Untersuchung über die Kontakte des Schweizer Nachrichtendienstes zu Südafrika zur Zeit des Apartheidregimes Bericht der Delegation der Geschäftsprüfungskommissionen der Eidgenössischen Räte (GPDel) vom 18. August 2003

2003-1959

2267

Das Wichtigste in Kürze Die Beziehungen zwischen dem Schweizer Nachrichtendienst und dem Apartheidregime Südafrikas sind sowohl in den Medien als auch in der öffentlichen Meinung immer wieder Gegenstand von Kontroversen. Verschiedenen Angestellten wie auch Dienststellen des Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) wird namentlich vorgeworfen, mit der südafrikanischen Armee zusammengearbeitet und zu deren Programm zur Entwicklung biologischer oder chemischer Waffen (Projekt «Coast») beigetragen zu haben. Eines der Ziele dieses geheimen Programms war es, Substanzen herzustellen, die ethnisch selektiv gegen die schwarze Bevölkerung eingesetzt werden könnten. Dem Nachrichtendienst des VBS wird zudem vorgeworfen, ohne das Wissen der verantwortlichen politischen Behörden mit Südafrika zusammengearbeitet zu haben.

Im Parlament wurden zu diesem Thema zahlreiche Vorstösse eingereicht. Die Geschäftsprüfungsdelegation der eidgenössischen Räte führte ihrerseits verschiedene Untersuchungen durch, deren Resultate 1993 und 1999 veröffentlicht wurden. In den beiden Berichten beschreibt die Delegation die Kontakte des Nachrichtendienstes des VBS zu Südafrika zur Zeit der Apartheid. Im Bericht von 1999 erachtet sie die Vorwürfe als unbegründet, VBS-Dienststellen seien möglicherweise in das «Coast»-Projekt verwickelt.

Im Laufe des Jahres 2001 tauchten in Südafrika neue Anhaltspunkte auf, welche das VBS und insbesondere den letzten Chef der Untergruppe Nachrichtendienst, Divisionär Peter Regli, belasten. Der frühere Chef des «Coast»-Projekts, der südafrikanische Arzt Wouter Basson, erklärte beim gegen ihn laufenden Prozess namentlich, dass er im Rahmen des «Coast»-Projektes vom Schweizer Nachrichtendienst und von Divisionär Regli unterstützt worden sei. Andere Quellen erwähnten auch eine geheime Vereinbarung zwischen der Schweiz und Südafrika im biologischen und chemischen Bereich.

Da diese neuen Aussagen die Vermutung nahe legten, die früheren Berichte der Delegation seien unvollständig gewesen, beschloss die Delegation im November 2001, das Thema noch einmal aufzunehmen.

Die Delegation hat in der Folge während fast zwei Jahren Nachforschungen durchgeführt. Sie hörte ungefähr fünfzig Personen an und sichtete alle ihr zugänglichen Akten. Sie verlangte zudem schriftliche Berichte sowohl
von der Bundesverwaltung als auch von bestimmten Kantonsregierungen und verschiedenen Privatpersonen.

Für verschiedene Sachverhalte standen der Delegation keine Fakten zur Verfügung, so dass diese Geschehnisse auf der Basis der Erinnerungen der beteiligten Personen rekonstruiert werden mussten.

Die Delegation ging allen Hinweisen systematisch und unvoreingenommen nach.

Jede Spur wurde genau verfolgt; im Bericht selbst werden aber nur die Elemente erwähnt, für die Beweise vorliegen. Die Delegation hat sich also an die Tatsachen gehalten und darauf geachtet, sich von Polemik und Gerüchten zu distanzieren. Sie musste einen Knäuel von Informationen entwirren, in dem sich Wahrheit und Unwahrheit oft vermischten. Die Aufgabe war alles andere als einfach. Für einen

2268

wahrheit oft vermischten. Die Aufgabe war alles andere als einfach. Für einen Teil der Fälle sind die Beweise zwar offensichtlich und unanfechtbar, für den anderen Teil existieren jedoch nur Vermutungen und Widersprüche. Diese werden voraussichtlich nie geklärt, weil es oft keine schriftlichen Unterlagen gibt oder weil diese vernichtet wurden.

Die Delegation hat alle ihr in der Schweiz verfügbaren Informationsquellen ausgeschöpft. Sie war aber nicht berechtigt, Nachforschungen in Südafrika durchzuführen. Auf das offizielle Gesuch der Delegation an die südafrikanische Regierung trat Präsident Thabo Mbeki nicht ein. Er war der Auffassung, dass die Nachforschungen der Delegation zur Vergangenheit nicht im Interesse seines Landes seien und dem Willen der südafrikanischen Regierung, sich auf die Zukunft zu konzentrieren, entgegenstehen könnten.

Der vorliegende Bericht gibt ein möglichst genaues Bild der Rolle wieder, die der Schweizer Nachrichtendienst in seinen Beziehungen zu Südafrika seit dem Ende der Siebzigerjahre gespielt hat. Er liefert eine endgültige Antwort auf die zahlreichen Anschuldigungen, denen sich bestimmte Personen und Dienststellen ausgesetzt sahen.

Die ersten regelmässigen Kontakte zwischen dem Schweizer Nachrichtendienst und Südafrika gehen auf das Jahr 1977 zurück. Zwischen 1977 und Ende 2001 gab es mehr als 100 Treffen, die abwechselnd in der Schweiz und in Südafrika stattfanden.

Mehr als die Hälfte der Treffen fanden zwischen 1977 und 1991 statt, als in Südafrika das rassendiskriminierende Apartheidregime herrschte. Der Nachrichtendienst unterhielt ebenfalls Beziehungen zu Vertretern der angolanischen UNITA in einer Zeit, in der diese von Südafrika unterstützte Rebellenbewegung sich im offenen Kampf mit der offiziellen Regierung Angolas befand.

Es kann heute nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob die Kontakte des Nachrichtendienstes mit der Regierung in Pretoria die Zustimmung des zuständigen Departementsvorstehers oder des Bundesrates erhalten hatten. Die Delegation stellte in zwei Fällen ­ in den Jahren 1986 und 1987 ­ fest, dass das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) offiziell beim Vorsteher des VBS dahingehend interveniert hatte, dass das Departement gegenüber Südafrika mehr Zurückhaltung walten lassen solle. Diese Vorstösse blieben allerdings
ohne Folgen und weder das VBS noch das EDA erachteten es als notwendig, die Frage vor den Bundesrat zu bringen. In dieser Situation konnte der Nachrichtendienst des VBS also mit Südafrika eine Art Schattendiplomatie entwickeln, die sich faktisch jeder politischen Kontrolle entzog.

Der Nachrichtendienst zeigte gegenüber dem Regime von Pretoria eine wenig kritische, teilweise sogar wohlwollende Haltung. Das rege Interesse der Schweizer Armeeangehörigen an Südafrika hat sicher auch das Ansehen des damaligen Regimes gehoben. Die Haltung des Nachrichtendienstes gegenüber Südafrika stand indessen in einem völligen Gegensatz zur offiziellen Politik des Bundesrates. So hatte der Bundesrat seit Ende der Sechzigerjahre das Rassentrennungssystem Südafrikas wiederholt verurteilt. Südafrika war aber, auf militärischer Ebene, auch eine wichtige Nachrichtenquelle. Durch sein Engagement in Angola, Namibia und Mo-

2269

sambik gegen durch die Sowjetunion ausgerüstete Streitkräfte, verfügte Südafrika über Informationen zu den Waffen und dem Vorgehen des Ostblocks. Im Kontext des Kalten Krieges erachtete der Nachrichtendienst diese Informationen als unverzichtbar für die Bereitschaft unserer Armee, auch wenn er sich dadurch von der offiziellen Linie entfernen musste. Für den Nachrichtendienst stand der Kampf gegen kommunistische Regimes im Vordergrund und andere Aspekte wie die Aussenpolitik und der Bereich der Menschenrechte wurden hintangestellt.

Die Delegation ist der Auffassung, dass sich die Kontakte des Schweizer Nachrichtendienstes mit Südafrika auf Grund der damaligen Umstände erklären lassen. Die Kontakte waren aus neutralitäts- und aussenpolitischer Sicht sehr kritisierbar, aber in der Logik des Kalten Krieges nachvollziehbar. Es ist im Übrigen interessant festzustellen, dass die Schweiz zu Beginn der Achtzigerjahre der einzige europäische Staat war, in dem ein südafrikanischer Verteidigungsattaché akkreditiert war. Auf Grund verschiedener UNO-Resolutionen hatten alle anderen europäischen Länder den südafrikanischen Verteidigungsattachés die Akkreditierung verweigert oder entzogen.

Nach Ansicht der Delegation wäre es Aufgabe des damaligen Bundesrates gewesen, die militärische Rechtfertigung der Kontakte mit Südafrika und ihre politische Opportunität zu beurteilen. Diese Einschätzung wurde aber vorwiegend dem Nachrichtendienst überlassen, welcher die militärische Logik über diejenige der politischen Behörden stellte.

Die Delegation stellte sich auch die Frage, wie notwendig es für einen Nachrichtendienst ist, mit anderen Diensten im Ausland zusammenzuarbeiten. Grundsätzlich können solche Kontakte hilfreich sein, falls so unser Land zu Informationen kommt, die es selbst nicht direkt beschaffen könnte. Natürlich müssen diese Informationen für die Sicherheitspolitik nützlich sein und der Aussenpolitik des Bundes entsprechen. Im konkreten Fall von Südafrika ist heute der Nutzen solcher Kontakte zur Zeit der Apartheid ­ unabhängig von der Frage ihrer politischen Opportunität ­ jedoch schwierig einzuschätzen. Grundsätzlich konnte die Delegation feststellen, dass die bei den Kontakten mit Südafrika gesammelten Informationen angesichts der bedeutenden eingesetzten Mittel und der politischen Risiken nur von
bescheidenem Interesse waren. Neben der lobenswerten Absicht, Informationen über den Ostblock zu sammeln, zeigten sich zum Teil aber auch persönliche Beweggründe.

Die Delegation fand keinen Hinweis auf die Existenz einer geheimen ­ schriftlichen oder mündlichen ­ Vereinbarung zwischen dem Schweizer Nachrichtendienst und Südafrika im biologischen und chemischen Bereich. Die einzige geheime Vereinbarung zwischen der Schweiz und Südafrika besteht aus einem Informationsschutzabkommen, wie es mit vielen anderen Staaten existiert. Dieses Abkommen aus dem Jahre 1983 erlaubte es der Schweiz, mit Südafrika Informationen zu Flugzeugen des Typs «Mirage» zu liefern. Es ist technischer Natur und wurde deshalb weder vom Departement noch vom Bundesrat verabschiedet. Aus juristischer Sicht ist dieses Abkommen mit dem vom Bundesrat im Jahre 1963 beschlossenen Embargo und demjenigen der UNO aus dem Jahre 1977 vereinbar. Die Delegation ist hingegen der Auffassung, dass die von der Schweiz an Südafrika gelieferten Informationen zu

2270

den «Mirages» aus neutralitäts- und aussenpolitischer Perspektive problematisch waren.

Die Delegation hat keinen Hinweis darauf gefunden, dass Divisionär Peter Regli oder Dienststellen des Bundes beim Aufbau des südafrikanischen Biologie- und Chemiewaffenprogramms («Coast»-Projekt) in irgendeiner Weise beteiligt gewesen waren. Auch waren keine Angestellten und keine Dienststellen des Bundes in andere Handlungen involviert, die zur Verletzung der Menschenrechte führten oder dazu beitrugen. Es ist klar, dass Divisionär Regli mindestens einmal Besuch von Wouter Basson erhalten hat. Für andere Kontakte hat die Delegation hingegen keine Beweise gefunden. Im Übrigen ist die Delegation, unabhängig von der Anzahl der Treffen, zur festen Überzeugung gelangt, dass Divisionär Regli nie Kenntnis hatte von den geheimen Aktivitäten Bassons, bevor diese von der südafrikanischen «Wahrheits- und Versöhnungskommission» offen gelegt wurden. Die Vorwürfe von Wouter Basson an die Adresse des Schweizer Nachrichtendienstes und an Divisionär Regli während des Prozesses waren haltlos.

Divisionär Regli hatte zu grosses Vertrauen in seinen früheren Dienstkameraden Jürg Jacomet (1998 verstorben). Dieser Geschäftsmann und Waffenhändler verfügte offenbar über Kontakte im südlichen Afrika, im Balkan und in gewissen Oststaaten, die er Divisionär Regli zugänglich machte. Obwohl Divisionär Regli mehrmals von verschiedenen Personen auf die zweifelhaften Machenschaften von Jürg Jacomet aufmerksam gemacht wurde, unterhielt er zu ihm bis 1993 weiter regelmässige Beziehungen. Es ist auch belegt, dass Jürg Jacomet zahlreiche Kontakte mit Wouter Basson gehabt hat und dass Jürg Jacomet den Anstoss für das Treffen von Divisionär Regli mit Wouter Basson gegeben hat.

In den Augen der Delegation waren die Beziehungen von Divisionär Regli zu Jürg Jacomet nicht mit seiner Funktion als Chef eines Nachrichtendienstes vereinbar.

Alles weist darauf hin, dass einerseits der Opportunismus von Jürg Jacomet und andererseits das Interesse von Divisionär Regli, über eigene Informationsquellen zu verfügen, sich während mehreren Jahren bestens ergänzt haben. Die Delegation ist der Auffassung, dass Divisionär Regli gegenüber Jürg Jacomet ein in keiner Weise nachvollziehbares Vertrauen hatte. Diese nachsichtige Haltung von Divisionär Regli gegenüber Jürg
Jacomet trug auch zum Entstehen des Gerüchts bei, der Schweizer Nachrichtendienst sei in ihm völlig sachfremde Angelegenheiten verwickelt.

Die Delegation wirft Divisionär Regli zwar vor, sich leichtsinnig und unvorsichtig verhalten zu haben, als er in seiner Funktion als Chef eines Nachrichtendienstes Beziehungen ­ und seien sie auch nur sporadisch ­ mit einer Person unterhalten hat, deren Aktivitäten zweifelhaft erschienen. Es gibt aber keine Hinweise darauf, an der Rechtschaffenheit Reglis zu zweifeln.

Die Delegation hat auch festgestellt, dass Divisionär Regli zahlreichen Fragen ausgewichen ist oder bei früheren Untersuchungen Tatsachen unerwähnt liess. Dies betrifft namentlich die Beschaffung von zwei aus sowjetischer Produktion stammenden SA-18 Fliegerabwehrlenkwaffen durch die Untergruppe Nachrichtendienst.

Divisionär Regli unterliess es 1993, die Delegation auf diesen problematischen Erwerb hinzuweisen, obwohl er den ausdrücklichen Auftrag dazu vom Departe-

2271

mentsvorsteher und vom Generalstabschef erhalten hatte. In dieser Sache nahm Divisionär Regli eine wichtige Rolle ein, die er in der Folge herunterzuspielen versuchte. Er verheimlichte der Delegation zudem die Beziehungen des Nachrichtendienstes zur angolanischen UNITA.

Die Beziehungen zwischen dem Nachrichtendienst und dem Apartheidregime in Südafrika haben während den letzten zehn Jahren die parlamentarischen Aufsichtsorgane beschäftigt, das Funktionieren des Nachrichtendienstes belastet und letztlich auch dem Ruf unseres Landes geschadet. Aber auch wenn offensichtlich ist, dass in den Achtziger- und Neunzigerjahren Fehler begangen wurden, berechtigt dies in keiner Weise zu den ­ teilweise diffamierenden ­ Anschuldigungen, die gegen bestimmte Personen und namentlich gegen Divisionär Regli vorgebracht wurden.

Die Delegation vertritt die Ansicht, dass sie alle ihr zugänglichen Informationen in der Schweiz gesichtet und ausgewertet hat. Alle ihre Feststellungen und Empfehlungen werden im vorliegenden Bericht detailliert dargelegt. Für die Delegation ist es nun Zeit, das Kapitel der Beziehungen zwischen dem Schweizer Nachrichtendienst und dem Apartheidregime Südafrikas definitiv zu schliessen.

Für die Delegation wurden die Lehren aus dieser Angelegenheit bereits weitgehend gezogen. Die politische und parlamentarische Kontrolle über den Nachrichtendienst wurde unterdessen stark ausgebaut. Gegenwärtig richten sich die Aktivitäten des Nachrichtendienstes nach den aussenpolitischen Grundsätzen des Bundesrates.

Dieser muss jeden regelmässigen Kontakt des Nachrichtendienstes mit dem Ausland genehmigen.

2272

Bericht 1

Ausganslage

Die Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Apartheidregime Südafrikas rücken immer wieder auf die eine oder andere Weise in den Vordergrund des politischen und des medialen Interesses.

Dieses Thema war Gegenstand verschiedener parlamentarischer Vorstösse und zahlreicher Berichte der Verwaltung.

Auch die Geschäftsprüfungsdelegation der eidgenössischen Räte (GPDel) hat sich verschiedentlich mit dieser Frage auseinander gesetzt, so u.a. 1993, 1997 und 1999.

Ihre Berichte handelten von den Kontakten, welche gewisse Dienststellen des Eidgenössischen Militärdepartementes (heute: Eidg. Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport ­ VBS) mit Südafrika in einer Zeit unterhielten, als das Regime dieses Land von der internationalen Staatengemeinschaft geächtet wurde.

Im Laufe des Jahres 2001 traten in Südafrika neue Hinweise zu Tage, welche das VBS und vor allem die Untergruppe Nachrichtendienst und deren damaligen Chef, Divisionär Peter Regli, erneut in Frage stellten. Gewisse Punkte gaben Grund zur Annahme, dass die früheren Berichte der Delegation nicht vollständig waren und gewisse Personen, welche die Delegation in den Neunzigerjahren befragt hatte, offenbar einiges verschwiegen hatten. Deshalb beschloss die Delegation am 12. November 2001, sich ein weiteres Mal mit dieser Angelegenheit zu befassen.

Die Delegation will mit diesem Bericht ihre vorhergehenden Untersuchungen vervollständigen und gewisse Aussagen der 1997 und 1999 angehörten Personen überprüfen. Es geht zum einen darum, die Vorkommnisse so genau und erschöpfend wie nur möglich abzuklären und zum andern, eine politische Beurteilung vorzunehmen über die Rolle, welche der Schweizer Nachrichtendienst im Zusammenhang mit Südafrika in der Zeit des Apartheidregimes gespielt hat.

Dieser Bericht fügt sich in die Bestrebungen der Delegation, zur Gewährleistung der Kontrolle über die Verwaltung Transparenz in deren Tätigkeiten, insbesondere in diejenigen des Nachrichtendienstes zu bringen.

2

Frühere Abklärungen zu Schweiz ­ Südafrika

2.1

Parlamentarische Interventionen und verwaltungsinterne Abklärungen

Im Zusammenhang mit den Diskussionen um die Aufarbeitung der Geschichte der Schweiz im Zweiten Weltkrieg war im März 1997 eine parlamentarische Anfrage1 zu den Beziehungen zwischen der Schweiz und Südafrika zur Zeit des Apartheidre-

1

97.1031 Einfache Anfrage. Schweiz soll Beziehungen zu Apartheid-Südafrika aufklären, vom 20. März 1997 (AB 1997 N 2331).

2273

gimes eingereicht worden. In seiner Antwort2 vom 29. September 1997 vertrat der Bundesrat die Auffassung, dass keine Notwendigkeit für eine staatlich verordnete geschichtliche Untersuchung dieser Beziehungen bestehe. Die Fakten seien hinlänglich bekannt und der Bundesrat habe in Beantwortung zahlreicher parlamentarischer Vorstösse, so in der Botschaft über den Beitritt der Schweiz zur UNO vom 21. Dezember 1981 sowie in der Erklärung vom 22. September 1986, seine damalige Politik gegenüber Südafrika umfassend dargelegt. Nach Auffassung des Bundesrats seien diese Fakten aber mit einer Würdigung aus heutiger Sicht zu versehen.

Neue Aktualität erlangten die Kontakte der Schweiz und insbesondere diejenigen des schweizerischen Nachrichtendienstes zu Südafrika, nachdem die südafrikanische Wahrheits- und Versöhnungskommission (Truth & Reconciliation Commission [TCR]) am 29. Oktober 1998 ihren Schlussbericht veröffentlicht hatte und am 4. Oktober 1999 vor dem Pretoria High Court der Prozess gegen Brigadegeneral Dr. Wouter Basson, den ehemaligen Leiter des südafrikanischen militärischen Geheimprojekts «Coast»3 eröffnet worden war. In diesem Zusammenhang war anfangs 1999 unter anderem auch die Frage nach den Beziehungen zwischen dem Schweizer Nachrichtendienst4 und insbesondere dessen Chef, Divisionär Peter Regli, einerseits und staatlichen Instanzen des südafrikanischen Regimes andererseits durch die Medien aufgegriffen worden.

Der Nationalrat lehnte am 3. März 1999 eine parlamentarische Initiative5 ab, welche die Aufarbeitung der Beziehungen zwischen der Schweiz und Südafrika während der Jahre 1948 bis 1994 verlangt hatte. Der Rat überwies aber gleichzeitig ein Postulat6, das eine Untersuchung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen der Schweiz zu Südafrika in den Jahren 1948 bis 1994 durch den schweizerischen Nationalfonds anregte.

In Beantwortung7 diverser Interpellationen vom März 1999 teilte der Bundesrat am 19. Mai 1999 mit, dass der Vorsteher des VBS bereits am 12. Januar 1999 eine interne Aufarbeitung der Beziehungen des schweizerischen Nachrichtendienstes zu Südafrika sowie zu anderen Ländern angeordnet habe. Dieser Bericht wurde von der Untergruppe Nachrichtendienst verfasst und am 6. Juni 1999 dem Vorsteher des VBS abgeliefert; er ist als geheim klassifiziert (vgl. Ziff. 6.2).

2

3

4

5 6 7

Antwort des Bundesrates vom 29. September 1997 auf 97.1031 Einfache Anfrage.

Schweiz soll Beziehungen zu Apartheid-Südafrika aufklären, vom 20. März 1997 (AB 1997 N 2332).

Im Rahmen der Abklärungen der südafrikanischen Wahrheitskommission stellte sich heraus, dass die südafrikanische Armee im Jahr 1982 ein geheimes Projekt ins Leben gerufen hatte, um eine verteidigende und begrenzt offensive chemische und biologische Kriegsführung zu ermöglichen. Das Projekt mit dem Codenamen «Coast» stand unter der Leitung des obersten Stabsarzt der Streitkräfte Südafrikas, General Niel Knobel. Federführend war indessen Brigadegeneral Dr. Wouter Basson, der als leitender Direktor weitgehend selbständig über Organisation und Einzelheiten des Projektes entschied (vgl. dazu Ziff. 9).

Unter den Begriff «Nachrichtendienst» fallen alle Formen, in denen der Bund systematisch Informationen über das Ausland sammelt und auswertet, um mit ihrer Hilfe die äussere Sicherheit der Schweiz zu gewährleisten. Zur Organisation des Nachrichtendienstes, vgl. Ziff. 4.3.

98.412 Parlamentarische Initiative. Beziehungen der Schweiz zu Südafrika während der Jahre 1948­1994, vom 20. März 1998 (AB 1999 N 94).

99.3002 Postulat. Untersuchung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen der Schweiz zu Südafrika in den Jahren 1948­1994, vom 25. Januar 1999 (AB 1999 N 100).

Stellungnahme des Bundesrates vom 19. Mai 1999 zu 99.3097 Interpellation. Militärische Informationen mit Südafrika, vom 17. März 1999 (AB 1999 S 453).

2274

Nachdem der Bundesrat seit 1963 bereits zu 150 parlamentarischen Vorstössen zum Thema Schweiz ­ Südafrika Stellung genommen hatte und sowohl in der Öffentlichkeit wie im Parlament erneut Fragen zu diesem Thema aufgekommen waren, gab er am 23. Juni 1999 in Beantwortung8 einer weiteren einfachen Anfrage9 bekannt, dass am 8. März 1999 eine interdepartementale Arbeitsgruppe eingesetzt worden sei.

Aufgabe dieser Arbeitsgruppe werde es sein, in den einzelnen Departementen und Ämtern abzuklären, welche Informationen über die Beziehungen zwischen der Schweiz und Südafrika in den kritischen Jahren bis heute vorhanden seien und welches der juristisch-politische Rahmen der verschiedenen Massnahmen gewesen sei. Erst aufgrund dieser Abklärungen dürfte ersichtlich werden, ob und in welchen Bereichen weitere Abklärungen oder spezifische Fragestellungen wünschbar seien, und welche Konsequenzen daraus gezogen werden könnten. Der Bericht dieser Arbeitsgruppe ist vom Bundesrat am 1. Oktober 1999 zur Publikation freigegeben worden; er befasst sich mit dem allgemeinen Verhältnis zwischen der Schweiz und Südafrika und klammert die spezifischen Beziehungen des schweizerischen Nachrichtendienstes zu südafrikanischen Stellen und Personen bewusst aus (vgl.

Ziff. 5.2).

Der Bundesrat beauftragte im Mai 2000 den Schweizerischen Nationalfonds mit der Errichtung eines Zusatzmoduls über die Beziehungen der Schweiz zu Südafrika (NFP 42+). Innerhalb von drei Jahren soll eine wissenschaftlich abgestützte Profilanalyse der jüngeren, auf Südafrika bezogenen Aussen- und Aussenwirtschaftspolitik der Schweiz erstellt werden. Der Abschluss dieser Arbeiten steht noch aus und die Ergebnisse konnten für die Untersuchung der GPDel nicht genutzt werden.

2.2

Frühere Abklärungen der GPDel

Im Rahmen der ihr zustehenden Befugnisse hatte sich die GPDel schon verschiedentlich mit einzelnen Aspekten des Verhältnis der Schweiz zu Südafrika zur Zeit des Apartheidregimes befasst und im Bereich der militärischen Zusammenarbeit drei Untersuchungen durchgeführt.

2.2.1

Pilotenaustausch mit Südafrika (1993)

In ihrem seinerzeitigen Bericht zum Pilotenaustausch mit Südafrika vom 28. September 199310 gelangte die GPDel zum Schluss, dass der in den Jahren 1983 bis 1988 erfolgte Austausch von Berufsmilitärpiloten zwischen der Schweiz und Südafrika einem militärischen Bedürfnis entsprochen und die Schweiz damit weder Neutralitätsrecht noch andere völkerrechtliche Verpflichtungen verletzt habe. Zugleich wurde aber festgehalten, dass der Pilotenaustausch den Vorrang der Politik vor dem Militär missachtet habe, da die entsprechenden Informationen im Wissen um deren politische Brisanz den zuständigen Departementsvorstehern vorenthalten worden 8

9 10

Antwort des Bundesrates vom 23. Juni 1999 auf 99.1054 Einfache Anfrage. Untersuchung zu den Beziehungen der Schweiz zu Südafrika. Staatspolitische Fragen, vom 21. April 1999 (AB 1999 N 1651).

99.1054 Einfache Anfrage. Untersuchung zu den Beziehungen der Schweiz zu Südafrika.

Staatspolitische Fragen, vom 21. April 1999 (AB 1999 N 1651).

Der Pilotenaustausch mit Südafrika. Bericht über die Abklärungen der Geschäftsprüfungsdelegation vom 28. September 1993 (BBl 1994 I 100).

2275

seien. Die Delegation erachtete die inzwischen vom Eidgenössischen Militärdepartement (EMD; heute Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport, VBS) getroffenen Vorkehrungen zur politischen Kontrolle über den Nachrichtendienst ­ Schaffung eines Referenten des Departementschefs für die Nachrichtendienste, Aufbau eines Inspektorates, Einführung einer Geschäftsleitung auf Stufe Departement ­ als grundsätzlich geeignet11. Zugleich verlangte sie aber weitere Massnahmen zur Sicherstellung der politischen Führung und Kontrolle politisch heikler Aktionen des Nachrichtendienstes.

2.2.2

Angebliche Beteiligung beim Kauf chemischer Waffen (1997)

Aufgrund entsprechender Zeitungsberichte über die angebliche Beteiligung eines Agenten des schweizerischen Nachrichtendienstes beim Kauf chemischer Waffen durch Südafrika ging die GPDel im Jahr 1997 Gerüchten über angebliche Kontakte des Schweizer Nachrichtendienstes mit Südafrika nach. Sie orientierte über ihre Abklärungen mit einer Pressemitteilung vom 11. November 1997 und stellte fest: «Die glaubwürdigen Auskünfte zeigten, dass solche Verdächtigungen unbegründet sind. Die Delegation sieht daher im gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Handlungsbedarf der parlamentarischen Oberaufsicht»12.

2.2.3

Rolle des Schweizer Nachrichtendienstes (1999)

Die GPDel hatte bereits im Jahr 1999 eine erste Untersuchung über das Verhältnis des Schweizer Nachrichtendienstes zum seinerzeitigen Apartheidregime in Südafrika durchgeführt. Im Rahmen jener Abklärungen standen die Beziehungen des schweizerischen Nachrichtendienstes zu Südafrika im Allgemeinen und insbesondere eine mögliche Beteiligung der Schweiz an dem vom Apartheidregime Ende der 80er/anfangs der 90er Jahre angestrengten Aufbau eines biologisch-chemischen Waffenarsenals zur Diskussion. In ihrem Bericht vom 12. November 199913 hielt die GPDel zusammenfassend fest, es lägen keine Hinweise dafür vor, dass die seinerzeitige Zusammenarbeit mit illegalen Mitteln erfolgt sei oder gegen bestehende Weisungen verstossen habe. Der in den Medien erhobene Vorwurf, der Nachrichtendienst und insbesondere dessen Chef Divisionär Peter Regli hätten sich am Aufbau eines geheimen biologisch-chemischen Waffenprojekts in Südafrika beteiligt, habe sich als haltlos erwiesen. Hingegen kritisierte die GPDel, dass der Nachrichtendienst in einer gefahrvollen Zeitperiode an einer sensiblen Informationsfront ohne Direktiven und ohne nennenswerte Führung der politisch verantwortlichen Behörden habe tätig sein können. Problematisch scheine auch die Rolle eines Milizoffiziers der Schweizer Armee und Waffenhändlers, Jürg Jacomet, gewesen zu sein, der sich offensichtlich während Jahren als Mitarbeiter des Nachrichtendienstes ausgegeben 11

12 13

Vgl. dazu auch den Schlussbericht der Geschäftsprüfungsdelegation der eidgenössischen Räte über die Trainings von Militärpiloten im Ausland im Zeitraum 1993­2000, vom 15. September 2002 (BBl 2001 116).

Pressemitteilung der Geschäftsprüfungsdelegation vom 11. November 1997.

Beziehungen zu Südafrika: Rolle des Schweizer Nachrichtendienstes. Bericht der Delegation des Geschäftsprüfungskommissionen vom 12. November 1999 (BBl 2000 563).

2276

habe. Schliesslich betonte die GPDel, dass sich das AC Labor Spiez gegenüber Ersuchen südafrikanischer Kreise, an schweizerische Forschungsergebnisse zu gelangen, sehr zurückhaltend, ja geradezu vorbildlich verhalten habe. Von einer aktiven oder auch nur passiven Beteiligung an einem geheimen Waffenprojekt Südafrikas könne keine Rede sein.

Gestützt auf ihre Abklärungen unterbreitete die GPDel in ihrem seinerzeitigen Bericht vom November 1999 dem Bundesrat verschiedene Empfehlungen, welche im Wesentlichen das Primat der Politik im nachrichtendienstlichen Bereich, die Reorganisation der Nachrichtenbeschaffung, den Einsatz von Informanten und informellen Mitarbeitern sowie den Vollzug des Archivierungsgesetzes für die Akten des Nachrichtendienstes zum Gegenstand hatten.

Die damaligen Erkenntnisse der GPDel sowie ihre Empfehlungen werden im Anhang Nr. 5 auszugsweise wiedergegeben.

3

Neu aufgenommene Untersuchungen der GPDel

3.1

Anlass für die neu aufgenommenen Untersuchungen der GPDel

Nachdem im Verlauf des gegen Wouter Basson in Südafrika eröffneten Prozesses Ende Juli 2001 neue Hinweise über die Rolle des Schweizer Nachrichtendienstes aufgetaucht waren, sah sich die GPDel veranlasst, ihre im Jahr 1999 getätigten Abklärungen auf deren Vollständigkeit hin zu überprüfen und gegebenenfalls auf eine erweiterte Basis zu stellen. Sie beschloss deshalb am 12. November 2001, ihre Untersuchungen neu aufzunehmen.

Bereits am 4. Oktober 2001 war im Nationalrat eine parlamentarische Initiative eingereicht worden, mit welcher die Einsetzung einer parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) beantragt wurde, um die Natur und die Modalitäten der Beziehungen der schweizerischen Nachrichtendienste zum südafrikanischen Geheimdienst während der Apartheidzeit aufzuklären. Der Nationalrat beschloss am 18. März 2002 unter Hinweis auf die laufenden Abklärungen der GPDel, der Initiative keine Folge zu geben14.

Unabhängig von den Abklärungen der GPDel ordnete auch der Vorsteher VBS im November 2001 eine Administrativuntersuchung an. Der entsprechende Untersuchungsauftrag wurde im Februar 2002 erteilt und der Schlussbericht am 20. Dezember 2002 veröffentlicht. Parallel zu den beiden Untersuchungen von GPDel und Departement führt die Bundesanwaltschaft seit Juni 1999 ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt u.a. wegen des Verdachts auf Verletzung der Güterkontroll- und Kriegsmaterialgesetzgebung. Das gerichtspolizeiliche Ermittlungsverfahren ist in der Zwischenzeit abgeschlossen worden; seit 8. Januar 2003 ist die Voruntersuchung beim Eidgenössischen Untersuchungsrichter anhängig.

Während sich im Verhältnis zum bundesanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren keine Probleme ergaben, sah sich die GPDel im Zusammenhang mit der parallel durchgeführten Administrativuntersuchung des VBS mit erheblichen Problemen konfrontiert. Um auf diesen Umstand hinzuweisen und ein besseres Umfeld für 14

01.448 Parlamentarische Initiative. PUK. Nachrichtendienst und Apartheid, vom 4. Oktober 2001 (AB 2002 N 310).

2277

künftige Untersuchungen zu schaffen, hatte sie deshalb beschlossen, eine Zweiteilung der Berichterstattung vorzunehmen. Während der vorliegende Bericht das Verhältnis des schweizerischen Nachrichtendienstes zu Südafrika beleuchtet, ist ein weiterer Bericht der Abgrenzung der Untersuchungen der GPDel von verwaltungsinternen Administrativuntersuchungen am Beispiel der Abklärungen zum Thema Südafrika in Diskussion.

3.2

Befugnisse der GPDel

Die Delegation der Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPDel) hat den Auftrag, «die Tätigkeit im Bereich des Staatsschutzes und der Nachrichtendienste regelmässig näher zu prüfen»15.

Um diese Aufgabe wahrzunehmen, hat die GPDel das Recht, «nach Anhören des Bundesrates, ungeachtet des Amtsgeheimnisses oder des militärischen Geheimnisses, von Behörden des Bundes, der Kantone und von Privatpersonen die Herausgabe von Akten zu verlangen sowie Beamte des Bundes und Privatpersonen als Auskunftspersonen oder als Zeugen einzuvernehmen»16. Die Auskunftspflicht von Bundesbediensteten ist in den «Weisungen des Bundesrates über Auskünfte, Akteneinsicht, Akteneinsichtsgewährung und Aktenherausgabe an die Mitglieder der eidgenössischen Räte, an die parlamentarischen Kommissionen und an die Parlamentsdienste» vom 29. Oktober 197517 sowie in den «Weisungen des Bundesrates über die Handhabung des Amtsgeheimnisses und des militärischen Geheimnisses im Verkehr mit der Geschäftsprüfungsdelegation» vom 16. Oktober 199618 geregelt.

Lediglich bei «Meldungen ausländischer Amtsstellen kann der Bundesrat den Quellenschutz vorbehalten»19.

3.3

Beschränkung des Untersuchungsgegenstands

Aufgabe der GPDel ist es, die Tätigkeit im Bereich des Staatsschutzes und der Nachrichtendienste regelmässig näher zu prüfen. Ihrer Aufsicht unterstehen somit allein die nachrichtendienstlichen Organisationseinheiten des Bundes bzw. deren Exponenten sowie die entsprechenden Aufsichtsbehörden der Departemente und des Bundesrates.

Im Rahmen ihrer Abklärungen hat deshalb die GPDel weder die generelle Rolle der Schweiz in ihren ausgesprochen komplexen Bezügen zum seinerzeitigen Apartheidregime in Südafrika untersucht, noch ist sie Fragen nachgegangen, die im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Betätigung schweizerischer Unternehmen oder schweizerischer Privatpersonen in Südafrika stehen. Ihre Untersuchungen waren allein darauf ausgerichtet, die Kontakte und das Verhalten des Schweizer Nachrich15 16 17 18 19

Art. 47quinquies Abs. 2 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG).

Art. 47quinquies Abs. 4 GVG.

BBl 1975 II 2155.

BBl 1996 IV 1326.

Art. 47quinquies Abs. 4 GVG. Der Vorbehalt des Quellenschutzes für Meldungen ausländischer Amtsstellen ist im neuen Bundesgesetz vom 13. Dezember 2002 über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz, ParlG) gestrichen worden, um dieses Gesetz in Übereinstimmung mit Art. 169 Abs. 2 Bundesverfassung (BV) zu bringen. Das neue Parlamentsgesetz tritt wahrscheinlich im Dezember 2003 in Kraft.

2278

tendienstes und seiner Mitarbeitenden nach Möglichkeit zu klären und zu würdigen.

Hingegen stand es nicht zur Diskussion, die Untersuchungen auf sämtliche Institutionen oder Personen auszudehnen, die in irgendeiner Weise Kontakte zu Südafrika unterhalten haben. Soweit kein erkennbarer Konnex zum Nachrichtendienst oder dessen Exponenten besteht, erfolgten deshalb keine weiteren Abklärungen in Bezug auf das allgemeine Verhalten von privaten Gesellschaften oder Personen, auch wenn diese zum Teil in den Medien im Zusammenhang mit Südafrika genannt worden waren.

Mit ein wesentlicher Faktor für die neu aufgenommenen Abklärungen der GPDel bildeten zweifellos die neuen Erkenntnisse aus dem in Südafrika geführten Prozess gegen Wouter Basson. Jener Prozess war am 4. Oktober 1999 eröffnet worden. Er fand mit dem erstinstanzlichen Freispruch vom 11. April 2002 sein vorläufiges und mit der Abweisung des gegen den Freispruch gerichteten Wiederaufnahmebegehrens vom 3. Juni 2003 sein definitives Ende (vgl. dazu Ziff. 10.2). Die GPDel hat den Prozess ­ insbesondere die die Schweiz betreffenden Aspekte ­ mit grossem Interesse verfolgt. Aus Respekt vor der staatlichen Souveränität Südafrikas und insbesondere seiner gerichtlichen Instanzen masst die GPDel sich nicht an, zum Urteil des Pretoria High Court Stellung zu nehmen oder die im Rahmen eines ausländischen Gerichtsverfahrens ergangene Entscheidung gar in inhaltlicher Hinsicht zu bewerten.

Aus dem gleichen Grund verzichtet die GPDel auch auf eine Würdigung der Wouter Basson in Südafrika zur Last gelegten Straftaten.

3.4

Methodisches Vorgehen

Der GPDel war es ein Anliegen, ihre Untersuchungen zum Thema Schweiz ­ Südafrika auf eine möglichst breite Basis zu stellen und sämtlichen Fakten, aber auch blossen Mutmassungen, nachzugehen. Zu diesem Zweck verschaffte sie sich zunächst einen Überblick über die diversen Behauptungen und Gerüchte, welche im Zusammenhang mit der Rolle des Schweizer Nachrichtendienstes in Südafrika im Umlauf waren. Sie hörte als Erstes verschiedene Medienschaffende an, die sich in jüngster Zeit speziell mit der Thematik beschäftigt hatten. Gestützt auf diese Anhörungen und die übrigen, in der Zwischenzeit vorgenommenen Abklärungen bereinigte die GPDel im Januar 2002 den Untersuchungsgegenstand und verabschiedete ein detailliertes Untersuchungskonzept.

In der Folge wurde nicht nur der Kreis der anzuhörenden Personen festgelegt, sondern es wurden auch umfangreiche Fragenkataloge und Aktenherausgabebegehren an verschiedene Departemente des Bundes sowie an einzelne kantonale Regierungen gerichtet. So beinhaltete etwa allein das an das VBS gerichtete Auskunftsbegehren rund 50 Themenkomplexe unterschiedlichster Art mit einer grossen Zahl detaillierter Einzelfragen. Im Verlauf der weiteren Abklärungen wurde das Untersuchungskonzept laufend den gewonnenen Erkenntnissen angepasst und es wurden zusätzliche Personen angehört oder ergänzende Stellungnahmen eingeholt.

Es ist Aufgabe der GPDel, einerseits den Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht zu klären und andererseits in politischer Hinsicht zu würdigen. Soweit der Sachverhalt unumstritten war, beschränkt sich der vorliegende Bericht auf eine beschreibende Darstellung der Faktenlage. Standen aber kontroverse Sachverhaltsschilderungen zur Diskussion, sieht sich die GPDel veranlasst, als Erstes Stellung zu den teils unklaren, teils umstrittenen Aussagen zu nehmen und in beweismässiger Hinsicht zu 2279

würdigen. Erst dieses Vorgehen erlaubt es, im Anschluss daran, eine abschliessende politische Bewertung der Vorfälle vorzunehmen.

3.4.1

Befragungen und beigezogene Unterlagen

Die GPDel behandelte den Untersuchungsgegenstand an insgesamt 30 Sitzungstagen. Sie hörte im Verlauf ihrer Untersuchungen 46 Personen ­ teils mehrmals ­ an und zog bei diversen Amtsstellen zahlreiche Unterlagen bei. Die Liste der angehörten Personen findet sich im Anhang 1, diejenige der beigezogenen Unterlagen im Anhang 2.

3.4.2

Amtsberichte

Im März 2002 gelangte die GPDel mit umfangreichen Fragenkatalogen an das VBS (Strategischer Nachrichtendienst, Militärprotokoll, Bundesamt für Armeematerial und Bauten, Kommando Luftwaffe, Unterstabschef Sanität), das EJPD (Bundesanwaltschaft und Bundesamt für Polizei), das EDA und das EVD sowie an die Regierungen der Kantone Zürich und Thurgau und ersuchte um Beantwortung zahlreicher Fragen. Die angeschriebenen Departemente und kantonalen Regierungen nahmen im Verlauf des Monats April 2002 schriftlich zu den ihnen unterbreiteten Fragen Stellung und reichten ­ soweit vorhanden ­ die erforderlichen Unterlagen zur Dokumentation der erteilten Auskünfte ein. Je nach Bedarf wurden in der Folge verschiedentlich weitere schriftliche Stellungnahmen oder ergänzende Auskünfte bei den betroffenen Departementen oder kantonalen Regierungen eingeholt.

Zur Vervollständigung ihrer Abklärungen zog die GPDel überdies verschiedene frühere Berichte bei und gab zusätzliche Berichte in Auftrag. Eine detaillierte Übersicht findet sich im Anhang 3.

3.4.3

Rechtsgutachten

Im November 2002 forderte die GPDel beim Bundesamt für Justiz ein Rechtsgutachten zum Anwendungsbereich und zum Zweck einer Administrativuntersuchung an. Das Bundesamt für Justiz erstattete sein Gutachten am 19. Dezember 2002. Es kann nicht die Aufgabe des vorliegenden Berichtes sein, an dieser Stelle die Einzelheiten dieses Rechtsgutachtens aufzuzeigen, zumal es nächstens in der Zeitschrift «Verwaltungspraxis der Bundesbehörden» (VPB) erscheinen wird.

3.4.4

Abklärungen in Südafrika

Im Februar 2002 ersuchte die GPDel den Bundesrat, die Möglichkeiten für die Durchführung eigener Abklärungen in Südafrika zu prüfen und gegebenenfalls bei den südafrikanischen Behörden vorstellig zu werden. Nachdem sich die erste Antwort des Bundesrates vom März 2002 auf eine Stellungnahme zur innen- und aussenpolitischen Opportunität beschränkt hatte, hörte die GPDel verschiedene Repräsentanten des EDA an und erkundigte sich bei ihnen über die Wahl des geeigneten 2280

Vorgehens. Im Juni 2002 umschrieb die GPDel den Untersuchungsgegenstand und das Verfahren der GPDel zu Handen der südafrikanischen Behörden und erstellte zugleich eine Liste der gewünschten Anhörungen. Das EDA leitete das Begehren der GPDel umgehend an die südafrikanischen Behörden weiter und erkundigte sich durch Vermittlung der Schweizer Botschaft in Pretoria mehrmals über den aktuellen Stand des Verfahrens. Die entsprechenden Verhandlungen erwiesen sich vor allem deshalb als besonders schwierig, weil im Rahmen der parlamentarischen Abklärungen ­ im Unterschied etwa zu Strafverfahren des Bundes oder der Kantone ­ keine formalisierten Rechtshilfeübereinkommen bestehen und eine ad-hoc-Lösung hätte gefunden werden müssen. Ergänzend nahm auch die Präsidentin des Nationalrats bei ihrem offiziellen Besuch in Südafrika vom Oktober 2002 die Gelegenheit wahr, das Anliegen der GPDel in direkten Kontakten mit den südafrikanischen Behörden zu bekräftigen. Im Juni 2003 schliesslich erklärte der südafrikanische Staatspräsident Thabo Mbeki anlässlich seines offiziellen Besuchs in der Schweiz, dass die von der GPDel gewünschten Abklärungen in Südafrika nicht im Interesse seines Landes liegen würden. Zum einen könnte damit ein unerwünschtes Präjudiz für allfällige Anfragen aus anderen Ländern geschaffen werden. Zum andern widersprächen derartige Abklärungen aber auch dem Wunsch der südafrikanischen Regierung, sich nun nicht mehr länger mit der Vergangenheit zu beschäftigten, sondern sich auf die Zukunft zu konzentrieren. Überdies sei es aber auch allein Sache des südafrikanischen Staates, die eigene Vergangenheit aufzuarbeiten, was mit der Einsetzung und dem Bericht der Truth & Reconciliation Commission geschehen sei.

Obwohl es ihrer Ansicht nach ausgesprochen wünschbar gewesen wäre, mit direkten Abklärungen in Südafrika zusätzliche Klarheit zu erlangen, muss die GPDel den Standpunkt der südafrikanischen Regierung akzeptieren.

3.4.5

Beigezogener Experte

Die GPDel zog für die Abklärungen und die Aufarbeitung der Untersuchungsergebnisse im Rahmen des vorliegenden Berichts einen aussenstehenden Experten in der Person von Dr. Niklaus Oberholzer, Kantonsrichter und Präsident der Anklagekammer des Kantons St. Gallen sowie Lehrbeauftragter an der Universität St. Gallen bei.

3.4.6

Verabschiedung des Berichts

Die GPDel besprach die Ergebnisse der Untersuchung laufend, verabschiedete ihren Berichtsentwurf am 23. Juni 2003 und unterbreitete ihn am 24. Juni 2003 dem Bundesrat zur Stellungnahme20. Der Bundesrat äusserte sich dazu am 2. Juli 2003. Der Schlussbericht wurde auch mit einer Delegation des Bundesrates am 18. August 2003 diskutiert.

Die Delegation hat insbesondere Peter Regli das rechtliche Gehör gewährt.

Der vorliegende Schlussbericht trägt der Stellungnahme des Bundesrates und der von Peter Regli geäusserten Meinungen angemessen Rechnung.

20

Vgl. Art. 47quinquies Abs. 7 GVG.

2281

Die Delegation hat ihre Arbeit am 18. August 2003 abgeschlossen. Sie hat den Bericht zuhanden der Plenarkommissionen verabschiedet.

Die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte wurden am 25. August 2003 über den Bericht der Delegation orientiert. Sie beschlossen, ihn zu veröffentlichen.

4

Allgemeiner Auftrag und Organisation des Nachrichtendienstes im EMD/VBS

4.1

Vorbemerkung

Bereits die PUK EMD hat in ihrem Bericht vom 17. November 199021 ausführlich zu Auftrag, Organisation und Tätigkeit der damaligen Untergruppe Nachrichtendienst und Abwehr (UNA) Stellung genommen. Auch wenn seither ein organisatorischer Umbau stattgefunden hat, sind vor allem die Aussagen zu den Aufgaben des Nachrichtendienstes, den Methoden der Nachrichtenbeschaffung, den Informationsquellen und der Zusammenarbeit mit Dritten nach wie vor weitgehend aktuell. Im Rahmen des vorliegenden Berichts wird deshalb auf Fragen allgemeiner Natur nur soweit eingegangen, als sie in einem ­ zumindest mittelbaren ­ Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand Südafrika stehen.

4.2

Gesetzliche Grundlagen

Die gesetzliche Grundlage des Nachrichtendienstes findet sich in Artikel 99 des Bundesgesetzes über die Armee und die Militärverwaltung (Militärgesetz)22: 1

Der Nachrichtendienst hat zur Aufgabe, sicherheitspolitisch bedeutsame Informationen über das Ausland zu beschaffen, auszuwerten und zu verbreiten.

2 Er ist befugt, Personendaten, mit Einschluss von besonders schützenswerten Personendaten und von Persönlichkeitsprofilen, zu bearbeiten, gegebenenfalls ohne Wissen der betroffenen Personen, soweit und solange es seine Aufgaben erfordern. Er kann im Einzelfall Personendaten in Abweichung von den datenschutzrechtlichen Bestimmungen ins Ausland weitergeben.

2bis Er kann Informationen über Personen in der Schweiz, die bei Gelegenheit seiner Tätigkeit nach Absatz 1 anfallen und für die innere Sicherheit oder die Strafverfolgung von Bedeutung sein können, dem Bundesamt für Polizei weiterleiten.

3 Der Bundesrat regelt: a. die Aufgaben des Nachrichtendienstes im einzelnen, dessen Organisation sowie den Datenschutz; b. die Tätigkeit des Nachrichtendienstes im Friedensförderungs-, Assistenz- und Aktivdienst; c. die Zusammenarbeit des Nachrichtendienstes mit interessierten Stellen von Bund und Kantonen sowie mit ausländischen Diensten; d. die Ausnahmen von den Vorschriften über die Registrierung von Datensammlungen, wenn diese die Informationsbeschaffung gefährden würde.

21 22

Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission über die Vorkommnisse im EMD (PUK EMD) vom 17. November 1990 (BBl 1990 III 1293).

Bundesgesetz vom 3. Februar 1995 über die Armee und die Militärverwaltung (Militärgesetz, MG), SR 510.10 (mit Änderungen vom 4. Oktober 2002; Art. 99 Abs. 2bis, Abs. 3 Bst. b und c, Abs. 4 und 5 treten voraussichtlich auf den 1. Januar 2004 in Kraft.).

2282

4

Der Quellenschutz muss in jedem Fall gewährleistet werden.

Der Nachrichtendienst untersteht unmittelbar dem Chef des Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport.

5

Ergänzende Vorschriften finden sich in der Verordnung vom 4. Dezember 2000 über den Nachrichtendienst im Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (Nachrichtendienstverordnung, VND)23. Die Ausführungsbestimmungen für den Bereich des strategischen Nachrichtendienstes sind in der «Geschäftsordnung für die Direktion Strategischer Nachrichtendienst» vom 12. Dezember 2001 enthalten.

4.3

Aufbau, Organisation und Abgrenzung des Nachrichtendienstes

4.3.1

Allgemeiner Aufbau und Abgrenzung

Heute: Innerhalb des VBS sind heute drei Nachrichtendienste angesiedelt, deren Aufgaben wie folgt umgeschrieben werden können (vgl. Abbildung 1): ­

Die Direktion Strategischer Nachrichtendienst (SND) stellt die ständige Auslandsaufklärung sicher. Der SND beschafft zuhanden der obersten politischen und militärischen Führung und in enger Zusammenarbeit mit anderen Bundesstellen Informationen, die für die Sicherheit der Schweiz bedeutsam sind, wertet diese aus und verbreitet sie. Er beschäftigt sich mit politischen, militärischen, aber auch technologischen und wirtschaftlichen Entwicklungen im Ausland. Neben der Verfolgung längerfristiger Entwicklungen hat er auch die Aufgabe, die zeitgerechte Warnung sicherzustellen. Zu diesem Zweck verfügt er über ein Lage- und Warnzentrum.

­

Der Militärische Nachrichtendienst (MND) hat die Aufgabe, den Nachrichtendienst auf operativer und taktischer Stufe für die Armee sicherzustellen.

Er beschafft im Interessenraum der Armee Informationen, die für einen Einsatz der Armee erforderlich sind, wertet diese aus und verbreitet sie.

­

Der Luftwaffennachrichtendienst (LWND) stellt den für den Einsatz der Luftwaffe unmittelbar nötigen Nachrichtendienst sicher. Zudem beschafft er im Interessenraum der Armee Informationen, die für die Aufgabenerfüllung der Armee erforderlich sind, wertet diese aus und leitet sie an den MND weiter.

Seit dem 2. Weltkrieg hat die Luftwaffe einen eigenen Nachrichtendienst, um die spezifischen Nachrichtenbedürfnisse der Luftwaffe zu befriedigen. Die beiden anderen Nachrichtendienste sind aus Organisationseinheiten des Generalstabs entstanden.

23

SR 510.291

2283

Schematische Darstellung der heutigen Organisation des Nachrichtendienstes im VBS (Stand 2003) Abbildung 1

Vorsteher VBS

Generalsekretariat

Generalstab

Luftwaffe

Militärischer Nachrichtendienst (MND)

Luftwaffennachrichtendienst (LWND)

Auswertung (SNDA)

Direktion Strategischer Nachrichtendienst (SND)

Beschaffung (SNDB)

Unterstützung (NDU)

Historische Entwicklung: Die Entwicklung von der Untergruppe Nachrichtendienst und Abwehr (UNA) zur Untergruppe Nachrichtendienst (UG ND) kann wie folgt dargestellt werden: ­

Untergruppe Nachrichtendienst und Abwehr (UNA):

Die UNA existierte bis 1993. Unterstellung, Organisation und Aufgaben der UNA sowie ihrer Abteilungen und Sektionen waren in den Geschäftsordnungen des Stabes der Gruppe für Generalstabsdienste verschiedener Jahre geregelt.

Die UNA war eine Organisationseinheit im Stab der Gruppe für Generalstabsdienste. Ihr Chef (der Unterstabschef Nachrichtendienst und Abwehr, USC NA) war dem Generalstabschef direkt unterstellt. Er verfügte über einen Stab und zwei Abteilungen, die Abteilung Nachrichtendienst einerseits und die Abteilung Abwehr

2284

andererseits. Des Weiteren gehörten die technische Sektion sowie das Militärprotokoll zur UNA (vgl. Abb. 2).

Die Abteilung Nachrichtendienst leitete die konzeptionellen und organisatorischen Belange des strategischen und des operativen Nachrichtendienstes sowie des Truppennachrichtendienstes. Die Hauptaufgabe war die Beschaffung, Auswertung und Verbreitung von Informationen und Nachrichten zur sicherheitspolitischen Lage und zur militärischen Bedrohung. Die Abteilung Nachrichtendienst lieferte zum Beispiel auch die Grundlagen der militärischen Gesamtplanung und führte den Truppennachrichtendienst in der Armee insbesondere in den Bereichen der Ausbildung und Ausbildungsunterstützung. Die Arbeit war geprägt durch die damalige Bedrohungslage im Kalten Krieg.

Die Abteilung Abwehr hatte die Aufgabe, für den Schutz des militärischen Geheimnisses zu sorgen und beeinträchtigende Einwirkungen auf Militärpersonen oder Armeeanlagen zu verhindern beziehungsweise abzuklären. Ausserdem war die Abwehr für die zentrale Bearbeitung von Fällen armeefeindlicher Umtriebe zuständig. Entsprechend verfügte die Abwehr über die Bereiche Geheimhaltung und militärische Sicherheitsdienste.

2285

Schematische Darstellung der Organisation des Nachrichtendienstes im EMD (Stand 1985) Abbildung 2 Vorsteher EMD [Vorsteher VBS]

Generalsekretariat

Gruppe für Generalstabsdienste [Generalstab]

Kdo Flieger und Flab Truppen [Luftwaffe]

Untergruppe Nachrichtendienst und Abwehr (UNA)

Sektion Flieger-/Fliegerabwehrnachrichtendienst (FFND) [Luftwaffennachrichtendienst (LWND)]

Abteilung Nachrichtendienst

Auswertung

­

Abteilung Abwehr bzw.

Abteilung Militärische Sicherheit

Beschaffung

Geheimhaltung

Technische Sektion [Unterstützung]

Militärprotokoll

Militärische Sicherheitsdienste

Untergruppe Nachrichtendienst (UG ND):

Im Nachgang zur PUK EMD 1993 wurde die Abteilung Abwehr in die Abteilung Militärische Sicherheit umbenannt und dann aus der UNA herausgelöst. Es entstand neu die Untergruppe Nachrichtendienst (UG ND), die bis Ende 2000 als solche bestand (vgl. Abbildung 3).

Die ehemalige Abteilung Nachrichtendienst wurde in den Strategischen Nachrichtendienst (SND) umbenannt. Die Ausrichtung des SND wurde von Beginn weg aufgrund der veränderten strategischen, weltpolitischen Lage schrittweise neu ausgerichtet. Neben dem SND bestand der Armeenachrichtendienst, der aus dem Truppennachrichtendienst mit den gleichen Aufgaben betraut wurde. Neben einer technischen Sektion (Unterstützung) waren dem Unterstabschef Nachrichtendienst (USC ND) ausserdem das Militärprotokoll und die Verteidigungsattachés unterstellt.

Im Jahr 1999 und 2000 wurden verschiedene Berichte über die Arbeit der UG ND bzw. im Nachgang zu besonderen Vorkommnissen verfasst, die eine grosse Anzahl 2286

an Empfehlungen für die zukünftige Ausgestaltung der Nachrichtendienste enthielten, z.B.: ­

Berichte der GPDel über Südafrika und über die ,,Bellasi-Affäre"

­

Bericht der Studienkommission Untergruppe Nachrichtendienst

Im Rahmen eines umfassenden Projekts wurde die Umsetzung dieser Empfehlungen geprüft. Der Projektbericht «Neuausrichtung des Nachrichtendienstes» wurde am 6. September 2000 dem Bundesrat vorgelegt und in zustimmendem Sinne zur Kenntnis genommen. Die wesentlichsten Entscheide waren: ­

den SND aus der UG ND herauszulösen und dem Generalsekretär VBS zu unterstellen;

­

das Militärprotokoll und die Verteidigungsattachés dem stellvertretenden Generalstabschef zu unterstellen;

­

den Armeenachrichtendienst (AND) im Generalstab zu belassen und ihm die Aufgaben eines Militärischen Nachrichtendienstes zuzuweisen;

­

den Luftwaffennachrichtendienst in der Luftwaffe zu belassen.

Dies führte zur heutigen Struktur der Nachrichtendienste im VBS sowie zu den eingangs erwähnten Aufgabenzuweisungen.

2287

Schematische Darstellung der Organisation des Nachrichtendienstes im EMD/VBS (Stand 1995) Abbildung 3

Vorsteher EMD [Vorsteher VBS]

Generalsekretariat

Gruppe für Generalstabsdienste [Generalstab]

Kdo Flieger und Flab Truppen [Luftwaffe]

Untergruppe Nac hrichtendienst (UG ND) Sektion Flieger-/ Fliegera bwehrnachrichtendienst (FFND) [Luftwaffennachrichtendienst (LWND)]

Verteidigungsattachés

Abteilung Strategischer Nachrichtendienst (SND) [Direktion Strategischer Nachrichtendienst

ArmeeNachrichtendienst [Militärischer Nachrichtendienst (MND)]

Technische Sektion [Unterstützung, NDU]

Militärprotokoll

(SND)]

Auswertung (SNDA)

­

Beschaffung (SNDB)

Strategischer Nachrichtendienst (SND):

Der Strategische Nachrichtendienst (SND) ist in diesem Sinne heute verselbständigt und (einstweilen noch) direkt dem Generalsekretär des VBS unterstellt. Mit der am 4. Oktober 2002 beschlossenen Revision des Militärgesetzes (neuer Art. 99 Abs. 5 MG) wird er neu unmittelbar dem Departementschef unterstellt sein. In organisatorischer Hinsicht weist der SND die drei klassischen Bereiche «Beschaffung», «Auswertung» und «Unterstützung» auf. Er ist im Übrigen von den früheren, in der UNA bzw. in der UG ND noch eingegliederten Sektionen wie Militärprotokoll, Armee2288

nachrichtendienst (heute: MND) bzw. Militärische Sicherheit oder Geheimhaltung getrennt.

4.3.2

Politische Führung und Definition der Nachrichtenbedürfnisse

Die GPDel hatte sich schon in ihrem Bericht vom 12. November 1999 eingehend mit der fehlenden politischen Führung und Kontrolle des Schweizer Nachrichtendienstes auseinandergesetzt. Die neuen Abklärungen haben die schon damals getroffenen Feststellungen im Wesentlichen bestätigt. Es zeigte sich erneut, dass ­ zumindest im untersuchten Zeitraum ­ ein klarer Leistungsauftrag der politisch verantwortlichen Behörden nicht existent war und die UNA bzw. die UG ND weitgehend selbständig über die Nachrichtenbedürfnisse entschied. Es blieb dem Schweizer Nachrichtendienst überlassen, Bedrohungsszenarien zu entwickeln und die Schwerpunkte seiner Tätigkeit zu bestimmen.

Wie der heutige Direktor des SND bei seiner Anhörung ausführte, definierte die Sektion Auswertung (u.a. an den Lagerapporten) die Nachrichtenbedürfnisse und steuerte so die Sektion Beschaffung. Auch der heutige Nachrichtenkoordinator des Bundes und ehemalige Mitarbeiter der Sektion Beschaffung bestätigte, dass die (zivilen und militärischen) Nachrichtendienste, jedenfalls bis anfangs der 90er Jahre, praktisch nicht geführt worden seien. Konkrete Nachrichtenbedürfnisse seien nicht artikuliert worden, und es habe auch kein Interesse der politisch vorgesetzten Instanzen an den Nachrichtendiensten bestanden. Es sei unerlässlich, eine Qualitätskontrolle zu schaffen, indem der Bundesrat klar vorgebe, was er von den Nachrichtendiensten erwarte.

Die jeweiligen Departementsvorsteher und Generalstabschefs oder das Generalsekretariat des EMD gaben im untersuchten Zeitraum weder Leistungsziele vor noch unterzogen sie die Tätigkeit der UNA bzw. der UG ND einer nachträglichen Kontrolle. Der ehemalige Generalsekretär des EMD umschrieb diese, offenbar bis in jüngster Zeit bestehende Grundhaltung wie folgt: «Ich hatte damit überhaupt nichts zu tun, und hätte ich mich eingemischt, wäre ich zweifellos postwendend hinauskatapultiert worden».

Mit den zum Teil nach der PUK EMD, aber vor allem nach der «Bellasi-Affäre» in die Wege geleiteten Reformen scheint eine erhöhte Sensibilisierung innerhalb des Strategischen Nachrichtendienstes, aber auch bei der Departementsleitung eingetreten zu sein. Seit einigen Jahren legt der Direktor des SND dem Vorsteher des VBS jährlich eine aktualisierte Liste der regelmässigen und unregelmässigen Kontakte mit ausländischen
Partnerdiensten vor; diese Praxis war bereits unter seinem Vorgänger Peter Regli eingeführt worden. Die Liste wird anschliessend bereinigt, wobei es vor allem um Fragen der politischen Opportunität und der Intensität der Kontakte geht. Die bereinigte Liste wird anschliessend vom Departementsvorsteher dem Gesamtbundesrat und der GPDel zur Kenntnis gebracht. Für die Aufnahme regelmässiger Beziehungen mit einem neuen Dienst bedarf es heute des Einverständnisses des Bundesrats. Für Kontakte, die nur auf Führungsstufe bestehen, oder für fallbezogene, sporadische Treffen auf Sachbearbeiterebene besteht hingegen nach wie vor kein kontinuierlicher Informations- und Erkenntnisaustausch mit der politischen vorgesetzten Behörde.

2289

Zu einer wesentlichen Neuerung hat der neue Grundauftrag an den Strategischen Nachrichtendienst vom 3. Oktober 2001 sowie die halbjährlichen Prioritäten-Listen «Prios» und die monatliche Nachrichtenpriorisierung geführt, welche seit Ende 1999 vom Sicherheitsausschusses des Bundesrates in enger Zusammenarbeit mit dem Nachrichtenkoordinator des Bundes geführt wird. In diesen Dokumenten werden seither regelmässig die Schwerpunkte der Nachrichtenbedürfnisse festgelegt und damit auch die Nachrichtenbeschaffung des SND gesteuert.

4.3.3

Dem SND zur Verfügung stehende Mittel

Im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand Südafrika sind u.a. auch verschiedentlich Spekulationen über die verdeckte Informationsbeschaffung der UNA bzw. der UG ND geäussert worden. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Themenkomplexe: ­

Einsatz und Finanzierung von auswärtigen Quellen und Informanten (vgl.

dazu Ziff. 4.3.3.2 und 4.3.3.5);

­

Einsatz von Milizoffizieren als Beschaffer (vgl. Ziff. 4.3.3.3);

­

Existenz von konspirativer Wohnungen («safe houses»; vgl. Ziff. 4.3.3.4).

Die GPDel hat versucht, diesen Hinweisen nachzugehen und die erforderliche Klarheit zu schaffen. Sie ist dabei zu den nachfolgenden Erkenntnissen gelangt.

