00.069 Botschaft zum Abkommen zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Republik Ungarn über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität vom 23. August 2000

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Genehmigung des folgenden von der Schweiz unterzeichneten Abkommens: Abkommen vom 5. Februar 1999 zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Republik Ungarn über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

23. August 2000

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

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Der Bundespräsident: Adolf Ogi Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2000-0385

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Übersicht Seit 1992 bestehen zwischen der Schweiz und der Republik Ungarn enge Beziehungen im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Staaten Mittel- und Osteuropas im Polizeibereich. Dabei zeigte sich das Bedürfnis der direkten Zusammenarbeit der jeweiligen Polizei- und Zollbehörden bei der Bekämpfung und Verhinderung der Kriminalität, insbesondere der organisierten Kriminalität. Im Vordergrund steht der Austausch personenbezogener Daten.

Die Verhandlungen in den Jahren 1996­1998 konnten am 5. Februar 1999 mit der Unterzeichnung eines Abkommens zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Republik Ungarn über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität abgeschlossen werden.

Das Abkommen regelt die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den nach dem jeweiligen Landesrecht zuständigen Polizei- und Zollbehörden und konsolidiert die gesetzlichen Grundlagen für diesen Bereich. Es schafft insbesondere eine klare Rechtsgrundlage für den Informations- und Datenaustausch unter Berücksichtigung des Datenschutzes.

Das Abkommen greift nicht in die bestehende Kompetenzverteilung zwischen den Justiz- und Polizeibehörden ein. Die Zuständigkeiten zwischen Bund und Kantonen sowie unter den Kantonen werden nicht angetastet. Die polizeiliche Zusammenarbeit bei politischen und fiskalischen Delikten ist ausgeschlossen.

Das Abkommen reiht sich ein in die konzentrierten Bestrebungen der Schweiz, den Kampf gegen die grenzüberschreitende Kriminalität zu verstärken. Dabei handelt es sich um den ersten Polizeivertrag, der nicht mit einem Nachbarstaat abgeschlossen wurde.

Im Gegensatz zu den im Frühjahr 1999 genehmigten Abkommen mit Frankreich und Italien (Botschaft des Bundesrates vom 14. Dez. 1998, BBl 1999 1485 ff.) und den zur Genehmigung anstehenden Abkommen mit Deutschland sowie Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein (Botschaft vom 24. Nov. 1999, BBl 2000 862 ff.) beschränkt sich das vorliegende Abkommen auf die ausschliessliche Regelung der polizeilichen Zusammenarbeit. Der Justizbereich wird nicht erfasst.

Das mit Ungarn abgeschlossene Abkommen verbessert die polizeiliche Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität, insbesondere der organisierten Kriminalität. Auf Grund des direkten Informationsaustausches zwischen den jeweils zuständigen Polizeibehörden beider Länder
werden die Voraussetzungen für eine wirksame und effiziente Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität geschaffen. Dieser Vertrag leistet einen Beitrag zur Erreichung der Ziele des Bundesrates im Rahmen der Stärkung der inneren Sicherheit.

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Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

Die Republik Ungarn war in den Jahren 1992­1999 im Rahmen der Unterstützung der Staaten Mittel- und Osteuropas im Polizeibereich ein Schwerpunktland. Im Vordergrund der Unterstützung standen insbesondere Projekte betreffend Reorganisation und Effizienzsteigerung der ungarischen Polizei sowie Spezialseminare zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, des illegalen Drogenhandels, der Wirtschaftskriminalität und des Menschenhandels.

Dabei stand jeweils der Einsatz moderner Technologien, insbesondere der Datenverarbeitung und der Datenverbreitung, im Vordergrund.

Die engen Kontakte der beteiligten Polizeibehörden beider Staaten führten zur gemeinsamen Erkenntnis, dass der wachsenden Mobilität international tätiger Krimineller nur durch gezielte Massnahmen begegnet werden kann. Insbesondere gilt es, die direkte Zusammenarbeit zu optimieren und den gegenseitigen Informations- und Datenaustausch zu beschleunigen.

