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Bundesyersammlunff.

Die gesetzgebenden Räte der Eidgenossenschaft sind am Montagr den 21. September 1925, um 18 Uhr, zur Herbstsession zusammengetreten.

Im N a t i o n a l r a t e eröffnete Herr Präsident Dr. Mae chi er die Session mit folgender Ansprache: Geehrte Herren Nationalräte!

Am 14. September dieses Jahres hat der Ständerat den Herrn Adalbert W Î r z, eines seiner nach Geburt und Amtsdauer ältesten Mitglieder, verloren. Nach schwerer Krankheit ist er, 77 Jahre alt, seiner kurz vorher verstorbenen Ehefrau ins Grab gefolgt.

Im Jahre 1848 geboren, hat Adalbert Wirz die Rechtskenntnisse, die er während mehr als 50 Jahren in unerschöpflicher Tätigkeit für die Öffentlichkeit verwendete, auf den Universitäten Zürich und Heidelberg erworben. Die Liste der Amtsstellen, die er in seinem Heimatkanton Obwalden gemäss der Tradition jeder hochangesehenen Familie unter allgemeiner Anerkennung in dem Bestreben, sein Bestes zu geben, während einem halben Jahrhundert bekleidet hat, zeigt ohne weiteres den Verlust, den der Kanton erlitten hat. Er war Mitglied des Einwohner- und ßürgergemeinderates, zeitweise Gemeindepräsident von Samen, Zivilrichter und Präsident des Zivilgerichtes, später Präsident des kantonalen Obergerichtes, und es wird ihm das hohe Lob gespendet, dass er ein gerechter Richter gewesen sei. Im Jahre 1901 trat er an Stelle seines Bruders Theodor in die Kantonsregierung und war abwechselnd Landammann und Landesstatthalter, dabei wohl während dieser Zeit das geistige Haupt der Regierung. In seinem Kanton widmete er sich insbesondere dem Justizund dem Schulwesen, und er erwarb sich dabei Verdienste für die Einführung des Zivilgesetzbuches und utn die Volksschule, deren hoher Stand bekanntlich in den Rekrutenprüfungen zu augenfälligem Ausdruck kam.

Im Jahre 1901 wählte ihn die Laudsgemeinde ,,in einmütigem Mehr11 in den Ständerat. Dort hat ihm seine Stellung als politischer Führer der katholisch-konservativen Partei, seine bedeutende Erfahrung, seine ungewöhnliche Beredsamkeit, aber auch sein überaus freundliches und gefälliges Wesen, eine besondere Position verschafft. Er war der Typus des innerschweizerischen Landammanns, der mit unerschütterlicher Treue an den grundsätzlichen Anschauungen festhielt, dabei aber doch keineswegs den neuen Erscheinungen der weiteren Welt fremd gegenüberstand.

Schon seine
äusseren Formen und seine Gewandtheit deuteten auf jene von den alten Standesvertretern nicht seltene eigene Verbindung von grundsätzlich konservativen Anschauungen mit weltmännischer Klugheit.

163 Seine juristischen Kenntnisse und seine Richtertätigkeit schafften ihm doppelte Anerkennung. Er wurde einerseits zum Suppleanten des Bundesgerichtes gewählt und anderseits von der Universität Freiburg mit dem Doktortitel beehrt.

Es ist hier nicht der Ort, auf die ungewöhnlich rege Tätigkeit näher einzutreten, die Herr Ständerat Adalbert Wirz als Politiker der katholischkonservativen Partei und als Journalist entwickelt hat. In dieser Partei gilt er als ein Mitbegründer und Führer ihrer Organisation, wie sie sich in den letzten Jahrzehnten herausgebildet hat. An wenigen ihrer Tagungen trat er nicht als Redner auf. Die politische Presse seiner Partei rühmte sieh seiner für Parlamentarier vorbildlichen Mitarbeit, soll er doch in dem Obwaldner Volksfreund mehr als tausend Artikel geschrieben haben.

Die Bundesversammlung verliert also in dem Verstorbenen nicht nur ein dem Alter nach ehrwürdiges und in seinem Wesen sympathisches Mitglied, sondern auch insbesondere einen Mann von ausserordentlicher Regsamkeit, der die Verbindung zwischen Behörde und Volk unermüdlich gepflegt hat. Wir haben allen Grund, sein Andenken in Ehren zu behalten.