4.3.3.1

Nachrichtendienstliche Beschaffung im Allgemeinen

Die Auswertung offener Quellen (Publikationen, Zeitungen, Zeitschriften, Internet etc.) zählt mit zu den Aufgaben des Strategischen Nachrichtendienstes. Die Abteilung Auswertung verschafft sich damit die notwendigen Grundlagen, um die relevanten Nachrichtenbedürfnisse zu erkennen, und gestützt darauf die nachrichtendienstliche Beschaffung von Informationen zu steuern. Die Auswertung offener Quellen zählt zwar zu den Vorbedingungen der Nachrichtenbeschaffung; sie stellt aber keine nachrichtendienstliche Tätigkeit im engeren Sinn dar. Die eigentliche Nachrichtenbeschaffung erfolgt vielmehr über Beziehungen zu anderen Diensten, über COMINT (Communications Intelligence) wie das Projekt ONYX oder andere Informationsausforschungsprogramme, über HUMINT (Human Intelligence) wie etwa verdeckte Aktionen sowie in geringerem Masse über aussenstehende Informationsquellen.

Während heute offenbar die aktive Nachrichtenbeschaffung im Vordergrund steht, sprach ein früherer Chef der damaligen UNA davon, dass es zu seiner Zeit eher um die passive Nachrichtenbeschaffung gegangen sei. Nach den übereinstimmenden Aussagen der Beteiligten bildet das «Eigenaufkommen» von Nachrichten, d.h. die vom Dienst selbst beschafften Informationen, die unerlässliche Voraussetzung für die Zusammenarbeit mit anderen Diensten. Im Verlauf der Abklärungen ist von Mitarbeitenden des Strategischen Nachrichtendienstes immer wieder geltend gemacht worden, wie wichtig die eigene Beschaffung nachrichtendienstlich relevanter Informationen ist. Nur wer anderen Diensten auch eine entsprechende Gegenleistung anbieten könne, sei für diese von Interesse und könne damit auch rechnen, mit wichtigen Informationen bedient zu werden. Bestehe kein «Eigenaufkommen» 2290

mehr, versiege recht bald das Interesse ausländischer Dienste an einer Zusammenarbeit. Auf entsprechende Fragen zum prozentualen Verhältnis zwischen selbst beschafften und von fremden Diensten erhaltenen Informationen war aber vom Direktor SND keine Antwort zu bekommen: «Es geht nicht um Prozentzahlen, sondern um die Basis für eine professionelle Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten, denen wir primär Informationen aus eigener Beschaffung (tendenziell steigend), dann vielleicht noch Analysen anbieten können.»

4.3.3.2

Auswärtige Quellen und Informanten

Die GPDel hat der Direktion SND im Zusammenhang mit dem Einsatz von Informanten folgende Frage zur schriftlichen Beantwortung unterbreitet: «Erteilt(e) die UG ND konkrete Informationsbeschaffungsaufträge an Miliznachrichtenoffiziere oder an aussenstehende Dritte (Informanten)?

Wenn ja, welche konkreten Aufträge sind während der Amtszeit von aDiv Peter Regli von wem, an wen und mit welchem Auftrag erteilt worden?

Welche konkreten Informationen sind auf diese Weise an die UG ND gelangt? Auf welchem Weg haben Sie Eingang in konkrete Lagebeurteilungen oder konkrete Empfehlungen gefunden? Kann der konkrete Nutzen derartiger Information anhand konkreter Beispiele belegt werden?»

In seiner Antwort bestätigt die Direktion SND, es treffe zu, «dass Drittpersonen [...]

aus Wirtschaft und Wissenschaft auf freiwilliger Basis gelegentlich Informationen über das Ausland zur Verfügung stellen». Er sieht sich jedoch nicht in der Lage, konkrete Auskünfte zum Ausmass sowie zum Wert oder zur Nützlichkeit derartiger Informationen zu erteilen: «Wir müssen jedoch darauf hinweisen, dass es nicht möglich ist, die erhaltenen Informationen, welche ihren Eingang in die systematischen Auswertungen der aus der Amtszeit von aDiv Peter Regli gewonnenen Nachrichten fanden, darzulegen, da diese nach heutigem Erkenntnisstand nur in allgemeiner Form sowie mit anderen, meist offenen Informationsquellen abgeglichen wurden und ohne gesonderte Quellenangabe in die damalige Berichterstattung einflossen.»

Auch bezüglich der Finanzierung der Quellen war eine weitergehende Abklärung nicht möglich, da Rechnungsbelege nach den massgebenden Weisungen des Eidgenössischen Finanzdepartements nur fünf Jahre lang aufzubewahren sind. Die Buchhaltungsunterlagen der UNA bzw. der UG ND sind zwar noch bis 1985 vorhanden.

Da die Zahlungen in der Buchhaltung aber in aller Regel ohne Angabe von Details erfasst worden sind, ist daraus nicht ersichtlich, um welche konkreten Aufträge und um welche Quellen es sich gehandelt haben könnte. Aus diesem Grund ist ­ wie die Direktion SND gegenüber der GPDel ausgeführt hat ­ eine vollständige und genaue Zusammenstellung aller Ausgaben und Quellen nicht möglich. Der früher für die Rechnungsführung zuständige Mitarbeiter der UNA bzw. der UG ND hat gar geltend gemacht, dass im Zusammenhang mit der Entschädigung von Quellen alle Belege vernichtet worden seien und es von den Finanzen her schlicht unmöglich sei, etwas zu rekonstruieren.

Die Abklärungen der GPDel haben ergeben, dass es praktisch ausgeschlossen ist, die von auswärtigen Quellen oder Informanten erlangten Informationen auch nur annähernd zu rekonstruieren. Nachdem beim Strategischen Nachrichtendienst offenbar keine schriftlichen Unterlagen darüber geführt werden und selbst die Direktion SND 2291

keine Aussagen dazu machen kann, entzieht sich die Bedeutung und der Gehalt derartiger Informationsquellen jeder objektiven Überprüfung. Aus den Antworten des SND muss jedoch geschlossen werden, dass von auswärtigen Quellen oder Informanten in diesem Zusammenhang wohl kaum relevante Erkenntnisse gewonnen werden konnten, ansonsten wohl aussagekräftigere Hinweise zu erwarten gewesen wären.

In diesem Zusammenhang bleibt aber festzuhalten, dass in Bezug auf den Umgang mit auswärtigen Quellen und Informanten offenbar erhebliche Unterschiede zu den zivilen Nachrichtendiensten des Bundes bestehen. Wie der Chef des Dienstes für Analyse und Prävention (DAP) vor der GPDel ausgeführt hat, bestehen innerhalb des DAP klare Vorschriften, wonach jeder Kontakt mit einer Quelle oder einem ausländischen Liaison-Beamten von einem Mitglied des Verbindungsbüros möglichst unmittelbar registriert, in eine Aktennotiz transformiert und diese zentral abgelegt wird; «geheime Informationen, die sich irgendwo befinden, nützen bekanntlich nichts».

4.3.3.3

Milizoffiziere

Für die Auswahl sowie die Aus- und Weiterbildung der bei den Armeestabsteilen und der Personalreserve eingeteilten Milizoffiziere waren bis Ende 2001 die jeweiligen Chefs der Armeestabsteile zuständig. Ab 2002 besteht ein Expertenpool, wobei über die Einteilung neuer Experten heute der Direktor des SND entscheidet. Eine militärische Aus- und Weiterbildung findet nicht mehr statt.

Auch in Bezug auf die Milizoffiziere kann die Direktion SND keine Aussagen darüber machen, welche konkreten Informationen eingegangen und auf welche Weise diese ausgewertet worden sind. Eine Überprüfung durch die GPDel war angesichts der fehlenden Dokumentation nicht möglich.

4.3.3.4

«Safe houses»

Angesprochen auf die Existenz konspirativer Wohnungen, sogenannter «safe houses» oder «safe appartements», gab die Direktion SND der GPDel in ihrer schriftlichen Antwort bekannt: «Der SNDB hatte im Zeitraum von 1993 bis 1998 im Ausland indirekt Zugang über Dritte zu zwei . Diese waren in X und Y (von der GPDel anonymisiert). Dies schliesst jedoch nicht aus, dass auch noch andere wie bspw. im Schwarzwald bestanden, welche dem heutigen Kader nicht bekannt sind.»

Im Dossier «Südafrika» der Direktion SND befand sich die Kopie eines am 7. Juni 1985 abgeschlossenen und am 7. Juni 1990 um fünf Jahre verlängerten Mietvertrags über ein 9-Zimmereinfamilienhaus in der Agglomeration von Bern. Daraus waren weder die Parteien noch die Adresse des Mietobjekts ersichtlich. Auf schriftliche Anfrage teilte das VBS mit, dass es sich um das frühere Wohnhaus südafrikanischer Verteidigungsattachés gehandelt habe. Im Zusammenhang mit der Verlängerung des Mietverhältnisses habe der damalige Verteidigungsattaché, der der deutschen Sprache nur rudimentär mächtig gewesen sei, um mündliche Übersetzung und Erklärung gebeten. Die Vertragsunterlagen seien dem SND zur Gesprächsvorbereitung überge2292

ben und in der Folge in einem der Hauptordner zu Südafrika abgelegt worden, weil es sich um den südafrikanischen Verteidigungsattaché gehandelt habe. Eine Erklärung dafür, weshalb sich diese letztlich belanglose Kopie in einem als geheim klassifizierten Dossier auffinden liess und weshalb sie ­ im Unterschied zur überwiegenden Mehrzahl der anderen Dokumente ­ nicht vernichtet wurde, konnte von der Direktion SND nicht gefunden werden.

Im Übrigen erscheint aber auch die schriftliche Antwort der Direktion SND für sich selbst zu sprechen. Die heutige Direktion sieht sich offensichtlich nicht in der Lage, gegenüber der GPDel eine verbindliche Auskunft zu geben. Daraus kann eigentlich nur der Schluss gezogen werden, dass die der UNA bzw. der UG ND während des untersuchten Zeitraums zur Verfügung gestandenen Mittel offenbar selbst amtsintern so geheim waren, dass nicht einmal die heutige Direktion einen abschliessenden Überblick geben kann. Dementsprechend dürfte denn auch eine Kontrolle über die Verwendung dieser Mittel praktisch ausgeschlossen sein. Peter Regli verneinte vor der GPDel, Kenntnis von «safe appartements» gehabt zu haben; er habe erstmals im Prozess gegen den ehemaligen Rechnungsführer der UG ND Dino Bellasi24 davon erfahren, dass der UNA bzw. der UG ND offenbar derartige Objekte zur Verfügung gestanden hätten. Zuständig dafür sei die Sektion Beschaffung gewesen; deren Chef habe über einen hohen Autonomiebereich verfügt; er (P.R.) habe die Details nicht zu wissen gebraucht.

Die GPDel ist insbesondere auch Gerüchten nachgegangen, wonach dem verstorbenen Waffenhändler Jürg Jacomet ein «safe house» im Schwarzwald zur Verfügung gestanden haben soll. Ob sich Jürg Jacomet als Privatperson zeitweise in der Region Schwarzwald aufgehalten hat oder nicht, ist unter dem Gesichtspunkt des Untersuchungsgegenstand irrelevant. Von Interesse könnte von vornherein nur die Frage sein, ob er dort Zugang zu einem «safe house» hatte, welches ihm von der UNA bzw. von der UG ND zur Verfügung gestellt oder zumindest vermittelt worden ist.

Trotz entsprechender Abklärungen konnte die GPDel aber keine Hinweise finden, welche auf die Existenz eines derartigen «safe house» hinweisen würden.

4.3.3.5

Spesen

Es ist bereits im Zusammenhang mit der Entschädigung von Quellen bzw. Informanten darauf hingewiesen worden, dass die GPDel versucht hat, über die Spesenabrechnungen allenfalls weiterführende Aufschlüsse zur Tätigkeit der UNA bzw. der UG ND zu erlangen. Diese Bemühungen blieben weitgehend erfolglos, weil einerseits die Bezahlung von Quellen, Informationen oder anderen Auslagen über die pauschalen Budgetpositionen «Stabsarbeiten» und «Verbrauchsmaterial» verbucht wurden. Die entsprechenden Zahlungsaufträge waren überdies mit Belegen oder Quittungen versehen, die anonymisiert sind und nur rudimentäre Angaben zum Zahlungsgrund enthielten. Schliesslich sind die Einzelbelege nur noch für die Zeit ab 1996 vorhanden. Dem beschränkten Untersuchungsauftrag entsprechend hat die GPDel darauf verzichtet, die Frage der Spesenabrechnung als solcher einer vertieften Überprüfung zu unterziehen. Sie hat sich vielmehr auf eine Kontrolle der noch 24

Vgl. dazu den Bericht der Geschäftsprüfungsdelegation der eidgenössischen Räte über die Vorkommnisse in der Untergruppe Nachrichtendienst des Generalstabs («Bellasi-Affäre») vom 24. November 1999 (BBl 2000 586).

2293

vorhandenen Unterlagen im Hinblick auf den eigentlichen Untersuchungsgegenstand beschränkt; diesbezüglich konnten keine Auffälligkeiten festgestellt werden.

4.3.4

Zusammenarbeit des Schweizer Nachrichtendienstes mit ausländischen Diensten

Für die Kontakte mit ausländischen Diensten bzw. mit deren Vertretern in der Schweiz bestehen ständige Weisungen des USC NA vom 1. März 1984. Der Entstehungszeit entsprechend sind sie geprägt vom Denken des Kalten Krieges. Eine Überarbeitung scheint dringend erforderlich zu sein.

Fred Schreier hatte kurz vor seinem Ausscheiden als Chef der damaligen Abteilung SND im Juni 1999 einen als geheim klassifizierten Bericht «Von der Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten» verfasst. Der Bericht enthält weitgehend belanglose Ausführungen. Mit Ausnahme einiger weniger Passagen findet sich kaum eine Information, welche nicht allgemein bekannt ist und bezüglich derer ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse ersichtlich wäre. Zum Schluss setzt sich der Verfasser mit den Schlussfolgerungen und Empfehlungen der damaligen PUK EMD zur politischen Kontrolle der Nachrichtendienste auseinander. Thematik und Wortwahl belegen, dass es dem damaligen Chef der Abteilung SND offenbar noch Ende der 90er Jahre erhebliche Mühe bereitete, die einem demokratisch verfassten Staatswesen innewohnenden Wertungsentscheidungen hinzunehmen und das Primat der Politik zu akzeptieren.

4.3.5

Auslandkontakte der Schweizer Armee

Das Militärprotokoll ist zuständig für die Auslandskontakte der schweizerischen Armee und betreut insbesondere auch die in der Schweiz akkreditierten Verteidigungsattachés ausländischer Staaten (früher auch Militärattachés genannt). Zurzeit sind in der Schweiz rund 40 ausländische Verteidigungsattachés akkreditiert, wovon etwa die Hälfte in der Schweiz stationiert ist. Die Schweiz selbst hat insgesamt 26 Verteidigungsattachés ins Ausland delegiert25. Diese sind organisatorisch den jeweiligen Botschaften angegliedert und teilweise nicht nur für den Aufenthaltsstaat, sondern für mehrere Länder zuständig.

Das Militärprotokoll bildet in diesem Sinn Anlaufstelle für Anfragen und Dienstleistungen verschiedenster Art, soweit diese einen Auslandsbezug aufweisen. Dazu zählt insbesondere auch die Organisation von offiziellen Besuchen ausländischer Armeerepräsentanten in der Schweiz oder schweizerischer Armeeangehöriger im Ausland. Ebenso ist das Militärprotokoll die zentrale Logistikstelle für offizielle Auslandskontakte des Departementsvorstehers oder des Generalstabschefs im Ausland. Gemäss Auskunft des Chefs der Sektion Militärprotokoll bestehen über derartige offizielle Kontakte rund 1000 bis 1200 Dossiers.

Gesuche um Akkreditierung ausländischer Verbindungsoffiziere werden immer über das EDA und unter Einbezug des Dienstes für Analyse und Prävention (DAP) ab25

Das VBS verfügt heute über 26 Verteidigungsattachés und stellvertretende Attachés in den schweizerischen Vertretungen in Ankara, Beijing, Berlin, Brüssel, Budapest, Kairo, Kiew, London, Moskau, Madrid, Paris, Rom, Stockholm, Tokio, Washington und Wien.

2294

gewickelt. Politisch sensible ­ offizielle ­ Besuche ausländischer Militärrepräsentanten in der Schweiz oder entsprechende Gegenbesuche im Ausland werden der Abteilung Sicherheits- und Verteidigungspolitik im VBS (SIVEP), früher der Politischen Direktion des EDA, vorgelegt. Diese beurteilt die politische Opportunität eines Besuchs, wobei der Letztentscheid dem Generalstabschef vorbehalten ist. Über unproblematische Besuche entscheidet der Generalstabschef autonom.

Für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand ist jedoch entscheidend, dass das Militärprotokoll nur für die «offiziellen» Auslandkontakte der Schweizer Armee zuständig ist und für die rein nachrichtendienstlichen Kontakte nicht beigezogen wird. Für die sogenannt «nachrichtendienstmässig abgeschirmten» Kontakte wäre nach der damaligen Organisationsstruktur grundsätzlich der, dem Chef der Sektion Beschaffung unterstellte, Chef Foreign Liaison zuständig. Dieser ist grundsätzlich der Hauptansprechpartner für die militärischen, aber auch für die zivilen Nachrichtendienste des Auslands. Anlässlich der Anhörungen durch die GPDel räumte jedoch der seit 1987 im Amt stehende Chef Foreign Liaison ein, dass es Peter Regli und anderen Mitarbeitern der UNA bzw. der UG ND ohne Weiteres möglich gewesen sei, Kontakte zu ausländischen Dienststellen direkt herzustellen; vermutlich sei er denn auch nicht über alle Auslandkontakte informiert.

4.3.6

Kontaktprotokolle

Über nachrichtendienstliche Besuche im Ausland oder über Besuche ausländischer Delegationen in der Schweiz werden in aller Regel sogenannte Kontaktprotokolle erstellt. Aufgrund der Ergebnisse der Anhörungen der GPDel kann davon ausgegangen werden, dass geplante und vorbereitete Treffen, insbesondere aber Erstkontakte, immer protokolliert worden sind. Hingegen lassen die noch vorhandenen Spesenabrechnungen darauf schliessen, dass zahlreiche weitere, teils spontane Treffen stattgefunden haben, ohne dass die Diskussionsthemen protokolliert oder in anderer Form festgehalten worden sind. Die diesbezüglichen Abklärungen der GPDel wurden nicht zuletzt dadurch erschwert, dass selbst die Kontaktprotokolle und insbesondere auch die zusätzlichen Unterlagen, wie etwa Besuchsprogramme etc., nach Ablauf einer gewissen Zeit vernichtet worden sind. Der Chef Foreign Liaison hat anlässlich seiner Anhörung durch die GPDel zu Protokoll gegeben, dass die Kontaktprotokolle seit etwa 1990 noch vorhanden sein dürften, im Übrigen aber vernichtet worden seien; Akten aus seinem Bereich seien nie dem Bundesarchiv abgeliefert worden.

In ihrem Bericht vom 12. November 1999 hat die GPDel noch festgehalten, dass die als geheim klassifizierten Kontaktprotokolle in aller Regel kaum Wesentliches beinhalten und mehr Reiseberichte als geheimhaltungsbedürftige Lageberichte darstellen. Aufgrund der zusätzlich vorgenommenen Abklärungen sieht sich die GPDel in dieser Einschätzung bestärkt. Die Kontaktprotokolle folgen weitgehend einem strukturierten Aufbau, indem einleitend die Teilnehmenden aufgeführt und das Besuchsprogramm in groben Zügen wiedergegeben werden. Es folgen Hinweise auf ausgetauschte Unterlagen sowie über empfangene oder überbrachte Geschenke.

Zum Schluss findet sich dann eine meist ausgesprochen persönlich gefärbte Einschätzung der Lage und gelegentlich auch der Gesprächspartner. Die eigentlichen Gesprächsthemen werden, wenn überhaupt, nur ausgesprochen rudimentär wiedergegeben.

2295

Laut Divisionär Regli wurden die lagebezogenen Erkenntnisse (d.h. das eigentliche «Rohmaterial»), welche aus den Chefbesuchen in die Zentrale zurückflossen, in der Regel nicht in den Kontaktprotokollen, sondern in den besonderen Berichten, welche die Begleiter erstellt haben, festgehalten. Die GPDel hat keinen dieser besonderen Berichte gefunden.

4.3.7

Aktenführung und -archivierung

Zur Frage der Aktenführung und -archivierung hat die GPDel bereits in ihrem Bericht vom 12. November 1999 Stellung genommen und dem Bundesrat die Empfehlung abgegeben, für den Vollzug des Archivierungsgesetzes vom 26. Juni 1998 besorgt zu sein. Wie der Vorsteher des VBS vor der GPDel erklärt hat, ist die damalige Forderung der GPDel nach wie vor nicht erfüllt. Entsprechende Diskussionen zwischen dem Bundesarchiv und dem VBS sind indessen im Gange.

Die GPDel hat im Rahmen ihrer Abklärungen verschiedentlich feststellen müssen, dass die fehlende Archivierung von Akten und insbesondere die vorgenommenen Aktenvernichtungen eine wirksame Kontrolle der nachrichtendienstlichen Tätigkeiten erheblich beeinträchtigen, wenn nicht gar verunmöglichen. In Bezug auf zahlreiche Vorkommnisse war mangels entsprechender Unterlagen eine Überprüfung nicht möglich; hinsichtlich anderer Geschehnisse konnten Mutmassungen und Gerüchte weder abgeklärt noch widerlegt werden.

Ein erstes Problem betrifft dabei bereits die aktenmässige Dokumentation von Vorgängen als solche. Während es in anderen Bereichen der staatlichen Tätigkeit als selbstverständlich gilt, Beweiserhebungen zu protokollieren oder Informationsbeschaffungen zumindest in Form einer Aktennotiz zu dokumentieren, ist der Schweizer Nachrichtendienst offensichtlich bestrebt, möglichst wenig Papierspuren, sogenannte «paper trails» zu hinterlassen. Dies scheint ihm das beste Mittel zu sein, um ihn selbst und seine Quellen vor möglichen Einblicken in die konkrete Art der Tätigkeit zu schützen. Ersuchen der GPDel um entsprechende Dokumentation im Hinblick auf verlangte Auskünfte oder Antworten zu Einzelfragen wurden von der Direktion SND fast regelmässig dahingehend beantwortet, dass keine Unterlagen (mehr) vorhanden seien. Zu ihrer Rechtfertigung machte die Direktion SND geltend, dass die beschafften Informationen jeweils in allgemeine Lageberichte und Analysen eingeflossen seien, so dass ­ falls überhaupt schriftliche Unterlagen vorhanden waren ­ diese nach erfolgter Auswertung vernichtet worden seien.

Das Problem der mangelnden Aktenführung setzt sich bei der fehlenden Archivierung und insbesondere bei der offenbar im grossen Stil erfolgten Aktenvernichtung fort. Weder die frühere UNA noch die damalige UG ND haben ihre Aktenbestände in das Bundesarchiv überführt. Mit
Ausnahme eines Dossiers von rund 10 cm Dicke, welches von Peter Regli nach dessen Ausscheiden aus dem Amt als USC ND abgeliefert worden ist (vgl. dazu Ziff. 8.2), existierten zu Beginn der neu aufgenommenen Abklärungen der GPDel im Bundesarchiv keine Archivbestände des Nachrichtendienstes aus den vergangenen 50 Jahren. Nachgewiesenermassen wurden die von der UNA bzw. der UG ND tatsächlich oder auch nur vermeintlich nicht mehr benötigten Unterlagen einfach vernichtet. Es bestanden weder Entscheidungskriterien, aufgrund derer die Akten ausgeschieden wurden, noch wurden Vernichtungsprotokolle erstellt. Wie ein früherer Chef der damaligen UNA aus den 80er Jahren vor der GPDel unumwunden einräumte, gehörte die Vernichtung von Akten zu seiner Zeit 2296

zum «courant normal»: «Einer meiner Mitarbeiter kam immer mit einem grossen Sack, in den wir das warfen, was nicht mehr gebraucht wurde [...] und der dann in die Verbrennungsanlage gebracht wurde.» Die GPDel konnte deshalb bei ihren Abklärungen weitgehend nicht auf Aktenbestände des Nachrichtendienstes zurückgreifen und konnte nur die wenigen Unterlagen der UNA bzw. der UG ND auswerten, welche wohl eher zufälligerweise erhalten geblieben sind. Dabei erwies es sich als besonders hinderlich, dass insbesondere auch die gesamten Unterlagen der Sektion Auswertung über Südafrika zu einem nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkt integral vernichtet worden sind.

Die GPDel hat im Bereich der nachrichtendienstlichen Informationsbeschaffung durchaus Verständnis für die Wahrung der Geheimhaltungsinteressen, soweit diese sachlich gerechtfertigt erscheinen. Dies entbindet den Nachrichtendienst aber nicht von der Pflicht, seine Tätigkeiten hinreichend zu dokumentieren, um sie einer nachträglichen Kontrolle zugänglich zu machen. Gerade die Erfahrungen im Zusammenhang mit der Reorganisation der ehemaligen Bundespolizei zeigen, dass eine nachvollziehbare Aktenführung mit den Geheimhaltungsinteressen durchaus vereinbar und für eine effiziente Auftragserfüllung gar unerlässlich ist. Auf die entsprechende Aussage des Chefs des Dienstes für Analyse und Prävention (DAP), wonach sich geheime Informationen, die sich irgendwo befinden, bekanntlich nichts nützen, ist bereits hingewiesen worden (Ziff. 4.3.3.2). Aber auch die verschiedentlich von der Direktion SND im Zusammenhang mit der Beantwortung konkreter Fragen vorgebrachten Einschränkungen auf das «aktuelle Wissen des derzeitigen Kaders» (vgl.

etwa Ziff. 4.3.3.4) zeigen die Probleme auf, die mit der mangelnden Dokumentation ­ keineswegs nur für die GPDel, sondern insbesondere auch für die Tätigkeit des Nachrichtendienstes selbst ­ verbunden sind.

Die GPDel erachtet es als dringend angezeigt, dass die bereits im Jahr 1999 abgegebene Empfehlung zur Bereinigung der Aktenführung und -archivierung ohne weiteren Verzug umgesetzt wird. Auch im Bereich des Schweizer Nachrichtendienstes ist dafür zu sorgen, dass die gesamten Tätigkeiten in nachvollziehbarer Weise dokumentiert werden. Einerseits erscheint es im Interesse einer sachgerechten Aufgabenerfüllung unerlässlich,
dass die für das Interesse des Landes bedeutsamen Informationen nicht nur in einzelnen Köpfen vorhanden sind, sondern dem Dienst als Ganzes bei der Bewältigung seiner Aufgaben zur Verfügung stehen. Andererseits darf es aber auch nicht sein, dass sich eine staatliche Institution in einem demokratischen Staat durch Vernichtung ihrer eigenen Unterlagen nicht nur jeder verwaltungsinternen und parlamentarischen Kontrolle entzieht, sondern zugleich eine spätere Aufarbeitung unter historischen Gesichtspunkten praktisch verunmöglicht.

Die sich aus dem Zustand der Aktenlosigkeit ergebenden Konsequenzen sind ausgesprochen gravierend. Zunächst einmal ist eine Bewertung unter inhaltlichen Gesichtspunkten nicht möglich. Die GPDel kann deshalb auch kein Urteil darüber abgeben, ob und gegebenenfalls welchen Nutzen der Schweizer Nachrichtendienst für die Interessen des Landes hatte. Sie kann nicht beurteilen, ob es sich bei der ausgedehnten Reisetätigkeit um primär touristische Anlässe handelt oder ob dabei tatsächlich Informationen erlangt wurden, die für die Sicherheitsinteressen von Bedeutung sind. Und sie ist, nachdem ihr eine nachvollziehbare Kontrolle auf der Grundlage schriftlicher Dokumentationen verwehrt ist, auch nicht bereit, einfach darauf zu vertrauen, dass der Nachrichtendienst seinen Auftrag erfüllt; denn blosses Vertrauen vermag eine Kontrolle nicht zu ersetzen.

2297

Sodann kann es aber auch nicht überraschen, dass in dieser Situation Mutmassungen angestellt, Legenden gebildet und Gerüchte verbreitet werden. Gerade die vorliegende Untersuchung hat gezeigt, dass es in verschiedenen Bereichen aufgrund fehlender Unterlagen nicht möglich ist, derartigen Tendenzen glaubwürdig entgegenzutreten. Insofern hat es der Schweizer Nachrichtendienst weitgehend selbst zu verantworten, dass er in jüngster Zeit vermehrt in die Schlagzeilen der Medien geraten und dabei teilweise auch mit Unterstellungen konfrontiert worden ist, die allenfalls nicht berechtigt sein mögen. Nachdem die UNA bzw. die UG ND aber selbst dafür gesorgt hat, dass eine nachträgliche Rekonstruktion von Vorfällen nicht möglich ist, kann weder der Schweizer Nachrichtendienst sich selbst noch können ihn die vorgesetzten Aufsichtsbehörden entlasten.

Ein Umdenkprozess ist aber nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Aktenarchivierung, sondern insbesondere auch im Hinblick auf die Geheimhaltungsvorschriften dringend vonnöten. Bei der Analyse der (noch vorhandenen) Akten der Direktion SND ist der Eindruck entstanden, dass die vorgenommene Klassifizierung sich nicht nach individuellen oder kollektiven Sicherheitsinteressen richtet, sondern primär darauf ausgerichtet ist, eine politische Diskussion der nachrichtendienstlichen Kontakte zu vermeiden. Auf den als «geheim» klassifizierten Bericht der Direktion SND «Von den nachrichtendienstlichen Beziehungen zu Südafrika» wird noch zu verweisen sein; er erschöpft sich im Wesentlichen in politischen Einschätzungen, die jedem interessierten Zeitgenossen und jeder interessierten Zeitgenossin bekannt sind (vgl.

Ziff. 6.2). Ebenso ist bereits auf die Kontaktprotokolle hingewiesen worden, die kaum geeignet erscheinen, nachrichtendienstliche Informationsquellen zu erschliessen (vgl. Ziff. 4.3.6). Und auch die von der Direktion SND vorgenommene Zusammenstellung über die Kontakte zu Südafrika (vgl. Ziff. 6.4) beinhaltet keine Informationen, die konkrete Sicherheitsinteressen tangieren. Sie ist aber zweifellos in hohem Mass geeignet, das effektive Ausmass der Kontakte zum Apartheidregime Südafrikas zu dokumentieren und damit eine politische Diskussion über die Tätigkeit des Nachrichtendienstes auszulösen.

Die Diskussionen der vergangenen Jahre haben denn auch deutlich gezeigt,
dass sich der Nachrichtendienst nicht in einem unpolitischen Umfeld bewegt. Er ist vielmehr eingebettet in die Gesamtheit aller Behörden, die zum Wohle der Bürger und Bürgerinnen zur Erreichung der verfassungsmässig festgelegten Staatsziele26 beitragen.

Insofern versteht es sich von selbst, dass in einem demokratisch verfassten Staatswesen auch der Nachrichtendienst sich nicht unter Berufung auf angebliche Geheimhaltungsinteressen der öffentlichen Diskussion entziehen kann.

Geheimhaltungsbedürftig können deshalb von vornherein nur Informationen sein, deren Offenlegung Freiheit und Sicherheit des Landes und seiner Bürger und Bürgerinnen gefährden könnte. Dazu zählen aber zweifellos nicht die politischen Einschätzungen, Sympathien und Präferenzen des Nachrichtendienstes, zumal sie in einem total veränderten Umfeld nur noch der historischen Aufarbeitung harren und längst nicht mehr aktuell sind. Gerade Informationen eines Nachrichtendienstes verlieren mit dem Zeitablauf nicht nur an Wert, sondern auch an Brisanz; und diesem Umstand wird bereits mit den im Archivierungsgesetz geregelten Fristen für die Zugänglichmachung des Archivguts Rechnung getragen.

Abschliessend bleibt an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass die weitgehende Vernichtung sämtlicher Unterlagen der UNA bzw. der UG ND schon unter den 26

Vgl. dazu Artikel 2 Bundesverfassung (BV).

2298

Vorgängern Peter Reglis an der Tagesordnung war. Auch wenn er nach seinem Amtsantritt als USC ND die bisherige Praxis unreflektiert weitergeführt hat, kann sie ihm jedenfalls nicht allein zum Vorwurf gemacht werden. Soweit Peter Regli nach seinem Ausscheiden aus dem Amt mit der Sichtung und Ordnung der Akten der UNA bzw. der UG ND betraut worden ist, und in diesem Zusammenhang Akten vernichtet worden sind, kann auf Ziffer 8.2 verwiesen werden.

5

Politisches Umfeld Südafrikas zu den Zeiten des Apartheidregimes

Bevor auf die Zusammenarbeit des Nachrichtendienstes mit Südafrika näher eingegangen wird, erscheint es angezeigt, einen kurzen Abriss der Situation Südafrikas und seines Umfelds zu den Zeiten des Apartheidregimes voranzustellen. Diese Darstellung kann nur bruchstückhaft sein; für weiterführende Hinweise kann beispielsweise auf die (noch nicht publizierten) Ergebnisse des Nationalen Forschungsprogramms NFP 42+ «Beziehungen Schweiz Südafrika» verwiesen werden.

5.1

Politische Entwicklung Südafrikas und Resolutionen der UNO

Nach dem Wahlsieg der nationalen Partei in Südafrika im Jahr 1948 kam es in zunehmendem Mass zu einer Diskriminierung der schwarzen Bevölkerungsmehrheit.

Zu Beginn der 60er Jahre wurden die wichtigsten oppositionellen Bewegungen, die sich gegen die Apartheid wandten, verboten; davon betroffen war insbesondere auch der African National Congress (ANC). Nachdem dann Südafrika im Jahr 1961 aus dem Commonwealth ausgetreten war und seine Repressionspolitik verstärkt hatte, empfahl die Generalversammlung der UNO Ende 1962 den Abbruch der diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen. Diese Resolution (1761) blieb weitgehend ohne Wirkung. Nach einer Razzia gegen das Hauptquartier der ANC-Guerillaorganisation Umkhont we Sizwe erliess der UNO-Sicherheitsrat im Jahr 1963 zwei Resolutionen (181 und 182), mit welchen die Verhängung eines Embargos für den Export von Kriegsmaterial empfohlen wurde.

Nach einer vorübergehenden Beruhigung kam es Mitte der 70er Jahre zu einer erneuten Welle von Gewalt und Repression. Nach der Erlangung der Unabhängigkeit durch Mosambik und Angola wurde die in Südafrika tätige Oppositionsbewegung ANC von den neu an die Macht gekommenen Regierungen unterstützt. Diese wurden aber ihrerseits zur Zielscheibe von Guerillabewegungen, die vom offiziellen Regime in Südafrika unterstützt wurden (RENAMO27 und UNITA28). Nach dem Aufstand in Soweto (16. Juni 1976) und der Ermordung des Führers der Black Consciousness-Bewegung erliess der UNO-Sicherheitsrat am 4. November 1977 die erste (und zugleich einzige) verbindliche Resolution gegen Südafrika, indem ein alle Mitglieder verpflichtendes Waffenembargo gegen Südafrika verhängt wurde (Resolution 418).

27 28

Resistência Nacional de Moçambique (Nationale Widerstandsbewegung Mosambik).

União Nacional para a Independência Total de Angola (Nationale Bewegung für die Unabhängigkeit Angolas).

2299

Für den im Rahmen der vorliegenden Untersuchung besonders bedeutsamen Zeitraum ab 1985 kann aus dem Bericht der Interdepartementalen Arbeitsgruppe Schweiz ­ Südafrika vom Juli 1999 zitiert werden: «[...] Wirtschaftssanktionen in einem grossen Rahmen wurden erst 1985­1986 verhängt. Sie wurden sehr oft von begleitet, von Bürgerinitiativen für den Rückzug von Investitionen und von Massnahmen zur Isolierung im kulturellen und sportlichen Bereich. Der Regierung in Pretoria war es in der Tat nicht gelungen, ihren Willen zu einer baldigen Abschaffung der Apartheid und zur Aufgabe ihrer Repressionspolitik überzeugend darzulegen. Eine neue Verfassung gewährte und zwar Zutritt zum Parlament, den verweigerte sie aber alle politischen Rechte; der Sicherheitsrat der UNO erklärt sie 1984 als . Der ANC rief zu einer auf.

Im Juni 1986 wurde auf nationaler Ebene der Notstand ausgerufen, der bis zum Juni 1990 in Kraft blieb. Es kam vermehrt zu Verhaftungen.

Am 26. Juli 1985 verabschiedete der UNO-Sicherheitsrat die Resolution 569, welche erstmals allgemeine Wirtschaftssanktionen gegen Südafrika empfahl: den Stopp von Neuinvestitionen, das Verkaufsverbot für Krügerrand, die Abschaffung der Exportrisikogarantien, das Verbot von neuen Atomverträgen und des Verkaufs von Informatikgütern, die von der Armee und der Polizei benützt werden könnten. Vorschläge, die diese Sanktionen als verbindlich erklären wollten, scheiterten am amerikanischen und britischen Veto.

Die USA ergriffen indessen recht weitgehende Sanktionen. Diese betrafen den Export von Informatikgütern, den Import von Krügerrand, Bankdarlehen und die militärische Zusammenarbeit (1985), sowie insbesondere den Import von Uran, Kohle, Eisen und Stahl, und den Export von Erdöl und Atomtechnologie (Comprehensive Anti Apartheid Act vom Oktober 1986). Der Kongress bewilligte dieses zweite Sanktionspaket und überstimmte dabei das Veto von Präsident Reagan gegen die Vorlage. [...]

In der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft bestand für alle Mitgliedstaaten ab Ende September 1986 ein Importverbot für Krügerrand und für gewisse Eisen- und Stahlprodukte, sowie ein Verbot für neue Direktinvestitionen. Das Importverbot für Kohle, das gleichzeitig
beschlossen wurde, war hingegen nicht verbindlich. Ein Jahr zuvor hatten sich die Aussenminister der EWG auf ein Programm geeinigt, das vor allem restriktive Massnahmen für die Bereiche Militär, Kernenergie, Erdöl, Kultur und Sport enthielt. [...]

Im September 1989 wurde P.W. Botha durch F.W. Klerk als Präsident der Republik Südafrika ersetzt, vor dem Hintergrund einer Entspannung zwischen Ost und West und dem Erreichen der Unabhängigkeit durch Namibia. Südafrika hatte Namibia auf Grund eines Mandats, das von der UNO seit 1966 angefochten wurde, militärisch besetzt.

Von diesem Zeitpunkt an wurden politische Gefangene freigelassen (u.a. der berühmteste unter ihnen, N. Mandela) und der Notstand und das Verbot des ANC wurden aufgehoben (1990). Die grossen Apartheidgesetze wurden ausser Kraft (1991) und ein Verhandlungsprozess in Gang gesetzt, der zu den ersten demokratischen Wahlen führte (April 1994). Diese hatten die Wahl von N. Mandela zum Präsidenten zur Folge. Parallel zu diesen Ereignissen wurden von den betroffenen Staaten die Wirtschaftssanktionen und sodann auch das Militärembargo aufgehoben.»29

5.2

Offizielle Haltung der Schweiz

Die offizielle Haltung der Schweiz zum Apartheidregime Südafrikas wird im erwähnten Bericht der interdepartementalen Arbeitsgruppe Schweiz ­ Südafrika wie folgt zusammengefasst:

29

Bericht der interdepartementalen Arbeitsgruppe Schweiz-Südafrika über die Beziehungen zwischen der Schweiz und Südafrika, Bern, Juli 1999, S. 5.

2300

«[...] Die Schweiz hat ihre 1952 aufgenommenen diplomatischen Beziehungen nie abgebrochen. Wie alle anderen Staaten auch hat sie sich stets geweigert, die (Transkei, Bopthuthatswana, Venda und Ciskei) anzuerkennen. Der erste Besuch eines Bundesrates in Südafrika ­ jener von Flavio Cotti im September 1994 ­ erfolgte kurz nach den ersten demokratischen Wahlen.

Das Ausfuhrverbot für Kriegsmaterial wurde am 6. Dezember 1963 verhängt. Das Verbot fiel zeitlich mit den ersten Empfehlungen des UNO-Sicherheitsrates zusammen, während die verbindliche Resolution 418 erst 14 Jahre danach verabschiedet wurde.

Die Tatsache, dass der Anwendungsbereich des Verbots sich nicht auf im Ausland unter Lizenz hergestelltes Material und auf die PC-7 erstreckte (oder erstrecken würde), gab in der Folge Anlass zu Kritik.

Zur ersten der Apartheid auf internationaler Ebene kam es im Mai 1968; sie wurde von Botschafter August R. Lindt anlässlich der Konferenz der Vereinten Nationen über Menschenrechte (Teheran) ausgesprochen und an der Weltkonferenz gegen die Apartheid (Lagos) sowie in der Folge auch bei anderen Anlässen wiederholt.

In seiner Erklärung vom 22. September 1986 verlangte der Bundesrat die Freilassung der politischen Gefangenen und erachtete es als notwendig, den Dialog, sowohl mit der südafrikanischen Regierung als auch mit den Vertretern der anderen interessierten Parteien aufrechtzuerhalten, denn, fügte er hinzu, der Dialog sei das einzige Mittel, um Lösungen zu finden, die für alle annehmbar sind. Die Schweiz hat in diesem Sinne ein Treffen in Dakar zwischen Vertretern des ANC, der Wirtschaftskreise und der südafrikanischen Opposition (im Juli 1987) finanziell unterstützt; es sei daran erinnert, dass der ANC zu diesem Zeitpunkt nach südafrikanischem Recht eine illegale Organisation war und dass ein Treffen mit seinen Vertretern, egal wo es stattfand, folglich ebenfalls illegal war. Die Schweiz hat des weitern eine geheime Initiative des südafrikanischen Rechtsanwalts Richard Rosenthal, der direkte Kontakte zwischen dem ANC und der südafrikanischen Regierung erleichtern wollte, unterstützt (1987­1989).»30

Hingegen lehnte es der Bundesrat in der Folge trotz zahlreicher parlamentarischer Vorstösse ab, wirtschaftliche Sanktionen gegen Südafrika zu ergreifen. Es wurden lediglich zwei Massnahmen ergriffen: 1974 wurde im Bereich der Kapitalexporte ein «Plafond» und nach der Erklärung vom 22. September 1986 eine «statistische Überwachung» eingeführt.

5.3

Kriegsmaterialausfuhr

Nachdem die UNO erstmals 1963 ein unverbindliches Waffenembargo gegen Südafrika beschlossen hatte, fällte der schweizerische Bundesrat am 6. Dezember 1963 den Entscheid, keine neuen Exporte von Kriegsmaterial nach Südafrika zu bewilligen. Erst vierzehn Jahre später folgte am 4. November 1977 die UNO-Resolution 418, mit welcher ein umfassendes und verbindliches Waffenembargo eingeführt wurde. Beide Beschlüsse wurden nach der Durchführung der ersten freien Wahlen ­ die UNO-Resolution am 25. Mai 1994, das schweizerische Waffenembargo am 21. Dezember 1994 ­ wieder aufgehoben. Die interdepartementale Arbeitsgruppe hat diesbezüglich folgende Feststellungen getroffen: «[...] Der Anwendungsbereich des von der Schweiz beschlossenen Waffenembargos und der Resolution der UNO war nicht deckungsgleich. So umfasste die Resolution vom 4. November 1977 nebst Waffen, Munition, Militärfahrzeugen, paramilitärischer Polizeiausrüstung und Ersatzteilen auch Lizenzverträge zu deren Herstellung. Lizenzverträge fielen hingegen in der Schweiz nicht unter das Embargo, weil der Beschluss des Bundesrates vom 28. März 1949 sowie das Kriegsmaterialgesetz, das seit 1972 die Grundlage für das Ausfuhrverbot bildete, die Übertragung von Immaterialgüterrechten 30

A.a.O., S. 6.

2301

oder Lizenzverträgen nicht abdeckte. Die Bewilligungsstelle konnte daher den allfälligen Abschluss von Lizenzverträgen mit südafrikanischen Partnern betreffend Kriegsmaterial nicht überwachen. Es ist somit nicht klar, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang auf diesem Weg das Waffenembargo umgangen worden ist.

In den Jahren des Waffenembargos wurden einzelne Hand- oder Faustfeuerwaffen inkl. Munition an Private und Schützenvereine sowie Sprengstoffe und chemische Substanzen für zivile Anwendungen ausgeführt, dies für einen Höchstbetrag von ca.

300 000 CHF im Jahre 1983. Vorwürfe der USA, wonach das Waffenembargo gegen Südafrika angeblich über die Schweiz umgangen worden sei, konnten von den USA nie substanziert werden. Was allfällige Verstösse gegen das verbindliche Waffenembargo anbelangt, ist der Bundesanwaltschaft ein Fall bekannt; dieser hatte strafrechtliche Konsequenzen.

In diesem Zusammenhang ist auch der Verkauf von 60 PC-7 Flugzeugen nach Südafrika zu erwähnen. Nachdem das Sanktionskomitee der UNO Ende 1992 den Bundesrat aufgefordert hatte, den Verkauf dieser Flugzeuge nach Südafrika zu verbieten, beschloss der Bundesrat, die Erteilung der Bewilligung an Bedingungen zu knüpfen, die Flugzeuge so zu modifizieren, dass eine nachträgliche Bewaffnung ausgeschlossen werden kann. Am 1. Juni 1993 erteilte er die entsprechende Bewilligung, nachdem sich ein hoher Vertreter des ANC anlässlich eines Besuches in der Schweiz mit der Lieferung einverstanden erklärt hatte. Die Lieferung erfolgte schliesslich erst nach den freien Wahlen von 1994.»31

6

Zusammenarbeit mit dem militärischen Nachrichtendienst Südafrikas

6.1

Militärische Nachrichtendienste Südafrikas

Aus dem Bericht der Eidgenössischen Militärbibliothek über die Aspekte der nachrichtendienstlichen und militärischen Beziehungen zwischen Südafrika und anderen Staaten vom November 2002 geht hervor, dass zwischen den Nachrichtendiensten der USA, Grossbritanniens, Frankreichs, Westdeutschlands und Israels während des Kalten Krieges ein gemeinsamer Markt für den Austausch von Informationen bestand und bei gewissen Themen sich auch der südafrikanische Geheimdienst daran beteiligt hatte. Es wird dort das Fazit gezogen: «Während die westlichen Regierungen den Apartheidstaat zunehmen ächteten, traf dies für ihre Nachrichtendienste viel weniger zu»32.

Der südafrikanische Nachrichtendienst selbst wird im erwähnten Bericht der Eidgenössischen Militärbibliothek wie folgt umschrieben: «[...] Der südafrikanische Nachrichtendienst BOSS (Bureau of State Security) hatte Informationen über die krisengeschüttelte Region des südlichen Afrikas, aber auch solche über die Sowjetunion, die für die USA, Westeuropa und Israel von Bedeutung waren.

Im Jahr 1969 wurde BOSS mit der Unterstützung der amerikanischen Central Intelligence Agency (CIA) gegründet. Leiter war General Hendrik Van Den Bergh, ein enger Vertrauter des damaligen Premierministers John Vorster. Wegen der erfolgreichen Tätigkeit von BOSS zu Beginn der 1970er Jahre mussten sich Gruppen wie der ANC in den Untergrund begeben oder auflösen. Wegen seiner zweifelhaften Methoden wurde BOSS von Anfang an kritisiert. Aus diesem Grund wurde Van Den Bergh unter Vorsters Nachfolger, Premierminister P.W. Botha, entlassen. BOSS wurde 1978 restruktu31 32

A.a.O., S. 14.

Witschard, Jean-Pierre; Odermatt, André: Aspekte der nachrichtendienstlichen und militärischen Beziehungen zwischen Südafrika und den USA, Grossbritanien, Israel, Argentinien, Portugal, der Sowjetunion, Kuba, Belgien und Frankreich zur ApartheidZeit, Eidgenössische Militärbibliothek, November 2002, S. 2.

2302

riert und in National Intelligence Service (NIS) umbenannt. Dieser hatte engere Beziehungen zum Militär und zur Polizei. Die Military Intelligence Division (MID) war verantwortlich für zahlreiche Spezialoperationen im In- und Ausland gegen die Bewegung des African National Congress (ANC). Seit 1987 verfügte sie über einen Spezialdienst, das Civil Cooperation Bureau (CCB), der unter anderem auch mit der Eliminierung von Personen beauftragt wurde. Nachdem seine Existenz 1991 bekannt geworden war, wurde das CCB aufgelöst.

Bis Ende 1994 bestand der südafrikanische Nachrichtendienst aus dem National Intelligence Service (NIS), dem militärischen Nachrichtendienst Military Intelligence Division (MID) und den Nachrichtendiensten der Polizei. Insgesamt sollen rund 14 000 Personen in den verschiedenen Diensten tätig gewesen sein.»33

6.2

Die Aufnahme regelmässiger Beziehungen zum militärischen Geheimdienst Südafrikas

Die UG ND hat im Juni 1999 einen Bericht «Von der Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten» und als Anhang dazu einen Zusatzbericht «Von den nachrichtendienstlichen Beziehungen zu Südafrika» verfasst. Einleitend wird im Zusatzbericht ausgeführt, dass der militärische Nachrichtendienst Südafrikas seit Beginn der 70er Jahre verschiedentlich versucht habe, mit der UNA Kontakt aufzunehmen. Zu ersten konkreten Sondierungen müsse es anlässlich eines Höflichkeitsbesuchs vom 16. Mai 1977 gekommen sein, den der Verteidigungsattaché in Begleitung eines höheren Vertreters des militärischen Nachrichtendienstes beim USC NA abgestattet habe. Am 23. November 1978 habe der USC NA gegenüber einem weiteren Besucher aus Südafrika die unverbindliche Stellungnahme abgegeben, er werde die Opportunität eines Nachrichtenaustauschs prüfen. Im Frühsommer 1979 ­ nach einem weiteren Besuch aus Südafrika (offenbar 1. Mai 1979) ­ sei dann entschieden worden, «dass die Nachteile von Kosten und Mehraufwand für Austausch, Fachgespräche und Besuche doch überwiegen dürften», aber weitere Abklärungen erforderlich seien.

Zur Begründung dieses Entscheids wurde im Bericht der UG ND auf die damals bedrohliche Situation aufgrund der ehemaligen Sowjetunion verwiesen. Ohne jede historische Aufarbeitung und Analyse ­ der Bericht der UG ND stammt immerhin aus dem Jahr 1999 ­ finden sich darin weitgehend allgemeine Ausführungen über die Einschätzung der damaligen politischen Situation im südlichen Afrika. Wesentliche Erkenntnisse lassen sich dem Bericht nicht entnehmen. Hingegen geht auch daraus klar hervor, dass die UG ND selbst zehn Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer nach wie vor im Denken des Kalten Krieges verhaftet war.

Die UNA versprach sich von der Aufnahme eines ständigen Nachrichtenaustauschs mit Südafrika einen «besseren Informationszugang zu den Ereignissen in schwarzafrikanischen Krisen- und Kriegsgebieten» und erhoffte sich «aus dem Bereich Militärtechnik ein Erkenntnisaufkommen, das man zur Verbesserung der Abwehranstrengungen unserer Armee für den Fall eines damals für möglich gehaltenen, zumindest nicht ausschliessbaren Angriffes des Warschauer Pakts» nutzen könnte.

Schliesslich war ­ wie die UG ND in ihrem Bericht offen einräumt ­ «auch die Kampfführung der Südafrikaner im Innern gegen kommunistische Subversion,
verdeckte und indirekte Kriegsführung etc. sowie die Erfahrungen und Lehren, die daraus zu gewinnen waren, für uns von Interesse». Negativ wurde lediglich der 33

A.a.O, S. 2.

2303

Mehraufwand für den Nachrichtenaustausch und die Fachgespräche einerseits sowie die höheren Kostenfolgen bei der Wahrnehmung der Kontakte andererseits bewertet.

Hingegen wurde «die Apartheidpolitik [...] wohl als wichtiger Faktor in die Liste von möglichen Erschwernissen in den Beziehungen aufgenommen»; sie bildete aber ­ mit Ausnahme der möglichen Erschwernisse ­ kein eigenständiges Entscheidungskriterium. Im gleichen Sinn äusserte sich auch der ehemalige Chef der Sektion des Flieger- und Fliegerabwehr Nachrichtendienstes (FFND; heute Luftwaffennachrichtendienst [LWND]), indem er vor der GPDel ausführte, man habe wegen dem Apartheidregime nicht an einen Abbruch der Beziehungen gedacht; für ihn seien «die Südafrikaner Partner gewesen, die von der Luftkriegsführung etwas verstanden und von denen wir profitieren konnten».

Nach Vornahme einer internen Analyse wurde der Chef der Sektion Beschaffung beauftragt, zusätzliche Abklärungen über die südafrikanischen Nachrichtendienste zu tätigen. Vom 14. bis 19. Oktober 1979 kam es zum ersten offiziellen Besuch eines führenden Mitarbeiters der UNA in Südafrika. Auf der Grundlage der Berichterstattung durch den Chef der Sektion Beschaffung, «entschied sich der USC NA im November 1979 zur Aufnahme eines gegenseitigen Nachrichtenaustauschs mit dem Directorate Military Intelligence Division (MID) der South African Defence Forces.» Nach einem weiteren Besuch einer südafrikanischen Delegation beim damaligen USC NA (2. bis 5. April 1980) kam es anschliessend zu vereinzelten Fachgesprächen auf Sachbearbeiterebene. Am 10. Mai 1981 suchte eine südafrikanische Delegation erneut den USC NA in Bern auf, bevor es dann vom 10. bis 18. März 1982 zum ersten offiziellen Besuch auf Chefebene in Südafrika (Divisionär Mario Petitpierre, USC NA, 1981­1988) kam. Zum Besuchsprogramm zählten u.a. die Nachrichtenzentrale Silvermine des amerikanischen Geheimdienstes sowie die Armscor-Waffenfabrik34.

Der Informationsaustausch zwischen UNA und MID erfolgte zunächst über den diplomatischen Kurierdienst. Ansprechperson für die UNA war der Verteidigungsattaché Südafrikas, der anfänglich in Wien, ab Dezember 1980 in Bern residierte.

Der Bedarf nach einem diplomatischen Kurierdienst entfiel, nachdem am 1. November 1983 eine chiffrierte Telexverbindung von Dienst zu Dienst eröffnet
wurde. Auffallend erscheint in diesem Zusammenhang auch, dass die Schweiz anfangs der 80er Jahre das einzige europäische Land war, welches einen südafrikanischen Verteidigungsattaché beherbergte; alle anderen europäischen Staaten hatten im Gefolge der diversen UNO-Resolutionen die Akkreditierung verweigert oder zurückgezogen.

Widersprüchlich sind die Aussagen im erwähnten Bericht der UG ND in Bezug auf die südafrikanischen Partnerdienste. Zunächst wird geltend gemacht, die UNA habe sich darauf beschränkt, ausschliesslich Kontakte zur Military Intelligence Division 34

Zur Firma Armscor ist zu bemerken, dass diese südafrikanische Unternehmung im gleichen Jahr gegründet worden ist, in welchem der UNO-Sicherheitsrat die Resolution 418 vom 4. November 1977 verabschiedet und damit allen Mitgliedstaaten ein verpflichtendes Waffenembargo gegen Südafrika auferlegt hatte. Sie war nicht nur für Entwicklung, Marketing und Verkauf von Rüstungsgütern zuständig, sondern auch für deren Beschaffung.

Sie beschäftige Ende der 80er Jahre rund 23 000 Personen direkt und 132 000 weitere in privaten Unternehmen. Die Armscor kontrollierte acht weitere Rüstungsunternehmen: Lyttelton Engineering Works (Kanonen), Atlas Company (Flugzeuge), Naschem (grosskalibrige Munition), Somchem (Treib- und Sprengstoffe), Pretoria Metal Pressings (kleinkalibrige Munition), Swartklip (Sprengstoff), Kentron Missiles (optische Geräte) und Musgrave (Sport- und Präzisionsgewehre).

2304

aufzunehmen: «Interessenspektrum unsererseits und nachrichtendienstliche Professionalität auf Seiten MID waren die ausschlaggebenden Faktoren für den Entscheid, nur mit diesem Dienst Nachrichten auszutauschen.» Zwei Seiten später findet sich dann aber trotzdem eine Auflistung von Kontakten, welche die UNA auch zum In- und Auslandnachrichtendienst Südafrikas (National Intelligence Service, NIS) sowie zum Sicherheitsdienst der Polizei (Security Branch South African Police, SAP) unterhalten hatte.

Nach der zusammenfassenden Darstellung seiner Beziehungen zu den Nachrichtendiensten Südafrikas legte die UG ND in ihrem Bericht vom Juni 1999 abschliessend Wert darauf, dass von einer engen Zusammenarbeit mit Südafrika keine Rede sein könne: «Es kann daher nur Ignoranz, überbordende Einfalt, absichtliche Provokation oder ganz gezielte Bösartigkeit sein, dem SND zu unterstellen, dass er von den geheimen nuklearen, chemischen und biologischen Waffenvorhaben der Südafrikaner Kenntnis gehabt haben müsse. Wer schon würde freiwillig preisgeben? Und dies ausgerechnet noch dem Auslandnachrichtendienst der Schweiz!»

6.3

Schweizerische Aussenpolitik und nachrichtendienstliche Kontakte der UNA bzw. der UG ND

6.3.1

Position des EDA

Es zählt zu den Grundsätzen der schweizerischen Aussenpolitik, diplomatische Beziehungen zu allen völkerrechtlich anerkannten Staaten zu unterhalten. Dies gilt unbesehen der Staatsform und ohne Rücksicht auf das jeweilige Regime. In diesem Sinn unterhielt die Schweiz auch während der Zeit des Apartheidregimes die üblichen diplomatischen Kontakte zu Südafrika. Trotz vielfältiger diplomatischer, wirtschaftlicher und finanzieller Beziehungen bestand aber ­ wie sich ein ehemaliger Staatssekretär vor der GPDel ausdrückte ­ innerhalb des EDA Einigkeit darüber, dass es sich beim Apartheidregime in Südafrika um ein System handelte, «das wir nicht liebten». Das EDA war sich bewusst, dass die Mehrheit der internationalen Staatengemeinschaft das politische System Südafrikas verurteilte und dagegen auch Massnahmen ergriffen hatte. In Kenntnis dieser Situation und in Berücksichtigung der schwierigen Lage stellte die Schweiz trotz der zunehmenden Isolation Südafrikas mit Zustimmung aller Konfliktparteien ihre guten Dienste zur Verfügung. Das EDA unterhielt deshalb nicht nur die üblichen diplomatischen Beziehungen zum offiziellen Regime Südafrikas, sondern pflegte auch die Kontakte zur Opposition, insbesondere zu Vertretern des African National Congress (ANC). So empfing etwa der damalige Departementsvorsteher des EDA einerseits im Februar 1986 Roelof P.

(Piek) Botha, den Aussenminister Südafrikas, und andererseits im Juni 1986 Oliver Tambo, den Präsidenten des ANC. Hingegen verzichtete das EDA und mit ihm der Bundesrat weitgehend auf offizielle hochrangige Kontakte zu den Repräsentanten des Apartheidregimes Südafrikas; abgesehen von drei Empfängen in der Schweiz im

2305

Jahr 1979, 1984 und 1988 fanden keine Kontakte statt35. Obwohl das EDA auf der Ebene des Departementsvorstehers oder des Staatssekretariats immer wieder zu Besuchen nach Südafrika eingeladen worden war, lehnte es diese Einladungen konsequent ab, solange das Apartheidregime herrschte. Der erste offizielle Besuch eines Bundesrats in Südafrika fand denn auch erst nach der Durchführung der freien Wahlen im Jahr 1994 statt.

6.3.2

Keine Absprache der nachrichtendienstlichen Kontakte zu Südafrika mit dem Vorsteher EMD

Dem Bericht der UG ND «Von den nachrichtendienstlichen Beziehungen zu Südafrika» vom Juni 1999 muss entnommen werden, dass die Aufnahme fester Beziehungen mit Südafrika weder dem Gesamtbundesrat vorgelegt noch mit dem EDA abgesprochen worden war; vielmehr hatte sich die damalige UNA zu diesem Schritt in eigener Regie und ohne Rücksprache mit anderen Departementen entschlossen.

Innerhalb des Departements erscheint es fraglich, ob überhaupt eine Information des Vorstehers, des Generalsekretärs oder zumindest des Generalstabschefs stattgefunden hat. Einerseits lässt es sich nur schwer vorstellen, dass die Departementsleitung nichts gewusst hat. Andererseits steht aber auch fest, dass sie nichts wissen wollte.

Besonders interessant erscheint in diesem Zusammenhang die Aussage eines ehemaligen Generalsekretärs des EMD. Dieser gab gegenüber der GPDel zu Protokoll, dass es sich der Departementsvorsteher zu seiner Zeit zum Prinzip gemacht habe, «vom Nachrichtendienst nichts wissen zu wollen: Man sei mit drin, wenn man sich in dessen operationelle Tätigkeit einmische, v.a. wenn es schief gehe». Die nachrichtendienstlichen Kontakte seien während seiner Amtszeit im Generalsekretariat EMD nie ein Thema gewesen; er hätte Mühe, sich daran zu erinnern, dass über Südafrika je gesprochen worden sei; für ihn und das (damalige) EMD sei Südafrika erst mit der überraschenden Bestellung der PC-7 im Dezember 1992 aktuell geworden.

Ganz anders wird die Situation von einem ehemaligen Staatssekretär beurteilt, der anlässlich seiner Anhörung durch die GPDel erklärte, er könne sich nicht vorstellen, dass die Kontakte zu Südafrika ohne Kenntnis des Departementsvorstehers gelaufen seien. In die gleiche Richtung zielen auch die Aussagen eines ehemaligen Generalstabschefs. Dieser sagte vor der GPDel aus, dass die Aktivitäten und Auslandskontakte des Nachrichtendienstes mit ihm nicht abgesprochen gewesen seien. Peter Regli habe es immer wieder abgelehnt, die UNA bzw. die UG ND auf der Stufe Generalstab miteinzubeziehen, und sei der Auffassung gewesen, die strategische Ebene liege weit über der militärischen. Dementsprechend habe es ­ laut diesem ehemaligen Staatssekretär ­ zumindest Peter Regli vorgezogen, die jeweiligen Bundesräte direkt zu informieren.

Welche der beiden Versionen nun zutrifft, lässt sich heute nicht mehr
mit letzter Gewissheit beurteilen. Fest steht jedenfalls, dass die Departementsleitung im Zusammenhang mit den Kontakten des Nachrichtendienstes zu Südafrika ihre politi35

Vgl. Stellungnahme des Bundesrates vom 22. September 1986 zu 86.516 Interpellation.

Südafrika. Diplomatisches und politisches Verhalten der Schweiz, vom 19. Juni 1986 (AB 1986 N 1503). Vgl. auch Stellungnahme des Bundesrates vom 23. November 1988 zu 88.1027 Einfache Anfrage. Besuch des südafrikanischen Premierministers, vom 6. Oktober 1988 (AB 1988 N 1984).

2306

sche Führungsverantwortung nicht wahrgenommen hat. In diesem Zusammenhang erscheint es weitgehend belanglos, ob sie sich nun um die Belange des Nachrichtendienstes generell nicht kümmerte oder ob sie die politischen Dimensionen der Kontakte zum Apartheidregime Südafrikas nicht erkannte. Zumindest in zwei Fällen konnten klare Hinweise dafür gefunden werden, dass das EDA im Zusammenhang mit Kontakten zu Südafrika direkt beim Departementsvorsteher interveniert hatte (vgl. Ziff. 6.3.3.2 und 6.3.3.3). Aus keiner der beiden Interventionen wurden jedoch die gebotenen Konsequenzen gezogen.

6.3.3

Interventionen des EDA

6.3.3.1

Keine regelmässige Konsultation des EDA und spärliche Aktenlage

Das EDA wurde von der UNA bzw. von der UG ND in aller Regel nicht kontaktiert.

Es waren ihm denn auch keine Einzelheiten über die Beziehungen des Nachrichtendienstes zu Südafrika bekannt. Soweit das EDA ­ meist zufälligerweise ­ von einzelnen Kontakten Kenntnis erhielt oder gar ausnahmsweise in die Entscheidfindung involviert war, ermahnte es die UNA bzw. die UG ND unter Hinweis auf die offizielle Haltung der Schweiz regelmässig zu grösserer Zurückhaltung. Wenn aber ­ um wiederum einen ehemaligen Staatssekretär des EDA zu zitieren ­ «der Departements- oder der Generalstabschef nicht Abbruch der Übung befiehlt, kann das EDA nichts machen». Einerseits stand dem EDA kein Weisungsrecht gegenüber dem EMD zu; und andererseits wurden die Kontakte der UNA bzw. der UG ND mehrheitlich «nachrichtendienstlich abgeschirmt», d.h. unter Umgehung aller offiziellen Kanäle und unter grösstmöglicher Geheimhaltung direkt von Dienst zu Dienst abgewickelt.

Auffallend erscheint, dass im Unterschied zur UNA bzw. zur UG ND der zivile Nachrichtendienst des Bundes, der Dienst für Analyse und Prävention (DAP; früher Bundespolizei [BuPo]), das EDA im Hinblick auf die Einschätzung der politischen Opportunität allfälliger Beziehungen zu ausländischen Staaten regelmässig konsultierte.

Schriftliche Unterlagen über Konsultationen oder Interventionen des EDA sind bei der Direktion SND aus den bekannten Gründen kaum noch und beim EDA angesichts der meist zufälligerweise zur Kenntnis gelangten Vorfälle nur spärlich vorhanden. Wie das EDA in seiner schriftlichen Antwort an die GPDel bekannt gab, fanden die Kontakte des Schweizer Nachrichtendienstes zu den südafrikanischen Partnerdiensten ohne jede Beteiligung der diplomatischen Vertretungen statt. Das EDA habe «nur in Einzelfällen Kenntnisse über geplante oder stattgefundene Kontakte von schweizerischen Armeeangehörigen zu Vertretern Südafrikas» gehabt.

