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2046 Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Militärsteuerrekurs des Siegfried Bläsi in Bern-Bümpliz.

(Vom 21. Dezember 1925.)

Wir beehren uns, Ihnen einen von S i e g f r i e d B l ä s i , in BernBümpliz, gegen unsern Entscheid vom 8. Dezember 1924 eingereichten Militärsteuerrekurs mit nachfolgenden Ausführungen zur Beurteilung zu unterbreiten.

Siegfried Bläsi hat von 1914 bis Anfang 1918 Militärdienst geleistet.

Am 30. August 1917 war er wegen Herzbeschwerden und Lungenemphysem vor die sanitarische Untersuohungskommission gewiesen und von dieser als diensttauglich befunden worden. Anlässlich der beantragten Revision dieses Entscheides wurde er am 6, September 1917 etappendiensttauglich erklärt. Am 14. März 1918 wurde der Rekurrent durch Verfügung der ausserordentlichen sanitarisohen Kommission des Territorialkreises 4 wegen Neurasthenie (§ 112, Ziff. 93 f, der Instruktion betreffend die sanitarische Beurteilung der Wehrpflichtigen) landsturmtauglich erklärt und dadurch ersatzpflichtig. In der Folge hat er die Ersatzabgaben pro 1919--1923 bezahlt. Anlässlich der Veranlagung zum .

Militärpflichtersatz pro 1924 stellte der Rekurrent am 18. Juli 1924 ein Gesuch um Befreiung von der Ersatzpflicht auf Grund von Art. 2, lit. b, BG betreffend den Militärpflichtersatz vom 28. Juni 1878 CA. S. n. F., Bd. Ili, S. 565 ff.). Gestützt auf ein ablehnendes Gutachten der Abteilung für Sanität des eidgenössischen Militärdepartements wurde sein Gesuch, von der Militärdirektion des Kantons Bern mit Entscheid vom 27. August 1924 abgewiesen. Hierüber beschwerte sich der Rekurrent beim Bundesrat. Nachdem die Abteilung für Sanität den Fall neuerdings geprüft und in ablehnendem Sinne begutachtet hatte, wies der Bundesrat die Beschwerde mit Entscheid vom 8. Dezember 1924 ab. Diesen Entscheid zieht der Rekurrent an die Bundesversammlung weiter. Er macht geltend, dass er beim Einrücken zum Dienst 1917 trotz eines ärztlichen Zeugnisses, worin seine Behandlung wegen Neurasthenie bestätigt war, als diensttauglich befunden worden sei. Das Leiden, wegen dessen er zum Landsturm versetzt worden sei, sei durch dretr Militärdienst, und zwar

727 ·durch im Dienst zugezogene Erkältung und Katarrh, verursacht worden.

Er schliesst daraus, dass ein Kausalzusammenhang zwischen geleistetem Militärdienst und Ausmusterungsgrund bestehe und stellt daher das Begehren: ,,Es sei der Entscheid des Bundesrates vom 8. Dezember 1924 aufzuheben und zu erkennen, dass er gemäss Art. 2, lit. b, BG vom 28. Juni 1878 vom Militärpflichtersatz zu entheben sei."

Die Akten sind der Abteilung für Sanität zu einer dritten Überprüfung zugestellt worden. Ferner ist dem Rekurrenten wiederholt anheimgestellt worden, durch Beibringung eines ärztlichen Zeugnisses den Beweis für die Richtigkeit seiner Behauptungen zu erbringen. Ein diesbezügliches Gutachten ist nicht eingereicht worden.

1. Die Frist zur Weiterziehung eines bundesrätlichen Entscheides an die Bundesversammlung beträgt 60 Tage (vgl. Art, 189 und 192 BG über die Organisation der Bundesreehtspflege). Der vom 8, Dezember 1924 datierte Entscheid des Bundesrates ist am 10. Dezember 1924 zur Post gegeben und am 11. Dezember 1924 dem Rekurrenten zugestellt worden.

Die vom 8. Februar 1925 datierte Beschwerde ist gemäss Poststempel am 9, Februar 1925 zur Post gegeben worden. Der Rekurs ist somit recht.zeitig eingelegt worden.

