität von zwei Untersuchungen hat erhebliche Verunsicherungen und Doppelspurigkeiten hervorgerufen. Dies hatte beispielsweise zur Folge, dass sich die anzuhörenden Personen zweimal zum gleichen Thema äussern mussten und dass auch die Verwaltung mit Auskunftsbegehren und Akteneditionsbegehren doppelt belastet wurde. Auch bestand die Gefahr, dass in der Öffentlichkeit eine Unsicherheit entstand, weil diese nicht ohne weiteres zwischen den Ergebnissen einer Untersuchung der GPDel und einer personalrechtlichen- oder Administrativuntersuchung unterscheiden konnte.

Die Problematik der Parallelität eines parlamentarischen Aufsichtsverfahrens mit einer departementsinternen Administrativuntersuchung stellt jedoch keine neue Schwierigkeit dar, sondern war auch in der Vergangenheit schon anzutreffen (vgl.

Angelegenheiten ,,Dino Bellasi" und ,,Friedrich Nyffenegger",
bei denen es auch schon zu Parallelitäten zwischen einer Abklärung der GPDel und Administrativuntersuchungen des Departementes gekommen ist.). Bereits im Jahre 1989, als eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) eingesetzt wurde, um Vorkommnisse im EJPD zu untersuchen, kam man zum Schluss, dass die verschieden geführten Untersuchungen «rechtliche Abgrenzungen nötig (machten), etwa betreffend der gegenseitigen Aktenherausgabe, der Form der Befragung (Zeuge oder Auskunftsperson), der Rechte der befragten Person oder der gegenseitigen Informationspflicht» (vgl. 89.006. Vorkommnisse im EJPD. Bericht der parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) vom 22. November 1989, BBl 1990 I 637 ff.).

Die PUK EMD aus dem Jahre 1990 machte dieselbe Feststellung (vgl. 90.022.

Vorkommnisse im EMD. Bericht der parlamentarischen Untersuchungskommission 1470

(PUK EMD) vom 17. November 1990, BBl 1990 III 1293 ff.). Sie ging sogar noch einen Schritt weiter und kam zum Schluss, dass die Parallelität der Untersuchungen im Extremfall dazu führen könne, dass «die Exekutive den Zweck einer parlamentarischen Untersuchung durch die Anordnung und rücksichtslose Durchführung von Disziplinarverfahren oder Administrativ-untersuchungen vereiteln kann» (vgl.

Bericht PUK EMD, Ziff. 5.4). Die PUK EMD reichte deshalb eine parlamentarische Initiative ein, die diese Parallelität der Untersuchungen verhindern sollte (vgl.

90.266. Parlamentarische Initiative. Geheimhaltung. Oberaufsicht des Parlamentes.

Bericht der Kommission des Nationalrates vom 14. März 1994, BBl 1994 II 1409 ff.). Die Räte gaben dieser Initiative Folge. Seit der Annahme dieser parlamentarischen Initiative, dürfen personalrechtliche Untersuchungen und Administrativuntersuchungen, sofern sie dieselben Sachverhalte betreffen wie das Verfahren einer PUK, nur mit Ermäch-tigung derselben eingeleitet oder weitergeführt werden (sog.

Ermächtigungs-vorbehalt, vgl. dazu Art. 171 des Parlamentgesetzes vom 13. Dezember 2002).

1.2

Vorschlag der Kommission

Um den oben erwähnten Doppelspurigkeiten, im schlimmsten Fall sogar einer Behinderung einer Untersuchung der GPDel, in Zukunft aus dem Weg gehen zu können, schlägt die Kommission vor, einen Artikel 154bis neu in das Parlamentsgesetz (ParlG) aufzunehmen. Dieser Artikel soll Untersuchungen der GPDel den Vorrang vor personalrechtlichen Untersuchungen oder Administrativuntersuchungen verleihen, so wie dies heute schon für Untersuchungen der PUK der Fall ist. Die Kommission beschränkt sich hierbei auf parallel laufende Untersuchungen. Die GPDel soll demzufolge parallel laufende personalrechtliche Untersuchungen oder Administrativuntersuchungen des Bundes, deren Sachverhalt oder Personen auch Gegenstand der Untersuchung der GPDel sind, unterbrechen können. Falls jedoch die Untersuchung der GPDel schon abgeschlossen ist, soll der Ermächtigungsvorbehalt nicht gelten.

Die Kommission ist davon überzeugt, dass am gewünschten Ermächtigungsvorbehalt für parallel laufende Untersuchungen nichts zu beanstanden ist. Für personalrechtliche und Administrativuntersuchungen gilt das Opportunitätsprinzip, d.h. es liegt im Ermessen der zuständigen Verwaltungsbehörde, ob ein Verfahren durchgeführt wird oder nicht. Der Ermächtigungsvorbehalt zugunsten des Verfahrens einer PUK, bzw. der GPDel, verstösst also nicht gegen ein grundlegendes Verfahrensprinzip. Im Sinne der Wahrung der Unabhängigkeit der Justiz, gilt der Ermächtigungsvorbehalt weder für gerichtliche Verfahren, noch für gerichtspolizeiliche Verfahren.