Die Polizeizusammenarbeit zwischen der Schweiz und Ungarn war bisher nur im Bereich des kriminalpolizeilichen Nachrichtenaustausches über Interpol rechtlich geregelt, was oft als Mangel empfunden wurde und Unsicherheiten verursachte. Das Interpol-System ist in der Praxis zudem oft langsam. Ebenfalls gilt es den Austausch von heiklen personenbezogenen Daten auf einen möglichst kleinen Kreis von Personen zu beschränken, was wiederum bei der Übermittlung über Interpol nicht genügend garantiert werden kann.

Die effiziente und den spezifischen Kriminalitätsformen angepasste entsprechende Zusammenarbeit bedingt aber unweigerlich einen direkten Austausch von Informationen und Daten zwischen den nach Landesrecht zuständigen Polizei- und Zollbehörden. Aber gerade für diesen Informations- und Datenaustausch, der im Wesentlichen personenbezogene Daten betrifft, fehlen sowohl nach schweizerischem als auch nach ungarischem Recht die erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen. Nach ungarischem Recht kann diese Voraussetzung gar nur mittels einer staatsvertraglichen Regelung geschaffen werden, weshalb sich der Abschluss des vorliegenden Abkommens aufdrängt. Dabei ist dem Datenschutz speziell Rechnung zu tragen.

Die beiden Vertragsparteien sind nach eingehender Kriminalitätsanalyse zur Auffassung gelangt, dass sich die direkte Zusammenarbeit auf die wesentlichsten und schwerwiegendsten Delikte zu beschränken hat, um so auch eine Konzentration der Kräfte zu erreichen.

1.2

Ablauf der Verhandlungen

Anlässlich eines Besuches des damaligen Vorstehers des Eidgenössischen Justizund Polizeidepartements in Ungarn wurde am 19. April 1996 in einem gemeinsamen Protokoll festgehalten, die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität zu

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intensivieren und den Austausch personenbezogener Daten staatsvertraglich zu regeln.

In der Folge übermittelte die ungarische Seite einen ersten Vertragsentwurf. Die schweizerische Seite reagierte mit einem Gegenentwurf, der als Basis für die erste Verhandlungsrunde im November 1996 in Bern diente. Im Anschluss an die Verhandlung wurden die betroffenen Bundesstellen konsultiert. Ihre Bemerkungen wurden im Rahmen der zweiten Verhandlungsrunde im September 1997 in Budapest eingebracht und konnten im Wesentlichen berücksichtigt werden. Dies ermöglichte beiden Delegationen die Paraphierung eines Abkommensentwurfs in deutscher und ungarischer Sprache.

Das Abkommen zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Republik Ungarn über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität wurde am 5. Februar 1999 in Budapest unterzeichnet.

2

Besonderer Teil

2.1

Systematik

In der Präambel des Vertrages wird mit «in der Absicht, einen Beitrag zur Entwicklung der beiderseitigen Beziehungen zu leisten» Bezug genommen auf die bereits bestehenden, im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Staaten Mittel- und Osteuropas aufgebauten Beziehungen, die weiter ausgebaut werden sollen. In Verknüpfung mit dem zweiten Absatz wird gleichzeitig der Schwerpunkt dieser Zusammenarbeit hervorgehoben. Mit den Absätzen 3 und 4 werden völkerrechtliche Prinzipien, die der Zusammenarbeit der beiden Staaten zu Grunde liegen, festgehalten.

In Abschnitt I des Vertrages (Art. 1­3) wird der Umfang der Zusammenarbeit nach diesem Vertrag enumerativ aufgeführt. Dabei soll sich diese Zusammenarbeit nicht nur im operationellen Bereich abspielen (Art. 1 Abs. 1), sondern auch im Rahmen des allgemeinen sachbezogenen Informationsaustausches und der Ausbildung.

