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1970 I. Bericht dea # S T #

Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Sommersession 1925).

(Vom 1. Mai 1925.)

Wir beehren uns, unter Vorlage der Akten, Ihnen über nachstehende <68 Begnadigungsgesuche Berieht zu erstatten und über deren Erledigung Antrag zu stellen: 1. Werner Thomi, geb. 1901, Landarbeiter, Lüterkofen (Solothurn).

(Verfälschung einer Bundesakte.)

1. Werner Thomi ist am 21. Oktober 1924 vom Gerichtspräsidenten von JBurgdorf in Anwendung von Art. 61 des Bundesstrafrechts zu 5 Tagen Ge-fängnis und Fr. 10 Busse verurteilt worden, Thomi hat im Militärdienstbüchlein die Einträge «Dienstuntauglich» -durch Ausradieren -der Silbe «un» in «Diensttauglich» abgeändert und ausserdem die Worte «Ersatzpflichtig Kreiskommando Bern» durchgestrichen.

Für Thomi wird um Erlass der Gefängnisstrafe ersucht. Er sei geistig .beschränkt und habe die Verfälschungen aus Dummheit gemacht.

Der Begierungsstatthalter von Burgdorf befürwortet das Gesuch und die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragt die bedingte Begnadigung.

In Würdigung der Urteilsmotive und aus den Erwägungen, wie sie der ·bedingten Begnadigung im allgemeinen zugrunde liegen, beantragen wir, -die Gefängnisstrafe von 5 Tagen unter Auferlegung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt zu erlassen und heben als Bedingung besonders hervor, dass Thomi während der Probezeit kein weiteres vorsätzliches Vergehen verübe. Wir fügen bei, dass auch der urteilende Richter die Begnadigung des Thomi empfiehlt; die ·-ohne weiteres ersichtlichen Verfälschungen erfolgten offenbar weniger, um sich -der Militärsteuerpflicht zu entziehen, als um die Diensttauglichkeit vorzutäuschen.

2. Mois Schnyder, geb. 1896, Bahnarboiter, Willisau-Stadt (Luzern).

3. Karl Spani, geb. 1889, Güterschuppenarbeiter, Rapperswil (St. Gallen), (Eisenbahngefährdung.)

.Bnndesblatt. 77. Jahrg. Bd. IL

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342 Wegen fahrlässiger erheblicher Eisenbahngefährdung sind in. Anwendungvon Art. 67, Abs. 2, des Bundesstrafrechtes, in der Fassung des Bundesbeschlusses vom 5. Juni 1902, verurteilt worden: 2. Alois Schnyder, verurteilt am 1. April 1924 vom Obergericht des Kantons Luzem, in Bestätigung des Entscheides des Amtsgerichtes Willisaur zu einer Gefängnisstrafe von l a/a Monaten, abzüglich der ausgestandenen Haft von 6 Tagen.

Am 20. März 1928 geriet der um 18. 30 Uhr von Willisau in der RichtungWolhusen ausfahrende Personenzug der Huttwil-Wolhusen-Bahn infolge falscher Weichenstellung auf ein Industriegeleise. Da der Zug nicht mehr gestellt werden konnte, überrannte die Maschine den das Industriegoleise abschliessenden Prellbock und stürzte über die Böschung, worauf der nächstfolgende Personenwagen über die Maschine geschoben wurde (photographische Aufnahmen, Beilagen 18/19). Der Lokomotivführer fand im Führerstand den Tod, neun Passagiere wurden, zum Teil nicht unerheblich, verletzt, ferner entstand ein Materialschaden von über Fr. 15,000. Der Weichenwärter Schnyder hatte die Anschlussweicho nach Bedienung dos Industriegeleises aus VerTM gesslichkeit nicht zurückgestellt und der Stationsgehilfe die Ausfahrt freigegeben, ohne sich anhand des Schlüssels zum Kontrollschloss der Weiche über deren Stellung auf gerade Fahrt vergewissert zu haben.

Für Schnyder wird um ganzen oder doch teilweisen Erlass der Gefängnisstrafo ersucht. Die Strafe stelle eine unbillige Härte dar, namentlich da der mitschuldige Stationsgehilfe nur mit Fr. 150 gebüsst worden sei und nach den gerichtlichen Feststellungen eine Reihe von Verumständungen mitgewirkt hätten, die keiner der beiden Angeklagten zu vertreten habe. Ferner wird im allgemeinen betont, dass Eisenbahngofährdungen im ganzen Gebiet der Schweiz, wesentlich milder abgeurteilt würden als im vorliegenden Fall, wozu mehrere Urteile, unter andern das im Begnadigungsweg bekannt gewordene Strafurteil i. S. Richli, angerufen werden. Diese Bechtsunglcichheit in der Strafausmessung könne im Begnadigungsweg behoben werden.

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern beantragt primär Abweisung des Gesuches und eventuell Ermässigung der Gefängnisstrafe bis zu einem Monat. Unter Hinweis auf die wohlbegründeten Gerichtsurteile wird hervorgehoben, die Gesuchsanbringen seien bei der
Urteilsfällung bereits ausgiebigberücksichtigt worden. Einzig aus Gründen der aequitas und ini Hinblick auf anderweitige Urteile mit lediglich kurzen Freiheitsstrafen: dürfe allenfalls, eine teilweise Begnadigung erwogen werden. Das Justizdepartement des Kantons Luzem bezieht sich auf den über Schnyder beschafften Polizeibericht, wo dieser als gleichgültig und energielos bezeichnet wird, und erachtet, daSchnyder sich schon früher Dienstfehler habe zuschulden kommen- lassen die gänzliche Begnadigung als unzweckmässig. Dagegen sei die teilweise Begnadigung, und zwar im Sinne der Herabsetzung der Gefängnisstrafe bis zu einem Monat, angemessen.

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Die Betriebsdirektion der. Huttwil-Wolhusen-Bahn äussert sich zunächst zu gewissen Erwägungen der Strafgerichte, um dann festzustellen, dass Schnyder, der ain Unglück entschieden die Hauptschuld trage, sich auch heute in allen seinen Verrichtungen als gleichgültig erweise und kein wertvoller Arbeiter sei. Hinwiederum wird beigefügt, dass «nach fachmännischer Beurteilung» seine Bestrafung gegenüber dem mitverurteilten Stationsgehilfen zu hoch erscheine, weshalb eine Ermässigung bis zu 20 Tagen befürwortet wird.

Die Eisenbahnabteilung des eidgenössischen Eisenbahndepartementes schliesslich übernimmt den Antrag des Justizdepartementes des Kantons Luzern, wozu gesagt wird, es geschehe dies nur angesichts der Feststellung, dass Schnyder zufolge seiner Veranlagung den Anforderungen, die an einen Weichenwärter zu stellen seien, nicht in vollem Umfang habe genügen können.

Zusammenfassend bemerken wir, dass der vorliegende Straffall nach den vorhandenen Umständen den Begnadigungssachen anzureihen ist, welche wir der Bundesversammlung anlässlich der Dezembersess'on letzten Jahres mit grundsätzlich gehaltenen Darlegungen unterbreitet haben (zu vergleichen Nrn. 3 und 4 des I. Berichtes vom 7. November 1924, Bundesblatt III, 710 ff.).

Unsere Anträge sind damals gutgeheissen worden, weshalb wir davon absehen, in unserer Begründimg neuerdings ausführlich zu worden. Die gänzliche Begnadigung Schnyders, der übrigens keine der antragstellenden lastanzen das Wort redet, kann mithin nach früher Gesagtem nicht in Betracht fallen.

