Generelle Bewilligung zur Offenbarung des Berufsgeheimnisses zu Forschungszwecken im Bereich der Medizin und des Gesundheitswesens Die Expertenkommission für das Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung, hat an der Plenarsitzung vom 15. Mai 2003, im Zirkularverfahren vom 4. Juni 2003, gestützt auf Artikel 321bis des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB, SR 311.0); Artikel 1, 3 Absatz 1, 9 Absätze 4 und 5, 10, 11 und 13 der Verordnung vom 14. Juni 1993 über die Offenbarung des Berufsgeheimnisses im Bereich der medizinischen Forschung (VOBG, SR 235.154); in Sachen Inselspital Bern betreffend Gesuch vom (26. November 1999) 10. April 2000 für eine generelle Bewilligung zur Offenbarung des Berufsgeheimnisses im Sinne von Artikel 321bis StGB zu Forschungszwecken im Bereich der Medizin und des Gesundheitswesens, verfügt: 1. Aufhebung der Zwischenverfügungen Die gemäss Artikel 45 Absatz 2 Buchstabe c des Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren (VwVG; SR 172.021) verhängten Sistierungen der (Bewilligungs-) Verfahren betreffend der Medizinischen Universitäts-Kinderklinik, des Instituts für medizinische Onkologie, des Instituts für Diagnostische Radiologie, der Urologischen Universitätsklinik, der Dermatologischen Universitätsklinik sowie des hämatologischen Zentrallabors werden mit dem vorliegenden Entscheid aufgehoben.

2. Bewilligungsnehmer Dem Inselspital Bern wird unter den nachfolgenden Bedingungen und Auflagen eine generelle Bewilligung gemäss Artikel 321bis StGB in Verbindung mit Artikel 3 Absätze 1 und 2 und Artikel 11 VOBG erteilt.

Der Verantwortliche für die Bewilligungsforschung ist der Direktor Lehre und Forschung Prof. Dr. med. V. Im Hof.

Durch die Bewilligung wird dem mit betriebsinterner Forschung betrauten Personal des Inselspitals Bern sowie den Doktoranden und Doktorandinnen gestattet, zu Forschungszwecken im Bereich der Medizin und des Gesundheitswesens unter den nachstehenden Bedingungen nicht anonymisierte Daten einzusehen.

Durch die Bewilligung wird die Einsichtnahme in nicht anonymisierte Daten ermöglicht, ohne dass der Datenanleger dadurch sein Berufsgeheimnis verletzt. Dies gilt jedoch nur innerhalb des als Bewilligungsnehmer bezeichneten Inselspitals. Sollten Forschungsprojekte auf nicht anonymisierte Daten anderer Spitäler oder medizinische Institute angewiesen sein,
oder soll externen Forschergruppen Einblick in nicht anonymisierte Daten des Inselspitals gewährt werden, ist der Kommission ein Sonderbewilligungsgesuch einzureichen.

3. Zweck und Umfang der Dateneinsicht Die Bewilligung umfasst das Recht, in den spitalinternen Datenbanken und Papierdateien die für betriebsinterne Forschungsprojekte relevanten Daten einzusehen.

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4. Bedingungen Wenn die Einwilligung der Patienten und Patientinnen zur Verwendung ihrer Daten ohne unverhältnismässig grosse Schwierigkeiten und ohne, dass ihnen ein erheblicher Schaden zugefügt wird, eingeholt werden kann, so dürfen die Daten nicht gestützt auf diese Bewilligung zu Forschungszwecken verwendet werden.

Es dürfen nur dann ohne Einwilligung nicht anonymisierte Daten verwendet werden, wenn das Forschungsprojekt nicht mit anonymisierten Daten durchgeführt werden kann.

Die Patienten und Patientinnen sind darüber aufzuklären, dass sie die Datenweitergabe untersagen können. Daten, deren Weitergabe untersagt wurde, dürfen nicht zu Forschungszwecken verwendet werden.

Bezüglich Datenerhebungen bis zum 31. Dezember 1995 verzichtet die Expertenkommission praxisgemäss auf den Nachweis der erfolgten Aufklärung der Berechtigten. Für Datenerhebungen ab dem 1. Januar 1996 kann sie nicht mehr davon absehen. Die Bewilligungsnehmerin hat demnach ­ sofern notwendig ­ eine nachträgliche Aufklärung der Betroffenen vorzunehmen. In welcher Form dies geschieht, bleibt ihr überlassen. An dieser Stelle ist lediglich darauf hinzuweisen, dass im Unterlassungsfalle neben einem Strafverfolgungsrisiko die Gefahr einer Forschungslücke aufkommt. Letztere entsteht, wenn wegen fehlender (allenfalls nachträglicher) Aufklärung die Verwendung von ansonsten konform erhobenen Daten für die Forschung untersagt ist.