Letzten Freitag hat auch den Nationalrat ein Verlust getroffen, indem sein Mitglied, Herr Peter B r a t s c h i , von Matten, plötzlich starb.

Während Herr Ständerat Wirz einer Familie entsprossen ist, die, wi» keine andere, dem Kanton Obwalden hervorragende Männer der Öffentlichkeit geliefert hat, entstammte Herr Nationalrat Bratschi einfachsten, ja sogar armen, bäuerlichen Verhältnissen. Am 6. Mai 1863 geboren, musste er sich, wie erzählt wird, die Mittel selbst verdienen, ja sogar borgen, um den Beruf erlernen zu können, nach dem ihn Begabung und innerer Drang führten, nämlich den eines Volksschullehrers. Zuerst in Bissen bei Saanen und sodann in Matten im Simmental hat er denn auch während etwa 40 Jahren Kinder gelehrt und erzogen. Wir, die wir hier den sympathischen, ruhigen und seelentiefen Mann kennen gelernt haben, können uns wohl vorstellen, 'mit welcher Wärme und Eignung er sich dem wichtigen Schuldienst gewidmet hat. Daneben betätigte er sich noch als Kleinbauer, und diese Betätigung scheint ihn auch in die Politik hineingebracht zu haben. Im Jahre 1922 trat er in den bernischen Grossen Rat und in den Nationalrat, und die sozialdemokratische Gruppe
verliert in ihm ein ebenso populäres als wegen seiner Sachlichkeit geschätztes Glied. In unserem Rat hat er sich wiederholt der kleinen Bergbauern mit Wärme angenommen ; sein Postulat zugunsten der Lawinengeschädigten hatte auch den vollen Erfolg der Annahme durch den Bundesrat und den Nationalrat.

Vor einem Jahr musste sich Herr Bratschi einer Operation unterziehen, dann wurde er noch scharlachkrank, und so wurde nach und nach seine Gesundheit derart untergraben, dass er den Verlust seiner



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164 treuen Lebensgefährtin nicht mehr lang überleben konnte. Er hinterlässt vier Söhne und vier Töchter, die bereits eigene Familien haben.

Die treue und gewissenhafte Hingebung, mit der sieh Herr Bratschi seinen öffentlichen Aufgaben unterzog, seine ruhige und sachliche Art und sein Mitgefühl für die Kleinen im Volke werden ihm in unseren Reihen «in dankbares und ehrenhaftes Andenken sichern.

Auf der Reise nach Bern traf uns die erschütternde Kunde, dass ·unser Bundesgerieht seinen hochangesehenen und verdienten Präsidenten, Dr. Alfred S t o o s s , am letzten Sonntag verloren hat. Es ist nicht möglich, in diesem eiligen Moment das Leben und Wirken dieses hervorragenden Magistraten vollständig zu würdigen. Dazu wird die Beerdigung in Bern nächsten Mittwoch bessere Gelegenheit bieten. Aber in unser aller Erinnerung stehen noch die tiefernsten Worte, mit denen der Verstorbene vor wenigen Monaten beim Jubiläum .des Bundesgerichtes die Geschichte," die Bedeutung und die Männer unseres obersten Gerichtshofes schilderte.

Die Rede selbst war der Ausdruck eines Richters und Juristen, der mit grossem Können offenbar unbeugsame Gerechtigkeit und unermüdliches Pflichtbewußtsein verband, Dr. Alfred Stooss wurde als der Sohn eines Regierungsrates und Bruder des zur Zeit weit über unsere Landeagrenzen rühmlich bekannten Professors Dr. Karl Stooss, des Verfassers des eidgenössischen Strafgesetzentwurfes, im Jahre 1860 in Bern geboren. Nach gründlicher Arbeit auf den städtischen Schulen und an den Universitäten Genf, Heidelberg, Leipzig und Bern, begann er eine sehr ausgedehnte Piaxis als Anwalt.