Ferner ist nachdrücklich /u betonen, dass angesichts des sorgfältig motivierten, obergerichtlichen Entscheides kein Grund besteht, irgendwie auf den objektiven oder subjektiven Tatbestand zurückzukommen. Was sodann die Strafausmessung anbetrifft, so kann jedenfalls der Begnadigungsweg nicht schlechtweg dazu dienen, eine behauptete tiBechtsungleichheit» zu beheben, ganz besonders dann nicht, wenn diese bereits darin erblickt wird, dass, anerkanntermassen, in Bundesstrafsachen die Strafausmessung in den Kantonen Verschiedenheiten aufweist. Hinzu kommt, dass die Bundesbehörden einer fühlbaren Ahndung von Eisenbahngefährdungen nicht entgegenstehen, sondern sie befürworten. Immerhin möchten wir uns im vorliegenden Fall einer etwelchen Herabsetzung der Gefängnisstrafe nicht unbedingt widersetzen,
weshalb wir abschliessend aus den bereits von den Vorinstanzen geltend gemachten Erwägungen beantragen, die'au verbüssende Gefängnisstrafe bis zu einem Monat zu ermässigen.

8. Karl Spani, verurteilt am 18. März 1924 vom Bezirksgericht See zu l Tag Gefängnis und Fr. 100 Busse.

Am 80. Oktober 1923 ist in der Station Eapperswil um 20. 25 Uhr ein Güterzug infolge falscher Weichenstellung in eine Gruppe von Güterwagen hineingefahren. Der Anprall war derart heftig, dass unter anderem ein Wagen des einfahrenden Zuges entgleiste und von der stillstehenden Wagengruppe der erste Wagen auf die nächsten hinaufgeschoben wurde; der Sachschaden belief sich auf über Fr. 12,000. Die Unterlassung, die zu Manöverwecken vor-

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übergehend umgestellte Weiche wieder zurückzustellen, fällt dem damaligen Weichenwärter Spani zur Last.

Für Spani wird um ganzen oder doch bedingten Erlass von Gefängnisstrafe und Busse ersucht und hierzu in längern Ausführungen behauptet, das Vorkommnis sei in erster Linie auf Umstände zurückzuführen, die der Bestrafte nicht zu verantworten habe. Der Weichenwärterposten, den Spani als Rasttagablöser besorgt habe, weise zu viole Obliegenheiten auf, ferner seien die Bahnhofverhältnisse verschiedentlich unzulänglich, was insbesondere auch eine neuere amtliche Eingabe vom 5. März 1925 bestätige, und schliesslich habe an jenem Abend der Nebel den Dienst erschwert. Spani sei durch die Zurückversetzung in den Güterschuppendienst für seine Unaufmerksamkeit zur Genüge bestraft.

Das Justizdepartement des Kantons St. Gallen, die Kreisdirektion III, die Generaldirektion der Schweizerischen Bundesbahnen und die Eisenbahnabteilung des eidgenössischen Eisenbahndeparternentes können eine Begnadigung nicht befürworten.

Wir beantragen im Anschluss an diese Vernehmlassungen, das Gesuch abzuweisen. Das Justizdopartement des Kantons St. Gallen bemerkt zutreffend, angesichts des nicht zu beanstandenden Gerichtsurteils und im Hinblick auf die mit jeder Fahrlässigkeit im Bahnbetrieb verbundenen schweren Gefahren sei dem Begnadigungsgesuch gegenüber Zurückhaltung geboten. Den Berichten der Eisenbahnbehörden ist namentlich zu entnehmen, dass eine übermässig starke Inanspruchnahme Spänis im damaligen Zeitpunkt nicht vorlag und dass die bemängelten Einrichtungen mit dem Unfall nicht in direktem Zusammenhang stehen. Spani hat sich dadurch einer gleichgültigen Dienstbesorgung schuldig gemacht, dass er dem Abfertigungsbeainten freie Einfahrt meldete, ohne sich vorher, wozu er durchaus Zeit gehabt hätte, über die Stellung der nahen Weiche zu vergewissern. Wenn in Betracht gezogen wird, dass Spani in seinem Verhalten infolge zu reichlichen Alkoholgenusses einigermassen beeinträchtigt war, kann angesichts des im Strafmass äusserst milden Urteils füglich dafür gehalten werden, dass die Einreichung des Begnadigungsgesuches besser unterblieben wäre.

4. Gottlieb Sutter, geb. 1889, Müller und Landwirt, Buren a. A. (Bern).

(Stromdiebstahl.)

4. Gottlieb Sutter ist am 11. Oktober 1924 vom Amtsgericht Buren in Anwendung von Art. 58
des Bundesgesetzes betreffend die elektrischen Schwachund Starkstromanlagen vom 24. Juni 1902 zu 10 Tagen Gefängnis und Fr. 200 Busse verurteilt worden.

Sutter hat zum Nachteil der Gemeinde Buren am Stromzähler eine den Gang des Zählers hemmende Vorrichtung angebracht und derart der elek-

345 trischen Anlage während längerer Zeit widerrechtlich Strom entzogen. Des nähern ergibt sich hinsichtlich des nur zufällig entdeckten Vorgehens, dass Sutter den Zähler nach Entfernung der Plombe angebohrt hatte, worauf das Zahnrad jeweils mit einem dünnen Draht gebremst wurde.

Der Verteidiger Sutters stellt für diesen das Gesuch um Erlass oder doch Ermässigung der Gefängnisstrafe. Der längern Eingabe entnehmen wir, dass sich Sutter als Inhaber einer Getreide- und Knochenmüllerei wegen des ihm abverlangten Strompreises im Vergleich zu andern Abnehmern benachteiligt gesehen habe, zudem sei sein Gewerbe infolge des in seiner Gesamtheit geleisteten Aktivdienstes zurückgegangen. Ferner wird eingehend Bezug genommen auf eine von Sutter zuhanden der Gemeinde Buren abgegebene Erklärung, welche ohne Nachprüfung der Einzelheiten unterschrieben worden sei und Sutter übermässig belaste. Diese Erklärung und die anschliessende Vereinbarung, dass Sutter der Gemeinde Fr. 100 Busse und Fr. 300 Entschädigung entrichten solle, hätten bezweckt, die Angelegenheit gütlich auszutragen und einem Strafverfahren vorzubeugen. Unter diesen Umständen müsse das ergangene Strafurteil als hart bezeichnet werden.

In den Akten befindet sich eine Vernehmlassung der Elektrizitätskommission von Buren, die sich mit den Gesuchsanbringen in verschiedenen Punkten auseinandersetzt und den einhellig gefassten Beschluss mitteilt, das Gesuch sei nicht zu empfehlen. Der Gemeinderat Buren bezeichnet den Bericht der Elektrizitätskommission als in allen Teilen richtig und kann das Gesuch ebenfalls nicht .befürworten. Dasselbe schreibt der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes, und die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragt Abweisung.

Unserseits bemerken wir in erster Linie, dass jedenfalls keine zwingenden Gründe vorliegen, um im Begnadigungsweg von der richterlichen Beurteilung des objektiven und subjektiven Tatbestandes abzugehen; insbesondere kann die Einreichung eines Begnadigungsgesuches die verspätet eingereichte Appellation an die kantonale Oberinstanz keineswegs ersetzen. So betrachtet steht einzig zur Überprüfung, ob aus Billigkeitserwägungen und Kommiserationsgründen Anlass bestehe, die erkannten Strafen gnadenweise ganz oder teilweise aufzuheben; da übrigens der Verfasser des Gesuchs seinen Antrag auf die Freiheitsstrafe
beschränkt, kann nach der Aktenlage die Busse ausser Betracht fallen. Hinsichtlich der Freiheitsstrafe lässt sich anhand der Praxis einräumen, dass Fälle von Stromdiebstahl vielfach nicht zu Freiheitsstrafen führen. Einen Überblick über einschlägige Gerichtsentscheide, unter denen sich immerhin Verurteilungen zu Freiheitsstrafen vorfinden, enthält die den Akten "beigelegte Vernehmlassung des Starkstrominspektorates. Danach ergibt sich, dass im Falle Sutter ein verhältnismässig hohes Strafmass angewendet worden ist.