Der verantwortliche Direktor Lehre und Forschung hat den Schutz der Daten und die Befolgung allfällig erhobener Verwendungsverbote sicherzustellen.

5. Datensammlungen und Kreis der Zugriffsberechtigten a.

Das Inselspital hat sicherzustellen, dass die personenbezogenen Angaben klar getrennt werden von den bereits anonymisierten Daten.

b.

Zu Forschungszwecken dürfen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Inselspitals Bern sowie die Doktorandinnen und Doktoranden mit Einwilligung des jeweiligen Chefarztes oder der jeweiligen Chefärztin oder eines leitenden Arztes oder einer leitenden Ärztin auf neues Datenmaterial Zugriff nehmen. Auf bereits bearbeitete Daten darf je nach Bedürfnis erneut zugegriffen werden. Nach Abschluss des Forschungsprojektes ist für einen erneuten Datenzugriff die Einwilligung des Chefarztes oder der Chefärztin einzuholen.

6. Dauer der Datenaufbewahrung Eine Befristung der Aufbewahrung richtet sich nach kantonalem Recht. Die Vernichtung der Daten des Forschungsprojektes hat gemäss den Vorschriften des kantonalen Datenschutzbeauftragten zu erfolgen.

7. Massnahmen für die Anonymisierung Die den Dateien des Spitals entnommenen Daten sind zu Beginn der Forschungstätigkeit zu anonymisieren.

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8. Erkennungsmerkmale Es ist sicherzustellen, dass in den auf den gesammelten Daten basierenden Publikationen keine Identifizierung der registrierten Personen möglich ist.

9. Auflagen a.

Für jedes Forschungsprojekt muss eine «non obstat»-Erklärung einer Ethikkommission eingeholt werden. Im vorliegenden Fall ist die Ethikkommission des Kantons Bern zuständig.

Nachdem die Ethikkommission die jeweiligen Forschungsgesuche auf ihre ethische Vereinbarkeit hin überprüft hat, kontrolliert der jeweils zuständige Chefarzt, die jeweils zuständige Chefärztin das Forschungsgesuch hinsichtlich der Vorgaben gemäss Artikel 6 der spitalinternen Weisung auf seine Vollständigkeit hin. Zusätzlich hat er oder sie sich über die Umschreibung der Forschungsthematik, über die Gründe, warum das Forschungsprojekt nicht mit anonymisierten Daten durchgeführt werden kann, weshalb die Einwilligung der Berechtigten nur mit unverhältnismässig hohem Aufwand einzuholen wäre und darüber auszusprechen, dass die jeweiligen Forschungsinteressen die Interessen der Berechtigten an der Geheimhaltung ihrer Gesundheitsdaten überwiegen. In einem weitern Schritt genehmigt der Direktor Lehre und Forschung das Forschungsvorhaben.

Ergänzt wird dieses Genehmigungsverfahren durch Kontrollen des Direktors Lehre und Forschung zusammen mit dem spitalinternen oder der spitalinternen Datenschutzberaterin des Inselspitals.

Wird diese Erklärung verweigert, darf das Forschungsprojekt nicht gestützt auf die Klinikbewilligung durchgeführt werden; das Einholen einer Sonderbewilligung bleibt diesfalls aber vorbehalten.

b.

Personendaten müssen durch angemessene technische und organisatorische Massnahmen gegen unbefugtes Bearbeiten geschützt werden. Der Bewilligungsnehmer richtet sich dabei an den vom Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten herausgegebenen Leitfaden zu den technischen und organisatorischen Massnahmen des Datenschutzes. Es ist insbesondere folgendes zu beachten: ­ Die nicht anonymisierten Personendaten, d.h. die EDV-Datensammlungen, die Krankengeschichten und die Patientenkarteien sind unter Verschluss zu halten; ­ der Zugriff auf die EDV-Datenbanken ist mit einem persönlichen Passwort zu sichern; ­ jede zugriffsberechtigte Person muss über ein Passwort verfügen, welches diese geheim zuhalten hat und ­ jeder Zugriff auf die personenbezogenen nicht anonymisierten Datenbanken auf den vernetzten EDV-Rechnern ist automatisch zu registrieren, es sei denn, es könnte auf andere Weise nachträglich festgestellt werden, ob Daten für denjenigen Zweck bearbeitet wurden, für den sie bekannt gegeben wurden.

c.

