Satellitenaufklärungssystem des Eidgenössischen Departementes für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (Projekt «Onyx») Bericht der Geschäftsprüfungsdelegation der Eidgenössischen Räte vom 10. November 2003 Stellungnahme des Bundesrates vom 24. März 2004

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren National- und Ständeräte, der Bundesrat hat Kenntnis genommen von der Verabschiedung und Publikation des Berichtes der Geschäftsprüfungsdelegation (GP Del) vom 10. November 2003 zum «Projekt Onyx» (Bericht) durch die Geschäftsprüfungskommissionen beider Räte (GPK) (BBl 2004 1499).

Mit Schreiben der GPK vom 21. November 2003 wird der Bundesrat gebeten, zu diesem Bericht und den darin enthaltenen Empfehlungen bis Ende März 2004 gegenüber Ihrer Delegation Stellung zu nehmen.

Onyx ist ein in der Schweiz entwickeltes System zur Aufklärung militärischer sowie ziviler Satellitenkommunikation im Ausland. Das System wird vom VBS seit 1997 aufgebaut und betrieben. Es liefert den obersten Behörden des Bundes wichtige Informationen zur Beurteilung und Entscheidfindung im Bereich der Sicherheitspolitik. Onyx, als Instrument der geheimen Informationsbeschaffung, ist nur eine von verschiedenen Informationsquellen für die Nachrichtendienste in der Schweiz.

Im Rahmen der Ausübung der parlamentarischen Aufsichtsfunktion, genauer der Prüfung der Tätigkeiten im Bereich der Nachrichtendienste, hat sich die GP Del seit einigen Jahren intensiv mit der Entwicklung und Realisierung des Systems Onyx beschäftigt. Ihre im Laufe dieser Zeit gemachten Feststellungen und Beurteilungen sind nun in den dem Bundesrat aktuell zur Stellungnahme unterbreiteten Bericht eingeflossen.

Der Bundesrat dankt Ihnen für die vor allem in den letzten Jahren erfolgte enge Begleitung der Projekt- bzw. Systementwicklung sowie für die Unterstützung in der Vertrauensbildung bei Politik und Öffentlichkeit, nicht zuletzt durch die Publikation des Berichtes.

Mit Genugtuung stellt der Bundesrat fest, dass in einer ersten Phase das technisch höchst komplexe Aufklärungssystem erfolgreich entwickelt werden konnte. Ihre Delegation ist in der Vergangenheit über entsprechende Leistungsausweise des Systems orientiert worden. Der Bundesrat geht mit Ihrer Delegation einig, dass in den nächsten Entwicklungs- und Betriebsphasen Fragen der Wirksamkeit des Systems zunehmend im Vordergrund stehen werden. Gemäss Einschätzung Ihrer Delegation stellen die von Onyx erfassten Informationen für die auftraggebenden Nachrichtendienste bereits im Rahmen des operationellen Probebetriebes einen «bedeutsamen Mehrwert» dar. Der Bundesrat teilt diese Einschätzung.

2004-1163

3115

Gerade weil man mit dem Entscheid zur nachrichtendienstlichen Informationsbeschaffung über die Aufklärung von Satellitenkommunikation im Ausland in der Schweiz sog. «technisches Neuland» betreten hat, sind namentlich die gesetzlichen Grundlagen, die Kontrolle des Systems sowie die Chancen- und Risikobeurteilungen vorderhand einem laufenden Anpassungs- und Überprüfungsprozess unterworfen.

So hat beispielsweise der Bundesrat ­ im Wissen um mögliche Legalitätsdefizite ­ bereits anlässlich der Inkraftsetzung der neuen Verordnung über die Elektronische Kriegsführung (VEKF; SR 510.292) am 15. Oktober 2003 beschlossen, dass das EJPD in Zusammenarbeit mit dem VBS im Rahmen des Revisionspaketes II zum Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS, SR 120) die notwendigen Rechtsgrundlagen für die elektronische Informationsbeschaffung im Interesse der inneren und äusseren Sicherheit zu schaffen hat.