Das Starkstrominspektorat hält aber trotzdem dafür, es sollte von einer Begnadigung abgesehen werden, wozu folgendes geschrieben wird: «Das Delikt, das dem Verurteilten zur Last gelegt wurde, kann nicht der Ausfluss einer momentanen unüberlegten Handlung gewesen sein. Die durchgeführte Art

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der Stromentwendung war nicht einfach und bedurfte eingehender Überlegung und eventuell genauer Instruktion durch einen Fachmann. Es war bei der geschickten Ausführung nur einem Zufall zuzuschreiben, dass sie Verhältnismassig ragch entdeckt wurde, unserer Meinung nach sollten solche Fälle, bei denen das Eaffinement der Täter eine Bolle spielt, eher schärfer bestraft werden. Wir haben keinen Anlass, nachdem Gemeindebehörde, Begierungsstatthalteramt und Polizeidirektion sich gegen eine Begnadigung ausgesprochen haben, eine solche unserseits in Vorschlag zu bringen.» Wir übernehmen diesen Standpunkt und beantragen, im Anschluss an die Antragstellung sämtlicher kantonaler Amtsstellen, den Gesuchsteller abzuweisen. Der gänzliche Erlass der Freiheitsstrafe ist angesichts des nicht leichten Falles von vornherein abzulehnen; die Angelegenheit erweist sich aber auch nicht als geeignet, um die Massnahme der bedingten Begnadigung oder eine Herabsetzung der Gefängnisstrafe besonders nahezulegen. Das Amtsgericht Buren stellt ausdrücklich fest, dass Butter in geordneten Verhältnissen lebt; sein Vergehen wird auf verwerfliche Selbstsucht zurückgeführt mit dem Beifügen, es sei bekannt, dass. Sutter immer sehr auf seinen Vorteil bedacht sei.

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Lina Ramseyer-Schlachter, geb. 1879, Landwirtin, Kienberg (Solothurn).

Fritz Reinhard, geb. 1891, Melker, Sumiswald (Bern).

Marc Vidoudez, geb. 1876, Knecht, Laconnex (Genf).

Heinrich Hunziker, geb. 1874, Landarbeiter, Zetzwil (Aargau).

Pauline Bühler-von Känel, geb. 1872, Landwirtin, Stein (Aargau).

Johann Müller, geb. 1898, Karrer, Bümpliz (Bern).

Fritz Biitikofer, geb. 1884, Landwirt, Courrendlin (Bern).

Robert Keller, geb. 1882, Hilfsarbeiter, Wettingen (Aargau).

(Lebensmittelpolizei.)

Gestützt auf die Art. 36 ff. des Bundesgesetzes betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 8. Dezember 1905 sind verurteilt worden: 5. Lina Bamseyer, verurteilt am 17. November 1924 vom Amtsgericht Olten-Gösgen zu Fr. 300 Busse.

Frau Eamseyer hat der an die Milchsammelstelle Kienberg gelieferten Milchmenge von sechs Litern unter drei Malen je einen halben Liter Wasser zugesetzt.

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Für die Bestrafte ersucht der Geraeinderat von Kienberg um Erlass oder doch Ermässigung der noch nicht entrichteten Fr. 250. Die minime Milchwässerung müsse auf die grosse Armut der Eholeute Bamseyer zurückgeführt werden,

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*lenen die Bezahlung der Busse von Fr. 800 unmöglich sei, indem sie daran augrunde gehen würden. Die Ratenzahlung von Fr. 50 sei mit entlehntem Geld erfolgt. Schliesslich wird versichert, dass Frau Eamseyer sich keine weitere Verfehlung zuschulden kommen lassen werde.

Das Polizeideparteinerit des Kantons Solothurn beantragt, im Anschluss sin eingehende, polizeiliche Erhebungen über die Eheleute Eamseyer, den Erlass der verbleibenden Fr. 250. Die Familie, bestehend aus Eltern und sieben Kindern im Alter von vier bis vierzehn Jahren, habe im Jahre 1920 bei ihrem Zuzug in den Kanton Solothurn durch Vermittlung eines berüchtigten Liegenschaftsagenten viel zu teuer gekauft und lebe seither in ganz ärmlichen Verhältnissen.

Die Bestrafte, eine frühzeitig gealterte, bedauernswerte Frau, habe infolge des Urteils seelisch schwer gelitten.

Unserseits ziehen wir mit dem eidgenössischen Gesundheitsamt in Erwägung, dass es sich um vorsätzliche Milchwässerung handelt, mithin um ein Vergehen, das nach einer verbreiteten und gutzuheissenden Gerichtspraxis regelinässig mit Freiheitsstrafe geahndet wird. Die Verurteilung zu blosser Busse bedeutet an sich eine glimpfliche Erledigung. Da aber die Notlage der Familie Eamseyer nachgewiesen ist und der Bussenbetrag ihre Leistungsfähigkeit offensichtlich weit übersteigt, mag der Mitleid erregenden Frau gegenüber aus Kommiserationsgründen trotzdem ein Gnadenakt ergehen. Wir erinnern a,n die antragsgemässe Schlussnalime im Falle der Elise Bosé (Bundesblatt 1928, II, S. 150, Nr. 68, des II. Berichtes vom 15. Mai 1923) und beantragen, ·die verbleibenden Fr. 250 zu erlassen.

6. Fritz Reinhard, verurteilt am 17. November 1924 vom Gerichtspräsidenten von Trachselwald zu 8 Tagen Gefängnis, laut Urteilsdispositiv mit dem Zusatz, der Richter mache vom Becht Gebrauch, den Verurteilten zur Begnadi·gung zu empfehlen.

Reinhard, der in der Armenanstalt Sumiswald als Melker angestellt ist und achtzehn Kühe zu besorgen hat, setzte der Milch im letzton Jahr während zweieinhalb Monaten Wasser zu.

Eeinhard ersucht um Erlass der Strafe. Da er nicht vorbestraft sei, möge man ihm, namentlich mit Rücksicht auf Frau und Kinder, die Schande des Strafvollzuges ersparen. Er bereue die Verfehlungen aufrichtig und habe dem Käser den Schaden ersetzt.

Der stellvortretende Gerichtspräsident von
Trachselwald empfiehlt das Gesuch in einer besondern Vernebmlassung, wo er sich dahin ausspricht, Reinhard habe aus Leichtsinn und. Dummheit gehandelt. Der Fall eigne sich desJialb zur Begnadigung, weil der Richter dem Beschuldigten angesichts des guten Leumundes sicher den bedingten Straforlass zugebilligt hätte, sofern dies ·gesetzlich möglich gewesen wäre. Die Direktion des Innern des Kantons Bern "Schliesst sich der richterlichen Empfehlung an, indem der Straf Vollzug nach der Lage des Falles auf den Charakter des Bestraften eher einen nachteiligen Einfluss ausüben könnte.

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Das eidgenössische Gesundheitsamt bemerkt, es halte konsequent darauf, dass vorsätzliche Milchfälschungen von derartigem Umfang mit Freiheitsstrafen geahndet würden. Dem völligen Strafnachlass werde mithin nicht beigepflichtet. Hinwiederum erscheine eine Herabsetzung bis zu drei Tagen deshalb als angemessen, weil die Verfehlung nicht in gewinnsüchtiger Absicht erfolgt sei und der bis anhin gut beleumdete Verurteilte keine Vorstrafe aufweise.