Die Zusammenarbeit im Einzelnen unter Einschluss des Austausches von Daten wird in Abschnitt II nach Deliktsbereichen normiert. Die Bereiche der Bekämpfung des Terrorismus (Art. 4) und des Betäubungsmittelhandels (Art. 5) werden speziell als Schwerpunkte hervorgehoben. Die Bekämpfung der anderen Formen der Kriminalität (Art. 6) beinhaltet insbesondere die Bereiche der organisierten Kriminalität und der Wirtschaftskriminalität, jedoch auch die übrige Kriminalität, die Delikte nach Artikel 1 des Vertrages umfasst. In Artikel 7 wird in Weiterführung der Osthilfetätigkeiten, wie sie in den letzten fünf Jahren zwischen der Schweiz und Ungarn stattgefunden haben, die Ausbildung als Voraussetzung für eine wirksame Bekämpfung der modernen Kriminalität aufgeführt.

Abschnitt III regelt den Datenschutz, dem beim Vollzug dieses Vertrages eine grundlegende Bedeutung zukommt (Art. 8 und 9).

In den Schlussbestimmungen von Abschnitt IV werden die formellen Anforderungen für die künftige Zusammenarbeit festgelegt. Artikel 10 bezeichnet die für den Vertrag zuständigen Vollzugsorgane und die anzuwendende Sprache. Artikel 11 normiert die Einsetzung einer Gemischten Kommission zur Förderung und Bewertung der im Vertrag geregelten Zusammenarbeit. Mit Artikel 12 wird das Verhältnis zu anderen Vereinbarungen, die von den beiden Staaten eingegangen wurden, gere4930

gelt. Artikel 13 legt sodann die formellen Erfordernisse des Inkrafttretens und der Kündigung des Vertrages fest.

2.2

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

2.2.1

Allgemeine Bestimmungen (I. Abschnitt)

Zusammenarbeit (Art. 1) Artikel 1 legt die Bereiche der Zusammenarbeit im Allgemeinen fest, womit auch gleichzeitig in Verbindung mit den Artikeln 4­7 die formelle Rechtsgrundlage für den direkten Austausch von Informationen über personenbezogene Daten geschaffen wird, wobei dieser Informationsaustausch mit oder ohne Ersuchen erfolgt.

Die Bekämpfung und Verhinderung des organisierten Verbrechens, des illegalen Drogenhandels, der Wirtschaftskriminalität und des Terrorismus sind die Schwerpunkte dieses Vertrages (Art. 1 Abs. 1). In Absatz 1 Buchstaben a­f werden sodann die weiteren Bereiche der Zusammenarbeit festgehalten, jene Bereiche gemeinrechtlicher schwerwiegender Straftaten, deren Bekämpfung und Verhinderung auf Grund der beidseitigen Kriminalitätsanalyse bei der Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit im Vordergrund stehen. Mit der enumerativen Aufzählung dieser Straftaten, die im Rahmen der organisierten Kriminalität eine wesentliche Rolle spielen können, wird gleichzeitig erreicht, dass die Zusammenarbeit in diesen Deliktsbereichen erfolgen kann, losgelöst von der Qualifikation als Straftat im Rahmen der organisierten Kriminalität.

Die übrigen, in Artikel 1 nicht aufgeführten strafbaren Handlungen nach innerstaatlichem Recht beider Staaten sind nicht Gegenstand dieses Vertrages.

Damit wird auch klar aufgezeigt, dass die Schweiz und Ungarn die Zusammenarbeit, die sich insbesondere im direkten Austausch von Informationen manifestiert, bewusst auf die wesentlichen Kriminalitätsbereiche entsprechend der Schwerpunktsetzung nach Absatz 1 beschränken wollen.

In Absatz 2 wird der allgemeine, nicht personenbezogene Bereich des Informationsaustausches vereinbart. Dieser betrifft Erkenntnisse aus der Kriminalistik und der Kriminologie, Erlasse und Änderungen von Rechtsgrundlagen im Anwendungsbereich des Vertrages und den aus Straftaten erlangten Nutzen in materieller Hinsicht (Deliktsgut). Weiter unterstützen sich die beiden Staaten im Rahmen der fachlichen und sprachlichen Ausbildung. Letzteres betrifft insbesondere die Durchführung gemeinsamer Fachseminare und Kurse, die einen direkten Bezug zum Abkommen haben.

