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Bundesblatt

77. Jahrgang.

Bern, den 3. Juni 1925.

Band II.

Erscheint wöchentlich. Preis SO Franken im Jahr, W franken im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- and Postbestellungsgebühr.

Einrückungsgebühr : 50 Rappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserat« franko an Stämpfli&£ Cie, in Bern,

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1980

Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über das von Herrn Nationalrat Dr. Zimmerl und Mitunterzeichnern im Nationalrat eingereichte Postulat betreifend Revision von Art. 31 der Bundesverfassung.

(Vom 26. Mai 1925.)

Wir beehren uns. Ihnen im folgenden unsern Bericht zum Postulate des Herrn Nationalrat Dr. Zimmerli und Mitunterzeichner zu unterbreiten. Durch das Postulat -wird der Bundesrat eingeladen, zu prüfen und darüber Bericht zu erstatten, ob nicht in Art. SI BV eine Bestimmung aufzunehmen sei, welche den Kantonen die Befugnis einräumt, das Kinematographengewerbe den durch das öffentliche Wohl geforderten Beschränkungen zu unterwerfen.

Die aufgeworfene Frage ruft vor allem einer genauen Prüfung des bestehenden kantonalen Rechts und auch der bisherigen Rechtsprechung und Verwaltungspraxis in dieser Materie, um dann eine allfällige Zukunftslösung ins Auge zu fassen.

L Trotz der Gleichgültigkeit, ja Feindseligkeit, denen der Kinematograph noch vielfach begegnet, wird er als eine der glänzendsten technischen Errungenschaften der neuesten Zeit sich mit derselben Bestimmtheit durchsetzen, mit der viele andere Erfindungen ihren Platz behauptet haben. Es unterliegt keinem Zweifel, dass der Nutzbarmachung des Lichtspiels für Unterrichtsund wissenschaftliche Zwecke noch eine grosse Zukunft bevorsteht. Der Kinematograph kann weiten Volkskreisen als ein ausgezeichnetes Mittel der Belehrung dienen. Dass er dieser schönen Aufgabe bis jetzt nicht oder jedenfalls nur in ungenügendem Masse gerecht geworden ist, liegt hauptsächlich daran, dass auch Unterhaltungsfilme zur Darstellung gelangten und auch heute noch, wenn auch in verminderter Zahl, vorgeführt werden, deren Bildungswert und sittlicher Gehalt sehr zu wünschen übrig Hessen und noch lassen. Die gewaltige Entwicklung des Lichtspielwesens in den letzten Jahrzehnten und die fortschreitende Vervollkommnung der Technik haben die Kinointeressenten dazu verleitet, ethisch minderwertige, auf die Sensationslust- und die niedern Instinkte der Bundesblatt

77. Jahrg. Bd. II.

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54b Massen berechnete dramatische Unterhaltungsstücke herzustellen und dem Publikum vorzuführen. Viele dieser Filme wirken durch die Darstellung niedriger Leidenschaften und Begierden, grober Sinnlichkeit, sittlicher Laxheit und verwerflicher Handlungen verrohend und entsittlichend auf die Zuschauer ein. Die vorgeführte Handlung, das Beispiel, übt auf ungebildete und namentlich jugendliche Kinobesucher eine viel nachhaltigere und gefährlichere Wirkung aus als die Darstellung durch das geschriebene oder sogar gesprochene Wort. Von besonders verderblichem Einfluss auf die Zuschauer sind die Detektivdrameu mit ihrer raffinierten Schilderung des Verbrechens in allen seinen Einzelheiten. Es ist festgestellt, dass zwischen den Verbrechen mancher Jugendlicher und dem Besuch des Kinos ein ursächlicher Zusammenhang besteht.

Wie anderwärts, so sind auch bei uns in der Schweiz die Gefahren erkannt worden, welche die Schundfilme für die moralische und geistige Gesundheit des Volkes in sich bergen, und es machen sich Behörden und private gemeinnützige Organisationen ihre Bekämpfung zur Aufgabe. Der Kampf gegen den Kinoschund kann auf zwei Arten geführt werden: einmal durch gesetzliche Massnahmen und sodann in der Weise, dass man durch B e s c h a f f u n g und Vorführung einwandfreier Filme dem Schlechten das Gute entgegensetzt und so die Veredlung des Lichtspiels unmittelbar zu fördern sucht. Letzterm Zwecke will die im Jahre 1920 in Zürich gegründete Schweizerische Kommission für Kinoreform und die Vereinigung der Freunde der Kinoreform dienen. Gleiche Tendenzen verfolgt auch die seit einigen Jahren in Bern bestehende Genossenschaft: Schweizer Schul- und Volkskino.

Auf gesetzlichem Wege suchte man in der Schweiz den Auswüchsen des Kinobetriebes seit einer Keihe von Jahren entgegenzutreten. Anfänglich überliessen die Kantone die Eegelung des Lichtspielwesens den Gemeinden.

Wo eine kantonalrechtliche Ordnung bestand, beschränkte sie sich auf wenige Vorschriften. Mit der Zunahme der Kinotheater kam man aber immer mehr zur Überzeugung, dass die ganze Materie auf kantonaler Grundlage geregelt werden sollte. Dieser Ansicht war auch die Polizeidirektorenkonferenz in Herisau vom 27. Oktober 1918. Die Konferenz erörterte auf Grund eines Referates von Ständerat Dr. Baumann die Ubelstande, welche im Kinobetriebe
zutage traten und stellte für die kantonalgesetzliche Eegelung einstimmig folgende Thesen auf: 1. Die verantwortlichen Inhaber und die Angestellten von Kinematographentheatern haben sich über einen klaglosen Leumund auszuweisen, 2. Zu verbieten sind alle unsittlichen, anstössigen oder verrohenden Darstellungen. Das gleiche Verbot gilt auch für die zu verwendenden Reklamen (Plakate, Flugblätter usw.).

3. Alle Filme sind vor ihrer Darstellung einer behördlichen Kontrolle au unterstellen (Filmzensur). Die Zensur sollte nicht ausschliesslich in die Hand der Polizei gelegt werden. Eine einheitliche Filmzensur ist anzustreben.

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4. An den hohen Festtagen ist der Betrieb der Kinos gänzlich zu untersagen, an den übrigen Sonn- und Festtagen erst von nachmittags 8 Uhr an zu gestatten.

5. Kindern unter 16 Jahren ist der Besuch der Kinos auch in Begleitung von Erwachsenen nicht zu gestatten, ausser bei besondern, von den lokalen Behörden genehmigten Kinder- oder Jugendvorstellungen mit einem behördlich genehmigten Programm.

6. Als Entgelt für die polizeilichen Kontrollmassnahmen ist vom Kinobesitzer eine Gebühr zu entrichten.

7. Zur Durchführung der Beschränkung des Besuches durch Jugendliehe sind Strafbestimmungen aufzustellen gegen die Inhaber von Kinematographentheatern, gegen fehlbare Eltern und gegen die Kinder. Schulpflichtige Kinder sind den Schulbehörden anzuzeigen.

In den letzten 10 bis 12 Jahren ist nun das Lichtspielwesen fast überall auf kantonalem Boden entweder durch Gesetz oder auf dem Verordnungsweg geordnet worden. Die erwähnten Thesen der Polizeidirektorenkonferenz dienten dabei verschiedenen Kantonen als Grundlage und Eichtlinie. Folgende Kantone haben mehr oder weniger ausführliche Vorschriften erlassen: Zürich: Verordnung des Regierungsrates vom 16. Oktober 1916 mit Abänderungen vom 26. Juni 1922, sowie Reglement über die Filmprüfung vom 24. August 1922.

Bern: Gesetz vom 10. September 1916 und regierungsrätliche Verordnung vom 13. Juni 1917.

Luzern: Gesetz vom 16. Mai 1917 und Vollziehungsverordnung vom 16. Februar 1918.

Uri: Landrätliche Verordnung vom 27. Februar 1924.

Sehwyz: Regierungsrätliche Verordnung vom 8. Januar 1921 mit Abänderungen vom 19. Juli/26. November 1928. Die Verordnung ersetztjdiejenige vom 15. Juni 1912.

Nidwaiden: Landratsverordnung vom 13. September 1913.

Glarns : Landrätliche Verordnung vom 18. Februar 1920.

Zug: Regierungsrätliche Verordnung vom 30. Dezember 1922 an Stelle derjenigen vom 9. November 1912.

Freiburg: Gesetz vom 5. Mai 1914 und Vollziehungsverordnung vom 27. Juni 1916.

Baeelstadt : Gesetz vom 6. November 1916 und Verordnung dazu vom 18. Dezember 1916, ferner Reglement betreffend die Zensur von Jugendvorstellungen vom 20. Dezember 1916, Baselland: Gesetz vom 14. Mai 1928, St. Gallen: Regierungsratsbeschluss vom 23. Februar 1915 und Kreisschreiben des Polizei- und Militärdepartements an die Bezirksämter und Gemeinderäte vom 15. Juni 1920.

548 ; Aargau: Verordnung des Regierungsrates vom 18. April 1913.

T bürg a u: Beschluss des Regierungsrates vom 4. März 1922.

Tessin: Gesetz vom 1. September 1919 und Vol llziehungs Verordnung vom 7. Januar 1920.

"Waadt: Dekret des Grossen Eates vom 26. November 1918 und Regierungsratsverordrmng vom 17. Juni 1916.

"Wallis: Gesetz vom 12. November 1915 und Vollziehungsverordnung dazu.

Neuenburg: Eegierungsrätliche Verordnungen vom 1. Juni 1915 und 80. November 1920.

Genf: Reglement des Staatsrates vom 2. Februar 1928 an Stelle desjenigen vom 24. März 1917.

Eine besonders sorgfältige und eingehende Regelung hat das Kinematographenwesen im bernischen und luzernischen Gesetz erfahren. Auch Tessin, Baselstadt, Neuenburg, "Wallis und Waadt haben die Materie einlässlich geordnet.

Die Kantone Solothurn (Verordnung des Eegierungsrates vom 18. März/ 14. Mai 1913) und Sehaffhausen (Verordnung des Eegierungsrates vom 20. Dezember 1916) beschränkten sich auf den Erlass von Schutzbestimmungen für die Jugend. Im Kanton Solothurn bestehen in den Städten Solothurn und Ölten Kinoverordnungen.

Kantonalrechtlich nicht geordnet ist das Lichtspielwesen in den Kantonen Graubünden, Obwalden, Appenzell A.-Eh. In Graubünden haben die Gemeinden Chur, Davos und Arosa Vorschriften aufgestellt. In Appenzell I.-Rh. sind in der grossrätlichen Polizeiverordnung vom 19. September 1918 einige wenige Vorschriften über das Kinowesen enthalten (Art. 5).

Der nachfolgenden Darstellung des kantonalen Lichtspielrechts schicken wir vorerst eine kurze Erörterung der verfassungsrechtlichen Grundlagen Voraus, auf denen das Kinematographengewerbe beruht.

II.

Anwendbarkeit des Art 31 BY auf denKinematographenbetrieb.

Art. 8l BV gewährleistet dio Freiheit des Handels und Gewerbes im ganzen Umfang der Eidgenossenschaft. Die Verfassung garantiert mit dieser Bestimmung das wirtschaftliche System der freien Konkurrenz: Der Staatsbürger soll innert den gesetzlichen Schranken seine Arbeitskraft frei entfalten und bestmöglich verwenden können. Er soll ein Eecht haben auf Zulassung zu jeder erlaubten, auf Erwerb gerichteten beruflichen Tätigkeit. Wie Burckhardt in seinem Kommentar zur Bundesverfassung (2. Auflage, S. 259) ausführt, gehört zur freien Konkurrenz l, dass die Zahl der Gewerbetreibenden nicht gesetzlich beschränkt sei, sondern dass jeder unter bestimmten Bedingungen zur Ausübung derselben zugelassen werde, 2. dass die Gewerbetreibenden in der Verwertung ihrer individuellen Kräfte nicht gehindert werden,

549 d.h. dass eie nicht in der Verwertimg ihrer Leistungen derart gebunden werden, dass der Abnehmer kein Interesse oder keine Möglichkeit hat, den einen vor dem andern zu bevorzugen und 8. dass alle Gewerbetreibenden vorn Gesetz gleich behandelt werden.

Der Bundosrat hat im Eekursentseheid in Sachen Hoff mann und Meyer vom 10. Februar 1911 (Bundesblatt der schweizerischen Eidgenossenichaft, Jahrgang 1911, III. Band, Seite 682 ff.) entschieden, dass der Kinematographenbetrieb als freies Gewerbe zu betrachten sei und demnach den Schutz des Art. 81 BV gemesse.

Auch das Bundesgericht, dem nach dem revidierten Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 22. März 1898 nunmehr die Beurteilung staatsrechtlicher Beschwerden wegen Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit zusteht, hat sich unter Berufung auf diesen bundesrätlichen Entscheid dahin ausgesprochen, dass unter den Begriff des Gewerbes im Sinn von Art. 81 BV auch die berufsmässige Veranstaltung theatralischer und kinematographischer Vorstellungen falle (Entscheidungen des Bundesgeriehts 38, I 489 und 39, I 15 u. 16).

Art. 81 BV garantiert dem Staatsbürger das Individualrecht auf Zulassung zu jeder berufsmässig ausgeübten, auf Erwerb gerichteten Tätigkeit. Während demnach die Kantone für die Zulassung der freien Gewerbe nicht Vorschriften aufstellen dürfen, ist ihnen dagegen gemäss Art. 31, lit. e, BV gestattet, die G e w e r b e a u s ü b u n g durch polizeiliche Massnahmen insoweit einzuschränken, als es die allgemeinen, öffentlichen Interessen erfordern. Verfassungsrechtlich zulässig sind nach der bundesrechtlichen Praxis solche Beschränkungen, die zur Wahrung der öffentlichen Ordnung und Feuersicherheit, der öffentlichen Gesundheit oder aus Gründen der ö f f e n t lichen Moral aufgestellt werden (Burckhardt, a. a. 0. 263 ff.; Sali s, BundesrechtBd.il, Nr. 762--801; Berthe au, «Die bundesrechtliche Praxis betreffend Niederlassungsfreiheit, Gewerbefreiheit und Politische Stimmberechtigung» S. 94 ff.).

Den durch den Vorbehalt des Art. 31, lit. e, BV gedeckten gewerbepolizeilichen Verfügungen über die Ausübung von Handel und Gewerbe ist aber insofern eine verfassungsrechtliche Schranke gesetzt, als sie den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit selbst nicht beeinträchtigen dürfen.

Das Bundesgericht hat es daher in
einem jüngsten Entscheid als mit Art. 31 B V unvereinbar erklärt, die Zahl der Kinobetriebe in einer Gemeinde nach Massgabe des Bedürfnisses zu beschränken und aus diesem Grunde die Bewilligung für die Errichtung eines neuen Betriebes zu verweigern. Die polizeilichen Beschränkungen, führte das Bundesgericht aus, dürfen niemals soweit gehen, dass für ein Gewerbe die Bedürfnisklausel aufgestellt wird, selbst wenn gewisse Erwägungen des allgemeinen Interesses hierfür sprechen sollten, da mit der Unterbindung des freien Wettbewerbes für das betreffende Gewerbe und der damit gegebenen ungleichen Behandlung der Gewerbegenossen nicht

550 bloss eine polizeiliehe Regelung über die Gewerbeausübung getroffen, sondern die Gewerbefreiheit im Prinzip selbst aufgehoben wäre. Auch solche Gewerbe, die zu Missbräuchen Anlass geben und daher eingehender polizeilicher Eegelung rufen, ständen eben doch grundsätzlich unter dem Schutz der Gewerbefreiheit.

Die Zulässigkeit des Bedürfnisartikels für das Wirtschaftsgewerbe folge aus dem besondern Vorbehalt der lit. c bei Art. 31 BV (Entscheidung des Bundesgerichts in Sachen Bierbrauerei am Uetliberg gegen Zürich vom 28. März 1921, 47, I Nr. 5).

.

III.

Das kantonale Kinematographenrecht.

A..

Patent- oder Konzessionspflicht. Persönliche Garantien des Bewerbers.

Zur Einrichtung und zum Betrieb von öffentlichen Lichtspieltheatern bedarf es in den weitaus meisten Kantonen einer behördlichen Bewilligung, die als «Patent» oder «Konzession» von den kantonalen Polizeidirektionen oder auch von den Gemeindebehörden erteilt wird. In Zürich ist zur Ausübung des Kinematographengewerbe ein kantonales Gewerbepatent nach Massgabe des Markt- und Hausiergesetzes erforderlich. Die Bewerber erhalten die Bewilligung nur, wenn sie sich über einen guten Leumund ausweisen (Zürich, Bern, Luzern, Tessin, Genf, Wallis, Ncuenburg). In den Kantonen "Waadt und Tessin hat der Patentbewerber einen Auszug aus dem Strafenregister vorzulegen. Die Vorlegung eines Leumundszeugnisses ist nach der waadtländischen Vorordnung nur erforderlich, wenn der Gesuchsteller weniger als zwei Jahre in der Gemeinde wohnt.