Aber schon während dieser Zeit scheint er seinem Bruder in verdienstlicher Weise bei den Vorarbeiten für das schweizerische Strafrecht geholfen -zu haben. Als Nachfolger des Berners Lienhard wählte ihn die Bundesversammlung am 25. Oktober 1905 ins Bundesgericht. Damit trat er in den besten Lebensjahren an die Aufgabe heran, die dann sein ganzes Leben und Arbeiten erfüllte. Er gehörte der Zivilabteilung an, und zu seinen Verdiensten gehört daher auch die Verarbeitung unseres Zivilrechtes in der allgemein anerkannten trefflichen Handhabung, die ihm das Bundescjericht zuteil werden liess und die die solide Grundlage unseres Schweizerischen Rechts- und Geschäftsleben geworden ist.

Im Jahre 1923 wurde Herr Dr. Stooss
Vizepräsident und am 11. Dezember 1924 Präsident des schweizerischen Bundeagerichtes. Es ist bereits angedeutet worden, wie Herr Dr. Stooss in seiner Rede an der Jubiläumsfeier des Bundesgerichtes die Gründlichkeit und Tiefe zum Ausdruck brachte, die er als Richter und Präsident zur Grundlage aller seiner Tätigkeit gemacht hat. Ihm ist klar gewesen, wie einerseits eine wohlgefügte und wohlgeordnete Rechtsordnung die unerlässliche Voraussetzung staatlichen und wirtschaftlichen Lebens bildet, wie sie aber auch

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ergänzt werden musa durch absolut integre, gerechte und wohlüberlegte Rechtsprechung. Ihm war es vergönnt, an der Spitze des Gerichtes diesen seinen untadligen Ruf zu erhalten und damit dem Schweizervolk eine Vorbedingung seines Wohlbefindens zu verschaffen.

Dr. Stooss war aber auch ein Mann der Wissenschaft, Schon als Anwalt und Suppléant des bernischen Obergerichtes arbeitete er an der Zeitschrift des bernischen Juristen Vereins und an der schweizerischen Zeitschrift für Strafrecht in sehr beachtenswerter Weise mit, und später hat er verschiedene juristische Monographien geschrieben, die zeigen, wie weit sein Horizont und sein Tätigkeitsdrang gegangen ist. Endlich: hat er für unser Land auch als Gerichtsschreiber, Auditor und Grossrichter des Militärgerichtes der dritten Division sowie als Mitglied des Militärkassationsgerichtes treffliche Dienste geleistet, Der Nationalrat wünscht dem trefflichen Mann, der Jahrzente hindurch die ,,Ars aequi et bonia in mustergültiger Weise ausgeübt hat, als gerechte Und billige Belohnung ein dankbares und treues Angedenken des Schweizervolkes.

Ich bitte Sie, sich zu Ehren der Verstorbenen zu erheben.

Im S t ä n d e r a t e wurde die Session durch Herrn Präsident A n d e r m a t t mit folgender Ansprache eröffnet: Meine Herren Ständeräte!

Als wir die letzte Junisession unserm Freund und Kollegen, Herrn Dr. Adalbert Wirz, die Hand zum Abschied drückten, gaben wir ihm für seine auf dem Krankenbett liegende Gattin die besten Wünsche für baldige ·Gesundung auf den Heimweg, Umflorten Auges nahm Herr Wirz diese Wünsche entgegen. Er wusste, dass die Tage seiner treuen Lebensgefährtin gezählt waren und er bald einsam den Lebensabend zuzubringen habe. Er ahnte nicht, und wir dachten nicht daran, dass bald auch seine Tage gezählt seien.

In den letzten vierzehn Tagen haben sich im alten Patrizierhaus, im ,,roten HausOE zu Samen, die Geschicke erfüllt. Man hat am 12. September die Landesmutter, wie Frau Landammann Wirz im obwaldnerischen Volksmunde geheissen, hinausgetragen zur Ahnengruft. Und am 17. September ist Ständerat Dr. Adalbert Wirz an ihrer Seite beigesetzt worden.

Die sich im Leben nahestanden, sind nun auch im Tode vereint.

Ständerat Dr. Adalbert Wirz wurde am 16. Juni 1848 als zweiter Sohn des Landammann und Nationalrat Franz Wirz und der Regina Hermann geboren. Die Wirz sind eines der ältesten Geschlechter der Bimdesblatt. 77. Jahrg. Bd. III.

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166 Urschweiz, das seit Gründung der Eidgenossenschaft in allen Jahrhunderten der Öffentlichkeit verdiente Männer geschenkt hat.