Ausschluss der Zusammenarbeit (Art. 2) Mit Artikel 2 Absatz 1 wird die Zusammenarbeit in Angelegenheiten politischen und fiskalischen Charakters ausgeschlossen. Analoge Bestimmungen
finden sich in den Polizeiverträgen u.a. mit Deutschland und Österreich sowie den Rechtshilfeabkommen. Absatz 2 gestattet es einem Vertragsstaat, dem anderen Staat die Zusammenarbeit zu verweigern, wenn die Erfüllung eines Ersuchens geeignet ist, die eigenen Hoheitsrechte zu beeinträchtigen oder die innere Sicherheit zu gefährden. Die Zusammenarbeit kann abgelehnt werden, wenn das Ersuchen gegen das geltende nationale Recht verstösst. In all diesen Fällen informiert die ersuchte Vertragspartei die ersuchende Vertragspartei schriftlich unter kurzer Angabe der Gründe.

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Anwendbares Recht (Art. 3) Mit dem Verweis auf das nationale Recht als anwendbares Recht für den Vollzug des Vertrages wird gleichzeitig festgelegt, dass für die Anordnung von Zwangsmassnahmen der Rechtshilfeweg zu beschreiten ist.

2.2.2

Zusammenarbeit im Einzelnen (Art. 4­7)

Die in den Artikeln 4­6 aufgestellten Verpflichtungen betreffen das Kernstück des Vertrages, den direkten Austausch von mehrheitlich personenbezogenen Informationen und Angaben zwischen den nach Artikel 10 des Vertrages zuständigen Bundesbehörden.

Obgleich der Informationsaustausch sowohl im Bereich Terrorismus (Art. 4) als auch beim Betäubungsmittelhandel (Art. 5) und bei den anderen Formen der Kriminalität (Art. 6) mehrheitlich den gleichen Inhalt betrifft, wurden die drei Bereiche einzeln aufgeführt, um den spezifischen Anforderungen gerecht zu werden.

Terrorismus (Art. 4) Der vorgesehene Informationsaustausch bezieht sich sowohl auf die Prävention als auch auf die Repression. Die Informationen nach Buchstabe a beinhalten Angaben über geplante und durchgeführte Terroraktionen, die beteiligten Personen, die Durchführung und die eingesetzten technischen Mittel. Hier steht der Terrorakt im Vordergrund. In Buchstabe b hingegen liegt das Gewicht bei Informationen über Terrorgruppen und deren Mitglieder. Bei der Regelung nach Buchstabe c stehen die Massnahmen im Rahmen der Prävention im Vordergrund.

Betäubungsmittelhandel (Art. 5) Analog zur Bestimmung von Artikel 4 liegt auch hier das Schwergewicht nach Buchstabe a auf Informationen über die am Betäubungsmittelhandel beteiligten Personen, das Vorgehen, die Arbeitsmethoden sowie über Herkunfts- und Bestimmungsorte von Betäubungsmitteln. Zusätzlich wird in den Buchstaben b und c der Austausch von Informationen für spezifisch auf den Drogenhandel ausgerichtete Bedürfnisse festgelegt. Buchstabe d verlangt, dass polizeiliche Massnahmen gegenseitig abgesprochen werden. Damit wird auch die formelle Rechtsgrundlage geschaffen für den direkten Informationsaustausch anlässlich von operationellen oder fallbezogenen gemeinsamen Arbeitsgruppen beider Staaten.

Andere Formen der Kriminalität (Art. 6) Der hier umschriebene Informationsaustausch bezieht sich vordringlich auf die Verhinderung und Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der Wirtschaftskriminalität, regelt aber gleichzeitig den übrigen Informationsaustausch für die sonstigen gemeinrechtlichen schwerwiegenden Straftaten nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstaben a­f.

Ausbildung (Art. 7) Artikel 7 legt den Umfang der gegenseitigen Unterstützung bei der Ausbildung fest.

Mit diesen Aktivitäten werden die erforderlichen Voraussetzungen für eine optimale polizeiliche Zusammenarbeit beim Vollzug des Abkommens geschaffen.