Besonders einlässlich sind die Bedingungen der Erteilung und des Entzuges der Konzession im bernischen Gesetz normiert. Es verpflichtet den Bewerber zur Einholung einer Konzession der kantonalen Polizeidirektion und ausserdem einer von der Ortspolizei auszustellenden Betriebsbewilligung (Art. 2). Die Konzession lautet auf ein einziges bestimmtes Etablissement und auf einen bestimmten verantwortlichen, zur Führung des Unternehmens verpflichteten Inhaber (Besitzer, Pächter oder Geschäftsführer), der sich auszuweisen hat über : L seine Ehrenfähigkeit und Handlungsfähigkeit: 2. einen einwandfreien Leumund; 3. den Besitz des Schweizerbürgerrechts oder einer Niederlassungsbewilligung; 4. eine mindestens dreijährige ununterbrochene Niederlassung im Kanton Bern, wenn der Bewerber nicht Schweizerbürger ist; 5. das Verfügungsrecht über die nötigen Eäumlichkeiten und Apparate, die den gesetzlichen Vorschriften entsprechen müssen; 6. den festen Wohnsitz am Orte des angemeldeten sesshaften Unternehmens, sofern es sich um ein solches handelt;

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7. den Besitz der Bewilligung der zuständigen Ortspolizeibehörde, sofern es sich um ein sesshaftes Unternehmen handelt.

Bewerbern, welche diesen Bedingungen nicht genügen oder welche nach ihrem Vorleben und ihrer Vorbildung nicht die nötige persönliche Gewähr für eine klaglose Führung des Unternehmens bieten, sowie Angehörigen anderer Staaten, die nicht Gegenrecht halten, ist die Konzession oder deren Erneuerung vom Kanton und die Bewilligung von den zuständigen Gemeinden zu verweigern (Art. 3). Die Konzession zum Betrieb eines Lichtspieltheaters kann dnrch die kantonale Polizeidirektion wieder entzogen werden: 1. wenn der Inhaber den persönlichen Anforderungen nicht mehr genügt: 2. wenn er den polizeilichen Weisungen über die Einrichtung der Aufführungsräume innerhalb der gesetzlichen Frist nicht nachkommt; 3. wenn er wiederholt wegen "Übertretung der Bestimmungen des Gesetzes bestraft worden ist; 4. wenn die öffentliche Ordnung und Sittlichkeit es erheischen.

Eine detaillierte Normierung der Könzessionsbedingungen enthalten auch die waadtländische Verordnung und das luzernische Gesetz, letzteres unter ziemlich enger Anlehnung an die bernischen Vorschriften.

Die Einführung des Konzessions- oder Patentzwanges durch die Kantone ist zu begrüssen. Sie ermöglicht ihnen, unsaubern Elementen, die sich schwere Yerstösse gegen die Schutzvorsehriften zuschulden kommen lassen, das Handwerk m legen, indem man ihnen die Erlaubnis zur gewerbsmässigen Veranstaltung von kineraatographischen Vorführungen entzieht.

Die Kantone sind unseres Erachtens auf Grund von Art. 31, lit. e, BV befugt, die Ausübung des Kinogewerbes von der vorgängigen Einholung einer amtlichen Bewilligung abhängig zu machen. Man muss sich dabei nur klar darüber sein, dass die Bezeichnung der Bewilligung als «Patent» oder «Konzession» dem Wesen der Sache nicht entspricht. Durch die Konzessionierung oder Patenterteilung wird dem Bürger nicht etwa das Eecht zur Ausübung des Kinobetriebes verliehen. Er besitzt ja dieses Eecht gernäss Art. 31 BV bereits. Es wird vielmehr durch die Konzession oder durch das Patent lediglieh festgestellt, dass der Bewerber alle Bedingungen erfüllt hat, die von Gesetzes wegen an ihn gestellt werden können. Juristisch ausgedrückt : Der Bewilligung kommt bloss formelle und nicht materielle Bedeutung zu (Burckhardt,
Kommentar, S. 269 ; Fleiner, Institutionen des deutschen Verwaltungsreehtes, 8. Aufl., S. 382).

In ihren Beforaten zum Juristentag des Jahres 1916 haben Bundesgerichtssehreiber Dr. Guex und Frau Dr. Henggeler auch die Frage erörtert, ob der Nachweis des guten Leumundes als Bedingung der Konzessionserteilung mit Art. 31 BV vereinbar soi. Dr. Guex bejaht die Frage, während die Korreferentin den gegenteiligen Standpunkt vertritt (Verhandlungen des Schweiz.

Juri sten Vereins 1916, abgedruckt in Zeitschrift für schweizerisches Eecht,

552 n. F., 35. Ed., S. 501,553,634). Wir halten das Erfordernis des guten Leumundes aus sittenpolizeilichen Erwägungen für verfassungsrechtlich zulässig.

Nach der bundesrechtlichen Praxis dürfen die Kantone von einem Wirt, vom Hausierer, vom Inhaber eines Placierungsbureaus, ja sogar von einem Comestibleshandler verlangen, dass sie sich über einen einwandfreien Leumund ausweisen. Die Gefahren, welche mit dem heutigen Kino für die öffentliche Moral verbunden sind, lassen es als geboten erscheinen, auch zum Kauern atographengewerbe nur moralisch genügend ausgewiesene Bewerber zuzulassen.

Ein schlecht beleumdetes, vorbestraftes Individuum wird für die Vorführung sittlich einwandfreier Filme weniger Gewähr bieten als eine unbescholtene Person. In der Auswahl der Stücke kommt nicht selten die Mentalität des Kinobesitzers zum Ausdruck.

Frau Dr. Henggeler weist zur Unterstützung ihrer Ansicht darauf hin, der Gefahr, dass anstossige Filme zur Darstellung gelangen, könne durch entsprechende Verbote oder durch die Androhung des Patententzuges vorgebeugt werden. Allein die Erfahrung hat gezeigt, dass weder Verbote, noch Strafbestòmmungen, noch der Konzessionsentzug genügen, um die Kinobesitzer von ethisch minderwertigen und schädlichen Darbietungen abzuhalten. Ein weit geeigneteres Mittel zur Bekämpfung der Schundfilme ist, -wie wir noch sehen ·werden, die Präventiv- oder Vorzensur. Wo diese in den Kantonen noch nicht eingeführt ist, wird man nicht sagen können, dass im Erfordernis des guten Leumundes eine zweckwidrige Einschränkung der Ausübung des Kinematographengewerbes liege. Aber selbst da, wo diese Filmkontrolle besteht, dürfte sich der Ausweis über guten Leumund im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit rechtfertigen. Dem Kinounternehmer liegt nicht nur die Vorführung ethisch einwandfreier Filme ob, er hat auch zahlreichen Bestimmungen nachzuleben, welche Kantone und Gemeinden über Feuer- und Baupolizei, Betriebssicherheit, Hygiene usw., sowie zum Schutze der Jugend aufgestellt haben. Für die gewissenhafte Beobachtung dieser Vorschriften und die klaglose Durchführung des Betriebes überhaupt ist es keineswegs gleichgültig, ob das Unternehmen von einer Persönlichkeit geleitet wird, die gewisse moralische Garantien bietet oder nicht.

Die Anforderungen an die Persönlichkeit des Bewerbers
dürfen aber nicht zu streng sein. Wie das Bundesgerieht schon in bezug auf die Erteilung eines Wirtschaftspatentes entschieden hat, darf dem Erfordernis des einwandfreien Leumundes nicht eine Ausdehnung gegeben werden, die über den Grund und Zweck der Einschränkung der Gewerbeausübung hinausgeht und sich durch die polizeiliche Fürsorge für die Wahrung der Sittlichkeit und Aufrechterhaltung der Öffentlichen Ordnung nicht mehr rechtfertigen lässt. «Es darf daher, so führt das Bundesgericht aus, einem Patentbewerber die sittliche Eignung zur Führung einer Wirtschaft nicht schon wegen jeder Verfehlung, die er sich einmal hat zuschulden kommen lassen, sondern nur dann abgesprochen werden, wenn entweder seine gegenwärtige Lebensführung nicht

553 einwandfrei ist oder aus den frühern Verfehlungen auf einen bleibenden sittlichen D e f e k t geschlossen werden muss (Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichts aus dem Jahre 1917, Bd. 43, Nr. 4, Erw. l, und die dort zitierten bundesrätlichen Erlasse).

Wie wir gesehen haben, erwähnt das bernische Gesetz unter den Bedingungen, von deren -Erfüllung die Konzessionserteilung abhängt, auch eine mindestens dreijährige ununterbrochene Niederlassung im Kanton Bern, wenn der Bewerber nicht Scbweizerbürger ist. Diese Bestimmung ist vorn Verband der Interessenten im kinematographischen Gewerbe der Schweiz durch staatsrechtlichen Rekurs beim Bundesgericht wegen Verfassungswidrigkeit und als im Widerspruch mit den Niederlassuugsverträgen stehend angefochten worden. Das Bundesgericht ist auf diese Beschwerde mit Urteil vom 2. Februar 1917 aus dem formellen Grund nicht eingetreten, weil dem rekurrierenden Verband, soweit sich die Beschwerde gegen die erwähnte Bestimmung richtete, die Aktivlegitimation fehle, und die betroffenen Ausländer persönlich Beschwerde führen müssten, und zwar als Angehörige eines bestimmten Staates und gestützt auf den mit diesem bestehenden Niederlassungsvertrag. Aus der Diskussion ging aber hervor, dass das Bundesgericht der Ansicht ist, es müsse die Bestimmung bei der ersten Beschwerde eines aktiv legitimierten Beschwerdeführers aufgehoben werden. Bekanntlich sichern die meisten Niederlassungsverträge den Angehörigen der Vertragsstaaton in bezug auf die Ausübung von Handel und Gewerbe die gleiche Bechtsstellung zu wie den Schweizerbürgern anderer Kantone. Es geht daher nicht an, jene unter ungünstigeren Bedingungen zur Gewerbeausübung zuzulassen als die Inländer.

B.

Vorschriften in bezug auf die Lokalitäten und Einrichtungen.

Die neuen kantonalen Gesetze und Verordnungen schreiben fast ausnahmslos vor, dass die Eäumlichkeiten, in denen Lichtspielaufführungen veranstaltet werden, und die Apparate in feuer- und baupolizeilicher Hinsicht für die Sicherheit des Publikums und des Personals alle Garantien bieten müssen. Es würde uns zu weit führen, alle diese meistens sehr detailliert gehaltenen Vorschriften aufzuzählen. Zweckmässig ist die im bernischen und luzernischen Gesetz enthaltene Bestimmung, wonach die Vorführung der Filme in einer den Anforderungen der jeweiligen Technik entsprechenden Weise zu geschehen hat, so dass Gefahren für das Personal und die Besucher, insbesondere auch die Entstehung von Augenkrankheiten und nervösen Störungen ausgeschlossen werden. Vielenorts, so z. B, in Bern, Luzern, Zürich, Freiburg, wird verlangt, dass zur Bedienung der Apparate Leute verwendet werden, die volljährig sind und die erforderlichen Sachkenntnisse und Fertigkeiten besitzen.

Es bedarf keines Nachweises, dass wohl die meisten dieser zum Schutz des Publikums aufgestellten Vorschriften als zulässige polizeiliche Einschränkungen im Sinne von Art. 31, lit. e, BV anzusehen sind; ob z. B. die Volljährigkeit für jede Funktion erforderlich ist, mag immerhin füglich bezweifelt werden.

554 C.

Das Filmverbot.

Eine der Hauptaufgaben eines jeden Lichtspielgesetzes muss darin liegen, der Tendenz zur Aufführung von Sensations- und Schundstücken entgegenzuarbeiten. Es verbieten daher fast alle Kantone, welche die Materie gesetzlich oder auf dem Verordnungswege geregelt haben, die Darstellung von Filmen, welche demoralisierende Wirkungen auf die Kinobesucher auszuüben geeignet sind. Damit dem Verbot auch Nachachtung verschafft wird, üben die Kantone, wie wir noch sehen werden, durch eigene Organe eine mehr oder weniger strenge Kontrolle über die Filme aus.

Die Verbote weichen zum Teil in ihrer Formulierung ziemlich stark voneinander ab.

Bern bestimmt in Art, 8 seines Gesetzes: Verboten sind: die Herstellung, der Verkaui', die Vermietung oder Verleihung, sowie die öffentliche Vorführung von Filmen, welche geeignet sind, zur Begehung von Verbrechen anzureizen oder dazu Anleitung zu geben oder die Sittlichkeit zu gefährden, das Schamgefühl gröblich zu verletzen, eine verrohende Wirkung auszuüben oder sonstwie groben Anstoss zu erregen, ebenso die Mitwirkung bei der Aufnahme vorgespielter Vorgänge, welche Menschenleben, die öffentliche Sicherheit oder die Sittlichkeit gefährden können.

Zürich verbietet die Vorführung unsittlicher, verrohender oder sonst anstössiger Filme, ebenso die Ankündigung von kinematographischen Aufführungen durch derartige Aufschriften, Plakate, Flugblätter oder Inserate.

In Basel dürfen nur sittlich einwandfreie k i n e m a t o g r a p h i s c h e Bilder zur Schau gestellt werden. Darstellungen, welche geeignet sind, sei es durch die einzelnen Bilder, sei es durch ihren Zusammenhang, entsittlichend oder verrohend auf die Zuschauer zu wirken, sind von der Polizei 211 verbieten.

·Waadt und Neuenburg verbieten: les spectacles contraires à la morale ou à l'ordre public et notamment ceux qui sont de nature à suggérer ou à provoquer des actes criminels ou délictueux.

Ähnlich drückt sich das tessi ni sch e Gesetz aus: Sono severamente vietati gli spettacoli contrari alla morale ed ali' ordine pubblico e specialmente quelli tendenti ad esaltare, consigliare o provocare atti criminosi o delittuosi.

Wir halten dafür, dass diese Verbote, weil zum Schutz der Öffentlichen Moral aufgestellt, durch den Vorbehalt des Art. 81, lit. e, BV gedeckt sind und dem Prinzip der
Gewerbefreiheit nicht entgegenstehen. Zu beanstanden ist aber ihre zum Teil sehr vage und zu allgemein gehaltene Formulierung, die den Kontrollbehörden vielfach bei der Bewertung der Zulässjgkeit der Filme keine sichere Handhabe bieten wird.

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Die Fümkontrolle.

In einigen wenigen Kantonen, so in Nidwaiden und in Bern, begnügt man sich damit, die Filme während der Vorführung zu kontrollieren. Die Behörden

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üben also hier die Kontrolle repressiv aus und beanstanden nur bereits aufgeführte Filme.

Eine Eeihe von Kantonen ist nun aber einen Schritt weiter gegangen und hat die sogenannte Präventiv- oder Vorzensur eingeführt, wobei zwei Formen, eine mildere und eine strengere, zu unterscheiden sind. Die Präventivzensnr in der ersten Form kennen die Kantone Baselstadt, "Waadt, Neuenburg, Wallis, Tessin. Die Kontrollorgane sind aach diesem System berechtigt, «ich die Filme vor der öffentlichen Vorführung durch «bewegte Darstellung» zeigen zu lassen.

So bestimmt z, B. die neuenburgiscbe Verordnung über die Präventivzensur folgendes: Les conseils communaux ont le droit d exiger que les films soient soumis avant la représentation à l'approbation de la police communale.

S'ils usent de cette faculté, ils désignent une commission de contrôle qui peut, se faire exhiber 24 heures avant chaque représentation tous les films dont la production doit avoir lieu. Dans ce cas, sont seuls autorisés à être représentés, les films qui ont reçu l'approbation de la commission de contrôle.

Im Tessin sind die Behörden zur Ausübung der Präventivzensur auf Grund folgender gesetzlicher Bestimmungen ermächtigt: La Municipalità locale dovrà, provvedere perché siano interdette le rappresentazioni e rimossi gli affissi previsti dal precedente art. 5. Al tale scopo gli agenti della polizia cantonale e comunale avranno libero accesso in ogni tempo nelle sale delle rappresentazioni. La Municipalità potrà esigere una preventiva gratuita riproduzione delle films davanti a propri incaricati.