In Abwägung der verschiedenen Stellungnahmen möchten wir zunächst hervorheben, dass der urteilende Eichter die gänzliche Begnadigung in besonders nachdrücklicher Weise befürwortet. Dabei ist er sich durchaus bewusst, dass ein schwererer Fall von Milchfälschung vorliegt. Nach Ansicht des Kichters und der kantonalen Direktion des Innern soll aber die Eigenart des Beweggrundes zur Milchfälschung gestatten, dem ini übrigen durchaus achtbaren Gesuchsteller die Strafe- gnadenhalber zu erlassen. Auf Grund der ganzen Aktenlage ist es nämlich glaubhaft, dass, laut Urteilsmotiven, «nur der eitleVorsatz, andern Melkern in der Milchlieferung nicht nachzustehen», Reinhard!

zu seinen Machenschaften bewogen hat. Ohne das verwerfliche Tun zu beschönigen, liegt es im vorliegenden Falle nahe, die fehlerhafte Betätigung des Ehrgeizes hauptsächlich auf mangelnde Einsicht zurückzuführen, und aus diesem letztern Grund dem sonst makellosen Gesuchsteller im Begnadigungsweg nach Möglichkeit entgegenzukommen. Eine weitere Frage ist sodann, ob lediglich, wie es das Gesundheitsamt beantragt, eine Herabsetzung der Gefängnisstrafe vorgenommen werden soll, oder ob allenfalls die Gefängnisstrafe bedingt oder sogar gänzlich zu erlassen sei.

Nach eingehender Überprüfung der Angelegenheit entschUesseii wir uns aus den Erwägungen, wie sie der Einführung der bedingten Begnadigimg im allgemeinen zugrunde liegen, zum Antrag, die Gefängnisstrafe von 8 Tagen sei bedingt zu erlassen, unter Auferlegung einer Probezeit von 5 Jahren, und al» Bedingung besonders hervorzuheben, dass Bernhard während der Probezeit nicht neuerdings ein vorsätzliches Vergehen verübe. Es spricht für Bernhard, dass ihn die Verwaltung der Annenanstalt Sumiswald in ihrem Dienst behalten hat, auch möchten wir einigermassen auf Frau und Kinder Bücksicht nehmen.

7. Marc Vidoudez, verurteilt am 8. Juli 1924 vom Polizeigericht des
Kantons Genf zu 30 Tagen Gefängnis unter Zubilligung dos bedingten Strafaufschubs, welch letzterer hernach von der kantonalen Oberinstanz auf Appellation der Staatsanwaltschaft hin aufgehoben wurde, und zu Fr. 80 Busse.

Vidoudez hat als Knecht wiederholt von der gemolkenen Milch getrunken und jeweils die fehlende Milchnienge durch Wasser ersetzt, obschon er wusste, dass. die Milch für den Konsum bestimmt war.

Vidoudez ersucht um Erlass der Freiheitsstrafe. Er sei Witwer und habe an den Unterhalt von drei Kindern beizutragen ; man möge diese nicht um den Tagesverdienst des Vaters bringen.

349" In den Akten befindet sich ein günstig lautender Polizeibericht. Die Staatsanwaltschaft des Kantons .Genf bemerkt, die kantonale Rekursinstanz habe ihrer Praxis gemäss lediglich die mit der Gewährung des bedingten Strafaufschubes begangene Rechtsverletzung aufgehoben, ohne im übrigen die erkannte Strafe nachzuprüfen. Die teilweise Begnadigung wird befürwortet.

Das eidgenössische Gesundheitsamt erachtet, im wesentlichen aus den..

Erwägungen der kantonalen Staatsanwaltschaft, dass nach bisheriger Praxis und in Würdigung der Gesuchsanbringen eine Herabsetzung der Gefängnisstrafe bis zu 7 Tagen angemessen sei. Abschliessend.beantragen wir Herabsetzung der Gefängnisstrafe bis zu 4 Tagen.

8. Heinrich Hunziker, verurteilt am 6. Januar 1925 vom Bezirksgericht Kulm zu 2 Tagen Gefangenschaft und Fr. 80 Busse.

Hunziker hat eines Tages als Knecht der Milch Wasser zugesetzt, weil, wie er sagt, eine Kuh ihm beim Melken den Kessel umgestossen und zum Teil ausgeleert habe.

Hunziker ersucht um Erlass der Freiheitsstrafe, da die Busse mit den Kosten.

Strafe genug sei. Er habe das Melken lediglich wegen Unpässlichkeit des Knechtes besorgt und dabei Missgeschick gehabt. Dem Strafrichter sei hier ein.

«unschuldiger Verbrecher» in die Hände gelaufen. Hunziker sei ohne Vorstrafe und habe sich bis anhin strenge gehütet, mit dem Straf richter in Konflikt zu kommen.

Das Bezirksgericht Kulm überlässt die Behandlung des Gesuches der zuständigen Behörde. Das eidgenössische Gesundheitsamt beantragt Abweisung. Es handle sich um vorsätzliche Milchfälschung von erheblichem Mass (zirka 24 %) ; die Verhängung von Freiheitsstrafen sei ein Fortschritt derRechtsprechung, der im Begnadigungsweg nicht preisgegeben werden solle,, wenn nicht ganz zwingende Gründe vorlägen.

Wir beantragen Abweisung, Nach der kantonalen Strafregistratur weist Hunziker eine, wenn auch weit zurückliegende Gefängnisstrafe auf; er ist mithin, worin die Gesuchsanbringen immerhin zu berichtigen sind, mit dem Strafrichter bereits in Konflikt gekommen. Massgebend ist aber, dass derledige, gemäss Art. 370 ZGB unter Vormundschaft gestellte Gesuchsteller imBegnadigungswege nicht das besondere Interesse erweckt, das ausnahmsweise,, wie im Falle Reinhard, einen weitgehenden Gnadenakt befürworten lässt, Unter diesen Umständen mag es bei der kurzen Freiheitsstrafe
sein Bewenden haben.

9. Pauline Bühler, verurteilt am 4. Februar 1925 vom Bezirksgericht Rheinfelden zu 4 Tagen Gefangenschaft und Fr. 50 Busse.

Frau Bühler hat während 2--3 Wochen der Vollmilch zirka 23,7 % Wasserzugesetzt.

Für Frau Bühler ersucht der Ehemann um Begnadigung; er nennt hierzu, ein Leiden, das der Ehefrau gefährlich werden könnte.

850 Wir beantragen mit dem eidgenössischen Gesundheitsamt, das Gesuch abzuweisen. Nach den Angaben der Verurteilten und ihres Ehemannes ist der "Wasserzusatz «aus Eache» erfolgt, um den Ausfall an Milch von einer wegen Tuberkuloseverdachtes zu niederem Preis vorkauften Kuh einzuholen.

Die Familie hat einen kleinen Landwirtschaftsbetrieb; wie der vom Bezirksgericht Bheinfelden beschaffte Bericht über Familien-, Erwerbs- und Vermögensyerhältnisse ergibt, besteht keine Notlage. Das urteilende Gericht begründet die Strafausmessung ausdrücklich mit der bisherigen Gerichtspraxis.

10. Johann Müller, verurteilt am 8. November 1924 vom Gerichtspräsidenten von Thun zu 8 Tagen Gefangenschaft und Fr. 50 Busse.

Müller hat im letzten Jahr als Inhaber eines vom Vater erstandenen Heimwesens in Oberlangenegg während zwei Monaten der Milch in -fortgesetzter Weise bis zu 30% Wasser zugesetzt.