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2.2.3

Datenschutz und Weitergabe der Daten an Drittstaaten (III. Abschnitt)

Die Zusammenarbeit zwischen Polizeibehörden geht in der Regel auch mit dem Bearbeiten von Daten verdächtiger oder angeschuldigter Personen einher. So werden Personendaten zwischen verschiedenen Polizeibehörden direkt ausgetauscht, an andere weitergegeben und gegebenenfalls in den nationalen Polizeiinformationssystemen gespeichert. Datenbearbeitungen berühren die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen.

Für den Datenaustausch gilt zwischen der Schweiz und Ungarn grundsätzlich das am 1. Februar 1998 in Kraft getretene Übereinkommen zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten (BBl 1997 I 740), das von beiden Staaten ebenfalls auf die nichtautomatisierte Datenverarbeitung als anwendbar erklärt wurde.

Mit der detaillierten Aufführung der massgeblichen Grundsätze in den Artikeln 8 und 9 wird der Bedeutung des Datenschutzes Rechnung getragen. Damit wird auch die Zielsetzung erreicht, die Interessen der polizeilichen Zusammenarbeit mit denjenigen des Persönlichkeitsschutzes in Einklang zu bringen. Mit den Artikeln 8 und 9 wird konkret festgelegt, welche Grundsätze des Datenschutzes bei der Übermittlung personenbezogener Daten gelten. Sie entsprechen den Bestimmungen des schweizerischen Datenschutzes wie auch den geltenden Bestimmungen im Rahmen der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen. Die Festlegung der für beide Staaten verbindlichen Datenschutzgrundsätze wurde wesentlich durch die Tatsache erleichtert, dass das ungarische Datenschutzgesetz nach den Zielsetzungen und nach Vorlage des schweizerischen Datenschutzgesetzes verfasst wurde. An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass der Bundesrat in der Botschaft betreffend Beitritt zum oben erwähnten Übereinkommen explizit festhält, dass die ungarische Datenschutzgesetzgebung den Anforderungen der Konvention genügt (BBl 1997 I 721 f.).

Datenschutz (Art. 8) Buchstabe a legt den Grundsatz fest, dass Personendaten, die auf Grund des vorliegenden Vertrages an eine Stelle übermittelt werden, nur zu dem Zweck, der im Vertrag festgelegt ist, und zu den Bedingungen, welche die übermittelnde Stelle im Einzelfall festhält, verwendet werden dürfen. Eine Abweichung von dieser Zweckbindung ist ausgeschlossen.

Weiter werden in den Buchstaben b­h verschiedene Verfahren im Umgang mit Personendaten sowie verschiedene
Datenschutzgrundsätze festgelegt. Buchstabe b statuiert die Pflicht der empfangenden Stelle, auf Ersuchen der übermittelnden Stelle hin diese über die Verwendung der übermittelten Daten und die dadurch erzielten Ergebnisse im Rahmen der Ermittlungen zu unterrichten. Ausserdem werden die datenschutzrechtlichen Grundsätze der Richtigkeit und die damit zusammenhängende Pflicht zur Berichtigung bzw. Vernichtung falscher Daten, die Grundsätze der Notwendigkeit und Verhältnismässigkeit, die Gewährung des Auskunftsrechts, die Pflicht zur Einhaltung von im geltenden nationalen Recht vorgesehenen Löschungsfristen durch den empfangenden Vertragspartner, die Pflicht, die Übermittlung und den Empfang der Daten aktenkundig zu machen, sowie die Pflicht, Massnahmen zur Datensicherheit zu treffen, geregelt. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass die wesentlichen datenschutzrechtlichen Grundsätze und Aspekte von beiden Vertragsparteien auf einem einheitlichen Niveau beachtet werden.

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Auf zwei Aspekte dieser Datenschutzregelung sei noch eingegangen: Buchstabe d beinhaltet den Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Dieser Grundsatz in Verbindung mit der ratio legis dieses Vertrages ­ Verhinderung und Bekämpfung der in Artikel 1 aufgeführten «schweren Formen» der Kriminalität ­ schliesst von vornherein die Alltags- und Kleinkriminalität aus und setzt ein erhöhtes Gefahrenpotenzial voraus, dessen Vorliegen im konkreten Einzelfall im Rahmen einer Güterabwägung zu überprüfen ist.