Diese können parallel zu anderen Untersuchungen laufen. Nach Ansicht der Kommission ist es wichtig, dass die Ermittlungsbehörden ohne vorgängige Ermächtigung einer Untersuchungskommission bzw. der GPDel rasch handeln können, um zu verhindern, dass Beweismittel verschwinden oder dass die absolute Verjährung eintreten könnte.

Im Übrigen ist die Kommission der festen Überzeugung, dass eine erfolgreiche Ausübung der parlamentarischen Oberaufsicht eine unabdingbare Notwendigkeit in einem demokratischen Rechtsstaat darstellt. Die Möglichkeit einer Behinderung der Ausübung der parlamentarischen Oberaufsicht durch verwaltungsinterne Untersuchungen muss vermieden werden. Die oberste Gewalt liegt beim Parlament. Der 1471

Verfassungsgeber hat die GPDel in Artikel 169 Absatz 2 BV mit einem unbeschränkten verfassungsunmittelbaren Informationsrecht betraut. Diese ausserordentlichen Informationsrechte sind für die Ausübung des Oberaufsichtsauftrag notwendig und dürfen nicht durch personalrechtliche oder Administrativuntersuchungen relativiert werden. Hier ist auch zu erwähnen, dass das Ermächtigungserfordernis nicht bedeutet, dass erforderliche verwaltungsinterne Untersuchungen nicht durchgeführt werden können; liegen sachliche Gründe dafür vor, dass eine Administrativuntersuchung oder eine personalrechtliche Untersuchung parallel zur Untersuchung der GPDel durchgeführt werden muss, wird die GPDel selbstverständlich ihre Zustimmung erteilen. Es ist aber wichtig, dass die Kontrollorgane selber festlegen können, was der Ausübung ihres verfassungsmässigen Auftrags zweckmässig ist (Art. 153 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 169 BV). Dies ist insbesondere wichtig im Bereich der Nachrichtendienste. Hier unterliegt die Verwaltungstätigkeit allein der Beaufsichtigung durch die GPDel, während andere Kontrollmechanismen, wie etwa die Gerichte oder die Öffentlichkeit, ausscheiden.

Zusammenfassend ist die Kommission deshalb der Ansicht, dass die GPDel mit einer expliziten Kompetenz hinsichtlich anderer parallel laufender administrativer Verfahren ausgestattet werden sollte. Diese Kompetenz soll sich nur auf administrative und personalrechtliche Verfahren erstrecken. Zivil- oder Strafverfahren, wie auch gerichtspolizeiliche Ermittlungen sind davon nicht betroffen.

2

Erläuterungen der Bestimmung

Art. 154bis ParlG Absatz 1 ermöglicht es der GPDel, sowie es einer parlamentarischen Untersuchungskommission bereits heute möglich ist, Administrativ- oder personalrechtliche Untersuchungen des Bundes, die Sachverhalte oder Personen betreffen, welche auch Gegenstand der Untersuchung der GPDel sind, zu unterbrechen, wenn es ihr nötig erscheint. Ihr Ermächtigungsvorbehalt beschränkt sich auf parallel laufende Untersuchungen. Wenn die GPDel ihre Untersuchung also abgeschlossen hat, können die Bundesbehörden mit personalrechtlichen Untersuchungen oder Administrativuntersuchungen weiterfahren und brauchen dazu keine Ermächtigung der GPDel.

Absatz 2 stellt die Unabhängigkeit der Justiz sicher. Die GPDel hat politische Verantwortlichkeiten aufzudecken und institutionelle Mängel aufzuklären. Sie ist weder eine gerichtliche oder gerichtsähnliche Behörden, noch ein polizeiliches Untersuchungsorgan. Die Möglichkeit, zivil- und verwaltungsgerichtlichen Verfahren sowie Voruntersuchungen und Gerichtsverfahren in Strafsachen parallel zu Untersuchungen der GPDel führen zu können, ist wichtig.Vor allem bei heiklen Fällen (z.B.

organisierte Kriminalität) muss es den Ermittlungsbehörden möglich sein, ohne die vorgängige Ermächtigung der GPDel rasch zu handeln, bevor Beweismittel verschwinden oder die absolute Verfährung eintreten könnte.

Absatz 3 legt fest, dass, im Falle eines Streitfalls, ob die Ermächtigung einzuholen ist oder nicht, die GPDel entscheidet. Damit Zufallsentscheide der GPDel ausgeschlossen werden können, bedarf es der Zustimmung all ihrer Mitglieder. Falls diese Einstimmigkeit nicht zustande kommt, können Administrativ- oder personalrechtliche Untersuchungen des Bundes eingeleitet oder weitergeführt werden.

1472

3

Auswirkungen

3.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die vorgeschlagene Änderung des Parlamentsgesetzes hat keine finanziellen und personellen Auswirkungen.

4

Rechtliche Grundlagen

4.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Die Kommission stützt sich auf Artikel 153 Absatz 4 und Artikel 169 Absatz 2 der Bundesverfassung.

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