Die GP Del hat in ihrem Bericht gegenüber dem Bundesrat bzw. dem VBS auch sechs Empfehlungen unterbreitet. Der Bundesrat und das VBS sind bereit, sämtliche Empfehlungen einlässlich zu prüfen und je nach Prüfungserkenntnissen adäquat umzusetzen. Wie im vorangehenden Abschnitt bereits erwähnt, ist der Bundesrat teils sogar im Sinne dieser Empfehlungen bereits tätig geworden. Wie die Untersuchungen der GP Del selbst gezeigt haben, ist die Komplexität der Projektsache sehr hoch, weshalb sich rechtfertigt, bestimmte Empfehlungen genau und umfassend zu prüfen.

Der Bundesrat nimmt zu den sechs Empfehlungen wie folgt Stellung: Zu Empfehlung 1 Die GP Del empfiehlt dem Bundesrat zu prüfen, ob es nicht zweckdienlich sei, im Militärgesetz die Kommunikationsabhörungen im Ausland explizit zu regeln.

Diese Bestimmungen müssten auch darauf hinweisen, dass sich die Abhörungen nur auf Kommunikationen im Ausland beziehen können, und auf die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs verweisen, wonach die Abhörung von Kommunikationen von Teilnehmern in der Schweiz strafbar ist.

Zu Empfehlung 3 Die GP Del empfiehlt dem Bundesrat, in seinem zweiten Revisionsentwurf des BWIS eine gesetzliche Bestimmung vorzulegen, welche die vom DAP auf dem Gebiet der inneren Sicherheit durchgeführten oder in Auftrag gegebenen Aufklärungsaufträge regelt. Der Entwurf muss dem Parlament vor Beginn der Vollbetriebsphase von Onyx
überwiesen werden.

Der Bundesrat ist bereit, die Empfehlungen 1 und 3 entgegenzunehmen.

Bereits anlässlich der Verabschiedung der VEKF hat der Bundesrat am 15. Oktober 2003 beschlossen, dass das EJPD in Zusammenarbeit mit dem VBS die notwendigen Rechtsgrundlagen für die elektronische Informationsbeschaffung im Interesse der inneren und äusseren Sicherheit schafft.

Dabei wurde vor allem an die Anpassung der Rechtsgrundlagen auf formellgesetzlicher Stufe gedacht. Diese Gesetzesrevisionsüberlegungen sollen im Rahmen des Reformpaketes BWIS II (Terrorismus/Extremismus) vorgenommen werden. Bei

3116

dieser Gelegenheit wird insbesondere mitgeprüft, inwieweit das Militärgesetz angepasst werden soll.

Der Bundesrat beauftragt das EJPD, in Zusammenarbeit mit dem VBS bis Ende 2005 eine entsprechende Revisionsvorlage zuhanden des Parlamentes auszuarbeiten.

Zu Empfehlung 2 Die GP Del empfiehlt dem Bundesrat zu prüfen, ob die Gesetzgebung über die Tätigkeiten der Kommunikationserfassung im Ausland EMRK-konform ist, und erforderlichenfalls notwendige Anpassungen vorzunehmen.

Der Bundesrat ist bereit, die Empfehlung 2 entgegenzunehmen.

Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass der Bundesrat beim Erlass der VEKF im Oktober 2003 darauf geachtet hat, dass die Grundrechtseingriffe, welche diese Regelung erlaubt, sowohl die materiellen Vorgaben von Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK; SR 0.101) als auch diejenigen von Artikel 13 der Bundesverfassung (SR 101) respektieren. Nun hat allerdings das Verhältnis der grenzüberschreitenden Abhörtätigkeit von Nachrichtendiensten zu den Grundsätzen der EMRK insbesondere im Hinblick auf die richterliche Kontrolle allfälliger Eingriffe bisher in der Lehre und Praxis in der Tat eher wenig Beachtung gefunden.