Weiter erlauben die statuierten Grundsätze den direkten Informationsaustausch im Einzelfall, ob mit oder ohne Ersuchen. Der automatisierte Datenaustausch im Onlineverfahren ist hingegen ausgeschlossen.

Weitergabe an Drittstaaten (Art. 9) Diese Bestimmung legt einerseits den Grundsatz fest, wonach Geheimhaltungsvermerke für den Empfängerstaat verbindlich sind (Bst. a). Andererseits wird die vorgängige Zustimmung der übermittelnden Vertragspartei verlangt, wenn Daten oder Gegenstände an Drittstaaten weitergegeben werden sollen. Analoge Regelungen finden sich in den Vereinbarungen über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen.

2.2.4

Schlussbestimmungen (IV. Abschnitt)

Vollzugsorgane und Sprache (Art. 10) Ein Schwerpunkt dieses Abkommens ist die Ermächtigung zum direkten Verkehr ­ also zum direkten Austausch von Informationen ­ zwischen den nach Landesrecht (Bundesrecht) zuständigen Behörden. Die Bekanntgabe der für den Vollzug dieses Abkommens zuständigen Bundesbehörden in Form einer Aufzählung soll auf diplomatischem Wege mittels Notenaustausch erfolgen, und zwar im Zeitpunkt des Austausches der Ratifikationsurkunden.

Mit Artikel 10 wird lediglich vereinbart, dass die nach Landesrecht für den direkten Verkehr im Rahmen des Abkommens zuständigen Behörden gegenseitig mitzuteilen sind. Das Abkommen führt die Zusammenarbeitsbereiche abschliessend auf. Es werden keine neuen Zuständigkeiten geschaffen, ergeben sich diese doch für den jeweiligen Bereich in Verbindung mit Artikel 1 dieses Abkommens aus der Organisationsverordnung für das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement vom 17. November 1999 (SR 172.213.1).

Für den Vollzug dieses Abkommens wird in den meisten Fällen das Bundesamt für Polizei zuständig sein, dies insbesondere unter Berücksichtigung des Zusammenschlusses mit der Bundespolizei und dem Sicherheitsdienst der Bundesverwaltung seit dem 1. September 1999.

Die bevollmächtigten Organe können gegenseitig schriftlich die Art und Weise der Zusammenarbeit festlegen. Dies betrifft insbesondere die Arbeitsmethodik, das Einsetzen von Ad-hoc-Arbeitsgruppen und den Einsatz technischer Mittel für den Datenaustausch (Mail, Fax, Telefon) unter Berücksichtigung der Anforderungen an die Datensicherheit.

Nach Absatz 2 sollen die Informationen in der Regel in deutscher Sprache ausgetauscht werden. Mit der Festlegung dieser Sprache trägt Ungarn dem Umstand Rechnung, dass Übersetzungen in die ungarische Sprache das Ziel der Effizienzsteigerung im Rahmen der polizeilichen Zusammenarbeit gefährden könnten.

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Gemischte Kommission (Art. 11) Zur Förderung und Bewertung des Vollzugs dieses Abkommens wird eine Gemischte Kommission aus je drei Mitgliedern der Vertragsparteien gebildet. Dieser Kommission obliegt damit die Aufsicht über den Vollzug des Vertrages. Es wird auch Aufgabe dieser Kommission sein, allfällige Strategien und, damit verbunden, allfällige Schwerpunkte der Zusammenarbeit festzulegen.

Inkrafttreten und Kündigung (Art. 13) Der Vertrag bedarf der Ratifikation. Er wird 30 Tage nach der gegenseitigen Notifizierung der Erfüllung der innerstaatlichen Voraussetzungen zum Inkrafttreten des Abkommens wirksam (Abs. 1). Der auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Vertrag kann jederzeit auf sechs Monate gekündigt werden (Abs. 2).

3

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bund und die Kantone

Das Abkommen mit Ungarn verursacht weder auf Bundes- noch auf kantonaler Ebene einen unmittelbaren personellen Mehraufwand, werden doch keine zusätzlichen Aufgaben anfallen. Der Vollzug des Abkommens erfolgt im Rahmen der bisherigen Aufgabenerfüllung der jeweils zuständigen Amtsstellen.