2. Notwendige gesetzliche Voraussetzung für die Enthebung vom Pflichtersatz gemäss Art. 2, lit. b, BG betreffend den Militärpflichtersatz vom 28. Juni 1878 ist, dass die Krankheit, welche zur Ausmusterung geführt hat, im Militärdienst entstanden, bzw. wenn sie ausserdienstlich entstanden ist, durch den Militärdienst wesentlich und dauernd verschlimmert worden sei. Nach der Praxis des Bundesrates besteht ein Anspruch auf Abgabebefreiung auch dann, wenn das von der sanitarischen Untersuchungskommission in ihrer Verfügung als Ausmusterungsgrund bezeichnete Leiden mit dem Militärdienst in keinem Kausalzusammenhang steht, der Wehrpflichtige aber nachgewiesenermassen sich im Militärdienst eine Krankheit zugezogen hat, die ohne das als Ausmusterungsgrund bezeichnete Leiden ebenfalls zur Ausmusterung geführt hätte (s. Entscheid des Bundesrates vom 13. Mai 1921, publiziert in der Vierteljahrschrift für schweizerisches Abgaberecht, Bd. II, Nr. 93, 8. 258/9).

In dieser Hinsicht hat die Abteilung für Sanität des eidgenössischen Militärdepartements im vorliegenden Falle folgendes festgestellt: a. Gutachten an die Militärdirektion des Kantons Bern vom I.April 1920: ,,Bläsi, Siegfried, 1894, ist am 14. März 1918 wegen Ziff. 93 f, Neurasthenie, in den Landsturm versetzt worden. Es ist dies ein

728 Zustand, der in der Regel nicht als dienstlich erworben betrachtet werden kann, und wir haben beim Durchsehen der sanitarischen' Rapporte über die Dienstleistungen Bläsis erfahren können, dass sich' derselbe schon am 25. Januar 1917 bei Anlass der sanitarischen E i n t r i t t s m u s t e r u n g mit diesem Leiden gemeldet hat, Bläsi ist dann allerdings gleichwohl tauglieh befunden worden und hat auch nachher noch lange Zeit Dienst geleistet, aber es geht daraus doch hervor, dass die Affektion schon damals vordienstlich vorhanden war und somit ausserdienstlich erworben ist, da in den Krankenverzeichnissen der Jahre 1915 und 1916 über Bläsi und dieses Leide» nichts eingetragen ist und auch nach Schiusa der Dienstleistungen dieser beiden Jahre keine Krankmeldung stattgefunden hat."

O &. Gutachten an die Militärdirektion des Kantons Bern vom 21. August 1924-.

,,In der Angelegenheit B l ä s i , Siegfried, verweisen wir Sie auf unsere Zuschrift vom 1. April 1920. In derselben haben wir Ihnen mitgeteilt, .dass die Neurasthenie, deretwegen Bläsi landsturmtauglich erklärt wurde, kein dienstlich erworbenes Leiden darstellt. Wenn der geleistete Militärdienst die Affektion v o r ü b e r g e h e n d verschlimmert hat, so wurde diese Beeinflussung durch die Behandlung auf Bundeskosten im Jahre 1918 behoben."1 c. Gutachten zuhanden des Bundesrates vom 3. Oktober 1924 : ,,Die nochmalige Prüfung des Falles Bläsi, Siegfried,-hat ergeben^ dass sich letzterer während der Aktivdienste 1914, 1915 und 1916 (Entlassung 24. September 1916) nie krank gemeldet, hat. Bläsi stellte sich erst am 20. Januar 1917 anlässlich des Wiedereiurückenszur sanitarischen Eintrittsmusterung, mit einem Zeugnis des Herrn Dr. Blattner in Balsthal versehen. Aus diesem Zeugnis geht hervor,, dass Bläsi seit längerer Zeit wegen N e u r a s t h e n i e in seiner Behandlung gestanden hat, Bläsi wurde jedoch trotz dieses Attestes diensttauglich erklärt. Erst am 14. März 1918 wurde der Rekurrent vor U. C. gewiesen und von dieser wegen Ziff. 93 f (Neurasthenie) landsturmtauglich erklärt. Die Angabe des Mannes, dass er sich sein Leiden durch Erkältung während des Dienstes zugezogen habe, kann den Tatsachen nicht entsprechen, da eine Neurasthenie nicht durch Erkältung erworben wird. Dieselbe beruht vielmehr auf konstitutioneller Basis, und es kann
der Militärdienst höchstens verschlimmernd gewirkt haben. Diese Verschlimmerung wurde jedoch durch die Behandlung des Bläsi in der ESA Ölten, behoben."