Diese Informationen seien «dem EDA in der Regel auf indirektem Weg (z.B. über die Botschaft in Pretoria, die ihrerseits in der Regel zufällig auf entsprechende Informationen stiess) zur Kenntnis gebracht» worden. Diese schriftlich erteilten Auskünfte des EDA wurden im Rahmen der Anhörungen vollumfänglich bestätigt. Auch dort ergab sich, dass die Schweizer Botschaft in Pretoria nur wenig von den Kontakten der UNA bzw. der UG ND
wusste. Das Wenige, was ihr bekannt war, hatte sie meist nur zufälligerweise und erst noch nachträglich erfahren, indem sie etwa von Drittpersonen auf entsprechende Ereignisse hingewiesen wurde.

2307

Die wenigen, beim EDA vorhandenen Korrespondenzen belegen, dass das für auswärtige Angelegenheiten zuständige Departement bei jeder sich bietenden Gelegenheit gegenüber dem EMD eine kritische Distanz zum Apartheidregime Südafrikas eingenommen und insbesondere von offiziellen Kontakten hochrangiger Schweizer Militärs mit Vertretern Südafrikas abgeraten hat. Bereits in einem Schreiben vom 10. Juli 1980 empfahl das EDA dem Militärprotokoll, aus politischen Gründen auf den beabsichtigten Besuch einer ­ damals zur Diskussion stehenden ­ militärischen Delegation aus einem südamerikanischen Land zu verzichten. Auch wenn unmittelbarer Anlass jenes Schreibens nicht die Kontakte zu Südafrika waren, wurde als Grund für die ablehnende Stellungnahme u.a. auf «die ebenso unvermeidliche Präzedenz-Wirkung ([...] Südafrika und andere exponierte Staaten müssten gleich behandelt werden») hingewiesen.

6.3.3.2

Erste dokumentierte Intervention des EDA Oktober 1986

Im Archiv des EDA fand sich u.a. eine am 10. Oktober 1986 vom Chef der Politischen Abteilung II zu Handen seines Vorgesetzten verfasste Aktennotiz mit folgendem Inhalt: «Folgende Sachverhalte sind mir in den letzten Tagen zu Ohren gekommen: 1. [...]

2. Via südafrikanische Botschaft in Bern ist beim EMD sondiert worden, ob ein Pilotenaustausch zwischen Südafrika und der Schweiz in Frage kommen könne. Ich verfüge über keine näheren Angaben zu diesem Projekt. Jedoch soll der Vorschlag der Südafrikaner zuständigenorts im EMD ernsthaft geprüft werden.

3. Anscheinend haben sich hohe Militärs Divisionär [...] und Divisionär [...] im laufenden Jahr auf [...]sche Einladung nach [... (Land im Fernen Osten)] begeben.

Gegeneinladungen in der Schweiz [General ...] seien ebenfalls vorgesehen oder hätten bereits stattgefunden.

In den Fällen 2 + 3 sei der Dienstweg nicht eingehalten worden. In keinem Fall ist das EDA betreffend Opportunität solcher Vorhaben konsultiert worden.»

Offenbar kam es in der Folge zu einer ersten förmlichen Intervention des EDA gegenüber dem Generalstabschef. Der Besuch hoher Schweizer Militärs im Fernen Osten bildete jedenfalls Thema der Sitzung des Leitungsstabs EMD (heute Geschäftsleitung VBS) vom 21. Oktober 1986. Der Leitungsstab EMD traf sich zu jener Zeit alle zwei Wochen zu Sitzungen, an welchen der Departementschef, der Generalstabschef, der Ausbildungschef und der Rüstungschef sowie der Generalsekretär EMD teilnahmen. Das Beschlussprotokoll vom 21. Oktober 1986 enthält folgenden Hinweis (Seite 6): «[Der Chef der Politischen Abteilung II] Botschafter X. (von der GPDel anonymisiert) vom EDA hat gegenüber dem GC [Generalstabschef] seine Besorgnis über Veranstaltungen von CH-Militärs in [... (Land im Fernen Osten)] und Südafrika ausgesprochen.

Das EDA empfiehlt etwas mehr Zurückhaltung bei Besuchen in diese Länder.»

Zusätzlich findet sich auf dem ebenfalls in den Unterlagen der Direktion SND aufgefundenen Exemplar der handschriftliche Vermerk, dass «Staatssekretär Brunner den Dep Chef EMD» informiert habe. Zumindest über diesen Vorfall musste somit auch der damalige Departementsvorsteher im Bilde gewesen sein (vgl. auch Ziff.

6.3.2). Die Intervention des EDA bei Departementsvorsteher und Generalstabschef zeigte indessen nicht die geringsten Folgen. Nur rund drei Wochen später empfing 2308

der damalige USC NA vom 13. bis 16. November 1986 bereits wieder eine hochkarätige Delegation der südafrikanischen Streitkräfte in Bern. An diesem Treffen nahmen neben dem USC NA und dem Chef der Sektion Auswertung auch fünf weitere Referenten des EMD teil.

6.3.3.3

Zweite Intervention des EDA Mai 1987

Nachdem das EDA bereits im Oktober 1986 bei der Departementsleitung des EMD und beim Generalstabschef wegen der Kontakte zu Südafrika ein erstes Mal vorstellig geworden war, erfolgte im Frühjahr 1987 eine zweite Intervention. Der südafrikanische Verteidigungsattaché war am 29. April 1987 an das Militärprotokoll gelangt, um im Hinblick auf die Einladung einer hochrangigen Delegation von Schweizer Offizieren nach Südafrika zu sondieren; aus südafrikanischer Seite wurde dabei an «Personen wie den Generalstabschef oder den Kommandanten der Fliegerund Fliegerabwehrtruppen, den Chef Operative Schulung oder auch an den Direktor der Eidgenössischen Militärverwaltung» gedacht. Das Militärprotokoll unterbreitete das Ersuchen am 29. April 1987 sowohl dem Generalstabschef wie auch dem EDA zur Stellungnahme.

Die Politische Abteilung II des EDA informierte gleichentags die schweizerische Botschaft in Südafrika über die erfolgte Anfrage und ersuchte um eine Einschätzung der Situation. Am 18. Mai 1987 gelangte das EDA an den Stab der Gruppe für Generalstabsdienste und teilte mit: «Wir beziehen uns auf Ihr Schreiben vom 29.4.87 und nehmen zu der in der Notiz an den Generalstabschef vom gleichen Datum erwähnten Einladung nach Südafrika wie folgt Stellung.

Ein Besuch hoher schweizerischer Militärs in Südafrika ist aus politischer Sicht im jetzigen Zeitpunkt nicht opportun.

Der Bundesrat hat in seiner den Beziehungen zu Südafrika gewidmeten Erklärung vom 22. September 1986 u.a. an seine ständige Bereitschaft erinnert, dazu beitragen zu wollen, dass die innersüdafrikanischen Gegensätze überwunden werden können. Unsere Bemühungen um einen derartigen Dialog setzen indessen voraus, dass die von der Schweiz gegenüber Südafrika eingenommene Haltung für alle beteiligten Parteien akzeptabel ist. Angesichts der Tatsache, dass die südafrikanische Armee gegenwärtig sowohl zur Aufrechterhaltung der innern Ordnung in den schwarzen Townships als auch bei den umstrittenen Kommandoeinsätzen in den Nachbarstaaten im Einsatz steht, würde ein Besuch hoher schweizerischer Offiziere bei eben dieser Armee unsere Glaubwürdigkeit in den Augen der Opposition schwächen wenn nicht gar in Frage stellen.

Unsere Botschaft in Pretoria hat ihrerseits allergrösste Bedenken zu einem allfälligen Besuch schweizerischer Militärs angemeldet und
namentlich darauf hingewiesen, dass eine derartige Reise in der Öffentlichkeit nicht nur bekannt, sondern von Regierungsseite propagandistisch ausgenützt würde. Es muss nicht noch besonders betont werden, dass ein Militärbesuch, wenn er einmal bekannt wird, der Schweiz auch international schaden würde, ganz abgesehen von den unausweichlichen innenpolitischen Folgen in unserem Land.

Aus all diesen Gründen halten wir an der eingangs erwähnten Meinung fest, dass ein eventueller Besuch einer schweiz. Militärdelegation in Südafrika aus politischen Gründen nicht opportun ist.»

Das Militärprotokoll beantragte in der Folge am 20. Mai 1987 beim Generalstabschef unter Hinweis auf die ablehnende Stellungnahme des EDA die Behandlung des

2309

Geschäfts im Leitungsstab EMD. Im Beschlussprotokoll des Leitungsstabs EMD vom 1. Juni 1987 wird unter dem Traktandum «Auslandkontakte» festgehalten: «Eine offizielle Einladung an hochrangige Vertreter EMD, die in den nächsten Tagen vom südafrikanischen VA [Verteidigungsattaché] zum Besuch der dortigen Armeeeinrichtungen eintreffen wird, soll nach Rücksprache mit dem EDA negativ beantwortet werden.

Die dem ehem. Kdt FF Truppen, KKdt Wyler von südafrikanischer Seite zugegangene Einladung [offenbar als Privatperson] darf nur angenommen werden, wenn sie keinen offiziellen Charakter trägt. Die Einladung ist noch dem MP [Militärprotokoll] zu unterbreiten. [...]

Der DC [Departementschef] wünscht, dass noch dieses Jahr die Praktiken für Besuche und Gegenbesuche neu überdacht werden. Gewisse Zurückhaltung muss hier Platz greifen.»

Auf dem Exemplar, welches bei den Unterlagen der Direktion SND aufgefunden wurde, findet sich zum letzten Punkt des Beschlussprotokolls der handschriftliche Vermerk: «erl. an USC NA 09.06.87», was nichts anderes bedeuten kann, als dass der Generalstabschef dem damaligen USC NA den Auftrag erteilt hatte, die Praktiken für Besuche und Gegenbesuche neu zu überdenken und dabei eine grössere Zurückhaltung an den Tag zu legen.

Aufgrund der beiden erwähnten Protokolle des Leitungsstabs EMD muss davon ausgegangen werden, dass die Kontakte zu Südafrika sowohl im Herbst 1986 wie auch im Frühjahr 1987 Gegenstand von Diskussionen im obersten Leitungsgremium des Departements gebildet hatten und auch die UNA darüber informiert war. Trotzdem liess sich nicht der geringste Hinweis finden, dass der USC NA, Divisionär Petitpierre, im Rahmen dieser Kontroversen seine Vorgesetzten über die bereits im November 1979 aufgenommenen sowie im März 1983 mit dem Abschluss des Informationsschutzabkommens und im November 1983 mit der Einrichtung einer chiffrierten Telexverbindung definitiv institutionalisierten Beziehungen mit dem südafrikanischen Nachrichtendienst (vgl. Ziff. 6.2) informiert haben könnte. Es muss deshalb davon ausgegangen werden, dass diese Tatsachen gegenüber den vorgesetzten Behörden bewusst verschwiegen worden sind. Konfrontiert mit dem Beschlussprotokoll des Leitungsstabs EMD erklärte allerdings der damalige Generalsekretär des EMD, er habe damals angenommen, dass der Sinn der Empfehlung des Leitungsstabs EMD darin bestanden habe, dass man sich nicht erwischen lassen dürfe.

In Ausführung des Beschlusses des Leitungsstabs EMD teilte der Chef des Militärprotokolls am 3. Juni 1987 dem südafrikanischen Verteidigungsattaché mit, dass «wir» im jetzigen Zeitpunkt «leider keine Möglichkeit der Entsendung einer militärischen Delegation zum Besuch der Republik Südafrika [sehen]. Wir bitten Sie deshalb, von der Einreichung einer offiziellen Einladung abzusehen». Und wie schon nach dem ersten Beschluss des Leitungsstabs EMD erfolgte auch nach der zweiten Intervention des obersten Leitungsgremiums nur drei Wochen später vom 22. bis 25. Juni 1987 erneut ein Besuch einer südafrikanischen Delegation bei der UNA in Bern.

Weitere eineinhalb Monate später liess Peter Regli am 13. August 1987, damals noch in seiner Funktion
als Chef FFND, dem südafrikanischen Verteidigungsattaché fünf Fotoaufnahmen des Flughafens von Luanda (Angola), datierend vom Mai 1987, zukommen, was dazu auch noch neutralitätspolitisch heikel war. Und rund fünf Monate nach dem Beschluss des Leitungsstabs EMD begab sich der damalige USC 2310

NA, Divisionär Petitpierre, vom 25. Oktober bis 1. November 1987 zu einem weiteren Chefbesuch nach Südafrika, wobei von südafrikanischer Seite an diesem Anlass 41 Personen teilnahmen. Es scheint ihm dabei offenbar völlig entgangen zu sein, dass er noch kurz zuvor durch Vermittlung des Generalstabschef den Auftrag des Departementsvorstehers erhalten hatte, noch in diesem Jahr die Praktiken für Besuche und Gegenbesuche neu zu überdenken und eine gewisse Zurückhaltung an den Tag zu legen.

6.3.3.4

Zufällige Zusammentreffen in Südafrika

Der Besuch des damaligen USC NA vom 25. Oktober bis 1. November 1987 löste aber auch in anderer Beziehung eine ­ geradezu anekdotenhafte ­ Konfusion aus.

Die Schweizer Botschaft in Pretoria meldete am 30. Oktober 1987 per Telex der Politischen Abteilung II des EDA, dass ein Botschaftsangehöriger am 29. Oktober 1987 auf Einladung der südafrikanischen Wirtschaftskammer an der Besichtigung einer Mine teilgenommen habe. Dieser sei sehr überrascht gewesen, als er vom Direktor der Mine in Anwesenheit von drei anderen ausländischen Diplomaten erfahren habe, dass er am Vortag einen Schweizer General auf offizieller Visite in Südafrika empfangen habe. Bei diesem General handle es sich um niemanden anders als um Divisionär Petitpierre, der im Helikopter und in Begleitung südafrikanischer Generäle eingeflogen worden sei.

Dieses zufällige Zusammentreffen in Südafrika war im Übrigen keineswegs einzigartig. Wie ein ehemaliger Generalstabschef anlässlich seiner Anhörung durch die GPDel ausgeführt hat, verfügte Südafrika über einen ausgesprochen initiativen Verteidigungsattaché; es habe einen regen Tourismus gegeben, und schweizerische Armeeangehörige hätten sich in Südafrika zeitweise die Türfallen in die Hand gegeben. Dass diese plakative Aussage wohl den Tatsachen entsprechen dürfte, lässt sich anhand eines weiteren Vorkommnisses zutreffend belegen: Peter Regli hatte sich, damals noch in seiner Eigenschaft als Chef FFND, zusammen mit seiner Gattin auf Einladung des südafrikanischen Nachrichtendienstes vom 26. bis 31. März 1988 in Südafrika aufgehalten. Zur gleichen Zeit weilte auch der damalige Generalsekretär des EMD ­ und zugleich Mitglied des Leitungsstabs EMD ­ auf einer «privaten Ferienreise» in Südafrika. Der private Charakter der Reise hinderte ihn aber offenbar nicht daran, mit Unterstützung der südafrikanischen Armee einen Besuch an der Front in Angola zu unternehmen. Wie er vor der GPDel ausführte, sei dieser Besuch «hochinteressant gewesen, und ich habe erstmals Pulverdampf gerochen.» Am Abend der Ankunft sei er zusammen mit seiner Frau zu einem Nachtessen beim früheren südafrikanischen Verteidigungsattaché, den er gut gekannt habe, eingeladen gewesen. Zu ihrer Überraschung hätten sie dort auch Peter Regli samt Gattin angetroffen. Den Grund für dessen Reise nach Südafrika habe er mit Peter Regli nicht besprochen; aber er habe angenommen, dass dieser als Chef FFND unterwegs gewesen sein dürfte.

6.3.3.5

Intervention des Geschäftsleitungsausschusses EMD

Im Herbst 1993 war offenbar der Besuch einer Delegation hochrangiger Generäle aus Südafrika geplant. Die näheren Hintergründe liessen sich nicht mehr eruieren.

2311

Hingegen hielt der damalige Generalstabschef auf entsprechende Anfrage des Stabschefs Operative Schulung vom 13. Oktober 1993 fest: «Beschluss GLA vom 25.10.93 betr. SA-Delegation ­ nicht mehr in diesem Jahr ­ grösste Zurückhaltung, hinausschieben ­ keine Öffentlichkeitsarbeit ­ Regel: solange Waffenembargo, keine Kontakte»

Es war somit allgemein bekannt, dass der Generalstabschef und mit ihm der Geschäftsleitungsausschuss EMD davon ausging, dass auf der militärischen Ebene solange keine Kontakte zu Südafrika unterhalten werden als das Waffenembargo Bestand hatte.

6.3.3.6

Bewusster Verzicht auf Konsultation des EDA

Bei den zufälligerweise erhalten gebliebenen Unterlagen des VBS wie auch bei den Akten des EDA finden sich vereinzelte Dokumente, die darauf hinweisen, dass sich zumindest das Militärprotokoll, nicht aber die UNA, der aussenpolitischen Problematik der Kontakte zu Südafrika sehr wohl bewusst war. So findet sich etwa auf einer vom Oberfeldarzt verfassten Anfrage betreffend eines Besuch des Chefs der medizinischen Kommandantur Südtransvaal vom 26./27. Juni 1980 der Vermerk des Militärprotokolls: «EDA (Botschafter Brunner) hat keine Einwendungen zum gewünschten Besuch». Der Generalstabschef erteilte in der Folge sein Einverständnis, nahm aber die Einschränkung: «keine Gegeneinladung annehmen!» vor.

Im unmittelbaren Anschluss an den ersten offiziellen Besuch des USC NA in Südafrika (10. bis 18. März 1982) gelangte der Verteidigungsattaché Südafrikas am 3. April 1982 wegen des vorgesehenen Besuchs einer südafrikanischen Delegation beim Eidgenössischen Flugzeugwerk (F+W) in Emmen (Kanton Luzern) an das Militärprotokoll. Dieses teilte dem Generalstabschef (auf dem Dienstweg über den USC NA) am 26. April 1982 mit, dass ein Besuch «nur ND-mässig abgeschirmt» in Frage kommen könnte. «Andernfalls müsste noch das EDA konsultiert werden, mit dessen Zustimmung wohl kaum zu rechnen ist».

Interessanterweise findet sich auf der diesbezüglichen Anfrage des südafrikanischen Verteidigungsattachés vom 3. April 1982 der maschinenschriftliche Hinweis des Militärprotokolls an die Sektion Geheimhaltung, ob sich nicht der Abschluss eines Abkommens zum gegenseitigen Schutz klassifizierter Informationen mit Südafrika aufdränge. Anschliessend ist handschriftlich vermerkt, dass «gemäss Tel. Hr. Stoll» vom 15.04.82 ein Abkommen in Vorbereitung sei. Zu den Hintergründen des Informationsschutzabkommens kann auf Ziff. 6.6.2 verwiesen werden.

Ob und wann dann dieser Besuch tatsächlich stattgefunden hatte, konnte mangels entsprechender Unterlagen nicht mehr abgeklärt werden. Es ist jedoch eher anzunehmen, dass er realisiert wurde. Jedenfalls liegen Unterlagen darüber vor, dass sich der Rüstungschef im Vorfeld eines weiteren Besuchs vom Oktober 1982 eingeschaltet hatte. Er monierte, dass die Gruppe Rüstung schon zweimal eine südafrikanische Delegation im F+W in Emmen empfangen, jedoch noch nie von Südafrika profitiert habe. Überdies beständen politische Bedenken, so dass ein Entscheid des GSC erforderlich sei. Aktenmässig belegt ist, dass am 16. Oktober 1982 eine Dele-

2312

gation der südafrikanischen Luftwaffe auf dem Militärflugplatz in Dübendorf empfangen wurde.

Die zwiespältige Haltung der UNA gegenüber dem EDA zeigte sich nicht zuletzt darin, dass das EDA vor entscheidenden Schritten, wie etwa der Aufnahme regelmässiger Beziehungen, der Organisation des Pilotenaustauschs oder dem Abschluss eines Informationsschutzabkommens nicht konsultiert worden war. Hingegen wurde aber die wohl eher belanglose Anfrage des südafrikanischen Verteidigungsattachés vom 23. September 1991 betreffend Zulassung einer südafrikanischen Delegation in Uniform am Schweizerischen Zwei-Tage-Marsch vorgängig dem EDA zur Stellungnahme unterbreitet und am 5. November 1991 vom Militärprotokoll positiv beantwortet.

Von einem geradezu bewussten Widerstand gegen die politische Führung des EMD und insbesondere gegen das EDA zeugen gewisse Ausführungen in Kontaktprotokollen. So schreibt etwa Peter Regli in seinem Protokoll über den Chefbesuch in Südafrika vom Frühjahr 1994, dass der seinerzeit im Herbst 1993 geplante Besuch hochrangiger Vertreter der südafrikanischen Armee (vgl. dazu Ziff. 6.3.3.5) aus politischen Gründen «vom EDA (und EMD) » worden sei. Er habe seinem südafrikanischen Gesprächspartner empfohlen, «nach den Wahlen mit Vertretern des ANC zu kommen. Dann wären sie bestimmt sehr willkommen!» Der Widerstand gegenüber Departementsleitung, Generalstabschef und EDA beruhte offenbar auf einer diametral entgegengesetzten Ausrichtung des politischen Weltbilds. Während die UG ND selbst noch Jahre nach dem Fall der «Berliner Mauer» in den Denkmustern des Kalten Krieges verhaftet blieb, verfolgte das EDA die Entwicklungen mit Interesse und stand diesen offen gegenüber. Letztlich konnte aber die UG ND die differenzierte Beurteilung durch das EDA nie anerkennen. Er beharrte vielmehr ­ geradezu stur ­ auf seiner Sicht der Dinge und war nicht bereit, andere Auffassungen in seine Überlegungen miteinzubeziehen. Auf die im Bericht der UG ND «Von den nachrichtendienstlichen Beziehungen zu Südafrika» vom Juni 1999 zum Ausdruck gelangende Mentalität ist bereits hingewiesen worden (vgl.

Ziff. 6.2). Sie findet sich aber auch in den Kontaktprotokollen von Peter Regli wieder sowie ­ drei Jahre nach dem Machtwechsel in Südafrika ­ im Protokoll über seinen Besuch vom 6. bis 10. Oktober 1997.

6.4

Effektives Ausmass der Kontakte der UNA bzw.

der UG ND zu Südafrika

Es ist bereits verschiedentlich darauf hingewiesen worden, dass sich die Aktenlage als ausgesprochen dürftig erweist, weil Akten in grosser Zahl vernichtet worden sind. Dementsprechend schwierig erweist sich deshalb der Versuch einer Rekonstruktion der Kontakte zum seinerzeitigen Apartheidregime Südafrikas. Mit Ausnahme der Kontaktprotokolle und einer von der Direktion SND aufgrund interner Abklärungen verfassten Zusammenstellung liegen keine weiteren Unterlagen vor. In Bezug auf die Kontaktprotokolle bleibt überdies festzuhalten, dass keinerlei Garantie dafür besteht, dass diese vollständig erhalten geblieben sind. In früheren Abklärungen der GPDel ist immer wieder geltend gemacht worden, «dass die Durchforschung unserer Archive nur sehr bescheidene Informationen betr. Kontakte mit Südafrika erbracht hat» (Pilotenaustausch) oder dass die Protokolle regelmässig vernichtet worden seien. So hatte Peter Regli noch anlässlich seiner Anhörung durch 2313

die GPDel vom 17. März 1999 ausdrücklich erklärt, dass die Kontaktprotokolle normalerweise alle fünf Jahre vernichtet würden, immerhin seien sie aber noch seit 1992 vorhanden; und auch anlässlich der Abklärungen im Hinblick auf den Pilotenaustausch mit Südafrika hatte er der GPDel am 10. Juni 1993 schriftlich mitgeteilt: «Die Nachforschungen bei der UNA haben ergeben, dass keine Akten über den Pilotenaustausch Schweiz/Südafrika (83­88) vorhanden sind». Beide Aussagen wurden im Rahmen der vorliegenden Untersuchung widerlegt, indem sowohl ältere Kontaktprotokolle wie auch vereinzelte Unterlagen zum Pilotenaustausch zum Vorschein gekommen sind.

Die Abklärungen zeigten, dass das Militärprotokoll (vgl. dazu Ziff. 4.3.5) nur in den seltensten Fällen über die Auslandkontakte des Schweizer Nachrichtendienstes informiert war. Ueber das Militärprototokoll liefen im Wesentlichen nur die offiziellen Anfragen des südafrikanischen Verteidigungsattachés, während die «nachrichtendienstmässig abgeschirmten Kontakte» in aller Regel nicht zur Kenntnis des Militärprotokolls gelangten. So finden sich denn auch bei den Akten des Militärprotokolls kaum schriftliche Unterlagen, welche Auskunft zum Ausmass und insbesondere zum Gehalt der nachrichtendienstlichen Kontakte geben könnten. Während es bei nachrichtendienstlichen Chefbesuchen und Fachgesprächen nichts zu sagen hatte, wurde es aber offiziell angefragt, als es im Jahr 1991 darum ging, einer südafrikanischen Delegation die Beteiligung am Schweizerischen Zwei-Tage-Marsch zu erteilen.

Die GPDel hat aufgrund der noch vorhandenen Akten den Versuch unternommen, die dokumentierten Chefbesuche und Fachgespräche zu rekonstruieren, um auf diese Weise zumindest das quantitative Ausmass der Kontakte mit dem südafrikanischen Nachrichtendienst zu erfassen. In der nachfolgenden chronologischen Übersicht werden überdies weitere Ereignisse aufgeführt, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den Kontakten der schweizerischen Armee zu Südafrika und insbesondere mit dem Untersuchungsgegenstand der GPDel stehen.

Kontakte zu Südafrika (1977­2001) Tabelle 1 Jahr

Aktivität

1977

­ Erste Sondierungen über die Aufnahme eines Nachrichtenaustauschs durch SADF (South African Defence Forces) bei USA NA ­ Zusage USC NA gegenüber MID (Military Intelligence Division), die Opportunität eines Nachrichtenaustauschs zu prüfen ­ Weitere Sondierungen in der Schweiz und in Südafrika; anschliessend Beschluss USC NA (Richard Ochsner) zur Aufnahme fester Beziehungen ­ Chefbesuch bei USC NA in der Schweiz ­ Fachgespräch in Südafrika ­ Besuch Kdt der Luftwaffe Südafrikas in der Schweiz ­ Chefbesuch bei USC NA in der Schweiz ­ Zwei Fachgespräche in der Schweiz ­ Delegation der Luftwaffe Südafrikas in Dübendorf ­ Erster Chefbesuch USC NA (Mario Petitpierre) in Südafrika ­ Abschluss des Informationsschutzabkommens ­ Eröffnung der chiffrierten Telefaxverbindung ­ Chefbesuch USC NA in Südafrika ­ Zwei Chefbesuche bei USC NA in der Schweiz ­ Chefbesuch bei C NDB in der Schweiz

1978 1979 1980 1981 1982 1983

2314

Jahr

1984

1985 1986

1987

1988

1989

1990 1991

1992

1993

Aktivität

­ Fachgespräch in der Schweiz ­ Besuch einer Delegation der Luftwaffe Südafrikas in Payerne ­ Private Reise von zwei Piloten der Schweizer Luftwaffe nach Südafrika mit Bewilligung des Kdt Luftwaffe und unter vorgängiger Kontaktaufnahme Chef FFND mit der Luftwaffe Südafrikas (Pilotenaustausch) ­ Erster Chefbesuch FFND (Peter Regli) in Südafrika ­ Abkommandierung zweier Piloten der Luftwaffe Südafrikas in die Schweiz (Pilotenaustausch) ­ Delegation der Eidg. Pulverfabrik Wimmis in Südafrika ­ Chefbesuch bei C FFND in der Schweiz ­ Drei Fachgespräche in der Schweiz; u.a. Besprechung betreffend praktische Anwendung des Informationsschutzabkommens ­ Chefbesuch bei USC ND in der Schweiz ­ Abkommandierung eines Piloten der Schweizer Luftwaffe nach Südafrika (Pilotenaustausch) ­ Leitungsstab EMD empfiehlt nach Intervention EDA mehr Zurückhaltung bei Kontakten u.a. mit Südafrika ­ Chefbesuch bei USC NA in der Schweiz ­ Chefbesuch USC NA in Südafrika ­ Fachgespräch in der Schweiz ­ Anfrage Verteidigungsattaché Südafrikas an Militärprotokoll betreffend Einladung einer hochrangigen Schweizer Delegation nach Südafrika; wird nach Rücksprache mit dem EDA vom Leitungsstab EMD abgelehnt ­ Chefbesuch C FFND in Südafrika ­ Chefbesuch C FFND bei den UNITA-Truppen in Angola ­ Chefbesuch UNITA bei C FFND und C NDA in der Schweiz ­ Fachgespräch bei FFND in der Schweiz ­ Besuch Neethling und Basson bei ACL Spiez ­ Besuch einer Delegation der Luftwaffe Südafrikas in Dübendorf ­ Besuch einer Delegation der Luftwaffe Südafrikas in Emmen, Meiringen und Payerne ­ Chefbesuch bei USC NA in der Schweiz ­ Chefbesuch bei C FFND in der Schweiz ­ Chefbesuch C FFND in Südafrika ­ Fachgespräch in der Schweiz ­ Besuch einer Delegation der Luftwaffe Südafrikas bei der schweizerischen Luftwaffe ­ Chefbesuch C FFND in Südafrika ­ Chefbesuch bei C FFND in der Schweiz ­ zwei Fachgespräche in der Schweiz ­ Chefbesuch bei USC ND in der Schweiz ­ Chefbesuch USC ND in Südafrika ­ Fachgespräch in Südafrika ­ Fachgespräch FFND in Südafrika ­ Besuch einer Delegation der SADF bei ACL Spiez ­ Testflüge der Luftwaffe Südafrikas mit PC-7 und PC-9 Flugzeugen der Pilatus Werke in Südafrika ­ Chefbesuch bei C FFND in der Schweiz ­ Chefbesuch bei USC ND in der Schweiz ­ Besuch einer Delegation der Luftwaffe Südafrikas bei den Pilatus Werken in Stans ­
Südafrika fällt Entscheid zur Anschaffung von PC-7 Flugzeugen ­ Chefbesuch bei USC ND in der Schweiz; u.a. Besichtigung der Pilatus Werke ­ Zwei Fachgespräche in Südafrika ­ Zwei Fachgespräche in der Schweiz ­ Europareise des südafrikanischen Verteidigungsministers u.a in die Schweiz ­ Schreiben des südafrikanischen Verteidigungsattachés an den Kdt der Schweizer

2315

Jahr

Aktivität

­ 1994 1995

1996

1997

1998 1999 2000 2001

­ ­ ­ ­ ­ ­ ­ ­ ­ ­ ­ ­ ­ ­ ­ ­ ­ ­ ­ ­ ­

Luftwaffe mit «Glückwunsch zur Ablehnung der wehrpolitischen Initiative gegen den F/A 18» Beschluss des Lenkungsstabs EMD, dass bei offiziellen Kontakten mit Südafrika grösste Zurückhaltung an den Tag zu legen ist Chefbesuch USC ND in Südafrika Chefbesuch bei USC ND in der Schweiz Vier Fachgespräche in der Schweiz Zwei Chefbesuche bei USC ND in der Schweiz Chefbesuch Kdt. der Schweizer Luftwaffe in Südafrika Zwei Fachgespräche in Südafrika Drei Fachgespräche in der Schweiz Zwei Chefbesuche bei USC ND in der Schweiz Höflichkeitsbesuch bei GSC in der Schweiz Zwei Fachgespräche in der Schweiz Vorgesehene Fluglehrerausbildung von Piloten der Luftwaffe Südafrikas durch die Schweizer Luftwaffe in der Schweiz; Unterlagen über effektive Durchführung nicht vorhanden Chefbesuch USC ND in Südafrika Chefbesuch bei USC ND in der Schweiz Zwei Fachgespräche in Südafrika Drei Fachgespräche in der Schweiz Chefbesuch Kdt Luftwaffe Südafrikas in der Schweiz Zwei Fachgespräche in der Schweiz Absage eines Chefbesuchs bei USC ND in der Schweiz Chefbesuch Kdt Schweizer Luftwaffe in Südafrika Fachgespräch in der Schweiz Fachgespräch in der Schweiz

Neben diesen schriftlich dokumentierten und damit zumindest in den Grundzügen rekonstruierbaren Treffen, dürfte eine erhebliche Zahl weiterer Kontakte zu Vertretern Südafrikas stattgefunden haben. Die GPDel hat deshalb die Direktion SND beauftragt, eine Übersicht über die zu Lasten des Budgets des Strategischen Nachrichtendienstes abgerechneten Spesen zu erstellen, um allenfalls auf diesem Weg zusätzliche Informationen zu erlangen. Die Zusammenstellung der Direktion SND ist aber wenig aussagekräftig, da einerseits für die Jahre 1985 bis 1992 nur noch die Buchhaltungsunterlagen vorhanden sind und andererseits die Belege kaum weiterführende Details enthalten. Wie die Direktion SND in ihrer schriftlichen Antwort an die GPDel selbst eingeräumt hat, ist eine vollständige Zusammenstellung aller Kontakte nicht möglich.

6.5

Kontakte der UNA bzw. der UG ND zur UNITA Angolas

Die Kontakte der UNA bzw. der UG ND zum militärischen Nachrichtendienst Südafrikas zu den Zeiten des Apartheidregimes betrafen ein Land, welches trotz aller Vorbehalte völkerrechtlich anerkannt war und mit welchem die Schweiz normale diplomatische Beziehungen unterhielt. Bedeutend problematischer erweist sich indessen die Tatsache, dass die damalige UNA offenbar durch Vermittlung des südafrikanischen Partnerdienstes Mitte/Ende der 80er Jahre auch mehr oder weniger offizielle Beziehungen zu der in Angola operierenden UNITA aufnahm. Diese Re2316

bellenbewegung unter der Leitung von Jonas Savimbi führte damals einen bewaffneten Kampf gegen das gewählte (pro-sowjetische) Regime in Angola und wurde in ihren Bemühungen vom damaligen Apartheidregime Südafrikas unterstützt.

Schon kurz nach der Erlangung der Unabhängigkeit war in Angola Mitte der 70er Jahre ein Konflikt zwischen den beiden rivalisierenden Gruppierungen des Landes entflammt. Während die Sowjetunion und Kuba die links gerichtete MPLA36-Regierung unterstützten, standen die USA und insbesondere Südafrika auf der Seite der prowestlichen UNITA-Rebellen. Die Auseinandersetzungen fanden auch kein Ende, als Jonas Savimbi bei den international überwachten Wahlen vom September 1992 eine weitere Niederlage erlitt. Nach jahrelangen vergeblichen Bemühungen um eine Befriedung zog der UNO-Sicherheitsrat anfangs 1999 die entsandten Blauhelmsoldaten wieder zurück, da eine friedliche Lösung am Widerstand der nach wie vor von Jonas Savimbi angeführten UNITA-Rebellen scheiterte. In diesem Zusammenhang sah sich auch der Bundesrat veranlasst, Massnahmen gegenüber der UNITA zu erlassen. Die entsprechende Verordnung37 wurde erst nach dem Tod von Jonas Savimbi am 19. Dezember 2002 wieder aufgehoben.

Trotz intensiver Abklärungen der GPDel und zusätzlicher Nachfragen beim VBS konnte kein Nachweis für den im Schlussbericht der Administrativuntersuchung erwähnten Besuch Peter Reglis vom 1./2. Mai 1984 im damals südafrikanisch besetzten Südwestafrika (Namibia) sowie bei Jonas Savimbi, dem Führer der angolanischen Guerillabewegung UNITA erbracht werden. Zwischen dem 20. April und 3. Mai 1984 hielt sich zwar Peter Regli, damals noch in seiner Eigenschaft als Chef FFND, zusammen mit einer Delegation der UNA beim militärischen Nachrichtendienst Südafrikas auf. Weder dem Kontaktprotokoll noch dem detaillierten Besuchsprogramm lässt sich jedoch ein Hinweis auf eine Exkursion nach Angola oder ein Treffen mit der UNITA entnehmen. Vielmehr war am 1. Mai 1984 ein Besuch beim Chef des südafrikanischen Luftwaffennachrichtendiensts mit entsprechenden Briefings und anschliessender Besichtigung von Luftwaffenstützpunkten vorgesehen.

Am 2. Mai 1984 erfolgte die Verschiebung nach Johannesburg mit einer Tour durch Soweto, freier Stadtbesichtigung und Transport zum Flughafen zum Zweck der Rückreise in die Schweiz.

Offenbar muss
es sich hier um ein Missverständnis handeln, indem Peter Regli auch anlässlich seiner Anhörung durch die GPDel seinen ersten Kontakt mit Vertretern der UNITA auf das Jahr 1984 verlegte. Aufgrund der von ihm abgegebenen Schilderung kann aber kein Zweifel bestehen, dass sich seine diesbezüglichen Aussagen auf einen späteren Besuch beziehen. Aus der von der UG ND verfassten «Zusammenstellung der nachrichtendienstlichen Kontakte der Schweiz mit Südafrika» findet sich unter dem Datum 10. bis 19. März 1988 und der Ortsangabe «Angola» erstmals ein Vermerk «Besuch der UNITA Truppen in JAMBA». Die anlässlich dieses Besuchs behandelten Themen lassen sich zwar der Zusammenstellung der Direktion SND stichwortartig entnehmen; hingegen fehlt jeder Vermerk zu den Teilnehmern.

Weitere Unterlagen zu diesem Besuch konnten nicht mehr beigebracht werden.

Peter Regli führte dazu vor der GPDel aus, dass dieser Kontakt «ziemlich unfreiwillig» zustande gekommen sei. Er sei damals mit zwei Vertretern der UG ND nach 36 37

Movimento Popular da Libertação de Angola (Volksbewegung für die Befreiung Angolas).

Verordnung des Bundesrats vom 25. November 1998 über Massnahmen gegenüber der UNITA (AS 1999 151, 2000 187, 2001 3583, 2002 1947 3957).

2317

Südafrika gereist. Von den Gastgebern seien sie nach Jamba geflogen worden; dieser Ort liege im südöstlichsten Zipfel Angolas. Dort seien sie von Jonas Savimbi empfangen worden. Dieser habe in Lausanne studiert und sehr enge Beziehungen zur Schweiz gepflegt. Jonas Savimbi habe damals seinen Kampf gegen die Kommunisten geführt und «war uns daher also nicht unbedingt unsympathisch». In der Folge sei es zu weiteren mehr oder weniger offiziellen Kontakten gekommen.

Einem Kontaktprotokoll über den Besuch von zwei Angehörigen des FFND vom 5. bis 22. Mai 1988 in Südafrika kann entnommen werden, dass es in dessen Verlauf auch zu Kontakten mit der UNITA in Angola gekommen ist. Es wird dort ausgeführt, dass der Besuch vor allem dem Delaborieren und Analysieren des vorhandenen sowjetischen Beutematerials (insbesondere SA-7, 14 und 16) gedient habe; im Weitern sei die erhaltene «Hardware» versandbereit erstellt worden. Der Gegenbesuch einer Delegation der UNITA in der Schweiz sei für Juni des gleichen Jahres (1988) vorgesehen. Abschliessend findet sich der Hinweis, dass das versprochene Beutematerial vom Gastgeber nach Kinshasa transportiert werde. Nach Eintreffen am Bestimmungsort werde der Chef FFND unverzüglich informiert, wobei die Übergabe des Materials nicht vor dem 1. Juni 1988 stattfinde.

Der angekündigte Gegenbesuch von Vertretern der UNITA beim FFND fand vom 12. bis 18. Juni 1988 statt. Gemäss Programm erfolgte am 16. Juni 1988 ein Besuch im AC-Labor Spiez, wobei für den Transport der «Gäste» aus Angola ein Flugzeug PC-7 eingesetzt wurde. In dem von Peter Regli verfassten Kontaktprotokoll wird u.a. ausgeführt: «Erstmals konnten wir eine Delegation des ND der UNITA bei uns willkommen heissen. Dieser Besuch unterscheidet sich in jeder Hinsicht von denjenigen anderer Dienste und Länder.

Die Schweiz ist das erste Land, welches den C ND von Dr. Savimbi zu einem Besuch eingeladen und ein derartig reichhaltliches Programm geboten hat.

Die Gäste haben auf allen Gebieten das Bedürfnis nach Unterstützung. Dagegen sind sie gewillt und bereit, uns in Zukunft jederzeit und sofort Zugang zu modernem sowjetischem Kriegsmaterial (und Dokumenten) zu verschaffen.

Der Besuch der 3 Offiziere war für den Schreibenden und seine Mitarbeiter ein einzigartiges Erlebnis. Es ist uns gelungen, eine wichtige Investition
für die Zukunft zu machen. [...]

Der Besuch war geheim klassifiziert. Nach aussen (Hotel z.B.) traten die Gäste als Bürger [eines afrikanischen Landes; von der GPDel anonymisiert] auf. Sie waren auch mit Diplomatenpässen dieses Landes ausgestattet. [...]

Dr. Savimbi möchte die Schweiz um die Mithilfe bei der Vermittlung von Gesprächen im Sinne der Friedenssuche bitten. Da das EDA von unseren Kontakten nichts weiss (und nichts wissen darf) habe ich den Kdt FF Trp gebeten, via EDA zu vermitteln.»

Im Zusammenhang mit den Kontakten zu Südafrika bzw. zu der mit Südafrika liierten Rebellenbewegung Angolas konnte weiter abgeklärt werden, dass Peter Regli im August 1987 dem südafrikanischen Verteidigungsattaché Aufnahmen des Flughafens von Luanda zukommen liess. Im Juni 1988 stellte er überdies dem Verteidigungsattaché Südafrikas die Zustellung von 30 Patronen ALN 593-6916 (Täuschkörper zur Beeinträchtigung der Fliegerabwehr) in Aussicht. Schliesslich erfolgte im Oktober eine Mitteilung an die Luftwaffe Südafrikas über die Lieferung von Kampfflugzeugen durch die Sowjetunion an Angola.

Bei den Unterlagen der Direktion SND findet sich ein Schreiben von Peter Regli vom 9. März 1991 in seiner damaligen Eigenschaft als USC NA i.V. an den Chef 2318

FFND betreffend die Organisation eines weiteren Chefbesuchs der UNITA. In diesem Schreiben macht Peter Regli den Chef FFND darauf aufmerksam, dass die Gäste aus Angola wiederum mit Pässen eines anderen afrikanischen Landes reisen würden.

Wie Peter Regli vor der GPDel ausführte, sei es ihm bewusst gewesen, dass es sich bei der UNITA um eine politische Organisation handle, welche einen Freiheitskampf geführt und von den Südafrikanern und Amerikanern unterstützt worden sei.

Ergänzend fügte er bei: «Woher soll denn der Nachrichtendienst die Informationen erhalten, wenn nicht von den Leuten, die an der Front sind? [...] Der Zweck heiligte die Mittel. Wir hofften, damit zu wertvollen Angaben zu kommen». Konkret darauf angesprochen, ob er heute auch mit anderen Rebellenbewegungen Kontakt aufnehmen würde, liess Peter Regli die Antwort offen; er wendete aber ein, dass ein derartiges Vorgehen nur sinnvoll sei, wenn die entsprechenden Gruppierungen auch mit relativ neuen Waffen ausgerüstet seien.

Es ist bereits einleitend ausgeführt worden, dass die Kontakte zum militärischen Nachrichtendienst Südafrikas immerhin noch den Dienst eines Landes betroffen hatten, der völkerrechtlich anerkannt war und mit dem die Schweiz normale diplomatische Beziehungen unterhielt. Dass die UNA bzw. die UG ND aber auch mehr oder weniger offizielle Kontakte zu einer (aus heutiger Sicht eindeutig terroristischen) Rebellenbewegung unterhielt, ist für die GPDel nur schwer verständlich.

Während die offizielle Schweiz im südlichen Afrika ihre Guten Dienste anbot und vermittelnd auf eine friedliche Lösung des Konflikts einzuwirken versuchte, unterhielt ihr Nachrichtendienst Kontakt zu einer mit gewaltsamen Mitteln gegen ein demokratisch gewähltes Regime operierenden Rebellenbewegung. Dies erscheint um so unverständlicher als seit Ende 1975 der amerikanische Senat und der Kongress den Geheimdiensten der Vereinigten Staaten ausdrücklich untersagt hatten, geheime Aktionen zugunsten der UNITA zu führen38. Abgesehen davon vermag die GPDel auch keinen Bedarf nach einer offiziellen Zusammenarbeit mit der UNITA zu erkennen. Nachdem die UNITA von Südafrika unterstützt wurde und auch der Kontakt zur UNA bzw. zur UG ND über den südafrikanischen Nachrichtendienst zustande gekommen war, wäre es wohl ein Leichtes gewesen, die sachdienlichen
Informationen direkt vom südafrikanischen Partnerdienst zu bekommen. Schliesslich erscheint es aber auch problematisch, dass es der UNA bzw. der UG ND offenbar nicht nur bekannt war, dass die Delegation der UNITA mit gefälschten Pässen in die Schweiz einreiste, sondern dass sie diese Verletzung der schweizerischen Rechtsordnung auch tolerierte. Die Einladung der Rebellenorganisation ist aus der Sicht der GPDel auch neutralitätspolitisch bedenklich.

6.6

Informationsschutzabkommen

6.6.1

Informationsschutzabkommen im Allgemeinen

Die Funktion von Informationsschutzabkommen besteht im Wesentlichen allein darin, die Sicherheit von klassifizierten Informationen zu gewährleisten. Mit derartigen Vereinbarungen verpflichten sich die beteiligten Parteien gegenseitig, klassifizierte Informationen des jeweiligen Partners den eigenen Geheimhaltungsvorschrif38

Vgl. dazu Kissinger, Henry A., Years of renewal, Simon & Schuster, New York, 1999, Kap. 26.

2319

ten zu unterstellen. Während langer Zeit wurden Informationsschutzabkommen auf unterer Stufe abgeschlossen; erst ab 1988 wurden Neuabschlüsse und Revisionen dem Bundesrat zur Genehmigung unterbreitet. Auf der Grundlage der seinerzeitigen Empfehlungen der PUK EJPD und der PUK EMD erfolgten zahlreiche Überarbeitungen; in der Folge wurde der grösste Teil der vor 1988 abgeschlossen Informationsschutzvereinbarungen am 27. April 1994 dem Bundesrat zur Genehmigung unterbreitet. Bei vier Vereinbarungen waren noch weitere Abklärungen erforderlich, so dass diesbezüglich die Genehmigung erst später erfolgen konnte.

Mit der Revision vom 4. Oktober 2002 von Artikel 150 Absatz 4 Militärgesetz39 ist neu vorgesehen, dass der Bundesrat mit anderen Staaten Vereinbarungen zur Wahrung der militärischen Geheimhaltung abschliessen kann. Der Bundesrat hat überdies dem Parlament jährlich über die von ihm, von Departementen, Gruppen oder Bundesämtern abgeschlossenen Verträge Bericht zu erstatten40.

Die Mitarbeiter des VBS legten anlässlich der Anhörungen durch die GPDel Wert darauf, dass die ­ früher von der Sektion Geheimhaltung in eigener Kompetenz abgeschlossenen, heute vom Bundesrat zu genehmigenden und in Zukunft vom Bundesrat abzuschliessenden ­ Informationsschutzabkommen nachrichtendienstlich nicht relevant sind und u.a. den bilateralen Austausch von Informationen im Rüstungsbereich, sicher aber nicht den Nachrichtendienst, betrafen und betreffen.

6.6.2

Informationsschutzabkommen mit Südafrika

Noch unter der Geltung des alten Rechts schloss der Chef der damaligen Sektion Geheimhaltung einerseits und der Stabschef Nachrichtendienst der südafrikanischen Streitkräfte andererseits am 31. März 1983 ein Informationsschutzabkommen41 ab.

Dieses orientiert sich an den allgemeinen Vorgaben und weist gegenüber entsprechenden Vereinbarungen mit anderen Staaten keine Besonderheiten auf. Auf ausdrücklichen Wunsch des südafrikanischen Nachrichtendienstes wurde das Abkommen als «geheim» klassifiziert.

Das Abkommen beinhaltet folgende Rubriken: Ingress Art. 1 Art. 2 Art. 3 Art. 4 Art. 5 Art. 6 Art. 7 Art. 8 Art. 9

Definitionen, insbesondere Begriff der «klassifizierten Informationen» Gegenseitiger Geheimschutz Klassifizierung Aufträge Gegenseitige Information Übermittlung von Verschlusssachen von Land zu Land Besuche Verlust, Preisgabe und Widerhandlungen Sicherheitskosten

Das Informationsschutzabkommen war zwar von der Sektion Geheimhaltung, welche bei der damaligen UG UNA angesiedelt war, abgeschlossen worden. Es be-

39 40 41

BBl 2002 6543.

Art. 47bisb Abs. 5 GVG; vgl. dazu den Bericht des Bundesrates vom 26. Juni 2002 über die im Jahr 2001 abgeschlossenen internationalen Verträge (BBl 2002 5589).

Vereinbarung zwischen der Schweiz und der Republik Südafrika über den gegenseitigen Schutz von klassifizierten Informationen, vom 31. März 1983.

2320

schränkte sich aber allein auf die Gewährleistung der Geheimhaltung, ohne dass es auch den Informationsaustausch als solchen regelt.

Das Informationsschutzabkommen mit Südafrika zählte zu denjenigen vier Verträgen, die am 27. April 1994 dem Bundesrat (noch) nicht zur Genehmigung unterbreitet wurden. In einem Schreiben des damaligen Vorstehers des EMD an die GPDel vom 8. Juni 1994 wird ausgeführt, dass eine Kündigung des seinerzeitigen Abkommens ins Auge gefasst worden sei. Aufgrund der politischen Veränderungen in Südafrika würde nun aber eine Kündigung zum heutigen Zeitpunkt ein falsches Signal setzen. Die Aufrechterhaltung des Abkommens sei gerechtfertigt («es gibt nach wie vor keine konkreten Anwendungsfälle»). Im Übrigen enthalte die Vereinbarung keine Besonderheiten; vielmehr sei das von schweizerischer Seite vorgelegte Standard-Abkommen seinerzeit von den südafrikanischen Sicherheitsbehörden unverändert akzeptiert worden.

Soweit es um den Austausch von Informationen geht, werden in aller Regel keine schriftlichen Abkommen zwischen den beteiligten Geheimdiensten abgeschlossen.

Vielmehr erfolgt auch die Aufnahme regelmässiger Beziehungen allein durch mündliche Vereinbarung auf Chefebene. Insofern scheint die mit Südafrika getroffene Regelung (vgl. dazu Ziff. 6.2) durchaus dem allgemeinen Vorgehen entsprochen zu haben. Offenbar ist die UG ND einige Zeit nach dem Regimewechsel in Südafrika mit dem Begehren konfrontiert worden, im Hinblick auf die weitere Zusammenarbeit ein «Memorandum of Understanding» abzuschliessen. Bei den Unterlagen findet sich jedenfalls eine Kopie eines von Peter Regli verfassten Schreibens vom 19. April 1999 an den südafrikanischen Geheimdienst. Eigentlicher Gegenstand jenes Schreibens bildet zwar ein bevorstehender Chefbesuch vom 10. bis 12. November 1999 in Bern. Gleichzeitig teilte aber Peter Regli seinem Partner u.a.

mit: «[...] I have been informed, that you would like to conclue a MOU with us. Based on our national law we cannot establish MOU's in the intelligence field. We work (also in the case of South Africa) with a , which means mutual trust, confidence and oral arrangements. These arrangements are regularly reviewed when the two Directors of the Services meet.

In the hope that you can agree with this understanding (that was successfully had since the beginning of our bilateral relationship in 1978).»

Von Interesse ist weniger die Tatsache eines mit Südafrika abgeschlossenen Informationsschutzabkommens als vielmehr dessen Entstehungsgeschichte. Die GPDel ist der Frage nachgegangen, weshalb die damalige UNA im Frühjahr 1983 ausgerechnet mit Südafrika ein Informationsschutzabkommen abgeschlossen hatte, welches nach den offiziellen Erklärungen allein der Zusammenarbeit im Rüstungsbereich dienen soll. So gab etwa der Bundesrat in Beantwortung einer dringlichen einfachen Anfrage zur militärischen Kooperation mit Südafrika am 1. Juni 1993 u.a.

bekannt: «[...] Mit Geheimschutzabkommen verpflichten sich Staaten im Zusammenhang mit Rüstungsgeschäften gegenseitig, fremde Geheimnisse wie die eigenen zu schützen.

Geheimschutzabkommen bilden nicht Grundlage für Pilotenaustausche oder für nachrichtendienstliche Aktionen.»

Zum Zeitpunkt des Abschlusses (1983) war das vom Bundesrat am 6. Dezember 1963 gegenüber Südafrika verhängte Ausfuhrverbot für Kriegsmaterial schon seit geraumer Zeit in Kraft, und hatte auch der UNO-Sicherheitsrat die Resolution 418 2321

vom 4. November 1977, welche ein alle Mitglieder verpflichtendes Waffenembargo gegen Südafrika vorsah, erlassen (vgl. dazu Ziff. 5.1).

Bei den spärlich vorhandenen Unterlagen findet sich ein erster Hinweis auf den Abschluss der Informationsschutzvereinbarung in Form einer Notiz des damaligen stellvertretenden Chefs des Militärprotokolls auf eine Anfrage des südafrikanischen Verteidigungsattachés vom 3. April 1982. Jener hatte sich beim Militärprotokoll über den möglichen Besuch einer Delegation der südafrikanischen Luftwaffe beim F+W in Emmen erkundigt, wobei insbesondere Einblicke in Ermüdungsversuche mit den Mirage-Flugzeugen gewünscht wurden42. Das Militärprotokoll leitete die Anfrage sowohl an den Rüstungschef wie auch an die Sektion Geheimhaltung weiter, an letztere mit der Anfrage, ob «sich in diesem analogen Fall nicht ein Abschluss eines Sicherheitsabkommens mit Südafrika [aufdränge]». Es findet sich dann die handschriftliche Notiz des stellvertretenden Chefs des Militärprotokolls vom 15. April 1982: «gem. Tel. Hr. Stoll ist ein Abkommen in Vorbereitung!» (vgl. dazu auch Ziff. 6.3.3.6).

Unterlagen über den auf den 18. bis 23. Mai 1982 angekündigten Besuch einer südafrikanischen Delegation bei der Schweizer Luftwaffe konnten keine aufgefunden werden. Hingegen wurden beim Militärprotokoll Unterlagen vorgefunden, aus denen geschlossen werden muss, dass am 16. Oktober 1982 ein Treffen auf dem Flugplatz Dübendorf stattgefunden haben muss. Überdies ergibt sich aus der Stellungnahme des Rüstungschefs im Zusammenhang mit der Anfrage vom 3. April 1982, dass die GRD offenbar «nun schon zweimal eine SA-Delegation im F+W Emmen gehabt und die gewünschten Informationen gegeben [habe], jedoch noch nie von SA profitieren» konnte.

Die weiteren Abklärungen ergaben, dass der damalige Kdt der Luftwaffe vorgängig des angekündigten Besuchs der südafrikanischen Delegation den Abschluss eines Informationsschutzabkommens verlangte, da die Grundlagen der Ermüdungsversuche teilweise als «geheim» klassifiziert waren. Wie das Generalsekretariat VBS in diesem Zusammenhang mitteilte, lägen der Luftwaffe keine Erkenntnisse vor, welche auf einen effektiven Austausch von Informationen betreffend das Kampfflugzeug Mirage schliessen liessen. Auch von den anderen, möglicherweise betroffenen Dienststellen des VBS seien keine
Vorgänge gemeldet worden, die auf der Informationsschutzvereinbarung basieren.

Das VBS macht zwar heute geltend, es lägen keine Hinweise für einen Informationsaustausch bezüglich der Ermüdungsversuche an der Mirage vor. Da diesbezüglich keine schriftlichen Unterlagen (mehr) vorhanden sind, kann dies ohne Weiteres zutreffen, nachdem ein grosser Teil der Akten vernichtet worden ist. Andererseits steht aber fest, dass im Zusammenhang mit den Ermüdungsversuchen tatsächlich Kontakte mit Vertretern der südafrikanischen Luftwaffe stattgefunden haben. Peter Regli konnte sich anlässlich seiner Anhörung durch die GPDel zwar nicht mehr an Details erinnern; er räumte aber ein, dass «möglicherweise [...] den Südafrikanern Unterlagen über die Ermüdung der Schweizer Mirage oder umgekehrt» gegeben worden seien. Auch ohne entsprechende schriftliche Unterlagen 42

Laut der Gruppe Rüstung hatte das F+W seit der Entwicklung eigener Kampfflugzeuge (N-20) welweit einen guten Namen in Sachen Materialermüdung. Das F+W war auch ­ so gut wie Israel ­ Mitglieder des ICAF (International Committee on Aeronautical Fatigue). Im Rahmen der Ermüdungsversuche der Kampfflugzeuge Mirage und Kfit hat Israel auch Südafrika über die Schweizer Bemühungen informiert.

2322

erachtet es deshalb die GPDel als ausgesprochen wahrscheinlich, dass bei dieser Gelegenheit auch die gewünschten Auskünfte erteilt worden sind und demzufolge die mit Südafrika abgeschlossene Informationsschutzvereinbarung sehr wohl zum Tragen gekommen ist.

Die GPDel unterbreitete dem EDA die Frage, ob das mit Südafrika abgeschlossene Informationsschutzabkommen mit den beiden Embargobeschlüssen des Bundesrats (1963) bzw. der UN-Resolution (1977) vereinbar gewesen sei. Das EDA verwies in seiner schriftlichen Antwort darauf, dass der Anwendungsbereich der beiden Embargobeschlüsse nicht völlig deckungsgleich gewesen sei. Während die UN Resolution nebst Waffen, Munition, Militärfahrzeugen, paramilitärischer Ausrüstung und Ersatzteilen auch Lizenzverträge umfasst habe, seien die letztgenannten Verträge nicht unter das Embargo des Bundesrates gefallen. Diese Ausführungen zeigen, dass das Informationsschutzabkommen von 1983 zwischen der Schweiz und Südafrika und der davon ausgehende Austausch militärischer Informationen zumindest aus rechtlicher Sicht mit den beiden Embargos von 1963 und 1977 vereinbar waren. Die von der Schweiz nach Südafrika gelieferten Informationen über die in der Schweiz an der Mirage vorgenommenen Ermüdungsversuche betrachtet die Delegation hingegen als neutralitäts- und aussenpolitisch problematisch.

6.6.3

Kontroverse um ein angebliches Informationsaustauschabkommen mit Südafrika

In verschiedenen Medienberichten war die Rede davon, dass die damalige UNA im Jahr 1986 mit Südafrika ein Abkommen über die Zusammenarbeit oder zumindest über den Austausch von Informationen im Bereich der biologisch-chemischen Kriegsführung abgeschlossen habe. Als vermeintlicher Kronzeuge wurde dabei General Chris Thirion, ehemaliger Chef der südafrikanischen Sektion Auswertung und späterer Chef der südafrikanischen Military Intelligence Division (MID), genannt. Dieser hatte nach Darstellung der Direktion SND verschiedentlich ­ die Rede war von fünf bis sechs Treffen ­ an Chefbesuchen oder Fachgesprächen in der Schweiz teilgenommen. In einem vom Westschweizer Journalisten Jean-Philippe Ceppi geführten Interview wurde General Thirion dahingehend zitiert, dass im Jahr 1986 unter seiner Mitwirkung ein Abkommen für eine konkrete Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Südafrika im Bereich der biologisch-chemischen Kriegsführung abgeschlossen worden sei.

Jean-Philippe Ceppi reichte anlässlich seiner Anhörung vor der GPDel eine schriftliche Abschrift des am 28. September/1. Oktober 2001 mit General Thirion geführten Interviews ein. Dort findet sich u.a. folgende Passage: [...] «Was there any signed protocol?

Of course the whole thing was top secret. But when we came back to SA, it was on file, we made a report and it was put on file. I definitely remember we had a written and negociated agreement signed by the Swiss. They refused some points and accepted others.» [...]

Die Bundesanwaltschaft hatte im Frühjahr 2002 rechtshilfeweise Befragungen in Südafrika durchgeführt. Sie hatte dabei auch die Absicht, General Thirion anzuhören; die Befragung kam jedoch nicht zustande, da Chris Thirion ortsabwesend war.

2323

Der südafrikanische Chefankläger im Prozess gegen Dr. W. Basson, der Deputy Director of Public Prosecution for the Transvaal region, Anton Ackermann erklärte gegenüber der GPDel, dass die früheren Stabschefs Nachrichtendienst der südafrikanischen Streitkräfte ­ die Generäle Dirk Verbeek, C.P. van der Westhuizen und Witkop Badenhorst ­, klar und deutlich ausgesagt hätten, dass ein solches Abkommen nicht existiert habe, ebenso General Thirion. Er (Ackermann) akzeptiere ihr Wort. Darüber hinaus hat die GPDel das Wortprotokoll einer Unterredung beigezogen, welche von einer Privatperson mit Chris Thirion im Dezember 2001 geführt worden war. Konfrontiert mit den in der Schweizer Presse zitierten Aussagen führt Chris Thirion aus, es habe nie ein schriftliches Übereinkommen gegeben: «There was no contract thing or an agreement».

Keine einzige der von der GPDel angehörten Personen hatte Kenntnis von einem angeblichen Abkommen mit Südafrika im Bereich der biologisch-chemischen Kriegsführung. Vielmehr wurde übereinstimmend geltend gemacht, dass zwar mit Südafrika im Jahr 1983 das erwähnte Informationsschutzabkommen abgeschlossen worden sei, es darüber hinaus aber keine weiteren schriftlichen Vereinbarungen gegeben habe.

Die GPDel sieht keine Veranlassung, an diesen Aussagen zu zweifeln. In umfassender Würdigung aller erhobenen Beweise gelangt sie zum Ergebnis, dass eine Vereinbarung über eine Zusammenarbeit oder einen Informationsaustausch mit Südafrika im Bereich der biologisch-chemischen Kriegsführung nie abgeschlossen worden ist. Mit Ausnahme der Aussage im zitierten Interview, deren Authentizität von General Thirion ausdrücklich bestritten wurde, besteht nicht der geringste Anhaltspunkt für die Existenz eines derartigen Abkommens. Abgesehen davon, hätte der Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung keinen Sinn gemacht, da die Zusammenarbeit zwischen Geheimdiensten ohnehin auf mündlicher Absprache beruht und der Abschluss formeller Verträge weder erforderlich ist noch gängiger Praxis entspricht (vgl. Ziff. 6.6.2).

Es erscheint durchaus möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich, dass die in den Medien geführte Kontroverse um den Abschluss einer angeblichen Zusammenarbeitsvereinbarung mit Südafrika auf einem Missverständnis beruht. Aus der gleichen Zeit (1986) stammt nämlich ein Meinungsaustausch zwischen
dem EDA und der Direktion der Militärverwaltung (DMV) über den Abschluss einer zwischenstaatlichen (nicht Südafrika betreffenden) Kooperationsvereinbarung im Bereich des Informationsaustauschs über chemische Kampfstoffe. Die Direktion für Völkerrecht des EDA sprach sich am 16. Oktober 1986 «aus politischen Gründen» gegen den Abschluss einer von der Gruppe Rüstung gewünschten formellen Vereinbarung mit einem ausländischen (europäischen) Staat aus und empfahl die Beibehaltung des bisherigen, rein informellen Informationsaustauschs. Mit Schreiben vom 22. Oktober 1986 teilte das EDA der DMV mit, «dass eine Vertragsabschlusskompetenz auf dieser Stufe nicht besteht und die geplante Vereinbarung in jedem Fall dem Bundesrat vorgängig zu unterbreiten wäre».

Nachdem die Gruppe Rüstung offenbar auf ihrem Standpunkt beharrte und einen neuen Vertragsentwurf ausgearbeitet hatte, teilte ihr das EDA am 24. Februar 1987 abschliessend mit, dass es an der bereits früher geäusserten Auffassung festhalte.

Auch der neue Entwurf weise den Charakter einer zwischenstaatlichen Vereinbarung auf, sei mithin also ein Staatsvertrag, dessen Abschluss in die Kompetenz des Bundesrats, allenfalls des Parlaments falle. In der Folge wurde auf den Abschluss eines förmlichen Abkommens verzichtet.

2324

6.7

Einschätzung der Kontakte mit Südafrika innerhalb der UNA bzw. der UG ND

In ihrem Bericht «Von den nachrichtendienstlichen Beziehungen zu Südafrika» vom Juni 1999 hat die UG ND die Gründe dargelegt, welche aus ihrer Sicht für eine Zusammenarbeit mit Südafrika gesprochen hatten. Auch anlässlich der Anhörungen durch die GPDel wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass Südafrika zu den Zeiten des Kalten Krieges unter strategischen Gesichtspunkten eine zentrale Rolle gespielt habe. So hatte insbesondere auch Peter Regli gegenüber der GPDel geltend gemacht, dass der Nachrichtendienst dort Nachrichten beschaffen müsse, wo sie erhältlich seien. Südafrika sei in den 80er Jahren ­ zusammen mit Israel ­ das einzige Land gewesen, welches mit dem potentiellen Gegner der Schweiz Kriegserfahrung gehabt habe. Im gleichen Sinn gab auch ein ehemaliger Mitarbeiter des FFND zu Protokoll, dass der schweizerische Nachrichtendienst angesichts der beschränkten Möglichkeiten auf Informationen aus dem Ausland angewiesen gewesen sei. Südafrika sei vor diesem Hintergrund einer der wichtigsten Partner der Schweiz gewesen.