Die Präventivzensur in der zweiten strengern Form besteht darin, dass die Filme vor der öffentlichen Darstellung dem Kontrollorgan zur Prüfung und Genehmigung kinematographisch vorgeführt werden müssen. Unter dem Namen Präventivzensur versteht man gewöhnlich nur diese Art Kontrolle.

Sie ist in zahlreichen Staaten des Auslandes eingeführt.

In Frankreich darf auf Grund einer Verordnung des Präsidenten der Republik vom 25. Juli 1919 kein Film Öffentlich vorgeführt werden, der nicht das Visum des Ministers des öffentlichen Unterrichts und der Künste erhalten hat. Das Visum wird erteilt, wenn die aus 30 Mitgliedern bestehende staatliche Kinokommission ihr Urteil über den Film abgegeben hat. Die Mitglieder der Kommission werden vom Minister auf die Dauer
von drei Jahren ernannt.

Es können ihr auch Frauen angehören.

In Italien besteht eine zentralisierte staatliche Filmzensur in Eom, der sämtliche Filme zur Prüfung unterbreitet werden müssen, die an irgendeinem.

Ort Italiens vorgeführt werden wollen.

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In Schweden dürfen ganz allgemein nur solche Filme öffentlich vorgeführt werden, die von der Reichszensurstell in Stockholm geprüft und genehmigt worden sind.

Auch in Dänemark und Norwegen ist eine staatlich zentralisierte Präventivzensur eingeführt worden. In letzterm Staat wird sie durch vom König ernanntebesondere Sachverständige in Oslo (Christiania) ausgeübt.

In Holland besteht keine zentralisierte Filmzensur, dagegen wird in verschie-denen Städten die Bewilligung zumKinematographenbetrieb nur unter der Bedingung erteilt, dass die Unternehmer die Filme vor der Aufführung der Polizei oder sonst einer als Zensurbehörde eingesetzten Instanz zur Prüfung und Genehmigung unterbreiten.

In Österreich ist auf Grund der Verordnung des Ministeriums; des Innern vom 18. September 1912 zur öffentlichen Vorführung jedes Lichtbildes die Bewilligung der Verleihungsbehörde notwendig. Zur Erlangung der Vorführungs-bewilligung muss jedes Bild der Verleihungsbehörde kinematographisch vorgeführt werden. Eine zentralisierte Filmzensur gibt es in Österreich nicht, vielmehr ist die Zensur für jeden Verwaltungsbezirk eingerichtet worden.

In England besteht eine freiwillige Zensur. Die britische Regierung beabsichtigte im Jahre 1909. die offizielle Zensur von Filmen einzuführen. Die interessierten Kreise anerboten sich aber, die Zensur selbst durchzuführen.

Zu diesem Zwecke ist in der Folge der «British Board of Film Censors» gegründet worden, welchem bekannte Persönlichkeiten angehören, die sich um Kunst.

Literatur und Erziehungswesen interessieren. Die Zensur ist somit nicht staatlich, wohl aber zentralisiert und erhält einen offiziellen Anstrich dadurch, dass die von den Lokalbehörden einzuholende Genehmigung für die Eröffnung eines Kinotheaters nur erwirkt werden kann, wenn zugestanden wird, dass keine Filme vorgeführt werden, welche vom betreffenden «Board» nicht genehmigt worden sind.

In den Vereinigten Staaten von Nordamerika haben sich die Fabrikanten ebenfalls freiwillig einer von der National Board of Censorship eingerichteten Zensur unterworfen. Dennoch sind verschiedene Staaten und einzelne Gemeinden dazu übergegangen, durch besondere Gesetze oder Verordnungen eine eigene Filmzensur einzuführen.

Die neueste Schöpfung auf dem Gebiete der Filmzensur ist das von der deutschen Nationalversammlung erlassene
Lichtspielgesetz vom 12. Mai 1920.

Nach diesem Gesetz dürfen Filme öffentlich nur vorgeführt oder zum Zweck der öffentlichen Vorführung im In- und Ausland in den Verkehr gebracht werden, wenn sie von den amtlichen Prüfungsstellen zugelassen sind. Die Zulassung erfolgt auf Antrag. Sie ist zu versagen, wenn die Prüfung ergibt, dass die Vorführung des Bildstreifens (Film) geeignet ist, die öffentliche Ordnung oder Sicherheit 211 gefährden, das religiöse Empfinden zu verletzen, verrohend oder entsittlichend zu wirken, das deutsche Ansehen oder die Beziehungen Deutschlands zu auswärtigen Staaten zu. gefährden. Das Gesetz sieht zwei Prüfungs-

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stellen, in Berlin und. München, vor und eine Oberprüfungsstelle in Berlin, welche die Beschwerden gegen die beiden ersten Instanzen zu beurteilen hat.

In der Schweiz kommt die eigentliche Vor- oder Präventivzensur in den meisten Kantonen für die Jugendvorstellungen zur Anwendung; für die gewöhnlichen, d. h. für die Erwachsenen bestimmton Vorstellungen sieht sie die luzernische Vollziehungsverordnung zum Lichtspielgesetz vor. Danach hat der Besitzer eines Lichtspieltheaters, bevor er einen seitens der kantonalen Kontrollstelle noch nicht kontrollierten Film das erstemal zur Aufführung bringt, dem Polizeidepartement Mitteilung zu machen. Die Prüfung erfolgt in der Eegel durch bewegte Vorführung des Films in dem betreffenden .Lichtspieltheater. Ist der Film nicht zu beanstanden, so erteilt der Kontrollbeamte die Erlaubnis üur öffentlichen Aufführung. Genehmigte Filme erhalten den Stempel der Kontrollkommission und dürfen ohne weitere Prüfung in jedem Lichtspieltheater des Kantons zur Aufführung kommen.

Die eigentliche Vorzensur haben ferner die Kantone Glarus, Thurgau, ITI, Schwyz und Zürich eingeführt.

Nicht nur die Art, auch die Organisation der Filmkontrolle ist in den Kantonen verschieden. In Bern ist die Aufsicht über das Kinowesen einem besondern Beamten übertragen, in Freiburg dem Préfet. In Schwyz und St. Galleu sind die Filme einer Kontrolle durch den Gemeinderat oder einer von ihm bezeichneten Behörde zu unterstellen. In St. Gallen kann die vom Gemeinderat bestellte Behörde zur Beurteilung der Filme eine Spezialkommission von Sachverständigen beiziehen. Im Kanton Baselland ist der Begierungsrat ermächtigt, Vereinbarungen mit andern Kantonen in bezug auf die Kontrolle der Filme und der Keklameplakate beizutreten. Bis zuru Abschluss einer solchen Vereinbarung unterliegen die Filme und Eeklameplakate der Kontrolle durch die Polizei- und die Erziehungsdirektion.

In Zürich ordnet die Polizeidirektion die Prüfung der Filme an und entscheidet über Zulassung oder Verbot. Zur Vornahme der Filmprüfungen bestellt sie die nötigen Sachverständigen. Die Sachverständigen haben sich über die Qualität und Zulässigkeit der Filme gutachtlich zu äussern. Die Polizeidirektion entscheidet auf Grund des Berichtes der Sachverständigen. Erscheint dieser unklar oder unvollständig oder ist er unentschieden im
Antrag, so ordnet sie eine nochmalige Prüfung durch andere Sachverständige an. Es geschieht dies auch dann, wenn der Gesuchsteller sich mit der von den Sachverständigen bei der ersten Prüfung geäusserten Ansicht nicht zufrieden gibt und schriftlich nochmalige Prüfung verlangt.

Wiederum anders ist die Filmzensur in L uze r n organisiert. Sie liegt hier · einer vom Eegierungsrat ernannten Kommission von 5--7 Mitgliedern ob.

Der Präsident der Kommission bezeichnet für die Prüfung der Filme abwechslungsweise je ein Mitglied der Kommission. Dieses übt, unter Vorbehalt dea .Rekurses an die Gesamtkommission, die Rechte der letztern aus.

Man könnte sich fragen, ob die Übertragung der Kontrollfunktionen an -eine Kommission rechtlich zulässig ist. Frau Dr. Henggeler verneint dies in

558

ihrem Beferat (a. a. 0. S. 569), Sie behauptet, dass nur die vom Kanton oder der Gemeinde angestellten Polisseiorgane ein Kontrollrecht haben; die Überwachung der Kinos sei eine spezifisch polizeiliche Aufgabe, zu der das Volk bestimmte Organe bestellt habe, für die eine bestimmte Arbeitseinteilung und auch Disziplinarordnung gelten. So allgemein ausgesprochen halten wir diese Ansicht nicht für richtig. Die Gültigkeit der Übertragung der Kontrollbefugnisse an eine ständige Kommission kann nicht von vornherein verneint werden. Es kommt vielmehr darauf an, ob das kantonale Eecht eine solche Delegation zulässt oder nicht. Dies wird meistens der Fall sein. "Wir verweisen z,, B.

darauf, dass in einer Eeihe von Kantonen auf Grund des Gemeindegesetzea gewisse polizeiliche Funktionen von ständigen Kommissionen, den sogenannten Polizeikommissionen, ausgeübt werden.

Der Erleichterung der Kontrolle dient die in den meisten kantonalen Erlassen enthaltene Bestimmung, dass die Kontrollorgane jederzeit zu den Lichtspielräumen und den Aufführungen Zutritt haben.

In den Kantonen Bern, St. Gallen, Luzern, Thurgau steht den Kinounternehmern das Eecht zu, den Entscheid des Kontrollorgans, durch den die Darstellung eines Films ganz oder teilweise verboten wird, auf dem Beschwerde weg bei einer obern Instanz anzufechten. Bern, St. Gallen und Thurgau sehen als Rekursinstanz die kantonale Polizeidirektion vor. Im Kanton Luzern kann der Kinobesitzer, wie bereits erwähnt, an die gesamte Kontrollkommission rekurrieren. Die Schaffung einer solchen Beschwerdeinstanz ist zu begrüssen und dient dazu, willkürliche Entscheide der Kontrollstelle zu korrigieren.

In seinem Beferat hat sich Dr. Guex gegen die Präventivzensur auögesrprochen. Er gibt der Repressi vkontrolle als dem liberaleren und weniger strengen System den Vorzug und hält dafür, dass sie zur Unterdrückung der ärgsten Missbräuche genüge. Auch der Juristenverein hat sich in Ölten auf diesen Standpunkt gestellt.

Die bei uns und im Ausland gemachten Erfahrungen sprechen aber entschieden gegen die Repressivzensur. Ihr Hauptmangel besteht darin, dass der Film erst dann geprüft werden kann, wenn er öffentlich abrollt, also während der Vorstellung. Wird er von der Kontrollbehörde verboten, so ist die Spielzeit meistens bald abgelaufen, die schädlichen Wirkungen sind. also
bereits eingetreten.

Eine richtige Fihnkontrolle darf sich keineswegs darauf beschränken, die schlimmsten Auswüchse im Kinowesen zu beseitigen; sie soll ihre Aufgabe vielmehr darin erblicken, alle Filme, welche in moralischer Hinsicht irgendwie zu Beanstandungen Anlass geben können, so viel als möglich von der öffentlichen Vorführung fernzuhalten. Diese Aufgabe vermag die P r ä v e n t i v z e n s u r weit besser und wirksamer zu erfüllen als die Eepressivzensur.

Schon die Polizeidirektorenkonferenz vom 27. Oktober 1918 in Herisau hat den Kantonen die Vorzensur zur Einführung empfohlen. Auch der Verwaltüngsbericht der Polizeidirektion des Kantons Bern für das Jahr 1919 spricht sich

55y für sie aus. Es heisst in diesem Bericht: «Ein polizeiliches Einschreiten im Zeitpunkt, da der Kim schon gemietet und im Gebrauche ist, wie es unser Lichtspielgesetz (mit Ausnahme der Jugendvorstellungen) allein ermöglicht, ist doch -nur bei ganz groben Verstössen anwendbar. Bei einer allgemeinen Vorzensur würde dagegen manches minderwertige Stück, das jetzt noch durchschlüpft, ausgemerzt.» Für die Präventivzensur treten ein Dr. H. Hanselmann, der frühere Zentralsekretär der Stiftung «Pro Juventute» in einem Aufsatz in der schweizerischen Zeitschrift für Gemeinnützigkeit, betitelt: «Kino und Volkserziehung» (60. Jahrgang, Heft 8, S. 75), und Dr. Veillard, Direktor des secrétariat romand d'hygiène sociale et morale in Lausanne in einer in der gleichen Zeitschrift erschienenen Abhandlung: «La question du cinématographe en Suisse» (60. Jahrgang, Heft 8, Seite 82). Dr. Veillard lehnt eine eidgenössische Filmzensur ab, regt dagegen ihre gruppenweise Einführung durch einzelne Kantone (z. E. die deutschschweizerischen protestantischen und die welschschweizerischen protestantischen) auf dem Wege gegenseitiger Vereinbarung an.

Die Einführung der Vorzensur befürwortet ferner Pfarrer A. Wild, Sekre tär der schweizerischen Zentralauskunftsstelle für soziale Fürsorge in Zürich in einem Aufsatz: «Die kantonale Kinogesetzgebung», der ebenfalls in der erwähnten Zeitschrift (Jahrgang 1924, S. 145 ff. und 169 ff.) veröffentlicht wurde. Pfarrer Wild postuliert die Einführung der Präventivzensur für die ganze Schweiz durch eine Zentralfilmprüfungsstelle in Bern auf Grund eines Bundesgesetzes, eventuell eines Konkordates. Im gleichen Sinn hat sich im Herbst 1921 eine Delegiertenversamnüung der freisinnig-demokratischen Partei der Stadt St. Gallen ausgesprochen. Sie hiess nach einem Eeferat des Herrn Lehrer Lumpert, des städtischen Kinokontrolleurs, u. a. einhellig folgende These gut: «Die geeignetste Abwehrmassnahme ist die einheitliche Zensur aller zur Vorführung bestimmten Filme. Zu diesem Zweck soll eine einheitliche Zensurstelle geschaffen werden. Diese begutachtet alle in- und ausländischen Filme, ehe sie zur Zirkulation freigegeben werden.« Zu erwähnen ist schliesslich noch, dass auch die Presse in den letzten Jahren wiederholt lebhaft für die Präventivzensur eingetreten ist und dass ihre Einführung auf dem
Konkordatsweg auch von der weiter oben schon genannten Kommission für Kinoreform in Zürich und dem Schweizer Schul- und Volkskino in Bern empfohlen wird.

In ihren Referaten haben Dr. Güex und Frau Dr. Henggeler auch zu der Frage Stellung genommen, ob die Vorzensur mit dem Grundsatz der Handelsund Gewerbefreiheit im Einklang stehe. Dr. Guex bejaht dies im Hinblick auf ihre Zweckbestimmung: Schutz der öffentlichen Ordnung und Moral.

Die Korreferentin vertritt den gegenteiligen Standpunkt. Sie hält die Präventivzensur für unzulässig, weil zur Erreichung des Zweckes andere weniger strenge Mittel zur Verfügung ständen und sie die Grenzen der Polizeigewalt überschreite.

Das Bundesgericht hat diese Streitfrage entschieden, indem es in einem nicht veröffentlichten Entscheid vom 14. Juni 1918 in Sachen J. Burckhardt und

560

Konsorten gegen Kanton Luzern die Vorzensur, wie sie in der Vollziehungsverordnung zum luzernischen Lichtspielgesetz vorgesehen ist, als mit Art 31 B V vereinbar erklärte. Das Bundesgericht führte aus: «Was Art. 81 BV anbelangt, so steht nach der Praxis der Bundesbehörden (A. S. 48,1, S. 256 und die dortigen Zitate) fest, dass die Kinounternehmungen Gewerbe im Sinne dieser Verfassungsbestimmung sind. Anderseits bedeutet die Filmkontrolle überhaupt, also auch die Präventivkontrolle, eine polizeiliche Beschränkung dieses Gewerbes, die vom Standpunkte der Gewerbefreiheit nur dann zulässig ist, wenn sie sich durch Gründe des allgemeinen Wohls, speziell durch sittenpolizeiliche Erwägungen, rechtfertigen lässt. Dass eine Kontrolle von diesem Gesichtspunkte aus überhaupt statthaft, ja geboten sei, bestreiten auch die Bekurrenten nicht. Sie ist denn auch in irgendeiner Form überall eingeführt worden. Der Angriff richtet sich gegen die Art der Kontrolle (Präventivzensur). Allein auch diese lässt sich durch ernsthafte und haltbare Gründe der guten Sitte und der Zweckmässigkeit rechtfertigen; sie kann demnach vom Standpunkt der Gewerbefreiheit aus nicht als unzulässig betrachtet werden. Sie wäre es, wenn deren Zweck über die Grenzen hinausginge, die der Staat bei Erlass sittenpolizeüicher Vorschriften innehalten muss; oder wenn sie sich als Mittel zur Erreichung des Zweckes als ungeeignet erwiese, exorbitante oder unnütze Anforderungen stellte und daher als vexatorisches, prohibitives Mittel betrachtet werden müsste.