ä, Gutachten zuhanden des Bundesrates vom 4. März 1925, welches zu den ergänzenden Fragen der eidgenössischen Steuerverwaltung vom 26. Februar 1925 Stellung nimmt :

729 ,,od 1, Bläsi wurde allerdings trotz eines ärztlichen Zeugnisses, wonach er wegen Neurasthenie behandelt worden war, im Jahre 1917 als diensttauglich befunden und hat 1917 und 1918 Aktivdienste geleistet. Es ist nicht der geringste Anhaltspunkt vorbanden dafür, dass Bläsi schon 1917 hätte ausgemustert werden sollen, weil vor allem eine Neurasthenie an sich die Diensttauglichkeit durchaus nicht aussohliesst und weil man im übrigen einen Mann, der neurasthenisch zu sein behauptet, daneben aber körperlich tauglich erscheint, doch nicht ohne weiteres ausmustern kann.

Dafür, dass sich die Neurasthenie erst infolge des Militärdienstes von 1917 und 1918 derart verschlimmert hat, dass Bläsi zum Landsturm versetzt werden musste, ist nicht der geringste Anhaltspunkt vorhanden. Es ist auch nicht einzusehen, wieso sich eine Neurasthenie durch den Militärdienst verschlimmern sollte. Es hat sich eben im Verlaufe der letztgenannten Dienste einfach herausgestellt, dass Bläsi doch nicht diensttauglich war.

ad 3. Anhaltspunkte dafür, dass Bläsi auch wegen einer andern Krankheit, die mit den im Dienst zugezogenen Erkältungen im Zusammenhang stehen könnte, hätte ausgemustert werden müssen, sind keine vorhanden.

Davon, dass Bläsi 1917 sich im Militärdienst einen Katarrh zugezogen hat, ist der Militärversicherung nichts bekannt geworden.

Es soll jedoch damit seine diesbezügliche Behauptung nicht bestritten werden. Es kann sich jedoch da nur um einen interkurrenten Katarrh gehandelt haben, der selbstredend auf die Diensttauglichkeit des Mannes keinen Einfluss haben konnte.

Es wurde allerdings im März 1918 in der E. 8. A. Ölten bei Bläsi etwas Lungenemphysem festgestellt. Dieser Befund war jedoch ein nebensächlicher (Nebenbefund), der auf keinen Fall auf den Katarrh von 1917 zurückgeführt- werden könnte und der an sich auch die Diensttauglichkeit des Bläsi nicht in Frage gestellt hätte. Es ist auch in der weiteren Folge nie mehr davon die Rede gewesen.

Wenn Bläsi wünscht, sich einer Expertise zu unterziehen, so steht ihm dies frei, die Kosten hat er jedoch selber zu tragen.

Wir halten eine solche Expertise für durchaus unnötig und aussichtslos. Unnötig, woil uns der Fall zum vornherein genügend klar erscheint, und aussichtslos, weil ein Experte, ohne sich lächerlich zu machen, unmöglich zu dem Schluss gelangen könnte, eine Neurasthenie sei eine dienstlich erworbene -Krankheit.

Wir sehen nach wie vor keine Möglichkeit, den Bläsi von der Militärsteuer zu befreien."

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Die Beweiskraft dieser Gutachten ist durch die Anbringen des RekurTenten in keiner Weise erschüttert worden. Ende Mai 1925 ist ihm anheimgestellt worden, dio Richtigkeit seiner Behauptungen durch Beibringung eines ärztlichen Gutachtens nachzuweisen zu versuchen. Der Rekurrent hat es jedoch unterlassen, ein solches Gutachten zu den Akten zu bringen, Mangels Bekanntgabe schlüssiger Tatsachen, die das Gegenteil dartun würden, mugs daher angenommen werden, dass das Leiden, welches zur Ausmusterung des Rekurrenten geführt hat, ausserdienstlichen Ursprungs und -auch nicht durch den Militärdienst in einem die Ausmusterung bedingenden Umfang dauernd verschlimmert worden ist. Ferner muss festgestellt werden, ·dass ein anderes Leiden, welches ebenfalls die Ausmusterung bedingt hätte und für welches der Militärdienst hätte verantwortlich erklärt werden müssen, nicht vorhanden ist. Die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Art. 2, Ut. o, BG vom 28. Juni 1878 sind demnach nicht erfüllt.

Wir beehren uns somit, Ihnen zu beantragen, es sei der von Siegfried Bläsi erhobene Rekurs abzuweisen.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 21. Dezember 1925.

Im Namen des Schweiz. Bundesratee, Der Bundespräsident: Musy.

Der Bundeskanzler: Kaesliii.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Militärsteuerrekurs des Siegfried Bläsi in Bern-Bümpliz. (Vom 21. Dezember 1925.)

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30.12.1925

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