Näherer Prüfung bedarf daher insbesondere, inwieweit betroffene Personen dem Geltungsbereich nach Artikel 1 EMRK unterstehen und auf welche Weise der in Artikel 13 EMRK verlangte Rechtsweg bei allfälligen Rechtsverletzungen garantiert ist.

Der Bundesrat erklärt sich bereit, die empfohlene Prüfung im ersten Semester 2004 durch die zuständigen Fachstellen im Bund (EJPD; EDA) vornehmen zu lassen und die GP Del über das Ergebnis zu orientieren.

Zu Empfehlung 4 Die GP Del fordert das VBS auf, eine umfassende Liste der die Realisierung des Projektes bedrohenden technologischen und finanziellen Risiken sowie der gegebenenfalls zu ergreifenden Massnahmen zu erstellen.

Der Bundesrat sowie das VBS sind bereit, die Empfehlung 4 entgegenzunehmen und umzusetzen.

Der Bundesrat geht mit der GP Del einig, dass das System Onyx unbestritten technischen wie finanziellen Grenzen unterliegt. Auch stehen die Kommunikationstechnologien ganz allgemein in stetem Entwicklungswandel.

Aus diesen Gründen ist im Bereich der Funkaufklärung eine dauernde Technologiebeurteilung unabdingbar, was insbesondere durch Spezialisten der Abteilung EKF denn auch bereits seit Jahren
gemacht wird.

Mit der noch in diesem Jahr im VBS zu erstellenden neuen Konzeptionsstudie EKF werden nebst der Beschreibung und Beurteilung von technologischen Weiterentwicklungsaspekten auch Risikobeschreibungen und allfällig zu ergreifende (Gegen-) Massnahmen einen wichtigen Platz einnehmen.

3117

Vor diesem Hintergrund erklärt sich das VBS bereit, eine entsprechende umfassende Auflistung im Rahmen der Erstellung der neuen Konzeptionsstudie EKF bis Ende 2004 vorzunehmen.

Zu Empfehlung 5 Die GP Del fordert den Bundesrat auf, für die Nachrichtendienste eine Fünfjahresstrategie vorzulegen, welche die vom VBS und EJPD auf dem Gebiet der Informationsquellen (OSINT, HUMINT, COMINT, Zusammenarbeit mit Partnerdiensten) und ihrer Auswertung benötigten Ressourcen in materieller und personeller Hinsicht aufzeigt.

Der Bundesrat ist bereit, die Empfehlung 5 entgegenzunehmen und die Umseztung durch die zuständigen Departemente (VBS/EJPD) prüfen lassen.

Der Bundesrat geht mit der GP Del einig, dass die Wirksamkeit und Qualität eines Nachrichtendienstes von der Breite des Informationsspektrums abhängig ist. Es ist ein Merkmal auch der Nachrichtendienste in der Schweiz, dass sie sich nicht bloss auf einzelne Informationsquellen abstützen. Der Einsatz der Beschaffungsmittel (HUMINT, COMINT etc.) hat komplementär und auftragsbezogen zu erfolgen.

Die Quellenführung gerade in den Bereichen HUMINT, COMINT und der Zusammenarbeit mit Partnerdiensten ist eine äusserst heikle, komplexe und anspruchsvolle Aufgabe. Sie liegt in erster Linie in der operativen Verantwortung der Chefs der einzelnen Nachrichtendienste und ist für die verschiedenen Nachrichtendienste von unterschiedlicher Natur.

Aus diesen Überlegungen beauftragt der Bundesrat das VBS (für den SND) bzw. das EJPD (für den DAP), die Ausarbeitung einer Fünfjahresstrategie zu prüfen und gegenüber der GP Del bis spätestens Ende 2004 Bericht zu erstatten.

Zu Empfehlung 6 Die GP Del fordert das VBS auf, eine offene und regelmässige Informationspolitik über die vom System Onyx ausgeführten Tätigkeiten einzuführen.