Müller ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe oder Umwandlung in eine '. Busse. In der nicht selbst verfassten Eingabe wird namentlich gesagt, der Gesuchsteller bereue die aus Leichtsinn und ohne Überlegung begangene Verfehlung sehr. Infolge der Verurteilung habe er das Heimwesen verkauft; die Schande drücke ihn zu stark, um unter den bisherigen Bekannten verbleiben ::zu können. Heute diene er in Bümpliz zur Zufriedenheit seines Meisters als Karrer.

Der Gemeinderat von Oberlangenegg empfiehlt das Gesuch. Der Regiorungsstatthalter des Amtsbezirkes pflichtet dem Gemeinderat bei, sofern die Schwere des Deliktes überhaupt eine Begnadigung zulasse. Die Direktion des Innern des Kantons Bern stellt zunächst fest, dass der Fall sich zur Begnadigung wenig eigne, fügt aber bei; «Anderseits geht aus den Akten doch auch hervor, dass man es in Müller nicht mit einem verdorbenen Manne zu tun hat.

Dass er den Fleck, eine Gefängnisstrafe auf seinem Leben lasten zu haben, mit aller Kraft abwehren will, spricht für ihn. Man muss die Mentalität, die im 7Bernervolke mit Bezug auf das Infamierende einer Gefängnisstrafe besteht, verstehen und sich ihrer freuen. Geld will Müller ohne weiteres geben und solches in harter Arbeit erwerben, um den Schandfleck der Gefängnisstrafe nicht auf sich laden zu müssen. » Im Anschluss daran wird die Umwandlung der Gefangenschaft in Fr. 80 Busse beantragt. Die kantonale Polizeidirektion schreibt demgegenüber,
da der urteilende Eich ter alle mildernden Umstände berücksichtigt habe, könne das Gesuch nicht empfohlen werden. Das eidgenössische Gesundheitsamt schliesslich bezeichnet die erkannte Strafe als sehr mild und spricht sich durchaus für Abweisung aus.

Wir b e a n t r a g e n Abweisung, in Erwägung, dass die Verhältnisse des ledigen Gesuchstellers einen Gnadenakt nicht besonders nahelegen. Müller befand sich nicht in einer Notlage, auch wenn er mit seinem Heimwesen einen etwas schwierigen Stand gehabt haben mag. Wie der Gemeinderat von Ober.langenegg im Laufe des Strafverfahrens zutreffend schreibt, hat bei Müller die Habsucht gesiegt. Das Heimwesen soll er mit Gewinn verkauft haben.

351 11. Fritz Bütikofer, verurteilt am 24. Oktober 1924 vom Amtsgericht Münster zu 30 Tagen Gefängnis, Fr. 800 Busse und Urteilspublikation.

Bütikofer hat im August letzten Jahres aus seinem Betrieb unter zwei Malen verfälschte Milch in die Käserei verbracht; am 19. August wies die Milch einen Wasserzusatz von 79 %, am 22. August von 26 % auf.

Bütikofer, der gleich der Ehefrau im Strafverfahren die Milchverfälschung beständig bestritten hat, schreibt in seinem Gesuch um Erlass der Gefängnisstrafe, er könne mit gutem Gewissen sagen, dass weder er, noch seine Frau, noch die Kinder die Milch verwässert hätten. Verdächtig soll eine Frauensperson sein, die damals das Haus als Mieterin bewohnt habe und kurze Zeit hernach ohne Grund weggezogen sei. Mit Bücksicht auf seine Familienlasten und zur Vermeidung eines längern Verdienstausfalles möge man ihm die Gefängnisstrafe erlassen.

Der Gomeinderat von Courrendlin, der Regierungsstatthalter von Münster, die Direktionen des Innern und der Polizei des Kantons Bern, ebenso das eid.genössische Gesundheitsamt, beantragen einhellig Abweisung.

Unserseits bemerken wir zunächst, wie in frühern Angelegenheiten, dass es nicht Sache der Begnadigungsbehörde sein kann, ohne zwingende Gründe auf die Schuldfrage zurückzukommen (zu vgl. Ausführungen i. S. André, Nr. 5 des I. Berichtes vom 18. Mai 1924, Bundesblatt II, 248). Da Bütikofer der Milchverfälschung nicht überführt werden konnte, hat das Gericht sein Urteil auf Art. 37 des Lebensrnittelpolizeigesetzes gegründet und ihn wegen vorsätzlicher Lieferung verfälschter Milch verurteilt. Wenn das Gericht, bei der unerhörten Verwässerung von 79 % und der wiederholten Wässerung drei 'Tage nach erstmaliger Beanstandung, die Schuldfrage im Zusammenhang mit dem übrigen Akteninhalt bejahte, so hat es hierin im Rahmen des kantonalen Strafprozessrechtes gehandelt und in keiner Weise eine eidgenössische Bechtsvorschrift verletzt. Übrigens hat Bütikofer die eingereichte Appellation einen Tag vor der Verhandlung von sich aus zurückgezogen. Das Strafmass ist zwar hoch gegriffen, und man könnte sich allenfalls fragen, ob das Gericht nicht besser getan hätte, es dem Antrag der Staatsanwaltschaft gemäss bei einer Gefängnisstrafe von zwanzig Tagen bewenden zu lassen. Immerhin haben wir nicht genügende Veranlassung, um in dem Straffall,
der sämtlichen im gerichtlichen Verfahren beteiligten Personen und auch den heute Antrag stellenden Behörden einen besonders ungünstigen Eindruck machte, nunmehr der Begnadigung das Wort zu reden.

Wir beantragen mithin mit den Vorinstanzen, das Gesuch abzuweisen.

12. Robert Keller, verurteilt am 30. Oktober 1924 vom Bezirksgericht Baden zu Fr. 15 Busse.

Keller hat teotz entgegenstehendem Verbot mit Fleischwürsten hausiert.

Keller ersucht um Erlass der Busse, da er in Unkenntnis des Verbotes hausiert habe und für Frau und Kind sorgen müsse.

302 Das Polizeikommando des Kantone Aargau teilt mit, dass in Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse des Gesuchstellers gegen den Erlass der Busse nichts einzuwenden wäre, dagegen erweise sich eine Begnadigung deshalb ab ungerechtfertigt, weil Keller innert kurzer Zeit rückfällig geworden sei.

Der Präsident des Bezirksgerichtes Baden und das eidgenössische Veterinäramt erachten den Bussenerlass als angebracht, sofern der Gesuchsteller tatsächlich ohne regelmässigen Verdienst sei.

Wir beantragen aus der vom Polizeikommando geltend gemachten Erwägung, den Gesuchsteller abzuweisen.

18. Lucien-Clément Desbiolles, geb. 1888, Likörhändler, Carouge (Genf).

14. Jeanne Cheueval-Delitroz, geb. 1897, Plainpalais (Genf).

(Absinthverbot.)

Wegen Übertretung des Bundesgesetzes betreffend das. Absinthverbot vom 24. Juni 1910 sind verurteilt worden: 18. Lucien-Clément Desbiolles, verurteilt am 8. November 1924 von der Cour de Justice des Kantons Genf in Bestätigung des erstinstanzlichen Entscheides AU Fr. 300 Busso.

Desbiolles hat in Genf verschiedenen Wirten eine Absinthnachahmung verkauft.

Desbiolles, der an die Busse Fr. 150 bezahlt hat, ersucht um Erlass oder doch um wesentliche Ermässigung der Eestbusse. In den Gesuchsanbringen wird, wie vor den urteilenden Gerichten, geltend gemacht, Desbiolles sei in.

der ganzen Angelegenheit gutgläubig gewesen, indem das von ihm verkaufte Extrakt keine Absinthnachahmung darstelle und überdies nicht bestimmt gewesen sei, in der von ihm den Wirten gelieferten Beschaffung ausgeschenkt zu werden. Die Busse von Fr. 800 sei bei seinen Verhältnissen übermässig hoch.