Das Land habe einerseits Kriegserfahrung gehabt, was sich vor allem an den speziell guten Resultaten der elektronischen Aufklärung gezeigt habe; andererseits habe es für die Durchführung von Analysen über besser ausgebildete Leute als vergleichbare europäische Partnerdienste verfügt. Und auch die damalige zuständige Sachbearbeiterin der Sektion Auswertung bestätigte, dass Südafrika in den 80er Jahren ein Schwerpunktland des Nachrichtendienstes gewesen sei.

Demgegenüber führte der heutige Direktor des SND aus, dass ­ soweit er sich daran erinnern kann ­ Südafrika damals eigentlich gar kein besonderes Thema gewesen sei. Der Dienst als solcher habe mit Südafrika eher weniger Kontakte gepflegt als mit anderen Diensten. Er glaube denn auch nicht, dass der FFND Informationen aus Südafrika bezogen habe; denn bei diesem Dienst habe es sich ­ mit Ausnahme der Aktivitäten gewisser Chefs ­ eher um eine Auswerteorganisation gehandelt. Auch aus Sicht des Militärprotokolls soll Südafrika ein normaler Partner und überhaupt nichts Besonderes gewesen sein. An Themen hätten die Ausbildung der Truppen, die Regelung der Finanzen, die Organisation der Feldprediger, die Geheimhaltungspraxis, der Sanitätsdienst etc. zur Diskussion gestanden.

6.8

Fehlender erkennbarer Nutzen der Kontakte mit Südafrika

Ernüchternd fällt eine Analyse des erkennbaren Nutzens der Kontakte zu Südafrika aus. Die südafrikanische MID zählte zweifellos zu den wichtigeren Partnerdiensten der UNA bzw. der UG ND wie die Auflistung der Chefbesuche und Fachgespräche (vgl. Ziff. 6.4) zeigt. Es wäre deshalb eigentlich zu erwarten gewesen, dass aus den intensiven Kontakten wesentliche Erkenntnisse für die Sicherheitsinteressen unseres Landes gewonnen wurden und diese irgendwo ihren Niederschlag hätten finden müssen.

Die GPDel hat zur Klärung dieser Frage Auskunft über die Protokolle der Geschäftsleitungssitzungen der UNA bzw. der UG ND verlangt. Die schriftliche Antwort des VBS erschöpfte sich in der Aussage, dass «Unterlagen oder Informationen 2325

über die Beziehungen zu Südafrika [...] keine gefunden [wurden], weil solche Fragen an Geschäftsleitungssitzungen naturgemäss nicht zur Sprache kamen.» Weshalb ein politisch derart brisantes Thema wie die Kontakte zum damaligen Apartheidregime Südafrikas und zur Rebellenbewegung UNITA an den Sitzungen des obersten Leitungsgremiums des Schweizer Nachrichtendienstes «naturgemäss» nicht zur Sprache gekommen sein soll, entzieht sich der Kenntnis der GPDel.

Anlässlich ihrer Anhörungen hat die GPDel u.a. auch die ehemaligen, für den Bereich südliches Afrika zuständigen Sachbearbeiter der Sektion Auswertung befragt.

Eine ehemalige Mitarbeiterin gab zwar zu Protokoll, dass anfangs der 90er Jahre rund 50 Ordner zu Schwarzafrika, davon etwa 15 bis 18 Ordner allein zu Südafrika, vorhanden gewesen seien. Der Versuch, diese Unterlagen beizuziehen, scheiterte aber, da die Dokumentationsbestände zu Südafrika ­ wie die Direktion SND gegenüber der GPDel ausführte ­ «mit der Konzentration der Aufgaben des Strategischen Nachrichtendienstes auf definierte Kerngebiete [...] im Laufe der 90er Jahre aufgelöst worden» seien.

Die einzigen, heute noch vorhandenen Unterlagen, die Auskunft über die Zusammenarbeit mit Südafrika und insbesondere über die dabei erlangten Erkenntnisse geben könnten, sind demzufolge nur noch die Kontaktprotokolle. Auf deren konkreten Gehalt ist bereits hingewiesen worden (vgl. Ziff. 4.3.6). Sie beinhalten im Wesentlichen allein den äusseren Ablauf der Kontakte, die beteiligten Personen und ­ im besten Fall ­ auch noch eine Gesamtbeurteilung des Treffens.

So kommt der damalige Chef der UNA nach seiner ersten Reise nach Südafrika vom 9. bis 17. März 1982 gemäss Kontaktprotokolle zum Schluss, dass Südafrika sehr wohl in der Lage sein werde, in den nächsten 5 bis 10 Jahren seinen Stand zu wahren und die Infiltration aus den Nachbarstaaten unter Kontrolle zu halten. Entscheidend für den weiteren Gang der Entwicklung werde sein, inwieweit die politische und militärische Führung Südafrikas in der Lage sein werde, sich den neuen Gegebenheiten offener zu stellen und eine Öffnung auch in der Rassenpolitik vorzunehmen. Wenn Südafrika in der einen oder andern Form scheitern sollte, dann nur deshalb, weil eine gewisse Unflexibilität der Führung immer wieder zum Ausdruck kam und offenbar zum bestimmenden
Element der Buren gehöre.

Auch wenn dem Nachrichtendienst die strategische und wirtschaftliche Bedeutung Südafrikas durchaus bewusst sei, so glaube er, dass nur eine Reise in dieses Land und die Erfahrung der gewaltigen Distanzen, die zurückgelegen sind, es erlauben, die Probleme Südafrikas deutlicher zu erkennen als dies am Schreibtisch der Fall sei.

Neben allen anderen Zielen, die sich der Nachrichtendienst gesetzt habe, sei dieses ebenfalls vollumfänglich erfüllt worden.

Betrachte man das Beziehungsgefüge der südafrikanischen Streitkräfte, insbesondere des südafrikanischen Nachrichtendienstes, so werde für den Nachrichtendienst immer eine gewisse Zurückhaltung vonnöten sein. Obschon für die Nachrichtendienste ein Interesse bestehe, über Schiffsbewegungen der sowjetischen Flotte im südlichen Afrika im Bilde zu sein, können sie sich nicht allzu stark an Südafrika binden. Die Zusammenarbeit müsse gewisse Grenzen haben. Es könne nicht angehen, dass die Nachrichtendienste in diese Reihe wie Taiwan, Südkorea, Israel, Chile und Paraguay gesetzt werden. Aufgrund der getroffenen Abmachungen in den drei genannten Bereichen scheine diese Gefahr nicht zu bestehen. Man werde in nächster Zeit die Verbindung mit Südafrika wohl durch einen Ausbau der technischen Mittel und durch eine Reglementierung für künftige Gespräche stärken können, aber nur 2326

insoweit der Nachrichtendienst in keiner Weise kompromittiert werde. Der Chef der Nachrichtendienste war überzeugt, dass Südafrika in den nächsten 10 Jahren immer noch ein entscheidender Faktor afrikanischer Politik sein werde.

Mehr Informationen über den inhaltlichen Gehalt dieses (immerhin) ersten Chefbesuchs und der insgesamt neuntägigen Reise nach Südafrika sind weder im Kontaktprotokoll noch anderswo zu finden. Die gewonnenen Erkenntnisse reichen wohl kaum über das hinaus, was zu jener Zeit allgemein bekannt war und ohne Weiteres auch in der Auslandberichterstattung der Medien zu finden gewesen wäre. In welcher Weise die vom damaligen Chef der UNA vorgenommene Einschätzung der innenpolitischen Situation im fernen Südafrika für die Sicherheitsinteressen der Schweiz von Belang hätte sein können, ist für die GPDel nicht nachvollziehbar.

Innerhalb der UNA bzw. der UG ND bestand eine Arbeitsteilung zwischen den beiden Sektionen Beschaffung und Auswertung. Folgerichtig nahmen an den Fachgesprächen ­ neben den Chefs ­ vorwiegend Mitarbeitende der Sektion Auswertung teil. Dabei soll, wie der heutige Direktor des SND vor der GPDel ausführte, im Wesentlichen die Sektion Auswertung die Nachrichtenbedürfnisse definiert und damit die Beschaffung von Informationen letztlich gesteuert haben. Insofern war ­ nachdem die Kontaktprotokolle für eine Beurteilung wenig hergeben ­ zu erwarten, dass die zahlreichen Chefbesuche und Fachgespräche mit Südafrika wenigstens ihren Niederschlag in der Sektion Auswertung gefunden haben könnten. Diese Sektion war nach Länderregionen oder Themenkreisen gegliedert, so dass die sachdienlichen Informationen der Sektion Beschaffung zwingend dort zusammenfliessen mussten.

Innerhalb der Sektion Auswertung bestand bis Ende der 80er Jahre ein Büro «Dritte Welt», zu dessen Zuständigkeitsbereich damals auch Südafrika zählte. Nach der Pensionierung des seit 1978 tätigen Bürochefs wurde beschlossen, die Stelle nicht mehr neu zu besetzen. Die Betreuung der Region «Subsahara» (Schwarzafrika und insbesondere Südafrika) wurde 1990 der vorwiegend für den Bereich Fernost zuständigen Sachbearbeiterin zugewiesen. Nach deren Pensionierung Ende 1993 wurde die Auswertung der aus der Region «Subsahara» stammenden Informationen praktisch fallengelassen. Obwohl eine kontinuierliche Auswertung nicht
mehr erfolgte, wurden aber offenbar weiterhin in regelmässigen Abständen Chefbesuche vorgenommen und Fachgespräche durchgeführt.

Der bis 1989 u.a. für Südafrika zuständige Stellenleiter des Büros «Dritte Welt» führte anlässlich seiner Anhörung durch die GPDel aus, dass die damalige UNA mit keinem Land der Dritten Welt regelmässige Kontakte unterhalten habe; Südafrika sei in seinem Zuständigkeitsbereich eindeutig die Ausnahme gewesen. Auf eine entsprechende Frage gab er zu Protokoll, dass er «nie einen Bericht von einer Zusammenkunft von Hrn. Regli mit südafrikanischen Geheimdienstleuten» erhalten habe. Das sei ihm völlig unbekannt gewesen. Peter Regli habe mit dem FFND einen speziellen Dienst gehabt; dieser habe als sehr geheim und als Nachrichtendienst im Nachrichtendienst gegolten. Peter Regli habe sehr darauf geachtet, «dass das so blieb und er diesen Dienst für sich behalten konnte». Das sei nicht immer sehr erfreulich gewesen und habe auch der Zusammenarbeit nicht gedient. Die wesentlichsten Informationen habe er direkt von südafrikanischen Auswertern erhalten, zu denen er direkte und sehr gute Kontakte unterhalten habe, und die ihm ihre Erkenntnisse zugänglich gemacht hätten. Er selbst habe ein einziges Mal an einem Fachgespräch in Südafrika teilgenommen.

2327

Ebenso unmissverständlich äusserte sich die ab 1990 für die Region «Subsahara» zuständige Person der Sektion Auswertung. Sie legte einleitend dar, dass ihr im Wesentlichen drei Kategorien von Unterlagen für die Auswertung zur Verfügung gestanden hätten: offene Quellen, Berichte des EDA sowie Berichte von Partnerdiensten. Sie selbst habe an insgesamt drei Treffen mit südafrikanischen Delegationen, zwei in Bern (1987 und 1992) und eines in Südafrika (1991) teilgenommen.

Der Besuch in Südafrika an sich sei hochinteressant gewesen. Ihre Aufgabe sei es gewesen, vor den südafrikanischen Experten über die Einschätzung der Lage im südlichen Afrika zu referieren.

Auf eine entsprechende Frage führte diese Person aus, dass ihr von der Sektion Beschaffung nie sachdienliche Informationen zugegangen seien. Peter Regli, vielleicht auch einmal der Chef der Sektion Beschaffung seien öfters in Südafrika gewesen; die beiden hätten ihr aber nie viel erzählt: «Es war gut, es war interessant, viele Grüsse von General Thirion usw. war fast alles». Schriftliche Berichte von Chefbesuchen oder Fachgesprächen habe sie jedenfalls nie gesehen und sie wisse auch nicht, wo sich allenfalls derartige Unterlagen finden liessen. Es sei ihr auch nicht bekannt, ob über die Reisen nach Südafrika oder die Treffen mit dem südafrikanischen Partnerdienst überhaupt je schriftliche Berichte verfasst worden seien oder ob nur mündlich orientiert worden sei. Wahrscheinlich hätten die Treffen im Zusammenhang mit den «guten Diensten» und der Pflege der Freundschaft gestanden. Zur Frage, was denn untereinander besprochen worden sei, müsse sie passen; diese Dinge seien nicht bis zu ihr gelangt: «Hr. Regli ­ ich habe ihn nur zwei Jahre erlebt ­ brachte mir von einer oder zwei Reisen Material mit, aber immer nur quasi Propagandamaterial sowie Material über militärische Hardware und solches Zeug, das mich gar nicht interessierte, denn ich wurde als (Politologe) angestellt! Auf meine Frage, ob die Reise interessant war, antwortete er nur , viele Grüsse von General Thirion usw. Propagandamaterial oder Information über militärische Hardware habe ich (meistens in Ordner für die uns zugeteilten Milizoffiziere) abgelegt und Unwichtiges z.T. sogar weggeschmissen. ­ Fazit: Hr. Regli gab mir sicher nichts Wesentliches, was mir (für meine Aufgabe) gedient hätte, und was mich wirklich interessiert hätte, erfuhr ich von ihm nicht. [...]»

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich in den gesamten Unterlagen der Direktion SND kein einziger Hinweis auf sicherheitsrelevante Informationen aus Südafrika finden liess, dass die als «geheim» klassifizierten Kontaktprotokolle mehr touristische Reiseschilderungen als nachrichtendienstliche Informationsquellen darstellen, dass die angeblichen Erkenntnisse aus den zahlreichen Chefbesuchen und Fachgesprächen nicht systematisch ausgewertet wurden und dass selbst die für das südliche Afrika zuständigen Länderreferenten der UNA bzw. der UG ND über Informationen aus Südafrika nicht im Bilde waren. Aus all diesen Feststellungen kann vernünftigerweise nur eine Schlussfolgerungen gezogen werden: Die Kontakte der UNA bzw. der UG ND zum südafrikanischen Partnerdienst während den Zeiten des Apartheidregimes brachten für die schweizerischen Sicherheitsinteressen nicht den geringsten Nutzen und dienten wohl eher der Erweiterung des persönlichen Erfahrungshorizonts einiger ausgewählter Mitarbeiter als den Interessen unseres Landes.

Auffallend erscheint in diesem Zusammenhang vor allem auch die Tatsache, dass die regelmässigen Kontakte zum militärischen Nachrichtendienst Südafrikas ausgerechnet zu einem Zeitpunkt aufgenommen und intensiviert wurden, in welchem sich das südafrikanische Regime aufgrund seiner damaligen Apartheid-Politik zuneh2328

mend isoliert sah. Während sich die Geheimdienste der USA, Grossbritanniens und anderer Länder im Anschluss an die UNO-Resolutionen veranlasst sahen, ihre Kontakte zu Südafrika zu reduzieren oder gar einzustellen, schien die damalige UNA als «kleiner» Partner die Stunde genutzt zu haben. Je isolierter Südafrika damals auf der weltpolitischen Bühne dastand, desto besser wurden die wenigen, noch verbliebenen internationalen Beziehungen gepflegt und desto aufwändiger wurden wohl auch die Besuchsprogramme inszeniert. In dieser Situation erlangte der Nachrichtendienst eines Kleinstaates bzw. die erwähnten Vertreter dieses Dienstes plötzlich eine Bedeutung, die ihm bzw. ihnen in einem normalen politischen Umfeld wohl kaum je zugekommen wäre.

7

Kontakte schweizerischer Militärärzte mit Südafrika

7.1

Tagungen des Comité International de Médecine Militaire (CIMM)

Die GPDel ist bei ihren Abklärungen nicht nur der Frage nach den Kontakten des Schweizer Nachrichtendienstes nachgegangen, sondern hat auch die Beziehungen der UG Sanität bzw. des schweizerischen Oberfeldarztes zu Südafrika untersucht.

Entsprechende Vorabklärungen waren bereits im Auftrag des VBS vom Generalstabschef in die Wege geleitet worden.

Vom 18. bis 27. September 1986 fand in Moudon (Kanton Waadt) ein Instruktionskurs des Comité International de Médecine Militaire (CIMM) für junge Militärärzte statt. Südafrika war zu jenem Zeitpunkt nicht Mitglied dieser Organisation und zählte demzufolge auch nicht zu den eingeladenen Ländern. Die Teilnehmerliste weist denn auch keinen Eintrag südafrikanischer Teilnehmer auf.

Vom 5. bis 11. Mai 1988 wurde der Jahreskongress des CIMM unter der organisatorischen Leitung des schweizerischen Oberfeldarztes in Interlaken (Kanton Bern) durchgeführt. Südafrika war zwar nach wie vor nicht Mitglied dieser Organisation, trug sich aber mit dem Gedanken einer möglichen Mitgliedschaft. Im Hinblick auf den vorgesehenen Beitritt Südafrikas, der dann im folgenden Jahr (1989) auch erfolgte, nahm der südafrikanische Oberfeldarzt Scheepers ­ und nicht wie teilweise in den Medien behauptet Nieuwoudt ­ am Jahreskongress in Interlaken teil. Der schweizerische Oberfeldarzt hatte nicht zuletzt deshalb eine Teilnahme in zivil angeregt, weil auch zahlreiche Militärärzte aus schwarzafrikanischen Staaten teilnahmen. Der südafrikanische Oberfeldarzt Scheepers besuchte diverse, aber nicht alle Kongressveranstaltungen und wurde während seines Aufenthalts von einem schweizerischen Milizoffizier betreut. Im Verlauf des Kongresses kam es auch zu einigen persönlichen Kontakten mit dem schweizerischen Oberfeldarzt und anderen Militärärzten der Schweizer Armee; diese beschränkten sich aber auf die üblichen Höflichkeitsformeln sowie auf einige kurze Meinungsäusserungen und Kommentare zu den fachlichen Themen des Kongresses. Das südafrikanische Projekt für eine biologisch-chemische Kriegsführung, namens «Coast» (vgl. dazu Ziff. 10) stand dabei weder direkt noch indirekt zur Diskussion. Zusammen mit dem südafrikanischen Oberfeldarzt Scheepers nahm auch einer seiner Mitarbeiter am Kongress teil.

Dieser Mitarbeiter war offiziell nicht angemeldet; er erhielt aber die Erlaubnis, einzelne Vorträge zu besuchen. Wie die UG Sanität mitteilte, konnte der Name des Begleiters nicht mehr eruiert werden:

2329

«[...] Es kann nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden, dass es sich um W. Basson gehandelt hat. Dass er Major war und Kdt eines Sanitätsbataillons (jedenfalls wurde er so vorgestellt) und W. Basson ein Jahr später den Rang eines Brigadiers bekleidet haben solle [...], spricht gegen die Annahme, dass es W. Basson war.»

7.2

UNO-Mandat in Namibia

In den Jahren 1989 und 1990 leitete der schweizerische Oberfeldarzt den Einsatz eines Kontingents schweizerischer Truppen, die im Auftrag der UNO für die medizinische Versorgung der in Namibia eingesetzten, von der UNO mandatierten Friedenstruppen verantwortlich waren. In diesem Zusammenhang kam es situationsbedingt auch zu vereinzelten Kontakten mit dem damaligen südafrikanischen Oberfeldarzt General D.P (Niel) Knobel43. Die insgesamt etwa fünf bis sechs Treffen fanden in Namibia, in Südafrika und in der Schweiz statt, wobei es ­ wie die UG Sanität in ihrem Bericht an den Generalstabschef festhielt ­ «immer um sanitätsdienstliche, fachliche Gespräche zur bestmöglichen Erfüllung des Auftrages ging».

Andere Themen, insbesondere solche mit Relevanz zu den Delikten, deren Wouter Basson angeklagt wurde, seien nie besprochen worden.

Anlässlich der Zusammenkünfte mit Niel Knobel war es auch zu einigen Kontakten mit anderen südafrikanischen Militärärzten gekommen. Diese Kontakte seien aber ­ so der erwähnte Bericht der UG Sanität ­ in zeitlicher Hinsicht viel kürzer gewesen, und die Diskussionen hätten sich um die gleichen Themen bewegt wie jene mit dem südafrikanischen Oberfeldarzt selbst. Dass Wouter Basson unter jenen Militärärzten gewesen sei, könne nicht ausgeschlossen werden, obwohl sich der damalige schweizerische Oberfeldarzt nicht daran erinnere, dass ihm je ein Militärarzt mit dem Namen Wouter Basson vorgestellt worden sei. Dieser sei aber sicher, dass keine Fragen im Zusammenhang mit der Beschaffung von C-Waffen oder ähnlichem besprochen worden seien. Der damalige Oberfeldarzt war auf den 31. Dezember 1988 pensioniert worden, betreute aber bis 1990 das Projekt Namibia zu Ende.

7.3

Kontakte der UG Sanität bzw. des Oberfeldarztes zu Südafrika

Gestützt auf den von der UG Sanität zu Handen des Generalstabschefs erstellten Bericht und die weiteren, von der GPDel beigezogenen Unterlagen konnten folgende Kontakte der UG Sanität bzw. des Oberfeldarztes mit Exponenten oder Delegationen des Sanitätsdiensts der südafrikanischen Armee rekonstruiert werden:

43

Ab 1981 im Sanitätsdienst tätig, seit 1988 General der Sanität und bis 1995 Leiter des Projekts «Coast», seit 1997 im Ruhestand.

2330

Kontakte der UG Sanität bzw. des Oberfeldarztes zu Südafrika Tabelle 2 Datum

Aktivität

11.06.80

Anfrage betreffend eines Besuchs einer SA-Delegation beim Oberfeldarzt mit dem Vermerk des Militärprotokolls: «EDA (Botschafter Brunner) hat keine Einwendungen zum gewünschten Besuch», und demjenigen des GSC: «Einverstanden; keine Gegeneinladung annehmen!» (vgl. dazu auch Ziff.

6.3.3.6) 26./27.06.80 Besuch des Chefs der medizinischen Kommandantur Südtransvaal Dippenaar beim Oberfeldarzt in Bern; mit Besichtigung der Kaserne Losone und des Militärspitals Mittelgösgen 07.10.86 Besuch General Niel Knobel beim Oberfeldarzt in Bern 18.05.89 Anfrage Verteidigungsattaché SA an Militärprotokoll betreffend Besuch von General Niel Knobel beim Oberfeldarzt in Bern 02.06.89 Beschlussprotokoll des Leitungsstabs EMD: auf Antrag des GSC wird ein zweitägiger Besuch des Oberfeldarztes der SADF bewilligt 20./22.06.89 Besuch General Niel Knobel samt Begleitpersonen bei Oberfeldarzt und stv.

Armeeapotheker in Bern; Besuch des Behindertenlagers in Melch-thal und des Militärspitals Einsiedeln 31.07.89 Analysebericht ACL Spiez betreffend neun Proben aus Angola 02.05.90 Kurzbesuch Brig Dippenaar auf der Durchreise beim Oberfeldarzt in Bern 25.05.90 Analysebericht ACL Spiez betreffend verschiedene Proben 03.09.91 Besuch des Einsatzchefs des Sanitätskorps der SADF in der Schweiz; Besuch des Militärspitals Muotathal 21.11.91 Schreiben Verteidigungsattaché SA an Oberfeldarzt betreffend einen Höflichkeitsbesuch 01./14.12.91 Teilnahme des Chefarztes des Kommando-Bezirks Ostkap der SADF am 11th Course of Law of Armed Conflict for Senior Officers of the Armed Forces Medical Services in Genf 16.12.91 Höflichkeitsbesuch von Oberst Voortmann beim Oberfeldarzt in der Schweiz; Besuch des Fliegerärztlichen Instituts in Dübendorf 01.92 schriftliche Anfrage des Verteidigungsattachés SA über AIDS-Grundsätze in der Schweizer Armee 08.92 bis 04.95 diverse Abkommandierungen von Militärärzten nach SA 23./31.08.92 Teilnahme des Direktors des Fliegerärztlichen Instituts der Schweiz an einem Kongress über Luft- und Raumfahrtmedizin in Südafrika 17.02.93 Teilnahme des Oberfeldarztes an einem Nachtessen mit dem südafrikanischen Generalstabschef, zu welchem der schweizerische GSC eingeladen hatte 13./22.03.93 Besuch des Oberfeldarztes beim Sanitätsdienst Südafrikas auf Einladung von Niel Knobel mit anschliessender privater Ferienreise 19.04.93
Einladung an Verteidigungsattaché SA zum Rapport des Oberfeldarztes vom 28.4.93 mit Vermerk, dass u.a. über die Eindrücke vom Besuch in Südafrika referiert werde 25.09./06.10.95 private Reise des Oberfeldarztes nach Südafrika, organisiert vom Verteidigungsattaché SA; Besichtigung des Militärspitals in Pretoria und Empfang der Reisegruppe durch Niel Knobel Herbst 95 Kurzbesuch von Niel Knobel beim Oberfeldarzt in Bern auf der Durchreise zum AMSUS-Kongress in den USA; Mittagessen und Besuch eines Bauernhofs 06./08.10.96 Besuch von Niel Knobel beim Oberfeldarzt in Bern auf der Durchreise zum Kongress der CIMM in China; Besuch des Paraplegikerzentrums und der Schaukäserei in Nottwil

2331

Wie der ehemalige, von Januar 1989 bis März 2001 im Amt stehende, Oberfeldarzt vor der GPDel ausgeführt hat, waren die Kontakte der UG Sanität zu Südafrika aus zwei Gründen interessant. Zum einen sei der südafrikanische Sanitätsdienst speziell organisiert und wie ein Waffenkorps zusammengefasst gewesen; insofern habe eine Verbindung zum koordinierten Sanitätsdienst der Schweiz bestanden. Zum andern sei Südafrika immer wieder mit Toten und Verletzten in den Homelands und an den Grenzen konfrontiert worden. Die entsprechenden Erfahrungen seien für den schweizerischen Sanitätsdienst von erheblichem Nutzen gewesen.

Aufgrund der Abklärungen der GPDel kann davon ausgegangen werden, dass sich die Kontakte der UG Sanität bzw. des Oberfeldarztes mit Südafrika im Rahmen des Üblichen bewegt haben. Sie beschränkten sich im Wesentlichen auf die Zusammenarbeit in anerkannten internationalen Gremien; zusätzlich kam es zu einigen wenigen bilateralen Treffen, die vor allem Höflichkeitscharakter aufweisen. Aufgrund der politischen Situation im südlichen Afrika wäre allenfalls eine grössere Zurückhaltung im Zusammenhang mit Gegeneinladungen angezeigt gewesen.

Insbesondere steht aber fest, dass die UG Sanität und insbesondere auch der Oberfeldarzt in keiner Weise Kenntnis vom Projekt «Coast» hatten oder Wouter Basson gar irgendwelche Hilfestellungen für die von ihm angestrengte biologisch-chemischen Kriegsführung zukommen liessen. Es erscheint zwar wenig wahrscheinlich, kann aber doch nicht mit letzter Gewissheit ausgeschlossen werden, dass Wouter Basson möglicherweise an einem Kongress des CIMM im Jahr 1988 teilgenommen und anlässlich der Wahrnehmung eines UNO-Mandats Ende der 80er Jahre den damaligen schweizerischen Oberfeldarzt kurz in Namibia getroffen haben könnte.

Dabei wurden Wouter Basson aber mit Bestimmtheit keine Informationen zugänglich gemacht, die ihm ­ sei es direkt oder auch nur indirekt ­ für den Aufbau oder die Entwicklung des Projekts «Coast» hätten dienlich sein können.

Hinzuweisen bleibt lediglich noch auf eine anfangs der 80er Jahre geführte Kontroverse zwischen dem Generalstabschef und dem Oberfeldarzt in Bezug auf die Annahme einer Gegeneinladung nach Südafrika. Die damaligen Meinungsverschiedenheiten erscheinen insofern typisch für die mangelnde politische Sensibilität zu sein, auf welche
bereits im Zusammenhang mit den Kontakten des Nachrichtendienstes zu Südafrika hingewiesen worden ist (vgl. dazu Ziff. 6.3.3). Der südafrikanische Verteidigungsattaché liess dem Militärprotokoll am 18. Juni 1992 eine an den Oberfeldarzt gerichtete Einladung zukommen, wobei die Einladung u.a. damit begründet wurde, dass bei einigen sehr erfolgreichen Dienstreisen die Vertreter der südafrikanischen Sanitätstruppen «immer vorzüglich von schweizerischen Sanitätern und auch Ihnen empfangen und betreut wurden ...». Das Militärprotokoll teilte in der Folge dem Oberfeldarzt am 25. Juni 1992 mit, dass nach Meinung des Generalstabschefs momentan eine Besuchszusage an Südafrika nicht opportun wäre und somit darauf zu verzichten sei. Am 29. Juni 1992 gelangte der Oberfeldarzt direkt an den Generalstabschef und wies u.a. auf vier vorausgegangene Besuche von südafrikanischen Armeeangehörigen in der Schweiz zwischen 1989 und 1991 hin. Der Generalstabschef orientierte am 6. Juli 1992 das Militärprotokoll und verlangte, dass die Einladung des Oberfeldarztes dem EDA zur Prüfung der politischen Opportunität zu unterbreiten sei. Unterlagen dazu sind nicht vorhanden; hingegen konnte abgeklärt werden, dass die Einladung letztlich nicht etwa vom Generalstabschef, sondern vom stellvertretenden Generalsekretär des EMD bewilligt wurde. Der Besuch des Oberfeldarztes in Südafrika fand in der Folge denn auch vom 13. bis 22. März 1993 statt.

Der Gesinnungswandel innerhalb der politischen Führung des EMD dürfte nicht 2332

zuletzt auf den Umstand zurückzuführen sein, dass der südafrikanische Verteidigungsminister anlässlich seiner Europareise am 18. Januar 1993 vom Generalsekretariat EMD zu einem Mittagessen eingeladen worden war und anschliessend einen Höflichkeitsbesuch beim damaligen Vorsteher des EMD abstattete. Ein vom südafrikanischen Verteidigungsminister ebenfalls gewünschter Höflichkeitsbesuch beim Vorsteher des EDA wurde hingegen ausdrücklich abgelehnt.

8

Peter Regli

8.1

Kontakte Peter Reglis zu Südafrika und insbesondere zu Wouter Basson

Divisionär Peter Regli war von 1981 bis 1988 Chef des Flieger- und FliegerabwehrNachrichtendienstes (FFND, heute LWND) im Kommando der Flieger- und Fliegerabwehrtruppen (heute Luftwaffe). Zu seinem damaligen Aufgabenbereich zählte die Sicherstellung des operativ-taktischen und technischen Nachrichtendienstes für den Einsatz der Luftwaffe. Seit spätestens Juli 1983, dem privaten Besuch von zwei Piloten der schweizerischen Luftwaffe in Südafrika, unterhielt Peter Regli regelmässig Kontakte zum südafrikanischen Luftwaffennachrichtendienst, wobei unter seiner Mitwirkung auch der von der GPDel bereits untersuchte Pilotenaustausch zu Stande kam.

1989 wechselte Peter Regli vorerst als stellvertretender Unterstabschef, ab 1991 dann als Unterstabschef (USC) zur Untergruppe Nachrichtendienst (UG ND, vorher Untergruppe Nachrichten und Abwehr [UNA]). In dieser Funktion führte er die bereits von seinen Vorgängern eingeleiteten Kontakte zur südafrikanischen Military Intelligence Division (MID) weiter. Der Entscheid zur Aufnahme regelmässiger Kontakte war bekanntlich bereits Ende der 70er Jahre vom damaligen USC NA, Divisionär Richard Ochsner (USC NA, 1977­1981), gefällt, mit dem ersten Chefbesuch von Divisionär Petitpierre in Südafrika im März 1982 institutionalisiert und mit der Einrichtung einer chiffrierten Telexverbindung im November 1983 formalisiert worden (vgl. Ziff. 6.2). Peter Regli selbst führte seinen ersten Chefbesuch in Südafrika, damals noch in der Eigenschaft als Chef FFND, im April 1984 durch, wobei er im Kontaktprotokoll vermerken konnte, dass er dank der Vorarbeit des USC NA offene Türen habe vorfinden können.

Peter Regli legte denn auch anlässlich seiner Anhörung durch die GPDel Wert darauf, dass alle seine Kontakte als Chef FFND über den damaligen USC ND gelaufen seien. So habe er sich auch anlässlich seines ersten Chefbesuchs einer von der UNA organisierten Reise anschliessen können. Nachdem die Beziehungen zwischen der UNA und dem südafrikanischen Dienst bereits im Jahr 1977 «mit dem Plazet der politischen Führung eingeleitet» worden seien, sei es im Jahr 1984 nicht mehr an ihm gelegen, sie zu hinterfragen.

Die GPDel ist sämtlichen Hinweisen nachgegangen, um das Ausmass der Beziehungen von Peter Regli zu Südafrika nachträglich rekonstruieren zu können. Schriftliche Unterlagen sind sowohl
bei der Direktion SND wie auch beim LWND ­ mit Ausnahme der bereits verschiedentlich erwähnten Kontaktprotokolle ­ nicht (oder nicht mehr) vorhanden. Die Auswertung der Kontaktprotokolle zeigt aber, dass Peter Regli intensive Kontakte zum militärischen Nachrichtendienst Südafrikas unterhielt und sich bis zu seinem Ausscheiden aus dem Amt (Oktober 1999) regelmässig mit 2333

Exponenten des MID ­ sei es in Bern, sei es in Südafrika ­ getroffen hat; für die Einzelheiten kann auf Ziff. 6.4 verwiesen werden.

Die GPDel hat im Weiteren die Unterlagen des Militärprotokolls beigezogen (vgl.

Ziff. 4.3.5) und die Spesenabrechnungen überprüft (vgl. Ziff. 4.3.3.5); beide Informationsquellen können indessen aus den bekannten Gründen keine neuen Aufschlüsse vermitteln. Das Militärprotokoll hatte mit den nachrichtendienstmässig abgeschirmten Kontakten nichts zu tun; und wusste ­ wie der Chef des Militärprotokolls vor der GPDel ausgeführt hat ­ «während dieser Zeit nichts von den nachrichtendienstlichen Beziehungen von Hrn. Regli. Er hat einen ganz sauberen Schnitt gemacht.» Die Spesenbelege sind nur noch teilweise vorhanden und der Buchhaltung lassen sich keine konkreten Angaben über Kontakte entnehmen.

Die GPDel hat sodann die Sekretärinnen des Vorzimmers von Peter Regli befragt.

Auch diese konnten indessen keine weiterführenden Angaben machen, da geheime Geschäfte an ihnen vorbei gingen, und sie keineswegs umfassende Kenntnis von Abwesenheiten oder Kontakten ihres Chefs hatten. Selbst in der Agenda waren vielfach keine Details von Kontakten vermerkt, sondern lediglich besetzte Zeiten angegeben.

In diesem Sinn konnten die verschiedentlich vorgebrachten Behauptungen, wonach Wouter Basson Peter Regli mehrfach im Bundeshaus aufgesucht habe oder an anderen Orten mit ihm zusammengekommen sein soll, von der GPDel weder widerlegt noch bestätigt werden. Die GPDel fand aber auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass die geäusserten Vermutungen den Tatsachen entsprechen könnten. Insbesondere hat der in diesem Zusammenhang von den Medien immer wieder zitierte, inzwischen verstorbene, angebliche Zeuge der GPDel trotz mehrfacher Zusicherung keine weiterführenden Informationen oder gar Belege zukommen lassen. Nachdem die GPDel im Hinblick auf die Kontakte von Peter Regli zu Wouter Basson umfassende Abklärungen getätigt hat und sämtlichen Hinweisen nachgegangen ist, besteht für sie kein Zweifel, dass die in den Medien verbreiteten Unterstellungen nicht richtig sind.

Es bleibt deshalb bei der bereits im Bericht vom November 1999 getroffenen Feststellungen, dass sich die Kontakte zwischen Peter Regli und Wouter Basson im Wesentlichen auf einen Höflichkeitsbesuch anfangs der 90er Jahre beschränkt
haben. Zusätzlich sind Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass es sich beim erwähnten Höflichkeitsbesuch allenfalls auch um eine Verwechslung handeln oder jenem Besuch ein weiteres, wohl eher zufälliges und kurzes Zusammentreffen vorausgegangen sein könnte (vgl. Ziff. 10.5).

8.2

Verhalten Peter Reglis während der Untersuchung und nach dem Ausscheiden aus dem Amt

Es erweckt den Anschein, dass es Peter Regli im Verlauf der diversen Untersuchungen mit Detailfragen nicht allzu genau genommen und sich gelegentlich etwas gar vorschnell mit unpräzisen Antworten zufrieden gegeben hat. Seine Bereitschaft, die GPDel von sich aus und umfassend über die sie interessierenden Vorgänge zu informieren, war eher gering. Die GPDel sah sich deshalb verschiedentlich veranlasst, auf andere Weise zu den gewünschten Informationen zu gelangen, wobei sich nicht selten herausstellte, dass die diesbezüglichen Aussagen Peter Reglis ausgesprochen lückenhaft gewesen waren; die Vermutung liegt nahe, dass er gewisse Vorfälle 2334

bewusst ausgeblendet hat. Die Gründe für diese zurückhaltende Auskunftsbereitschaft mögen vielfältiger Natur sein. Sie ist aber sicher auch darauf zurückzuführen, dass in Kreisen der Nachrichtendienste dem Gebot der Verschwiegenheit hohe Priorität zukommt. Auch wenn die GPDel dafür im Allgemeinen durchaus Verständnis hat, kann sie das offenbar auch ihr gegenüber an den Tag gelegte Misstrauen nicht akzeptieren.

Die neu aufgenommenen Untersuchungen der GPDel haben jedenfalls gezeigt, dass bei der Direktion SND und bei dem LWND noch bedeutend mehr Informationen und Unterlagen vorhanden sind als Peter Regli in früheren Verfahren geltend zu machen versucht hat. Es fällt also auf, dass Peter Regli im Verlauf der diversen Untersuchungen der GPDel bewusst wesentliche Informationen vorenthalten und damit eine umfassende Aufklärung gewisser Vorfälle verhindert hat. So ist etwa bereits darauf hingewiesen worden, dass Peter Regli 1993 gegenüber der GPDel noch vorgegeben hatte, dass keine Akten mehr über den Pilotenaustausch vorhanden seien, oder dass er anlässlich der Untersuchung 1999 behauptet hatte, die Kontaktprotokolle seien nur noch seit 1992 vorhanden (vgl. Ziff. 6.4). Beide Aussagen haben sich im Rahmen der vorliegenden Untersuchung als klar falsch erwiesen.

Peter Regli war im Zusammenhang mit der Bellasi-Affäre44 im August 1999 auf eigenes Begehren beurlaubt worden. Nachdem Dino Bellasi schwerwiegende Vorwürfe gegen seine Vorgesetzten erhoben hatte, eröffnete die Bundesanwaltschaft am 18. August 1999 u.a. auch gegen Peter Regli ein Ermittlungsverfahren. Im Rahmen dieses Verfahrens wurden dessen Büroräumlichkeiten ­ wie auch weitere Büros der UG ND ­ durchsucht und vorläufig versiegelt. Ende August 1999 hob die Bundesanwaltschaft das gegen Peter Regli und weitere Mitarbeiter der UG ND gerichtete Ermittlungsverfahren mit sofortiger Wirkung auf und gab die versiegelten Büroräumlichkeiten wieder frei. Gleichentags orientierte das VBS die Öffentlichkeit, dass Peter Regli bis zum Abschluss der internen Administrativuntersuchung weiterhin beurlaubt bleibe. Am 17. September 1999 teilte der Generalstabschef mit, dass er Peter Regli und einem weiteren Mitarbeiter der UG ND bis zum Abschluss der laufenden Administrativuntersuchung neue Aufgaben übertragen habe. Die neue Tätigkeit von Peter Regli bestehe
u.a. darin, die Unterlagen der Untergruppe Nachrichtendienst zu ordnen und dem Armeearchiv zu übergeben. Eine Woche später, nämlich am 24. September 1999, umschrieb der Generalstabschef die Archivierungsaufgaben von Peter Regli näher.

Die Tatsache, dass Peter Regli vom Generalstabschef mit der Ordnung und Archivierung der Akten betraut worden war, bildete Gegenstand verschiedener parlamentarischer Anfragen. So teilte der Bundesrat am 1. Dezember 1999 auf die Interpellation 99.3514 «Bundesarchiv, Akten des VBS und der Armee»45 u.a. mit: «Der Bundesrat betrachtet die sorgfältige Archivierung der Unterlagen seiner Verwaltung im Interesse der historischen Forschung für eine unabdingbare rechtsstaatliche Pflicht. Das am 1. Oktober 1999 in Kraft getretene Archivierungsgesetz vom 26. Juni 1998 verleiht dieser Bundesaufgabe den aktuellen gesetzlichen Rahmen.

Zu den Fragen der Interpellantin wird wie folgt Stellung genommen: 44

45

Vgl. dazu den Bericht der Geschäftsprüfungsdelegation der eidgenössischen Räte über die Vorkommnisse in der Untergruppe Nachrichtendienst des Generalstabs («Bellasi-Affäre») vom 24. November 1999 (BBl 2000 586).

Antwort des Bundesrates vom 1. Dezember 1999 auf 99.3514 Interpellation. Bundesarchiv. Akten des VBS und der Armee vom 7. Oktober 1999 (AB 1999 N 2673, AB 1999 Beilagenband VI 264).

2335

1.

4.

5.

7.

Im Forschungsdienst der Eidgenössischen Militärbibliothek besteht eine Stabsstelle Armeearchiv. Diese wird von zwei Historikern im Jobsharing und in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesarchiv geführt. Das Armeearchiv begleitet die Sicherung und Ablieferung der Unterlagen der Formationen der Armee und der Verwaltungseinheiten des VBS an das Bundesarchiv.

Dieses Armeearchiv wurde geschaffen, um die im Archivierungsgesetz (Art. 6) sowie in der Archivierungsverordnung vom 8. September 1999 (Art. 4 und 5) vorgesehene Anbietepflicht sachgerecht wahrnehmen und erfüllen zu können und um dem Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 13. November 1996 zu den Vorkommnissen im EMD (Didacta, und Lehrmittelpaket, Empfehlung Nr. 517) gerecht zu werden. [...]

Der Auftrag an Divisionär Peter Regli lautet: Die Akten des Nachrichtendienstes aus den Sechzigerund Siebzigerjahren, also der Vorgänger von Divisionär Peter Regli, die sich in seinem Besitz (Safe) befinden, sind aufgearbeitet; sie werden vollumfänglich an das Bundesarchiv abgeliefert. Damit hat Herr Divisionär Peter Regli die ihm zugewiesene Aufgabe (Weisung vom 24. September 1999) erfüllt. An einer Besprechung mit einer Vertreterin des Bundesarchivs, des Armeearchivs und Herrn Divisionär Peter Regli wurden die Modalitäten der Übergabe geregelt.

Festzuhalten ist, dass mit den oben erwähnten Akten noch nicht alle Unterlagen des Nachrichtendienstes der Armee abgeliefert sind. In den nächsten Wochen sollen im Rahmen einer systematischen Sicherungsaktion (unter Leitung des Armeearchivs) alle Ablagen des Nachrichtendienstes auf Akten aus der Zeit vor 1980 überprüft werden. Nach Abschluss der Aktion liegt ein Überblick über alle vorhandenen Unterlagen des militärischen Nachrichtendienstes vor. Dann können auch eventuelle Überlieferungslücken in diesem Aufgabenbereich festgestellt werden. [...]

Es sind ausnahmslos alle Unterlagen dem Bundesarchiv anzubieten. Das Bundesarchiv kann jedoch die Übernahme einzelner Teile ablehnen. [...]»

VBS und GSC verzichteten auf jede Kontrolle in Bezug auf die Einhaltung dieser Weisungen. Peter Regli hatte freien Zugang zu den Räumlichkeiten, und es stand ihm auch ein Aktenvernichter zur Verfügung. Wie die damalige Sekretärin vor der GPDel erklärte, wurden Akten teils von Peter Regli selbst vernichtet, teils hatte er ihr die Akten zur Vernichtung übergeben.

Peter Regli legte vor der GPDel Wert darauf, dass er als zehnter und letzter USC ND die internationalen Regeln des Quellenschutzes übernommen habe. Quellenschutz bedeute, dass das Material eines Partnerdienstes nach Gebrauch vernichtet und sicher nicht dem Bundesarchiv abgegeben werde. Als er sein Amt angetreten habe, habe es zwar eine Archivierungsordnung aus dem Jahr 1966 gegeben. Diese habe aber niemand gekannt; und auch innerhalb der UNA bzw. der UG ND sei nicht darüber gesprochen worden. Mitte der 90er Jahre sei dann der Auftrag gekommen, ein neues Archivierungsgesetz zu definieren. Er habe von allem Anfang an darauf hingewiesen, dass für den Nachrichtendienst unbedingt eine Sonderregelung geschaffen werden müsse. Als er seinen Dienst verlassen habe, sei das Problem immer noch nicht gelöst gewesen; die heutige Situation sei ihm nicht bekannt.

Nachdem keine Vernichtungsprotokolle erstellt wurden, kann die GPDel weder Aussagen zum Umfang noch zum Inhalt der vernichteten Akten machen. Fest steht jedenfalls, dass Peter Regli nach annähernd zwanzigjähriger Tätigkeit als Chef des FFND und später als USC ND dem Bundesarchiv lediglich ein Dossier von sogenannten Handakten abgeliefert hatte, welches einen ausgesprochen geringen Umfang aufwies. Die GPDel legt in diesem Zusammenhang aber Wert auf die Feststellung, dass die offenbar im grossen Stil erfolgte Vernichtung von Akten keineswegs nur 2336

Peter Regli angelastet werden kann. Zum Einen war dieses Vorgehen innerhalb der UNA bzw. der UG ND schon zu Zeiten seiner Vorgänger gang und gäbe (vgl. dazu Ziff. 4.3.7), und zum Andern liessen es die vorgesetzten Behörden an jeder Beaufsichtigung und Kontrolle missen. Der GPDel erscheint es unverständlich, dass der damalige Departementsvorsteher, aber auch der damalige Generalstabschef, Peter Regli nach dessen Freistellung mit der Ordnung und Sichtung der Akten beauftragt hatten und ihm im Hinblick auf eine allfällige Vernichtung von Unterlagen völlig freie Hand liessen. Nachdem ihnen bekannt sein musste, dass die UNA bzw. die UG ND dem Bundesarchiv während Jahrzehnten keine Akten abgeliefert hatte, wäre es dringend angezeigt gewesen, die Archivierungsaufgaben einer nicht direkt involvierten Person zu übertragen oder zumindest klare Weisungen für das Sichten und Ordnen der Akten zu erlassen und auch die diesbezügliche Tätigkeit des in der Zwischenzeit freigestellten USC ND strikte zu beaufsichtigen. Obwohl der Bundesrat in seiner Antwort auf die Interpellation 99.3514 vom 1. Dezember 1999 ausdrücklich die Erklärung abgegeben hatte, dass «ausnahmslos alle Unterlagen dem Bundesarchiv anzubieten» seien, steht heute fest, dass sie in grossem Umfang vernichtet und nur in geringer Zahl an das Bundesarchiv abgeliefert worden sind. Selbst eine nachträgliche Rekonstruktion des vernichteten Aktenbestands erweist sich als unmöglich, nachdem nicht einmal Vernichtungsprotokolle erstellt worden sind.

Hinzu kommt, dass die GPDel bereits anlässlich ihrer Aussprache mit dem damaligen Generalstabschef und dem interimistischen USC ND vom 12. April 2000 ausdrücklich beanstandet hatte, dass Peter Regli auch nach seinem Ausscheiden aus dem Amt nach wie vor als Einziger Zugang zu den geheim klassifizierten Akten hat.

Trotzdem wurde offenbar von Seiten der Departementsleitung oder des Generalstabschefs nichts unternommen, um für die Unversehrtheit der Akten besorgt zu sein.

9

Jürg Jacomet

Der Schweizer Jürg Jacomet spielte eine wichtige Rolle bei den Beziehungen zwischen der Schweiz und Südafrika. Er wurde mehrmals, vor allem beim Prozess gegen Dr. Wouter Basson, als Mittelsmann zwischen Peter Regli und gewissen Diensten und Personen in Südafrika erwähnt. Trotz seiner Verwicklung in zahlreiche Aktivitäten und Machenschaften stand er sehr lange im Vertrauen von Peter Regli.

9.1

Beruflicher und militärischer Werdegang

Jürg Alois Jacomet, geb. 17.8.1946 in Bülach (Kanton Zürich), von Sumvitg (Kanton Graubünden), war nach seiner Ausbildung als Verkäufer zunächst in einer privaten Waffenhandlung tätig. Er machte sich dann mit einem Partner selbständig und gründete am 19. Mai 1982 die Intermagnum AG mit Sitz in Rümlang (Kanton Zürich). Als Zweck der Gesellschaft wurde im Handelsregister «Handel mit sowie Import und Export von Waren aller Art» eingetragen. Die Intermagnum AG verfügte über eine kantonale Waffenhändlerbewilligung und war seit 1983 auch im Besitz einer Grundbewilligung des Bundes zum Handel mit Kriegsmaterial. Die Intermagnum AG wurde am 7. Juni 1994 durch Konkurs aufgelöst und nach Abschluss

2337

des Konkursverfahrens am 14. August 1996 von Amtes wegen im Handelsregister gelöscht.

Jürg Jacomet verfügte offenbar über zahlreiche geschäftliche und private Kontakte in verschiedenen Ländern, insbesondere im südlichen Afrika sowie in den Staaten des ehemaligen Ostblocks. Zu Beginn der 90er Jahre erkrankte Jürg Jacomet an Krebs. Er gab Ende 1993/anfangs 1994 seinen Wohnsitz in der Schweiz auf und übersiedelte zunächst nach Spanien, später dann nach den Philippinen.

Jürg Jacomet wurde am 27./28. September 1998 aus medizinischen Gründen mit Unterstützung der Schweizerischen Rettungsflugwacht (REGA) an Bord eines Linienflugzeugs von Cebu (Philippinen) nach Zürich repatriiert und in das Universitätsspital Zürich eingeliefert; er starb dort am 8. Oktober 1998. Auftraggeber für die Rückführung war sein Neffe André Jacomet. Die in den Medien geäusserten Vermutungen, Geheimdienstkreise seien für die Kosten aufgekommen, konnten von der GPDel widerlegt werden.

Jürg Jacomet hatte 1968 zusammen mit Peter Regli die Offiziersschule der damaligen Flieger- und Fliegerabwehrtruppen (heute Luftwaffe) in Dübendorf absolviert.

Nachdem er 1972 den technischen Kurs für Nachrichtenoffiziere besucht hatte, blieb er bis zur Beendigung seiner Dienstpflicht im Jahr 1991 als (Miliz-)Nachrichtenoffizier bei der Luftwaffe eingeteilt. Festzuhalten bleibt, dass er zwar Offizier der Luftwaffe, aber nicht Angestellter des Luftwaffennachrichtendienstes war. Im Jahr 1990 wurde Jürg Jacomet vom Stab des Fliegerregiments 3 in den Stab des Kommandos der Luftwaffe umgeteilt. In dieser Funktion leistete er vom 26. Februar bis 2. März 1990 seinen einzigen ordentlichen Dienst; die letzte Dienstleistung erfolgte vom 19. bis 22. März 1991 unter der Leitung des Stabschefs Operative Schulung.

Schriftliche Unterlagen über die Person von Jürg Jacomet und insbesondere über dessen Kontakte zu Amtsstellen und Privaten liegen kaum oder nur spärlich vor. Die GPDel hat trotzdem den Versuch unternommen, den diversen Mutmassungen und Behauptungen nachzugehen. Ziel dieser Abklärungen war es, die Hintergründe der zahlreichen Gerüchte ­ soweit überhaupt noch möglich ­ zu erhellen und damit die seit Jahren andauernden Diskussionen über angebliche Beteiligungen des Nachrichtendienstes an Aktivitäten von Jürg Jacomet zu beenden.

9.2

Schriftliche Unterlagen bei schweizerischen Amtsstellen

Sowohl über Jürg Jacomet wie auch über die Intermagnum AG hatte die damalige Bundespolizei Fichen erstellt, welche heute im Bundesarchiv archiviert sind. Der erste Eintrag der Intermagnum AG vom 10. August 1983 bezieht sich auf die Erteilung einer Grundbewilligung für den Handel mit Waffen und Munition. Es folgen dann verschiedene Hinweise aus den Jahren 1985 bis 1988 auf mögliche Verwicklungen der Intermagnum AG in einen Waffenhandel zwischen einer nordirischen Organisation und Südafrika. Jürg Jacomet ist lediglich im Zusammenhang mit seiner Verwaltungsratstätigkeit für die Intermagnum AG verzeichnet. Überdies findet sich der Vermerk einer offenbar im Zusammenhang mit dem seinerzeitigen Funktionswechsel vorgenommenen militärischen Sicherheitsüberprüfung vom 7. Februar 1990 betreffend Zutritt zu klassifizierten Anlagen der Armee: «Nichts zu bemerken»

2338

Im aktuellen informatisierten Staatsschutz-Informations-System des Bundes (ISIS) ist Jürg Jacomet verschiedentlich verzeichnet. Der erste Eintrag bezieht sich auf die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts auf Widerhandlung gegen das Atomgesetz (Uranfund Kemptthal vom 6. Oktober 1993, vgl. dazu Ziff. 9.7). Es folgen weitere Hinweise auf eine mögliche Beteiligung an einem illegalen Waffenhandel im ehemaligen Jugoslawien (Bosnien-Herzegowina); in diesem Zusammenhang ist Jürg Jacomet offenbar am 3. Juli 1994 in Spanien festgenommen worden. Ein nächster Eintrag bezieht sich auf das am 21. September 1994 von der Bezirksanwaltschaft Zürich eingestellte Strafverfahren hinsichtlich der gefälschten Obligationen der Banco di Napoli; als möglicher Beteiligter taucht auch der Name von Wouter Basson erstmals auf (vgl. dazu Ziff. 10.3.5). Es folgen Meldungen über eine mögliche Mitwirkung Jürg Jacomets an einem Handel mit radioaktiven Substanzen in Deutschland (1995) sowie in Spanien (1998). Die restlichen Eintragungen betreffen Anfragen aus dem Ausland oder beziehen sich auf das laufende Verfahren der Bundesanwaltschaft.

Die GPDel hat die Akten der beiden Verfahren betreffend Uranfund (vgl. Ziff. 9.7) und gefälschte Obligationen der Banco di Napoli (vgl. Ziff. 10.4.4) beigezogen.

Überdies gab die Direktion für Soziales und Sicherheit des Kantons Zürich auf entsprechende Anfrage bekannt, dass ab 1991 «mit Sicherheit» keine polizeilichen Observationen im Zusammenhang mit Jürg Jacomet oder der Intermagnum AG durchgeführt worden seien; für den Zeitraum davor seien keine Akten mehr vorhanden. Dementsprechend konnten auch die gelegentlich in den Medien geäusserten Mutmassungen über eine polizeiliche Observation von Jürg Jacomet und Wouter Basson in Rümlang widerlegt werden.

9.3

«Tagebuch» von Jürg Jacomet und weitere Angaben zu seiner Person

Der Name «Jürg Jacomet» taucht in den Medien seit anfangs der 90er Jahre in regelmässigen Abständen auf. Er wird dort als «international operierender Waffenhändler» bezeichnet, der über ein vielfältigstes Beziehungsnetz verfügt haben soll.

Eine sorgfältige Analyse zeigt indessen bald, dass die zahlreichen Legenden im Wesentlichen immer wieder auf den gleichen und erst noch dürftigen Quellen beruhen. Die GPDel hat nichts unversucht gelassen, um den Wahrheitsgehalt der zahllosen Mythen rund um die Person von Jürg Jacomet zu verifizieren. Sie ist jedoch kaum je fündig geworden, da sich die kolportierten Geschichten einer objektiven Überprüfung weitgehend entziehen.

So räumte denn auch selbst der freie Journalist Frank Garbely, welcher Jürg Jacomet in den letzten Monaten seines Lebens intensiv begleitet und kurz vor dessen Tod ein Fernsehinterview mit ihm geführt hatte, vor der GPDel unumwunden ein, dass der grösste Teil der Aussagen von Jürg Jacomet «schlicht nicht überprüfbar» gewesen seien. Zudem seien ihm einige der Geschichten «spanisch» vorgekommen; «allerdings sind die verrücktesten Geschichten von Nachrichtendienstleuten manchmal die normalsten».

Eine dieser Geschichten bildet zweifellos das angebliche Tagebuch, welches von Jürg Jacomet geführt worden sein soll. Dieses «Tagebuch» ist von der GPDel beigezogen worden. Es besteht im Wesentlichen aus einigen wenigen Blättern mit stichwortartig umschriebenen Themen und Skizzen. Die einzelnen Stichworte enthalten 2339

indessen weder weiterführende Hinweise noch lassen sie sich an Hand anderer Fakten überprüfen. Die wohl aussagekräftigste Darstellung findet sich in einem von Jürg Jacomet am 5. November 1986 verfassten Schreiben, mit welchem er an verschiedene Verlage gelangt war, um diesen seine Lebensgeschichte zu verkaufen.

Das Schreiben trägt die Überschrift «Autobiographischer Roman mit dem Arbeitstitel » und dem Untertitel «Leben eines Waffenhändlers und Nachrichtenoffiziers». Soweit für den Untersuchungsgegenstand von Interesse, finden sich darin u.a. folgende Ausführungen: «Zwar habe ich noch nie Sterne verkauft, aber es würde mich nicht wundern, dies eines Tages zu bewerkstelligen und wenn Sie die folgenden Zeilen gelesen haben, würden auch Sie sich nicht darüber aufregen, meine entsprechende Anzeige irgendwo im Blätterwald zu finden.

Am 17. August 1946 wurde ich als erstes Kind [...]

Nach Absolvierung der Primar- und Sekundarschulen und der gescheiterten Aufnahme in eine als Gymnasium bezeichnete höhere Lehranstalt, durchlief ich eine dreijährige kaufmännische Lehre [...] in einem Waffengeschäft in Zürich.

Dies war der Beginn eines Werdeganges, der als , , bis hin zu umschrieben werden kann.

Im Verlauf der von jedem männlichen, normalen ­ damals wurde ich noch so eingestuft ­ Schweizerbürger zu absolvierenden Rekrutenschule [...] wurde ich zur Weiterschulung zum Unteroffizier (Korporal) erkoren und während dieses Beförderungsdienstes sogar als fähig und würdig für den Empfang der Offiziersweihen befunden.

Heute weiss ich, dass diese Kombination von Waffenhändler und Offizier, insbesondere unter dem Aspekt der zukünftigen militärischen Verwendung, zum Desaster führte, dessen herausragende Marksteine sowie einige tiefere Feld- und Ackerfurchen ich nachstehend in chronologischer Folge notiere: ­ Als naiver, sechzehnjähriger Lehrling der exklusivsten Jagd- und Sportwaffenhandlung Europas begegne ich einer mir völlig fremden Welt: Bankiers, Wirtschafts- und Industriekapitäne, Politiker, gekrönte Häupter, Diktatoren und schillernden Figuren der Halb- und Scheinwelt ­ Offiziersschule samt schwerem Schiessunfall, der zum Verlust meines rechten Augenlichtes und möglicherweise dadurch verursachter psychischer Veränderung
führte ­ Aufstieg vom Jagd- und Sportwaffenhändler zum , wie wir, die Waffenhändler, meist betitelt werden ­ Verwicklungen in die HDW-Affäre (Unterseeboote für Taiwan via Argentinien); Tod von U. Barschel ­ Krieg Iran ­ Irak: Aktivitäten des Demel-Besitzers Udo Proksch, des Kurdenabgeordneten ,G' und der südafrikanischen Waffenschmiede ARMSCOR ­ Lukrative Aufträge und Angebote aus der damaligen DDR ­ Millionenauftrag von Südafrika: Auseinandersetzung mit der rigorosen Apartheidpolitik der südafrikanischen Regierung und der zu umgehenden EmbargoPolitik der UNO; Freundschaften mit einem genialen Generalleutnant der SAP (South African Police) und einem brillanten Brigadegeneral der SASF( South African Special Forces); afrikanische Eindrücke und Einflüsse [...]

­ Militärische Einteilung in den Nachrichtendienst der Schweizer Flugwaffe* (FFND = Flieger-Flab-Nachrichtendienst) * heute Luftwaffe ­ Befreiung der IKRK Geiseln X. und Y. [von der GPDel anonymisiert] aus achtmonatiger Geiselhaft in den Händen einer extremen Palästinensergruppe in Sidon (Libanon); herzliche Freundschaft mit Monzer Al-Kassar, dem sagenumwobenen ; beträchtliches Unbehagen der Schweizer Geheimdienste und anderer Amtsstellen über meinen Erfolg, meinen Einfluss und meine Beziehungen ­ Einsatz im heissen Angola auf seiten Südafrikas und der UNITA von Dr. Jonas Savimbi im geheimen chemischen Krieg gegen die FAPLA und deren Verbündete UdSSR, DDR und Kuba

2340

­ ­

­ ­

­ ­ ­

­ ­ ­ ­

­ ­ ­ ­ ­ ­

­ ­

Diamantenschmuggel in Südafrika: Gefangenschaft in Johannesburg; Flucht; ein südafrikanischer Namibia: Ehemalige Feinde der SWAPO (South West Africa People Organization) werden Freunde; Versuch, Honorar-Generalkonsul von Namibia in der Schweiz zu werden; Erfahrungen mit dem Kabinett und einzelnen Ministern; Ankauf einer Farm und die böse Überraschung; Rohdiamanten und die köstlichen Erlebnisse mit deutschen Krieg in Ex-Jugoslawien: Slowenien und Kroatien; Geschäftsgebaren, Tricks und Kniffe eines bekannten englischen Waffenhändlers; ein Israeli als Kapitän eines Schmuggelfrachters; ein englischer Treuhänder und seine treuen Hände Regierungsauftrag von Kroatien: verworrene Geschäfte mit Betrügern aus der Schweiz, Österreich und Tschechien; Tage in Hotelarrest und im Hospital in Zagreb; Auslösung durch einen südafrikanischen General und die fatalen Verstrickungen, die sich daraus ergeben Gnomen von Zürich; die Bank X., Tochter der Y. [von der GPDel anonymisiert]; Bezirksanwaltschaft Zürich und ihre Massnahmen [...]

Entlassung aus dem FFND und Neueinteilung zur Verfügung des Bundesrates (Regierung); Kontakt zu einem alten Kameraden, dem Chef UNA (Unterabteilung Nachrichten und Abwehr = Geheimdienst), Divisionär (Generalmajor) Peter Regli Zerfall der UdSSR: Überschwemmung des europäischen Schwarzmarktes mit uns zum Teil unbekannten Rohstoffen und deren Derivate (OSMIUM / RED MERCURY / CAESIUM / STRONTIUM / IRIDIUM / URANIUM / PLUTONIUM); Reisen nach Moskau mit illustren Kontakten zu ehemaligen KGB-Generälen und hochqualifizierten Wissenschaftlern Arbeitsbesuche an den Drehscheiben Budapest, Prag, Sofia und Wien Stasi: Suche nach angeblich in der Schweiz verschwundenen SED-Milliarden; alte DDR-Seilschaften und ihr internationales Beziehungsnetz Erzwungene Entgegennahme von zehn Kilogramm waffenfähigem Uran 238 und die damit verbundene Katastrophe in meinem an sich schon bewegtem Leben Schweizer Behörden: Bundespolizei, Kantonspolizei Zürich und militärischer Nachrichtendienst belauern und behindern sich gegenseitig zum Schaden des Landes; (Ohn)-Macht des Schweizer Geheimdienstes; Reaktionen des Verteidigungsministers und seines Geheimdienstchefs; wie ich Bauernopfer wurde Flucht vor der Presse quer durch Osteuropa; Absturz der -Cesna in den Bodensee; Verdrehungen
der Schweizer Massenmedien; meine gesellschaftliche Ächtung in Europa, Auswirkungen der Affäre auf Familie, Freunde und Bekannte Verzweiflungstat: Versuch der Beschaffung von TNT in Osteuropa Mittellos mit einem Schuldenberg in Osteuropa überleben Dank der Schweiz an Monzer Al-Kassar und mich für den lebensgefährlichen Einsatz im Libanon [...]

Echte Freunde und solche, die es gemäss schweizerischem Dienstreglement sein sollten [...]

Krieg in Bosnien-Herzegowina: aufgeflogener Waffenschmuggel in Spanien: viel Zeit und Musse im Gefängnis von Alhaurin de la Torre bei Malaga an der Costa del Sol; Offiziere des spanischen Geheimdienstes und der Guardia Civil; ein österreichischer [...]

Rast- und ruheloses Leben zwischen dem blauen Mittelmeer und den schneebedeckten Hügeln des Schwarzwaldes Ein Phantom pflügt die Weltmeere und beflügelt die Phantasien vieler Agenten auf vier Kontinenten [...]».

Im Anschluss an diese Stichworte zeigte sich Jürg Jacomet überzeugt davon, dass «sich aus dieser Fülle an Stoff etwas machen lässt». Er ersuchte deshalb die angeschriebenen Verlage um eine Rückmeldung und machte keinen Hehl daraus, dass er «pleite» sei und «jede Menge Verpflichtungen in der Schweiz und im Ausland» habe.