Geringe finanzielle Auswirkungen, deren genauer Aufwand sich heute noch nicht abschätzen lässt, sind auf Grund der Aktivitäten im Rahmen der gegenseitigen Unterstützung im Bereich der Ausbildung zu erwarten. Diese Kosten sind durch die entsprechenden Amtsbudgets abgedeckt. Es fallen keine zusätzlichen Informatikkosten an.

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Legislaturplanung

In der Legislaturplanung 1999­2003 ist das Geschäft vorgesehen (BBl 2000 2331).

5

Verhältnis zum europäischen Recht

Der mit der Republik Ungarn abgeschlossene Vertrag über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität beinhaltet als wesentliche Zielsetzung den direkten Informationsaustausch zwischen den zuständigen Behörden. Analoge bilaterale Verträge, teils mit weiter gehenden Regelungsbereichen, wurden in den letzten Jahren verschiedentlich zwischen westlichen Staaten und Staaten Mittel- und Osteuropas abgeschlossen.

Die mit Deutschland, Österreich und Liechtenstein abgeschlossenen Verträge über die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit, die sich weitgehend an die Verträge von Schengen anlehnen, jedoch von der Regelungsdichte her nicht mit dem vorliegenden Vertrag verglichen werden können, zielen ebenfalls in die gleiche Richtung im Rahmen der Effizienzsteigerung.

Für den Datenaustausch gilt das am 1. Februar 1998 in Kraft getretene Übereinkommen des Europarates zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verar4935

beitung personenbezogener Daten als im Verhältnis zwischen der Schweiz und Ungarn verbindlicher völkerrechtlicher Mindeststandard.

Das Abkommen steht im Einklang mit dem Recht der Europäischen Union, das die polizeiliche Zusammenarbeit als eine Zielsetzung beinhaltet und den Abschluss entsprechender Abkommen unter Mitgliedstaaten der Europäischen Union wie auch mit Nichtmitgliedern vorsieht.

6

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

6.1

Kompetenzen des Bundes

Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV) weist die allgemeine Kompetenz in den auswärtigen Angelegenheiten dem Bund zu. Bei internationalen Verträgen gilt der Grundsatz, dass der Bund Verträge über beliebige Gegenstände abschliessen kann, ob diese nun in die eidgenössische oder in die kantonale Gesetzgebungskompetenz fallen (vgl. BBl 1994 II 624). Das Recht der Kantone, in ihrem Zuständigkeitsbereich Verträge abzuschliessen, ist somit subsidiär. Der Bund macht jedoch von seiner Kompetenz nur zurückhaltend Gebrauch, wenn die zu regelnden Bereiche hauptsächlich in die Zuständigkeit der Kantone fallen. Wenn der Bund selber einen Vertrag abgeschlossen hat, können sich die Kantone nicht mehr auf ihre eigene Kompetenz in der betreffenden Materie berufen.

Der Regelungsbereich dieses Vertrages normiert neu den Informationsfluss zwischen der Schweiz und Ungarn. Zusätzlich zum Interpolweg wird die direkte Zusammenarbeit zwischen den jeweiligen Behörden der Schweiz und Ungarns vereinbart. Dieser Informationsaustausch ist bereits heute den Bundesbehörden vorbehalten. Damit ändert sich bezüglich der den Kantonen zustehenden Kompetenzen im Polizeibereich nichts.

Da der Bundesrat über keine eigene Kompetenz zum Abschluss von Abkommen auf dem Gebiet der Polizeizusammenarbeit verfügt, müssen die in diesem Bereich ausgehandelten Abkommen nach Artikel 166 Absatz 2 BV der Bundesversammlung zur Genehmigung unterbreitet werden.

6.2

Referendum

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unbefristet und unkündbar sind, den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen oder eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung herbeiführen. Das vorliegende Abkommen fällt unter keine dieser Kategorien und unterliegt folglich nicht dem Referendum. Die Genehmigung des Abkommens erfolgt deshalb in einem einfachen Bundesbeschluss nach Artikel 163 Absatz 2 BV.

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