Die Staatsanwaltschaft des Kantons'Genf kann das Gesuch nicht befürworten und das eidgenössische Gesundheitsamt beantragt Abweisung. Nach den Akten habe Desbiolles unzweifelhaft als Hersteller einer Absmthnachahmung zu gelten, deren Gehalt an ätherischen Ölen das erlaubte Mass rund', zehnmal übersteige.

Wir beantragen desgleichen Abweisung. Einerseits kann es nicht angehen, im Begnadigungswege ohne zwingenden Grund auf Tatbestands-, Beweis- und Subsumtionsfragen zurückzukommen, und anderseits gibt auch die Bussenbemessung nach der Lage des Falles und der Person des Gesuchstellers zu einer gnadenweisen Ermässigung nicht Anlass. La letzterer Hinsicht beziehen wir uns namentlich auf die Ausführungen im
Genfer Polizeibericht.

14, Jeanne Cheneval, verurteilt am 24. Januar 1925 von der Cour de Justice des Kantons Genf in Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils zu 8 Tagen Gefängnis und Fr. 100 Busse.

353 Frau Cheneval, die als Absinthhändlerin bekannt ist, fällt im vorliegenden l'ali Gehilfenschaft bei Herstellung von Absinth zur Last.

Die Verurteilte hat am 29. Januar aus der Strafanstalt, und zwar nach Yerbüssung von 5 Tagen, ein Begnadigungsgesuch eingereicht. Die Bundesanwaltschaft wandte sich in der Angelegenheit unverzüglich an die kantonale Staatsanwaltschaft, die sich in der Folge dahin äusserte, nach Verbüssung der Gefängnisstrafe könne es sich im Begnadigungsweg einzig noch um die Busse handeln; bei den erschwerenden Verumständungen des Falles komme jedoch lediglich die Zubilligung von Batenzahlungen in Betracht.

Wir beantragen mit dem eidgenössischen Gesundheitsamt, das Gesuch, soweit es nicht gegenstandslos ist, ohne weiteres abzuweisen. Besondere Begnadigungsgründe bestehen rieht, namentlich nicht, da Eückfall vorliegt.

15. Jakob Stehler, geb. 1866, Säger, Schottland (Aargau).

(Kranken- und Unfallversicherungsgesetz.)

15, Jakob Stebler ist am 5. September 1924 vom Bezirksgericht Kulm in Anwendung der Art. 65, Abs. l, und 66 des Bundesgesetzes über die Krankenund Unfallversicherung vom 18. Juni 1911 zu Fr. 200 Busse verurteilt worden.

Dem Gerichtsurteil ist zu entnehmen, dass Stebler Weisungen der Unfallversicherungsanstalt betreffend Einführung bestimmter Schutzvorkehren in seinem Betrieb beharrlich missachtet hat. In Betracht kommen namentlich Vorrichtungen an Kreissägen.

Für Stebler wird um Erlass der Busse ersucht und hierzu, hauptsächlich in Wiederholung früherer Verteidigungsanbrmgen, geltend gemacht, die Nichterstellung der geforderten Unfallverhütungsmassnahmen sei nicht aus blosser Eenitenz unterblieben, sondern in der festen Überzeugung, dass die ergangenen Weisungen unzweckmässig und «bürokratisch» seien. Jedenfalls sei die Busse viel zu hoch und ungerecht. Stebler äussert sich ausserdem in einem persönlichen Schreiben.

Das Bezirksgericht Kulm nimmt von einer Antragstellung Umgang.

In den Akten befindet sich eine ausführlich gehaltene Vernehmlassung der schweizerischen Unfallversicherungsanstalt, worin die Gesuchsanbringen in schlüssiger Weise widerlegt werden. Bezeichnend für die Angelegenheit ist ferner der neueste Briefwechsel zwischen der Anstalt und Stebler und die Ansichtsäusserung der Kommission des Schweizerischen Gewerbeverbandes vom 27. Februar 1925,
welche Stebler riet, das Begnadigungsgesuch, das aussichtslos sei, zurückzuziehen.

· Die Überprüfung der Angelegenheit muss unseres Erachtens dazu führen, die Einreichung dieses Gesuches als verfehlte Massnahme zu bezeichnen, insbesondere was die Schreibweise Stehlers anbetrifft. Es kann sich hier nicht darum handeln, die Vernehmlassung der Unfallversicherungsanstalt in den

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Einzelheiten wiederzugeben; dagegen soll hervorgehoben werden, dass sie mit den richterlichen Peststellungen und Erwägungen übereinstimmt. Wir begnügen, uns deshalb, die Urteilserwägungen festzuhalten und zu beantragen, dasGesuch Stehlers sei ohne weiteres.abzuweisen.

16. Emma Travagliai, geb. 1882.

17. Martha Marie Eunz, geb. 1898, beide Fabrikarbeiterinnen, Bern.

(Pockenschutzimpfung.)

Gestützt auf Art. 9 des Bundesgesetzes betreffend Massnahmen gegen gemeingefährliche Epidemien vom 2. Juli 1886 in Verbindung mit dem Bundesratsbeschluss über die Pockenschutziinpfung vom 28. April 1928 sind vom Gerichtspräsidenten von Bern bestraft worden: .

16. Emma Travagliai am 4. Juli 1924 zu Fr. 10 Busse.

17. Martha Marie Kunz am 14. August 1924 zu Fr. 10 Busse.

Die Vorgenannten gehören zu einer Eeihe von Personen, die sich im Dezember 1923 beim Ausbruch der Pocken in einer Fabrik auf dem Platze Bern, der angeordneten Schutzimpfung nicht unterziehen wollten.

Beide ersuchen um Erlass der Busse. Frau Travaglini macht unter anderem namentlich geltend, dass sie als alleinstehende Frau mit drei schulpflichtigen Kindern infolge langer Krankheit mit allem in Bückstand gekommen sei, weshalb sie die Busse von Fr. 10 nicht entrichten könne. Martha Kunz verweist auf längere Arbeitslosigkeit infolge eines körperlichen Leidens und bestehende Unterstützungspflichten gegenüber ihrer Mutter.

Die Polizeidirektion der Stadt Bern bestätigt in beiden Fällen die Richtigkeit der Gesuchsanbringen und beantragt, den Gesuchen zu entsprechen.

Dasselbe beantragen der Regierungsstatthalter von Bern und die kantonalen.

Sanitäts- und Polizeidirektionen.

Demgegenüber spricht sich das eidgenössische Gesundheitsamt gegen die gänzliche Begnadigung aus. Bei Ausbruch einer Epidemie sei alles daran zu setzen, die Durcbimpfung der gefährdeten Volkskreise herbeizuführen. Die Weigerung, sich impfen zu lassen, sei bei beiden Gesuchstellerinnen ohne stichhaltigen Grund erfolgt. Falls man den in den Gesuchsanbringen geltend gemachten Verhältnissen überhaupt Rechnung tragen wolle, habe dies höchstens durch Herabsetzung der Bussen um die Hälfte zu geschehen.

Unseres Erachtens muss dem Gesundheitsamt dem Grundsatze nach beigepflichtet werden; bei den an sich mässig gehaltenen Bussen ist derartigen.

Gesuchsfällen gegenüber ohnehin besondere Zurückhaltung geboten. Wir beantragen in den vorliegenden Angelegenheiten, die Bussen aus den von der Polizeidirektion der Stadt Bern geltend gemachten Kommiserationsgründen auf Fr. 5 herabzusetzen.

35& 18. Albert Scheuble, geb. 1907, Lienheiin (Baden).

(Tierseuchenpolizei.)