Es ist bereits einleitend erwähnt worden, dass sich die überwiegende Mehrheit dieser Geschichten mangels weiterführender Hinweise von vornherein einer objektiven 2341

Überprüfung entzog. Es ist deshalb anzunehmen, dass Jürg Jacomet zumindest einen Teil seiner Ausführungen ­ wie beispielsweise den Tod des deutschen Politikers Uwe Barschel, die Aktivitäten des Österreichers Udo Proksch oder den Absturz der Cesna in den Bodensee ­ öffentlich zugänglichen Quellen entnahm. Jedenfalls finden sich in seinen Aufzeichnungen keine Informationen, welche damals nicht allgemein bekannt waren. Ebenso waren die Verhältnisse in den osteuropäischen Ländern nach dem Zerfall der Sowjetunion jedem halbwegs interessierten Medienkonsumenten bekannt; es bedurfte keiner allzu grossen Fantasie, um dazu passende Stichworte über Waffenschmuggel und Schwarzmärkte zu finden.

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass verschiedene Personen aus dem persönlichen Umfeld Jürg Jacomets auch nach dessen Tod einzelne Geschichten weiter kolportieren. Wie die Abklärungen der GPDel gezeigt haben, handelt es sich letztlich bei all diesen «Zeugen» um Zeugen vom Hörensagen; keine einzige der befragten Personen aus dem persönlichen Umfeld Jürg Jacomets war ­ teils trotz entsprechender Ankündigung ­ in der Lage, weiterführende Hinweise zu geben, aussagekräftige Indizien zu nennen oder gar Belege beizubringen. Es ist deshalb anzunehmen, dass letztlich die ganzen Geschichten auf eine einzige Quelle, nämlich auf Jürg Jacomet selbst, zurückzuführen sind.

In Bezug auf die wenigen Schilderungen, bezüglich derer eine objektive Überprüfung überhaupt möglich war, kann belegt werden, dass Jürg Jacomet zum Teil masslos übertrieben, zum Teil ohne Realitätsbezug Behauptungen aufgestellt oder Zusammenhänge hergestellt hat, die nicht existierten. Im Einzelnen kann auf die nachfolgenden Abklärungen verwiesen werden, wobei aber einmal mehr auf den beschränkten Untersuchungsgegenstand der GPDel hinzuweisen ist. Sie hat im Rahmen ihrer Abklärungen nicht allfällige Geschäfte oder Machenschaften von Jürg Jacomet zu überprüfen: Ihre Aufgabe ist es vielmehr allein, das Verhalten von Jürg Jacomet insoweit zu berücksichtigen als es mit dem Schweizer Nachrichtendienst im Zusammenhang stehen könnte.

9.4

Jürg Jacomet als «Waffenhändler»

Es dürfte feststehen, dass sich Jürg Jacomet spätestens seit der Gründung der Intermagnum AG im Jahr 1982 in teils zwielichtigen Kreisen bewegte. Aufgrund der Schilderungen aus seinem privaten Umfeld muss davon ausgegangen werden, dass er über zahlreiche Kontakte verfügte und immer wieder versuchte, in Kriegs- und Krisengebieten seine Geschäfte zu machen. Es muss aber festgehalten werden, dass es Jürg Jacomet trotz seiner vielfältigen Bemühungen offenbar nie gelungen ist, ans grosse Geld zu gelangen. Ansonsten hätte er wohl nicht die letzten Jahre seines Lebens unter den von ihm selbst geschilderten Umständen verbracht. Allein schon diese Tatsache stellt ein gewichtiges Indiz dafür dar, dass es um seine angeblichen Kontakte zu höchsten Regierungsstellen wohl kaum so gut bestellt gewesen sein konnte, wie Jürg Jacomet sein Umfeld glauben zu machen versuchte. Hätte er nur einen kleinen Teil der angeblich getätigten Geschäfte realisiert, wäre Jürg Jacomet weder auf die finanzielle Unterstützung einiger weniger Freunde angewiesen gewesen, noch hätte über die Intermagnum AG der Konkurs eröffnet werden müssen.

Nach der Darstellung seines Neffen soll Jürg Jacomet über die Intermagnum AG Ende der 80er Jahre insbesondere eine grosse Zahl von Jagd- und Sportwaffen nach Südafrika geliefert haben, wobei als Hauptabnehmer die südafrikanische Polizei 2342

aufgetreten sei. Auch der Wahrheitsgehalt dieser Aussage liess sich nicht weiter überprüfen. Mit Ausnahme der diesbezüglich in vielfacher Weise kolportierten Gerüchte liegen jedenfalls keine objektiv überprüfbaren Anhaltspunkte für den behaupteten Waffenhandel mit Südafrika vor. Die Intermagnum AG verfügte zwar über eine Grundbewilligung des Bundes zum Handel mit Kriegsmaterial. Für die Zeit von 1985 bis 1998 liegen jedoch auf ihren Namen nur zwei Ausfuhrbewilligungen nach Südafrika vor; sie betreffen je einen Ordonanzkarabiner zu Sammlerzwecken. Ebenso hat General Lothar Neethling, früherer Chef der Abteilung Kriminalistik der südafrikanischen Polizei, anlässlich seiner Befragung durch die Bundesanwaltschaft im März 2002 erklärt, dass die südafrikanische Polizei nie etwas von Jürg Jacomet oder von der Intermagnum AG gekauft habe.

9.5

Kontakte zum südlichen Afrika

Es steht fest, dass Jürg Jacomet intensive Kontakte zu Südafrika und insbesondere auch zu Vertretern der südafrikanischen Geheimdienste unterhalten hatte. Er selbst rühmt sich in seinem «Tagebuch» des Einsatzes in Angola auf Seiten der UNITA von Jonas Savimbi. Aus seinem persönlichen Umfeld wird weiter geltend gemacht, Jürg Jacomet habe mit Hilfe der südafrikanischen Streitkräfte zahlreiche Flüge in Namibia unternommen und er habe dort auch Honorarkonsul werden wollen. Es ist aber auch die Rede davon, dass sich Jürg Jacomet, versehen mit einer Uniform der südafrikanischen Armee und einem südafrikanischen Pass, im Kriegsgebiet in Angola aufgehalten habe. Die GPDel konnte keine konkreten Anhaltspunkte finden, welche diese Gerüchte hätten bestätigen können. Vielmehr ergaben die durch Vermittlung der Schweizer Botschaft vorgenommen Abklärungen, dass in Südafrika oder Namibia keine polizeilichen Hinweise in Bezug auf Jürg Jacomet vorliegen, und er dort nicht verzeichnet ist. Insbesondere war Jürg Jacomet nach den Angaben der südafrikanischen Behörden nie im Besitz eines südafrikanischen Passes.

Hingegen hatte das Schweizerische Generalkonsulat in Johannesburg46 vermerkt, dass Jürg Jacomet in der Nacht vom 3./4. November 1988 in Südafrika vorübergehend festgenommen wurde, nachdem er bei der illegalen Ausfuhr von Diamanten im Wert von 60 000 Rand (damals ca. Fr. 35 000) ertappt worden war; er wurde aber bereits am 4. November 1988 gegen eine Kaution von 20 000 Rand wieder freigelassen.

9.6

Jürg Jacomet als Quelle der UNA bzw. der UG ND

9.6.1

Ausmass und Art der Zusammenarbeit

Aus dem persönlichen Umfeld von Jürg Jacomet ist immer wieder geltend gemacht worden, dass dieser ein ausgesprochen enges Verhältnis zum Schweizer Nachrichtendienst, insbesondere aber zu Peter Regli, unterhalten habe. So machte etwa der Neffe Jürg Jacomets geltend, er sei überzeugt davon, dass Peter Regli über sämtliche Aktivitäten von Jürg Jacomet bestens im Bild gewesen sei:

46

Aktennotiz des Generalkonsulates Johannesburg vom 7. November 1988, Kennzeichen 211.1-MH/ZB.

2343

«[...] Einmal sah ich einen Fax, den Jürg Jacomet bereits abgeschickt hatte. [...] Es handelte sich um ein Schriftstück mit dem Kopf der Intermagnum AG, worauf mit Schreibmaschine eine Art Protokoll oder Rapport abgefasst war. Es stand in einer Sprache, wie ich sie eher dem Militär oder der Polizei zuordnen würde [...], dass ihn heute ein Mann besucht habe und der habe ihm 14 echte französische Pässe zum Kauf angeboten. Er habe sogar offeriert, noch mehr von diesen Pässen liefern zu können.

Als Überschrift stand ­ für mich war klar, dass Peter Regli diesen Fax erhalten hatte. Ich habe später Jürg Jacomet darauf angesprochen. Er bestätigte mir, dass er in dieser Form täglich oder zumindest regelmässig an Peter Regli rapportiere über gewisse Vorkommnisse [...]»

Dieser singulären Aussage stehen die von der GPDel erhobenen Fakten entgegen.

Die GPDel hatte der Direktion SND u.a. folgende Fragen zur schriftlichen Beantwortung unterbreitet: «Welche konkreten Informationen hat Jürg Jacomet der UG ND zukommen lassen?

Wurden ihm von der UG ND konkrete Informationsbeschaffungsaufträge erteilt? In welcher Form hat er seine Informationen übermittelt? Existieren darüber schriftliche Unterlagen? Wie wurden die erhaltenen Informationen weiter bearbeitet? Welchen konkreten Nutzen hat die UG ND aus den von Jürg Jacomet erhaltenen Informationen gehabt?»

Die diesbezügliche Antwort der Direktion SND lautete wie folgt: «Nach dem Kenntnisstand des heutigen Kaders wurden J. Jacomet weder [von der Sektion Beschaffung] noch [von der Sektion Auswertung] Aufträge erteilt noch war man mit ihm in Kontakt. Dies schliesst jedoch nicht aus, dass von Personen, die heute nicht mehr beim SND arbeiten, Aufträge an ihn erteilt wurden.»

Im gleichen Sinn äusserte sich auch die Luftwaffe: «In der Luftwaffe bestehen aufgrund der Aktenlage keine Hinweise oder Informationen, dass J. Jacomet an Auslandreisen von Angehörigen der Luftwaffe teilgenommen hat».

Bei den (noch vorhandenen) Unterlagen der Direktion SND findet sich kein einziges Schriftstück, welches einen Kontakt zwischen Peter Regli und Jürg Jacomet dokumentiert. Lediglich aus dem persönlichen Umfeld von Jürg Jacomet stammt eine handschriftliche, vom 21. Februar 1990 datierte Karte mit folgendem Inhalt: «Lieber Jürg Danke für Deine Mitteilung. Sie hat um 21.35 den Adressaten erreicht!

Mit kameradschaftlichen Grüssen Pietro»

Die von der GPDel angehörten Sekretärinnen aus dem Vorzimmer von Peter Regli führten übereinstimmend aus, dass gelegentlich Telefonanrufe von Jürg Jacomet eingegangen seien. Im Übrigen sei es möglich, dass sie Jürg Jacomet, der gar nicht in das Bild der anderen Besucher gepasst habe, ein- oder zweimal an der Loge abgeholt hätten; an einen regen Faxverkehr konnten sie sich aber nicht erinnern.

Der heutige Direktor des SND und damalige Chef der Sektion Beschaffung legte gegenüber der GPDel dar, dass er nie eine Aktennotiz über Gespräche zwischen Peter Regli und Jürg Jacomet gesehen habe. Es seien ihm aber auch sonst keine Informationen innerhalb des Dienstes bekannt, welche auf Jürg Jacomet zurückzuführen gewesen wären.

Der für das südliche Afrika zuständige Sachbearbeiter der Sektion Auswertung gab auf die Frage nach Jürg Jacomet zu Protokoll: 2344

«Ja, er war auch in dieser Institution tätig. Ich kannte ihn aber nur dem Namen nach und sah ihn nie persönlich.»

Er verneinte aber ausdrücklich, je Informationen oder Unterlagen erhalten zu haben, welche auf Jürg Jacomet hingedeutet hätten. Allerdings könne er auch nicht ausschliessen, dass allenfalls Informationen über seine Chefs zu ihm gelangt sein könnten, welche letztlich von Jürg Jacomet hätten stammen können.

Der ehemalige Chef der Sektion Auswertung führte anlässlich seiner Anhörung durch die GPDel aus, Peter Regli habe zwei, drei Informanten ­ unter ihnen auch Jürg Jacomet ­ gehabt, über die er nie Auskunft gegeben und von denen er z.T.

richtige, z.T. falsche Informationen erhalten habe. Ohne saubere Unterlagen könnten die erlangten Informationen aber weder bestätigt noch widerlegt werden.

Schliesslich bestätigte auch der Nachfolger Peter Reglis in dessen Funktion als Chef des FFND, dass Jürg Jacomet nicht viel gebracht habe.

Peter Regli selbst hatte die Bedeutung Jürg Jacomets für den Nachrichtendienst in zunehmendem Mass heruntergespielt. Während er Jürg Jacomet im Verlauf der diversen Untersuchungen anfänglich noch in den höchsten Tönen lobte und dessen Verdienste für den Nachrichtendienst hervorstrich, distanziert er sich heute vollumfänglich von ihm. So gab Peter Regli 1993 zur Zeit der Uran-Affäre (vgl. Ziff. 9.7) anlässlich seiner Einvernahme durch die Bundesanwaltschaft noch zu Protokoll: «[...] Ich darf hier bestätigen, dass seine (Jacomets) Schilderungen für unseren Dienst zum Teil von grossem Wert waren. Diese regelmässigen Schilderungen (ein bis zwei Male pro Jahr) führten dazu, dass sich zwischen uns ein gewisses Vertrauensverhältnis entwickelte. Damit erklärt sich, weshalb sich Herr Jacomet in der Uran-Angelegenheit an mich gewandt hat. [...]

[...] Dieser Vorhalt trifft insofern zu, als die nachrichtendienstliche Tätigkeit des Hr. Jacomet auch ein wichtiger Grund war, weshalb wir uns zur anonymen Deponierung entschlossen. Es war jedoch nicht der Hauptgrund. Dieser bestand darin, die körperliche Integrität meines Gesprächpartners zu gewährleisten. [...]

[...] Es ist mir ein Anliegen an dieser Stelle festzuhalten, dass ich bis heute, das heisst bis zum Zeitpunkt bevor dieser Uranfall bekannt wurde, nie irgendwelchen Anlass hatte, an der Loyalität von Herrn Jacomet gegenüber unserem Staat und seiner Landesverteidigung zu zweifeln [...]».

Im gleichen Sinn äusserte sich Peter Regli auch noch anlässlich seiner Anhörung durch die GPDel am 21. Januar 1994. Er machte dort geltend, dass er zwischen Informanten des Nachrichtendienstes und eigentlichen Quellen unterscheiden möchte. Während Informanten lediglich punktuelle Informationen liefern, die einfach entgegengenommen würden, handle es sich bei der (permanenten) Quelle um jemanden, der die Nachrichtenbedürfnisse des Dienstes kenne und der beauftragt werden könne, gewisse Informationen zu beschaffen. «Herr Jacomet hatte hier eine Zwischenstellung; sein Status ging über den eines Informanten hinaus». Während Peter Regli schon anlässlich der Untersuchungen der GPDel im Jahr 1999 die Bedeutung von Jürg Jacomet weitgehend heruntergespielt hatte, gab er im Rahmen der laufenden Abklärung relativ kleinlaut zu Protokoll: «Hervorragendes hat er meinem Erinnerungsvermögen nach nicht geliefert». Auch konnte er sich nicht an Informationen erinnern, die der UNA bzw. der UG ND einen konkreten Nutzen gebracht hätten. Vielmehr legte Peter Regli heute Wert darauf, dass es sich bei Jürg Jacomet nicht um eine offizielle Quelle gehandelt habe, dieser nie für seine Informationen entschädigt worden sei und auch nie einen konkreten Auftrag erhalten habe. Dessen Informationen seien allenfalls zu Beginn interessant erschienen; beim Versuch, diese 2345

zu vertiefen, oder in der Erwartung, weiterführende Informationen zu erhalten, sei er jedoch hie und da enttäuscht worden.

9.6.2

Einschätzung der Kontakte Jürg Jacomets innerhalb der UNA bzw. der UG ND und des EDA

Jürg Jacomet genoss innerhalb der UNA bzw. der UG ND einen ausgesprochen schlechten Ruf. So führte etwa der ehemalige Chef der Sektion Auswertung aus, Jürg Jacomet sei «ein durchtriebener Waffenhändler, wie er im Buch steht» gewesen. Er habe dem Dienst nichts gebracht, «was wir nicht selbst oder von den Engländern oder Amerikanern wussten»: «[...] Auf Anfragen ausländischer Nachrichtendienste, ob uns so ein Herr (Jacomet) bekannt sei, haben wir anhand eines unter Nachrichtendiensten geltenden Bewertungsschemas (1­6) immer sauber geantwortet: Er sei unzuverlässig und mit Vorsicht zu behandeln; Hr. Jacomet bewege sich immer in den Bereichen 5 und 6».

Bei den Mitarbeitern der UG ND bestand denn auch kein Zweifel, dass die Kontakte zwischen Peter Regli und Jürg Jacomet höchst fragwürdig und für das Ansehen des Dienstes nachteilig waren. Der damalige Vorsteher des EMD hatte unmittelbar nach der Uran-Affäre anlässlich seiner damaligen Anhörung durch die GPDel das Fazit gezogen: «Der Chef ND führt selber keine Quellen.» Auch der damalige Chef der Sektion Beschaffung legte im Rahmen der laufenden Abklärungen vor der GPDel dar, er sei immer der Ansicht gewesen, dass es gefährlich sei, wenn der Chef eines Nachrichtendienstes eigene Quellen führe. Er habe dies mit Peter Regli auch hie und da besprochen; die direkte Führung einer Quelle durch den Chef sei für diesen immer gefährlich. «Waffenhändler in Armeestäben» würden immer eine Gefahr darstellen. Das wenige, was er wisse, deute darauf hin, dass Jürg Jacomet Peter Regli schamlos ausgenutzt habe, «indem er sich als Mitarbeiter der UNA bzw. der UG ND ausgab oder durchblicken liess, er sei Mitarbeiter des militärischen Nachrichtendienstes, so dass man das annehmen musste». Dies sei insbesondere auch bei Wouter Basson der Fall gewesen, «der wirklich meinte, Hr. Jacomet sei eng mit dem Dienst verflochten». Dass aber Jürg Jacomet von den Südafrikanern geführt worden sein könnte, lasse sich ausschliessen; «weil er auch die Südafrikaner mit Geschäften betrog ­ schamlos. Er handelte für seinen eigenen Profit». Der Nachrichtendienst habe verschiedentlich versucht, Gegensteuer zu geben. Die Tatsache, dass sich Jürg Jacomet als Mitarbeiter der UNA bzw. der UG ND ausgegeben habe, sei auch einer der Punkte gewesen, «weshalb ich meinen Chef darauf aufmerksam machte, das gehe nicht». Peter Regli habe ihm zur Antwort gegeben, «er wolle das aus der Welt schaffen». Diese Diskussion habe sicher schon 1990 oder 1991 stattgefunden.

Noch deutlicher wurde der damalige Chef der Abteilung SND: «[...] Ich habe in der Zeit mit meinem Chef gelernt, ihm etwas nur drei Mal, nicht aber ein viertes Mal zu sagen, weil das keinen Zweck mehr hatte. [...] Aufgrund von anderweitigem Informationsaufkommen sagten wir Hrn. Regli, Hr. Jacomets Kontakte könnten dem Dienst vielleicht einmal schaden. Dabei ist es geblieben [...]».

2346

Ein ehemaliger Mitarbeiter der UG ND gab gegenüber der GPDel eine geradezu vernichtende Einschätzung der Kontakte von Peter Regli und Jürg Jacomet zu Protokoll: «[...] Hr. Regli hatte eine Quelle (Hrn. Jürg Jacomet), die ihn in die grosse gefährliche Welt des Nachrichtendienstes . Er war Kamerad aus der Offiziersschule und Offizier der Luftwaffe und bewegte sich in den wirklich interessanten Kreisen. Hr.

Regli nahm ihn vom FFND in den SND mit ­ der erste massive Fehler. [...] Solche Kontakte sind falsch, weil Aktionen mit zwielichtigen Figuren den Eindruck erwecken, dass diese durch den Dienst offiziell gedeckt werden. [...]».

Erstaunlicherweise verfügte aber offenbar auch das EDA bereits anfangs der 90er Jahre über Informationen zur Person von Jürg Jacomet, welche auch Peter Regli hätten bekannt sein müssen. Im Zusammenhang mit Aktivitäten Jürg Jacomets in Namibia (vgl. Ziff. 10.5.3.2) hatte sich unser dortiges Generalkonsulat in Bern nach den Hintergründen der Intermagnum AG erkundigt. Die Politische Abteilung II des EDA verwies in ihrer Antwort vom 29. August 1990 auf verschiedene Presseartikel, die im Zusammenhang mit der Befreiung der beiden IKRK-Geiseln im Libanon (vgl. Ziff. 9.9) erschienen waren. Abschliessend wurde zur Person von Jürg Jacomet festgehalten: «Es handelt sich um einen Abenteurer, der den Sinn für Realität leicht verliert. Er ist wirklich nicht empfehlenswert»47. Weshalb Peter Regli diese zu jenem Zeitpunkt bereits öffentlich bekannten und in der Presse geschilderten Fakten und Einschätzungen zur Person Jürg Jacomets nicht zur Kenntnis nahm, erscheint unverständlich.

Der bereits zitierte ehemalige Mitarbeiter der UG ND zeigte sich gegenüber der GPDel im Weitern überzeugt davon, dass zumindest einzelne Exponenten des südafrikanischen Geheimdienstes «wirklich überzeugt» davon gewesen seien, dass Jürg Jacomet für den Schweizer Nachrichtendienst gearbeitet habe. «Das zeigen die letzten Aussagen von Hrn. Basson sonnenklar!» Im gleichen Sinn äusserte sich auch der südafrikanische Staatsanwalt Anton Ackermann. Dieser verwies ebenfalls auf die Aussagen von Wouter Basson, der im Prozess in Südafrika die Aussage gemacht hatte, bei Jürg Jacomet handle es sich um einen Hauptmann oder Major des schweizerischen Nachrichtendienstes.

Peter Regli hatte schon im Jahr 1999 geltend gemacht, dass er erst im Verlauf der diversen Untersuchungen Mitte der 90er Jahre erfahren habe, dass sich Jürg Jacomet als Agent des Schweizer Nachrichtendienstes ausgegeben habe. Konfrontiert mit den Aussagen seiner ehemaligen Untergebenen, räumte er dann im Rahmen der laufenden Untersuchung ein, es sei «möglich», dass er vom damaligen Chef der Sektion Auswertung gewarnt worden sei. Er stehe heute dazu, dass sein Vertrauen in einen ehemaligen Dienstkameraden missbraucht worden sei.

Die Beziehungen zwischen Jürg Jacomet und dem Schweizer Nachrichtendienst geben in verschiedener Hinsicht zu Bemerkungen Anlass. Aufgrund der Abklärungen
der GPDel steht fest, dass Jürg Jacomet zwar nicht Mitarbeiter der UNA bzw.

UG ND war, sich aber zweifellos öfters als solcher ausgegeben hatte. Die besondere Nähe zu Peter Regli erlaubte es ihm ohne Weiteres, seinen diesbezüglichen Behauptungen eine erhöhte Glaubwürdigkeit zu verleihen. Er schien in der Lage, beim obersten Chef des Nachrichtendienstes Höflichkeitsbesuche für Exponenten auslän47

Telex der Politischen Abteilung II an das Schweizer Generalkonsulat in Windhoek, vom 29. August 1990 (Übersetzung aus dem Französischen: «Il s'agit d'un aventurier qui perd facilement le sens des réalités. Il n'est vraiment pas quelqu'un de recommandable»).

2347

discher Armeestäbe zu arrangieren (vgl. Ziff. 10.4.2), gemeinsame Besprechungen mit zwielichtigen Figuren im Dunstkreis von Geheimdiensten abzuhalten (vgl.

Ziff. 9.8); und gelegentlich gelang es ihm offenbar auch, mit einem einzigen Telefon an den USC ND verschlossene Türen für seine Freunde oder Geschäftspartner zu öffnen (vgl. Ziff. 10.5.1).

Für die GPDel kann deshalb auch kein Zweifel bestehen, dass Wouter Basson der festen Überzeugung war, bei Jürg Jacomet handle es sich um einen Mitarbeiter und damit um einen offiziellen Repräsentanten des Schweizer Nachrichtendienstes.

Gerade der gegen Wouter Basson in Südafrika geführte Prozess (vgl. dazu Ziff. 10.2) zeigt mit aller Deutlichkeit die geradezu verheerenden Konsequenzen auf, die damit für das Ansehen der Schweiz und insbesondere ihrer Nachrichtendienste verbunden sind (vgl. Ziff. 10.4.1). Sie geraten ­ wenn auch unberechtigterweise ­ in Gefahr mit den Aktivitäten einer derart schillernden Figur wie Jürg Jacomet identifiziert zu werden. Die geäusserten Mutmassungen über eine Mitwirkung von Exponenten des schweizerischen Nachrichtendienstes am südafrikanischen Geheimprojekt «Coast» sind denn auch weitgehend darauf zurückzuführen, dass sich Peter Regli mit Personen wie Jürg Jacomet umgeben und es offensichtlich nicht geschafft hat, die nötige Distanz zu wahren.

Um so unverständlicher erscheint es deshalb der GPDel, dass Peter Regli nicht auf seine Mitarbeiter innerhalb der UNA bzw. der UG ND gehört und bis Herbst 1993 Jürg Jacomet praktisch blind vertraut hat. Es wirft ein schlechtes Licht auf den obersten Chef eines Nachrichtendienstes, wenn er trotz klarer Anzeichen und zahlreichster Warnungen nicht erkennt oder nicht erkennen will, dass er selbst, aber auch der ihm anvertraute Dienst während Jahren von einem vermeintlichen Informanten für eigene Zwecke missbraucht wird. Für ein derart unprofessionelles Verhalten, das dem Ansehen des Landes schwer geschadet hat, kann die GPDel keine Erklärung finden.

9.7

Uranfund Kemptthal

Jürg Jacomet war im September 1993 in den Besitz von rund 10 kg schwach radioaktivem Natururan («yellow cake») gelangt. Wie Jürg Jacomet seinerzeit geltend gemacht hatte, soll eines Tages ein ihm unbekannter Russe in seinem Büro erschienen sein. Dieser habe ihm erklärt: «Du Geheimdienst und kaufen sofort oder ich vergraben in Wald oder werfen in Fluss». Der unbekannte Russe habe offenbar zu einer Gruppe von Russen, Ukrainern, Irakis und anderen gehört, welche seit längerer Zeit erfolglos versucht habe, das Uran in der Schweiz zu verkaufen. Es sei ihm dann schliesslich gelungen, den Russen dazu zu überreden, ihm das Material zu übergeben, damit es nicht in falsche Hände gerate und fachgerecht entsorgt werde.

Der Wahrheitsgehalt der Aussagen von Jürg Jacomet konnte nicht überprüft werden; hingegen wurde nachträglich festgestellt, dass sich im fraglichen Zeitraum ein dänischer Staatsbürger namens Henrik Thomsen (vgl. Ziff. 9.8) öfters im Büro der Intermagnum AG in Rümlang aufgehalten hatte.

In der Folge suchte Jürg Jacomet am 21. September 1993 Peter Regli in dessen Büro im Bundeshaus in Bern auf und bat ihn um Rat. Die beiden einigten sich darauf, die Polizei für die Entsorgung des Urans einzuschalten, wobei aber die Identität von Jürg Jacomet geheim gehalten werden sollte. Anschliessend setzte sich Peter Regli 2348

mit dem früheren Stabschef der Kantonspolizei Zürich in Verbindung. Mit diesem vereinbarte er, dass das Uran an einem leicht auffindbaren Ort deponiert und nach erfolgter Aktion ein anonymer Telefonanruf an die Kantonspolizei Zürich erfolgen sollte. Am 24. September gab der frühere Stabschef der Kantonspolizei Zürich Peter Regli die Telefonnummer bekannt, über welche die Aktion gestartet werden sollte; dieser leitete sie umgehend an Jürg Jacomet weiter.

Am 28. September 1993 deponierte Jürg Jacomet eine Sporttasche mit rund 10 kg schwach radioaktivem Natururan auf dem Autobahnrastplatz Kemptthal Süd. Er telefonierte auf die ihm angegebene Direktwahlnummer der Kantonspolizei Zürich, gab sich als Armeeoffizier aus und machte geltend, dass er atomaren Schrott und Uran-238 sichergestellt habe, welchen er nun Fachleuten übergeben wolle. Die Kantonspolizei Zürich rückte in der Folge zur Autobahnraststätte Kemptthal aus und stellte dort die von Jürg Jacomet deponierte Sporttasche Uran sicher. Eine Gefährdung von Personen in der näheren Umgebung der Fundstelle hatte nie bestanden. In einem Analysebericht des Paul Scherrer Instituts vom 1. Oktober 1993 wurde das aufgefundene Material als sehr reines Uran mit natürlicher Isotopenzusammensetzung bezeichnet.

Die Identität von Jürg Jacomet wurde bekannt, weil seine Stimme auf der Bandaufnahme des anonymen Anrufs von einem Beamten der Kantonspolizei Zürich erkannt worden war. Die Bundesanwaltschaft eröffnete in der Folge wegen des Verdachts auf Widerhandlung gegen das Atomgesetz ein gerichtspolizeiliches Ermittlungsverfahren gegen Jürg Jacomet, in dessen Verlauf u.a. auch Peter Regli als Auskunftsperson befragt wurde. Das Verfahren wurde von der Bundesanwaltschaft am 6. Dezember 1993 zur weiteren Verfolgung und Bestrafung den Behörden des Kantons Zürich übertragen. Das Statthalteramt Pfäffikon (Kanton Zürich) sprach Jürg Jacomet mit Bussenverfügung vom 27. Dezember 1994 der Widerhandlung gegen das Atomgesetz, einer Übertretung, schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 1000.­. Nachdem Jürg Jacomet zur Aufenthaltsnachforschung ausgeschrieben worden war, konnte ihm die Bussenverfügung am 9. Oktober 1995 bei seiner Einreise in Koblenz (Kanton Aargau) ausgehändigt werden. Nach erfolgter Einsprache wurde die Bussenverfügung wegen der inzwischen eingetretenen
absoluten Verfolgungsverjährung am 19. Oktober 1995 aufgehoben.

Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung konnte zusätzlich abgeklärt werden, dass Peter Regli relativ kurze Zeit nach dem Uranfund einem Mitarbeiter der Sektion Beschaffung den Auftrag erteilt hatte, den aktuellen Aufenthaltsort von Jürg Jacomet zu eruieren. Der ehemalige Chef der Sektion Auswertung gab gegenüber der GPDel zu Protokoll: «[...] Hätte mir Hr. Regli die Urangeschichte erzählt, wäre sie anders herausgekommen. Ich hätte sie wahrscheinlich anders erledigt [...] sauber.»

Gestützt auf das «Tagebuch» von Jürg Jacomet war in Journalistenkreisen die Rede davon, dass es sich beim Uranfund in Kemptthal lediglich um einen Teil einer grösseren Menge Uran gehandelt habe. Zusätzlich sollen rund 60 kg Uran auf einem Grundstück in Bassersdorf (Kanton Zürich) vergraben worden sein. Das fragliche Grundstück war jedoch nach Darstellung eines Journalisten bereits damals abgesucht worden, wobei sich «ausser ein paar rostigen Nägeln» nichts finden liess. Zusätzliche Erkenntnisse konnten auch von der GPDel nicht erlangt werden.

2349

9.8

Henrik Thomsen

In den Medien war die Rede davon, dass Peter Regli anfangs der 90er Jahre durch Vermittlung von Jürg Jacomet den dänischen Staatsbürger Henrik Thomsen, der sich als Geheimagent ausgab, beauftragt haben soll, Informationen aus der Ukraine zu besorgen. Zu diesem Zweck habe Peter Regli Jürg Jacomet eine Liste mit konkreten Themen übergeben, welche die Ukraine betreffen und zu denen Henrik Thomsen Abklärungen treffen sollte. Dabei habe es sich u.a. um Fragen nach der Sicherheit von ukrainischen Atomkraftwerken, nach der von der Ukraine ausgehenden Bedrohung durch Atomwaffen und generell nach der politischen und militärischen Situation in der Ukraine gehandelt. Für den Fall, dass Henrik Thomsen in Schwierigkeiten gerate, sei ihm von Peter Regli in Aussicht gestellt worden, dass man ihn mit zwei Schweizer Pässen ausrüsten werde.

Ein Journalist hatte in diesem Zusammenhang bereits am 13. Mai 1994 dem Informationsdienst des EMD diverse Fragen unterbreitet. Peter Regli nahm dazu am 19. Mai 1994 zuhanden des damaligen Präsidenten der GPDel Stellung und führte aus, es treffe zu, dass Jürg Jacomet ihm einen Herrn Thomsen als «Kenner der Lage bezüglich Nuklearwaffen und Kernkraftwerke in der Ukraine» vorgestellt habe. Mit Henrik Thomsen hätten zwei Gespräche stattgefunden, wobei er Jürg Jacomet nach dem ersten Treffen konkrete Fragen für Henrik Thomsen übergeben habe. Der Wert der erhaltenen Informationen sei jedoch sehr gering gewesen. Es seien Henrik Thomsen weder Zahlungen in Aussicht gestellt worden, noch sei von einer allfälligen Ausstattung mit Schweizer Pässen die Rede gewesen. Seit dem zweiten Treffen im Juli 1993 bestehe kein Kontakt mehr zu Henrik Thomsen.

Die Abklärungen der GPDel ergaben, dass an einem der beiden Treffen mit Jürg Jacomet und Henrik Thomsen (vermutlich fand dieses am 8. März 1993 statt) auch der damalige Chef der Abteilung SND anwesend war. Wie dieser vor der GPDel ausführte, soll sich Henrik Thomsen als ehemaliger Mitarbeiter des dänischen Nachrichtendienstes (was ohnehin nicht zugetroffen habe) ausgegeben haben. Er sei zu diesem Treffen zugezogen worden, weil Jürg Jacomet offenbar Henrik Thomsen als Informanten des Schweizer Nachrichtendienstes habe andienen wollen; nach dessen Aussagen sollte Henrik Thomsen Zugang zu Unternehmen in der Ukraine gehabt haben, welche strategische
Raketen hergestellt hätten. Sie selbst seien an den neuesten SS-24 und SS-25 interessiert gewesen; davon habe aber Henrik Thomsen «keine Ahnung» gehabt. Dieser habe etwas von den SS-12 und SS-13 «geschwafelt», die dem Dienst bekannt gewesen seien, und sie nicht näher interessiert hätten.

Im Verlauf dieser Unterredung mit Henrik Thomsen habe Jürg Jacomet zunächst Peter Regli auf den Gang gebeten, um mit diesem etwas Internes zu besprechen.

Anschliessend habe Peter Regli mit ihm (Chef der Abteilung SND) eine Besprechung in Abwesenheit der beiden anderen Beteiligten gewünscht. Peter Regli habe ihm auf dem Gang erklärt, dass er zu aggressiv frage und von Henrik Thomsen gar viel wissen wolle. Er habe daraufhin Peter Regli zur Antwort gegeben, die Sache sei für ihn damit gelaufen. Für ihn sei die Quelle «sehr dubios und schon vom Aussehen her ein halber Gauner» gewesen. Er habe aber verstanden, dass Jürg Jacomet offenbar bei Peter Regli wegen seines Verhaltens interveniert habe. «Das ist alles, was ich dazu zu sagen habe».

Peter Regli legte vor der GPDel dar, dass er über Jürg Jacomet in Kontakt mit Henrik Thomsen gekommen sei. Es sei die Rede davon gewesen, dass dieser über beste Kontakte zur Ukraine verfüge und Informationen über die Nuklearrüstung und den 2350

Zustand der nuklearen Waffen in der Ukraine geben könne. Ein erstes Treffen in seinem Büro habe in Anwesenheit des damaligen Chefs der Abteilung SND stattgefunden. Sie hätten Henrik Thomsen angehört und ihn gebeten, nochmals vorbeizukommen, damit sie ihm konkrete Fragen unterbreiten könnten. Für dieses zweite Treffen habe er einen Mitarbeiter beigezogen, der sich mit der Proliferation und mit nuklearen Mittel beschäftigt habe. Dieser habe eine Liste mit Fragen erstellt, wobei sie die Hälfte der Antworten bereits gekannt hätten, weil sie auch Fangfragen eingebaut hätten. Von einer Bezahlung sei nie die Rede gewesen; Jürg Jacomet habe vielmehr betont, dass Henrik Thomsen seinen Beitrag aus eigener Initiative leiste; falls er in der Ukraine Probleme bekommen sollte, wäre er jedoch dankbar für die Übermittlung eines Schweizer Passes. Auf dies hin habe er (P.R.) Jürg Jacomet die Standardantwort gegeben, wonach es nicht in der Kompetenz des Nachrichtendienstes liege, Schweizer Pässe auszuhändigen. Darnach hätten sie von Henrik Thomsen nichts mehr gehört.

Zur Person von Henrik Thomsen hatte sich auch Wouter Basson anlässlich seiner Festnahme in Zürich (vgl. dazu Ziff. 10.3.5) geäussert. Er machte geltend, dass ihm Henrik Thomsen im Frühjahr 1993 von Jürg Jacomet vorgestellt worden sei. Jürg Jacomet sei es damals ausgesprochen schlecht gegangen; er habe einen verwahrlosten Eindruck gemacht und sei nicht mehr in der Lage gewesen, Entscheidungen selbst zu treffen. Zu jener Zeit habe sich Henrik Thomsen praktisch dauernd im Büro von Jürg Jacomet aufgehalten; dieser habe denn auch weitgehend die Entscheidungen gefällt und den Tagesablauf von Jürg Jacomet im Griff gehabt.

Henrik Thomsen ist bei der Bundespolizei im Zusammenhang mit Nonproliferation, Nachrichtendienst und Waffenhandel verzeichnet. Einer vertraulichen Aktennotiz der Schweizer Botschaft in Stockholm vom 10. August 1994 kann entnommen werden, dass Henrik Thomsen am 2. August 1994 den schweizerischen Verteidigungsattaché nach entsprechender telefonischer Voranmeldung aufgesucht hatte.

Anlässlich dieser Unterredung machte Henrik Thomsen geltend, er kenne den USC ND von mindestens zwei Besuchen in Bern und habe von diesem die Erlaubnis erhalten, mit jedem schweizerischen Verteidigungsattaché Kontakt aufzunehmen.

Wie der schweizerische Verteidigungsattaché
in Stockholm weiter ausführte, konnte er den Ausführungen Henrik Thomsens nur bruchstückhaft folgen. Dieser habe von Kontakten zu Jürg Jacomet gesprochen und von einem Versprechen, das er nicht habe halten können; schuld daran sei aber Jürg Jacomet; er selbst habe sich nichts zuschulden kommen lassen. Nachdem sich der Verteidigungsattaché nach dem Grund des Besuchs erkundigt hatte, habe Henrik Thomsen geltend gemacht, dass ihm der USC ND untersagt habe, mit ihm weitere Kontakte zu pflegen; darum versuche er nun über einen Verteidigungsattaché wieder in Kontakt zum USC ND zu treten. Er verfüge über ausgesprochen wichtige Informationen zur Situation in der Ukraine, die der USC ND unbedingt wissen müsse. Nachdem dann der Verteidigungsattaché mit der UG ND Rücksprache genommen hatte, teilte er Henrik Thomsen am 10. August 1994 mit, dass er den USC ND über das Gespräch informiert habe und dieser auf weitere Kontakte verzichte.

In einem Schreiben an den Untersuchungsbeauftragten VBS vom 8. September 2002 teilte Henrik Thomsen mit, dass er über keine Dokumente mehr verfüge, da diese aus Sicherheitsgründen vernichtet worden seien, und er gezwungen gewesen sei, die Schweiz eilig zu verlassen. Auch sei er nicht in der Lage, weitere Namen von Personen zu nennen, die Jürg Jacomet im Zusammenhang mit seiner Mission in Moskau getroffen habe.

2351

Aufgrund der gesamten Umstände misst die GPDel den Aussagen von Henrik Thomsen keine hohe Glaubwürdigkeit bei. Nachdem er nach seinen eigenen Aussagen weder in der Lage ist, seine Behauptungen mit Belegen zu dokumentieren noch Namen möglicher Auskunftspersonen zu nennen, erachtet es die GPDel als unnütz, diesbezüglich weitere Abklärungen zu tätigen.

9.9

IKRK-Geiseln im Libanon

Jürg Jacomet hatte verschiedentlich behauptet, er sei wesentlich an der Befreiung von zwei IKRK-Mitarbeitern, welche anfangs der 90er Jahre im Libanon als Geiseln entführt worden waren, beteiligt gewesen. Der Anfrage eines Journalisten an den Informationsdienst des EDA vom 14. August 1990 kann entnommen werden, dass sich Jürg Jacomet in diesem Zusammenhang vom 24. bis 28. Mai 1990 in Sidon aufgehalten haben soll. Nach Jacomets Aussagen seien für diese private Reise «gewisse Vorbereitungen mit dem EDA getroffen» worden. Jürg Jacomet wolle bei dieser Mission, die allerdings gescheitert sei, «eine Superunterstützung» von Swissair, EDA und IKRK gehabt und drei Millionen US$ (ca. 4,5 Mio. Fr.) mitgenommen haben. Das EDA dementierte diese Aussagen am 15. August 1990. In der «WochenZeitung (WoZ)» vom 17. August 1990 erschien dann unter dem Titel «Waffenhändler als selbsternannte Geiselbefreier»48 eine entsprechende Reportage.

Die GPDel hat die entsprechenden Unterlagen des EDA beigezogen. Aus einer Aktennotiz des damaligen Generalsekretärs an den Departementsvorsteher des EDA ergibt sich, dass der damalige Chef des FFND anlässlich einer internen Besprechung vom 9. März 1990 eine auswärtige Quelle erwähnte, welche bei der Befreiung der Geiseln allenfalls behilflich sein könnte. In der Folge kam es am 11. März 1990 zu einem Treffen zwischen Vertretern des EDA einerseits sowie Jürg Jacomet und einem britischen Staatsangehörigen andererseits. Der Begleiter von Jürg Jacomet machte geltend, er sei mit dem Syrier Monzer Al Kassar (Al Kassar) eng befreundet.

Dieser soll schon bei der Freilassung französischer und englischer Geiseln mitgewirkt haben. Al Kassar sei an einem Schweizerpass für sich und seine Familie interessiert; und er soll bereit sein, mit dem englischen Staatsangehörigen und einem schweizerischen Geschäftsmann von Damaskus nach Beirut zu reisen, um dort die Freilassung der beiden schweizerischen Geiseln zu erwirken; eine Mitwirkung von Jürg Jacomet bei der Befreiungsaktion sei erwünscht. Die Aussagen wurden vom EDA zur Kenntnis genommen; bereits am folgenden Tag wurde «Abbruch der Übung» unter Mitteilung an den englischen Staatsangehörigen und an Jürg Jacomet beschlossen.

Der damalige Chef des FFND führte anlässlich seiner Anhörung durch die GPDel aus, dass auch diese Geschichte eine Folge von
Erbschaften sei; «eine solche Erbschaft war Hr. Jacomet, Nachrichtenoffizier bei der Luftwaffe». Als Jürg Jacomet mit dieser Geschichte zum FFND gekommen sei, habe er ihn an das EDA verwiesen; damit sei für ihn die Angelegenheit erledigt gewesen.

48

Frischknecht, Jürg, «Waffenhändler als selbsternannte Geiselbefreier ­ Verschobener Lösegeldkrimi», in: Wochenzeitung, 17. August 1990. Vgl. Auch dazu Schweizer Illustrierte vom 20. August 1990, Nr 34, S. 19.

2352

10

Projekt «Coast» und Wouter Basson

10.1

Beschränkung des Untersuchungsgegenstands

Südafrika unterhielt seit 1982 ein Projekt namens «Coast», welches sich mit den verschiedensten Aspekten der biologisch-chemischen Kriegsführung befasste. Es war vom seinerzeitigen südafrikanischen Verteidigungsminister General Magnus Malan 1981 initiiert worden und stand seit 1988 unter der formellen Leitung von General Niel Knobel, dem obersten Stabsarzt der Streitkräfte Südafrikas. Federführend war indessen Wouter Basson, der als leitender Direktor weitgehend selbständig, wenn nicht gar ausschliesslich, über Organisation und Einzelheiten des Programms entschied. Zum Projekt «Coast» zählten u.a. auch die zwei Scheinfirmen «Delta G Scientific (Pty) Ltd» (Chemie) und «Roodeplaat Laboratories (Pty) Ltd» (Biologie); daneben wurde ein ganzes Konglomerat von sogenannten Frontorganisationen aufgebaut. Finanziert wurde das Projekt aus einem geheimen Spezialkonto der südafrikanischen Armee. Das Projekt wurde nach der Einleitung des Demokratisierungsprozesses im Jahr 1993 eingestellt.

Das Projekt «Coast» wurde unter grösster Geheimhaltung betrieben; Umfang und Hintergründe blieben bis anfangs 1997 sowohl innerhalb wie auch ausserhalb Südafrikas praktisch unbekannt. Erst aufgrund der Anhörungen und insbesondere des Berichts der südafrikanischen Truth & Reconciliation Commission vom 29. Oktober 1998 stellte sich heraus, dass Südafrika zur Zeit des Apartheidregimes gewaltige Anstrengungen unternommen hatte, ein Projekt zur biologisch-chemischen Kriegsführung zu entwickeln. Während anfänglich ­ bedingt durch die damaligen kriegerischen Ereignisse in Angola ­ der defensive Charakter eher im Vordergrund gestanden haben dürfte, tendierten die Bestrebungen je länger je mehr in Richtung eines offensiven Einsatzes biologisch-chemischer Waffen. Zugleich verlagerte sich das Schwergewicht von der ursprünglichen Abwehr kriegerischer Angriffe auf den innenpolitischen Einsatz gegen oppositionelle Kräfte.

Es kann denn auch nicht Aufgabe der Delegation der Geschäftsprüfungskommission der eidgenössischen Räte sein, eine umfassende Untersuchung des südafrikanischen Geheimprojekts «Coast» durchzuführen, zu den kontroversen Äusserungen Stellung zu nehmen oder gar eine abschliessende Beurteilung und Würdigung vorzunehmen.

Abgesehen davon, dass die GPDel dazu nicht in der Lage wäre, gebietet dies auch der Respekt vor der
Souveränität des südafrikanischen Staates. Für die Einzelheiten des Projekts «Coast» muss deshalb auf die diversen Publikationen verwiesen werden, welche in der Zwischenzeit zu dieser Thematik erschienen sind.

Zum Untersuchungsgegenstand der GPDel zählt allein die Frage, ob und gegebenenfalls welche Amtsstellen des Bundes in welcher Weise am Projekt «Coast» mitgewirkt haben oder daran in irgendeiner Form beteiligt gewesen sein könnten. In diesem Sinn hat die GPDel zwar die anderweitig gewonnenen Erkenntnisse über das Projekt «Coast» mit grosser Aufmerksamkeit verfolgt. Sie hat aber weder das Projekt «Coast» als Ganzes untersucht noch hat sie Abklärungen in Bezug auf die allfällige Beteiligung von schweizerischen Unternehmen oder in der Schweiz ansässiger Privatpersonen getätigt. Während ersteres den dafür zuständigen südafrikanischen Behörden vorbehalten bleibt, fällt letzteres allenfalls in den Zuständigkeitsbereich der Bundesanwaltschaft.

2353

Entscheidend scheint in diesem Zusammenhang vor allem eine Aussage des mit der Materie besonders vertrauten südafrikanischen Staatsanwalts Anton Ackermann vor der GPDel zu sein: «[...] Das geheime Projekt Coast war echt und insofern , als 200 000 Schutzanzüge, Masken usw. sowie teure Detektoren für chemisch Stoffe usw. gekauft wurden. In Roodeplaat wurden chemische und biologische Substanzen wie Mandrax, Ecstasy usw. produziert, um sie in Waffen einzubauen. [...] Eron-L produzierte Gifte.

[...] Fazit: Giftige Substanzen wurden produziert, und Menschen wurden getötet. Aus der Sicht Südafrikas war dieser Teil des Projekts Coast erfolgreich.

Die Generäle behaupteten natürlich, das Projekt habe nur defensiven Zielen gedient.

Meines Erachtens wurden aber auch offensive Ziele verfolgt: Wie sollten mit Gift versetzte Schokolade, Rasierschaum oder Spitzen von Regenschirmen zu Verteidigungszwecken eingesetzt werden? [...]

[...] Die Laboreinrichtungen wurden über Mittelsmänner bzw. Tarngesellschaften in der Schweiz gekauft; die Schweiz ist ja für ihre optischen Geräte, Gläser usw. bekannt.

Die Lieferanten wussten aber nicht, dass sie damit das Projekt Coast belieferten, sondern meinten, sie handelten mit Universitäten oder Laboratorien. Sie waren sich der wahren Hintergründe nicht bewusst. [...]

[...] Ich weiss von keinem Transfer von Technologie oder Substanzen zwischen der Schweiz und Südafrika [...]».

10.2

Prozess gegen Basson in Südafrika

Der Leiter des Projekts «Coast», Wouter Basson, war am 29. Januar 1997 in Südafrika unter dem Vorwurf des Drogenhandels verhaftet, aber schon bald wieder aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Gegen ihn wurde am 4. Oktober 1999 vor dem Pretoria High Court ein öffentlicher Prozess eröffnet. Der erste Teil der Anklageschrift bezichtigte Wouter Basson in 65 Fällen des kriminellen Verhaltens im Zusammenhang mit finanziellen Transaktionen, welche er unmittelbar vor der Auflösung oder im Gefolge der Liquidation des Projekts «Coast» vorgenommen hatte.

Der zweite Teil der Anklageschrift, der sich mit Mord, Anstiftung zu Mord, Verschwörung und ähnlichen Anschuldigungen befasste, wurde vom Gericht nicht zugelassen. Für die vorliegenden Abklärungen der GPDel ist entscheidend, dass nach den Aussagen von Staatsanwalt Anton Ackermann, der die Anklage gegen Wouter Basson in Südafrika vertreten hatte, sich Berührungspunkte zur Schweiz lediglich im ersten Teil der Anklageschrift ergeben, während die Schweiz vom zweiten Teil nicht betroffen ist.

Im Verlauf des Prozesses war von Seiten der Anklage u.a. auch Peter Regli als Zeuge angerufen worden, um zu den Aussagen Wouter Bassons Stellung zu nehmen.

Das Gericht erachtete indessen eine Anhörung von Peter Regli nicht als erforderlich und wies den diesbezüglichen Beweisantrag der Staatsanwaltschaft ab.

Mit Urteil des Einzelrichters Willie Hartzenberg wurde Wouter Basson am 11. April 2002 von der Anklage vollumfänglich freigesprochen. Der Supreme Court of Appeal of South Africa in Bloemfontein (RSA) lehnte am 3. Juni 2003 ein Gesuch der südafrikanischen Staatsanwaltschaft um Wiedererwägung ab, so dass der erstinstanzliche Freispruch in Rechtskraft erwachsen ist.

Im Verlauf des Prozesses vor dem Pretoria High Court, aber auch bereits zuvor anlässlich der Anhörungen durch die Truth & Reconciliation Commission, hatte Wouter Basson verschiedentlich Aussagen gemacht, welche einen Bezug zur Schweiz aufwiesen. Sofern die entsprechenden Äusserungen für den Untersu2354

chungsgegenstand von Bedeutung erscheinen, hat die GPDel die erforderlichen Abklärungen getätigt. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Themenkomplexe49: ­

Zusammentreffen von Niel Knobel und Wouter Basson mit dem schweizerischen Oberfeldarzt in Windhoek (vgl. dazu Ziff. 7.2);

­

Angebliche Beteiligung von Peter Regli am Projekt «Coast» (vgl.

Ziff. 10.4.4);

­

Mandrax-Handel durch Vermittlung von Jürg Jacomet (vgl. Ziff. 10.5.3);

­

Veruntreuung von Geldern und Verhaftung von Wouter Basson in der Schweiz (vgl. Ziff. 10.3.5).

10.3

Bezug Bassons zur Schweiz

10.3.1

Vorbemerkungen

Der vor dem Pretoria High Court geführte Prozess gegen Wouter Basson beschränkte sich in inhaltlicher Hinsicht auf reine Vermögensdelikte, nachdem der zweite Teil der Anklage nicht zugelassen worden war (vgl. Ziff. 10.2). In diesem Zusammenhang hatte Wouter Basson verschiedentlich auf Geschäfte verwiesen, die er angeblich mit dem schweizerischen Nachrichtendienst, mit dessen Chef Peter Regli oder mit dessen angeblichem Mitarbeiter Jürg Jacomet getätigt haben wollte.

Auffallend erscheint dabei, dass es Wouter Basson in aller Regel bei pauschalen Behauptungen bewenden liess, in seinen Schilderungen ausgesprochen unpräzise blieb und keinerlei nachprüfbare Fakten nannte. Soweit er den schweizerischen Nachrichtendienst erwähnte, sprach er einmal vom Nachrichtendienst als solchem, dann wieder von Peter Regli und öfters auch von Jürg Jacomet.

Unter Berücksichtigung der zur Diskussion stehenden südafrikanischen Anklagesachverhalte war im Prozess lediglich entscheidend, ob die von Wouter Basson behaupteten Finanztransaktionen tatsächlich stattgefunden haben könnten oder nicht.

Hingegen war es für das südafrikanische Prozessgeschehen weitgehend irrelevant, mit wem Wouter Basson die angeblichen Geschäfte getätigt haben wollte. Insofern kann es denn auch nicht überraschen, dass anlässlich der öffentlichen Gerichtsverhandlungen kaum je Ergänzungsfragen gestellt wurden, um diesbezüglich nähere Klarheit zu verschaffen. Bei der Würdigung der die Schweiz betreffenden Aussagen von Wouter Basson ist deshalb davon auszugehen, dass er die Begriffe «Schweizer Nachrichtendienst», «Peter Regli» und «Jürg Jacomet» weitgehend als Synonyme verwendet hat, die keine genauen Rückschlüsse darauf erlauben, wer denn nun tatsächlich gemeint war.

Hinzu kommt, dass den Aussagen von Wouter Basson generell keine hohe Glaubwürdigkeit zugesprochen werden kann. Im Verlauf der rund zweieinhalbjährigen Prozessdauer konnte keine einzige der die Schweiz betreffenden Aussagen anhand objektiver Fakten verifiziert werden; vielmehr blieb es bei rein pauschalen, nicht weiter überprüfbaren Behauptungen von Wouter Basson. Nach den Aussagen des 49

Vgl. dazu auch die Antwort des Bundesrates vom 27. Februar 2002 auf 01.1142 Einfache Anfrage. Transparenz bezüglich Aussagen in Südafrika über die Schweiz, vom 13. Dezember 2001 (AB 2002 N 478, AB 2002 Beilagenband I 260).

2355

südafrikanischen Staatsanwalts Anton Ackermann vor der GPDel benutzte denn auch Wouter Basson das Projekt «Coast» im Wesentlichen dazu, «um die Taschen der Armee zu leeren». Anton Ackermann schätzte die generelle Glaubwürdigkeit Wouter Bassons «als Null» ein und bezeichnete dessen Aussagen als reine Schutzbehauptungen mit dem Ziel, die von ihm begangenen Vermögensdelikte zu verdecken. Die Anklage habe beweisen können, dass Wouter Basson entgegen seinen Beteuerungen, die staatlichen Gelder nicht für das Projekt «Coast» verwendet, sondern für private Zwecke missbraucht habe (vgl. dazu auch Ziff. 10.3.5). Staatsanwalt Ackermann führte diesbezüglich am 1. Juli 2002 vor der GPDel aus: «Er [Basson] sagte aus, dass er an die Firma Blackdale für verschiedene Substanzen 3,2 Mio. $ zahlte. Wir konnten aber via Bankkonten beweisen, dass er damit ein Landhaus in England, einen 25 %-Anteil eines Golfplatzes in Belgien, ein Kondominium in Florida, zwei Wohnungen in Brüssel, Häuser, Ferienhäuser und eine Garage in Südafrika usw. kaufte. [...] Hr. Basson behauptete zwar, er habe damit Lieferanten bezahlt, aber das Geld landete letztlich bei der bereits erwähnten Firma WPW in Genf. [...]

Diese Geldflüsse entsprechen den Fakten. Hr. Basson musste nun eine Verteidigungsstrategie aufbauen, welcher der Richter auch Glauben schenkte ­ seine Version: Er sei in den frühen 80-er Jahren mit der , bestehend aus Geheimdienstlern der ehemaligen DDR, der UdSSR, Libyens und anderen osteuropäischen Staaten, in Kontakt gekommen. [...] Hr. Basson präsentierte sich dort als raffinierter Bursche und () und als Waffenschmuggler. Als Angehöriger der Armee benötigte er stets Substanzen oder Ausrüstungsgegenstände, was er in diesem Zirkel geltend machte und von dem er auch beliefert wurde. Er wurde gleichzeitig als Agent eingespannt, um in ihrem Auftrag Gelder im Westen anzulegen. So begann er mit seinen Investitionen, u.a. in sechs Objekte in Südafrika, die als () gedient haben sollen. (Ich konnte für einen Zeitraum von zehn Jahren beweisen, dass die Ostdeutschen, Russen usw. von diesen nie Gebrauch machten, wohl aber Hr. Basson und seine weitläufige Familie sowie seine Freunde. Der Richter glaubte der Argumentation von Hr. Basson.) [...]
Hr. Basson beauftragte in jedem Land eine Person, um für ihn Geschäfte zu machen (USA: Hr. Webster; England: Hr. Buffon; Luxemburg: Hr. Zimmer; Schweiz: Dr. Chu). [...]

In den späten 90-er Jahren entschied die Armee ­ ich denke eher, Hr. Basson habe das entschieden ­, die beiden Laboratorien Delta-G und Roodeplaat zu privatisieren. In der Folge kaufte Hr. Mijburg ein Laboratorium im Wert von ca. 15 Mio. Rand für 5 Mio.

Rand. Hr. Basson erklärte der Armee, weshalb es nötig war, billiger zu verkaufen. Mit der Privatisierung musste die Armee für Delta-G zudem 20 Mio. Rand Entschädigung leisten ­ das Labor kostete damit nichts.

Nur drei Monate zuvor legte Hr. Basson der Armee einen Vertrag mit Delta-G für die Lieferung von Substanzen für 12 Mio. Rand pro Jahr für eine Dauer von fünf Jahren vor.

Hr. Basson wollte nun die Infrastrukturen von Delta-G und Eron-L in Übersee, v.a. in der Schweiz, vermarkten. ­ Hintergrund: In den Labors wurden Versuche mit Primaten durchgezogen. Wegen den in der Schweiz (und anderen Ländern) sehr aktiven Tierschutzorganisationen war eine entsprechende Infrastruktur in Südafrika willkommen.

So kam Hr. Basson auf den Pharmazeuten Dr. Chu, der in Südafrika eine Machbarkeitsstudie verfasste. Hauptzweck seiner Medchem AG war es, besagte Labors zu vermarkten. [...]

Wie besorgte Hr. Basson das Geld für Dr. Chu bzw. die Medchem AG? Er sagte der Armee, er wolle in der Schweiz Substanzen und einen Peptidsynthesizer für 325 000 $ beschaffen, und Hrn. Knobel, 450 000 Franken seien für DNA-Proben vorgesehen (die Dr. Chu dann von der Firma Medalfa AG erhielt). Das Ziel war zu zeigen, dass die Gelder an die Medchem AG gingen. [...]

Fazit: Die Medchem AG wurde von Hrn. Basson gebraucht, um Geld zu generieren, und Dr. Chu leitete die Geschäfte. Hr. Basson stellte Dr. Chu vor Gericht als , bestehend aus Libyern, DDR-Staatsangehö-

2356

rigen usw. dar, der in Allschwil ein russisches Spionagenetzwerk unterhielt (); der Richter glaubte dieser Aussage.

Meine Beurteilung: Ich zweifle nicht daran, dass Dr. Chu keine Ahnung hatte, was wirklich vorging, glaube aber, dass er sich bewusst war, für Geldwäschereigeschäfte herzuhalten.»

10.3.2

Kontakte zu Jürg Jacomet

Auf welche Weise der Kontakt zwischen Wouter Basson und Jürg Jacomet zustande gekommen war, konnte von der GPDel nicht mehr restlos geklärt werden, da lediglich Aussagen der Direktbeteiligten, aber keine objektiv überprüfbare Fakten vorliegen. Jürg Jacomet hatte offenbar gegenüber Journalisten geltend gemacht, dass er Wouter Basson anfangs der 80er Jahre durch Lothar Neethling, den damaligen Chef des forensischen wissenschaftlichen Labors und späteren Chef der Abteilung Kriminalistik der südafrikanischen Polizei, kennen gelernt habe. So führte etwa der Journalist Frank Garbely vor der GPDel aus: «Hr. Jacomet lernte Hrn. Basson nach eigenen Angaben über General Neethling kennen; die Kontakte müssen relativ gut gewesen sein: Immerhin kaufte Südafrika über Hrn. Jacomet ein (z.B. Chemikalien aus Ost-Staaten; Hr. Jacomet sagte nicht, aus welchen). Hr. Basson soll manchmal bei Hrn. Jacomet zuhause Fondue gegessen haben; und in Südafrika war Hr. Jacomet nach seinen Aussagen bei den Herren Basson und Neethling auch privat zuhause. Daraus kann man schliessen, dass sie sich näher kannten».

Im gleichen Sinn hatte Wouter Basson anlässlich seiner Einvernahme durch die Bezirksanwaltschaft Zürich vom 1. Dezember 1993 (vgl. Ziff. 10.3.5) zu Protokoll gegeben, dass er Jürg Jacomet 1982 oder 1983 anlässlich eines Besuchs von Lothar Neethling in Zürich kennen gelernt habe: «Damals wurde mir Herr Jacomet vorgestellt als Waffenhändler, der offiziell/inoffiziell die Schweizer Regierung repräsentiere. Ich hatte das Gefühl, er sei Mitglied des Geheimdienstes. Er war Hauptmann der Flugwaffe. Wenn man seine Macht betrachtete, insbesondere wie wir bei allen Büros in Bern und Flughäfen Zugang hatten, gab es für uns keinen Grund, dies zu bezweifeln [...]

Wir haben damals den Geheimdienstleuten in Bern eine Zusammenfassung unserer Erfahrungen überreicht. Jacomet war Koordinator zwischen uns und dem schweizerischen Geheimdienst. Auf diese Art konnte Jacomet mehrmals nach Südafrika reisen und wir nahmen ihn dann mit ins Operationsgebiet, d.h. das Kriegsgebiet, wo wir ihm die von uns genommenen Waffen zeigen konnten. [...]

In der Schweiz stellte uns Jacomet den Personen vor, die sich mit AC-Gegenmassnahmen beschäftigten. Der wichtigste Ort für uns war der AC Spiez, nämlich die Schweizer Zentrale für AC-Abwehr, im Bereich der technischen Forschung und auch für den Austausch von Mustern. Er stellte uns auch Schleiffer vor, einer Produktionsfirma für Schutzbekleidung, und auch der Firma Huber & Suhner. [...]

Mir persönlich hat er nie Waffen verkauft. In diesem Zeitraum (1982­87) verkaufte er jedoch Waffen an die südafrikanische Polizei (paramilitärisch). Ich weiss nicht, ob er der Armee auch Waffen lieferte. [...]

Zwischen 1987 und 1990 besuchte ich ihn sehr oft wegen Änderungen der Masken von Huber & Suhner. Ich habe Jacomet auch über die jüngsten Entwicklungen der Waffenentwicklung in Südafrika informiert.»

2357

10.3.3

Aktivitäten von Wouter Basson bei der Medchem AG

David Chu hatte anlässlich seiner Einvernahme durch die Bezirksanwaltschaft Zürich vom 3. Dezember 1993 (vgl. Ziff. 10.3.5) geltend gemacht, er habe Wouter Basson Ende 1988 durch Vermittlung eines Anwalts in Zürich kennen gelernt. Es könne sein, dass bei diesem Treffen auch Jürg Jacomet dabei gewesen sei; mit Jürg Jacomet habe er aber keine besonderen Kontakte unterhalten; er habe ihn insgesamt vielleicht zwei Mal gesehen. Zusammen mit der von Wouter Basson gebrachten Investoren-Gruppe WPW hätten sie 1990 die Medchem AG und 1992 dann die Inter Business Solutions AG gegründet (Computergeschäft). Da Wouter Basson regelmässig an den Verwaltungsratssitzungen teilgenommen habe, habe er ihn seit 1989 mindestens alle zwei Monate getroffen. Wouter Basson habe ihm (D.C.) gegenüber auch angedeutet, dass es sich als selbständiger Geschäftsmann in der Schweiz niederlassen möchte.

Dem Handelsregister des Kantons Basel-Landschaft lässt sich entnehmen, dass am 8. Januar 1990 die Medchem Forschungs AG mit einem Aktienkapital von Fr. 250 000.­ und am 6. März 1992 die IBS Inter Business Solutions AG mit einem Aktienkapital von Fr. 150 000.­ gegründet wurde. David Chu war bei beiden Gesellschaften anfänglich als Delegierter des Verwaltungsrats bzw. als Geschäftsführer, später dann als Mitglied des Verwaltungsrats eingetragen. Der Name von Wouter Basson ist im Handelsregister nicht verzeichnet. Die IBS Inter Business Solutions AG wurde am 30. April 1996 durch Konkurs aufgelöst, die Medchem Forschungs AG am 5. September 2000 von Amtes wegen gelöscht.