Nach Absolvierung des Gymnasiums in Samen zog Adalbert Wirz nach Freiburg i, Ue. in die Philosophie. Hernach studierte er in Zürich und Heidelberg Jurisprudenz und Staätswissenschaften.

Heimgekehrt in seine geliebte Heimat, trat Wirz sofort in den Dienst der Öffentlichkeit. 1876 wurde er zum Zivilrichter und gleichzeitig zum Präsidenten des Zivilgerichtes gewählt, welcher Behörde er bis 1901 -- also volle 25 Jahre -- treue Mitgliedschaft leistete. Vom Jahre 1885 gehörte er ununterbrochen dem Kantonsrat an, den er zweimal präsidierte. Im letzten Mai fiel es Herrn Wirz als dem weitaus amtsältesten Mitgliede zu, die konstituierende Sitzung des neubestellten und bedeutend reduzierten Kantonsrates mit einer programmatischen Ansprache zu eröffnen: Von 1903--1923 war Herr Wirz Erziehungsrat, 1885--1922 Bürgerrat und Präsident der Bürgergemeinde Samen, 1885--1903 gehörte er dem Einwohnerrate an, den er 1892/93 präsidierte. Im Jahre 1902 wählte ihn die Laridsgemeindo zum Regierungsrat und Landesstatthalter, im Jahre drauf zum Landammann, welche Würde ihm fünfmal anvertraut wurde.

AU der Landsgemeinde vom Jahre" 1910 trat Herr Wirz aus der Regierung, wurde gleichzeitig aber ins Obergericht gewählt und zu dessen Präsidenten ernannt. Er bekleidete dieses Amt bis zur diesjährigen Maigemeinde.

Als Nachfolger seines Bruders, des Landammanns und Ständerats Theodor Wirz, wurde Adalbert Wirz im Jahre 1902 zum Mitglied des Ständerates gewählt, den er 1906 präsidierte. In den Jahren 1909 bis 1921 war Herr Wirz auch Suppléant des schweizerischen Bundesgerichtes.

Diese kurzen .Daten zeigen, welch gewaltige Arbeit der Verewigte im Dienste der Öffentlichkeit geleistet hat,; In seinem Heimatkantone Obwalden hat Dr. Adalbert Wirz jahrzehntelang eine führende Rolle gespielt. In die Zeit seiner amtlichen Tätigkeit fallen zwei Verfassungsrevisionen und die Einführung des schweizerischen Zivilgesetzbuches, um welche Fragen er sich besonders verdient gemacht hat.

Daneben lag ihm das obwaldnerische Erziehungswesen sehr am Herzen.

Es leuchtete sein Auge, wenn er von den Erfolgen seiues Heimatkantons bei den eidgenössischen Rekrutenprüfungen erzählte. Wie der unvergessliche Herr Nationalrat Ming,
war Dr. Adalbert Wirz seinem Volke ein treuer Laudesvater. Das Obwaldnervolk hat an diesen beiden Männern viel verloren, und die Lücke, die sie zurückgelassen, ist tief und weit und unersetzlich.

Das Wirken des Herrn Dr. Adalbert Wirz im Ständerate ist uns allen bekannt. Gab es ein fleissigeres, gewissenhafteres und aufmerksameres Mitglied des Rates und der Kommissionen ? Herr Wirz war wohl der einzige, der sich seine Anwesenheit nach jeder Session vom Kanzler

167 bescheinigen liess. Gab es einen konziliantem und zuvorkommendem Kollegen ? Man hat Wirz den höflichsten Ständerat genannt, und^nicht ; mit Unrecht.

Ständerat Wirz war ein überzeugter Föderalist und sorgsamer Wahrer der religiösen Interessen und der Selbständigkeit der Kantone. Besonders nachdrücklich setzte er ein, wenn er -auf dem Gebiete der Schule glaubte eine Gefahr zu wittern. Daneben war er unablässlich bemüht, für seine geliebten Gebirgsbewohner die Fiuanzquellen des Bundes kräftig fliessen zur lassen. Auch für die sozialen Schäden der modernen Zeit hatte er volles Verständnis.