Keines dieser Momente trifft zu.» Die Bekurrenten haben die rechtliche Zulässigkeit der Präventivzensur auch mit dem Hinweis darauf bestritten, dass sie gegen Art. 55 BV verstosse.

Das Bundesgericht erklärte die Berufung auf diesen Verfassungsartikel als unbehelflich. Es ist der Auffassung, dass Kinovorstellungen den Schutz der durch Art. 55 BV garantierten Pressfreiheit nicht gemessen, weil ihnen die formellen und sachlichen Bequisite eines Erzeugnisses der Presse fehlen. Auch die Literatur steht auf dem Boden, dass Art. 55 BV auf die kinematographischen Darbietungen nicht Anwendung findet. Wir verweisen erneut auf das Referat von Bundesgerichtsschreiber Dr. Guex und das Korreferat von Frau Dr. Henggeler-Mölich zur Jahresversammlung des schweizerischen Juristenvereins pro 1916 (Zeitschrift
für schweizerisches Becht, n. F., 85. Bd., S. 495 ff. u. 566), sowie auf Prof. Burckhardts Kommentar zur Bundesverfassung, Seite 529.

Die Bundesverfassung steht somit der Einführung der Präventivzensur durch den Bundesgesetzgeber oder durch die Kantone auf Grund der kantonalen Gesetzgebung oder interkantonal auf dem Konkordatsweg nicht entgegen.

Dagegen erblicken die bernischen Behörden in Art. 77 der Staatsverfassung des Kantons Bern vom 4. Juni 1893 ein Hindernis für die Zulassung der Vorzensur. Dieser Verfassungsartikel, der in seiner Fassung weitergeht als Art. 55 BV, lautet: «Die Freiheit der Mitteilung der Gedanken durch Wort, Schrift, Druck und bildliche Darstellung ist gewährleistet. Das Gesetz bestimmt die Strafe des Missbrauchs dieser Freiheit. Es darf niemals die Zensur oder eine andere

561 vorgreifende Massnahme stattfinden.» Die bernischen Behörden haben die Auffassung, dass die Lichtspielaufführungen zu den «bildliehen Darstellungen» gerechnet werden müssen und den Zweck haben, Gedanken mitzuteilen; wenigstens lasse sich die letzterwähnte Funktion einzelner Filme unmöglich scharf gegen die blosse sinnenfällige Darstellung äusserer Bewegungsvorgänge abgrenzen, die den Stoff zur Mehrzahl der Filme liefere. (Vgl. Vortrag der Polizeidirektion an den Begierungsrat zuhanden des Grossen Eates zum Entwurf des Gesetzes über das Lichtspielwesen und Massnahrnen gegen di« Schundliteratur, 8.2.)

E.

Die Jugendschutzbestimmungen.

Sämtliche Kantone, in denen das EinematographenWesen auf dem Gesetzesoder Verordnungsweg eine mehr oder weniger umfassende Regelung erfahren hat, haben zum Schutz der Jugend Bestimmungen aufgestellt. Unsere Behörden haben sich der Einsicht nicht verschlossen, dass vor allem die Jugend vor dem verderblichen Einfluss der Kinos geschützt werden muss. Die Vorführung von Filmen, wie wir sie in der Einleitung geschildert haben, ist in hohem Grade geeignet, die Vorstellungswelt der Jugend, ihr sittliches Empfinden und Urteil zu trüben und zu gefährden.

Sehr milde Schutzbestimmungen weist der Kanton Waadt auf. Hier ist den Kindern unter 16 Jahren der Zutritt zu den kinematographischen Vorstellungen nur verboten, wenn sie nicht in Begleitung des Vaters, der Mutter oder des Vormundes sind. Das Verbot bezieht sich nicht auf die speziell für die Jugend veranstalteten Vorstellungen.

Dieses Schutzsystem kann nicht empfohlen werden. Seine Mängel liegen auf der Hand. Den Eltern und Vormündern geht erfahrungsgemäss nicht selten das Verständnis dafür ab, welche Filme für die Kinder schädlich sind und selbst, wenn sie dies erkennen, handeln sie nicht immer dieser Erkenntnis entsprechend.

Es ist auch nicht einzusehen, weshalb Schundfilme einem Kinde nur schaden Bollen, wenn es allein einer Vorführung beiwohnt, nicht aber dann, wenn es von einem Erwachsenen begleitet ist. Dieses System ist auch deshalb abzulehnen, weil die Kontrolle darüber, ob die begleitenden Erwachsenen die Eltern oder Vormünder der Kinder sind, wenn nicht unmöglich, so doch jedenfalls schwer durchführbar ist.

Die waadtländische Kinoverordnung schreibt nun allerdings den Gemeinden die Anwendung dieses Systems
nicht vor. Es ist ihnen gestattet, den Kindern unter 16 Jahren auch in Begleitung ihrer Eltern oder des Vormundes den Kinobesuch zu untersagen. Es entzieht sich unserer Kenntnis, ob die waadtländischen Gemeinden von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht haben.

Ein weit strengeres VerbothatderKantonBern in seinem Gesetz aufgestellt.

Danach ist den noch nicht schulpflichtigen Kindern der Besuch aller Lichtspielvorstellungen gänzlich untersagt. Die schulpflichtige Jugend hat nur zu den ·Jugendvorste'llungen Zutritt.

Bandesblatt.

77. Jahrg. Bd. II.

41

562 Die meisten Kantone verbieten den Kindern auch in Begleitung der Eltern, des Vormundes oder überhaupt von erwachsenen Personen den Besuch der gewöhnlichen Kinovorstellungen nicht allgemein, sondern nur bis zu einem gewiesen Alter. Dagegen werden sie zu den besondern, meistens von den Schulbehörden veranstalteten Jugendvorstellungen zugelassen, wobei fast Überall nur behördlich geprüfte und genehmigte Filme zur Darstellung gelangen dürfen. Es kommt also für die Jugendaufführungen, wie bereits früher erwähnt, die Präventivzensur zur Anwendung.

Das Schutzalter, bis zu welchem den Kindern der Besuch der gewöhnlichen Vorstellungen untersagt ist, ist in den Kantonen verschieden festgesetzt. In Freiburg, Thurgau und Nidwaiden erstreckt sich das Verbot auf das schulpflichtige Alter. Im Aargau ist den Schülern der Gemeindeund Bezirksschulen der Besuch der Kinos untersagt. Weitaus die Mehrzahl der Kantone, welche diesem System huldigen (Baselland, Solothurn, Waadt, Tessin, Neuenburg, Wallis, Glarus, St. Gallen), setzen die Schutzgrenze auf das 16. Altersjahr an. Am weitesten gehen Luzern, Uri, Schwyz, Zug und Zürich, indem sie jugendlichen Personen den Zutritt zu den gewöhnlichen Kinovorstellungen bis zum 18. Altersjahr verbieten.

Für die Schutzgrenze von 18 Jahren sind auch Dr. E. Guex und Frau Dr..Henggeler in ihren Eeferaten eingetreten, ebenso verschiedene Votanten an der Tagung des Schweizerischen Juristenvereins im Jahre 1916.

Das Schutzalter von 18 Jahren befürwortet ferner der bekannte Kinoschriftsteller Dr. E. Hellwig in seiner Schrift: «Die Beform des Lichtspielrechts», Seite 94, Hellwig hatte früher das 16. Jahr vorgeschlagen, ist dann aber in seinem Entwurf eines Jugendschutzgesetzes zu der Altersgrenze von 18 Jahren gekommen. Er begründet dies damit, dass gerade in den Entwicklungsjahren die Jugendlichen, wie für gute, so auch für schädliche Einflüsse besonders empfänglich seien.

Wir sind ebenfalls für die Ansetzung der Altersgrenze auf 18 Jahre, wenigstens da, wo die Präventivzensur für Erwachsene noch nicht eingeführt ist, halten auch das System für richtig, wonach den Jugendlichen der Kinobesuch bis zu einem gewissen Alter untersagt ist, sie dagegen zu besondern Jugendvorstellungen zugelassen werden. Da diese Vorstellungen mit Genehmigung und unter Aufsicht der Behörden stattfinden
und nur kontrollierte Filme vorgeführt werden dürfen, ist alle Gewähr für einwandfreie Darbietungen geboten.

In mehreren Kantonen (z. B. Solothurn, Neuenburg) richtet sich das Verbot des Besuchs der gewöhnlichen Kinovorstellungen durch Kinder nicht nur gegen den Besitzer des Kinematographentheaters, sondern auch gegen die Eltern und Kinder. Es werden daher wegen Verbotsübertretung ausser dem Geschäftsinhaber auch die Eltern und Kinder bestraft.

Die Frage, ob auch gegen die Eltern und Kinder Strafbestimmungen aufzustellen seien, war im solothurnischen Kantonsrat Gegenstand eingehender

.., TMv, ....,,-.-,1,,,..

563

Erörterung. Der Präsident der Kommission führte aus, dass eine richtige Gewähr für die Handhabung der Ordnung nur geboten sei, wenn auch die Eltern und die Jugendlichen in den Bereich der Strafen einbezogen würden. Der Besitzer des Unternehmens würde naturgemäss diesen Kindern den Zutritt zur Vorstellung gestatten, weil er schlechterdings gar nicht in der Lage sei, zu beurteilen, ob die jungen Leute unter oder über der Schutzgrenze stehen.

Wenn hier nicht ein gewisses Korrektiv vorhanden sei, wonach Eltern und Kinder selbst unter Strafen stünden, so würde ein häufiges Übertreten der Verordnung an der Tagesordnung sein und der ganze Wert der Vorlage wäre illusorisch.

In der Abstimmung wurden die Anträge des Regierungsrates und der Kommission, auch die Eltern und Kinder zu bestrafen, angenommen.

In der vorhin erwähnten Schrift, Seite 98, tritt Dr. A. Hellwig ebenfalls dafür ein, dass sich das Verbot auch gegen die Jugendlichen zu richten hat.

«Der Jugendliche muss wissen», so führt Hellwig aus, «dass es nicht nur den Lichtspielunternehmern verboten ist, ihn in Lichtspielvorführungen zu dulden, die keine Jugendvorstellungen sind, sondern dass es ihm auch verboten ist, solche Lichtspielvorführungen zu besuchen. Allerdings soll auf die Übertretung des Verbotes durch die Jugendlichen keine kriminelle Strafe angedroht werden, denn die ganze moderne Entwicklung geht ja mit Recht dahin, den Jugendh'chen nach Möglichkeit davor zu bewahren, dass er sich gegen das Strafgesetz vergeht und dadurch mit Notwendigkeit Wirkungen von ungeheurer Tragweite für sein ganzes späteres Leben auf sich lädt. Man kann, um das Verbot den Jugendlichen einzuschärfen, zwei Wege wählen: Entweder setzt man auf die Übertretung eine Polizeistrafe, die man, um sie von der Strafe im Sinn des Strafgesetzbuches auch äusserlich zu unterscheiden, als Busse bezeichnen mag, oder aber man überweist den Jugendlichen der Schulstrafe, für die sich namentlich im Schweizerrecht sehr interessante Beispiele finden und die man in den letzten Jahren, insbesondere im Anschluss an die Erörterung der Jugendschutzbestimmungen der stellvertretenden Generalkommandos, auch bei uns wiederholt angeregt hat.» Die solothurnische Verordnung steht auf dem Boden dieser Ausführungen.

Bei Zuwiderhandlungen gegen § l (Verbot des Besuches der Kinotheater durch
Jugendliche unter 16 Jahren) kann der Bichter eine Geldbusse bis Fr. 20 fällen: a. gegenüber den Eltern oder solchen Personen, in deren Obhut der Jugendliche steht, sofern dieser das Alter von 14 Jahren noch nicht vollendet hat, oder aber nach dessen Vollendung in ihrer Begleitung der Vorstellung beigewohnt hat; è. gegenüber dem Jugendlichen selbst, wenn er das 14. Altersjahr vollendet, die Vorstellung aber ohne Begleitung einer der genannten Personen besucht hat (§ 7 der Verordnung).

Schulpflichtige Jugendliche sind bei Zuwiderhandlung gegen § l durch die zuständige Schulbehörde unabhängig von der richterlichen Ahndung nach § 7 mit Arrest, andern Schulstrafen oder dem zeitweisen Verbot des Besuchs von Jugend Vorstellungen zu belegen.

564

Das Bundesgericht hat in einer Reihe von Entscheiden die Verfassungsmässigkeit der kantonalen Jugendschutzbestimmimgen anerkannt. Die Bestrebungen der Kantone, unsere Jugend vor den schädlichen Einwirkungen des Kinobesuches zu sichern, haben damit durch unsern obersten Gerichtshof eine höchst erfreuliche und wertvolle Unterstützung gefunden.

Durch eine Verfügung der zürcherischen Justiz- und Polizeidirektion vom 20. August 1912 war das kantonale Patentbureau angewiesen worden, den Kinematographenbesitzern bei der Patentbewerbung zu eröffnen, dasa die Kinder .zu den gewöhnlichen Vorstellungen auch in Begleitung von Erwachsenen nicht zugelassen werden dürfen und dass ihnen der Zutritt nur zu den behördlich gestatteten Kindervorstellungen erlaubt sei. Gegen diese Verfügung beschwerten sich zwei der betroffenen Kinematographenbesitzer beim Eegierungsrat, wurden aber von diesem abgewiesen. Der Begierungsrat machte geltend, dass die angefochtene Verfügung auf zwingenden Rücksichten des Öffentlichen Wohles beruhe und sich als zulässige Verfügung über Ausübung von Handel und Gewerbe im Sinne von Art, 81, lit. e, BV charakterisiere. Die beiden Kinobesitzer ergriffen hierauf den staatsrechtlichen Rekurs an das Bundesgericht und fochten den Regierungsratsentscheid als im Widerspruch zu Art. 31 und 4 BV stehend an. Das Bundesgericht wies den Rekurs ab mit der Begründung, dass die von den Zürcher Behörden verfügte Beschränkung der Zulassung von Kindern auf bestimmte Aufführungen mit besonders ausgewähltem, behördlich genehmigtem Programm sich auf nicht anfechtbare Erwägungen polizeilicher Natur stütze und daher zweifellos in den Kreis der nach Art.81, lit. e, BV zulässigen Massnahmen falle (Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichts, 89. Bd., 1. Teil, Nr. 2, in Sachen Speck und HiplehWalt gegen Zürich vom 19. März 1913), Im Urteil vom T.Dezember 1916 in Sachen Speck gegen den zürcherisehen Regierungsrat erklärte unser oberster Gerichtshof eine Verfügung als zulässig, wodurch den Kinematographenbesitzern für die Dauer der Kriegszeit die Veranstaltung regelmässiger Kindervorstellungen, auch solcher mit behördlich genehmigtem Programm, untersagt und deren Zulassung von einer nach freiem Ermessen zu erteilenden Bewilligung in jedem einzelnen Fall abhängig gemacht wurde. Das Bundesgoricht rechtfertigte die
Massnahme mit der besondern Aufgabe, die der Staat als Organisation der Gesellschaft der Jugend gegenüber habe. (Entscheidungen 42. Bd., I, Nr. 37.)

In dem bereits früher erwähnten staatsrechtlichen Rekurs des Verbandes der Interessenten im kinematographischen Gewerbe der Schweiz mit Sitz in Zürich gegen den Kanton Bern hatte der Rekurrent geltend gemacht, dass die in Art. 9 und 10 des bernischen Lichtspielgesetzes verfügte Beschränkung der Zulassung von Kindern auf Kinovorstellungen mit besonderem entsprechend ausgewähltem Programm sich als Übergriff in die den Eltern durch das ZGB gewährleisteten Rechte und damit in das Gebiet der Bundesgesetzgebung qualifiziere. Das Bundesgericht wies in seinem in der amtlichen Sammlung nicht publizierten Entscheid vom 2. Februar 1917 diesen Standpunkt mit

565 denselben Erwägungen zurück, von denen es im Urteil in Sachen Guichard und Apollo Cinéma gegen Neuenburg und im Urteil in Sachen Speck gegen Zürich ausgegangen war. Aus den Ausführungen des Bundesgerichts geht insbesondere auch hervor, dass es in der in Art. 10 des Gesetzes für die Kinobesitzer statuierten Verpflichtung, die für die Jugendvorstellungen bestimmten Filme vorher zur behördlichen Prüfung und Genehmigung vorzulegen, keinen unzulässigen Eingriff in die Elternrechte, vielmehr in dieser Präventivzensur das notwendige Korrelat der Beschränkung der Zulassung der Kinder auf besondere Jugendvorstellungen und das einzig mögliche Mittel zu ihrer w i r k samen D u r c h f ü h r u n g erblickt.