Überdies findet sich im Handelsregister des Kantons Basel-Landschaft die Medalfa AG, welche am 23. September 1986 eingetragen und am 22. Oktober 1997 mit Beschluss der Generalversammlung aufgelöst worden ist. Als Organe sind weder David Chu noch Wouter Basson verzeichnet, hingegen ist ein Mitglied des Verwaltungsrats der Medalfa AG auch Mitglied des Verwaltungsrats der Medchem Forschungs AG.

Im Zusammenhang mit dem Prozess gegen Wouter Basson in Südafrika (vgl.

Ziff. 10.2) wurde die Medchem Forschungs AG und insbesondere auch David Chu verschiedentlich erwähnt. Es konnten Unterlagen sichergestellt werden, welche diverse finanzielle Transaktionen von Geldern aus dem Projekt «Coast» zur Medchem Forschungs AG bzw. zu David Chu belegen. Wie Staatsanwalt Anton Ackermann
gegenüber der GPDel ausgeführt hat, besteht aufgrund der im Prozess gegen Wouter Basson gewonnenen Erkenntnisse zwar der Verdacht, dass die Medchem AG benutzt wurde, um Gelder aus dem Projekt «Coast» in die privaten Kanäle von Wouter Basson zu leiten. Er selbst zweifle aber nicht daran, dass David Chu keine Ahnung gehabt habe, was wirklich vorgegangen sei; allenfalls sei sich dieser bewusst gewesen, dass er für Geldwäschereigeschäfte benutzt werde (vgl.

Ziff. 10.3.1).

10.3.4

Angebliche Einreise- und Zollerleichterungen am Flughafen Zürich

In den Medien wurde verschiedentlich geltend gemacht, dass Jürg Jacomet, aber auch Wouter Basson und Lothar Neethling, unter Umgehung der Pass- und Zollfor2358

malitäten am Flughafen Zürich hätten einreisen können. Die GPDel hat deshalb beim Regierungsrat des Kantons Zürich einen Amtsbericht über die Zutrittsverhältnisse und allfällige Zutrittserleichterungen am Flughafen Zürich eingeholt. Im Bericht der Direktion für Soziales und Sicherheit vom 29. April/18. September 2002 wird ausgeführt: «Grundsätzlich werden alle Flughafenausweise (Badge), die den Ausweisinhabern den Zutritt zum nichtöffentlichen Bereich ermöglichen, vom Flughafenbetreiber (früher Flughafendirektion, heute Unique) ausgestellt. In der Zeit zwischen 1985 bis 1995 war auch die Flughafenpolizei befugt, unpersönliche Zutrittsausweise für den Transitbereich A und B auszustellen. Es handelte sich um sogenannte Tagesausweise, die in der Regel eine Gültigkeitsdauer von einem bis zwei Tagen hatten. Über die Ausgabe solcher Tagesausweise führte die Flughafenpolizei keine Registratur, d.h. das Antragsformular wurde nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Tagesausweises vernichtet. Tagesausweise wurden Personen gegen Vorlage eines Identitätsausweises abgegeben, die einen triftigen Grund zum Betreten des Transitbereiches geltend machen konnten. Es waren dies zum Beispiel Rechtsberater/innen aus dem Asyl- und Rückweisungsbereich oder Geschäftsleute, die visumspflichtige Personen im Transit treffen mussten.

Die Unique (bis April 2000 die Flughafendirektion) kann auf Antrag einer am Flughafen Zürich zugelassenen Firma oder einer Behörde Flughafenausweise ausstellen, wenn ein anhaltendes dienstliches Bedürfnis den regelmässigen oder häufigeren Zutritt zum nichtöffentlichen Flughafengebiet erfordert (Betriebsreglement). Seit dem Jahr 2000 ist mit dem Ausweisantrag nach den geltenden Vorschriften ­ zusätzlich zur Begründung ­ ein Strafregisterauszug einzureichen.

Der Flughafenausweis berechtigt den rechtmässigen/die rechtmässige Inhaber/in lediglich zum Betreten der auf dem Ausweis ersichtlichen Flughafenzonen. Flughafenausweise wurden bis Ende 1999 vom Betriebsdienst (Ausweisbüro) nach den Bestimmungen des damals gültigen Zutrittsreglements bewilligt und ausgestellt. Ab 2000 (periodische Erneuerung aller Flughafenausweise) werden Flughafenausweise nach den Regelungen des Sicherheitsdienstes und in Übereinstimmung mit dem Betriebsreglement des Flughafens Zürich durch das Ausweisbüro erstellt.

Alle Personen,
die im Auftrage einer Firma oder einer Behörde das oben erwähnte dienstliche Bedürfnis nachweisen können (Lieferanten von am Flughafen domizilierten Firmen, Service- und Unterhaltspersonal, Vertreter von Behörden, Industrie und Gewerbe etc.) konnten damals wie auch heute einen Flughafenausweis beantragen und erlangen [...]».

Das EDV-Ausweissystem der damaligen Flughafendirektion wurde 1994 durch ein neues System ersetzt; die nicht mehr benötigten früheren Daten wurden 1995 gelöscht. Für den vor allem interessierenden Zeitraum zwischen Mitte der 80er und Mitte der 90er Jahre sind demzufolge keine Unterlagen mehr vorhanden. Dem aktuellen Ausweissystem, das die Daten seit 1994 enthält, kann entnommen werden, dass u.a. Peter Regli unter dem Firmeneintrag «VBS/Generalstab, Strat. ND» vom 22. Februar 1995 bis 31. Dezember 1999 über einen gültigen Flughafenausweis für die Transitzonen A und B verfügte. Zu den Transitzonen ist zu erwähnen, dass es sich hier nicht um Sicherheitszonen handelt. Jede Person, die im Besitz eines gültigen Reiseausweises und eines gültigen Flugtickets ist, kann diese Zonen, zwischen Grenzkontrolle und Sicherheitskontrollzonen gelegen, betreten.

Zusätzlich bleibt festzuhalten, dass die Flughafenausweise lediglich den Zugang zu gewissen, nicht oder nur beschränkt öffentlichen Flughafenzonen erlauben. Sie ermöglichen jedoch nicht den Grenzübertritt als solchen. Vielmehr wird die eigentliche Ein- und Ausreisekontrolle von Personen seit jeher von der Flughafenpolizei der Kantonspolizei Zürich nach den dafür massgebenden gesetzlichen Grundlagen wahrgenommen. Die Kontrolle des Warenverkehrs obliegt den zuständigen Zollorganen des Bundes.

2359

Gestützt auf eine Dienstanweisung der Flughafenpolizei können Flugpassagiere mit VIP-Status auf Antrag einer schweizerischen Behörde unter bestimmten Voraussetzungen erleichtert ein-, aus- oder weiterreisen. Diese Passagiere geniessen in diesem Sinn eine bevorzugte Behandlung durch die Einreisebehörde und die am Flughafen Zürich tätigen Betreuungsdienste. Die GPDel hat die Listen über die von der Flughafenpolizei in den Jahren 1985 bis 1995 betreuten Personen mit VIP-Status beigezogen. Diese weist im Wesentlichen die Namen von schweizerischen oder ausländischen Regierungsmitgliedern oder von Repräsentanten internationaler Organisationen auf. Hinweise darauf, dass auch Angehörige ausländischer Nachrichtendienste in den Genuss von Einreiseerleichterungen gelangt sein könnten, liessen sich nicht finden. Insbesondere scheinen in den erwähnten Listen keine Namen von Personen aufzutreten, die im Rahmen der Abklärungen der GPDel in irgendeinem Zusammenhang genannt worden sind; es finden sich weder die Namen von Jürg Jacomet noch von Wouter Basson, Lothar Neethling, Niel Knobel oder anderen Repräsentanten der südafrikanischen Streitkräfte und ihrer Nachrichtendienste.

Anzumerken bleibt allerdings, dass sogenannt «ND-mässig abgeschirmte» Besuche zumindest teilweise auch unter Verwendung falscher Pässe erfolgten (vgl. dazu Ziff. 6.5). Soweit falsche Ausweisschriften zum Einsatz gelangten, ist jede nachträgliche Überprüfung von vornherein ausgeschlossen.

10.3.5

Verhaftung von Wouter Basson in der Schweiz

Am 16. Juli 1993 erstattete eine Privatbank mit Sitz in Zürich Strafanzeige gegen Wouter Basson wegen des Verdachts auf Betrug. Der Anzeige lag im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde50: «Die Intermagnum AG (Rümlang ZH) ist Kontoinhaberin und Kreditschuldnerin bei der Geschädigten AKB. Am 19. Mai 1993 meldete sich Jürg Jacomet, Verwaltungsrat der Intermagnum AG, in Begleitung des Angeschuldigten Wouter Basson bei der AKB. Jürg Jacomet erklärte, er wolle für Wouter Basson ein Geschäft abwickeln und hierfür ein Subaccount des Intermagnum-Kontos eröffnen lassen. Es ging um die Einräumung eines Lombardkredites gegen Hinterlegung von Obligationen der . Nach Erledigung der notwendigen Formalitäten wurden am 25. Mai 1993 namens der Intermagnum AG 20 Obligationen der im Nominalwert von 5 Mio. US$ eingeliefert. Die Bank lehnte die Auszahlung eines Kredites vor Prüfung der Echtheit der Papiere ab. Diese Prüfung erfolgte durch die Banque Générale du Luxembourg, welche als Zahlstelle fungierte. Mit Schreiben vom 2. Juli 1993 teilte die Banque Générale du Luxembourg der AKB mit, dass die Obligationen offensichtlich gefälscht seien. Die Banque Générale teilte die Fälschungsmerkmale mit und kündigte eine Anzeigeerstattung bei den Luxemburger Behörden an, weshalb eine Retournierung der gefälschten Papiere nicht möglich sei. In der Folge orientierte die Geschäftsleitung der AKB Jürg Jacomet über den Sachverhalt. Die AKB wandte sich anschliessend an die Eidg. Bankenkommission, welche sie jedoch an den Anzeigeerstatter verwies.»

Die Bezirksanwaltschaft Zürich eröffnete in der Folge eine Strafuntersuchung gegen Wouter Basson und führte am 3. August 1993 eine Einvernahme mit Jürg Jacomet als Auskunftsperson durch. Dieser machte geltend, er habe bis 1988 Jagd- und Sportwaffen an südafrikanische Firmen geliefert. In diesem Zusammenhang habe er Wouter Basson etwa im Jahr 1987 in Pretoria kennen gelernt. Seither habe er mit 50

Zitat gemäss Einstellungsverfügung der Bezirksanwaltschaft Zürich vom 21. September 1994.

2360

ihm von Zeit zu Zeit private Kontakte gehabt. Anlässlich eines Aufenthalts in der Schweiz habe ihn Wouter Basson angefragt, ob es eine Möglichkeit gebe, Wertpapiere bei einer Schweizer Bank zu deponieren und zu belehnen. Er habe deshalb die Angelegenheit mit dem stellvertretenden Direktor der AKB besprochen. Einen Tag vor der Einreichung der zu belehnenden Wertpapiere sei er von Wouter Basson zum Flughafen Zürich bestellt worden, wo er von diesem die 20 Obligationen überreicht erhalten habe. Wouter Basson selbst sei gleich wieder weiter gereist. Am folgenden Tag habe er die Wertpapiere abmachungsgemäss bei der AKB eingereicht, wobei er keinen Zweifel an der Echtheit der Papiere gehabt habe. Er gehe davon aus, dass Wouter Basson die Obligationen in London oder Luxemburg beschafft habe.

Der stellvertretende Direktor der AKB bestätigte im Wesentlichen den Sachverhalt und führte ergänzend aus, dass er Wouter Basson bereits etwa vier Jahre zuvor durch Jürg Jacomet kennen gelernt habe. Es sei damals um die Finanzierung eines medizinischen Hilfsprojekts in Südafrika gegangen, welches jedoch für die AKB zu gross gewesen sei. Nachdem die Obligationen entgegen der ursprünglichen Abmachung nicht durch eine Bank eingereicht worden seien, seien sie wie üblich auf ihre Echtheit überprüft worden.

Wouter Basson wurde von der Bezirksanwaltschaft Zürich zur Verhaftung ausgeschrieben und konnte am 27. November 1993 bei der Einreise von Brüssel auf dem Flughafen Basel-Mülhausen festgenommen werden. Im Verlauf der Einvernahmen führte Wouter Basson aus, er habe Jürg Jacomet anlässlich eines Besuchs des südafrikanischen Generalleutnants Neethling in Zürich kennen gelernt. Jürg Jacomet sei ihm damals als Waffenhändler vorgestellt worden, der «offiziell/inoffiziell» die Schweizer Regierung repräsentiere. Er sei davon ausgegangen, dass Jacomet für den schweizerischen Nachrichtendienst tätig gewesen sei. In der Folge habe sich zwischen ihm und Jürg Jacomet eine berufliche und freundschaftliche Beziehung entwickelt. Es habe eine Zusammenarbeit in Sachen Technologie-Transfer von der Schweiz nach Südafrika auf dem Gebiet von AC-Schutzmassnahmen stattgefunden, indem Jacomet u.a. die Kontakte zu den zuständigen Bundesstellen und entsprechenden Firmen hergestellt habe. Nach 1989 seien die Kontakte zurückgegangen, da Jacomet das
geografische Tätigkeitsgebiet anfangs der 90er Jahre in den ehemaligen Ostblock verlegt habe. 1992 hätten zwei Treffen im Büro von Jacomet in Rümlang stattgefunden, wobei jeweils auch mehrere kroatische Staatsangehörige anwesend gewesen seien. Die Diskussionen hätten sich damals um Finanzierung, Kauf und Transport von Waffen nach Kroatien gedreht. Er (W.B.) sei zu diesen Treffen beigezogen worden, weil von Seiten der Kroaten die Frage nach Waffenlieferungen aus Südafrika gestellt worden seien. Nach seiner Rückkehr nach Südafrika habe er die Angelegenheit mit dem verantwortlichen General besprochen. Dieser habe ihm erklärt, dass ein Export von Waffen nach Kroatien nicht in Frage kommen könne, so dass die Angelegenheit für ihn erledigt gewesen sei. Kroatien sei jedoch für Südafrika damals aus zwei Gründen interessant gewesen. Zum einen sei ein Waffenschmuggel nach Ex-Jugoslawien aufgeflogen, wobei Südafrika aufgrund einer falschen Herkunftsangabe zu Unrecht in Verdacht geraten sei. Zum andern sei bekannt gewesen, dass Waffensysteme der ehemaligen Sowjetunion in den ehemaligen Ostblockstaaten, so auch in Kroatien, gegen Geld erhältlich gemacht werden konnten, was vom waffentechnischen Standpunkt aus für Südafrika wie auch für andere Länder bzw. deren Geheimdienste eine interessante Erkenntnisquelle hätte bilden können. Er (W.B.) habe deshalb Jürg Jacomet beauftragt, in diesem Sinn für ihn tätig zu werden. Zu diesem Zweck habe «man» Jacomet einen Geldbetrag in der 2361

Höhe von 2,3 Mio. US$ (ca. 3,45 Millionen Franken) zur Verfügung gestellt. Daraus seien im Dezember 1992 Zahlungen über mehrere Hunderttausend US$ «zugunsten von zwei kroatischen Generälen und einem Minister als Gegenleistung für Dienstleistungen und Muster» instruktionsgemäss erfolgt. Obwohl eine weitere Zahlung geplant gewesen sei, sei es jedoch nicht mehr möglich gewesen, an Jürg Jacomet heranzukommen. Erst im Februar 1993 habe der Kontakt wieder hergestellt werden können. Nach anfänglichen Ausflüchten habe Jürg Jacomet schliesslich zugegeben, dass das restliche Geld sich nicht mehr auf dem Konto befinde, und er es für andere Zwecke verwendet habe. Bei den Akten des in Südafrika gegen Wouter Basson geführten Prozesses findet sich denn auch eine schriftliche Bestätigung Jürg Jacomets vom 12. Mai 1993, worin dieser die volle Verantwortung für die verschwundenen Gelder übernahm (vgl. Ziff. 10.4.4).

Wie Wouter Basson gegenüber der Bezirksanwaltschaft Zürich weiter ausführte, sei er von den zuständigen Stellen der südafrikanischen Armee mit der Wiederbeschaffung der von Jürg Jacomet missbräuchlich verwendeten Gelder beauftragt worden.

Er habe mit diesem verschiedene Möglichkeiten erörtert, um die verlorenen Gelder wieder beibringen zu können. Nachdem er sich wieder einmal im Büro der Intermagnum AG in Rümlang aufgehalten habe, hätten sie von dort ebenfalls anwesenden Kroaten erfahren, dass Waffenlieferungen nach Kroatien zuweilen auch mit Darlehen finanziert würden, welche mit Wertpapieren gesichert seien. Jacomet und er seien in der Folge auf die Idee gekommen, die Wiederbeschaffung der Gelder auf diese Weise zu bewerkstelligen. Er habe sich von Jacomet die Namen der Kroaten geben lassen; nachdem er von diesen weiter verwiesen worden sei, habe ihm schliesslich ein gewisser Martin Stevens den Vorschlag gemacht, Obligationen der Banco di Napoli als Sicherheit zu verwenden. Im Anschluss an die Vorbesprechungen mit der AKB habe er sich nach London begeben, um dort die Wertpapiere zu übernehmen. Es sei jedoch vereinbart worden, dass die Papiere durch einen Boten nach Zürich gebracht würden, was denn auch geschehen sei; er (W.B.) habe die Papiere am Flughafen in Empfang genommen und dort an Jacomet übergeben.

An der der Einlieferung der Obligationen vorausgegangenen Besprechung mit der AKB vom 19. Mai
1993 hatte offenbar neben Jürg Jacomet und Wouter Basson auch Henrik Thomsen teilgenommen.

Wouter Basson wurde am 10. Dezember 1993 gegen Leistung einer Kaution von Fr. 100 000.­, welche durch Vermittlung von David Chu erbracht worden war, aus der Untersuchungshaft entlassen. Auf Vorladung der Bezirksanwaltschaft Zürich erschien er am 22. März 1994 zu einer weiteren Einvernahme, anlässlich derer er ergänzende Fragen zu den Modalitäten und dem Verwendungszweck des an Jürg Jacomet übergebenen Betrags von 2,3 Millionen US$ beantwortete; gleichentags wurde die Kaution wieder freigegeben.

Aufgrund der Aussagen von Wouter Basson wurde Jürg Jacomet am 20. Dezember 1993 zur Verhaftung ausgeschrieben. Nachdem er telefonisch zugesichert hatte, zu Einvernahmen zu erscheinen, erfolgte am 19. Januar 1994 die Revokation der Ausschreibung. Jürg Jacomet hielt jedoch die vereinbarten Termine nicht ein, wobei er sich verschiedentlich telefonisch entschuldigte und ­ wie der zuständige Bezirksanwalt in einer Aktennotiz festhielt ­ «zuweilen phantastisch anmutende Begründungen lieferte». Anlässlich dieser telefonischen Kontakte wirkte Jürg Jacomet zunehmend verwirrt und alkoholisiert.

2362

Da weitere Abklärungen nicht mehr möglich waren oder ergebnislos verliefen, stellte die Bezirksanwaltschaft Zürich das Verfahren gegen Wouter Basson und Jürg Jacomet im Wesentlichen mangels Vorsatzes mit Verfügung vom 21. September 1994 ein.

10.4

Kontakte zur UNA bzw. zur UG ND und zu Peter Regli

10.4.1

Im Allgemeinen

Aus dem persönlichen Umfeld von Jürg Jacomet war verschiedentlich geltend gemacht worden, dass sich Wouter Basson anfangs der 90er Jahre öfters in der Schweiz aufgehalten habe, und es zu verschiedenen Treffen mit Peter Regli gekommen sei. Die Tatsache, dass Wouter Basson zu jener Zeit regen Kontakt zur Schweiz hatte und sich hier verschiedentlich aufhielt ist unbestritten. Auf seine Kontakte zu Jürg Jacomet einerseits und zu David Chu andererseits sowie zu seiner Tätigkeit in der Medchem AG ist bereits hingewiesen worden (vgl. Ziff. 10.3.2 und 10.3.3).

Wouter Basson selbst hat denn auch anlässlich der Einvernahmen durch die Bezirksanwaltschaft Zürich (vgl. Ziff. 10.3.5) ohne Weiteres eingeräumt, dass er sich im Rahmen seiner geschäftlichen Kontakte zu David Chu teils während Wochen in der Schweiz aufgehalten und auch einen regen Kontakt zu Jürg Jacomet unterhalten habe.

In diesem Zusammenhang war insbesondere auch auf einen angeblichen Chauffeur verwiesen worden, der Wouter Basson regelmässig zu Treffen mit Jürg Jacomet, aber auch mit Peter Regli gefahren haben soll. Ein Ausschuss der GPDel hat diese Person angehört, wobei indessen keine weiterführenden Erkenntnisse erlangt werden konnten. Die Aussagen waren ausgesprochen vage und entzogen sich jeder näheren Überprüfung. Angeblich vorliegende Belege wurden der GPDel trotz entsprechender Zusicherung nicht eingereicht.

Im Weiteren war auch die Rede davon, dass Treffen von Wouter Basson mit Jürg Jacomet in Rümlang polizeilich observiert worden seien. Diese, teils auch in den Medien verbreiteten, Behauptungen erwiesen sich als falsch. Wie aus der Antwort des Regierungsrats des Kantons Zürich an die GPDel hervorgeht, sind jedenfalls seit 1991 keine Observationen im Zusammenhang mit Jürg Jacomet oder der Intermagnum AG durchgeführt worden; Unterlagen über die Zeit vor 1991 sind nicht mehr vorhanden.

Es ist bereits einleitend festgehalten worden, dass Wouter Basson während des Prozesses in Südafrika die Begriffe «schweizerischer Nachrichtendienst», «Peter Regli» und «Jürg Jacomet» weitgehend undifferenziert verwendet hat (vgl.

Ziff. 10.3.1). Er selbst war offenbar überzeugt davon, dass Jürg Jacomet im Auftrag oder zumindest mit Deckung des schweizerischen Nachrichtendienstes tätig war.

Dieser hatte denn auch alles unternommen, um Wouter Basson in
seinem Eindruck zu bestärken.

Allein aus der Tatsache, dass Wouter Basson zeitweise in recht engem Kontakt zu Jürg Jacomet gestanden und mit dessen Hilfe offenbar auch gewisse finanzielle Transaktionen abgewickelt hatte, kann noch nicht auf eine Mitbeteiligung Peter Reglis oder gar des schweizerischen Nachrichtendienstes an den Machenschaften von Wouter Basson geschlossen werden. Es trifft zwar ohne Weiteres zu, dass 2363

Wouter Basson in diesem Zusammenhang auch geltend zu machen versucht hat, der schweizerische Nachrichtendienst und insbesondere der ehemalige USC ND sei in einzelne, der ihm in Südafrika zur Last gelegten Vorfälle involviert gewesen. Die GPDel hat indessen keinen einzigen Hinweis dafür gefunden, dass dieser Vorwurf auch nur im Entferntesten berechtigt sein könnte. Auf die generell fehlende Glaubwürdigkeit Wouter Bassons ist bereits hingewiesen worden (vgl. Ziff. 10.3.1). Hinzu kommt, dass im Verlauf der rund zweieinhalbjährigen Prozessdauer keine einzige, den schweizerischen Nachrichtendienst oder die Person Peter Reglis betreffende Aussage Wouter Bassons anhand objektiver Fakten bestätigt werden konnte; vielmehr blieb es bei pauschalen und nicht näher belegten Behauptungen, deren Überzeugungskraft ausgesprochen gering ist.

Aufgrund der von der GPDel durchgeführten Abklärungen bestehen weder Anhaltspunkte dafür, dass der Schweizer Nachrichtendienst noch Peter Regli in irgendeiner Weise in Belange des Projekts «Coast» involviert waren. Ein ehemaliger Mitarbeiter der UG ND äusserste sich denn auch gegenüber der GPDel, er sei «der felsenfesten Überzeugung, dass der USC ND über die geheimen Waffenprogramme Südafrikas nichts wusste, sondern manipuliert wurde wie ein naiver Anfänger». In gleicher Weise führte auch der ehemalige Chef der Sektion Auswertung aus, er habe zwar gewusst, dass Peter Regli Jürg Jacomet kannte und mit ihm «dealte». «Von Kontakten zu Hrn. Basson wusste mein ehemaliger Dienst (SND) nichts, bis sie in den Medien publik wurden». Ebenso legte Peter Regli anlässlich seiner Anhörung durch die GPDel grossen Wert darauf, dass der Nachrichtendienst, dessen Chef und seine Vorgänger mit dem geheimen Chemiewaffenprojekt Südafrikas nichts zu tun gehabt hätten. Deswegen gäbe es darüber auch keine Unterlagen; und folglich hätten diesbezüglich auch keine Akten vernichtet werden können.

Mit Ausnahme der noch darzustellenden Diskussionen um die verschwundenen Gelder im Frühjahr 1994 (vgl. Ziff. 10.4.4) bestehen keine Hinweise, wonach das Projekt «Coast» als Ganzes oder in Teilen Gegenstand von Erörterungen zwischen der UNA bzw. der UG ND und südafrikanischen Dienststellen gebildet hätte. Es erscheint deshalb der GPDel durchaus glaubwürdig, dass Peter Regli erstmals anlässlich seines Besuchs in
Südafrika im Oktober 1997 in den Grundzügen über die Hintergründe dieses Geheimprojekts informiert worden war. Wie dieser vor der GPDel ausführte, war kurze Zeit vor jenem Besuch in der schweizerischen Presse ein Bericht über das Projekt «Coast» erschienen; er habe den Zeitungsartikel nach Südafrika gesandt «mit der Bitte, mir zu erklären, was los sei». Dort habe er dann zum ersten Mal konkret erfahren, um was es sich beim Projekt «Coast» gehandelt habe.

In den von ihm verfassten Kontaktprotokoll über den Chefbesuch vom 6. bis 10. Oktober 1997 kam Peter Regli zu folgenden Erkenntnissen: Dr. Wouter Basson sei in den 80er Jahren vom Surgeon General zum Projektleiter für ein nationales (geheimes) Abwehrprogramm für B/C-Waffen ernannt worden; dazu hätte er grosse Vollmachten und auch viel Geld zur Verfügung gehabt. Um die Abwehr führen zu können, müsse man auch die Agenzien kennen. Hier sei Jürg Jacomet als Agent eingesetzt worden. Er hätte die Aufgabe gehabt, über seine Kanäle im Osten B/C Kampfstoffe zu beschaffen. In diesem Zusammenhang sei es in einem Geschäft mit dem kroatischen Geheimdienst zu unlauteren Handlungen mit grösseren Geldsummen gekommen. Basson sei der Veruntreuung angeklagt worden. Man meinte, das Geld sei auf Schweizer Banken und leitete deswegen ein Rechtshilfegesuch an die Schweiz ein. Vertreter des «Office of serious economic offenses» seien in Zürich 2364

und würden Nachforschungen betreiben. Basson hätte auch Kontakte mit Huber und Suhner gehabt und dort auch Material beschafft. Das ganze B/C-Programm sei dann (90er Jahre) eingestellt, das Material vernichtet und Basson aus der Verantwortung entlassen worden. Auf Druck der CIA und des MI6 habe man ihn aber wieder als Experten eingestellt, um über ihn die Spuren zu den Lieferanten im Osten aufnehmen zu können. Basson solle auch in die Herstellung von grösseren Mengen ExtasyPillen verwickelt gewesen sein.

Im Übrigen wurden Peter Regli bei diesem Besuch vom Surgeon General, General lieutenant Knobel, zwei Schreiben von Jacomet (vom 12. Mai 1993) ausgehändigt, in welchem dieser seine Lage im Geschäft mit Basson erklärte. Die Bitte mit einem Vertreter des «Office of serious economic offenses» zu sprechen, lehnte Peter Regli jedoch ab, mit dem Hinweis, dass er einem solchen Treffen nur zustimmen könnte, wenn über das EJPD eine offizielle Anfrage erfolgen würde.

Sowohl die Tatsache, dass mit Ausnahme der einmaligen Intervention im März 1994 (vgl. Ziff. 10.4.4) keine Diskussionen über das Thema «Wouter Basson» stattgefunden hatten, wie auch der Tenor dieses Kontaktprotokolls zeigen deutlich auf, dass Peter Regli und mit ihm auch die UG ND während ihren Kontakten mit den südafrikanischen Diensten offenbar völlig ahnungslos waren und keine Kenntnis von der Existenz eines offensiven Programms der biologisch-chemischen Kriegsführung hatten. Andernfalls hätte für Peter Regli wohl kaum eine Veranlassung bestanden, die zu jenem Zeitpunkt (1997) für interessierte Zeitgenossen schon weitgehend bekannten Fakten in einem als «geheim» klassifizierten Kontaktprotokoll wiederzugeben.

Einmal mehr zeigen sich aber auch in diesem Zusammenhang die Probleme, die sich für die UG ND aus der Nähe seines obersten Chefs zu Jürg Jacomet ergeben haben.

Dieser hat es bestens verstanden, seine Beziehungen zum USC ND auszunützen; und Peter Regli war ohne Weiteres bereit, ihm willfährig gewisse Türen zu öffnen.

In diesem Sinn dürfte es Peter Regli im Wesentlichen seiner Nähe zu Jürg Jacomet zu verdanken haben, dass er von Wouter Basson der Gehilfenschaft oder zumindest einer partiellen Mitwisserschaft bezüglich des Projekts «Coast» beschuldigt wurde.

Indem er sich bis zum «Uranfund in Kemptthal» (vgl. Ziff. 9.7) nie von Jürg
Jacomet distanzierte und diesen im Wissen um die Tatsache, dass er sich als Agent des schweizerischen Nachrichtendienstes ausgab, gewähren liess, trug er wesentlich zu den aufgekommenen Verdächtigungen bei.

10.4.2

Höflichkeitsbesuch oder regelmässige Kontakte?

Peter Regli hatte immer geltend gemacht, er habe Wouter Basson lediglich einmal anfangs der 90er Jahre im Rahmen eines Höflichkeitsbesuchs getroffen. Jürg Jacomet habe sich damals wieder einmal bei ihm gemeldet und ihn gebeten, zwei hohe Mitarbeiter der südafrikanischen Polizei zu einem Höflichkeitsbesuch zu empfangen. Weil ­ wie ihm erst heute bekannt sei ­ Jürg Jacomet immer behauptet habe, er sei ein Agent des Dienstes, sei es für dessen Glaubwürdigkeit vermutlich wichtig gewesen, den Chef des Dienstes mit seinen Gästen aus Südafrika bekanntmachen zu können. In Begleitung von Jürg Jacomet hätten ihn dann General Lothar Neethling und Brigadier Wouter Basson in seinem Büro in Bern aufgesucht; an den genauen Termin könne er sich nicht mehr erinnern, es müsse aber anfangs der 90er Jahre gewesen sein. Der Höflichkeitsbesuch habe etwa 45 Minuten gedauert, und es sei im 2365

Wesentlichen über Sicherheitsfragen diskutiert worden; ein Protokoll darüber existiere nicht. Es habe sich um ein einmaliges Treffen gehandelt, wobei ihm die genauen Funktionen der beiden Gesprächspartner nicht bekannt gewesen seien. Er habe anschliessend weder zu Lothar Neethling noch ­ mit Ausnahme eines einzigen Telefongesprächs (vgl. dazu Ziff. 10.4.3) ­ zu Wouter Basson irgendeinen Kontakt gehabt.

Im Schlussbericht der Administrativuntersuchung wird ausgeführt, dass Peter Regli zwischen 1987/88 und 1993/94 mehrere Kontakte mit Wouter Basson gehabt habe.

Belege dafür, dass zusätzlich zu dem von Peter Regli erwähnten Höflichkeitsbesuch noch weitere Treffen stattgefunden haben können, liegen der GPDel jedoch nicht vor. Allerdings lässt es sich nicht ganz ausschliessen, dass eine Verwechslung vorliegen könnte oder dass es im Zusammenhang mit dem Besuch von Wouter Basson und Lothar Neethling vom 25. Januar 1988 bei der GRD und der anschliessenden Konferenz über die Luftwaffe in Belp (vgl. dazu Ziff. 10.5.1) zu einer kurzen Begrüssung mit Peter Regli, damals Chef FFND, gekommen sein könnte.

10.4.3

Telefonanruf nach der Festnahme Wouter Bassons

Wouter Basson war bekanntlich am 27. November 1993 in Basel festgenommen und anschliessend an die Bezirksanwaltschaft Zürich zugeführt worden (vgl.

Ziff. 10.3.5). Im Anschluss an die erste Einvernahme durch die Bezirksanwaltschaft Zürich vom 29. November 1993 machte er geltend, dass er allerdings General Regli treffen sollte; dieser sei der Chef des Schweizer Geheimdienstes. Er (W.B.) sei damit einverstanden, dass der Bezirksanwalt Peter Regli mitteile, er sei im Gefängnis «wegen dem Jacomet-Vorfall». Der zuständige Bezirksanwalt nahm in der Folge telefonisch Kontakt mit Peter Regli auf. In der entsprechenden Aktennotiz wird festgehalten, Peter Regli wünsche ab sofort keinen Kontakt mehr mit Wouter Basson, da er niemandem mehr aus dem Umfeld von Jürg Jacomet begegnen wolle.

Peter Regli führte dazu aus, dass Wouter Basson nach der Haftentlassung von Brüssel aus versucht habe, telefonisch mit ihm in Kontakt zu treten; er habe aber das Telefon aufgehängt, weil ihm Jürg Jacomet damals schon genügend Probleme bereitet habe. Aufgrund einer handschriftlichen Notiz Peter Reglis muss jedoch angenommen werden, dass dieses Telefongespräch nicht nach der Haftentlassung, sondern kurz vor der Einreise Wouter Bassons in die Schweiz am 24. November 1993 stattgefunden haben muss.

Der genaue Hintergrund dieses Telefongesprächs konnte nicht mehr geklärt werden.

Hingegen erscheint die Aussage Peter Reglis, er habe keine Kontakte mehr zum Umfeld von Jürg Jacomet gewünscht, nachdem er sich mit ihm im Zusammenhang mit dem Uranfund in Kemptthal (28. September 1993; vgl. dazu Ziff. 9.7) völlig überworfen habe, zumindest nachvollziehbar zu sein. Auch aus der Tatsache, dass Wouter Basson unmittelbar nach seiner Verhaftung die Benachrichtigung Peter Reglis gewünscht hatte, kann nicht auf eine besonders enge Beziehung geschlossen werden. Vielmehr ist anzunehmen, dass Wouter Basson damit im Wesentlichen den Zweck verfolgte, den Bezirksanwalt auf seine angeblichen Kontakte bis in die höchsten Geheimdienstkreise hinzuweisen, und sich davon allenfalls gewisse Vorteile für die laufende Strafuntersuchung versprach.

2366

10.4.4

Spätere Abklärungen in Südafrika

Die im Rahmen des Prozesses gegen Wouter Basson in Südafrika getätigten Abklärungen ergaben, dass er und Jürg Jacomet es offenbar darauf abgesehen hatten, mit den gefälschten Obligationen der Banco di Napoli wieder in den Besitz von Geldern zu gelangen, die sie zuvor mutmasslich veruntreut hatten. Zu Lasten des Projekts «Coast» war im Auftrag von Wouter Basson am 10. November 1992 der Betrag von 2,3 Millionen US$ auf ein Konto von Jürg Jacomet bei der Zagrebaca Bank in Zagreb überwiesen worden. Nach den Aussagen Wouter Bassons vor der Bezirksanwaltschaft Zürich sollte dieses Geld dafür bestimmt gewesen sein, Agenten zu bezahlen sowie Informationen, Waffen und Ausrüstungsgegenstände der kroatischen Armee zu beschaffen. Da die Gelder nicht direkt von Südafrika nach Kroatien gelangen sollten, sei Jürg Jacomet als Mittelsmann eingesetzt worden; dieser habe sich zu jener Zeit bereits in Kroatien aufgehalten (vgl. dazu auch Ziff. 10.5.3).

Die entsprechenden Unterlagen aus dem Prozess gegen Wouter Basson in Südafrika deuten jedoch eher darauf hin, dass die Überweisung ohne nachvollziehbare Begründung erfolgt war und im Wesentlichen dazu diente, sich auf Kosten des südafrikanischen Staates zu bereichern. Der Regimewechsel in Südafrika hatte sich zu jenem Zeitpunkt bereits klar abgezeichnet und das Projekt «Coast» war in Auflösung begriffen. Nachdem der südafrikanische Staatspräsident De Klerk anfangs 1993 auf der Grundlage des «Steyn Report» die Liquidation des Projekts «Coast» formell beschlossen hatte, wurde Wouter Basson per Ende März 1993 als geschäftsleitender Direktor abgesetzt. Es scheint, dass er die ihm noch verbliebene Zeit nutzte, um Vermögenswerte des Projekts «Coast» für eigene Zwecke zu verwenden. Im Prozess gegen Wouter Basson standen jedenfalls neben der Zweckentfremdung der auf das Konto von Jürg Jacomet überwiesenen 2,3 Millionen US$ eine ganze Reihe weiterer Finanztransaktionen zur Diskussion, welche den Schluss auf gross angelegte und mutmasslich kriminelle Vermögensverschiebungen nahe legen.

Aufgrund der im Prozess gegen Wouter Basson analysierten Unterlagen steht fest, dass Jürg Jacomet zumindest einen Teil des ihm nach Zagreb überwiesenen Betrags von 2,3 Millionen US$ entgegen den angeblichen Instruktionen Wouter Bassons eigenmächtig verwendet hat. Unter anderem wurden daraus auch
die Kosten seines Aufenthalts im Hotel Esplanade in Zagreb für die Zeit vom 12. November 1992 bis 3. Januar 1993 im Betrag von 21 949 US$ beglichen; im Weitern nahm Jürg Jacomet diverse Barabhebungen in der Grössenordnung von mehr als einer Million US$ vor.

In den Unterlagen des Prozesses gegen Wouter Basson findet sich denn auch ein Schreiben von Jürg Jacomet an Niel Knobel, den formellen Leiter des Projekts «Coast». Dieses Schreiben datiert vom 12. Mai 1993 und wurde demzufolge nur eine Woche vor der ersten Besprechung bei der AKB betreffend der gefälschten Obligationen der Banco di Napoli vom 19. Mai 1993 (vgl. Ziff. 10.3.5) verfasst.

Allein schon aufgrund dieses unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs erscheint es offensichtlich, dass die vorgesehene Kreditierung der gefälschten Obligationen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem ­ wenn auch untauglichen ­ Versuch stand, die in Kroatien veruntreuten Gelder auf andere Weise zu ersetzen. Im erwähnten Schreiben an Niel Knobel übernahm jedenfalls Jürg Jacomet die Verantwortung für die verschwundenen Gelder und brachte vor, dass er zwar auftragsgemäss zwei Tranchen zu je 450 000 US$ an kroatische Staatsbürger weitergeleitet habe. Im unmittelbaren Anschluss daran sei er aber von den kroatischen Behörden für zwei Monate unter Arrest gestellt worden, wobei zugleich die auf dem Bankkonto liegenden Gelder eingezogen worden seien.

2367

Die im Prozess gegen Wouter Basson geführten Abklärungen ergaben indessen, dass die beiden von Jürg Jacomet geltend gemachten Transaktionen von je 450 000 US$ im November/Dezember 1992 zwar tatsächlich ausgeführt worden waren; die Zahlungen gingen jedoch nicht an zwei kroatische Staatsangehörige, sondern an C. van Remoortere (vgl. Ziff. 10.6.1), einen engen Bekannten von Wouter Basson. Überdies zeigte sich, dass Jürg Jacomet noch im Februar 1993 weitere Überweisungen auf eigene Konten oder auf Konten ihm persönlich Bekannter, insbesondere seiner damaligen Freundin, vorgenommen hatte. Seine gegenüber Niel Knobel abgegebene Erklärung dürfte somit frei erfunden gewesen sein (vgl. auch Ziff. 10.3.5).

In einem Protokoll des Leitungsausschuss des (in Liquidation befindlichen) Projekts «Coast» vom 24. Januar 1994 wurde noch in geraffter Form die Schilderung Wouter Bassons, welche im wesentlichen mit der von Jürg Jacomet übereinstimmte, unbesehen übernommen. Offenbar wurden dann aber Bestrebungen unternommen, um die von Wouter Basson abgegebenen Erklärungen zu überprüfen. In einem Schreiben des südafrikanischen Verteidigungsattachés an Peter Regli vom 3. März 1994 wird angekündigt, dass Niel Knobel anlässlich des nächsten Besuchs in Südafrika gerne «the Basson incident» besprechen möchte; anwesend werde auch Rechtsanwalt Mr. Swanepoel sein. Vom 27. März bis 6. April 1994 fand ein Chefbesuch in Südafrika statt, an welchem auch Peter Regli mit Gattin teilnahm. In dem von ihm selbst verfassten Kontaktprotokoll wird unter der Rubrik «ausgetauschte Dokumente (erhalten)» u.a. erwähnt: «Fragen über den Fall Jacomet für Bupo (Bundespolizei)».

Bei den Akten des Prozesses gegen Wouter Basson in Südafrika befand sich u.a.

auch ein als geheim bezeichnetes Schreiben Peter Reglis an Niel Knobel vom 12. April 1994; in den Aktenbeständen der Direktion SND liess sich keine Kopie finden, so dass anzunehmen ist, dass es dort vernichtet worden ist. In jenem Schreiben führte Peter Regli aus: «Dear General Knobel!

My first inquiries here [in Switzerland] have given that you should probably forget the issue and not continue the investigation!

Questions from your side would require proceedings by our Department of Justice and could therefore not be kept classified. At the end it could come to an open court case. This
is certainly not in your interest.

Thank you once again for the interesting discussion. I'm looking forward to your information and shall then give you a definitive answer.

In the meantime I remain with best regards».

In einem Kontaktprotokoll über einen Kurzbesuch des (neu eingesetzten) südafrikanischen Chief Director Military Intelligence vom 23. April 1994 hielt Peter Regli u.a. fest, dass er seinen Gesprächspartner gebeten habe, Niel Knobel zu empfehlen, «die Akte zu schliessen. Es sei ­ nach meinen Abklärungen ­ in ihrem Interesse (nicht zuletzt wegen der Diskretion)».

Anlässlich einer weiteren Sitzung des Leitungsausschuss des Projekts «Coast» vom 29. März 1994 ­ somit zwei Tage nach Antritt des Besuchs von Peter Regli in Südafrika ­ berichtete Niel Knobel über die Informationen, welche er im Zusammenhang mit den in Kroatien verschwundenen Geldern erhalten hatte. Im entsprechenden ­ in Afrikaans verfassten ­ Protokoll wird Niel Knobel dahingehend zitiert, dass er mit Peter Regli gesprochen und dieser einen grossen Teil der Erklärungen von Wouter Basson bestätigt habe. Auch werde er bei der Wiederbeschaffung der Dokumentation behilflich sein.

2368

Peter Regli hatte dazu bereits anlässlich seiner Anhörung im Jahr 1999 Stellung genommen. Wie er damals vor der GPDel ausführte, war er anlässlich seines Chefbesuchs in Südafrika vom März 1994 erstmals darauf angesprochen worden, dass Wouter Basson allenfalls zusammen mit Jürg Jacomet Gelder in der Grössenordnung von mehreren Millionen Franken veruntreut haben soll. Niel Knobel, den er zuvor nicht gekannt habe, habe sich bei ihm erkundigt, ob er bei der Abklärung und Rückführung der Gelder allenfalls behilflich sein könne. Anlässlich dieses Gesprächs, das auf ausdrücklichen Wunsch von Niel Knobel zustande gekommen sei, habe er betont, dass er selbst nichts unternehmen könne und der ordentliche Rechtshilfeweg einzuhalten sei. Im Rahmen der laufenden Abklärungen führte Peter Regli ergänzend aus, Niel Knobel habe ihn anlässlich dieses Gesprächs gefragt, ob er (P.R.) nicht behilflich sein könnte, diesen Geldern diskret nachzuforschen. Er habe daraufhin zur Antwort gegeben, dass er lediglich für das Ausland zuständig sei und die Anfrage in dieser Art nicht behandeln könne. Niel Knobel müsse sie schriftlich abfassen, damit er (P.R.) sie in die Schweiz mitnehmen und den entsprechenden Behörden unterbreiten könne. Tags darauf habe er das entsprechende Papier erhalten. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz habe er es dem Chef der damaligen Bundespolizei (BuPo) übergeben mit der Mitteilung, dass die Südafrikaner die Anfrage aus internen Gründen geheim halten möchten. Vom Chef der BuPo habe er dann kurze Zeit später die Antwort erhalten, er «solle den Südafrikanern mitteilen, diese Anfrage zu vergessen und auf ordentlichem Weg ein Rechtshilfegesuch zu stellen».

Das habe er getan, und damit sei die Angelegenheit für ihn erledigt gewesen. Angesprochen auf das fragliche Protokoll des Leitungsausschusses «Coast» vom 29. März 1994 machte Peter Regli geltend, er gehe davon aus, dass Niel Knobel seine Vorgesetzten darüber informiert habe, dass er mit ihm gesprochen und ihn anlässlich eines Besuchs in Südafrika gebeten habe, allfällige Finanztransaktionen in der Schweiz abzuklären.

Die Erklärung Peter Reglis erscheint durchaus nachvollziehbar. Insbesondere wurde vom Chef der Bundespolizei schon im Rahmen der 1999 von der GPDel durchgeführten Untersuchungen ausdrücklich bestätigt, dass er die seinerzeitige Anfrage,
allenfalls Abklärungen bei Banken vorzunehmen und über Wouter Basson Auskünfte einzuziehen, abgelehnt und Peter Regli auf den formellen Rechtshilfeweg verwiesen habe. Die südafrikanischen Behörden hatten dann in der Folge auch am 28. Oktober 1996 ein formelles Rechtshilfeersuchen an die Schweiz gerichtet.

10.5

Kontakte zur Gruppe Rüstung bzw. zum AC Labor Spiez

10.5.1

Besuche südafrikanischer Delegationen im AC Labor

Die GPDel hatte bereits in ihrem Bericht vom 12. November 1999 ein Kapitel der «angeblichen Beteiligung des AC Laboratoriums Spiez an südafrikanischen Plänen zur Entwicklung biologischer und chemischer Waffen» gewidmet. Schon damals waren insbesondere Abklärungen zu einem Besuch von Wouter Basson und Lothar Neethling vom 25. Januar 1988 sowie von Wissenschaftern der Protechnik Laboratoires LTD vom 23. Januar 1991 getätigt worden. Die in jenem Bericht aufgearbeiteten Fakten wurden im Rahmen der vorliegenden Untersuchung weitgehend bestätigt.

2369

Das AC-Labor Spiez zählt zu den weltweit führenden Institutionen im Bereich der Abwehrmassnahmen gegen atomare, biologische und chemische Kriegsführung. Es stand während Jahren in Kontakt zur Firma Louis Schleiffer AG, welche u.a. das auch von der Schweizer Armee verwendete Kampfstoff-Nachweisgerät (KANAG) entwickelt hatte und produzierte. Am 27. November 1987 erhielt das AC-Labor Spiez von der Louis Schleiffer AG unaufgefordert Blut- und Urinproben. Die Körperflüssigkeiten stammten nach deren Angaben angeblich von Opfern aus Südafrika und sollten im Hinblick auf allfällige Spuren von bekannten sowie neuen, bisher noch unbekannten, Schadstoffen bzw. deren Metaboliten analysiert werden. Am 2. Dezember 1987 teilte das AC-Labor Spiez der Louis Schleiffer AG mit, dass in Berücksichtigung des Zeitablaufs zwischen angeblichem Kampfmitteleinsatz und Probeentnahme zu viel Zeit verstrichen sei, so dass die gewünschte Spurenanalyse nicht mehr möglich sei. Die Louis Schleiffer AG erteilte am 8. Dezember 1987 telefonisch die Instruktion, dass das Probenmaterial vernichtet werden könne.

Am 19. Januar 1988 setzte sich Niklaus Schleiffer telefonisch mit dem AC-Labor Spiez in Verbindung und erkundigte sich nach den Möglichkeiten, zwei südafrikanische Generäle zu empfangen. Die beiden würden am 25. Januar 1988 auf Einladung des Kommandos der Luftwaffe an einem Hearing über neue Luft-Luft-Abwehrwaffen in Belp teilnehmen. Es sei ein Helitransport ab Dübendorf vorgesehen, und es bestehe für den Vormittag die Möglichkeit eines Zwischenhalts in Spiez. Die beiden Generäle würden sich gerne mit Vertretern des AC-Labors über neueste C-Einsätze unterhalten, von denen eine ganze südafrikanische Kompanie betroffen worden sei; sie hätten Fotomaterial und Videobänder von Verletzten in Aussicht gestellt. Als «Begleiter» wurden in der Aktennotiz des AC-Labors «Hr. Jacomet» mit dem Vermerk «Privatperson, Freund von General Neethling» sowie Niklaus Schleiffer genannt.

Das AC-Labor erachtete den angekündigten Besuch «aus verschiedenen Gründen nicht willkommen (Clearance, Politik)» und nahm deshalb am folgenden Tag Kontakt mit Peter Regli in seiner damaligen Eigenschaft als Chef FFND im Kommando der Luftwaffe auf. In der Aktennotiz des AC-Labors Spiez vom 20. Januar 1988 wurde ausgeführt, dass Peter Regli «angeblich» die Namen der
Begleiter der südafrikanischen Generäle nicht kenne. Er habe auch nichts mit dem Programm vom Vormittag zu tun und übernehme die Gäste erst gegen Mittag in Belp. Peter Regli habe kein Verständnis für die Bedenken, welche von Seiten des AC-Labors geäussert worden seien.

Das AC-Labor lehnte es in der Folge ab, die südafrikanische Delegation in seinen Räumlichkeiten in Spiez zu empfangen. Offenbar war es anschliessend dann zu verschiedenen telefonischen Kontakten mit dem Militärprotokoll gekommen, die der GPDel anlässlich ihrer früheren Abklärungen im Jahr 1999 noch nicht offen gelegt worden waren. Sie erhielt erst im Rahmen der vorliegenden Untersuchung Kenntnis von verschiedenen Aktennotizen, die in diesem Zusammenhang vom Militärprotokoll erstellt worden waren. Am 22. Januar 1988 orientierte das AC-Labor telefonisch das Militärprotokoll über den angekündigten Besuch von zwei Offizieren aus Südafrika. Das Militärprotokoll versuchte im Anschluss daran, beim Kommando der Flieger- und Fliegerabwehrtruppen näheres in Erfahrung zu bringen und erhielt von Peter Regli die Mitteilung, es sei ihm zwar bekannt, dass Besucher kämen, er wisse aber nicht, wer eingeladen habe. Schliesslich ergab auch eine Rückfrage beim damaligen USC NA, dass weder dieser noch der Chef der Sektion Beschaffung über den angekündigten Besuch aus Südafrika im Bild waren.

2370

Die letztlich auf Wunsch von Niklaus Schleiffer organisierte und von Peter Regli geförderte Aussprache mit Vertretern des AC-Labors Spiez fand am 25. Januar 1988 in den Büroräumlichkeiten der Gruppe Rüstung in Bern statt. In einem handschriftlichen Protokoll wurden als Teilnehmer neben den Vertretern des AC-Labors Spiez Jürg Jacomet mit dem Zusatz «FFND», General Lothar Neethling («Chef SA Polizei, verantwortlich für Terrorbekämpfung Inland») und Brigadier Wouter Basson («Angehöriger der SA Verteidigungskommission, verantwortlich für Terrorbekämpfung Ausland») genannt. Erörtert wurden insbesondere Informationen über vermutete, neuartige Kampfmitteleinsätze in Namibia, wobei im handschriftlichen Protokoll u.a. festgehalten wurde: «Drum und Dran zum Besuch verworren!». Ein ehemaliger Mitarbeiter des AC-Labors Spiez, der wesentlich an der Entwicklung des Kampfstoff-Nachweisgeräts (KANAG) und der Schutzmaske 90 (SM 90) beteiligt war, bestätigte gegenüber der GPDel im Wesentlichen den Inhalt dieser Aktennotiz und gab ergänzend zu Protokoll, dass Wouter Basson seiner Erinnerung nach damals als südafrikanischer Oberfeldarzt vorgestellt worden sei.

Peter Regli selbst hatte an dieser Besprechung nicht teilgenommen. Wie er schon 1999 gegenüber der GPDel ausführte, konnte er sich an ein Telefongespräch mit dem AC-Labor nicht mehr erinnern. Es sei aber durchaus denkbar, dass ihm Jürg Jacomet damals gesagt habe, dass eine Delegation aus Südafrika da sei, und ihn gefragt habe, ob er mit dieser Delegation nach Spiez gehen könne. Ebenso sei es möglich, dass er in der Folge das AC-Labor angerufen und für Jürg Jacomet die Türe geöffnet habe. Damals sei der Krieg in Angola gelaufen und sie seien interessiert gewesen, Informationen über die dort eingesetzten Chemiewaffen zu erhalten.

Hingegen äusserte sich Peter Regli damals mit keinem Wort zum Nachmittagsprogramm des Kommandos der Flieger- und Fliegerabwehrtruppen, von welchem die GPDel erst im Rahmen der vorliegenden Abklärungen erstmals Kenntnis erhielt.

Aufgrund der neu aufgefundenen Aktennotizen dürfte feststehen, dass Wouter Basson und Lothar Neethling am 25. Januar 1988 auf Einladung der Luftwaffe in der Schweiz weilten und mit einem von deren Kommando organisierten Helikopter der Schweizer Armee von Dübendorf nach Belp transportiert wurden. Lothar Neethling
hatte sich denn auch in Südafrika dahingehend geäussert, dass er zusammen mit Wouter Basson auf einer Helikopterbasis in der Schweiz zum ersten Mal mit Peter Regli zusammengekommen sei; ein zweites und letztes Mal habe er Peter Regli 1989/90 in Südafrika getroffen. Auf entsprechende Nachfrage beharrte Lothar Neethling darauf, dass er Peter Regli nicht anlässlich eines Höflichkeitsbesuchs in Bern, sondern auf einer Helikopterbasis getroffen habe. Um diesen Sachverhalt zu klären, hat die GPDel versucht, weitere Auskünfte zu den Umständen und Hintergründen des fraglichen Helikoptertransports einzuholen. Auf schriftliche Anfrage gab die Luftwaffe der GPDel bekannt, dass ihr «keine Hinweise oder Informationen zum erwähnten Treffen vom 25.1.1988» vorliegen. Ergänzend wurde ausgeführt, dass die Flugrapporte während fünf Jahren aufbewahrt und anschliessend vernichtet werden. Selbst wenn die Flugrapporte noch vorhanden gewesen wären, hätten sich aber wohl kaum relevante Hinweise ergeben, da nach der allgemeinen Praxis des Nachrichtendienstes die Personalien der in ihrem Auftrag transportierten Personen nicht einmal der Luftwaffe bekannt gegeben würden.

Ebenfalls keine Klärung konnte in Bezug auf die kontroversen Aussagen von Peter Regli und Lothar Neethling über die Umstände ihres ersten Zusammentreffens erzielt werden. Einerseits ist nicht einzusehen, welches Interesse Lothar Neethling daran haben könnte, in Bezug auf sein erstes Treffen mit Peter Regli eine falsche 2371

Version zu Protokoll zu geben. Es erscheint deshalb durchaus nicht ausgeschlossen, dass es sich bei dem von Peter Regli auf anfangs der 90er Jahre datierten Höflichkeitsbesuch im Bundeshaus in Bern (vgl. Ziff. 10.4.2) auch um das Treffen in Belp vom 25. Januar 1988 handeln könnte. Andererseits darf aber nicht ausser acht gelassen werden, dass die Vorfälle rund 15 Jahre zurückliegen, so dass ein Irrtum sowohl bei Peter Regli wie auch bei Lothar Neethling nicht ausgeschlossen werden kann.

Jedenfalls sind Höflichkeitsbesuche oder auch andere Besuche ausländischer Delegationen in nachrichtendienstlichen Kreisen nicht derart aussergewöhnlich, dass sie einen bleibenden Eindruck hinterlassen müssten. Nachdem kontroverse Aussagen vorliegen und weitere Überprüfungsmöglichkeiten ausscheiden, darf jedenfalls nicht zu Lasten von Peter Regli davon ausgegangen werden, dass seine Version nicht ebenso gut auch den Tatsachen entsprechen könnte.

Mit Ausnahme des einen Treffens vom 25. Januar 1988 in Bern konnten keine weiteren Zusammenkünfte zwischen Lothar Neethling und/oder Wouter Basson einerseits und Mitarbeitern des AC-Labors Spiez andererseits eruiert werden. Hingegen empfing das AC-Labor Spiez am 23. Januar 1991 einen südafrikanischen Wissenschafter der Protechnik Laboratories LTD, welcher sich nach dem damaligen Informationsstand in Südafrika mit Fragestellungen der Abwehrmassnahmen im Bereich der biologisch-chemischen Kriegsführung befasste. Die Besuchsanfrage war über das Militärprotokoll erfolgt und von den vorgesetzten Stellen bewilligt worden.

Thema des Fachgesprächs, zu welchem der Wissenschafter vom südafrikanischen Verteidigungsattaché begleitet wurde, bildeten Computermodelle für die Ausbreitung chemischer Kampfstoffe.

Im Anschluss an diesen Besuch bedankte sich der südafrikanische Verteidigungsattaché am 20. Februar 1991 beim AC-Labor Spiez und verband sein Dankesschreiben mit einer Gegeneinladung nach Südafrika. Da das AC-Labor einen Besuch in Südafrika aus politischen Gründen als nicht opportun erachtete, lehnte es die Einladung am 15. Mai 1991 dankend ab. Wie der Leiter des AC-Labors gegenüber der GPDel bereits 1999 ausgesagt hatte, bestand im Übrigen auch kein grosses Interesse an den Vorfällen in Südafrika und Namibia, da die Meldungen diffus und die Quellen nicht seriös erschienen seien.
Im Auftrag der Protechnik Laboratories LTD nahm das AC-Labor Spiez überdies im März 1994 eine Prüfung von Schutzmaskenfiltern vor. Die entsprechenden Resultate wurden dem Auftraggeber unter Verrechnung der Prüfkosten bekannt gegeben.

Derartige Analyse- oder Prüfaufträge waren keineswegs ungewöhnlich und zählten zu den üblichen Dienstleistungen, welche vom AC-Labor im Bereich der Abwehrmassnahmen gegen biologische oder chemische Kriegsführung erbracht wurden und werden.

Wie das AC-Labor Spiez weiter bekanntgab, wurden zwischen 1988 und 1990 insgesamt drei Untersuchungen an mehreren Proben von Bombensplittern aus An-

2372

gola durchgeführt. Auftraggeber war die seinerzeitige UNA, welche die Ergebnisse einem befreundeten Dienst (nicht Südafrika) habe zur Verfügung stellen wollte51.

Vom 22. März bis 1. April 1994 nahm ein Mitarbeiter des AC-Labors Spiez an einer UN-Mission in Südafrika und Mosambik teil. Er verfasste darüber einen zusammenfassenden Bericht «Untersuchung des angeblichen Einsatzes von Chemie-Waffen durch die RENAMO in Mozambique gegen Regierungstruppen im Rahmen der UN-Mission» (vgl. dazu auch Ziff. 7.2).

Im Zusammenhang mit den Vorbereitungen zum Abschluss eines internationalen Chemiewaffenübereinkommens kam es nach dem Regimewechsel in Südafrika schliesslich zu vermehrten Kontakten mit der Protechnik Laboratories LTD, welche in Südafrika eine ähnliche Funktion wie das AC-Labor in der Schweiz erfüllte. Zur Diskussion stand vor allem eine informative und logistische Unterstützung der südafrikanischen Behörden im Zusammenhang mit dem Beitritt zum Chemiewaffenübereinkommen der UNO.

10.5.2

Kontroverse um den Peptidsynthesizer

Während der Abklärungen der GPDel im Jahre 1999 hatte noch die Aussage Wouter Bassons zur Diskussion gestanden, wonach er im Herbst 1990 beim AC-Labor Spiez einen Peptidsynthesizer ­ ein Geräte zur Synthese von Aminosäuren ­ für 2,4 Millionen US$ (ca. 3,6 Millionen Franken) gekauft und später dann gegen Lieferung von Chemikalien zurück getauscht habe. Jener Vorfall war bereits im Rahmen des Rechtshilfeersuchens der südafrikanischen Staatsanwaltschaft vom 28. Oktober 1996 geklärt worden. Wie auch der südafrikanische Staatsanwalt Anton Ackermann gegenüber der GPDel erklärt hat, deutet alles darauf hin, dass es sich bei der diesbezüglichen Aussage Wouter Bassons um einen weiteren Versuch handelt, die von ihm mutmasslich begangenen Vermögensdelikte zu vertuschen. Es liegt jedenfalls kein einziges Indiz dafür vor, dass Wouter Basson einen Peptidsynthesizer in der Schweiz gekauft haben könnte. Die Abklärungen der GPDel haben ergeben, dass das AC-Labor Spiez nie einen Peptidsynthesizer zur Beschaffung beantragt, gekauft, geleast, gemietet oder geschenkt erhalten, geschweige denn ein derartiges Instrument oder Chemikalien irgendwelcher Art nach Südafrika geliefert hatte. Abgesehen davon, erscheint schon der von Wouter Basson genannte Betrag absolut unrealistisch zu sein. Er entspricht zwar im wesentlichen der Summe, welche im Herbst 1992 auf das Konto von Jürg Jacomet nach Zagreb überwiesen worden war (vgl. Ziff. 10.4.4); zu jener Zeit bewegten sich aber die Preise für Peptidsynthesizer auf Fr. 36 000.­ (Halbautomat) bis Fr. 150 000.­ (Vollautomat).

51

Laut der Gruppe Rüstung richtete sich das Interesse primär auf die Anwesenheit von Trikresylphosphat. Der Nachweis würde die Theorie stützen, nach der die charakteristische Stepperganglähmung von angolanischen Opfern von vermuteten C-Waffeneinsätzen auf diese Substanz zurückzuführen wäre (man hält Trikresylphosphat für verantwortlich für die schweizerischen Ölsoldaten und die Vergiftungen mit gepanschtem Olivenöl in Spanien). An einem Bombensplitter liess sich effektiv Trikresylphosphat nachweisen.

Die Mengen an anderen Stoffen wie u.a. Blausäure und Phosphin waren nicht relevant.

Andere chemische Kampfstoffe wie Nerven- oder Hautgifte konnten nicht nachgewiesen werden.

2373

10.5.3

Kontroverse um die Lieferung von Mandrax und weiterer chemischer Substanzen

10.5.3.1

Erklärungen zu den chemischen Substanzen

Im Zusammenhang mit den von Wouter Basson und Jürg Jacomet in Kroatien mutmasslich veruntreuten Geldern wurde u.a. auch der Verdacht geäussert, dass sie für den Ankauf von Mandrax oder anderen chemischen Substanzen bestimmt gewesen sein könnten. Nachdem diese Substanzen ­ wie auch andere ­ immer wieder im Zusammenhang mit den tatsächlichen oder vermeintlichen Aktivitäten von Jürg Jacomet genannt worden waren, hat sich die GPDel entschlossen, entsprechende Abklärungen in Auftrag zu geben. Dem beim Bundesamt für Polizei angeforderten Bericht kann dazu entnommen werden: «ad Mandrax Bis 1981 von Albert-Roussel vertriebenes Methaqualon-haltiges Schlafmittel, das wegen Suchtgefahr aus dem Handel genommen wurde.

ad Red Mercury Rotes Quecksilber (chem. Zeichen Hg). Unter diesem Namen sind mindestens drei chemische Verbindungen bekannt, nämlich: HgO = Quecksilberoxid, spez. Gewicht ca. 11 g/cm3, gelbrotes Pulver. Bedeutung in der Produktion von galvanischen Elementen, Herstellung von Quecksilbersalzen und quecksilberorganischen Verbindungen sowie als Katalysator bei organisch-chemischen Synthesen. Wurde weiter als Zusatz zu Schiffsbodenfarben und in der Medizin verwendet, mehrheitlich aus Toxizitätsgründen diesbezüglich an Bedeutung verloren.

Hg2O7Sb2 = Quecksilber-Antimon-Oxid. Praktische Anwendung zur Zeit nicht bekannt. Es besteht die Vermutung, dass dieses Material möglicherweise als Katalysator in der Erdölchemie benützt wird.

HgI2 = Quecksilberjodid. Rotes Pulver, welches als Pigment (Zinnober) bekannt ist.

Dient heute in der analytischen Chemie und bei der Dichtebestimmung von Mineralien.

Alle drei Verbindungen haben nach Erkenntnissen der Spezialisten des BEW (Bundesamt für Energiewirtschaft), PSI (Paul Scherrer Institut), VBS sowie gemäss ausländischen Quellen keine Bedeutung im Nuklearbereich oder in der Raketentechnologie.

Quecksilber und seine Verbindungen unterliegen dem Giftgesetz. [...].

Die ehem. Bundespolizei hat bereits im Frühjahr 1992 über den versuchten Handel mit dem sogenannten RED MERCURY orientiert, auch darüber, dass sich diese Geschäfte bisher als Betrügereien oder Scheingeschäfte erwiesen haben. In der Schweiz gelang es bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht, entsprechendes Material sicherzustellen.