Die Tätigkeit von Ständerat Wirz erschöpfte sich nicht in staatlichen Dingen, Er leistete auch im Partei- und Vereinsweaen Grosses. Als der konservativen Volkspartei der katholischen Schweiz eine straffe zentrale politische Organisation gegeben wurde, da war Ständerat Wirz der gegebene Mann, an die Spitze zu treten. Er leitete die Partei bis 1917.

Ständerat Wirz stellte sein reiches Wissen auch in den Dienst der Presse. Jede "Frage von etwelcher Bedeutung in Bund und Kanton erfuhr :in seinem Organ, dem ,,Obwaldner Volksfreunda, eine klare, volkstümliche Bewertung. Und wenn dann und wann die Leidenschaften entfesselt wurden, war Ständerat Wirz allzeit ritterlich, kämpfend mit offenem Visier, tauchte er nie seine Feder in das Gift ätzender Lange.

Ständerat Wirz war ein begabter, schlagfertiger Redner der alten Schule, dem nicht die nackte Sachlichkeit und Unmittelbarkeit der Gedanken die Hauptsache waren, sondern den auch die Flugkraft der Ideen und ihre schöne, ebenmässige Gestaltung fesselten; In Volksversammlungen wie im Rate hat Ständerat Wirz stets aufmerksame und oft begeisterte Zuhörer gefunden. Schon seine persönliche Erscheinung wirkte imponierend, und wenn er dann sprach mit hellglänzenden Augen, mit akzentuierter, durchdringender Stimme, mit heiligem Pathos und edler Geste, dann riss er einfach hin.

.. Als Mensch war Ständerat Wirz die Güte selber. Seinen Freunden war er in unentwegter Treue zugetan, wenn es sein musste auch bereit, für sie Opfer zu bringen.

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Durch die Adern von Ständerat Wirz rollte das Blut des Seligen vom Ranfte, Nikiaus von Flüe. Wie -dieser, hing Wirz mit kindlicher Hingabe an seiner f Kirche, die ihm Lebenselement war. Der Geist des Seligen vom Ranft, seine Versöhnlichkeit
und Friedensliebe belebten den Verstorbenen zeit seines ganzen Lebens, Ständerat Wirz war nie ein Scharfmacher und Draufgänger.

Mit Ständerat Dr. Adalbert Wirz ist eine Persönlichkeit von uns geschieden, die mit den herrlichsten Gaben des Leibes und des Geistes ausgestattet war. Noch lange wird das Obwaldneryolk um seinen Landammann trauern, noch lange wird das Schweizervolk dieses hervorragen-

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den Eidgenossen gedenken, noch lange werden wir die ritterliche Gestalt in diesem Saale miesen. Nie vergessen aber werden wir den Heben Kollegen und treuen Freund, Freitag, den 18. September, abends, iat in Matten Herr Nationalrat B r a t s c h i gestorben. Er ist am 6. Mài 1863 als Kind armer Bauersleute geboren und . in dürftigen Verhältnissen aufgewachsen. Die Mittel zur Ausbildung als Volkssehullehrer hat er sich selbst verdienen und zum Teil von fremden Leuten borgen müssen. Das Schulamt hat er zunächst in Bissen bei Saanen und später viele Jahre in Matten bei St. Stephan im Simmental ausgeübt. Daneben betätigte er sich als Kleinbauer. Er galt im Kanton Bern als Führer des kleinbäuerlichen Standes, Nach 40jährigem Schuldienst trat er zurück und widmete von nun an seine ganze Arbeitskraft den Interessen der Kleinbauern. Diese sandten ihn 1922 in den Grossen Rat des Kantons Bern und in den Nationalrat.

Wo sich Gelegenheit bot, trat er in diesen Behörden für die Verbesserung des Loses des Kleinbauern ein. Mit überzeugungsvoller Sachlichkeit begründete er jeweilen seine Anträge, wie beispielsweise im Deaember 1922 sein Postulat über die Versicherung gegen Lawinensohäden, das vom Bundesrate entgegengenommen und vom Nationalrate angenommen wurde.

Vor einem Jahre musste sich Nationalrat Bratschi einer schweren Kropfoperation unterziehen und erkrankte im Spital am Scharlachfieber.

Diese Krankheiten werden seine Gesundheit erschüttert haben. Im vergangenen Frühjahr verlor der Verstorbene seine treue Lebensgefährtin.