Im Urteil vom 11. Dezember 1917 i. S. Christian Karg gegen Luzern (Entscheidungen Bd. 43, I, Nr. 34, Erw. 3) erklärte das Bundesgericht § 17 des luzernischen Lichtspielgesetzes, welches jugendlichen Personen unter 18 Jahren auch in Begleitung Erwachsener den Kinobesuch verbietet, besondere Jugendvorstellungen ausgenommen, als eine nach Art. 31, lit. e, BV zulässige, aus der staatlichen Erziehungspflicht fliessende polizeiliche Massnahme und berief sich dabei ausdrücklich auf die Erwägungen im Entscheid in Sachen Speck gegen Zürich vom 7, Dezember 1916. Die vom Eekurrenten aufgeworfene Frage, ob in der Ausdehnung der Schutzgrenze bis zum 18. Altersjahr eine Verletzung von Art, 31 BV liege, v e r n e i n t e das Gericht.

F.

Fiskalische Massnahmen.

Art. 31, lit. e, BV behält auch kantonale Verfügungen über Besteuerung des Gewerbebetriebes vor, die jedoch den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit nicht beeinträchtigen dürfen. Dieser Vorbehalt der kantonalen Steuerhoheit ist in der bundesrätlichen und bundesgerichtlichen Praxis stets in dem Sinn verstanden worden, dasä die Kantone neben oder anstatt der allgemeinen Fjinkommens- und Vermögenssteuern auch noch besondere Abgaben in Form von Gewerbesteuern erheben können, sofern diese Abgaben nicht prohibitiv wirken, d. h. durch .sie das betreffende Gewerbe nicht in einem Grad belastet wird, der ein angemessenes Erträgnis ausschliesst und so nicht rechtlich, wohl aber tatsächlich dessen Ausübung verunmöglicht oder doch ungebührlich erschwert (vgl. Entscheidungen des Bundesgerichts Bd. 38, I, Nr. 11, Nr. 71 u. Nr. 85; Bd. 43, I, Nr. 84).

Die Mehrzahl der Kantone haben von der in Art. 31, lit. e, BV enthaltenen Befugnis Gebrauch gemacht und belasten die Kinematographenunternehmer mit besondern Abgaben, die dem Umfang nach sehr verschieden sind und die wir hier nicht alle anführen können.

In Bern z. B. (Art. 5 des Gesetzes und § 7 der Vollziehungsverordnung) wird eine Gebühr von Fr. 50 bis 2000 erhoben, die nach Umfang und Art des Geschäfts zu bemessen ist. In die Gebühren der ständigen sesshaften Unternehmen teilen sich Staat und Gemeinden je zur Hälfte, während diejenigen der

566

·wandernden Unternehmen einzig dem Staat zufallen, wobei aber den Gemeinden gestattet ist, für Lichtspielvorstellungen besondere .Gebühren im gleichen Masse zu erheben wie für sonstige Schaustellungen im Wandergewerbe.

In Baselstadt ist das Polizeidepartement gemäss § 22 des Gesetzes berechtigt, vom Inhaber eines Kinematographentheaters für jeden Spieltag oder jede Vorstellung eine Polizeigebühr bis auf Fr. 80 zu erheben. Die Höhe dieser Gebühr wird vom Polizeidepartement festgesetzt.

Neuenburg belastet die ständigen Unternehmen mit einer monatlichen Taxe von Fr. 200, wovon die eine Hälfte dem Staat und die andere Hälfte den Gemeinden zufällt (Art. 2 der regierungsrätlichen Verordnung vom 80. November 1920).

Im Kanton Tessin haben die Kinematographenbesitzer eine jährliche Taxe zu entrichten, welche im Minimum Fr. 100 und im Maximum Fr. 1000 beträgt. 20 % dieser Taxe bezieht die Gemeinde, wo das Kinematographentheater seinen Sitz hat (Art. 8 des Gesetzes).

Die den Kinobesitzern auferlegten Abgaben werden in verschiedenen kantonalen Erlassen als Gebühren bezeichnet. Die Bezeichnung ist aber für die rechtliche Natur der Abgaben nicht massgebend ; es muss vielmehr im Einzelfall untersucht werden, ob es sich der Sache nach um eine Gewerbesteuer oder um eine Gebühr handelt. Unter Gebühr versteht das Bundesgericht in Übereinstimmung mit der politischen Ökonomie einen speziellen Entgelt für bestimmte, durch den Pflichtigen veranlasste Leistungen der Staatsgewalt, welcher Entgelt die effektiven Kosten der betreffenden staatlichen Tätigkeit und der hierfür erforderlichen Einrichtungen möglichst decken soll, während die Steuern als Beiträge der Einzelnen zur Durchführung der allgemeinen, dem Wohl der Gesamtheit dienenden Staatsaufgaben erscheinen. Die eigentliche Steuer stellt sich dar als eine an keine Gegenleistung des Staates gebundene, nicht an einen rechtfertigenden Zusammenhang mit einer Gegenleistung geknüpfte und in diesem Sinn voraussetzungslose, öffentlich-rechtliche Abgabe (vgl. Entscheidungen des Bundesgerichts, Bd. 91, I, Nr. 9, Erw; 3, Bd. 85, I, Nr. 115, Erw. 4; ferner Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, 1895, I. Bd., S. 887 ff.).

Für den Charakter der Abgabe als Gebühr ist es nach der Auffassung des Bundesgerichts unerheblich; ob die besondere Leistung des Staates, als deren Entgelt
die Abgabe sich darstellt, vom Pflichtigen nachgesucht oder aber ihm vom Staate aufgezwungen wird. Die besondere Leistung des Staates, um derentwillen der Kinobesitzer die Gebühr zu entrichten hat, besteht in der Kontrolle des Betriebes, namentlich in sitten-, bau- und feuerpolizeilicher Hinsicht.

Die ziemlich erhebliche Höhe verschiedener von den Kantonen erhobener Abgaben lässt darauf schliessen, dass sie nicht ausschliesslich eine Gegenleistung für die besondere Kontrolltätigkeit der staatlichen Behörden, sondern zum Teil eine besondere Gewerbesteuer sind (vgl. z. B. Entscheidungen des Bundesgerichts Bd. 50, I, Nr. 7, Erw. 1).

567 Hat man es bloss mit Gebühren zu tun, so können sie nicht wegen ihrer Höbe als verfassungswidrig erklärt werden, da für sie Art. 31, lit. e, BV, Schlussatz, keine Anwendung findet. (Burckhardt, Kommentar, S. 271 ff.).

, Das Bundesgericht hat wiederholt Gelegenheit gehabt, sich über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einzelner, von den Kantonen erhobener Abgaben auszusprechen. Wir verweisen auf dessen Entscheidungen in Band 88, I, Nr. 73; Bd. 40,1, Nr. 22; Bd. 41, I, Nr. 36; Bd. 48,1, Nr. 34; Bd. 49,1, Nr. 60.

O.

Strafbestimmungen.

Die in den kantonalen Erlassen enthaltenen Verbote und übrigen Schutzvorschriften vermögen ihren Zweck nur dann einigermassen zu erfüllen, wenn an ihre Übertretung Straffolgen geknüpft werden. Zuwiderhandlungen gegen das Gesetz oder die Verordnung werden daher fast ausnahmslos in den Kantonen bestraft, und zwar meistens mit Bussen, die aber in einigen Kantonen viel zu niedrig sind, als dass sie abschreckend zu wirken vermöchten. Glarus z. B.

sieht Bussen in der Höhe von Er. 10 bis 200 vor. Freiburg ahndet Übertretungen gegen das Gesetz mit Bussen von Fr. l bis 100. Höhere Bussen sehen die Verordnung von Waadt (Fr. 500 Maximum) und die Gesetze der Kantone Tessin, Wallis, Bern und Luzern vor (Fr. 1000 Maximum).

Nach dem bernischen Gesetz können Gesetzesübertretungen ausser mit Busse auch mit Gefängnis geahndet werden. Das Gesetz unterscheidet zwischen schwereren und leichteren Fällen. Für jene stellt Art. 12, für diese Art, 18 die Strafbestimmung auf. Gemäss Art. 12 wird mit Geldbusse bis zu Fr. 1000 oder mit Gefängnis bis zu 60 Tagen bestraft : wer gesetzwidrige Filme herstellt oder bei ihrer Aufnahme oder Fabrikation behilflich ist, wer solche Filme verkauft, vermietet oder sonstwie in Verkehr bringt, öffentlich vorführt oder vorführen lässt, wer in Jugendvorstellungen nichtkontrollierte Filme oder Fihnstücke zur Schau stellt. Mit der Gefängnisstrafe kann stets Geldbusse bis zu Fr. 1000 verbunden werden. Der Bichter kann ausserdem die Konfiskation der Filme anordnen und die Schliessung des Instituts bis auf 2 Jahre oder den endgültigen Konzessionsentzug für das ganze Kantonsgebiet verfügen.

Art. 13 des Gesetzes bestraft mit Geldbusse bis zu Er. 200: Erwachsene, welche Schulpflichtige in nichtkontrollierte Vorstellungen mitnehmen, Lichtspielunternehmer und
Geschäftsführer, welche bei nichtkontrollierten Vorstellungen Schulpflichtige zulassen, endlich alle Personen, welche noch nicht schulpflichtige Kinder in Lichtspieltheater führen oder zulassen und alle, die sich gegen die übrigen Vorschriften des Gesetzes vergehen. Wer Lichtspielvorstellungen ohne kantonale Konzession oder ohne gemeindliche Bewilligung zum Zweck des Erwerbes veranstaltet, wird mit Geldbusse bis zu Fr. 200 bestraft und zur Nachzahlung einer angemessenen Konzessionsgebühr verhalten.

Die gleichen Strafbestimmungen wie das bernische enthält auch das luzernische Lichtspielgesetz.

568 In verschiedenen Kantonen, so in Bern, Luzern, Zürich, Wallis, Baselstadt und Waadt kann den Inhabern von Lichtspieltheatern wegen Missachtung der Vorschriften durch die Administrativbehörden -- kantonales Polizeidepartement oder Eegierungsrat -- die Konzession entzogen werden. In Freiburg ist der Préfet zur gänzlichen oder zeitweiligen Schliessung der Kinotheater befugt. In den Kantonen Wallis und Neuenburg kann das Polizeidepartement die Schliessung des Lichtspieltheaters für eine bestimmte Zeit anordnen, im letztern Kanton aber höchstens für 14 Tage.

IV.

Die Stellungnahme zum Postulat Dr. Zimuierli und Mitunterzeichner.

Die Formulierung des Postulates Dr. Zimmerli lehnt sich eng an den Wortlaut des Art. 31, lit. c, der Verfassung an. Die Postulanten wollen also offenbar die Auswüchse des Kinobetriebes mit gleichen oder ähnlichen Mitteln bekämpfen, mit denen man seinerzeit den Gefahren des Alkoholkonsums durch Aufnahme des Art. 81, lit. o, in die Verfassung entgegenzutreten suchte.

Während Art. 81, lit. e, BV, wie wir oben ausgeführt haben, lediglich die Gewerbeausübung beschränkt, handelt es sich bei lit. o urn eine Einschränkung des Grundsatzes der Gewerbefreiheit selbst für ein bestimmtes einzelnes Gewerbe. Die Kantone sind b e f u g t , das Wirtschaftsgewerbe und den Handel mit geistigen Getränken auf dem Wege der Gesetzgebung den durch das öffentliche Wohl g e f o r d e r t e n Beschränkungen zu unterwerfen. Mit dieser allgemeinen Wendung bezweckte man, wie aus der Entstehungsgeschichte der Verfassungsnorm hervorgeht, in erster Linie, wenn nicht ausschliesslich, die Beschränkung der Zahl der Wirtschaften nach Massgabe des öffentlichen Bedürfnisses als Mittel zur Bekämpfung des Alkoholismus. (Vgl. Burckhardt, Kommentar, 2. Aufl., S. 277 u. 284; Fritz Meier, Die rechtliche Stellung des Wirtschaftsgewerbes nach schweizerischem Eecht, Aarau 1919, S. 14 ff.; Entscheidungen des Bundesgerichts, Bd. 38, I, S. 463; Bd. 41, I, 48 ff.; die Praxis des Bundesgerichts, 2, Nr. 114; 4, Nr. 73; 10, Nr. 75). Besteht für eine neue Wirtschaft kein Bedürfnis, so ist damit auch gesagt, dass die Errichtung einer solchen dem öffentlichen Wohl zuwider ist (Bundesblatt 1900, I, 805; 1904, IV, 970).

Andere mit dem Grundsatz der Gewerbefreiheit unvereinbare Beschränkungen dürfen dagegen nicht auf den Vorbehalt des Art. 31, lit. c, gestützt werden (vgl. die bundesrätliche Praxis hierüber bei Burckhardt, Kommentar, S. 277).

Vor der Aufnahme der lit. c des Art. 31 in die Verfassung hatte der Bundesrat in konstanter, von der Bundesversammlung gutgeheissener BechtBprechung den Standpunkt eingenommen, dass mit Eücksicht auf die Gewerbefreiheit der Betrieb einer Wirtschaft nicht von der Bedürfnisfrage abhängig gemacht werden dürfe, wenn schon er nicht verkannte, dass gewichtige Gründe

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für eine Beschränkung der Zahl der Wirtschaften sprechen (Salis, Bundesrecht II, Nr. 921, I. Aufl., Nr. 644). Die Praxis lehnte auch von jeher die Anwendung der für das Wirtschaftsgewerbe bestehenden Ausnahme von der Gewerbefreiheit auf andere Gewerbe auf dem Wege der Analogie ab. Der Bundesrat hat dies in bezug auf das Kinematographengewerbe schon im früher erwähnten Eekursentscheid in Sachen Hoffmann und Meier vom 10. Februar 1911 getan. Auch das Bundesgericht erklärte es in dem bereits erwähnten Entscheidin SachenBier brau er ei am Uè t li ber g gegen Zürich vom 28. März 1921 als mit Art. 31 BV unvereinbar, die Zahl der Kinobetriebe in einer Gemeinde nach Massgabe des Bedürfnisses zu beschränken und aus diesem Grunde die Bewilligung für die Errichtung eines neuen Betriebes zu verweigern.

Wenn demnach den Kantonen die Ermächtigung eingeräumt werden soll, die Bewilligung zur Errichtung eines Lichtspieltheaters vom Nachweis des Bedürfnisses abhängig zu machen, so muss hiefür erst die Rechtsgrundlage geschaffen werden. Dies kann auf zwei Wegen geschehen: Einmal durch ein in Ausführung des Art. 34'"' BV zu erlassendes Bundesgesetz. In Übereinstimmung mit Burckhardt (Kommentar der Bundesverfassung, S. 316) und in Bestätigung unserer frühem Ausführungen (Bundesbl. 1924, I,. S. 550 ff.)

halten wir dafür, dass die in diesem Verfassungsartikel vorgesehene Gewerbegesetzgebung an den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit nicht unbedingt gebunden sein soll. Aus den Beratungen der gesetzgebenden Bäte geht hervor, dass der Bund mit jenem Verfassungsartikel die Kompetenz erhalten sollte, zur Bekämpfung der Auswüchse im Gewerbewesen wenn nötig auch Vorschriften zu erlassen, die den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit einschränken. Will der Bund von der ihm in Art. 34tor BV eingeräumten Gesetzgebungskompetenz keinen Gebrauch machen, so steht noch der andere von den Postulanten vorgeschlagene Weg offen: die Eevision des Art. 31 BV durch Aufnahme eines gleich oder ähnlich wie lit. e lautenden Zusatzes.

Bevor wir zur Frage der Wünsehbarkeit der Aufnahme des Bedürfnisartikels Stellung nehmen, erscheint es angezeigt, einen Blick auf den Stand der Gesetzgebung und Literatur zu werfen.

Unseres Wissens sind bis jetzt Norwegen und Österreich die einzigen Staaten, wo die Bedürfnisfrage bei der Erteilung
der Konzession für die Veranstaltung von Lichtspielvori'ührungen berücksichtigt wird.