Wir haben die entsprechenden Fragen u.a. auch dem AC-Labor in Spiez unterbreitet.
Auch diese Fachstelle kommt insbesondere im Hinblick auf die jeweils vorgelegten Zertifikate zum Schluss, dass es sich vermutlich um Täuschungsversuche handelt. Immerhin weisen diese Spezialisten darauf hin, dass das als Decksubstanz dienen könnte. Es wird ausgeführt, dass es vorstellbar wäre, Plutonium- oder Uranoxid (angereichert oder nicht) in derselben Weise wie Antimonoxid mit Quecksilberoxid zu mischen, so zu einer analogen Verbindung zu gelangen und diese eventuell mit einer Mischung von Antimon- und Quecksilberoxid zu tarnen (Farbe!). Es ist denkbar, dass durch geschickte Packung eine Abschirmung der Alpha- und BetaStrahlung, aber nur teilweise der Gamma-Strahlung möglich wäre. Ausserdem könnte die radioaktive Komponente später durch einfaches Erhitzen in sehr reiner Form wieder freigesetzt werden. ... .

ad Yellow Cake Als Yellow Cake (Urantrioxyd) wird das primäre Zwischenprodukt nach der ersten Raffinierung von Uranerz bezeichnet. Es handelt sich um ein gelbes Pulver, das, gepresst, als erscheint.

2374

Uran (chem. Zeichen U) Radioaktives chemisches Element. Ordnungszahl 92. Stahlgraues Schwermetall. Natürliches Uran besteht aus Uranatomen der Masse 238 (99,27 %) und 235 (0,72 %).

Uran 235 Ist ein Uranisotop und bei genügender Anreicherung waffenfähig. Die Zahl 235 setzt sich zusammen aus der Zahl der Protonen (bei Uran 92 Protonen = Ordnungszahl oder Kernladungszahl) und der Anzahl der Neutronen, hier also 143. 235 ist also die Massenzahl. Zum Bau einer Atombombe werden je nach Anreicherungsgrad 15­25 kg U235 benötigt.

Uran 236 Dieses Isotop entsteht, wenn Uran einem grösseren Neutronenfluss ausgesetzt wurde, d.h. wenn es z.B. in einem Reaktor eingesetzt und bestrahlt worden ist. Wird auch in abgereichertem Uran gefunden.

Uran 238 Hauptbestandteil des Natururans (99,3 %).

Uran-Abgereichert Abfallprodukt aus Anreicherungsanlagen. Dem Natururan wird das Isotop U235 entzogen. Natururan besitzt einen Anteil an U235 von 0,7; abgereichertes Uran enthält noch zwischen 0,4 % (ältere Anreicherungsanlagen) und 0,2 % U235. Wird verwendet als Ballast in Schiffskielen, zur Trimmung von Flugzeugen, in panzerbrechender Munition (von den USA im Golfkrieg) und als Panzerung von Panzern.».

Wie die Bundesanwaltschaft der GPDel auf Anfrage überdies bekannt gab, wurde in der Schweiz lediglich ein Ermittlungsverfahren wegen Yellow Cake geführt; es handelte sich um den bereits erwähnten Uranfund in Kemptthal (Ziff. 9.7). Hingegen bildeten weder Red Mercury noch Mandrax je Gegenstand von Ermittlungsverfahren des Bundes. Verschiedene Ermittlungsverfahren wurden wegen Verdachts auf Widerhandlung gegen das Atomgesetz im Zusammenhang mit Natururan, abgereichertem Uran sowie Uran 235 geführt; diese wiesen jedoch keinen Zusammenhang zu Südafrika auf.

10.5.3.2

Swiss Namibia Ventures Ltd

Die GPDel konnte weiter abklären, dass Jürg Jacomet und zwei weitere Personen im Jahr 1990 in Namibia eine Gesellschaft «Swiss Namibia Ventures Ltd» gegründet hatten. Gegen einen der beiden Mitgesellschafter war im Jahr 1988 in Namibia ein Verfahren wegen «Handling in Mandrax» geführt worden. In südafrikanischen Zeitungen war damals die Rede davon, dass der zweite Mitgesellschafter zuvor beabsichtigt gehabt habe, ein Endlager für atomare Abfälle in der Wüste zu errichten. Später seien dann Verhandlungen zur Errichtung einer pharmazeutischen Fabrik geführt worden. Offenbar sei vorgesehen gewesen, die atomaren Abfälle unter dem Deckmantel pharmazeutischer Produkte einzuführen. Nachdem sich dann jedoch herausgestellt habe, dass die Gelder für das Vorhaben auf betrügerische Weise erlangt worden seien, sei es zu einem Skandal gekommen. Der eine Mitgesellschafter sei von den namibischen Behörden ausgewiesen worden, der andere sei an einer Überdosis Tabletten und Spirituosen gestorben.

Nachdem es sich diesbezüglich um Aktivitäten von Privatpersonen gehandelt hatte und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Amtsstellen des Bundes involviert gewesen sein könnten, hat die GPDel auf weitere Abklärungen verzichtet. Auch der Bundesanwaltschaft ist es offenbar nicht gelungen, weitere Klarheit zu erlangen.

2375

10.5.3.3

Offerte für «Quinezoolione»

Am 10. November 1992 war bekanntlich im Auftrag von Wouter Basson der Betrag von 2,3 Millionen US$ (ca. 3,45 Mio. Fr.) auf ein Konto von Jürg Jacomet bei der Zagrebaca Bank in Zagreb überwiesen worden (vgl. Ziff. 10.4.4). Nur fünf Tage zuvor, am 5. November 1992, hatte Jürg Jacomet auf Briefpapier eines damals in Rümlang, heute in Zürich ansässigen Treuhandunternehmens Wouter Basson eine Offerte zum Kauf von 500 kg «Quinezoolione» zum Preis von 5000 US$ pro Kilogramm offeriert, was einem Gesamtbetrag von 2,5 Millionen US$ entsprochen hätte.

Die Abklärungen der GPDel ergaben, dass Jürg Jacomet sich beim fraglichen Treuhandunternehmen einige Zeit zuvor nach den Modalitäten für die allfällige Führung der Buchhaltung der Intermagnum AG erkundigt hatte. In der Folge wurden ihm schriftlich die Bedingungen bekanntgegeben, wobei es aber nie zu einem Geschäftsabschluss gekommen war. Das fragliche Treuhandunternehmen hatte schon anfangs 1993 Kenntnis davon erhalten, dass Jürg Jacomet deren Briefpapier missbräuchlich verwendet hatte. Dieser gab am 1. Februar 1993 gegenüber dem Treuhandunternehmen schriftlich die Erklärung ab, dass er «aus Sicherheitsgründen und weil ich damals gerade keine andere Wahl hatte» für sein Schreiben an Wouter Basson vom 5. November 1992 unrechtmässig das Briefpapier verwendet habe.

Im Weitern liegt der GPDel eine Faxmitteilung Jürg Jacomets vom 11. Dezember 1992 vor, in welchem er einen Bekannten ersucht, bei den kroatischen Behörden für den 19. und 23. Dezember 1992 für ein aus Sofia kommendes Frachtflugzeug eine Landebewilligung für einen Zwischenhalt in Kroatien einzuholen. Ob dieser Flug ausgeführt worden ist und welchem Zweck er gedient hat, konnte nicht mehr abgeklärt werden.

Es erscheint aber offensichtlich, dass die Aktivitäten Jürg Jacomets von Ende 1992 in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Geldüberweisung von Wouter Basson gestanden haben. Im Rahmen des Prozesses gegen Wouter Basson in Südafrika ist es zwar gelungen, den Weg der damaligen Zahlung von 2,3 Millionen US$ weiterzuverfolgen (vgl. Ziff. 10.2); hingegen konnten die Hintergründe jener Transaktionen nicht abgeklärt werden. Hinweise auf einen realen Handel mit chemischen Substanzen liessen sich aber nicht finden. Vielmehr deutete alles darauf hin, dass Wouter Basson und Jürg Jacomet den Versuch unternommen
hatten, sich zu Lasten des südafrikanischen Staates persönlich zu bereichern. Der südafrikanische Staatsanwalt Anton Ackermann erklärte denn auch gegenüber der GPDel, dass es sich bei den Aussagen Wouter Bassons zum angeblichen «Kroatiendeal» um reine Schutzbehauptungen gehandelt habe, und diese allein darauf ausgerichtet gewesen seien, die gegenüber Wouter Basson erhobenen Vorwürfe vermeintlich zu entkräften. Aus dem Budget 1992 des Projekts «Coast» sei ein Betrag von rund 2,5 Millionen US$ noch übrig gewesen. Er gehe deshalb davon aus, dass Wouter Basson bei Jürg Jacomet eine entsprechende Offerte in Auftrag gegeben habe, «damit das Konto geleert werden konnte». Irgendwelche Anhaltspunkte, dass die 500 kg «Quinezoolione» je existiert und insbesondere dass sie je geliefert worden seien, lägen jedenfalls nicht vor. Diese Annahme wird durch die aufgefunden Dokumente bestärkt, indem Jürg Jacomet offensichtlich mit Hilfe eines gefälschten Briefpapiers versucht hat, einem Scheingeschäft höhere Glaubwürdigkeit zu verleihen.

2376

10.5.3.4

Sicherstellung von Methaqualon-Tabletten

Gestützt auf entsprechende Andeutungen von Jürg Jacomet waren in den Medien auch Mutmassungen über eine illegale Mandrax-Lieferung von der Schweiz nach Lesotho angestellt worden. Bei Mandrax handelt es sich bekanntlich um ein Methaqualon-haltiges Schlafmittel, welches bis anfangs der Achtzigerjahre unter diesem Namen vertrieben wurde (vgl. Ziff. 10.5.3.1). Die Abklärungen der GPDel ergaben, dass sich ein schweizerischer Staatsangehöriger im Mai 1990 bei potentiellen Lieferanten nach den Möglichkeiten erkundigt hatte, Methaqualon-Tabletten in der Grössenordnung von 5 Millionen Stück pro Jahr zu beziehen. Ende 1990/anfangs 1991 kam es zu einer Lieferung von 2,5 Millionen Tabletten zum vereinbarten Preis von Fr. 625 000.­. Der Einfuhr bzw. Verarbeitung gingen Unterredungen mit dem Bundesamt für Gesundheitswesen voraus, wobei sich herausstellte, dass die Methaqualon-Tabletten nach Südafrika exportiert werden sollten. Da in Südafrika jedoch ein Importverbot bestand, kam der vorgesehene Export nicht zustande.

Der Kantonsapotheker des Kantons Thurgau erliess am 22. Dezember 1990 eine Verfügung, wonach bei der betreffenden Firma eintreffendes oder gelagertes Methaqualon vorläufig sicherzustellen sei. Die in Absprache mit dem Bundesamt für Gesundheitswesen vorgenommenen Bemühungen, für die sichergestellten Methaqualon-Tabletten allenfalls andere Abnehmer zu finden, schlugen fehl, da die vorgelegten Einfuhrbewilligungen für Lesotho, Sri Lanka und die Bahamas entweder nicht bestätigt werden konnten oder gefälscht waren. Mit Verfügung vom 9. Juli 1992 zog das Departement für Finanzen und Soziales des Kantons Thurgau die vorläufig sichergestellten 2,5 Millionen Methaqualon-Tabletten 400 mg definitiv ein. Eine dagegen gerichtete Beschwerde wurde vom Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau am 7. April 1993 abgewiesen. Vom Kehrichtverband Mittelthurgau konnte eine Bestätigung über die Vernichtung der Methaqualon-Tabletten beigezogen werden. Aus dem entsprechenden Protokoll geht hervor, dass die Kantonsapotheke Münsterlingen (Kanton Thurgau) am 8. März 1994 zehn Paletten mit insgesamt 2,5 Millionen Methaqualon-Tabletten angeliefert hatte, und diese gleichentags vernichtet worden waren. Diese Vernichtung entzieht allen Mutmassungen über die weitere Verwendung der Tabletten die Grundlage. Die GPDel hat deshalb diese Thematik nicht vertieft.

10.6

Kontakte zu Huber & Suhner AG

10.6.1

Darstellung des Sachverhalts

Die Huber und Suhner AG hatte Mitte der 80er Jahre in enger Zusammenarbeit mit der damaligen Gruppe für Rüstungsdienste (GRD) die Schutzmaske 90 (SM 90) entwickelt. Sie zählte damit ­ neben einigen wenigen anderen Unternehmen ­ zu den führenden Anbietern im Bereich des ABC-Schutzmaterials. Am 9. November 1988 schlossen die Huber & Suhner AG einerseits und die Intermagnum AG, vertreten durch Jürg Jacomet, sowie die Y.C.V.M. Trading Pretoria, vertreten durch C.

van Remoortere, andererseits in Rümlang ein «Memorandum of Agreement» ab. Es wurde vereinbart, dass die Huber & Suhner die YCVM bei ihrem Vorhaben, die Schutzmaske SM 90 in Südafrika, Namibia, Swaziland und Angola zu vertreiben, unterstützen werde. Zu diesem Zweck erklärte sich die Huber & Suhner AG bereit, das Know-how für die Produktion und die Konfektion der Schutzmaske SM 90 der 2377

YCVM zu übertragen. In dem, von der GPDel beigezogenen, 33-seitigen, in englischer Sprache verfassten Vertrag finden sich zahlreiche Bestimmungen über das Know-how, die für die Produktion erforderlichen Werkzeuge und Maschinen, die Qualitätskontrolle, die Garantien, die Lieferkonditionen und die Bezahlung.

Im Speziellen wurde vereinbart, dass die südafrikanische Protechnik Laboratories Ltd. (vgl. dazu das Treffen vom 23. Januar 1991 beim AC-Labor in Spiez; Ziff. 10.5) die Lieferungen zu überprüfen und zu zertifizieren haben werde. Für den Fall von Meinungsverschiedenheiten zwischen der Huber & Suhner AG einerseits und der Protechnik Ltd andererseits über den Qualitätsstandard der gelieferten Produkte und Produktionswerkzeuge wurde eine Schiedsklausel mit folgendem Wortlaut vereinbart: «[...] the parties hereby agree that the evaluation of the samples and/or the Tools in question shall be referred to the award and final determination of a member of the Swiss Defence Technology and Procurement Group (the ) who is an internationally recognized expert regarding the Products. Such expert shall be appointed by the GRD at the request of Intermagnum. [...].

[...] Should the GRD, for any reason, fail to appoint an arbitrator in terms of 12.1 above, within five (5) working days of the date of request by Intermagnum, or should it, for any other reason, not be possible for a member of the GRD to act as arbitrator, the parties hereby agree that the samples of Tools in question shall be referred to the South African Bureau of Standards (the ) for testing by them in accordance with the Swiss Army Q.C. Procedures which are annexed hereto marked . [...]».

In einem am 2./12. Juli 1990 unterzeichneten «Addendum» wurde festgehalten, dass die YCVM ihren Namen in der Zwischenzeit in CVR Trading geändert und ihre sich aus dem Vertrag vom 9. November 1988 ergebenden Rechte und Pflichten mit Zustimmung der Vertragspartner auf die Technotek Ltd, vertreten wiederum durch C. van Remoortere, übertragen habe. Ein weiteres «Addendum» wurde am 22. November 1990 in Zürich unterzeichnet; darin wurde die auf vier Jahre vorgesehene Laufzeit des Vertrags bestätigt sowie die einzelnen Zahlungsraten und Zahlungstermine fixiert.

10.6.2

Keine Hilfestellung durch Gruppe Rüstung

Die Abklärungen der GPDel ergaben, dass der wesentlich an der Entwicklung der Schutzmaske 90 beteiligte Mitarbeiter der Gruppe Rüstung im Jahr 1989 aus dem Bundesdienst ausgeschieden war und mit der Huber & Suhner AG eine Provisionsvereinbarung über den Vertrieb der Schutzmaske SM 90 abgeschlossen hatte. Wie jener Mitarbeiter vor der GPDel ausführte, soll Jürg Jacomet ­ vermutlich über die Niklaus Schleiffer AG (vgl. Ziff. 10.5.1) ­ mit der Huber und Suhner AG in Kontakt gekommen sein und ihm den Auftrag «weggeschnappt» haben.

Vor der südafrikanischen Truth & Reconciliation Commission hatte Charles van Remoortere geltend gemacht, er sei von Wouter Basson instruiert worden, den Kontakt zu Huber & Suhner AG aufzunehmen; die Schweiz habe Hilfe oder Unterstützung zugesichert. Diese Aussage erscheint in zweierlei Hinsicht ohne Weiteres nachvollziehbar. Zum einen ging Wouter Basson offensichtlich davon aus, dass Jürg Jacomet, der den Kontakt zur Huber & Suhner AG vermittelt hatte, eine führende Stellung innerhalb des Schweizer Nachrichtendienstes zukam (vgl. Ziff. 10.4.1).

Zum andern hatte das AC-Labor Spiez eine führende Position im Bereich des ABC-

2378

Schutzes inne, wobei es seine, auf den Schutz der Zivilbevölkerung und der Armeeangehörigen gerichteten Dienste, auch anderen Staaten zur Verfügung stellte.

Die Schiedsklausel war mit der GRD offensichtlich nicht abgesprochen und von den Vertragsparteien ohne vorgängige Rückfrage bei der GRD in den Vertrag aufgenommen worden. Wie das Bundesamt für Armeematerial und Bauten in seinem schriftlichen Bericht an die GPDel ausführte, hatten zwar Mitarbeitende der damaligen Sektion ABC-Schutz- und Spezialmaterial Kenntnis davon, dass eine Beschaffung von Schutzmasken SM 90 durch Südafrika geplant war. Der Vertrag oder dessen Inhalt sei ihnen aber nicht bekannt gewesen; insbesondere hätten in Bezug auf die Schiedsklausel keine Kontakte stattgefunden. In diesem Sinn bestätigte auch die Huber & Suhner AG, dass die Schiedsklausel mit der GRD nicht abgesprochen gewesen sei; man habe nicht an eine bestimmte Person, jedoch an einen noch zu bestimmenden Mitarbeiter des AC-Labors Spiez gedacht. Im Übrigen sei die Schiedsklausel im Rahmen der Abwicklung des Vertragsverhältnisses nicht relevant geworden.

Auch unter exportrechtlichen Gesichtspunkten ist die Lieferung von Schutzmasken und des zugehörigen Know-hows an Südafrika grundsätzlich nicht zu beanstanden.

Aus einem von der GPDel beim Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement (EVD) eingeholten Bericht vom 15. April 2002 geht hervor, dass Schutzmasken damals als sogenannte «Dual-Use»-Güter nicht dem Kriegsmaterialgesetz unterstellt waren. Bis anfangs 1992 bedurfte es für den Export keiner Bewilligung. Schriftliche Unterlagen für die Zeit vor 1991 sind beim Bundesamt für Aussenwirtschaft nicht mehr vorhanden. Es konnte aber eine Ausfuhrbewilligung für 10 000 Schutzmasken vom 16. September 1992 beigebracht werden, welche sich auf den erwähnten Vertrag der Huber & Suhner AG bezieht.

11

Beschaffung von zwei SA-18-Flablenkwaffen

11.1

Darstellung des Sachverhalts

Bereits anlässlich ihrer Abklärungen im Jahr 1999 hatte die GPDel dem VBS die Frage nach einer wahrscheinlich aus sowjetischen Beständen stammenden angolanischen Infrarotrakete gestellt, welche in den Besitz der UG ND gelangt sein soll. In seiner schriftlichen Antwort vom 22. September 1999 gab Peter Regli zwar bekannt, dass der Schweizer Nachrichtendienst in den 80er Jahren von seinem südafrikanischen Partnerdienst einzelne Munitionsteile aus sowjetischer Produktion zur eigenen Analyse erhalten habe. Er verschwieg damals gegenüber der GPDel aber nicht nur die erst heute bekannte Beschaffung von zwei SA-18-Lenkwaffen, sondern verneinte auch ausdrücklich, dass die UG ND Informationen über eine wahrscheinlich aus sowjetischen Beständen stammende Infrarotrakete verfüge.

11.1.1

Aussagen der Beteiligten

Im Rahmen der laufenden Untersuchungen konnte nun abgeklärt werden, dass die UNA anfangs der 90er Jahre vom militärischen Geheimdienst eines europäischen Staates zwei SA-18 Flablenkwaffen zum Preis von 204 000 US$ (ca. 300 000 Fr.)

beschafft hatte. Als Hauptakteure waren daran einerseits Francis Antonietti, der 2379

damalige Chef des FFND, und andererseits Peter Regli, der damalige USC NA, beteiligt, wobei ihre Aussagen ausgesprochen kontrovers erscheinen.

Wie Francis Antonietti vor der GPDel ausführte, war ihm im Jahr 1992 von einem befreundeten Nachrichtendienst ein entsprechendes Angebot unterbreitet worden. Er habe den Kommandanten der Luftwaffe darüber informiert, welcher ihn an den USC NA verwiesen habe. Peter Regli habe in der Folge eine schriftliche Vorlage des Angebots verlangt. Im Hinblick auf eine mögliche Finanzierung der Beschaffung habe der damalige Chef der Gruppe Rüstung erklärt, dass sein Kredit für Forschung und Entwicklung einen käuflichen Erwerb zulassen würde. Er (F.A.) habe in der Folge dem Partnerdienst mitgeteilt, dass ein Kauf grundsätzlich möglich sei. Anschliessend habe er von der ganzen Angelegenheit nichts mehr gehört, bis sich eines Tages ein Mitarbeiter der UNA bei ihm erkundigt habe, wohin die Waffen zu liefern seien.

Peter Regli legte dar, dass er mit Francis Antonietti, seinem Nachfolger als Chef FFND eng zusammengearbeitet habe. Eines Tages habe ihn Francis Antonietti «über die einzigartige Möglichkeit, bei einem Partner zwei der modernsten SA-18 zu beschaffen», orientiert. Er habe diese Idee unterstützt; es habe jedoch kein Geld zur Verfügung gestanden. Wie er erst nachträglich erfahren habe, soll Francis Antonietti dem befreundeten Nachrichtendienst gesagt haben, man könne kaufen. Er selbst sei am Abschluss des Geschäfts nicht beteiligt gewesen.

Der damalige Chef der Abteilung SND wurde im Zusammenhang mit der Beschaffung der SA-18-Lenkwaffen offenbar nicht angefragt, obwohl in seiner Abteilung Mitarbeiter tätig waren, die über den letzten Stand der Technik informiert waren. Er gab gegenüber der GPDel zu Protokoll: «Wären wir angefragt worden, ob die Raketen gekauft werden sollen oder nicht, hätten wir unseren Wissensstand wie auch den Wissensstand anderer Dienste sauber abgeklärt und entsprechend geantwortet».

Ein ehemaliger Mitarbeiter der Sektion Beschaffung führte aus, dass es 1992 oder 1993 um die Beschaffung zweier Flablenkwaffen sowjetischer Herkunft gegangen sei. Er habe nicht gewusst, woher sie gekommen seien, wohl aber, dass der Lieferant ein europäischer Nachrichtendienst sein sollte. Er sei beauftragt worden, «eine ­ relativ einfache ­ Operation zu organisieren,
um die Raketen von Kloten nach Thun (oder Spiez) zu bringen, ohne dass ein Sicherheitsrisiko entsteht und ohne durch den normalen Zoll gehen zu müssen.» Die Operation sei dann aber abgesagt worden, weil die höchste Hierarchiestufe (der Generalstabschef oder der damalige Chef EMD) sie als «Humbug» bezeichnet habe, der sich nicht lohne. Offensichtlich sei die Angelegenheit dann aber auf einem anderen Weg durchgeführt worden, wie er zu seiner Überraschung im letzten Jahr (2001) aus der Presse erfahren habe.

Wie der damalig Rüstungschef vor der GPDel darlegte, war die Gruppe Rüstung zuerst vom Chef FFND und dann später vom USC ND angefragt worden, ob ein Interesse an der technischen Untersuchung zweier Flablenkwaffen bestehe. Für die Finanzierung sei aber bei der GR kein Geld vorhanden gewesen. Die Gruppe Rüstung habe sich deshalb auf den Standpunkt gestellt, ein allfälliger Kauf müsste über einen Verpflichtungskredit des Generalstabs abgewickelt werden.

Der für die Auswertung fremder Waffensysteme zuständige (ehemalige) Mitarbeiter der UNA gab zu Protokoll, dass damals das Angebot eines europäischen Nachrichtendienstes bestanden habe, auf eine Sammelbestellung aufzuspringen. Die Anfrage sei über eine Botschaft an den damaligen Chef des FFND gerichtet gewesen. Die

2380

UNA habe die Empfehlung «wenn immer möglich kaufen» zwei oder drei Tage später weiter geleitet.

11.1.2

Rekonstruktion anhand der Akten

Angesichts dieser divergierenden Aussagen der Beteiligten zog die GPDel das beim VBS vorhandene Dossier «Flab-Lenkwaffen-Deal» bei. Den schriftlichen Unterlagen lässt sich entnehmen, dass der damalige Chef FFND am 14. Mai 1992 auf dem Dienstweg über den USC NA beim damaligen Generalstabschef einen formellen Antrag auf Beschaffung von zwei SA-18 Lenkwaffen zulasten des Dispositionskredits der UNA gestellt hatte. Gleichentags liess auch Peter Regli dem GSC die Mitteilung zukommen, dass «der Kauf und die Untersuchung dieses modernsten östlichen Materials von grösster Bedeutung sei», und ersuchte ihn deshalb um Zustimmung zur vorgesehenen Anschaffung. Bereits am 15. Mai 1992 teilte der Generalstabschef Peter Regli mit, dass er grundsätzlich nicht gegen einen Kauf sei. Eine allfällige Anschaffung ­ inklusive späterer Auswertung ­ müsse jedoch über die Gruppe Rüstung getätigt werden. «Wir [UNA] kaufen kein KMat [Kriegsmaterial]!» Mit einem nicht datierten (vermutlich vom Mai 1992 stammenden) Fax bedankte sich der damalige Chef FFND beim europäischen Partnerdienst für die Offerte ­ welche ursprünglich sechs SA-18 Lenkwaffen zu einem Gesamtpreis von 549 440 US$ umfasst hatte ­ und teilte mit, dass leider nur ein Kredit von 204 000 US$ zur Verfügung stehe. Zugleich erkundigte er sich nach den Möglichkeiten, allenfalls nur zwei Lenkwaffen kaufen zu können. Bei den Unterlagen findet sich weiter eine Bestätigung, wonach beim europäischen Partnerdienst am 21. Mai 1992 die Meldung eingegangen sei, dass der schweizerische Nachrichtendienst ermächtigt worden sei, für zwei SA-18 Lenkwaffen den Betrag von 204 000 US$ zu bezahlen. Falls der europäische Partnerdienst in der Lage sei, mitzumachen, würden «the Swiss» möglicherweise ein ziviles Flugzeug entsenden, um die Ware aufzuladen.

Anlässlich einer Besprechung vom 27. September 1993 orientierte Peter Regli den GSC darüber, dass der Nachrichtendienst bereits 1992 bei einem europäischen Partnerdienst zwei SA-18 Lenkwaffen gekauft habe; da seine (Reglis) Finanzkompetenzen jedoch limitiert seien, müsse der GSC seine Zustimmung erteilen. Zugleich legte Peter Regli dem Generalstabschef ein vorbereitetes Schreiben vor, mit welchem ihn dieser «zum Ankauf der 2 Waffensysteme für US$ 204 000 aus dem Budget UG Nachrichten» ermächtigen sollte. Der Generalstabschef lehnte eine
Ermächtigung ab und kündigte an, dass er das Anliegen dem Departementschef unterbreiten werde.

Am 29. September 1993 gelangte Peter Regli an den zuständigen Sachbearbeiter im Revisorat UG ND und beauftragte ihn, den Betrag von Fr. 300 000.­ à conto Budget bereitzustellen. Sobald das Einverständnis des Chefs EMD bzw. des GSC vorliege, werde die Summe einem Partnerdienst ­ zur Bezahlung von Beutematerial ­ überwiesen.

Ebenfalls am 29. September 1993 orientierte Peter Regli den damaligen Referenten im GS EMD über die Ausgangslage. Er führte aus: «Die Frage lautet nicht mehr, sondern, .

2381

Ein Gespräch mit dem Chef des Partnerdienstes vom 22. September 1993 hat klar aufgezeigt, dass man von uns eine baldige Erledigung dieser Pendenz erwartet. Im Frühling 1993 wurde ich erstmals diskret vom Dienst auf die Pendenz aufmerksam gemacht, was das Ganze dann ins Rollen gebracht hat. [...].

Der Partner hat von uns klare Signale erhalten, worauf er für uns 1992 das Material beschafft, bezahlt und für den Transport in die Schweiz bereitgemacht hat. [...]».

Zuvor hatte Peter Regli am 24. September 1993 dem Chef FFND den Auftrag erteilt, kurz darzustellen, «aufgrund welcher Aussagen/Entscheide der obersten Stufe» er 1992 dem Partnerdienst habe sagen können, es stünden 204 000 US$ für eine Beschaffung zur Verfügung. In einer Aktennotiz zuhanden des USC ND hielt der Chef FFND den Ablauf der Ereignisse fest. Aus seiner Sicht sei mit dem ausländischen Partnerdienst nie ein Geschäft abgeschlossen worden. Im Oktober 1992 sei er von einem Mitarbeiter der Sektion Beschaffung überraschend mit der Frage konfrontiert worden, wohin die Lieferung, welche demnächst erfolgen werde, gelangen solle. Er sei völlig überrascht gewesen, dass nun plötzlich die UG ND mitmache.

Im Anschluss an eine Sitzung des Geschäftsleitungsausschusses vom 25. Oktober 1993 ordnete der damalige Vorsteher des EMD eine Besprechung mit dem Generalstabschef und dem Rüstungschef an; der Generalsekretär nahm daran nicht teil.

Anlässlich seiner Anhörung übergab der damalige Generalstabschef der GPDel seine seinerzeitigen Handnotizen. Die anlässlich dieser Besprechung gefällten Entscheide und die Befehlsausgabe lauteten wie folgt: «­ Bundesrat Villiger will von der UNA bzw. vom FFND eine sinnvolle Begründung für dieses Geschäft; ­ Beizubringen ist eine richtige Rechnung mit entsprechend offener Adresse; ­ Die Delegation der GPK wird umfassend informiert; ­ Eine Disziplinaruntersuchung bleibt vorbehalten; ­ Dümmer geht's nicht mehr! (auch Originalton Bundesrat Villiger); ­ Kredit Beutematerial wäre beim Generalstabschef; ­ Anträge wären an den Generalstabschef zu stellen; ­ Die Ausführung hätte durch die GRD via Kreditabtretungen zu erfolgen; ­ Ab sofort werden alle Abteilungsarbeiten und Dispokreditfragen vom Generalstabschef unterschrieben.».

Der damalige Generalstabschef führte dazu aus, dass er im Anschluss an jene Sitzung des Geschäftsleitungsausschusses Peter Regli den Auftrag erteilt habe, die GPDel umfassend über die Beschaffung der SA-18 Lenkwaffen zu orientieren. Die GPDel wurde jedoch weder schriftlich noch mündlich informiert. Dies erscheint um so unverständlicher, als Peter Regli anlässlich einer Sitzung vom 22./23. November 1993 ­ und somit nicht einmal einen Monat später ­ ohnehin von der GPDel zum Uranfund in Kemptthal (vgl. Ziff. 9.7) angehört worden war. Es hätte somit ohne Weiteres die Möglichkeit bestanden, die GPDel auch über die SA-18-Lenkwaffen zu informieren. Peter Regli konnte sich anlässlich seiner Anhörung im laufenden Verfahren nicht mehr daran erinnern, ob ihn der Generalstabschef über die seinerzeitigen Beschlüsse des Geschäftsleitungsausschusses orientiert hatte.

Am 29. Oktober 1993 fand eine Aussprache zwischen dem Stellvertreter des Kommandanten der Flieger- und Fliegerabwehrtruppen einerseits und dem damaligen Chef FFND andererseits statt. Die Ergebnisse der Diskussion wurden in einer gemeinsamen Aktennotiz zu Handen des Kommandanten der Flieger- und Fliegerabwehrtruppen vom 6. November 1993 festgehalten. Daraus geht hervor, dass der Chef FFND seine im Mai 1992 gegenüber dem ausländischen Partnerdienst abgegebene Erklärung nie als Zusage aufgefasst hatte. Vielmehr soll die Angelegenheit im 2382

Herbst 1993 von Peter Regli reaktiviert worden sein, «weil die Partnerdienste nun unbedingt die 2 Missiles verkaufen bzw. liefern wollten».

Wie der damalige Generalstabschef weiter ausführte, hatte er Peter Regli nach der Sitzung des Geschäftsleitungsausschusses mitgeteilt, dass er eine saubere Begründung für das Geschäft wolle. Nachdem dieser dann einen ersten Entwurf mit dem Absender und der Unterschrift «Generalstabschef» erstellt habe, habe er Peter Regli zu sich zitiert und ihn gefragt, «für wie dumm» er ihn eigentlich halte. Peter Regli habe dann eine neue Version mit Absender und Unterschrift des USC ND erstellt.

Der GSC hat in diesem Zusammenhang vor der GPDel mit starken Worten erklärt, dass er sich auf den Arm genommen gefühlt und das Vorgehen als ausgesprochen unfair empfunden hat. Aufgrund der von Peter Regli abgegebenen Erklärungen seien er, und mit ihm auch der GL-Ausschuss, davon ausgegangen, dass die SA-18-Lenkwaffen schon längst gekauft und geliefert worden seien, so dass es nur noch um die finanzielle Bereinigung gehe. In Tat und Wahrheit seien die Lenkwaffen aber erst neun Monate später in der Schweiz eingetroffen, wovon er überdies erst im Jahr 2001 Kenntnis erlangt habe.

Bei den Unterlagen der Luftwaffe befindet sich ein von Peter Regli unterzeichneter, an den Rüstungschef adressierter und vom GSC visierter Antrag vom 8. April 1994 auf Beschaffung von zwei SA-18-Lenkwaffen. Der Preis sei mit 204 000 US$ angegeben. Eine verbindliche Offertanfrage und die nachgeordnete Bestellung sei zu richten an: ... (angegeben wird eine Unternehmung in einem europäischen Land).

Der Stab der Gruppe für Generalstabsdienste erteilte der Gruppe für Rüstungsdienste in der Folge am 10. Mai 1994 die Kreditfreigabe im Betrag von Fr. 304 500.­. Auf dem erwähnten Schreiben findet sich eine vom 11. Mai 1994 datierte Notiz eines Mitarbeiters der Sektion der Finanzen an den Rüstungschef: «Nachdem Sie diese Aktion heute morgen bei mir telefonisch gesperrt haben, warte ich ihre weiteren Dispositionen ab, bevor ich Kreditzuteilung und Beschaffungsauftrag an [...] gebe.».

Die definitive Kreditfreigabe erfolgte dann am 18. Mai 1994. Am 20. Mai stellte die GRD der im Antrag Peter Reglis vom 8. April 1994 genannten Firma einen Vertrag über den Kauf von zwei SA-18-Flablenkwaffen zu. Diese unterzeichnete den Vertrag am 10. Juni 1994. Am 15. Juli 1994 trafen die zwei Lenkwaffen in Bern Belpmoos ein; die Zollabfertigung erfolgte durch die Gruppe für Rüstungsdienste (GRD) Am 5. August 1994 erfolgte die Rechnungsstellung über den Betrag von 204 000 US$. Der USC ND informierte am 15. August 1994 den Generalstabschef, dass die Flablenkwaffen bei der GRD eingetroffen sind und das Kommando der Luftwaffe die Untersuchung leiten werde. Für die UG ND sei das Dossier somit abgeschlossen.

11.1.3

Exkurs: Beutematerial aus Südafrika

Die Abklärungen der GPDel ergaben, dass der Schweizer Nachrichtendienst von seinem südafrikanischen Partner verschiedentlich sogenanntes Beutematerial, vorwiegend Waffen oder Waffenbestandteile aus sowjetischer Produktion, erhalten hatte. Der erste Hinweis darauf findet sich im Kontaktprotokoll über den ersten Besuch Peter Reglis in seiner damaligen Eigenschaft als Chef FFND in Südafrika vom Mai 1984: «Man hat uns ohne zu zögern und auf sehr grosszügige Weise Beutematerial zum eigenen Studium und für Versuche zugesichert». Im Zusammenhang 2383

mit einem weiteren Chefbesuch vom März 1988 hielt Peter Regli im Kontaktprotokoll fest: «Mein Partner hat mir eine SA-14 [...] versprochen. Es bleibt noch abzuklären, wie ich sie in die Schweiz transportieren kann». Zwei Monate später stattete eine Delegation des FFND im Mai 1988 einen Besuch bei der UNITA in Angola ab (vgl. Ziff. 6.5). Im Kontaktprotokoll wird vermerkt, dass der Besuch vor allem dem Delaborieren52 und Analysieren des vorhandenen Beutematerials (insbes. SA-7, 14 und 16) gedient habe. Das versprochene Beutematerial werde vom Gastgeber nach Kinshasa transportiert; nach Eintreffen am Bestimmungsort werde der Chef FFND unverzüglich informiert.

Schriftliche Unterlagen zu diesem Austausch von Kriegsmaterial konnte die GPDel nicht auffinden. Abgesehen von den wenigen Hinweisen in Kontaktprotokollen fanden sich weder Unterlagen über den Transport noch über die Auswertung des Beutematerials. Lediglich dem Bericht der Direktion SND über die nachrichtendienstlichen Beziehungen zu Südafrika vom Juni 1999 lässt sich entnehmen, dass Südafrika den schweizerischen Nachrichtendienst 1987 mit Kriegsmaterial und Munition sowjetischer Provenienz versorgt habe, «mit der Auflage, dass sie im Gegenzug dazu die Evaluationsergebnisse von uns erhalten». Der Transport sei auf schwierigen Umwegen von der UNA selbst besorgt worden; für die Munitionstests sei man jedoch auf Fachstellen und Forschung der GRD angewiesen gewesen.

Nachdem darüber keinerlei schriftliche Unterlagen vorhanden sind, kann die GPDel deshalb auch nicht beurteilen, ob die in einem Kontaktprotokoll erwähnte SA-14Lenkwaffe aus Angola ­ wie von Peter Regli anlässlich seiner Anhörung geltend gemacht ­ gar nie in der Schweiz eingetroffen ist.

Der ehemalige Chef der Sektion Auswertung und spätere Chef der Abteilung SND bestätigte vor der GPDel, dass er für die Beschaffung recht vieler Minen, Artilleriegranaten, einer 122-mm-Rakete, eines BM-21 8 (sowjetischer Mehrfachraketenwerfer) von pyrotechnischem Material, Zündern, Panzerfäusten etc. aus sowjetischen Beständen besorgt gewesen sei. «Wir mussten dabei sehr heikle Wege beschreiten, um nicht die Swissair oder die South African Airways zu gefährden». Er legte aber Wert auf die Feststellung, dass die Waffen und Waffenbestandteile immer der GR übergeben worden seien.

Der damals für die Auswertung
fremder Waffensysteme zuständige Mitarbeiter des FFND führt anlässlich seiner Anhörung vor der GPDel aus, es habe mit der SA-7Flablenkwaffe ein Vorgängermodell der SA-18 gegeben, die der Dienst einige Jahre zuvor erhalten habe. Er wisse aber heute nicht, wo sich diese befinde; jedenfalls sei sie aber damals ausgewertet worden. Der damalige Rüstungschef gab gegenüber der GPDel bekannt, dass die Gruppe Rüstung von der UG ND «selten oder nie» direkte Anfragen erhalten habe; seien aber technische Untersuchungen erforderlich gewesen, seien diese über die normale Budgetierung bei der Gruppe Rüstung eingespiesen worden.

11.2

Einschätzungen innerhalb des VBS

Die GPDel hat versucht, den Sinn der Anschaffung von zwei SA-18-Lenkwaffen durch die UG ND zu ergründen. Einerseits wurde von einem ehemaligen Mitarbeiter der Sektion Beschaffung geltend gemacht, dass die Baureihe SAM (zu der die 52

Delaborieren: Entladen einer Patrone.

2384

SA-Lenkwaffen zählten) zu Tausenden produziert und weltweit eingesetzt worden seien. Sie hätten insbesondere auch bei Armeen im Einsatz gestanden, die gegenüber der Schweiz nicht die strikteste Geheimhaltung gepflegt hätten. Die technischen Einzelheiten hätten überdies schon damals in den einschlägigen Fachzeitschriften («Jane's Defence Weekly» und «Aviation and Space Technology») nachgelesen werden können. Auch der ehemalige Chef der Sektion Auswertung erklärte, dass der Schweizer Nachrichtendienst vor allem an den neuesten SS-24 und SS-25 interessiert gewesen sei; die Vorgängermodelle wie SS-12 und SS-13 seien bekannt und nicht von Interesse gewesen. Für den damaligen Generalstabschef ist das Geschäft bis heute unverständlich. Man habe sich zum Zeitpunkt des Erwerbs immerhin im Jahr 1992 bzw. 1994 befunden, und die Wende sei bereits 1989 erfolgt. Noch unverständlicher erscheine aber, dass der Schweizer Nachrichtendienst für 300 000 Franken Beutematerial gekauft und anschliessend nichts damit gemacht habe.

Andererseits wurde vor der GPDel aber auch vom SND geltend gemacht, dass es sich bei der SA-18-Lenkwaffe um eine bis heute nachrichtendienstlich interessante Waffe handle. Das Interesse sei heute vor allem deshalb gross, weil diese Waffe auch in Terroristenkreisen beliebt sei und von Terroristen eingesetzt werden könne.

Über die Grundversion seien genügend Informationen bekannt; hingegen bestehe im Hinblick auf Schutzmassnahmen ein ausgesprochen grosses Interesse, deren Weiterentwicklung zu verfolgen. Sowohl der damalige Chef des FFND wie auch Peter Regli, die seinerzeit die Beschaffung der zwei SA-18-Lenkwaffen initiiert bzw.

massgeblich vorangetrieben hatten, legten Wert darauf, dass die nach 1989 veränderte Bedrohungssituation durch den Terrorismus den massgeblichen Hintergrund für den Kauf gebildet hätten.

11.3

Weiteres Schicksal der SA-18-Lenkwaffen

Die zwei SA-18-Lenkwaffen waren am 15. Juli 1994 geliefert und von der Gruppe Rüstung in Empfang genommen worden. Sie blieben dort bis Mai 2002 eingelagert, ohne dass sich irgend jemand ernsthaft um die Waffen gekümmert hätte. Im Lagerkontrollblatt der Gruppe Rüstung findet sich gar ein Vermerk vom August 1998, wonach die SA-18-Lenkwaffen eventuell im Rahmen der Kampfmittelbeseitigung oder anderweitig vernichtet werden sollten.

Wie der zuständige Sachbearbeiter der Gruppe Rüstung vor der GPDel ausführte, erfolgte die Lieferung ohne schriftlichen Auftrag, ohne genaue Herkunftsangabe und ohne konkreten Auftraggeber. Die Gruppe Rüstung habe deshalb nicht gewusst, was mit den Waffen zu geschehen habe. Es sei ihm auch nicht bekannt, weshalb die Waffen nicht ausgewertet worden seien. Er habe den Eindruck, dass das Interesse einfach verloren und die Waffen vergessen gegangen seien. Peter Regli gab zu Protokoll, dass für die Auswertung der bei der Gruppe Rüstung eingelagerten Waffen eigentlich die UG ND zuständig gewesen wäre. Weil die Gruppe Rüstung aber im Zusammenhang mit den beiden SA-18-Lenkwaffen keine Spezialisten gehabt habe, seien diese so lange liegen geblieben.

In diversen Kontaktprotokollen finden sich aber Hinweise, dass eine gemeinsame Zerlegung und Erprobung der beiden Lenkwaffen verschiedentlich Gegenstand von Besprechungen auf der Ebene der militärischen Nachrichtendienste gebildet hatte.

2385

Bei den spärlichen Unterlagen der UG ND konnte überdies ein Schreiben vom 5. März 1998 aufgefunden werden, in welchem die Verschiffung der beiden Flablenkwaffen nach Südafrika zur Diskussion stand. Nach weiteren Kontakten teilte dann die UG ND am 10. November 1998 dem südafrikanischen Gesprächspartner mit, dass das Vorhaben im Moment nicht realisiert werden könne. Bei einem nächsten Treffen zwischen den Chefs der Dienste könnte man diesen Punkt neu erörtern.

11.3.1

Aktivitäten der UG ND

Einzelnen Kontaktprotokollen lässt sich entnehmen, dass die UG ND offenbar unter Umgehung der Gruppe Rüstung Anstrengungen unternommen hatte, um gemeinsam mit dem südafrikanischen Partnerdienst eine Auswertung der beiden Lenkwaffen vorzunehmen. Anlässlich eines Fachgesprächs in der Schweiz im Oktober 1996 war jedenfalls die Rede davon, dass «die SA-18, die sich im Besitz der UG ND befindet [...] durch uns und den Partner gemeinsam auf ihre Wirksamkeit getestet werden (könnte)», wobei der Partner über ein speziell für die Untersuchung eingerichtetes Testgelände mit Instrumentierung verfüge. Im Protokoll über ein weiteres Fachgespräch vom November 1997 wird festgehalten, dass «der Entscheid USC ND bezüglich Abgabe unserer SA-18» vom südafrikanischen Partnerdienst «begrüsst und verdankt» worden sei. Ein Mitarbeiter des südafrikanischen Dienstes werde Abklärungen über den Transport tätigen und zu gegebener Zeit auf nachrichtendienstlichem Weg mit dem USC ND Kontakt aufnehmen. Nachdem die Angelegenheit anlässlich weiterer Fachgespräche Diskussionsthema war, teilte die UG ND dem südafrikanischen Partnerdienst im November 1998 mit, dass das Vorhaben SA-18 «im Moment nicht realisiert» werden könne; bei einem nächsten Treffen zwischen den Chefs der Dienste könne dieser Punkt neu erörtert werden.

Peter Regli vermochte sich anlässlich seiner Anhörung durch die GPDel nicht mehr an Details zu erinnern. Er verwies aber darauf, dass die Südafrikaner über eine hohe Kompetenz im Bereich der Auswertung von Beutematerial verfügt hätten; insbesondere Mossie Basson (nicht verwandt mit Wouter Basson) sei ein eigentlicher Waffenexperte gewesen. Man habe deshalb wohl besprochen, ob man gemeinsam etwas unternehmen könnte.

11.3.2

Zerlegung im Frühjahr 2002

Nachdem in den Medien die Existenz der zwei SA-18-Flablenkwaffen publik gemacht worden war, erinnerte sich das VBS im Frühjahr 2002 plötzlich wieder an die vor acht Jahren gekauften und seither wohl in Vergessenheit geratenen Waffen aus ehemaligen Beständen der Sowjetunion. Im Zusammenhang mit der Beschaffung der neuen Transporthelikopter TH 98 und der Integration eines Selbstschutzsystems durch die südafrikanische Unternehmung Avitronics sollen nun ­ laut einer Medienmitteilung des VBS vom 17. Mai 2002 ­ die beiden SA-18 ausgewertet werden.

Für die Programmierung müssten technische Daten über die Bedrohungssysteme vorhanden sein. Die Gruppe Rüstung habe mit der Herstellerfirma Avitronics einen Vertrag abgeschlossen, welcher nebst der Herstellung und Lieferung des Selbstschutzsystems auch die Verifizierung der Schutzwirkung abdecke. Nachdem das VBS im Besitz von zwei funktionsfähigen SA-18-Lenkwaffen sei, «welche der 2386

modernsten Generation angehören», sollte die Möglichkeit genutzt werden, diese Waffen zu analysieren. Ziel dieser Analyse sei es, technische Daten zur Programmierung des Selbstschutzsystems zu gewinnen und Schutzwirkung zu überprüfen.

Es sei wirtschaftlich und effizient, diese Arbeiten in Kooperation mit dem Hersteller des Selbstschutzsystems und der südafrikanischen Luftwaffe durchzuführen, da diese über die erforderliche Infrastruktur und das notwendige Know-how verfüge.

Entsprechende Vorbereitungen für den Abschluss einer zwischenstaatlichen Vereinbarung mit Südafrika seien im Gange.

Noch in einer Aktennotiz der Gruppe Rüstung vom 28. Juni 2002 wurde festgehalten, dass die Herkunft der SA-18-Lenkwaffen unbekannt sei und keine technischen Unterlagen vorlägen. Es fehle auch ein schriftlicher Auftrag, was mit dem Material zu geschehen habe. Offenbar möchte man nun eine Zerlegung der Lenkwaffen in die Hauptbestandteile sowie die Entfernung der explosivstoffhaltigen Baugruppen durchführen lassen, um anschliessend mit den internen Baugruppen (Such- und Steuerteil) gezielt Versuche durchführen zu können. Die Zerlegung ist in der Zwischenzeit unter Mitwirkung von zwei Spezialisten aus Südafrika erfolgt.

Im Rahmen der Anhörungen durch die GPDel machten die an der Zerlegung und Analyse der beiden Boden-Luft-Lenkwaffen unmittelbar beteiligten Personen übereinstimmend geltend, dass die für das Selbstschutzsystem notwendigen Daten (Abstrahldaten, Startmotor, Filterung des Steuersensors, Algorithmen zum Austricksen der Signale etc.) sich auf ein spezifisches Abwehrsystem beziehen würden. Die entsprechenden Messdaten müssten spezifisch auf das Abwehrsystem bezogen sein und könnten nicht generell gemessen werden. In diesem Sinn mache es durchaus auch noch im Jahr 2002 Sinn, die Waffen zu zerlegen. Auf die Frage, ob die Schweiz somit ungeheures Glück gehabt habe, dass jemand im Jahr 1992 auf die Idee gekommen sei, ohne Bedarf zwei SA-18-Lenkwaffen zu beschaffen, und sich dann zehn Jahre später ein Bedarf nach deren Analyse ergeben habe, gab der damalige Rüstungschef zu Protokoll: «Das ist eine Interpretation, die man nicht in Abrede stellen kann».

Die GPDel ist aufgrund ihrer beschränkten technischen Kenntnisse nicht in der Lage, abschliessend zur Angelegenheit «SA-18» Stellung zu nehmen. Schon die Umstände
der Beschaffung der beiden Lenkwaffen scheinen ihr jedoch mehr als fraglich zu sein. Zum Einen ist es für die GPDel nur schwer verständlich, aus welchen Gründen Geschäfte mit Kriegsmaterial zwischen befreundeten Nachrichtendiensten entgegen der Usanz entgeltlich getätigt werden müssen. Zum andern kann sie aber auch keine Erklärung dafür finden, weshalb die eigenständige Analyse eines von einem Partnerdienst rein zufälligerweise angebotenen, sich in ständiger Entwicklung begriffenen und letztlich singulären Waffensystems für die Schweizer Armee von existenzieller Bedeutung sein soll. Neben der SA-18 sind hunderte, wenn nicht gar tausende andere Waffensysteme auf dem Markt, die ebenfalls eine Bedrohung darstellen, so dass ein allein mit der SA-18 getestetes Abwehrsystem wohl kaum zu einer wesentlichen Erhöhung der Sicherheit beitragen kann. Abgesehen davon sind Informationen über die gängigen Waffensysteme in der einschlägigen Fachliteratur allgemein zugänglich, und dürften auch bei den grösseren Partnerdiensten ohne Weiteres entsprechende Detailinformationen erhältlich sein.

Schliesslich fällt es der GPDel aber auch ausgesprochen schwer, eine nachvollziehbare Begründung für die im Sommer/Herbst 2002 durchgeführte Analyse zu erkennen. Allein schon angesichts des zeitlichen Zusammenhangs erscheint es geradezu offensichtlich, dass sich das VBS zu diesem Schritt erst entschlossen hatte, nachdem 2387

die Beschaffung der beiden Lenkwaffen publik und der Sinn der seinerzeitigen Beschaffung öffentlich in Frage gestellt worden war. Es ist zwar durchaus einzuräumen, dass die von der GPDel angehörten Mitarbeiter der Direktion SND und der Gruppe Rüstung übereinstimmend auf die Bedeutung der nachträglich noch zu erlangenden Analyseresultate hingewiesen haben. Sie sind indessen allesamt in den seinerzeitigen Beschaffungs- bzw. heutigen Analyseprozess integriert, so dass von ihnen wohl kaum eine andere Antwort erwartet werden kann. In Kenntnis dieser Stellungnahmen geht die GPDel aber davon aus, dass von einem international anerkannten Hersteller eines Selbstschutzsystems erwartet werden kann und darf, dass er über die erforderlichen Daten zur sachgerechten Programmierung des offerierten Systems verfügt. Die vom VBS vorgenommene Evaluation des Selbstschutzsystems der Firma Avitronics muss dafür genügend Gewähr bieten, ohne dass es dazu noch Tests mit einer vor zehn Jahren vom Schweizer Nachrichtendienst zufälligerweise beschafften, lange Zeit in Vergessenheit geratenen und seither einer dauernden Entwicklung unterworfenen Boden-Luft-Lenkwaffe bedarf.

12

Beizug eines IKRK-Piloten für die Nachrichtenbeschaffung in Angola

Bereits anlässlich ihrer Abklärungen im Jahr 1999 war die GPDel u.a. auch Hinweisen nachgegangen, wonach die UNA einen Mitarbeiter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) für die Beschaffung von Nachrichten in Angola eingesetzt haben könnte. Im Verlauf der neu aufgenommenen Untersuchungen konnte abgeklärt werden, dass es sich dabei um einen absolut einmaligen Vorfall gehandelt hatte. Innerhalb des Schweizer Nachrichtendienstes bestand Einigkeit darüber, dass internationale Hilfsorganisationen und deren Mitarbeiter, insbesondere das IKRK, als nachrichtendienstliche Informationsquellen grundsätzlich «tabu» sind. In diesem Sinn legte denn auch der heutige Direktor des SND vor der GPDel dar, dass nach der heute massgebenden Nachrichtendienstverordnung die Nachrichtenbeschaffung im Bereich der humanitären Hilfe verboten sei. Entsprechende Informationen dürften nicht an den Dienst weitergeleitet werden, und es gäbe auch keine entsprechenden Aktivitäten seitens des Dienstes. Das Verbot betreffe allerdings allein die aktive operative Nachrichtenbeschaffung, so dass freiwillig offerierte Informationen entgegengenommen würden. Das ­ noch darzustellende ­ «Beispiel Angola» sei die einzige aktive Nachrichtenbeschaffung dieser Art, an die er sich erinnern könne.

Die neu aufgenommenen Abklärungen der GPDel ergaben, dass anfangs der 80er Jahre ein Beamter des Bundesamts für Zivilluftfahrt (BAZL) von einem Mitarbeiter der UNA kontaktiert worden war. Anfänglich ging es allein darum, der UNA die allgemein zugänglichen Informationen über die für die Zivilluftfahrt relevanten Erkenntnisse bekannt zu geben. In zunehmendem Mass interessierte sich der Mitarbeiter der UNA auch für andere Informationen, die dem Beamten des BAZL aufgrund seiner spezifischen Stellung von Piloten ziviler Luftfahrtgesellschaften zugingen.

Im Juni 1986 offerierte der Direktor einer privaten Fluggesellschaft, welche u.a.

auch im Auftrag des IKRK tätig war, dem Beamten des BAZL, an einem Überführungsflug eines Rotkreuzflugzeugs aus Luanda (Angola) nach Zürich teilzunehmen.

Der Beamte des BAZL informierte in der Folge beiläufig auch den Mitarbeiter der UNA über die bevorstehende Reise nach Angola, welcher ihn in genereller Form an 2388

seine Informationsbedürfnisse erinnerte. Während des insgesamt fünf Tage dauernden Überführungsflugs sprach der Beamte des BAZL den Piloten darauf an, dass sein Amt ein Interesse daran habe, zu wissen, unter welchen Verhältnissen, Operationsbedingungen und Risiken in der Schweiz immatrikulierte Flugzeuge in Krisengebieten eingesetzt würden. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz orientierte der Beamte des BAZL den Mitarbeiter der UNA über sein Zusammentreffen mit diesem Piloten. Er erwähnte dabei auch, dass der Pilot aufgrund seiner Funktion und Tätigkeit in Angola Wahrnehmungen mache, die für die UNA von Bedeutung sein könnten. Der Mitarbeiter der UNA liess daraufhin dem Mitarbeiter des BAZL einen ausgedehnten Fragenkatalog zukommen, welcher ihn am 24. Juli 1986 an den Piloten weiterleitete. Die Fragen bezogen sich im Wesentlichen auf die laufenden Operationen der FAPLA53 gegen die UNITA, auf die Bewaffnung und die Kampfmoral der UNITA, auf die gegenwärtigen Machverhältnisse in Angola sowie auf die innenpolitische Situation in Zaire.

Am 5. August 1986 fand eine Reinigungsangestellte in Angola den Fragenkatalog und übergab ihn dem Chef der lokalen IKRK-Delegation; dieser leitete ihn an den Hauptsitz in Genf weiter. Das IKRK löste unverzüglich die Zusammenarbeit mit der zivilen Luftfahrtgesellschaft auf, informierte das EDA, welches die Bundesanwaltschaft über den Vorfall in Kenntnis setzte. Die Bundesanwaltschaft eröffnete am 3. September 1986 gegen den Beamten des BAZL, nicht aber auch gegen den Mitarbeiter der UNA, ein gerichtspolizeiliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf nachrichtendienstliche Tätigkeiten. Im Verlauf des Ermittlungsverfahrens konnte zusätzlich abgeklärt werden, dass der Beamte des BAZL bereits im November 1984 Fragen des Mitarbeiters der UNA zur politisch-militärischen Lage in Angola an den Direktor der im Auftrag des IKRK tätigen Fluggesellschaft weitergeleitet hatte; damals war jedoch eine Beantwortung unter Hinweis auf die Konvention des IKRK abgelehnt worden. Da die Nachrichtenbeschaffung nicht für einen fremden Staat erfolgt war und demzufolge kein Straftatbestand vorlag, wurde das Verfahren am 2. Oktober 1986 wieder eingestellt.

Der Beamte des BAZL war von der GPDel bereits vor ihrem Entscheid, die Abklärungen zu Südafrika neu aufzunehmen, im Mai 2001 angehört
worden. Zum damaligen Zeitpunkt verfügte die GPDel noch nicht über das erst nachträglich beigezogene Dossier der Bundesanwaltschaft. Er konnte deshalb unwidersprochen geltend machen, dass er den britischen Piloten in seiner Funktion als Beamter des BAZL von sich aus und nicht im Auftrag des Schweizer Nachrichtendienstes kontaktiert habe: «Ich wurde nie entsprechend beauftragt. ... Einen Führungsoffizier, der mir Anweisungen gegeben hätte, hatte ich nicht».

Die von der GPDel durchgeführten Abklärungen haben klar das Gegenteil bewiesen.

Der Beamte des BAZL hatte aus nicht nachvollziehbaren Gründen während Jahren Informationen aus dem Bereich der Luftfahrt an einen Mitarbeiter der UNA weitergegeben und hatte in diesem Zusammenhang zumindest zweimal auch konkrete Informationsbeschaffungsaufträge der UNA erhalten. Insbesondere der für einen im Auftrag des IKRK fliegenden Piloten bestimmte Fragenkatalog war von einem Mitarbeiter der UNA erstellt worden, wobei zumindest der Chef der Sektion Auswertung über das konkrete Vorgehen informiert war.

53

Forças Armadas Populares de Libertação de Angola (bewaffnete Organisation der MPLA).

2389

Einmal mehr zeigte sich in diesem Zusammenhang die geringe Bereitschaft des Schweizer Nachrichtendienstes, die GPDel über wesentliche Vorfälle zu informieren (vgl. dazu auch 8.2). Die GPDel hatte sich im Rahmen ihrer früheren Abklärungen im Jahr 1999 bei der UG ND u.a. auch nach dem Absturz eines IKRK-Flugzeugs in Angola erkundigt, dessen britischer Pilot Mitglied oder zumindest Mitarbeiter des Schweizerischen Nachrichtendienstes gewesen sein soll. Peter Regli zog in der Folge zwar den Bericht des Eidgenössischen Büros für Flugunfalluntersuchung bei und informierte die GPDel darüber, dass sich der Absturz am 14. Oktober 1987 in Angola ereignet habe, die ganze Angelegenheit aber mit dem schweizerischen Nachrichtendienst nicht das Geringste zu tun habe: «Die Theorie des Agenten-Piloten ist absurd und kann nicht aufrechterhalten werden. Hier müssten nähere Angaben/Beweise erbracht werden».

Es ist zwar einzuräumen, dass der seinerzeitige Absturz eines IKRK-Flugzeugs in Angola in keinem direkten Zusammenhang mit den nun abgeklärten Vorfällen steht.

Hingegen war schon damals die Rede von einem britischen Staatsangehörigen, der in seiner Eigenschaft als IKRK-Pilot von der UNA zur Nachrichtenbeschaffung in Angola eingesetzt worden war. Zudem war offensichtlich, dass zwischen den beiden Fragenkomplexen ein innerer Zusammenhang bestand, nachdem der britische Pilot bei einem späteren Flugzeugabsturz tatsächlich ums Leben gekommen war. In dieser Situation hätte deshalb wohl erwartet werden dürfen, dass die UG ND das parlamentarische Aufsichtsorgan über den Sachverhalt informiert und diesen nicht einfach verschweigt. Stattdessen musste sich die GPDel die entsprechenden Informationen mit Hilfe des IKRK, des EDA und des Bundesarchivs beschaffen.

Der Klarheit halber bleibt in diesem Zusammenhang aber festzuhalten, dass sich der erhobene Vorwurf des Verschweigens auf den Nachrichtendienst als Ganzes und nicht primär auf die Person von Peter Regli bezieht. Dieser war zwar zum Zeitpunkt der Auskunfterteilung als USC ND eingesetzt; der Vorfall selbst hatte sich aber noch unter seinem Vorgänger ereignet, so dass er persönlich davon keine Kenntnis hatte.

Hingegen war der Einsatz eines IKRK-Piloten für Zwecke der Nachrichtenbeschaffung dem seinerzeitigen Chef der Sektion Auswertung und späteren Chef der Abteilung
SND zweifellos bekannt.

Obwohl der Vorfall mit dem britischen Piloten, der im Auftrag einer privaten Luftfahrtgesellschaft für das IKRK tätig war, schon damals dem Ansehen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz erheblich geschadet hatte, hat sich die GPDel entschlossen, im Rahmen ihres Berichts die Hintergründe dieser nun schon bald 20 Jahre zurückliegenden Affäre aufzuzeigen. Nur mit einer vollständigen Offenlegung allenfalls auch peinlicher Vorfälle kann glaubhaft vermittelt werden, dass es sich bei der Rekrutierung eines für das IKRK tätigen Piloten tatsächlich um einen einmaligen Vorgang gehandelt hat und der Schweizer Nachrichtendienst im Übrigen den Grundsatz der Neutralität internationaler Hilfsorganisationen immer respektiert hat. Die heutige Verordnung über den Nachrichtendienst vom 4. Dezember 2000 sieht denn auch vor, dass die Dienststellen der Bundesverwaltung sicherheitspolitisch bedeutsame Informationen über das Ausland u.a. nur dann an den Strategischen Nachrichtendienst weiterleiten, wenn «die Informationen nicht aus Tätigkeiten von Dienststellen im Bereich der humanitären Hilfe oder der Auslandshilfe stammen».

Humanitäre Organisationen sind damit für nachrichtendienstliche Beschaffungszwecke tabu.

2390

13

Abschliessende Würdigung und Empfehlungen

Die wieder aufgenommenen Abklärungen der GPDel haben zwar zu zahlreichen neuen Erkenntnissen in Bezug auf das Verhältnis des Schweizer Nachrichtendienstes zu Südafrika während den Zeiten des Apartheidregimes geführt. Sie haben aber zugleich bestätigt, dass die schon damals gezogenen Schlussfolgerungen im seinerzeitigen Bericht der GPDel vom November 1999 zutreffend waren.

Im Sinne einer abschliessenden Würdigung kann folgendes Fazit gezogen werden:

13.1

Instrumentarium der GPDel zur Beaufsichtigung der Nachrichtendienste

Der vorliegende Bericht zeigt auf, dass die GPDel mit den ihr zur Verfügung stehenden Informations- und Auskunftsrechten in der Lage ist, eine sachgerechte Beaufsichtigung der Nachrichtendienste sicherzustellen. Sie hat sämtliche in der Schweiz (noch) vorhandenen Unterlagen einer sorgfältigen Analyse unterzogen und die damaligen Exponenten des Nachrichtendienstes befragt. Insofern erübrigen sich weitergehende Abklärungen zur Rolle des Schweizer Nachrichtendienstes in Südafrika, und kann insbesondere auf die Einsetzung einer Parlamentarischen Untersuchungskommission verzichtet werden. Soweit die GPDel vereinzelte Vorfälle nicht mehr mit der gewünschten Klarheit rekonstruieren konnte, würde auch eine PUK auf die gleichen Grenzen stossen.

Hingegen haben sich im Verlauf der Abklärungen erhebliche Behinderungen durch die vom Vorsteher des VBS eingesetzte und weitgehend parallel geführte Administrativuntersuchung ergeben. Es erscheint deshalb als wünschenswert, der GPDel im Parlamentsgesetz die Möglichkeit einzuräumen, Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen über Sachverhalte und Personen zu untersagen oder zu unterbrechen, welche Gegenstand ihrer eigenen Ermittlungen bilden. Eine solche Kompetenz steht zur Zeit nur den parlamentarischen Untersuchungskommissionen zu54.

13.2

Politische Führung und Definition der Nachrichtenbedürfnisse

Die GPDel hat für den untersuchten Zeitraum zahlreiche Feststellungen getroffen, die auf eine weitgehend fehlende politische Führung und Kontrolle des Nachrichtendienstes schliessen lassen. Es bestand weder ein klarer Leistungsauftrag noch wurden von Seiten der politischen Führung die Nachrichtenbedürfnisse definiert. Es blieb deshalb weitgehend der UNA bzw. der UG ND überlassen, die Schwerpunkte ihrer Tätigkeit zu bestimmen und die ihr wichtig oder geeignet erscheinenden Nachrichten zu beschaffen (vgl. Ziff. 4.3.2).