Nationalrat Bratschi-Matten ist wohl wenigen der Herren Ständeräte näher bekannt geworden; Er war ein einfacher Mann, der in seinem privaten Leben wie in den Behörden schlicht und recht seine Pflichten erfüllte.

Seine Beerdigung findet morgen Dienstag statt, an welcher die Herren Ständeräte Burklin und Ochsner den Rat vertreten werden.

Wie ich mich heute Morgen zur Abreise rüste, wird mir die Kunde, dass gestern Sonntag nach langer, schwerer Krankheit Herr Buudesgerichtspräsident Dr. Alfred S t o o s s gestorben sei.

Dr. Alfred Stooss ist als Sprosse eines alten Berner Geschlechts am 16. Juni 1860 in Bern geboren. Nach Absolvierung der städtischen Schulen studierte er an den Universitäten Genf, Heidelberg, Leipzig und Bern die Rechte und schloss seine Studien 1883 mit dem bernischen
Anwaltsexamen ab. Nach erfolgreicher Tätigkeit als Fürsprecher wurde er am 25. Oktober 1905 im Alter von 45 Jahren von der Bundesversammlung als Nachfolger von Lienhard zum Mitglied des BundesgerichteB gewählt. Im Bundesgericht gehörte er der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer sowie der I. Zivilkammer an. Am 13. Dezember 1923 erfolgte

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seine Wahl zum Vizepräsidenten des Bundesgerichtes, in welcher Eigenschaft er. das Präsidium der II. Zivilabteilung übernehmen musate. Am 11. Dezember 1924 wurde er für die Jahre 1925 und 1926 zum Präsidenten des Bundesgerichtes gewählt. Sein schon seit zwei Jahren erschütterter Gesundheitszustand erlaubte ihm nur zeitweise, dieses Amt auszuüben. Im Militär war Stooss Oberst der Militärjustiz, Er gehörte bis vor kurzem auch dem Militärkassationsgericht an. Er war Gründer und erster Präsident des schweizerischen Anwaltverbandes. Die Universität Genf ernannte ihn seinerzeit zum Ehrendoktor der Rechte, Bundesgerichtspräsident Stooss nahm es ernst mit den Pflichten des Richteramles. In seiner meisterhaften Rede anlasslich des fünfzigjährigen Jubiläums des schweizerischen Bundesgerichtes hat er die Aufgabe des Richters umschrieben, als die ,,Ars boni et aequi" zu betätigen und nach dem Gesetze zu urteilen. ,,Die Erfüllung seiner Aufgabe erfordert, insbesondere von dem in letzter Instanz urteilenden Richter, auf wissenschaftlichen Grundlagen beruhende Kenntnis und Beherrschung des Gesetzes, sodann aber auch besondere moralische und allgemein menschliche Eigenschaften : Menschen- und Volkskenntnis, Erfahrung im praktischen Leben, ausgeprägtes Gefühl] für das, was'recht und billig ist." Diese Eigenschaften waren dem Verstorbeneu in hohem Masse zu eigen. Deshalb konnte er den Jubiläumstag des Bundesgerichtes als einen der schönsten seines Lebens preisen in dem Bewusstsein, nach Kräften zu der Erfüllung der dem Gerichte gestellten schweren und hohen Aufgabe mitgewirkt zu haben.

Die Beerdigungsfeier findet, nächsten. Mittwoch statt.

Ich ersuche meine Herren Kollegen, zu Ehren der verstorbenen Herren Ständerat Dr. Wirz, Nationalrat Bratschi und Bundesgerichtspräsident Dr. Stooss sich von den Sitzen zu erheben.

An Stelle des verstorbenen Peter Bratschi ist in den N a t i o n a l r a t eingetreten: Herr Oskar L a u f f e r , Sekundarlehrer, in Bern.

Aus den Verhandlungen des Bundesrates.

(Tom 21. September 1925.)

Dem Kanton Bern wird an die zu Fr. 56,000 veranschlagten Kosten der Erstellung eines Waldwegnetzes im Neuenbann, der Einwohnergemeinde Steffisburg, ein Bundesbeitrag von 20 %, im Maximum Fr, 11,200, zugesichert.

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Bundesversammlung.

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1925

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3

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39

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30.09.1925

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