zu 01.465 Parlamentarische Initiative Bürgschaften. Zustimmung des Ehegatten (Art. 494 OR) Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats vom 1. Juli 2004 Stellungnahme des Bundesrates vom 8. September 2004

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, zum Bericht und zum Antrag vom 1. Juli 2004 der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats betreffend Revision von Artikel 494 des Obligationenrechts (OR) nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes (ParlG) nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

8. September 2004

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Joseph Deiss Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2004-1719

4965

Stellungnahme 1

Ausgangslage

1.1

Das geltende Recht

Nach Artikel 494 Absatz 1 OR bedarf die Bürgschaft einer verheirateten Person, deren Ehe nicht durch richterliches Urteil getrennt ist, zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Zustimmung des Ehegatten.

Artikel 494 Absatz 2 OR sieht in abschliessender Aufzählung die Ausnahmen von diesem Grundsatz vor: Die Zustimmung des Ehegatten ist nicht erforderlich, wenn der Bürge im Handelsregister als Inhaber einer Einzelfirma, als Mitglied einer Kollektivgesellschaft, als unbeschränkt haftendes Mitglied einer Kommanditgesellschaft, als Mitglied der Verwaltung oder Geschäftsführung einer Aktiengesellschaft, als Mitglied der Verwaltung einer Kommanditaktiengesellschaft oder als geschäftsführendes Mitglied einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung eingetragen ist.

Diese Regelung wurde vom Parlament am 10. Dezember 1941 verabschiedet und ist seit dem 1. Juli 1942 in Kraft.

Das Gültigkeitserfordernis der Zustimmung des Ehegatten (Abs. 1) wurde zum Schutz der Familie eingeführt, und die Ausnahmen (Abs. 2) wurden zum einen aus (damaligen) referendumspolitischen Überlegungen und zum andern in der Annahme vorgesehen, dass Personen, die im Handelsregister eingetragen sind, die nötige Erfahrung und Einsicht besitzen und geschäftstüchtiger sind als die anderen.

1.2

Die parlamentarische Initiative

Die parlamentarische Initiative «Bürgschaften. Zustimmung des Ehegatten (Art. 494 OR)» wurde von Herrn Nationalrat Maurice Chevrier am 13. Dezember 2001 eingereicht. Sie verlangt die Streichung von Artikel 494 Absatz 2 OR, wonach eine verheiratete Person, deren Ehe nicht gerichtlich getrennt ist, für die Eingehung einer Bürgschaft keiner Zustimmung ihres Ehegatten bedarf, wenn sie im Handelsregister eingetragen ist. Mit der daraus resultierenden Ausdehnung des Zustimmungserfordernisses des Ehegatten auf alle Bürgschaften, die von einer verheirateten, nicht in gerichtlicher Trennung lebenden Person eingegangen werden, soll der Schutz der Familie verstärkt werden.

Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats hat am 2. September 2002 die Initiative vorgeprüft und mit 17 zu 2 Stimmen ihrem Rat beantragt, der Initiative Folge zu geben. Die Minderheit der Kommission wollte ihr keine Folge geben.

Der Nationalrat ist am 20. Juni 2003 der Kommissionsmehrheit gefolgt und hat mit 106 zu 54 Stimmen beschlossen, der Initiative Folge zu geben.

Daraufhin erarbeitete die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats an drei Sitzungen den beiliegenden Gesetzesentwurf, der am 1. Juli 2004 samt Begleitbericht mit 13 zu 4 Stimmen verabschiedet wurde.

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Die Kommissionsmehrheit beantragt, der vorgeschlagenen Gesetzesänderung zuzustimmen, damit ­ wie von der parlamentarischen Initiative verlangt ­ die Eingehung einer Bürgschaft durch eine nicht gerichtlich getrennte Person stets der Zustimmung des Ehegatten bedarf. Die Kommissionsminderheit möchte für den Fall auf das Zustimmungserfordernis des Ehegatten verzichten, dass der Bürge die Hauptschuld einer von ihm beherrschten Aktiengesellschaft, Kommanditaktiengesellschaft oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung verbürgt.

2

Stellungnahme des Bundesrates

2.1

Zustimmung zum Antrag der Kommissionsmehrheit

Der Bundesrat teilt die Argumente, mit denen im Kommissionsbericht der Antrag der Kommissionsmehrheit begründet wird.

So ist er namentlich der Ansicht, dass sich die wirtschaftliche Lage seit dem Erlass von Artikel 494 OR im Jahr 1941 geändert hat. Die Eintragung im Handelsregister bietet heute keine genügende Garantie mehr, die Folge eines Bürgschaftsgeschäfts genau einzuschätzen. Bei unrichtiger Beurteilung der betrieblichen und wirtschaftlichen Lage kann somit die Eingehung einer Bürgschaft für den Bürgen und seine Familie nicht zu unterschätzende negative Folgen haben. Es ist daher angebracht vorzusehen, dass alle verheirateten, nicht gerichtlich getrennt lebenden Personen, die sich als Bürge verpflichten wollen, der Zustimmung ihres Ehegatten bedürfen.

Mit der Streichung der Ausnahmebestimmung von Artikel 494 Absatz 2 OR wird zudem eine Vereinheitlichung der Regelungen unserer Gesetzbücher erreicht, denn alle anderen Bestimmungen des Zivilgesetzbuchs und des Obligationenrechts, welche die Zustimmung des Ehegatten verlangen, sehen keine Ausnahme für Personen vor, die ­ in welcher Eigenschaft auch immer ­ im Handelsregister eingetragen sind.

2.2

Ablehnung des Antrags der Kommissionsminderheit

Der Bundesrat lehnt den Vorschlag der Kommissionsminderheit ab, weil bei dieser Lösung gerade die häufigen Fälle nicht erfasst wären, in denen die Eingehung einer Bürgschaft den Bürgen und seine Familie in finanzielle Schwierigkeiten bringen kann.

3

Finanzielle und personelle Auswirkungen und Verfassungsmässigkeit

In Bezug auf die Darstellung der finanziellen und personellen Auswirkungen und der Verfassungsmässigkeit schliesst sich der Bundesrat den Ausführungen im Kommissionsbericht (Ziff. 3 und 4) an.

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