Das norwegische Gesetz vom 25. Juli 1913 betreffend die öffentliche Vorführung von Kinofilmen bestimmt in Art. 32: «Die Bewilligung zur öffentlichen Vorführung von Kinofilmen darf nicht erteilt werden, wenn die für deren Erteilung zuständige Behörde zur Überzeugung gelangt, dass der Bewerber nicht genügende Garantie gegen missbräuchliche Verwendung der Filme bietet, oder dass die Zahl der Kinotheater durch die Erteilung einer neuen Bewilligung derart zunehmen würde, dass sich dadurch ein Missverhältnis zwischen der Anzahl der Kinotheater und der Bevölkerungsziffer der betreffenden Gegend oder sonst ein Miss Verhältnis ergeben könnte.

570 Auch in Österreich sind die Kinotheater konzessionspflichtigi Durch Ministerialverordnung vom 18. September 1912 sind die Bedingungen, unter denen die Konzession erteilt wird, näher geregelt worden. Danach ist bei der Entscheidung über das Lizenzgesuch auf die bereits bestehenden gleichartigen Betriebe, auf das Bedürfnis nach ihrer Vermehrung, auf die örtlichen Verhältnisse, sowie auf die Zwecke Bedacht zu nehmen, denen das Betriebsergebnis zugewendet werden soll. Der Zweck der Einführung der Bedürfnisklausel bestand und besteht in Österreich darin, eine mit den Verhältnissen der Bevölkerung nicht im Einklang stehende Vermehrung der Lichtspieltheater hintan zu halten und bereits bestehende Betriebe vor drückender Konkurrenz zu schützen.

In Deutschland ist dem Eeichstag am 9. März 1918 der Entwurf eines Gesetzes über die Veranstaltung von Lichtspielen vorgelegt worden. Der Entwurf beabsichtigte, den Konzessionszwang unter Berücksichtigung der Bedürfnisfrage einzuführen. Die Bewilligung sollte u. a. versagt werden können, wenn eine den Verhältnissen des Bezirks entsprechende Anzahl von Lichtspielbetrieben bereits besteht. Der Ausbruch der [Revolution machte den Beratungen des Gesetzesentwurfes ein Ende. Sie sind mit Rücksicht auf die inzwischen erfolgte Eegelung des Lichtspielwesens durch das Reichslichtspielgesetz vom 12. Mai 1920 nicht wieder aufgenommen worden. Die Reichsregierung glaubt, den auf dem Gebiete des Lichtspielwesens noch bestehenden Missständen auch ohne Einführung des Konzessionszwangesundder Bedürfnisklausel begegnen zu können.

In der Schweiz hat die bereits erwähnte Polizeidirektorenkonferenz in Herisau vom 27. Oktober 1918 eich zuerst mit der Bedürfnisklausel im Kinogewerbe befasst und darüber diskutiert, ob Art. 31 BV im Sinne ihrer Einführung zu revidieren sei. Die Meinungen gingen hierüber auseinander.

Regierungsrat Dr, Blocher aus Basel bemerkte, dass er sich von der Aufstellung von Polizeivorschriften keinen allzu grossen Erfolg verspreche. Berlin beispielsweise habe recht strenge Vorschriften, trotzdem wachse dort die Zahl der Kinematographen immer mehr. Mit dem Erlass solcher Bestimmungen könnten nur die grössten Übelstände beseitigt werden. Es frage sich daher, ob hier nicht radikaler vorgegangen und direkt an eine Revision von Art. 31 BV gedacht werden sollte,
damit alsdann die Kinematographen gleich den Wirtschaften den durch das öffentliche Wohl geforderten Beschränkungen unterworfen werden könnten. Dies bedeute allerdings einen weitern Eingriff in die Handels- und Gewerbefreiheit und bedürfe daher eingehender Prüfung und Überlegung.

Departementssekretär Dr. Wäber aus Bern begrüsste die Anregung Dr. Blochers, indem alsdann gleich wie bei den Wirtschaften dem schädigenden Alkoholkonsum, hier der moralischen Schädigung entgegengetreten werde» könnte.

Regierungsrat Dr. Schöpfer, Solothurn, erklärte, dass er kein Freund einer weitern Beschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit sei, wenn er

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auch anerkenne, dass die heutigen Übelstände im Kinobetrieb durch die Aufstellung der Bedürfnisklausel und durch die Unterstellung der Kinotheater unter die Forderungen des öffentlichen Wohles beseitigt -werden könnten.

Auch Begierungsrat Dr. Mousson hielt eine Revision von Art. 31 BV, weil zu weitgehend, nicht für angezeigt.

In einer Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren vom 19. September 1922 in Neuenburg wurde nach einem Referat des Vorstehers des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements die Frage erörtert, ob eine einheitliche Regelung der Kinofragen für die ganze Schweiz durch ein Bundesgesetz oder auf dem Konkordatswege anzustreben sei. Die Meinungen über die Zweckmässigkeit der Bedürfnisklausel waren auch hier geteilt. Während Regierungsrat Maurer, Zürich, die Abänderung des Art. 81 BV im Sinne der Einführung des Bedürfnisartikels empfahl, um der Vermehrung der Kinotheater Einhalt zu tun, lehnte ihn Regierungsrat Niederhauser aus Basel, gestützt auf die dort gemachten Erfahrungen als unnötig ab.

In der Jahresversammlung der schweizerischen Kommission für Kinoreform und der Vereinigung der Freunde der Kinoreform vom 12. Mai 1924 war die Kinozensur und die Anwendung der Bedürfnisklausel auf das Kinogewerbe Gegenstand eingehender Diskussion. Über die Bedürfnisklausel war man verschiedener Meinung; Man wies darauf hin, dass durch sie die oft heilsame Wirkung der Konkurrenz teilweise ausgeschaltet werden könnte.

In seiner Jahresversammlung vom September 1916 in Ölten hat auch der schweizerische Juristenverein Gelegenheit gehabt, zur Bedürfnisklausel Stellung zu nehmen. Die Referenten sprachen sich dahin aus, dass ihre Aufnahme sich nicht rechtfertige. Die Versammlung stellte sich mit erheblichem Mohr, mit 36 gegen 16 Stimmen, auf denselben Standpunkt.

In der Literatur hat die Bedürfnisklausel Freunde und Gegner gefunden.

Ihre Einführung befürwortet Dr. Veillard im bereits zitierten Aufsatz in der «Zeitschrift für Gemeinnützigkeit : «Ce serait,» schreibt Dr. Veillard, «le seul moyen de limiter le nombre des cinémas au chiffre correspondant aux besoins réels de la population, tel que c'est le cas en Autriche et en Norvège.

Les mêmes arguments qui plaident en faveur de la limitation des auberges valent pour celle des cinémas: plus il y en a plus on les fréquente,
l'organe crée le besoin. La concurrence augmentant, les représentations sensationnelles iront en empirant.» Prof. Georg Oohn hat in einem in der Wiener Juristischen Gesellschaft gehaltenen Vortrag über Kinematógraphenrecht (Berlin 1909) die Einführung der Konzessionspflicht unter Berücksichtigung der Bedürfnisklausel befürwortet. Später sprach er sich in Beantwortung einer Umfrage («Der Kinematograph», Nr. 457 vom 29. September 1915) gegen die Aufnahme der Bedürfnisklausel aus.

Ein entschiedener Gegner der Bedürfnisklausel ist der Kinoschriftsteller Dr. Albert Hellwig. Er hat zu der Frage in verschiedenen Abhandlungen,

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zuletzt in zwei Aufsätzen, wovon der eine im «Bildwart» (Jahrg. 1928, 8.124 ff.)

und der andere im «Schweiz. Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung» (24. Jahrg., Nr. 5, S. 49 ff.) erschienen ist, Stellung genommen, Dr. Hellwig erblickt in der Praventivzensur ein wirksames Mittel zur Bekämpfung der Schundfilme und hält daher die Einführung des Bedürfnisartikels für unnötig und wirkungslos, ja sogar für zweckwidrig, weil die Gefahr bestehe, dass durch sie das öffentliche Gewissen abgestumpft werde und im Kampf gegen die minderwertigen Filme nachlasse.

Die Unterwerfung des Kinematographengewerbes unter den Bedürfnisartikel bedeutet einen weitern Eingriff in die dem Büiger verfassungsmässiggewährleistete Gewerbefreiheit. Die Anwendung der Bedürfnisklausel würde ohne Zweifel verschiedene Nachteile, teils wirtschaftlicher, teils rechtlicher Natur im Gefolge haben, wie die Erfahrungen lehren, die mit ihr im Wirtschaftsgewerbe gemacht worden sind. Namentlich .sind die ihr anhaftenden rechtlichen Mängel nicht gering anzuschlagen. Die bundesrätliche und bundesgerichtliche Judikatur zeigt, dass eine objektive, jede Bechtsungleichheit verrneidendeBeurteilung der Bedürfnisfrage im Wirtschaftsgewerbe Schwierigkeiten bereitet und unbillige und willkürliche Entscheide immer wieder vorkommen können. (Vgl. Bundesbl. 1924, I, 545. und Burckhardt, Kommentar 277 und 278.)

Auch im Kinogewerbe würde die Handhabung der Bedürfnisklausel voraussichtlich zu Ungleichheiten und Unbilligkeiten führen, da auch hier für den Entscheid über das Vorliegen eines Bedürfnisses objektive Gesichtspunkte und allgemeine Eichtlinien sich nur schwer aufstellen lassen und unsachliche Erwägungen eine Eolle spielen können.

Angesichts der mit dem Bedürfnisnachweis verbundenen Unzukömmlichkeiten wird man sich demnach für ihre Ausdehnung auf das Kineinatographeiigewerbe nur entschliessen dürfen, wenn mit ihr den Schundfilmen wirksam entgegengetreten werden kann und andere Mittel zu deren erfolgreicher Bekämpfung nicht zur Verfügung stehen. Mit andern Worten: Die Bedürfnisklausel muss sich aus höhern allgemeinen Interessen, aus Gründen des Ö f f e n t lichen Wohls als notwendig erweisen.

Welches sind nun die Gründe, mit denen die Anhänger der Bedürfnisklausel ihre Einführung zu rechtfertigen suchen? Sie führen namentlich folgendes
Argument ins Feld, dessen sich auch Nationalrat Dr. Zimmerli bei der Begründung seines Postulates bediente: Die starke Vermehrung der Lichtspieltheater und die dadurch bedingte verschärfte Konkurrenz zwinge die Kinounternehrner, sich gegenseitig durch, ethisch und ästhetisch minderwertige Schund- und Sensationsfilme, durch, sogenannte «Schlager», zu überbieten. Die Zulassung der Bedürfnisklausel führe zu einer Beschränkung der Zahl der Kinotheater und zu einer Verminderung der Konkurrenz und versetze damit die Kinobesitzer in die Lage, von der Vorführung nicht einwandfreier Filme Umgang zu nehmen. Das moralische Niveau der kinematographischen Darbietungen werde also durch den Bedürfnisnachweis gehoben.

573 Die Polizeiabteilung des eidgenössischen Justiz- und Poh'zeidepartements hat mit Kreisschreiben vom 16. Juni 1921 .und 29. Februar 1924 die kantonalen .Polizeidirektionen um Mitteilung darüber ersucht, in welchem Masse die Kinotheater in ihrem Kanton seit 1910 zugenommen haben. Um einen brauchbaren Vergleichsmassstab zu haben, ·wünschte die Polizeiabteilung die Zahl ·der Kinounternehmen in den Jahren 1910, 1914, 1921 und 1924 zu erfahren, sowie getrennte Angaben über die Zunahme auf dem Lande, in den Städten und im gesamten Kanton zu erhalten. Sie verlangte auch darüber Auskunft, ob durch die Zunahme der Lichtspieltheater die Qualität der zur Darstellung .gelangten Filme in moralischer Hinsicht sich gebessert habe öder ob umgekehrt die Vermehrung der Kinos und die dadurch entstandene stärkere Konkurrenz -die Kinounternehmer veranlasse, von anstössigen Sensationsfilmen in vermehrtem Mass Gebrauch zu machen. Das Ergebnis der Umfrage ist folgendes: Kanton Zürich.

Dieser Kanton wies in der Zeit von 1914--1921 folgende Lic-htspiel-theater auf: Jahr Stadt Zürich Stadt Winterthur Landschaft 1910 1 2 8 2 1914 12 2 8 1920 1 1 2 4 Im Jahre 1924 betrug die Zahl der ständigen Kinotheater 23. Der Zu·wachs entfällt auf die Stadt Zürich (3 Kinos) und die Landgemeinden (8 Kinos, Wädenswil, Dübondorf und Wetzikon).

Kanton Bern.

Über die Zahl der vor dem Jahre 1917 betriebenen Lichtspieltheater konnte die Polizeidirektion des Kantons Bern keine Angaben machen. Nach dem Inkrafttreten des bernischen Lichtspielgesetzes im Jahre 1917 wurden an 23 ständige Kinounternehmungen Betriebskonzessionen erteilt, und zwar an 9 mit täglichem und an 14 mit reduziertem Betrieb (wöchentlich 2--3 Spieltage).

Von den erstern waren 4 in Bern, 8 in Biel und je l in Thun und Interlaken; von den letztern waren je 2 in Münster, Pruntrut, Tramelan und Delsberg und je l in Bern, Thun, Burgdorf, Langenthal, Tavannes und St. Immer.

Im Jahre 1921 standen von diesen Lichtspieltheatern noch 19 in Betrieb.

Von den 4 Theatern, welche den Betrieb einstellten, befanden sich je l in Bern, Delsberg, Münster und Tramelan. Im Jahre 1919 wurden an 3 Unternehmer neue Konzessionen erteilt (an je l in Thun und Biel mit täglichem und l in Burgdorf mit reduziertem Betrieb); im Jahre 1920 an 2 Unternehmen (je l in St. Immer und Bonfol mit reduziertem
Betrieb). Im Jahre 1921 waren im Kanton Bern 24 ständige Lichtspieltheater im Betrieb und 18 mit reduziertem Betreib. Seither sind 6 neue ständige Kinotheater eröffnet worden, und zwar je eines in Laufen, Buren a. A., Delsberg, Huttwil, Lyss und Bern. In Laufen, Buren a. A,, Huttwil und Lyss bestanden vorher noch keine Kinos. Zwei

574 Lichtspieltheater, je eines in Burgdorf und Biel, haben seither den Betrieb eingestellt. Das Kinotheater in Burgdorf wurde geschlossen, weil die baulichen Einrichtungen ungenügend waren; bei demjenigen in Biel lag der Grund der Schliessung darin, dass es neben den drei andern, schon seit Jahren bestehenden und günstiger gelegenen Unternehmen sieh als zu wenig abträglich erwies.

Kanton Luzern.

In der Stadt Luzern existierten im Jahre 1910 2, im Jahre 1914 7 Lichtspieltheater. Gegen Ende des Jahres 1914 ist eines dieser Theater eingegangen.

Im Jahre 1921 wies die Stadt Luzern 6 Lichtspieltheater auf; ferner bestand in Weggis ein Kinotheater. Eine Vermehrung hat bis 1924 nicht stattgefunden.

Kanton Uri.

Uri besass bis zum Sommer 1924 nur ein ständiges Kinotheater, dasjenige auf dein Waffenplatz Andermatt. Es wurde dann noch ein solches in Erstfeld eingerichtet (Schul- und Volkskino).

Kanton Schwyz.

Dieser Kanton hatte im Jahre 1910 ein einziges Lichtspieltheater und zwar in Brunnen. Im Jahre 1914 gab es ein solches in Brunnen und in Einsiedeln.

Im Jahre 1920 bestanden je ein Kinotheater in Brunnen, Einsiedeln und Siebnen. Das letztere ging -wieder einj und es wurde daselbst später ein neues Unternehmen eröffnet. Ebenso entstand ein neues Kinotheater in Vorderthal, das von der Gesellschaft für Volkswohl speziell für die Arbeiter beim Stauwerk Wäggital ins Leben gerufen wurde. Der Kanton Schwyz besitzt also zurzeit 4 Lichtspieltheater.

Kanton Glarus.

Im Kanton Glarus existieren zwei ständige Kinotheater, eines in Glarus und das andere in Näfels. Das erstere spielt regelmässig am Freitag und Samstagabend und am Sonntag, das letztere alle 14 Tage an einem Sonntag.

Kanton Zug.

In der Stadt Zug war seit 1911 in einem Hotel ein Kinematograph untergebracht, der aber in der Eegel nur am Samstagabend und am Sonntag in Betrieb gesetzt wurde. Seit 1921 sind zwei neue Kinotheater hinzugekommen, wovon eines auf Cham und eines auf die Stadt Zug entfällt.

Kanton Freiburg.

Im Jahre 1910 existierte ein einziges Kinotheater in der Stadt Freiburg.

Im Jahre 1914 gab es in der Stadt Freiburg 2 Kinotheater und je l in Bulle und Eomönt. In Freiburg und Eomont ist der Bestand seither unverändert geblieben. Seit 1921 sind 2 neue Kinotheater eröffnet worden, das eine in Bulle und das andere in Broc.