Die GPDel begrüsst die vom Departement seit dem Erscheinen ihres letzten Berichts (1999) in die Wege geleiteten Reformen. Auch wenn diese zum heutigen Zeitpunkt noch keineswegs abgeschlossen sind, verzichtet die GPDel diesbezüglich auf weitere Empfehlungen.

54

Vgl. Art. 65 Abs 3 GVG bzw. Art. 171 Abs. 3 ParlG.

2391

13.3

Primat der Politik

Besonders gravierend hat sich erwiesen, dass der Nachrichtendienst in seinem Verhältnis zu Südafrika ­ aber insbesondere auch zur UNITA Angolas ­ keinerlei Rücksicht auf die offizielle Aussenpolitik der Schweiz genommen und dieser teilweise sogar bewusst zuwider gehandelt hat. Die Kontakte waren ohne jede Konsultation des EDA erfolgt, und Interventionen des EDA wurden bewusst missachtet (vgl. Ziff. 6.3). Zugleich ist aber auch festzustellen, dass sich weder das VBS noch das EDA mit dem nötigen Nachdruck dafür eingesetzt haben, die offensichtlich vorhandenen Bewertungsdifferenzen zu beseitigen und unter Mitwirkung des Gesamtbundesrats eine kohärente Ausrichtung der aussenpolitischen Kontakte zu erzielen.

Die eigenmächtigen Kontakte des Schweizer Nachrichtendienstes zu Südafrika und insbesondere zur Rebellenbewegung UNITA Angolas stellten eine krasse Verletzung der schweizerischen Aussen- und Neutralitätspolitik dar. Ungeachtet der bestehenden Waffenembargos und trotz internationaler Ächtung des damaligen Apartheidregimes hat der Schweizer Nachrichtendienst jahrelang Informationen über militärische Belange und Kriegsmaterial mit Südafrika ausgetauscht.

Bei allem Verständnis für die besonderen Bedürfnisse des Nachrichtendienstes ist zu berücksichtigen, dass auch dieser Teil der staatlichen Tätigkeit in die Gesamtheit der Staatsaufgaben eingebettet ist. Ein Nachrichtendienst führt in diesem Sinn kein Eigenleben, sondern hat sich in das Gesamtgefüge einzuordnen. Werden dabei Zielkonflikte ersichtlich, ist eine Interessenabwägung durch die politisch zuständigen Behörden vorzunehmen. Es kann nicht angehen, dass der Nachrichtendienst seine kurzfristigen Interessen denjenigen des Landes überordnet und unbesehen um die politischen Konsequenzen seine Partikularinteressen verfolgt.

Die GPDel anerkennt, dass im Anschluss an ihren letzten Bericht vom November 1999 mit der neu geschaffenen Nachrichtendienstverordnung vom 4. Dezember 2000 (VND) die Verpflichtung geschaffen worden ist, vor der Aufnahme regelmässiger Kontakte zum Ausland die Zustimmung des Bundesrates einzuholen (Art. 6 Abs. 1 VND). Sie erhofft sich im Weitern aber auch von der vom Parlament beschlossenen Revision des Militärgesetzes (vgl. dazu Ziff. 4.2) eine nachhaltige Wirkung, indem der strategische Nachrichtendienst neu unmittelbar dem
Vorsteher des VBS untersteht (Art. 99 Abs. 5 MG). Aufgrund dieser beiden Massnahmen darf erwartet werden, dass die politischen ­ und insbesondere auch die aussenpolitischen ­ Aspekte der nachrichtendienstlichen Tätigkeit in Zukunft vermehrt Berücksichtigung finden werden. Es wird dabei aber insbesondere im Verantwortungsbereich des Departementsvorstehers des VBS liegen, die erforderlichen Vorkehrungen in die Wege zu leiten, um auch beim Nachrichtendienst das Primat der Politik sicherzustellen.

13.4

Effizienz- und Qualitätskontrolle

Der südafrikanische militärische Nachrichtendienst zählte während rund 20 Jahren zweifellos zu den wichtigen Partnerdiensten der UNA bzw. der UG ND. Trotzdem konnte die GPDel in den Unterlagen des Nachrichtendienstes kaum einen Hinweis auf sicherheitsrelevante Informationen finden, welcher auf diese Kontakte zurückzu2392

führen gewesen wäre. Aber auch von Seiten der Departementsleitung wurde offenbar der Wert dieser Kontakte nie hinterfragt (vgl. Ziff. 6.8).

Die GPDel erachtet es deshalb als dringend erforderlich, dass eine Kosten-NutzenAnalyse der nachrichtendienstlichen Tätigkeit im Allgemeinen durchgeführt wird.

Sie lädt deshalb den Bundesrat ein, die erforderlichen Vorkehrungen in die Wege zu leiten, damit der vom Schweizer Nachrichtendienst für die Sicherheitsinteressen des Landes geschaffene Mehrwert und insbesondere dessen Effizienz bemessen werden kann.

13.5

Geheimhaltungsvorschriften

Die GPDel hat verschiedentlich festgestellt, dass Unterlagen des Nachrichtendienstes geheim klassifiziert sind, obwohl kein berechtigtes Geheimhaltungsbedürfnis zu erkennen ist. Der Eindruck lässt sich dabei nicht von der Hand weisen, dass die teilweise übertriebene Geheimhaltung letztlich darauf ausgerichtet ist, eine öffentliche Diskussion über die Aktivitäten des Nachrichtendienstes, seine Effizienz und seine politische Führung zu vermeiden (vgl. Ziff. 4.3.7).

Geheimhaltungsbedürftig können nach Auffassung der GPDel nur Informationen sein, bezüglich derer ein konkretes Geheimhaltungsinteresse besteht. Auch wenn die Geheimhaltung in Bezug auf aktuelle Informationen von wesentlicher Bedeutung erscheint, bleibt zu beachten, dass das Geheimhaltungsinteresse mit zunehmendem Zeitablauf entschwindet und sogar ganz entfallen kann, wenn sich die politische oder militärische Situation und mit ihr die Bedrohungssituation verändert hat. Der Bundesrat wird in diesem Sinn eingeladen, die Geheimhaltungspraxis des Nachrichtendienstes zu überprüfen und gegebenenfalls die entsprechenden Vorschriften dem aktuellen politischen Umfeld anzupassen.

13.6

Aktenführung und -archivierung

Die Abklärungen der GPDel haben ergeben, dass die fehlende Dokumentation nachrichtendienstlicher Tätigkeiten und insbesondere die in grossem Umfang vorgenommene Vernichtung von Akten eine wirksame Kontrolle wesentlich erschwert, wenn nicht gar teilweise verunmöglicht haben (vgl. Ziff. 4.3.7).

Auch berechtigte Geheimhaltungsinteressen entbinden den Nachrichtendienst nicht von der Pflicht, seine Tätigkeiten hinreichend zu dokumentieren. Dies liegt nicht nur im Interesse des Dienstes selbst, sondern bildet auch Voraussetzung für eine nachträgliche Überprüfung ­ sei es durch das Departement oder durch die parlamentarische Aufsichtsbehörde.

Die GPDel lädt den Bundesrat im Rahmen der bevorstehenden Revision der VND ein, Vorschriften über die Aktenführung des Nachrichtendienstes zu erlassen und für den Vollzug des Archivierungsgesetzes auch in diesem Bereich der staatlichen Tätigkeit besorgt zu sein. Nachdem mit der kürzlichen Revision des Militärgesetzes (vgl. Ziff. 4.2) eine gesetzliche Grundlage für den Quellenschutz geschaffen worden ist, drängt sich eine alle Aspekte umfassende Regelung auf Verordnungsstufe geradezu auf. Der Bundesrat kann dabei auf die Vorarbeiten der Direktion SND und des Bundesarchivs zurückgreifen.

2393

13.7

Zusammenarbeit mit Quellen und Informanten

Wie die Abklärungen der GPDel gezeigt haben, wirkte sich die überaus enge Beziehung zwischen Peter Regli und seinem ehemaligen Dienstkameraden Jürg Jacomet für das Ansehen des Schweizer Nachrichtendienstes geradezu verheerend aus. Auch wenn Jürg Jacomet nicht Angehöriger der UNA bzw. der UG ND war, hat er sich öfters als solcher ausgegeben. Die besondere Nähe zu Peter Regli erlaubte es ihm, seinen diesbezüglichen Behauptungen eine erhöhte Glaubwürdigkeit zu verleihen (vgl. Ziff. 9).

Für die GPDel ist es nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen Peter Regli die klar zu Tage getretenen Warnsignale nicht beachtete, auch nicht auf seine engsten Mitarbeiter hörte, in blindem Vertrauen an Jürg Jacomet festhielt und sich von ihm aufs Gröbste für dessen eigene Zwecke missbrauchen liess.

Die GPDel erachtet es als unerlässlich, dass für die Auswahl, Instruktion und Finanzierung von Informanten des Nachrichtendienstes klare und einheitliche Regeln geschaffen und auch entsprechende Kontrollmechanismen eingeführt werden, damit derartige Situationen in Zukunft vermieden werden können. Solche Weisungen müssten ohne Zweifel die gesamten Nachrichtendienste des Bundes betreffen, und nicht nur die Nachrichtendienste des VBS.

13.8

Projekt «Coast»

Hauptursache für die wieder aufgenommenen Untersuchungen der GPDel bildete der Vorwurf, der Schweizer Nachrichtendienst oder andere Dienststellen des VBS hätten das südafrikanische Geheimprojekt zur offensiven biologisch-chemischen Kriegsführung unterstützt oder seien daran zumindest beteiligt gewesen. Die GPDel hat deshalb alles unternommen, um in Bezug auf diesen ausgesprochen schwerwiegenden Vorwurf definitive Klarheit zu erlangen (vgl. Ziff. 10).

Die auf eine breite Basis gestellten Abklärungen haben im Wesentlichen die von der GPDel bereits in ihrem Bericht vom November 1999 getroffenen Feststellungen noch einmal bestätigt. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Schweizer Nachrichtendienst, die Gruppe Rüstung oder deren Mitarbeiter, insbesondere auch nicht Peter Regli, in Belange des Projekts «Coast» involviert waren.

13.9

Mitwirkung der Verwaltung an den Abklärungen der GPDel

Im Rahmen ihrer Abklärungen hat die GPDel verschiedentlich feststellen müssen, dass ihr von den involvierten Dienststellen und beteiligten Beamten teilweise eher unwillig oder jedenfalls nicht umfassend Auskunft gegeben worden ist. Gelegentlich blieben die Antworten unvollständig (vgl. etwa Ziff. 4.3.3.4) oder lückenhaft (vgl.

etwa Ziff. 8.2); in einem Fall wurde die GPDel gar angelogen (vgl. Ziff. 12).

Insbesondere zeigte sich aber auch, dass Peter Regli während seiner Tätigkeit als Chef UNA bzw. USC ND die parlamentarische Aufsichtsbehörde nie von sich aus über allenfalls problematische Vorfälle informiert (vgl. etwa Ziff. 11.1.2) oder derartige Vorkommnisse gar verschwiegen hatte (vgl. Ziff. 12). Die GPDel ist über2394

zeugt davon, dass die vorliegende Untersuchung wohl nicht in diesem Umfang erforderlich gewesen wäre, wenn sie anlässlich der vorausgegangenen Abklärungen von der UG ND und insbesondere von Peter Regli offen und vollständig informiert worden wäre.

Die parlamentarische Oberaufsicht über die Nachrichtendienste erfüllt eine wichtige Funktion. Sie bietet nicht nur Gewähr für eine korrekte Auftragserfüllung in einem sensiblen Bereich der staatlichen Verwaltung, sondern trägt letztlich auch entscheidend zur politischen Akzeptanz bei. Die GPDel kann deshalb nicht tolerieren, dass ihr von Seiten der Verwaltung mit Misstrauen oder gar Obstruktion begegnet wird.

14

Weiteres Vorgehen

Die Geschäftsprüfungsdelegation bittet den Bundesrat, zu diesem Bericht und den Empfehlungen bis Ende 2003 Stellung zu nehmen.

18. August 2003

Im Namen der Geschäftsprüfungsdelegation Der Präsident: Alexander Tschäppät, Nationalrat Der Sekretär: Philippe Schwab

Die Geschäftsprüfungskommissionen haben diesen Bericht am 25. August 2003 zur Kenntnis genommen und dessen Veröffentlichung genehmigt.

25. August 2003

Im Namen der Geschäftsprüfungskommissionen Der Präsident der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates: Michel Béguelin, Ständerat Die Präsidentin der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates: Brigitta M. Gadient, Nationalrätin

2395

Abkürzungsverzeichnis A.a.O.

Abs.

ANC Art.

AS BA BAP BAZL BBl BG BGA BJ BuPo Bst.

BV bzw.

CH CIMM DAP Div DMV EDA EFD EJPD EMD EVD FFND FAPLA GGST GPDel GR GRD GS GSC GVG IKRK Kdt LWND MG MID MND 2396

Am angeführten Ort Absatz African National Congress Artikel Amtliche Sammlung des Bundesrechts Bundesanwaltschaft Bundesamt für Polizei Bundesamt für Zivilluftfahrt Bundesblatt Bundesgesetz Bundesgesetz über die Archivierung (Archivierungsgesetz; SR 152.1) Bundesamt für Justiz Bundespolizei; heute DAP Buchstabe Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (SR 101) Beziehungsweise Schweiz Comité International de Médecine Militaire Dienst für Analyse und Prävention; ehemals Bundespolizei Divisionär Direktion der Eidgenössischen Militärverwaltung Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten Eidgenössisches Finanzdepartement Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement Eidgenössisches Militärdepartement; heute VBS Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement Sektion Flieger- und Fliegerabwehrnachrichtendienst; heute LWND Forças Armadas Populares de Libertação de Angola (bewaffnete Organisation der MPLA) Gruppe für Generalstabsdienste; heute Generalstab Delegation der Geschäftsprüfungskommissionen der Eidgenössischen Räte Gruppe Rüstung; ehemals Gruppe für Rüstungsdienste Gruppe für Rüstungsdienste; heute Gruppe Rüstung Generalsekretariat Generalstabschef Bundesgesetz vom 23. März 1962 über den Geschäftsverkehr der Bundesversammlung sowie über die Form, die Bekanntmachung und das Inkrafttreten ihrer Erlasse (Geschäftsverkehrsgesetz; SR 171.11) Internationales Komitee vom Roten Kreuz Kommandant Luftwaffennachrichtendienst Bundesgesetz vom 3. Februar 1995 über die Armee und die Militärverwaltung (Militärgesetz; SR 510.10) Military Intelligence Division (militärischer Nachrichtendienst Südafrikas) Militärischer Nachrichtendienst

MP MPLA Ofaz ParlG P.R.

PUK RENAMO RSA RUAG S.

SA SADF SIVEP SND SNDA SNDB SR SWAPO TCR UG UG ND UNA UNITA USC VBS Vgl.

VND VO VPB W.B.

Ziff.

Militärpolizei Movimento Popular da Libertação de Angola (Volksbewegung für die Befreiung Angolas).

Oberfeldarzt Parlamentsgesetz Peter Regli Parlamentarische Untersuchungskommission Resistência Nacional de Moçambique (Nationale Widerstandsbewegung Moçambiques) Republic of South Africa Holding der privaten Rüstungsunternehmen des Bundes Seite Südafrika South African Defence Forces (südafrikanische Streitkräfte) Abteilung Sicherheit und Verteidigungspolitik im VBS Strategischer Nachrichtendienst Sektion bzw. Abteilung Auswertung des SND Sektion bzw. Abteilung Beschaffung des SND Systematische Sammlung des Bundesrechts South West Africa People's Organization (ursprünglich Befreiungsorganisation, seit 1990 Regierungspartei in Namibia) Truth & Reconciliation Commission Untergruppe Untergruppe Nachrichtendienst; heute Direktion SND Untergruppe Nachrichtendienst und Abwehr; heute Direktion SND União Nacional para a Indêpência Total de Angola (Volksbewegung für die Befreiung Angolas) Unterstabschef Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport Vergleiche Verordnung vom 4. Dezember 2000 über den Nachrichtendienst im Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (Nachrichtendienstverordnung; SR 510.291) Verordnung Verwaltungspraxis der Bundesbehörden Wouter Basson Ziffer

2397

Anhang 1

Verzeichnis der angehörten Personen (ausgeübte Funktion zum Zeitpunkt der Befragung) Die GPDel führte an insgesamt 22 Tagen diverse Anhörungen durch. Sie befragte ­ teils mehrmals ­ folgende Personen: 1.

Ackermann Anton, Chefankläger im Prozess gegen Dr. W. Basson, Deputy Director of Public Prosecutions for the Transvaal region, Pretoria, Südafrika

2.

Antonietti Francis, Oberst im Generalstab, Schweizer Verteidigungsattaché in Rom, zuvor Chef der Sektion Flieger- und Fliegerabwehrnachrichtendienst (1989­1994), VBS

3.

Brunner Edouard, ehemaliger Staatssekretär, EDA

4.

Burkhardt Philipp, Journalist

5.

Ceppi Jean-Philippe, Journalist

6.

de Watteville Jacques, Chef der Politischen Abteilung V ­ Wirtschaft und Finanzfragen, EDA

7.

Eichenberger Peter, alt Divisionär, ehemaliger Unterstabschef Sanität und ehemaliger Oberfeldarzt (1989­2001), VBS

8.

Ernst Hans-Ulrich, ehemaliger Direktor der Eidgenössischen Militärverwaltung/Generalsekretär des Eidgenössischen Militärdepartements (1979­ 1996), VBS

9.

Garbely Frank, Journalist

10. Gut Juan Felix, Generalsekretär, VBS 11. Kohli Ulrich, Rechtsanwalt 12. Leitner Markus, Stellvertretender Sektionschef, Politische Abteilung V ­ Wirtschafts- und Finanzfragen, EDA 13. Lezzi Bruno, Journalist 14. Liener Arthur, alt Korpskommandant, ehemaliger Generalstabschef, VBS 15. Mader Luzius, Professor, Vizedirektor, Chef der Hauptabteilung Staats- und Verwaltungsrecht, Bundesamt für Justiz, EJPD 16. Maurer Alfred, Chef Personal und Finanzen, Strategischer Nachrichtendienst, VBS 17. Michel Nicolas, Direktor, Direktion für Völkerrecht, EDA 18. Petitpierre Mario, alt Divisionär, ehemaliger Unterstabschef Nachrichten und Abwehr (1981­1988), VBS 19. Pitteloud Jacques, Nachrichtenkoordinator, Lage- und Früherkennungsbüro, VBS 20. Rapp Dominik (), ehemaliger Geschäftspartner von Jürg Jacomet 2398

21. Regli Peter, alt Divisionär, ehemaliger Unterstabschef Nachrichtendienst (1991­2000), zuvor stellvertretender Unterstabschef Nachrichtendienst (1989­1991), zuvor Chef der Sektion Flieger- und Fliegerabwehrnachrichtendienst (1981­1988), VBS 22. Ringgenberg Albrecht, Chef Militärprotokoll, Generalstab, VBS 23. Rüegg Alfred, ehemaliger Chef der Politischen Abteilung II und ehemaliger Stellvertretender Direktor der Politischen Direktion (1985­1989), EDA 24. Schmid Samuel, Bundesrat, Vorsteher VBS 25. Schreier Fred, ehemaliger Chef der Abteilung Strategischer Nachrichtendienst (1990­1999), zuvor Chef der Sektion Auswertung (1978­1989), Untergruppe Nachrichtendienst, VBS 26. Schweizer Rainer J., Professor, Untersuchungsbeauftragter des VBS 27. Sigg Oswald, Informationschef VBS 28. Stadler Hansjörg, Stellvertretender Staatsanwalt des Bundes, Bundesanwaltschaft, EJPD 29. Stoll Martin, Journalist 30. Stuber Peter, Referent für Sonderaufgaben, VBS 31. Trösch Andreas, Rechtsanwalt, Hauptabteilung Staats- und Verwaltungsrecht, Bundesamt für Justiz, EJPD 32. Vanoni Bruno, Journalist 33. Vez Jean-Luc, Direktor, Bundesamt für Polizei, EJPD 34. Vogel Rudolf, Stellvertretender Sektionschef, Bundesamt für Waffensysteme und Munition, VBS 35. von Daeniken Franz, Staatssekretär, EDA 36. von Weissenfluh Hans, Untergruppe Planung, zuvor wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Sektion Flieger- und Fliegerabwehrnachrichtendienst (1983­ 1997), VBS 37. Wegmüller Hans, Direktor, Strategischer Nachrichtendienst, zuvor Chef der Sektion Beschaffung (1987­1993), Untergruppe Nachrichtendienst, VBS 38. Wicki Toni J., Delegierter des Verwaltungsrats der RUAG AG, zuvor Rüstungschef (1991­2000), VBS Des Weiteren hörte die Delegation drei Sekretärinnen aus dem VBS und fünf wissenschaftliche MitarbeiterInnen des SND und der Gruppe Rüstung an. Gewisse dieser Personen arbeiten heute nicht mehr für den Bund.

2399

Anhang 2

Liste der beigezogenen Unterlagen Für ihre Abklärungen nahm die GPDel bei zahlreichen Dienststellen des Bundes Einsicht in die Akten. Im Einzelnen wurden folgende Akten beigezogen: Unterlagen des Bundesarchivs ­

E 5564 Untergruppe Nachrichtendienst und Abwehr im Generalstab: Handakten Peter Regli

­

AZ 004 Zusammenarbeit mit fremden Staaten, 1985, E 5150 (C) 1998/108, Band 2

­

AZ 0321.04 Oberst Coetzee Philippus, Südafrika, 1987, E 5001 (G) 1998/265, Band 13

­

AZ 322/119 Abkommandierungen und Besuche ins Ausland: Südafrika, 1986­1987, E 5560 (D) 1997/160, Band 168

­

AZ 6480.001­122 Abkommandierung von Offizieren ins Ausland. Einzelfälle, 1984, E 5001 (G) 1995/153, Band 80­82

­

AZ 6480.001­161 Abkommandierung von Offizieren ins Ausland. Einzelfälle, 1987, E 5001 (G) 1998/265, Band 73­76

­

AZ 6480.001­6480.127 Abkommandierung von Offizieren ins Ausland.

Einzelfälle, 1985, E 5001 (G) 1996/367, Band 74­77

­

AZ 6480.001­6480.143 Abkommandierung von Offizieren ins Ausland.

Einzelfälle, 1986, E 5001 (G) 1996/368, Band 83­86

­

AZ 6480.001­6480.48 Abkommandierung von Offizieren ins Ausland. Einzelfälle, 1988, E 5001 (G) 1998/266, Band 77­78

­

AZ 6480.001­6480.52 Abkommandierung von Offizieren ins Ausland. Einzelfälle, 1989, E 5001 (G) 1998/267, Band 65­66

­

AZ 6481.03 Offiziere aus Südafrika, 1982, E 5001 (G) 1994/118, Band 65

­

AZ 6481.11 Besuch von 2 Südafrikanischen Obersten, 1987, E 5011 (G) 1998/265, Band 77

­

Archiv des Generalkonsulates der Schweiz in Windhoek (Namibia) für die Zeit 1989­1992

­

E 5001 (G) 1982/12, 1982/121, AZ 793.30

­

E 5001 (G) 1982/12, AZ 793.10 und AZ 793.21

­

E 5001 (G) 1992/71, AZ 79.01, AZ 79.10 und AZ 793.03

­

E 5560 (D) 1996/188, AZ 137.1

­

E 5001 (G) 1996/367, AZ 79.1, AZ 79.2 und AZ 793.3

­

E 5001 (G) 1996/368, AZ 79.4, AZ 793.02 und AZ 793.06

­

E 5001 (G) 1998/266, AZ 6481.07

­

E 5001 (G) 1998/267, AZ 793.06

2400

­

E 5560 (D) 1997/160, Band 186

­

E 2010 (A) 1996/397, Band 119

Unterlagen des VBS ­

Sämtliche (noch vorhandenen) Protokolle der Geschäftsleitungs- bzw. Leitungsstabssitzungen des VBS, soweit diese einen Bezug zu Südafrika aufweisen

­

Sämtliche (noch vorhandenen) Kontaktprotokolle der UNA bzw. UG ND und der FFND in Bezug auf Südafrika und Angola (Kontaktprotokolle der Chefbesuche und Kontaktprotokolle zu Fachgesprächen)

­

Sämtliche (noch vorhandenen) Unterlagen des Militärprotokolls über Besuche von Armeeangehörigen in und aus Südafrika (eine detaillierte Liste ist erst ab 1994, Dossiers über Südafrika sind erst ab 1996 vorhanden; «nachrichtendienstlich abgeschirmte» Besuche sind nicht erfasst)

­

Sämtliche (noch vorhandenen) Unterlagen über die Korrespondenz des VBS mit den in der Schweiz akkreditierten südafrikanischen Verteidigungsattachés

­

Spesenabrechnungen und -belege der UNA und der UG ND (die Buchhaltungsunterlagen sind, ab 1985, die Einzelabrechnungen ab 1996 vorhanden)

­

Inventarlisten des SND über sämtliche noch vorhandenen Akten

­

Sämtliche (noch vorhandenen) Unterlagen in Bezug auf die Vereinbarung zwischen der Schweiz und der Republik Südafrika über den gegenseitigen Schutz von klassifizierten Informationen aus dem Jahre 1983

­

Sämtliche Unterlagen betreffend die Beschaffung von zwei SA-18-Raketen

Unterlagen der Bundesanwaltschaft ­

Ermittlungsakten A. B.

­

Ermittlungsverfahren der Bezirksanwaltschaft Zürich gegen Wouter Basson aus dem Jahr 1993/94

­

Ermittlungsverfahren der Bezirksanwaltschaft Pfäffikon (Kanton Zürich) im Zusammenhang mit dem Uranfund in Kemptthal aus dem Jahr 1993/94

­

Akten der von der Schweiz an Südafrika geleisteten Rechtshilfe im Prozess gegen Wouter Basson aus dem Jahr 1997

­

Befragungen der Bundesanwaltschaft bzw. der Bundespolizei im laufenden Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts des unerlaubten Exports und Transits von stratgesichen Gütern (samt Unterlagen über die durchgeführten Abklärungen)

­

Befragungen der Bundesanwaltschaft im Zusammenhang mit ihren rechtshilfeweisen Abklärungen in Südafrika vom März 2002: ­ General D. P. (Niel) Knobel (ab 1981 im Sanitätsdienst tätig, seit 1988 General der Sanität und bis 1995 Leiter des Projekts «Coast», seit 1997 im Ruhestand);

2401

­

­ ­ ­

General Lothar Neethling (1971­1985 Chef des forensischen wissenschaftlichen Labors der südafrikanischen Polizei, 1985­1992 Chef der Abteilung Kriminalistik der südafrikanischen Polizei, seit 1992 im Ruhestand); General Dirk Verbeek (1988­1994 Stellvertreter von C. P. Van der Westhuizen, von 1994­1998 dann Stabschef Nachrichtendienst der südafrikanischen Streitkräfte, ab 1998 im Ruhestand); General C. P. Van der Westhuizen (1991­1994 Stabschef Nachrichtendienst der südafrikanischen Streitkräfte, seit 1994 im Ruhestand); T.J.R. Viljoen (Geschäftsführer der Infladel, 1988­1990 Finanzdirektor der Roodeplaat, später dann bei der Wisdom Firmengruppe).

Unterlagen des Dienstes für Analyse und Prävention des Bundesamtes für Polizei ­

Diverse

Unterlagen des EDA ­

Ausgewählte Einzelunterlagen mit Bezug zu Südafrika

Unterlagen aus Südafrika ­

Anklageschrift und Urteile aus dem in Südafrika gegen Wouter Basson geführten Prozess

­

Von der südafrikanischen Staatsanwaltschaft überlassene Akten aus dem Prozess gegen Wouter Basson (das Schwergewicht liegt auf den finanziellen Transaktionen Bassons und seinen Aktivitäten innerhalb der Medchem AG)

­

Berichterstattung der Wahrheits- und Versöhnungskommission

Unterlagen von Privatpersonen ­

Diverse

Unterlagen der Geschäftsprüfungsdelegation der eidgenössischen Räte ­

2402

Akten und Protokolle der Untersuchung 1999

Anhang 3

Liste der beigezogenen und eingeholten Berichte Die GPDel zog für ihre Abklärungen u.a. folgende amtliche Berichte bei: ­

Bericht des Generalstabschefs «Zusammenarbeit des Nachrichtendienstes mit ausländischen Diensten», vom September 1991

­

Bericht von Professor A. Heyndrickx über Untersuchungen an Opfern chemischer Kriegsführung in Angola, vom März 1988 (nur auf Englisch, mit Anhängen auf Portugiesisch und Französisch)

­

Bericht der interdepartementalen Arbeitsgruppe Schweiz/Südafrika, «Die Beziehungen zwischen der Schweiz und Südafrika», vom Juli 1999

­

Bericht des Strategischen Nachrichtendienstes der Untergruppe Nachrichtendienst «Von der Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten», vom Juni 1999

­

Bericht des Strategischen Nachrichtendienstes der Untergruppe Nachrichtendienst «Von den nachrichtendienstlichen Beziehungen zu Südafrika», vom Juni 1999

­

Bericht des Historischen Dienstes des EDA «Schweiz ­ Südafrika, Zusammenstellung der parlamentarischen Vorstösse (1948­2000)», vom Oktober 2000

­

Bericht des Historischen Dienstes des EDA und des Schweizerischen Bundesarchivs «Schweiz ­ Südafrika (1948­1994), Archivbestände und parlamentarische Vorstösse», 2000

­

Bericht des Generalsekretärs VBS «Vorabklärungen im VBS: Schweiz ­ Südafrika, Kontakte des Schweizer Nachrichtendienstes, Archivierung/Vernichtung von Akten», vom Oktober 2001

­

Bericht des Unterstabschefs Sanität und Oberfeldarztes «Kontakte von Schweizer Militärärzten mit Funktionskollegen aus Südafrika», vom März 2002

­

Bulletin des Nationalen Forschungsprogramms NFP 42+ «Beziehungen Schweiz Südafrika», vom Oktober 2002

­

Schlussbericht der Administrativuntersuchung des VBS «in Sachen Nachrichtendienst/Südafrika», vom Dezember 2002

Die GPDel forderte überdies folgende Berichte an: ­

Zusammenstellung des Strategischen Nachrichtendienstes «Kontakte mit Südafrika; Abrechnung zulasten des Budgets UG NA bzw. UG ND resp.

SND», vom April 2002

­

Zusammenstellung des Strategischen Nachrichtendienstes «Nachrichtendienstliche Kontakte mit Südafrika», vom Oktober 2002

­

Bericht der Eidgenössischen Militärbibliothek «Aspekte der nachrichtendienstlichen und militärischen Beziehungen zwischen Südafrika und den 2403

USA, Grossbritannien, Israel, Argentinien, Portugal, der Sowjetunion, Kuba, Belgien und Frankreich zur Apartheid-Zeit», vom November 2002 ­

Bericht der Eidgenössischen Militärbibliothek «Aspekte der Rüstungsbeziehungen zwischen gewissen westlichen Ländern und Südafrika: Umgehungsmodalitäten des Waffenembargos der UNO zur Apartheid-Zeit», vom Dezember 2002 (auf Französisch)

­

Bericht des Historischen Dienstes des EDA «Akteneinsichtspraxis des EDA in Bezug auf Akten über die Beziehungen der Schweiz zu Südafrika», vom Januar 2003 (auf Französisch)

­

Bericht der Eidgenössischen Militärbibliothek «Die Rüstungszusammenarbeit Südafrikas mit anderen Ländern, untersucht nach wichtigen Waffenprogrammen», vom Februar 2003

2404

Anhang 4

Verordnung über den Nachrichtendienst im Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (Nachrichtendienstverordnung, VND)

Art. 1

Zusammensetzung des Nachrichtendienstes

Der Nachrichtendienst im Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) umfasst: a.

den Strategischen Nachrichtendienst (SND);

b.

den Militärischen Nachrichtendienst (MND);

c.

den Luftwaffennachrichtendienst (LWND).

Art. 2

Strategischer Nachrichtendienst

Der SND stellt den ständigen Auslandnachrichtendienst sicher. Er beschafft zuhanden der politischen und militärischen Führung und in enger Zusammenarbeit mit anderen Bundesstellen Informationen, die für die Sicherheit der Eidgenossenschaft bedeutsam sind, wertet diese aus und verbreitet sie.

Art. 3 1

Militärischer Nachrichtendienst

Der MND stellt den Nachrichtendienst auf operativer und taktischer Stufe sicher.

Die Tätigkeiten des MND erfolgen in enger Zusammenarbeit mit dem SND und den Stellen des Bundes sowie der Kantone zuhanden der Armeeführung, der Truppe und der verantwortlichen Behörden.

2

Bei Einsätzen der Armee im Ausland stellt der MND in Absprache mit dem SND den Nachrichtendienst bezogen auf den Einsatzraum sicher.

3

Art. 4

Luftwaffennachrichtendienst

Der LWND stellt den operativ-taktischen und technischen Nachrichtendienst für den Einsatz der Luftwaffe sicher. Zudem beschafft er im Interessenraum der Armee Informationen, die für die Aufgabenerfüllung der Armee erforderlich sind, wertet diese aus und leitet sie an den MND weiter.

Art. 5

Zusammenarbeit mit zivilen Stellen im Inland

Der Generalstabschef regelt im Einzelfall bei Armeeeinsätzen die Zusammenarbeit der nachrichtendienstlichen Organe der Armee mit den zivilen Behörden und legt

2405

die Schranken dafür fest, namentlich im Bereich von Personendaten mit Einschluss von besonders schützenswerten Personendaten und Persönlichkeitsprofilen.

Art. 6

Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten

Die Aufnahme regelmässiger Kontakte zum Ausland bedarf der Zustimmung des Bundesrates.

1

Der SND stellt die erforderlichen Verbindungen zu ausländischen Diensten sicher.

Er kann Informationen austauschen, soweit dies im Interesse der Sicherheit der Eidgenossenschaft erforderlich oder durch Gesetz oder Staatsvertrag geboten ist.

2

3

Die Kontakte des MND zu ausländischen Diensten erfolgen über den SND.

Die Auslandkontakte des LWND beschränken sich auf Fachgespräche mit anderen Luftwaffennachrichtendiensten gleicher Stufe.

4

Art. 7

Informationspflicht

Die Dienststellen der Bundesverwaltung leiten sicherheitspolitisch bedeutsame Informationen über das Ausland an den SND weiter, sofern:

1

a.

die Informationen von Bedeutung sind für die Sicherheit der Eidgenossenschaft, für die Sicherheitslage im strategischen Umfeld oder für die Interessen der Schweiz im Ausland;

b.

die Weitergabe mit dem Gesetz und den Staatsverträgen vereinbar ist; und

c.

die Informationen nicht aus Tätigkeiten von Dienststellen im Bereich der humanitären Hilfe oder der Auslandhilfe stammen.

Die Dienststellen des Bundes und der Kantone melden dem MND jene Bedrohungs- und Umweltinformationen aus dem Interessenraum der Armee, die zu einem Einsatz der Armee führen oder einen solchen beeinflussen können.

2

Art. 8

Bearbeitung von Personendaten

Der SND kann Personendaten mit Einschluss von besonders schützenswerten Personendaten und Persönlichkeitsprofilen bearbeiten:

1

a.

zum Schutz seiner Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Quellen vor sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten;

b.

für die Überprüfung der für die Aufgabenerfüllung notwendigen Nachrichtenzugänge;

c.

bei Vorgängen im Ausland: wenn sie von sicherheitspolitischer Bedeutung für die Eidgenossenschaft sind.

Der MND kann die für einen Armeeeinsatz notwendigen Personendaten mit Einschluss von besonders schützenswerten Personendaten und Persönlichkeitsprofilen bearbeiten:

2

a.

2406

zum Schutz von Angehörigen der Armee sowie seiner Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Quellen vor sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten;

b.

für die Überprüfung der für die Aufgabenerfüllung notwendigen Nachrichtenzugänge.

Die Datensammlungen der Nachrichtendienste werden nicht im Register der Datensammlungen nach Artikel 11 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz aufgeführt, wenn dies die Informationsbeschaffung gefährden würde.

Die Nachrichtendienste informieren den Datenschutzbeauftragten in einer allgemeinen Form über diese Datensammlungen.

3

Art. 9

Schutz und Sicherheit

Die Nachrichtendienste können für die Sicherstellung des Personen-, Informationsund Objektschutzes in ihren Tätigkeitsbereichen Schutz und Sicherheitsmassnahmen treffen.

Art. 10

Berichterstattung

Der Chef VBS orientiert den Bundesrat regelmässig über die Tätigkeiten der Nachrichtendienste.

2407

Anhang 5

Beziehungen zu Südafrika: Rolle des Schweizer Nachrichtendienstes (Auszug aus dem Bericht der GPDel vom 12. November 1999) Bei ihren Abklärungen im Jahr 1999 konzentrierte sich die GPDel auf zwei Themenkomplexe: 1.

2.

Welche Kontakte unterhielt der schweizerische Nachrichtendienst und insbesondere dessen Chef mit Vertretern des Apartheidregimes in Südafrika?

Waren Mitarbeiter der Gruppe Rüstung oder des Nachrichtendienstes in irgendeiner Weise an dem vom Apartheidregime in Südafrika angestrengten Aufbau eines biologischen und/oder chemischen Waffenarsenals beteiligt?

In Ihrem Bericht vom 12. November 1999 (BBl 2000 563) gelangte die GPDel zu folgenden Erkenntnissen: «1.

Zur Organisation und Aufgaben des Schweizer Nachrichtendienstes Es erscheint dringend angezeigt, die Reorganisation der gesamten staatlichen Nachrichtenbeschaffung und -auswertung im Sinne der bereits überwiesenen parlamentarischen Vorstösse an die Hand zu nehmen. Angesichts des seit der Beendigung des «Kalten Krieges» radikal veränderten politischen Umfelds und der damit einhergehenden neuen Gefährdungen ist der Reorganisation des zivilen und militärischen Nachrichtendienstes vordringliche Priorität einzuräumen. Organisation und Strukturen des Nachrichtendienstes sind an die veränderten Verhältnisse anzupassen. Es ist zu klären, ob an der heutigen Doppelspurigkeit von zivilen und militärischen Behörden weiterhin festgehalten werden soll oder ob nicht mit einer einheitlichen Organisationsstruktur den längst nicht mehr nur auf polizeiliche oder militärische Bedrohungsszenarien bezogenen Informationsbedürfnissen von Parlament, Regierung und Verwaltung besser gedient werden kann. Zugleich bedarf es aber für die Beschaffung und Auswertung sicherheitsrelevanter Nachrichten zusätzlich auch dringend eines klaren Leistungsauftrags durch die dafür zuständigen politischen Behörden. In Berücksichtigung der veränderten Bedrohungssituation kann es nicht mehr länger Aufgabe des Nachrichtendienstes selbst oder allenfalls des vorgesetzten Departements sein, die Schwerpunkte der Informationsbeschaffung und -auswertung zu bestimmen. Die zentrale Aufgabe der politischen Führung und Kontrolle des staatlichen Nachrichtenwesens muss vielmehr dem Gesamtbundesrat in seiner Eigenschaft als oberstes Leitungsgremium des Bundes obliegen (vgl. Empfehlung 1).

2.

Zu den Auslandkontakten des Nachrichtendienstes im Allgemeinen Im Rahmen der Reorganisation der staatlichen Informationsbeschaffung und ­auswertung wird zu prüfen sein, auf welche Weise dem Primat der Politik im nachrichtendienstlichen Bereich in geeigneter Form Rechnung getragen werden kann. Die Aufnahme und Pflege regelmässiger Auslandkontakte darf nicht mehr länger in das Belieben des Nachrichtendienstes gestellt werden. Vielmehr ist mit klaren Weisungen und Kontrollen sicherzustellen, dass neben den rein nachrichtendienstlichen Aspekten auch die übrigen Interessen des Landes in die Beurteilung mit einfliessen (vgl. Empfehlung 1).

2408

3.

Zu den Auslandkontakten des Nachrichtendienstes mit Südafrika im Besonderen

31

Kontakte zum südafrikanischen Nachrichtendienst Der Entscheid zur Vernichtung der Protokolle über die Arbeitstreffen und Fachgespräche des Nachrichtendienstes ist vom Unterstabschef Nachrichtendienst in Absprache mit dem Generalstabschef eigenständig gefällt worden. Dem Departement ist diese Frage offenbar nicht zur Stellungnahme unterbreitet worden; es hat diesbezüglich auch keine Beanstandungen erhoben.

Nach den heute allgemein anerkannten Grundsätzen obliegt der Entscheid über die Vernichtung amtlicher Akten nicht der jeweiligen Verwaltungsstelle, sondern dem Bundesarchiv. Art. 6 des auf den 1. Oktober 1999 in Kraft getretenen Bundesgesetzes über die Archivierung sieht vor, dass die Bundesverwaltung alle Unterlagen, die sie nicht mehr ständig benötigt, dem Bundesarchiv zur Übernahme anbietet, soweit sie nicht selbst für deren Archivierung zuständig ist. Nach Art. 8 des Archivgesetzes dürfen Unterlagen, die unter die Anbieterpflicht fallen, ohne Zustimmung des Bundesarchivs nicht vernichtet werden. Es wird allenfalls Aufgabe des Bundesrats sein, in Nachachtung der gesetzlichen Grundsätze auf dem Verordnungsweg allfällige Beschränkungen der Einsichtnahme vorzusehen, um dem Schutz nachrichtendienstspezifischer Geheimhaltungsinteressen Rechnung zu tragen (vgl. Empfehlung 4).

32

Bedeutung der Kontakte zum südafrikanischen Nachrichtendienst Geradezu symptomatisch für die fehlende politische Kontrolle der Auslandkontakte erscheint die Tatsache, dass das Departement selbst keine eigenständige Stellungnahme zur Bedeutung und zu den politischen Implikationen der Kontakte mit Südafrika zur Zeit des früheren Apartheidregimes abgegeben hat. Es hat die Beantwortung dieser zentralen Frage Divisionär Peter Regli in seiner Eigenschaft als Unterstabschef Nachrichtendienst überlassen und auf eine eigenständige Stellungnahme verzichtet.

Dieser führt denn auch aus, dass die heutigen Verantwortlichen des Nachrichtendienstes die Frage nach den politischen Dimensionen der Beziehungen zu Südafrika nicht beantworten können. Daraus ist zu schliessen, dass innerhalb des Nachrichtendienstes keine entsprechenden Diskussionen geführt worden sind, und auch das Departement keine Veranlassung gesehen hatte, diesbezüglich eine politische Führungsverantwortung zu übernehmen.

Es kann nicht Aufgabe der GPDel sein, den sachlichen Gehalt der von Südafrika erlangten Informationen zu überprüfen oder gar abschliessend zu würdigen; sie ist dazu auf Grund der durchgeführten Abklärungen auch gar nicht in der Lage. Die GPDel muss es deshalb bei den entsprechenden Antworten des Unterstabschefs Nachrichtendienst bewenden lassen. Nachdem das Departement aber auch in dieser Beziehung auf eine eigenständige Stellungnahme verzichtet hat, drängt sich für die Delegation der Schluss auf, dass zumindest diesbezüglich eine departementsinterne Erfolgskontrolle nachrichtendienstlicher Aktivitäten nicht vorgenommen wurde und die Frage nach Aufwand und Nutzen der nachrichtendienstlichen Beziehungen zwischen der Schweiz und Südafrika bis anhin in politischer Hinsicht weder gestellt noch beantwortet worden ist.

33

Die Rolle von Jürg Jacomet als Mittelsmann Mangels schriftlicher Dokumentation der einzelnen Kontakte und in Berücksichtigung der Tatsache, dass Jürg Jacomet in der Zwischenzeit verstorben ist, konnte das Verhältnis zwischen Divisionär Peter Regli und Jürg Jacomet nur noch fragmentarisch aufgearbeitet werden. Die durchgeführten Abklärungen haben jedoch mit aller Deutlichkeit ergeben, dass sich das Verhalten «freier Mitarbeiter» gegebenenfalls äusserst kompromittierend für den Nachrichtendienst als Ganzes auswirken kann. Es ist deshalb dringend angezeigt, dass klare Weisungen geschaffen werden, in denen die Kriterien für Auswahl, Instruktion und Beaufsichtigung von Informanten und informellen Mitarbeitern des Nachrichtendienstes abschliessend geregelt werden (vgl.

Empfehlung 3).

2409

34

Kontakte zu Lothar Neethling, Wouter Basson und Niel Knobel Es erweckt den Anschein, dass Divisionär Peter Regli im Zusammenhang mit dem einmaligen Kontakt zu Lothar Neethling und Wouter Basson von Jürg Jacomet offensichtlich missbraucht worden ist und allzu eilfertig Repräsentanten eines ausländischen Staates in seinem Büro im Bundeshaus in Bern zu einem Höflichkeitsbesuch empfangen hat. In diesem Zusammenhang bleibt immerhin zu betonen, dass es sich weder bei Lothar Neethling noch bei Wouter Basson um Mitarbeiter des südafrikanischen Geheimdienstes gehandelt hatte, mit welchem der schweizerische Nachrichtendienst normale Kontakte unterhielt. Eine eingehendere Überprüfung der Motive von Jürg Jacomet und der ausländischen Gesprächspartner wäre deshalb zweifellos angezeigt gewesen. Blosses Vertrauen vermag eine sorgfältige Abklärung nicht zu ersetzen.

35

Kontakte der Bundespolizei zum südafrikanischen Geheimdienst Das Verhalten der Bundespolizei gibt zu keinen Bemerkungen Anlass.

4.

41

Angebliche Beteiligung des AC Laboratoriums Spiez an südafrikanischen Plänen zur Entwicklung biologischer und chemischer Waffen Kontakte zu Lothar Neethling und Wouter Basson Auf Grund ihrer Abklärungen geht die GPDel davon aus, dass grundsätzlich zwei Treffen in der Schweiz stattgefunden haben müssen, das eine in Bern, das andere in Luzern. Während an der ersten Zusammenkunft in Bern Vertreter des AC Laboratoriums Spiez teilgenommen hatten, muss es sich indessen beim zweiten Treffen in Luzern um eine von Jürg Jacomet initiierte Aktion gehandelt haben, welche ohne Beteiligung einer offiziellen schweizerischen Behörde durchgeführt worden ist. Es erscheint nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich, dass es sich bei der von André Jacomet geschilderten Fahrt von Spiez nach Luzern um eine reine Inszenierung gehandelt hatte, mit der ­ von wem auch immer ­ Lothar Neethling und Wouter Basson angebliche Verbindungen zum AC Laboratorium vorgetäuscht werden sollten.

Die Leitung des AC Laboratoriums Spiez hatte sich gegenüber Lothar Neethling und Wouter Basson äusserst zurückhaltend verhalten. Sie hatte sich zwar auf das ­ vermeintlich vom FFND vermittelte ­ Fachgespräch eingelassen, ohne dabei aber irgendwelche sicherheitsrelevante oder kompromittierende Informationen preiszugeben.

Auch wenn erst heute die damaligen Intentionen der südafrikanischen Gesprächspartner erahnt werden können, war das Vorgehen des AC Laboratorium Spiez von allem Anfang an von Misstrauen geprägt, welches sich im Nachhinein als äusserst berechtigt darstellt. Insofern ist am damaligen Verhalten des AC Laboratoriums Spiez nichts zu beanstanden.

Einmal mehr zeigt sich an diesem Beispiel das Problem der fehlenden politischen Sensibilisierung und Kontrolle des Nachrichtendienstes. Sowohl bei Lothar Neethling wie auch bei Wouter Basson hatte es sich nicht um Mitarbeiter des südafrikanischen Nachrichtendienstes gehandelt; in der Protokollnotiz waren die beiden Gesprächspartner als Vertreter der südafrikanischen Polizei bzw. der südafrikanischen Verteidigungskommission bezeichnet worden. Trotzdem war ihre Funktion innerhalb des südafrikanischen Staates nicht weiter hinterfragt und die politische Opportunität der Kontaktaufnahme nicht reflektiert worden. Es stellt sich immerhin die Frage, ob in dieser ausgesprochen heiklen Situation nicht
hätte erwartet werden dürfen, dass der Unterstabschef Nachrichtendienst vorgängig mit den politisch verantwortlichen Instanzen Rücksprache nimmt.

Das Treffen mit Lothar Neethling und Wouter Basson belegt im Weitern aber auch die Problematik der mangelhaften Auswahl und Kontrolle informeller Mitarbeiter des Nachrichtendienstes. Obwohl Jürg Jacomet über keinerlei Funktionen innerhalb des Nachrichtendienstes verfügte, war es ihm nicht nur gelungen, das Fachgespräch zu initiieren, sondern daran auch persönlich und erst noch als vermeintlicher Vertreter des FFND teilzunehmen (vgl. Empfehlungen 1 und 3).

2410

42

Kontakte zu Protechnik Laboratoires LTD Der Schutz vor biologischen und chemischen Waffen gehört zu den zentralen Aufgaben des AC Laboratoriums Spiez. An der internationalen Zusammenarbeit auf diesem Gebiet ist deshalb nichts zu beanstanden.

5.

Zur angeblichen Lieferung eines Peptidsynthesizers durch das AC Laboratorium Spiez nach Südafrika

51

Rechtshilfeersuchen der südafrikanischen Staatsanwaltschaft Die Abklärungen der Delegation haben ergeben, dass das von Wouter Basson behauptete Geschäft nie stattgefunden hat. Das AC Laboratorium Spiez hatte nie einen Peptidsynthesizer zur Beschaffung beantragt, gekauft, geleast, gemietet oder geschenkt erhalten, geschweige denn ein derartiges Instrument oder Chemikalien irgendwelcher Art nach Südafrika geliefert.

52

Strafuntersuchung der Bezirksanwaltschaft Zürich Zur Abklärung dieser finanziellen Transaktionen richtete das südafrikanische Justizministerium am 21. Juli 1997 ein weiteres Rechtshilfeersuchen an die Schweiz. In diesem zusätzlichen Rechtshilfeersuchen werden die zur Diskussion stehenden Geldflüsse im Wesentlichen bestätigt, so dass kein Anlass besteht, an den vor der Bezirksanwaltschaft Zürich gemachten Aussagen von Wouter Basson und Jürg Jacomet zu zweifeln.

In Bezug auf Jürg Jacomet findet sich im erwähnten Rechtshilfeersuchen zwar der Hinweis, er habe «angeblich im Dienste des Schweizer Geheimdienstes» gestanden.

Abgesehen davon ergeben sich jedoch keinerlei Anhaltspunkte darauf, dass der militärische Nachrichtendienst in irgendeiner Weise in die Betrugsangelegenheit hätte verwickelt sein können. Es kann deshalb mit guten Gründen davon ausgegangen werden, dass es sich bei der angeblichen Beschaffung eines Peptidsynthesizers um eine reine Schutzbehauptung handelt, welche von Wouter Basson vorgebracht worden ist, um seine finanziellen Verfehlungen zu vertuschen.

Im Zusammenhang mit der von der Bezirksanwaltschaft Zürich geführten Strafuntersuchung war in den Medien u.a. auch der Verdacht geäussert worden, Divisionär Peter Regli habe bei der Entlassung von Wouter Basson aus der Untersuchungshaft eine massgebliche Rolle gespielt, was Divisionär Regli bestreitet. Den entsprechenden Akten lässt sich kein Hinweis entnehmen, dass an diesem Gerücht etwas wahr sein könnte.

6.

Zum Uranfund Auch wenn dieser Vorfall zwar das Verhältnis zwischen Divisionär Peter Regli und Jürg Jacomet beleuchtet, steht er in keinem direkten Zusammenhang zum Verhältnis Schweiz/Südafrika, so dass die GPDel diesbezüglich auf neue Abklärungen verzichtet hat.

7.

Zum Absturz eines IKRK-Flugzeugs in Angola In den Medien wurden zu diesem Vorfall Edouard Brunner («äusserst penible Geschichte») und IKRK-Sprecher Urs Boegli («wir waren perplex») zitiert. Überdies wurde geltend gemacht, dass die Genfer Rotkreuzzentrale damals «scharf» beim Politischen Departement (heute: EDA) in Bern protestiert habe; dort habe man den Vorfall untersuchen lassen.

Die GPDel hat in der Folge beim Eidgenössischen Departement für Auswärtige Angelegenheiten den in den Medien genannten Bericht angefordert. Mit Schreiben vom 23. September 1999 teilte dieses der Delegation mit, es sei nicht in der Lage, diese Dokumente ausfindig zu machen.

2411

8.

Zusammenfassende Würdigung Abschliessend lassen sich die eingangs gestellten Fragen wie folgt beantworten: 1. Die GPDel ist auf Grund von intensiven Abklärungen zur Auffassung gelangt, dass der schweizerische Nachrichtendienst zur Zeit des Kalten Krieges mit Recht das beachtliche Informationspotential genutzt hat, welches sich durch die Kontakte mit den südafrikanischen Diensten an einer wichtigen weltpolitischen Front angeboten hatte. Hinweise dafür, dass die Informationsbeschaffung mit illegalen Mitteln erfolgte oder gegen bestehende Weisungen verstiess, liegen keine vor.

Der in den Medien erhobene Vorwurf, der Nachrichtendienst und insbesondere dessen Chef, Divisionär Peter Regli, habe sich am Aufbau des geheimen biologisch-chemischen Waffenprojekts von Südafrika beteiligt, hat sich auf Grund der Abklärungen der GPDel als haltlos erwiesen. Die Unterstellungen, Divisionär Peter Regli sei Mitwisser oder gar Förderer dieses Waffenprojekts gewesen, entbehren jeglicher Grundlage. Ebenso wenig trifft es zu, dass der Chef der Untergruppe Nachrichtendienst mit dem Leiter des südafrikanischen Geheimprojekts Kontakte «gepflegt» habe; nachweisbar ist lediglich ein von Jürg Jacomet organisierter Besuch im Büro von Divisionär Regli im Bundeshaus.

Als unbefriedigend empfindet die GPDel indessen die Tatsache, dass der Nachrichtendienst in einer gefahrvollen Zeitperiode an einer sensiblen Informationsfront ohne Direktiven und ohne nennenswerte Führung der politisch verantwortlichen Behörden tätig sein konnte.

Problematisch erscheint der GPDel auch die Rolle von Jürg Jacomet. Dieser konnte sich offensichtlich während Jahren ungehindert als Mitarbeiter des Nachrichtendienstes ausgeben. In diesem Zusammenhang kann dem Chef der Untergruppe Nachrichtendienst der Vorwurf nicht erspart bleiben, zu wenig Gewicht auf die Auswahl, Instruktion und Beaufsichtigung des informellen Mitarbeiters gelegt, allzu leichtgläubig auf ihn vertraut und das Doppelspiel von Jürg Jacomet nicht durchschaut zu haben.

2. Das AC Laboratorium Spiez hat sich gegenüber den Versuchen südafrikanischer Kreise, an schweizerische Forschungsergebnisse zu gelangen, sehr zurückhaltend, ja geradezu vorbildlich verhalten. Von einer aktiven oder auch nur passiven Beteiligung der international sehr anerkannten Fachstelle an einem geheimen Waffenprojekt
Südafrikas kann keine Rede sein. Im Gegenteil: Die Bestrebungen des AC Laboratoriums galten und gelten nachweislich dem Schutz der Bevölkerung vor den Gefahren derartiger Waffen und nicht deren Förderung. »

Gestützt auf diese Erkenntnisse unterbreitete die GPDel in Ihrem Bericht vom 12. November 1999 dem Bundesrat folgende Empfehlungen: «1.

Primat der Politik Der Bundesrat entscheidet über die Aufnahme, Pflege und Kontrolle regelmässiger Auslandskontakte im nachrichtendienstlichen Bereich.

2.

Reorganisation der staatlichen Nachrichtenbeschaffung Der Bundesrat reorganisiert raschmöglichst die Nachrichtendienste im Sinne der Ausführungen dieses Berichtes und in Berücksichtigung der in den Räten überwiesenen parlamentarischen Vorstösse sowie der Ergebnisse weiterer Untersuchungen und Studien.

2412

3.

Weisungen für Informanten und informelle Mitarbeitende des Nachrichtendienstes Der Bundesrat schafft Weisungen, in denen klare Kriterien für Auswahl, Instruktion und Beaufsichtigung von Informanten und informellen Mitarbeitenden des Nachrichtendienstes geregelt werden.

4.

Vollzug des Archivierungsgesetzes Der Bundesrat sorgt für den Vollzug des Archivierungsgesetzes vom 26. Juni 1998. Er sieht auf dem Verordnungsweg allfällige Beschränkungen der Einsichtnahme vor und trägt somit dem Schutz spezifischer Geheimhaltungsinteressen des Nachrichtendienstes Rechnung.»

2413

Inhaltsverzeichnis Das Wichtigste in Kürze

2268

1 Ausganslage

2273

2 Frühere Abklärungen zu Schweiz ­ Südafrika 2.1 Parlamentarische Interventionen und verwaltungsinterne Abklärungen 2.2 Frühere Abklärungen der GPDel 2.2.1 Pilotenaustausch mit Südafrika (1993) 2.2.2 Angebliche Beteiligung beim Kauf chemischer Waffen (1997) 2.2.3 Rolle des Schweizer Nachrichtendienstes (1999)

2273 2273 2275 2275 2276 2276

3 Neu aufgenommene Untersuchungen der GPDel 3.1 Anlass für die neu aufgenommenen Untersuchungen der GPDel 3.2 Befugnisse der GPDel 3.3 Beschränkung des Untersuchungsgegenstands 3.4 Methodisches Vorgehen 3.4.1 Befragungen und beigezogene Unterlagen 3.4.2 Amtsberichte 3.4.3 Rechtsgutachten 3.4.4 Abklärungen in Südafrika 3.4.5 Beigezogener Experte 3.4.6 Verabschiedung des Berichts

2277 2277 2278 2278 2279 2280 2280 2280 2280 2281 2281

4 Allgemeiner Auftrag und Organisation des Nachrichtendienstes im EMD/VBS 4.1 Vorbemerkung 4.2 Gesetzliche Grundlagen 4.3 Aufbau, Organisation und Abgrenzung des Nachrichtendienstes 4.3.1 Allgemeiner Aufbau und Abgrenzung 4.3.2 Politische Führung und Definition der Nachrichtenbedürfnisse 4.3.3 Dem SND zur Verfügung stehende Mittel 4.3.3.1 Nachrichtendienstliche Beschaffung im Allgemeinen 4.3.3.2 Auswärtige Quellen und Informanten 4.3.3.3 Milizoffiziere 4.3.3.4 «Safe houses» 4.3.3.5 Spesen 2293 4.3.4 Zusammenarbeit des Schweizer Nachrichtendienstes mit ausländischen Diensten 4.3.5 Auslandkontakte der Schweizer Armee 4.3.6 Kontaktprotokolle 4.3.7 Aktenführung und -archivierung 5 Politisches Umfeld Südafrikas zu den Zeiten des Apartheidregimes 5.1 Politische Entwicklung Südafrikas und Resolutionen der UNO 5.2 Offizielle Haltung der Schweiz 5.3 Kriegsmaterialausfuhr 2414

2282 2282 2282 2283 2283 2289 2290 2290 2291 2292 2292 2294 2294 2295 2296 2299 2299 2300 2301

6 Zusammenarbeit mit dem militärischen Nachrichtendienst Südafrikas 6.1 Militärische Nachrichtendienste Südafrikas 6.2 Die Aufnahme regelmässiger Beziehungen zum militärischen Geheimdienst Südafrikas 6.3 Schweizerische Aussenpolitik und nachrichtendienstliche Kontakte der UNA bzw. der UG ND 6.3.1 Position des EDA 6.3.2 Keine Absprache der nachrichtendienstlichen Kontakte zu Südafrika mit dem Vorsteher EMD 6.3.3 Interventionen des EDA 6.3.3.1 Keine regelmässige Konsultation des EDA und spärliche Aktenlage 6.3.3.2 Erste dokumentierte Intervention des EDA Oktober 1986 6.3.3.3 Zweite Intervention des EDA Mai 1987 6.3.3.4 Zufällige Zusammentreffen in Südafrika 6.3.3.5 Intervention des Geschäftsleitungsausschusses EMD 6.3.3.6 Bewusster Verzicht auf Konsultation des EDA 6.4 Effektives Ausmass der Kontakte der UNA bzw. der UG ND zu Südafrika 6.5 Kontakte der UNA bzw. der UG ND zur UNITA Angolas 6.6 Informationsschutzabkommen 6.6.1 Informationsschutzabkommen im Allgemeinen 6.6.2 Informationsschutzabkommen mit Südafrika 6.6.3 Kontroverse um ein angebliches Informationsaustauschabkommen mit Südafrika 6.7 Einschätzung der Kontakte mit Südafrika innerhalb der UNA bzw. der UG ND 6.8 Fehlender erkennbarer Nutzen der Kontakte mit Südafrika 7 Kontakte schweizerischer Militärärzte mit Südafrika 7.1 Tagungen des Comité International de Médecine Militaire (CIMM) 7.2 UNO-Mandat in Namibia 7.3 Kontakte der UG Sanität bzw. des Oberfeldarztes zu Südafrika

2302 2302 2303 2305 2305 2306 2307 2307 2308 2309 2311 2311 2312 2313 2316 2319 2319 2320 2323 2325 2325 2329 2329 2330 2330

8 Peter Regli 2333 8.1 Kontakte Peter Reglis zu Südafrika und insbesondere zu Wouter Basson 2333 8.2 Verhalten Peter Reglis während der Untersuchung und nach dem Ausscheiden aus dem Amt 2334 9 Jürg Jacomet 9.1 Beruflicher und militärischer Werdegang 9.2 Schriftliche Unterlagen bei schweizerischen Amtsstellen 9.3 «Tagebuch» von Jürg Jacomet und weitere Angaben zu seiner Person 9.4 Jürg Jacomet als «Waffenhändler» 9.5 Kontakte zum südlichen Afrika 9.6 Jürg Jacomet als Quelle der UNA bzw. der UG ND

2337 2337 2338 2339 2342 2343 2343 2415

9.6.1 Ausmass und Art der Zusammenarbeit 9.6.2 Einschätzung der Kontakte Jürg Jacomets innerhalb der UNA bzw.

der UG ND und des EDA 9.7 Uranfund Kemptthal 9.8 Henrik Thomsen 9.9 IKRK-Geiseln im Libanon

2343 2346 2348 2350 2352

10 Projekt «Coast» und Wouter Basson 10.1 Beschränkung des Untersuchungsgegenstands 10.2 Prozess gegen Basson in Südafrika 10.3 Bezug Bassons zur Schweiz 10.3.1 Vorbemerkungen 10.3.2 Kontakte zu Jürg Jacomet 10.3.3 Aktivitäten von Wouter Basson bei der Medchem AG 10.3.4 Angebliche Einreise- und Zollerleichterungen am Flughafen Zürich 10.3.5 Verhaftung von Wouter Basson in der Schweiz 10.4 Kontakte zur UNA bzw. zur UG ND und zu Peter Regli 10.4.1 Im Allgemeinen 10.4.2 Höflichkeitsbesuch oder regelmässige Kontakte?

10.4.3 Telefonanruf nach der Festnahme Wouter Bassons 10.4.4 Spätere Abklärungen in Südafrika 10.5 Kontakte zur Gruppe Rüstung bzw. zum AC Labor Spiez 10.5.1 Besuche südafrikanischer Delegationen im AC Labor 10.5.2 Kontroverse um den Peptidsynthesizer 10.5.3 Kontroverse um die Lieferung von Mandrax und weiterer chemischer Substanzen 10.5.3.1 Erklärungen zu den chemischen Substanzen 10.5.3.2 Swiss Namibia Ventures Ltd 10.5.3.3 Offerte für «Quinezoolione» 10.5.3.4 Sicherstellung von Methaqualon-Tabletten 10.6 Kontakte zu Huber & Suhner AG 10.6.1 Darstellung des Sachverhalts 10.6.2 Keine Hilfestellung durch Gruppe Rüstung

2353 2353 2354 2355 2355 2357 2358

11 Beschaffung von zwei SA-18-Flablenkwaffen 11.1 Darstellung des Sachverhalts 11.1.1 Aussagen der Beteiligten 11.1.2 Rekonstruktion anhand der Akten 11.1.3 Exkurs: Beutematerial aus Südafrika 11.2 Einschätzungen innerhalb des VBS 11.3 Weiteres Schicksal der SA-18-Lenkwaffen 11.3.1 Aktivitäten der UG ND 11.3.2 Zerlegung im Frühjahr 2002

2379 2379 2379 2381 2383 2384 2385 2386 2386

2358 2360 2363 2363 2365 2366 2367 2369 2369 2373 2374 2374 2375 2376 2377 2377 2377 2378

12

Beizug eines IKRK-Piloten für die Nachrichtenbeschaffung in Angola2388

13

Abschliessende Würdigung und Empfehlungen

2416

2391

13.1 Instrumentarium der GPDel zur Beaufsichtigung der Nachrichtendienste 13.2 Politische Führung und Definition der Nachrichtenbedürfnisse 13.3 Primat der Politik 13.4 Effizienz- und Qualitätskontrolle 13.5 Geheimhaltungsvorschriften 13.6 Aktenführung und -archivierung 13.7 Zusammenarbeit mit Quellen und Informanten 13.8 Projekt «Coast» 13.9 Mitwirkung der Verwaltung an den Abklärungen der GPDel 14

Weiteres Vorgehen

2391 2391 2392 2392 2393 2393 2394 2394 2394 2395

Abkürzungsverzeichnis

2396

Anhang 1: Verzeichnis der angehörten Personen

2398

Anhang 2: Liste der beigezogenen Unterlagen

2400

Anhang 3: Liste der beigezogenen und eingeholten Berichte

2403

Anhang 4: Auszug Nachrichtendienstverordnung

2404

Anhang 5: Auszug aus dem Bericht der GPDel vom 12. November 1999

2408

2417

2418