Der Bundesrat begrüsst die Bereitschaft des VBS, das Informationskonzept zu Onyx aus dem Jahre 2002 im Hinblick auf eine aktivere Informationspolitik zu überarbeiten.

Die GP Del schlägt gegenüber dem VBS sinngemäss eine aktivere Informationspolitik zum System Onyx gegenüber Politik und Öffentlichkeit vor.

In diesem Zusammenhang stellt der Bundesrat mit Genugtuung fest, dass spätestens ab den Jahren 2000/01 zwischen dem VBS und verschiedenen parlamentarischen Kommissionen (GP Del; Fin Del) der Informationsaustausch qualitativ und quantitativ stark
intensiviert und somit massgeblich ausgebaut worden ist. Für die diesbezüglich enge, selbst aus Sicht Ihrer Delegation als positiv und konstruktiv eingeschätzte Zusammenarbeit wird den in der Vergangenheit mitwirkenden Behörden und Dienststellen in Ihrem Bericht denn auch ausdrücklich Dank ausgesprochen.

Das Niveau dieser seit einiger Zeit spielenden Informationsaustauschpraxis gilt es 3118

für die Zukunft unbedingt zu halten bzw. je nach Bedürfnislage des Parlamentes sogar noch etwas auszubauen.

Demgegenüber wurde bis anhin seitens der Verwaltung gegenüber der Öffentlichkeit tatsächlich zurückhaltend über das System bzw. Projekt Onyx informiert. Aus verschiedenen Gründen hat das VBS zusammen mit den Auftraggebern von Onyx bewusst für die Zeit der Systementwicklung eine eher passive Kommunikationsstrategie gewählt (vgl. Informationskonzept des VBS für Onyx vom 2. Juli 2002). Mit der Überführung des Systems in den operativen Betrieb (2003/04) sowie der Verabschiedung neuer Rechtsgrundlagen im Bereich der Funkaufklärung (Herbst 2003) steht einer aktiveren Informationspolitik nichts mehr im Wege. Es wird nun Aufgabe des VBS sein, in Zusammenarbeit mit den anderen Auftraggebern von Onyx (akutell nur der DAP im EJPD) das Kommunikationskonzept für Onyx in diesem Sinne anzupassen. Dabei wird in diesem neuen Konzept insbesondere festzulegen sein, welche Informationen zu Onyx über welche Kanäle publik gemacht und unter welchen Bedingungen künftig eine aktive Information der Öffentlichkeit vorgenommen werden soll.

Im Rahmen der Neudefinierung der Informationspolitik zu Onyx wird zudem auch die heikle Problematik von öffentlichen Aussagen über die Wirksamkeit bzw. den Nutzen von Onyx einlässlich zu studieren sein. Diese Informationen betreffen allgemein den sensitivsten Bereich der nachrichtendienstlichen Tätigkeit, nämlich die geheime Informationsbeschaffung. Eine aktivere Informationspraxis zu Onyx darf nun aber in keinem Falle dazu führen, dass aktuelle oder potenzielle Aufklärungsziele aufgedeckt werden.

Der Bundesrat begrüsst die Absichten des VBS, bis spätestens Ende 2004 das Kommunikationskonzept zu Onyx im Sinne dieser Überlegungen anzupassen.

Letztlich wird der Sicherheitsausschuss des Bundesrates als Adressat der Kontrollberichte der mit der VEKF neu ins Leben gerufenen unabhängigen Kontrollinstanz (UKI) zu bestimmen haben, ob und unter welchen Bedingungen er die Öffentlichkeit über die Prüfungsresultate informieren will.

Der Bundesrat dankt der GP Del für die Gelegenheit zur Stellungnahme. Sowohl der Bundesrat wie die vom Bericht betroffenen Departemente und Dienststellen werden auch in Zukunft die GP Del gerne über die Weiterbearbeitung der Empfehlungen informieren.

24. März 2004

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Joseph Deiss Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

3119

3120