18. Albert Scheuble ist am 22. Oktober 1924 vom Bezirksgericht Zurzach in Anwendung der Art. 14, Abs. l, und 15 des Bundesgesetzes betreffend die Bekämpfung von Tierseuchen vom 13. Juni 1917 zu'Fr. 80 Busse verurteilt worden, weil er trotz Grenzsperre einen Hund eingeschmuggelt hatte.

Scheuble ersucht um Erlass oder doch Ermässigung der Busse. Hierzu macht er Unkenntnis der tierseuchenpolizeilichen Massnahmen geltend und begründet die Entfernung des Hundes aus Lienheiin damit, dass er die doppelte Hundesteuer hätte bezahlen sollen, was ihm bei seinen ärmlichen Verhältnissen., unmöglich gewesen sei, weshalb er den Hund über die Grenze gebracht habe, um der Tötung des Tieres zuvorzukommen.

Das Bezirksgericht Zurzach beantragt Abweisung.

Das eidgenössische Veterinäramt bemerkt, es handle sich um eine Übertretung von Massnahmen, welche zur Verhinderung der Einschleppung von.

Tollwut erlassen worden seien. Derartige Massnahmen müssten mit Strenge gehandhabt werden. Die Aufhebung der geringen Busse käme einer Aufmunterung zu weiterer Missachtung der Grenzsperre gleich.

"Wir beantragen ebenfalls Abweisung.

19.

20.

31.

32.

23.

34.

Adolf Herren, geb. 1869, Landwirt, Neuenegg (Bern).

Franz Tschirky, geb. 1895, Maurer, Mels (St. Gallen).

Gottlieb Mattet, geb. 1901, Fabrikarbeiter, Unterentfelden (Aargau).

Johann Kräuchi, geb. 1888, Handlanger, Bäriswil (Bern).

Peter Röthlisberger, geb. 1900, Knecht, Trachselwald (Bern).

Albert Schürmann, geb. 1882, Metzger und Landarbeiter, Steckborn.

(Thurgau).

25. Christian Aggeler, geb. 1902, Hirt, Weisstannen (St. Gallen).

26. Bernhard Aggeler, geb. 1898, Hirt, Weisstannen (St. Gallen).

27. Alois Thoma, geb. 1884, Landwirt, Betlis (St. Gallen).

28. Alois Thoma, geb. 1905, 29. Simon Thoma, geb. 1902, 30. Franz Omür, geb. 1902, 81. Beat Gmür, geb. 1903, 32. Urban Gmür, geb. 1906, alles Landwirte in Amden (St. Gallen).

(Jagdpolizei.)

In Anwendung des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz vom 24. Juni 1904, zum Teil in Verbindung mit kantonalem Jagdrecht, sind verurteilt worden:;

'356 19. Adolf Herren, verurteilt am 26. November 1924 vom Gerichtspräsi-denten von Laupen in Anwendung von Art. 21, Ziff. 5, lit. a, des Bundesgesetzes zu Fr. 40 Busse.

Herren schoss auf seinem Grundstück einen Hasen ab.

Herren ersucht um Erlass der Busse, wozu er geltend macht, der abge.schossene Hase habe ihm während längerer Zeit in seinem Krautgarten argen Schaden gestiftet; ein mit dem Abschuss betrauter Patentjäger sei trotz wiederholtem Ersuchen ausgeblieben. Ferner wird hervorgehoben, dass Herren den Vorfall noch gleichen Tags dem Eegierungsstatthalter des Amtsbezirkes zu "Kenntnis gebracht habe.

Der Eegierungsstatthalter von Laupen, die Forst- und die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragen Ermässigung der Busse bis zu Fr. 10.

Da die Gesuchsanbringen von den bernischen Behörden als richtig bezeichnet werden und es sich um eine geringfügige Angelegenheit handelt, beantragen wir mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei, die Busse bis zu Fr. 10 herabzusetzen.

20. Franz Tschirky, verurteilt am 6. Januar 1925 von der Bekurskommission des Kantonsgerichts St. Gallen in Anwendung von Art. 21, Ziffer 5, Jit. a, und 24 des Bundesgesetzes zu .Fr. 40 Busse und Konfiskation des erlegten Steinadlers.

Tschirky hat in der Nähe seines Hauses, 42 m vom Wohnhaus und 16 in von der Scheune entfernt, auf einen Steinadler geschossen und, nachdem der Schuss fehlgegangen war, den infolge einer frühern Verwundung in seiner Beweglichkeit gehemmten Vogel erwürgt. Da die kantonale Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz dem Grundeigentümer den Abschuss nur im Umkreis von 30 m von bewohnten Gebäuden erlaubt, machte sich Tschirky strafbar.

In dem für Tschirky eingereichten Begnadigungsgesuch wird auf die ^Besonderheit des Falles näher eingetreten mit dem Ersuchen, die Busse zu · erlassen und die Konfiskation aufzuheben.

Das Justizdepartement des Kantons St. Gallen befürwortet in Berücksichtigung der Eigenart des Falles die Ermässigung der Busse bis zu Fr. 10.

Wir beantragen mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei desgleichen, die Busse bis au Fr. 10 zu ermässigen, da es glaubhaft ist, dass Tschirky sich zur Tötung des Vogels berechtigt wähnte.

^Hinwiederum ist eine Gesetzesübertretung vorhanden, weshalb sich nach der Lage des Falles weder der
gänzliche Erlass der Busse noch die Aufhebung der ^Konfiskation rechtfertigt.

21. Gottlieb Matter, verurteilt am 10. September 1924 vom Bezirksgericht .Aarau in Anwendung von Art. 21, Ziffer 5, lit. a, des Bundesgesetzes zu 'Fr. 50 Busse.

Matter wurde an einem Dezembersonntag des Jahros 1922 mit zwei andern auf der Eichhörnchenjagd betroffen.

357 Matter ersucht um Erlass der Busse mit dem Hinweis auf monatelange Krankheit und längern Aufenthalt in einer Heilanstalt, was ihm die Bezahlung der Busse erschwere.

Das Bezirksgericht Aarau empfiehlt den Gesuchsteller zur Begnadigung, wogegen die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei Abweisung beantragt, da die Busse nicht derart sei, dass der ledige Matter sie nicht aufbringen könne.

In Berücksichtigung der Erledigung früherer, gleichartiger Angelegenheiten und in Erwägung, dass dio Beteiligung Matters an dem in Betracht kommenden Vorfall nach den Akten nicht schwerwiegender Art ist, beantragen ·wir, die Busse bis zu Fr. 10 zu ermässigen.

22. Johann Kräuchi, verurteilt am 5. November 1924 vom Gerichtspräsidenten von Fraubrunnen in Anwendung von Art. 21, Ziffer 4, lit. a, des Bundesgesotzes zu Fr. 100 Busse.

Kräuchi wurde an einem Oktobersonntag des Jahres 1924 mit einer versteckt getragenen zerlegbaren Flobertpistole in Waldgebiet betroffen.

Kräuchi ersucht um Erlass der Busse, deren Bezahlung ihm bei seinen Fa·railienlasten, insbesondere der Unterhaltspflicht für drei jüngere Kinder, un:mÖglich sei.

Der Begierungsstatthalter von Fraubrunnen erachtet die Busse als etwas hoch, und die Forst- und Polizeidiroktionen des Kantons Bern befürworten die ^Ermässigung um die Hälfte, d. h. bis zum gesetzlichen Mindestbctrag von Fr. 50.

In Berücksichtigung der bescheidenen Verhältnisse des Gesuchstellers ·und seiner Familienlasten beantragen wir mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei desgleichen, die Busse bis zu Fr. 50 zu ermässigen. Eine weitergehende Begnadigung ist nach der Lage des Falles nicht gerechtfertigt.