575 Kanton Solothurn.

Dieser Kanton wies folgende Lichtspieltheater auf: Im Jahre 1910: in Solothurn . l in Ölten l in Grenchen 2 total 4 im Jahre 1914: in Solothurn l in Ölten l in Grenchen 8 total ô Im Jahre 1921 : in Solothurn 3 in Ölten 2 in Grenchen 3 in Derendingen l total 9 Seit 1921 ist sich die Zahl der Kinos gleich geblieben.

Kanton Baselstadt.

1910: 6 Kinoetablissemente 1914: 8 » 1921: 7 » 1924: 8 » Die Lichtspieltheater befinden sich alle im eigentlichen Stadtrayon, die zwei Landgemeinden haben keine ständigen Kinotheater.

Kanton Baselland.

Hier wurde im Jahre 1912 das erste Kinotheater eingerichtet. Im Jahre 1919 sind zwei weitere hinzugekommen. Eine Vermehrung hat seither nicht stattgefunden.

Kanton Schaffhausen.

In der Stadt Schaffhausen bestanden im Jahre 19213 ständige Kinotheater, wovon das eine im Jahre 1910, das zweite 1911 und das dritte im Jahre 1921 eröffnet wurde. Daneben existiert seit dem Mai 1910 ein Lichtspieltheater in Neuhausen. Eines der Lichtspieltheater in Schaffhausen ist seit 1921 eingegangen. Im übrigen trat keine Änderung ein.

Kanton A-ppenzdl A.-Uh.

Hier besteht zurzeit ein einziges Lichtspieltheater, und zwar in der Gemeinde Herisau.

Kanton Appenzell I.-Rh, Dieser Kanton hat kein ständiges Kinotheater, Kanton St. Gallen.

Der Bestand der ständigen Kinotheater wird durch folgende Tabelle erzeigt :

576 Jahr 1910 1914 1921 .1924

Stadt Zunahme Land Zunahme Total aller Kinos . . . .

4 -- l -- 5 . . . .

4 -- 5 4 9 . . . .

5 l 10 5 15 .....

4 -- 8 -- 12 Hiezu ist zu bemerken, dass zur Zeit des Eingangs des Berichts des kantonalen Polizeidepartements (7. März 1924) ein neues Kinotheater sich im Bau befand. Eingegangen sind auf dem Lande 3 Lichtspieltheater, wählend in Buchs ein neues eröffnet wurde. Die 12 bestehenden Kinos verteilen sich auf folgende Ortschaften: Stadt St. Gallen 4 Eapperswil l Eorschach 2 Wattwil l Eheineck l Flawil l Buchs l Wil l Kanton Graubünden.

In Chur ist im Jahre 1910 oder 1911 das erste ständige Kinotheater eröffnet worden, welches mit verschiedenen Unterbrechungen bis zum Jahre 1914 im Betrieb war. In diesem Jahre wurde das jetzige Quaderkino eröffnet, welches seit dieser Zeit als einziges Kinounternehmen in Chur besteht.

Davos besass im Jahre 1910 ein Kinotheater, Seit 1912 oder 1913 existieren dort deren zwei. Daneben gibt es in St. Moritz, Arosa, Poschiavo und Oastasegna je ein Lichtspieltheater, die alle im Jahre 1921 schon im Betrieb waren. Der Kanton Graubünden besitzt also zurzeit 7 Kinounternehmen.

Kanton Aargau.

1910: 2 Kinotheater 1914: 6 » 1921: 10 » Seither hat sich die Zahl der Lichtspieltheater um eines vermehrt. Von den gegenwärtig im Betrieb stehenden Kinos entfallen 3 auf ländliche Gemeinden und 8 auf die Städte.

Kanton Thurgau.

Dieser Kanton hatte im Jahre 1921 4 ständige Kinotheater, und zwar je l in Arbon, Frauenfeld, Kreuzungen und Weinfelden. Das thurgauische Polizeidepartement bemerkte hiezu, dass, Irrtum vorbehalten, diese Kinos in den Jahren 1910--1914 eingerichtet worden seien. Seit dem Jahre 1921 ist im Kanton Thurgau eine Veränderung im Bestand der Lichtspieltheater nicht eingetreten.

Kanton Tessin, Laut Bericht der kantonalen Polizeidirektion existierten in der Zeit von 1910--1914 W Kinotheater, die sich auf die Zentren Chiasso, Mendrisio,

577 Lugano, Locamo, Muralto, Bellinzona und Biasca verteilten. Im Jahre 1921 waren im Kanton Tessin 18 Lichtspieltheater im Betrieb, wovon je l in folgenden Ortschaften: Lugano, Locamo, Bellinzona, Mendrisio, Muralto, Brissago, Chiasso, Biasca, Arogno, Vaglio, Magadino, Biva San Vitale, Baierna.

Über den gegenwärtigen Bestand erhielt die Polizeiabteilung folgende Auskunft : «II numero dei cinematografi nelle città è diminuito. E'invece aumentato o meglio ha preso sviluppo il cinematografo nei piccoli centri ed anche nei comuni di campagna ma non ad esercizio continuo. Sono delle Società filodrammatiche, musicali, di soccorso ecc. oppure Eicreatori od Oratori che danno di tanto in tanto delle produzioni a scopo istruttivo ed il più delle volte per beneficenza.» -- Kanton Waadt, Hier hatten wir im Jahre 1921 folgenden Bestand: Jahr

Stadt

Landschaft

Total

1910 5 -- 5 1914 7 12 19 1921 12 15 27 Im Frühjahr 1924 gab es im .Kanton Waadt 29 Kinotheater, die sich auf folgende Bezirke verteilen: Aigle 5, Cossonay 2, Grandson 2, Lausanne 6, Nyon 2, Orbe 2, Payerne 2, Vevey 6, Yverdon 2.

Kanton Wallis.

Dieser Kanton hatte im Jahre 1910 5 und in den Jahren 1914 und 1921 8 Lichtspieltheater. Eine Vermehrung hat seither nicht stattgefunden.

Kanton Neuenburg.

La Chaux-de-Fonds wies im Jahre 1910 einen Bestand von niqht weniger als 9 Lichtspieltheatern auf. Zu Anfang des Jahres 1921 gab es dort deren nur noch 8, die übrigen hatten wegen mangelnder Rendite ihre Pforten schliessen müssen.

Die Stadt Neuenburg besass" im Jahre 1921 drei Kinotheater, wovon das eine im Jahre 1910, das zweite 1912 und das dritte im Februar 1921 eröffnet worden war. Überdies bestand im Jahre 1921 je ein Lichtspieltheater in Fleurier und in Locle.

Seit dem Jahre 1921 ist keine Änderung eingetreten.

Kanton Genf.

Über den Stand der Kinos im Zeitraum 1914--1921 gibt folgende Tabelle Aufschluss: Bundesblatt. 77- Jahrg. Bd. II.

42

578 Jahr auf 30. Juni auf 31 . Dezember 9 1910 . . .

9 12 1914 12 11 1917 11 1918 10 11 1919 10 10 11 1920 . 11 11 1921 . .

13 Gegenwärtig hat Genf 13 Kinotheater.

Aus dieser Umfrage ergibt sich folgendes: Die stärkste Zunahme an Lichtspieltheatern seit 1914 weist der Kanton Waadt auf (24). Bemerkenswert ist, dass in diesem Kanton auch auf dem Lande eine starke Vermehrung stattgefunden hat.

Der Kanton St. Gallen hatte im Jahre 1910 5 und im Jahre 1921 15 Kinotheater. Seither ist ein Rückgang zu verzeichnen, indem in der Stadt l Kino und auf dem Lande 2 Kinos den Betrieb einstellten.

Im Kanton Zürich haben sich die Lichtspieltheater seit 1910 um 6 vermehrt, wobei auf dem Land eine grössere Zunahme stattgefunden hat als in der Stadt Zürich. Winterthur besitzt zurzeit bloss zwei Kinotheater, ·während es im Jahre 1914 deren 3 hatte.

Eine ziemlich erhebliche Vermehrung hat auch der Kanton Aargau zu verzeichnen. Hier ist die Zahl der Kinos von 2 im Jahre 1910 auf 11 gestiegen.

Die Vermehrung entfällt fast ausschliesslich auf die Städte.

Im Kanton Bern existierten im Jahre 1917 28 Kinotheater, ihre Zahl ging dann auf 19 zurück und vermehrte sich seit 1919 um 6. Der Zuwachs hat fast ausschliesslich auf dem Lande stattgefunden.

Der Kanton Freiburg weist seit 1910 eine Vermehrung um 5, der Kanton Genf eine solche um 4 Lichtspieltheater auf.

Im Kanton Graubünden ist eine ziemlich starke Vermehrung festzustellen, die aber deshalb nicht erheblich ins Gewicht fällt, weil sie sich auf die Fremdenplätze verteilt.

Die Stadt- Luzern hat seit dem Jahre 1910 eine Vermehrung um 4 Kinotheater aufzuweisen, der Bestand blieb seit 1921 unverändert* Zu den Kantonen, in denen die Kinos sich vermehrt haben, gehören ferner Solothurn (4), Schwyz (8), Zug (2), Baselland (2), Baselstadt (2), Tessin und Wallis (3). Im Tessin sind die Kinematographen auf dem Lande nicht ständig im Betrieb.

Im Kanton Neuenburg ist eine Verminderung der Zahl der Kinos eingetreten.

579

In den Kantonen Ob- und Nidwaiden, Appenzell Ausser- und Innerrhoden spielt das Kinowesen eine ziemlich bescheidene Eolle. Nidwaiden und Appenzell Innerrhoden besitzen keine ständigen Kinotheater. In Obwalden besitzt einzig der Fremdenplatz Engelberg ein Lichtspieltheater, und zwar speziell für die Kurgäste.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass fast in allen Kantonen seit 1910 eine Zunahme der Kinotheater stattgefunden hat. Von einem übermässigen Zuwachs wird man aber nicht sprechen können. Der Eückgang der Lichtspieltheater in La Chaux-de-Fonds, in Winterthur, St. Gallen und in den tessinischen Städten dürfte darauf schliessen lassen, dass für die Zukunft ein allzu starkes Anwachsen nicht zu erwarten ist. Es ist nicht ausser acht zu lassen, dass die beträchtlichen Einrichtungs- und Betriebskosten, vor allem die hohen Abgaben und Steuern, sodann die örtlichen Verhältnisse (Lage des Kinos, etc.) an manchen Orten eine Eendite ausschliessen und einer ungemessenen Vermehrung der Kinounternehmen Schranken setzen.

Von Wichtigkeit ist nun aber vor allem, zu wissen, ob die Zunahme der Kinotheater und die dadurch hervorgerufene schärfere Konkurrenz die Unternehmer bewogen hat, das Publikum durch Vorführung minderwertiger Schund- und Sensationsfilme zum Besuche anzulocken. Alle Kantone, die sich zu der von der Polizeiabteilung gestellten Frage äusserten -- es sind dies Bern, Baselstadt, Waadt, Zürich, Zug -- verneinten sie.

Die Polizeidirektion des Kantons Bern bemerkt in ihrem Bericht: «Die Qualität der Filme hat sich unseres Erachtens unter dem Einfluss der Kon.kurrenz in moralischer Hinsicht gebessert; dagegen dürfte auf die Anpreisung der Filme in Wort und Bild mehr Sorgfalt verwendet werden. Hier verleitet der Wettbewerb einzelne Unternehmer dazu, mit geschmacklosen Bildern und sensationellen Inseraten das Publikum anzulocken, in den meisten Fällen ist dann aber der Film besser als seine Beklame.» Das Polizeiinspektorat Baselstadt liess sich wie folgt vernehmen: «Über die Qualität der zur Aufführung gelangenden Filme kann gesagt werden, dass solche in moralischer Hinsicht im grossen und ganzen gegen früher sich eher gebessert hat. Wenn dies nicht durchwegs der Fall ist, so liegt der Fehler an dem die Kinos frequentierenden Publikum selbst.» Der Bericht führt dann näher aus, dass das redliche
Bestreben der führenden Firmen auf dem Platze Basel, nur gute Bilder zu bringen, durch die breiten Volksmassen nicht unterstützt werde und bemerkt zum Schiusa: «Es ist also weniger die verschärfte Konkurrenz, die Sensations- und Schundfilme veranlasst, als vielmehr, und was tief bedauerlich ist, der schlechte Geschmack unseres heutigen kinofreudigen Publikums.» Das Justiz- und Polizeidepartement dea Kantons Waadt sehrieb: «Nous avons l'impression que par la multiplicité des cinémas, la qualité des films projetés sur l'écran s'est améliorée. La projection de films sensationnels, offensants ou de caractère immoral n'a jamais été constatée.»

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Die Polizeidirektion des Kantons Zürich gab folgenden Bericht ab: «Nach unsero Beobachtungen hat sich die Qualität der Filme in moralischer Hinsicht, trotz verschärfter Konkurrenz, auf diesem Gebiet verbessert.

Dafür nimmt die Keklame für die Filme vielfach einen nach Effekt haschenden Charakter an. -- Die neu eröffneten Kinos halten sich auf der gleichen Höhe wie die bisherigen, so dass wir keinen Unterschied feststellen können.» Die meisten Kantone, welche die Anfrage der Polizeiabteilung nicht direkt beantworteten, sprachen sich immerhin über ihre Wahrnehmungen hinsichtlich der Qualität der vorgeführten Filme aus. Ihr Bericht lautet fast ausnahmslos dahin, dass das Niveau der Darbietungen in moralischer Hinsicht gegenüber früher sich eher gehoben habe und sie im allgemeinen zu Klagen nicht Anlass geben. Es lässt dies den Sohluss zu, dass die von den Kantonen erlassenen Gesetze und Verordnungen und die von ihnen in Form der Beprcssiv- oder Präventivzensur ausgeübte Filmkontrolle nicht ohne gute Wirkungen geblieben sind. Die tessinische Polizeidirektion bemerkt denn auch in ihrer Vernehmlassung : «Dal lato morale le produzioni sono di molto migliorate come pure vanno sempre diminuendo le films sensazionali ed offensive ciò che è dovuto anche alle disposizioni legali a d o t t a t e ed alla sorveglianza relativa.» Nach den gemachten Erhebungen trifft demnach die Behauptung, dass die Zunahme der Lichtspieltheater und der dadurch hervorgerufene schärfere Wettbewerb die Unternehmer zur Darstellung ethischminderwertiger Schundfilme verleite, für die Schweiz nicht zu. Ja, man ist eher zum gegenteiligen Schluss berechtigt, dass die vermehrte Konkurrenz die Qualität der Filme günstig beeinflusst. Auch für das Ausland scheint die Behauptung den Tatsachen nicht zu entsprechen. So berichtete die schweizerische Gesandtschaft in London der Pohzeiabteilung unterm 4. April 1924: «Es ist nicht selten, dass in Grossstädten, Landstädten und selbst Dörfern mehrere Kinematographen in derselben Strasse gefunden werden. Die Erfahrungen, welche diesbezüglich gemacht worden sind, scheinen nur günstig zu sein, indem ein gesunder Wettbewerb besteht, welcher infolge der Tätigkeit des «Board» nicht ausarten kann.» Bei dieser Sachlage ist nicht einzusehen, was mit der Einführung des Bedürfnisnachweises zur Beseitigung der
MissstSnde im Lichtspielwesen gewonnen werden könnte. Aber selbst wenn feststände, dass mit dem Anwachsen der Lichtspieltheater das moralische Niveau der Darbietungen sinkt, erwiese sich die Bedürfnisklausel zur erfolgreichen Bekämpfung des Kinoschundes als ein untaugliches Mittel. Wo die Präventivzensur nicht besteht, hindert der Bedürfnisartikel einen Unternehmer, dem es darum zu tun ist, sich um jeden Preis gute Einnahmen zu sichern, nicht daran, durch Vorführung anstössiger Sensationsfilme das Publikum zum Massenbesuch anzulocken.

Wo dagegen die Vorzensur gehandhabt wird und die Zensurbehörde einen Film nicht genehmigt, da kann der Kinobesitzer ihn nicht zur Darstellung

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bringen, mag auch der Wettbewerb mit andern Unternehmen noch so scharf sein. Nicht der Bedürfnisartikel, sondern die Präventivzensur vermag also nicht einwandfreie Filme von der Lichtspielbühne fernzuhalten.

