Verfahrensprotokoll zwischen dem Bundesrat und dem Bundesgericht bei Vernehmlassungen zu Gesetzen im allgemeinen und betreffend die Stellung des Bundesgerichts im besonderen vom 1. Mai 1998

Der Schweizerische Bundesrat und das Schweizerische Bundesgericht halten zur Festigung der gegenseitigen Beziehungen sowie zur Förderung des konstruktiven Miteinanders unter Wahrung der Autonomie und Kompetenzen beider Gewalten für sich und die ihnen nachgeordneten Verwaltungseinheiten die nachfolgenden Regeln fest:

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Geltungsbereich

Dieses Verfahrensprotokoll gilt für den Verkehr zwischen Bundesrat und Bundesgericht als auch für die ihnen nachgeordneten Dienststellen.

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Zweck

Das Verfahrensprotokoll bezweckt einen geordneten Verfahrensablauf. Die Zuständigkeiten sind über alle Verwaltungsstufen hinweg zu wahren. Wann immer möglich soll eine Einigung in Sach- und Kompetenzfragen bereits auf unterer Stufe erzielt werden.

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Vernehmlassungen zu Gesetzes- und Verordnungsentwürfen im allgemeinen

Bei Vernehmlassungsverfahren zu Gesetzes- und Verordnungsentwürfen im allgemeinen wird das Bundesgericht wie folgt begrüsst: 3.1

Das Bundesgericht wird allgemein zu Fragen des Rechtsmittelverfahrens begrüsst, insbesondere wenn ein Weiterzug an das Bundesgericht vorgesehen oder ausdrücklich ausgeschlossen wird.

3.2

Möchte der Bundesrat die Meinung des Bundesgerichts neben den Verfahrensfragen auch zu bestimmten inhaltlichen Punkten der Vorlage in Erfahrung bringen, so teilt er dem Bundesgericht diese besonderen Fragen speziell mit.

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3.3

Im Ämterkonsultationsverfahren wird das Bundesgericht nicht begrüsst. Das Bundesgericht nimmt erst zu der vom Bundesrat verabschiedeten Vorlage Stellung.

3.4

Die Einladung zur Vernehmlassung wird vom Vorsteher des jeweiligen Departements oder vom Bundeskanzler unterzeichnet und dem Bundesgericht als solchem (nicht einem bestimmtem Amtsträger) zugestellt.

3.5

Auf Verlangen des Bundesgerichts wird seine Stellungnahme im Vernehmlassungsverfahren dem Parlament mit der Botschaft vollständig übermittelt.

Das Bundesgericht unterbreitet dem Bundesrat dieses Anliegen im Rahmen seiner Stellungnahme im Vernehmlassungsverfahren.

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4.1

Vernehmlassungen betreffend Vorlagen (Bundesgesetze und Verordnungen) mit Bezug zur Stellung des Bundesgerichts oder zu seiner Verwaltung Im allgemeinen Betrifft eine Vorlage die Stellung des Bundesgerichts, seine Zuständigkeiten, seine Autonomie, Organisation, Verwaltung, sein Personal oder Budget, so wird sie insoweit von den Vertretern des Bundesgerichts und jenen der Bundesverwaltung gemeinsam erarbeitet. Wird dies unterlassen, ist das Bundesgericht an das entsprechende Verordnungsrecht nicht gebunden.

4.2

Regeln Im einzelnen finden folgende Regeln Anwendung:

4.2.1

Das Bundesgericht wird in sämtlichen Stadien der Erarbeitung der Vorlage miteinbezogen.

4.2.2

Als Ansprechperson auf Seiten des Bundesgerichts steht in allen Fällen der Generalsekretär zur Verfügung. Der Generalsekretär des Bundesgerichts kann bei wesentlichen Meinungsverschiedenheiten verlangen, direkt mit dem zuständigen Bundesamtsdirektor bzw. dem Bundeskanzler zu verhandeln.

4.2.3

Es wird eine einvernehmliche Lösung gesucht.

4.2.4

Auf Verlangen des Bundesgerichts wird ihm im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.

4.3

Konfliktsituationen

4.3.1

Bleiben auf der Stufe Generalsekretariate/Amtsdirektion bestimmte Fragen strittig, so unterbreitet das Bundesgericht dem Vorsteher des federführenden Departements oder gegebenenfalls dem Bundesrat einen Vorschlag oder umgekehrt.

4.3.2

Kann im schriftlichen Meinungsaustausch keine Einigung erzielt werden, so trifft sich eine Delegation des Bundesgerichts mit einer Delegation des Bundesrates zu einer Aussprache.

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4.3.3

Kann auch an der Aussprache keine Einigung erzielt werden, so kann das Bundesgericht für sich seine eigene Ordnung erlassen, soweit es um Verordnungsrecht geht.

4.3.4

Bei Vorlagen, die in die Zuständigkeit des Parlaments fallen, wird die Auffassung des Bundesgerichts mit der Botschaft vollständig übermittelt.

4.3.5

Das Bundesgericht wird über die Abwicklung der Vorlage im Parlament nach Möglichkeit im voraus informiert.

4.3.6

Gutachten und andere Unterlagen, die im Rahmen solcher Vorlagen von der Bundesverwaltung ausgearbeitet werden und geeignet sind, später als Entscheidungsgrundlage zu dienen, werden dem Bundesgericht frühzeitig zur Kenntnis gebracht.

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Anwendungsakte

Für Anwendungsakte gelten insbesondere die nachfolgenden Regeln: 5.1

Soweit die Zuständigkeit zwischen Bundesrat und Bundesgericht umstritten ist, ist zunächst diese zu klären. Es gilt das übliche Verfahren.

5.2

Beim Streit über die Auslegung und Anwendung einer bestimmten Regel darf sich für den Bereich des Bundesgerichts kein Beamter der allgemeinen Bundesverwaltung über die Interpretation des Bundesgerichts hinwegsetzen (und umgekehrt), bis die materielle Frage auf Stufe Bundesgericht ­ Bundesrat geklärt ist.

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