Die Krankengeschichten und die EDV-Datensammlungen müssen einen Vermerk über die allfällig erfolgte Weigerung der Datenverwendung zu Forschungszwecken enthalten.

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d.

Das Inselspital Bern hat die einzelnen betriebsinternen Forschungsprojekte sofort zu registrieren und dem Sekretariat der Expertenkommission jährlich zu Handen des Präsidenten zu melden. Diese Meldung hat folgendes zu beinhalten: ­ den Titel des Forschungsvorhabens; die (vermutete) Grösse des Kollektivs, die Einschlusskriterien und den Forschungszweck; ­ den verantwortlichen Projektleiter oder der verantwortlichen Projektleiterin; ­ die Namen der Personen, welche Einblick in nicht anonymisierte Daten nehmen dürfen; ­ für jedes einzelne Forschungsprojekt den Nachweis einer «non obstat»Erklärung der zuständigen Ethikkommission gemäss litera a.

e.

Das Inselspital Bern hat ein Zugriffsreglement zu erstellen und dieses dem Sekretariat zu Handen des Kommissionspräsidenten zuzustellen. Aus dem Zugriffsreglement muss hervorgehen, in welcher Funktion die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu Forschungszwecken Zugriff auf die EDVDatensammlungen mit nicht anonymisierten, personenbezogenen Daten sowie auf die Krankengeschichten und Patientenkarteien für besondere Vorkommnisse haben. Personen, die Forschung betreiben, aber über keine Zugriffsberechtigung verfügen, ist der Zugriff auf die nicht anonymisierten Daten zu verweigern. Insbesondere dürfen anderen Spitälern, externen Instituten oder externen Forschergruppen nur anonymisierte Daten zur Verfügung gestellt werden. Diejenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, welche zugriffsberechtigt sind, haben die beiliegende Erklärung betreffend die ihnen gemäss Artikel 321bis StGB auferlegte Schweigepflicht zu unterzeichnen und zu Handen der Expertenkommission in der Klinik aufzubewahren.

10. Bewilligungsdauer und -beständigkeit Die vorliegende Bewilligung wird für eine Dauer von fünf Jahren seit Eintritt der Rechtskraft erteilt.

In folgenden Fällen muss vor Ablauf der Bewilligungsdauer ein neues, ergänzendes Gesuch gestellt werden: ­

Wechsel des Direktors Lehre und Forschung

­

Änderungen des Konzepts zur Erfüllung der Auflagen des Bewilligungsentscheides

­

Änderung der Verwaltungs- oder Organisationsstruktur des Spitals

­

Änderung der Datenverwaltung

­

Änderung des Zugriffsreglements

11. Frist zur Auflagenerfüllung Dem Inselspital Bern wird zur Erfüllung der Auflagen gemäss Ziffer 9 Buchstaben b­e eine Frist von 6 Monaten seit Rechtskraft der Bewilligung gesetzt.

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12. Strafbarkeit Wer gemäss Artikel 321bis StGB ein Berufsgeheimnis unbefugterweise offenbart, das er durch seine Tätigkeit für die Forschung im Bereich der Medizin oder des Gesundheitswesens erfahren hat, wird nach Artikel 321 StGB bestraft.

13. Rechtsmittelbelehrung Gegen diese Verfügung kann nach Massgabe von Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe c des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (DSG; SR 235.1) und Artikel 44 ff. des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren (VwVG; SR 172.021) innert 30 Tagen seit deren Eröffnung bei der Eidgenössischen Datenschutzkommission, Postfach 5951, 3000 Bern 7, Verwaltungsbeschwerde erhoben werden. Die Beschwerde ist im Doppel einzureichen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift der beschwerdeführenden Partei oder ihres Vertreters oder ihrer Vertreterin zu enthalten.

14. Mitteilung und Publikation Diese Verfügung wird dem Inselspital Bern und dem Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten schriftlich mitgeteilt. Das Verfügungsdispositiv wird im Bundesblatt veröffentlicht. Wer zur Beschwerde legitimiert ist, kann innert der Beschwerdefrist beim Sekretariat der Expertenkommission, Bundesamt für Gesundheit, Abteilung Recht, 3003 Bern, nach telefonischer Voranmeldung (Telefon 031 322 94 94) Einsicht in die vollständige Verfügung nehmen.

27. April 2004

Expertenkommission für das Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung Der Präsident: Prof. Dr. iur. Franz Werro

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