Die Befürworter der Bedürfnisklausel können sich zur Unterstützung ihrer Argumentation auch nicht auf diejenigen Länder berufen, die sie im Kinogewerbe eingeführt haben: Österreich und Norwegen. Nach den beim österreichischen Bundeskanzleramt durch die schweizerische Gesandtschaft in Wien eingezogenen Erkundigungen übt die Einschränkung der Zahl der Kinotheater und damit deren Schutz vor übermässigem Wettbewerb auf die Qualität der Filme keinen Einfluss aus und wirkt auch auf die Filmproduzenten und Kimverleiher, durch die die Filme auf den Markt kommen, nicht bestimmend.

Laut Mitteilung der schweizerischen Gesandtschaft in Stockhohn spielt der Bedürfnisartikel in Norwegen keine grosse Bolle, da der Staat resp. die Gemeinden die Kinos nicht nur kontrollieren, sondern selber betreiben, so dass die Gefahr einer übermassigen Anzahl von Kinematographien und ein Missverhöltnis zwischen der Anzahl der Kinotheator und der Bevölkerungsziffer sozusagen ausgeschlossen sei.

Zur Eechtfertigung der Beschränkung der Zahl der Kinos nach dem Bedürfnis wird ferner geltend gemacht, dass die Vermehrung der Lichtspieltheater auch vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus schädlich sei, indem sie die Gelegenheit zu häufigem Kinobesuch und damit zu unnötigen Geldausgaben fördere.

Im Abschnitt III E haben wir die Bestimmungen erwähnt, welche dio Kantone zum Schutz der Jugend vor den Gefahren des Kinobesuches erlassen haben. Das Bundesgericht hat die zum Teil sehr weitgehenden Eingriffe, welche diese Jugendschutzbestimmungen in die individuelle Freiheit und in die Elternrechte enthalten, als verfassungsmässig zulässig erklärt und sie mit der besondern Aufgabe des Staates gerechtfertigt, die er der Jugend gegenüber da zu erfüllen habe, wo Erziehungspflichten und Erziehungsrechte der Eltern nicht ausreichen. Anders ist die Stellung des Staates den Erwachsenen gegenüber. Er hat sich wohl zu überlegen, inwieweit es seine Aufgabe ist, auf die mündigen Staatsbürger durch gesetzliche Massnahmen erzieherisch einzuwirken und sich als Sittenrichter darüber aufzuspielen, welchen Vergnügungen sie sich hingeben und wie sie ihr
Geld ausgeben sollen. Man kann diesen Bedenken nicht etwa entgegenhalten, dass der Staat im Wirtschaftsgewerbe ja bereits in der Eolie des Volkserziehers und Sittenrichters aufgetreten sei. Die Einführung des Bedürfnisartikels auf Grund von Art. 81, lit. c, BV erfolgte hier, um die Bevölkerung vor den Gefahren des Alkoholismus zu schützen, also aus gewichtigen Gründen der Volksmoral und der Volksgesundheit. Solche Gründe müssten auch vorliegen, um die Ausdehnung der Bedürfnisklausel auf das Kinemato* graphengewerbe zu rechtfertigen. Das ist aber nicht der Fall. Nach dem heutigen Stand der Technik schädigt der Kinematograph die Gesundheit der Zuschauer nicht, wohl aber kann die Vorführung von Schundfihnen für die Kinobesucher moralische Schädigungen zur Folga haben. Die Präventivzensur

582 ermöglicht es nun aber, dieser Gefahr durch Ausschaltung minderwertiger Filme wirksam entgegenzutreten. Kommt die obligatorische Vorzensur zur Anwendung und amtet der Zensor gewissenhaft und mit Sachkenntnis seines Amtes, so lassen sich gegen das Lichtspielwesen vom Standpunkt der öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit aus ernsthafte Bedenken nicht erheben.

Wir sind der Ansicht, dass es ein gewagtes Unterfangen wäre, den Zutritt zum Kinotheater aus ökonomischen Gründen zu erschweren. Man darf nicht ausser acht lassen, dass das Kino für viele unserer Zeitgenossen fast die einzige Vergnügungs- und Erholungsstätte geworden ist. Gowiss gibt es edlere Formen der Unterhaltung und des Vergnügens. Sie sind aber heutzutage der Arbeiterklasse, ja weiten Kreisen des Mittelstandes und der Beamtenschaft nur schwer zugänglich. Das Eintrittsgeld für Konzert- und Theateranfführungen ist meistens erheblich höher als für Kinovorstellungen. Die gewaltige Anziehungskraft, welche das Kinotheater auf die breiton Massen ausübt, beruht aber noch auf andern, tiefer liegenden Ursachen, die im Gesamtcharakter unserer Zeit ihre Erklärung finden. Die wirtschaftliche und kulturolle Entwicklung, der gesteigerte Kampf ums Dasein, der vom Einzelnen Höchstleistungen verlangt, haben zu einer einseitigen Verstandesausbildung und Überschätzung des Verstandeslebens auf Kosten und zum Nachteil des Gemüts- und Seelenlebens geführt. Das Kino kommt dem Bedürfnis breiter Volksschichten nach gefühlsmässigem Erleben und Befriedigung der Phantasie entgegen. Im Kinotheater findet der von der anstrengenden Tagesarbeit ermüdete Mensch bei abwechslungsreichem Programm angenehme und mühelose Erholung und Zerstreuung. Zur Popularisierung des Kinos hat wohl auch der Umstand beigetragen, dass die Kunst, zum Teil wenigstens, Formen angenommen hat, die dem Grossteil des Volkes keinen Genuas mehr bereiten.

Unternimmt man es, die Bevölkerung durch Einführung des Bedürfnisartikels vom Besuch der Lichtspieltheater abzuhalten, so wird das Geld für andere Vergnügungszwecke verausgabt werden. Da bei vielen modernen Menschen das Bedürfnis nach Vergnügen und nach Zerstreuung einmal da ist und in irgend einer Form Befriedigung verlangt, so wäre die Wirkung jener Massnahme wahrscheinlich die, dass die Leute wieder häufiger ins Wirtshaus wandern oder die
unkontrollierten Tingeltangel und Varietetheater und andere zweifelhafte Vergnügungsstätten aufsuchen würden, deren Darbietungen vom Standpunkt der öffentlichen Moral aus im allgemeinen weit eher beanstandet werden körinen als die kontrollierten Kinovorstellungen.

Auch Dr. Veillard (a. a. 0.., S. 106), obwohl Anhänger der Bedürfnisklausel, gibt zu, dasa der Schutz des Volkes vor unnützen Geldausgaben nicht als Argument für deren Einführung dienen könne. «On avance», schreibt er, «l'argument économique. Mais il est probable que l'argent qui n'irait plus aux cinémas, irait ailleurs. Le fait que les aubergistes sont parmi les adversaires les plus résolus du cinéma est à cet égard significatif.»

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Herr Nationalrat Dr. Zimmerli hat den ökonomischen Gesichtspunkt in seiner Begründung des Postulates nicht betont. Er scheint ihm also ebenfalls kein Gewicht beizumessen.

Wir können demnach das Argument, dass mit der Bedürfnisklausel oin Korrektiv gegen die erwähnten wirtschaftlichen Folgen des Anwachsens der Kinotheater geschaffen würde, nicht als berechtigt anerkennen. Wie wir gesehen haben, ist sie auch nicht imstande, eine Hebung des ethischen Niveaus der Filme herbeizuführen. Wir kommen daher zum Schluss, dass sich die Einführung der Bedürfnisklausel nicht empfiehlt.

Als wirksame Waffe im Kampf gegen den Kinoschund haben wir die Präyentivzensur empfohlen. Zur Sanierung des Kinowesens gibt es allerdings noch radikalere Mittel als die Vorzensur. So ist in Deutschland vom Tübinger Professor Konrad Lange in seinem Buch: «Das Kino in Gegenwart und Zukunft» (Stuttgart 1920) die Kommunalisierung, d. h. der Übergang der Kiuotheater einer Ortschaft in den Besitz und die Verwaltung der Gemeinden und Hand in Hand damit die Sozialisierung der Filmindustrie, die Übernahme der bisher kapitalistisch organisierten Kimfabrikation durch den Staat vorgeschlagen worden.

Für unser Land können diese beiden Massnahmen wohl nicht ernstlich in Frage kommen. Die Verhältnisse im Kinowesen haben sich bei uns, wie wir dargelegt haben, keineswegs derart ungünstig entwickelt, dass zu diesen beiden Badikalmitteln Zuflucht genommen werden müsste. Von der Sozialisierung kann auch deshalb keine Eede sein, weil in der Schweiz eine Filmindustrie in nennenswertem Umfang nicht besteht. Mindestens 90 % aller bei uns vorgeführten Filme kommen aus dem Ausland. Unser Land ist also auf den ausländischen Markt angewiesen. Der Eigenproduktion steht auch der Umstand entgegen, dass die Eohfilmfabrikation das Monopol einzelner ausländischer Grossfirmen ist. Durch die Verstaatlichung gerieten wir zu diesen Firmen in ein Abhängigkeitsverhältnis, das wir vermeiden müssen.

Als Hauptabwehrmittel kann demnach für die Schweiz nur die Präventivzensur in Betracht fallen. Zweckmässig ausgebaut und streng und sachkundig gehandhabt, wird sie imstande sein, alle diejenigen Filme auszuscheiden, die auf die Zuschauer moralisch schädigend einwirken könnten. Wichtig ist vor allem, dass die Vorzensur, wenn nicht für die ganze Schweiz, so doch wenigstens
für eine Mehrzahl von Kantonen zentralisiert würde, denn nur dann kommen ihre Vorzüge zu voller Geltung. Würde man die Filmkontrolle wie bis anhin jedem Kanton weiter überlassen, so liesse sich bei der Verschiedenheit und teilweisen Mangelhaftigkeit der kantonalen Zensuren eine wirksame Bekämpfung der Sehundfilme schwerlich erreichen. In den meisten europäischen Staaten ist die Filmzensur denn auch zentralisiert. Was in andern Staaten mit einem Vielfachen unseres Gebietes möglich war, sollte auch für die kleine Schweiz durchführbar sein. Die Filme, die in den schweizerischen Lichtspieltheatern zur Darstellung gelangen, stammen zum weitaus grössten Teil aus dem Ausland und

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wandern von Kanton zu Kanton, von Theater zu Theater. Es ist nun höchst unzweckmässig, wenn der gleiche Film bei jedem kantonalen Grenzpfahl einer neuen Zensur unterworfen werden muss. Die Zentralisation liegt denn auch im Interesse der Verleihgeschäfte und Kinounternehmen, indem sie ihnen viele Umtriehe und Kosten erspart.

An die Einführung einer einheitlichen Präventivzensur auf Grund eines Bundesgesetzes denken wir nicht; wo kulturelle Aulgaben in den Kantonen gelöst werden können, soll ihnen das vorbehalten bleiben. --· Auch Dr. Guex und Frau Dr. Henggeler haben sich in den erwähnten Referaten gegen eine bundesgesetzliche Regelung ausgesprochen. Ebenso ging an der PolizeidirektorenkonferenzinNcuenburgdie Auffassung derkantonalenVertretermehrheitlich dahin, dass vom Erlass eidgenössischer Vorschriften Umgang genommen werden sollte^ Dagegen halten wir die Einführung der Vorzensur auf dem Konkordatsweg für wünschenswert, und zwar auf regionalerGrundlage etwa in der Weise, dass mehrere Kantone, z.B. die welschen Kantone, dann die Urkantone mit Luzern und endlich die übrigen deutsch-schweizerischen Kantone sich je zu einem Konkordat zusammenschliessen würden. Das Sehwergewicht wäre dabei auf die Schaffung einer gemeinsamen Zensurstelle zu legen, deren Entscheide für das ganze Konkordatsgebiet Gültigkeit hätten. Die Vorzensur lässt sich obligatorisch oder freiwillig ausgestalten. Wir würden sogar der freiwilligen Zensur den Vorzug geben. Die Kinounternehmer habenin einer Konferenz mit dem Vorsteher des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements sich geneigt gezeigt, sich freiwillig der Fümkontrolle zu unterwerfen und auch die daraus erwachsenden Kosten zu übernehmen, sofern ihnen Garantie geboten wird, dass ein bejahender Zensurentscheid dann auch für eine grössere Region verbindlich ist.

Von der Polizeidirektion des Kantons Zürich sind früher bereits Schritte zum Abschluss eines interkantonalen Abkommens unternommen worden.

Unterm 28. Dezember 1920 unterbreitete sie den deutsch-schweizerischen Kantonen den Entwurf einer interkantonalen Übereinkunft betreffend gegenseitige Anerkennung der Verfügungen der kantonalen Filmzensur zur Prüfung und Vemehmlassung. Der Entwurf verbietet die Vorführung verrohender oder sonst anstössiger Filme, ebenso die Ankündigung von kinematographischen Aufführungen
durch derartige Inschriften, Plakate, Flugblätter und Inserate.

Die Öffentliche Vorführung der Filme ist nur mit besonderer Bewilligung der zuständigen Polizeibehörde auf Grund vorgängiger amtlicher Prüfung gestattet, Der Entwurf sieht also die obligatorische Vorzensur vor. Die Vorprüfung wird von dem Kanton, in welchem der Film erstmals zur Aufführung gelangt, vorgenommen. Über das Ergebnis der Vorprüfung wird eine Zensurkarte ausgestellt. Die durch die .Zensurbehörde eines Kantons erteilte Bewilligung berechtigt nach rechtzeitiger Anmeldung bei der zuständigen Behörde unter Vorweis der Zensurkarte zur Aufführung des Films in allen Übereinkunftskantonen.

Nach Mitteilung der Polizeidirektion des Kantons Zürich sind die von ihr unternommenen Schritte als Ganzes begrüsst, die Bestimmungen über die Vorzensur aber wegen mangelnder gesetzlicher Grundlage und diejenigen über die

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585 obligatorische Anerkennung der Entscheide anderer Kantone aus verfassungsrechtlichen Gründen abgelehnt worden. Die Polizeidirektion arbeitete hierauf unter Berücksichtigung der geäusserten Bedenken einen neuen Entwurf aus, der nur die fakultative Anerkennung ausserkantonaler Zensurentscheide vorsieht. Nach diesem Entwurf werden diese von der zuständigen Behörde eines Kantons gefällten Entscheide in allen übrigen Kantonen, die der Vereinbarung boigetreten sind, anerkannt mit dem Vorbehalt, dass jedem Kanton das Becht der Prüfung und des Entscheides nach seinen eigenen Vorschriften gewahrt bleibt.

Der Entwurf ist nicht in Eechtskraft getreten, und es hat sich Zürich in der Folge nicht weiter um das Zustandekommen des Abkommens bemüht. Weder der eine, noch der andere Entwurf gewährleistet eine völlig befriedigende Lösung des Problems. Von einer gegenseitigen Anerkennung der kantonalen Zensurentscheide könnten wir uns nur dann Nützliches versprechen, wenn Gewähr dafür bestände, dass dio Filmprüfung in jedem Kanton den hohen Anforrungen entspricht, die man an sie im Interesse der öffentlichen Moral zu stellen berechtigt ist. Dem zweiten Entwurf haftet überdies der Mangel an, dass er bloss auf dem Fakultativum beruht und jedem Kanton das Becht nochmaliger Prüfung und Entscheidung vorbehält. Wir würden daher nach dem oben Ausgeführten einer Konkordatslösung im Sinne der Einführung einer gemeinsamen Prüfungsstelle den Vorzug geben.

Wir resümieren unsere Stellungnahme zum Postulate der Herren Zimmerli und Mitunterzeichner: 1. Wir anerkennen den Ausgangspunkt des Postulates, namentlich die Sorge um unsere Jugend, die daraus spricht, als vollkommen berechtigt und der Unterstützung wert.

2. Das empfohlene Heilmittel der Einführung einer Bedürfnisklausel, wovon der Staat sowieso nur im Notfall Gebrauch machen soll, erscheint uns hier nicht angezeigt.

8. Das Hauptgewicht im Kampf gegen den Schundfilm ist zu legen auf die Vorzensur, auf die Eernhaltung der Jugend vom Schundfilm, auf die Förderung des guten Films. Diese Aufgaben können von den Kantonen erfüllt werden.

4. Wir empfehlen die Einführung einer freiwilligen Vorzensur durch Konkordat auf regionaler Grundlage.

Wir bitten Sie, von unserm Berichte Kenntnis zu nehmen und benutzen den Anlass, Sie unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

Bern, den 26. Mai 1925.

Namens des Schweiz. Bundesrates : Der Bundespräsident:

Musj.

Der Bundeskanzler: Kaeslin.

*-
Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über das von Herrn Nationalrat Dr.

Zimmerli und Mitunterzeichnern im Nationalrat eingereichte Postulat betreffend Revision von Art. 31 der Bundesverfassung. (Vom 26. Mai 1925.)

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1925

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