23. Peter Böthlisberger, verurteilt am 1. Mai 1924 vom Gerichtspräsidenten von Trachselwald in Anwendung von Art. 21, Ziffer 4, lit, a, des Bundesgesetzes zu Fr. 50 Busse.

Böthlisberger lag an einem Junisonntag des Jahres 1923 mit einem Bruder · der Jagd ob; sie schössen vier junge Habichte ab.

Das von den beiden Böthlisberger gemeinsam eingereichte Begnadigungsgesuch steht heute nur bezüglich des Peter Eöthlisberger zu Behandlung, da der Bruder nachträglich die Busse bezahlt hat. In dem Gesuch um Erlass oder doch Ermässigung der Busse wird namentlich angebracht, der Bestrafte habe nicht wissen können, dass der Abschuss des
schädlichen Habichtes dem Jagdgesetz zuwiderlaufe. Unter allen Umständen sei die Strafe zu hoch, namentlich wenn das Strafmindestmass des kantonalen Jagdgesetzes gewürdigt werde, «das Fr. 20 betrage.

Bundesblatt. 77. Jahrg. Bd. II.

26

358 Der Regierungsstatthalter des Amtsbezirkes befürwortet die Herabsetzung der Busse bis zu Fr. 20, wogegen die Forst- und Polizeidirektionen des Kantons Bern Abweisung beantragen, da eine ausgesprochene Sonntagsjagd in Betracht komme.

Wir beantragen mit der eidgenössischen Inspektion für Porstwesen, Jagd und Fischerei ebenfalls, das Gesuch abzuweisen. Besondere Begnadigungsgründe liegen nicht vor; Peter Eöthlisberger hätte gewiss besser getan, die Urteilsfolgen gleich seinem Bruder auf sich zu nehmen.

24. Albert Schürmann, gemäss Erkenntnis des Bezirksstatthalters von Steckborn vom 11. November 1924 in Anwendung von Art. 21, Ziff. l, des Bundesgesetzes mit Fr. 500 gebüsst.

Schürmann hat im Herbst letzten Jahres in einem Wald eine Selbstschussvorrichtung angebracht; in der Folge wurde einem Hund eine Pfote durchschossen.

Für Schürmann wird ersucht, die Busse von Fr. 500, wenn nicht vollständig1 aufzuheben, so doch ganz bedeutend zu ermässigen. Die von einem Bevollmächtigten verfasste, längere Eingabe enthält namentlich den Hinweis, die Selbstschussvorrichtung sei eines Fuchses wegen angebracht worden, der al» Hühnerräuber arg gehaust habe; mehrere Landwirte hätten Schürmann beauftragt, den Fuchs unschädlich zu machen. Der Selbstschuss sei in dichtem.

Tannenwald und an einem abgelegenen Ort aufgestellt gewesen. Auf Grund des Sachverhaltes habe Schürmann die Busse mangels Schuldbewusstseins zunächst bestreiten wollen; da es sich jedoch um ein formales Polizeidelikt und die Verletzung eines Verbotes handle, sei ihm angeraten worden, die Busse anzuerkennen, in der Meinung, das Bussenerkenntnis könne im Begnadigungsweg abgeändert werden. Schürmann könne keineswegs als «ganz gefährlicher Frevler» gelten, da er wegen Jagdvergehens noch keine Vorstrafe aufweise. Die Busse von Fr. 500 sei im Verhältnis zum Verschulden und zu den Folgen des konkreten Falles aussergewöhnlich hoch -und hart, namentlich auch, wenn man.

sich die herkömmliche Bestrafung fahrlässiger Eisenbahngefährdungen mit.

Sachschaden, Verletzung oder gar Tötungen, oder die Bestrafung fahrlässiger Körperverletzungen und Tötungsdelikte vergegenwärtige. -Auch die persönlichen Verhältnisse sprächen entschieden für starke Milderung der Busse.

Schürmann verdiene wenig und müsse für sechs unmündige Kinder aufkommen. Einem allfälligen
Bedürfnis nach Sühne würde eine Busse von etwa».

Fr. 50 vollauf Genüge tun.

In der Akten befinden sich Vernehmlassungen von Jagdaufsehern, ferner ein Bericht des Bezirksamtes Steckborn, das wie die Jagdaufseher Abweisung: beantragt. Das Polizeidepartement des Kantons Thurgau beantragt desgleichen Abweisung.

Unserseits bemerken wir mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei, dass das Anbringen von Selbstschüssen wegen der Gemeingefährlichkeit derartiger Vorrichtungen vom Jagdgesetz mit der

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schärfsten Strafe bedroht wird. Auf Grund der Akten ist den Gesuchsanbringen gegenüber zu betonen, dass die begangene Gesetzesübertretung nach den vorhandenen Umständen schwerer Art ist; bezeichnenderweise lautet eine amtliche Äusserung dabin, Schürmann sei füglich als gefährlicher Frevler zu bezeichnen, wenn er in offenem Wald einen Selbstschuss stelle und diesen auch Über Tag gespannt stehen lasse.

Angesichts der dem Gesuchsteller wenig günstigen Berichte der kantonalen Amtsstellen beantragen wir mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei, das Gesuch abzuweisen.

25 und 26. Christian und Bernhard Aggeler,- verurteilt am 25. November 1924 von der Gerichtskommission Sargans in Anwendung kantonaler Ausführungsbestimmungen zum Bundesgesetz je zu Fr. 50 Busse, Christian Aggeler ausserdem zu 3 Jahren Jagdberechtigungsentzug.

Aggeler, Bernhard, hat ein zerlegbares Gewehr durch Freiberggebiet getragen und die Waffe hernach im Schongebiet auch gebraucht ; bezeichnenderweise waren die Patronen, soweit sie sich noch vorfanden, um wirksamer zu sein, an der Spitze angefeilt. Aggeler, Christian, ist wegen Gehilfenschaft mitbestraft worden, weil er dem Bruder die hernach zum Teil verschossene Munition in die im Schongebiet liegende Alphütte trug; da Aggeler, Christian, wegen Jagdfrevels eine Vorstrafe aufweist, musste ihm die Jagdberechtigung auf mindestens drei Jahre entzogen werden.

Aggeler, Christian, stellt 'das Gesuch, die beiden Bussen um die Hälfte zu ermässigen und ihm gegenüber den Jagdberechtigungsentzug aufzuheben.

Nach den Gesuchsanbringen soll die Vorzeigung auf einem feindseligen Akt eines Wildhüters beruhen und den Tatsachen nicht entsprechen. Die Begleichung der Bussen falle den beiden Hirten schwer. Der Jagdberechtigungsentzug, der einen Ehrverlust bedeute, sei ungerechtfertigt, weil die Vorstrafe nur einen geringfügigen Vorfall betreffe, Das Bezirksamt Sargans betont, dass Aggeler, Christian, zu Eecht bestraft worden sei, regt aber gleichzeitig an, die Dauer des Jagdberechtigungsentzuges zu kürzen, um die Jagdleidenschaft des Betroffenen im Wege des erlaubten Jagdbetriebes in gesetzliche Bahnen zu lenken. Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen befürwortet im Anschluss daran eine teilweise Aufhebung des Jagdverbotes, wogegen das kantonale Justizdepartement
Abweisung beantragt.

Wir beantragen in beiden Fällen Abweisung. Die Verfehlungen der Brüder Aggeler sind nicht leichter Art, wie namentlich die Verwendung einer zerlegbaren Waffe und angefeilter Munition dartun kann. Hinsichtlich der Vorstrafe des Aggeler, Christian, verweisen wir auf das damalige Begnadigungsgesuch, den bundesrätlichen Abweisungsantrag und die von der Bundesversammlung zugebilligte Herabsetzung der Busse von Fr. 40 bis zu Fr. 10 (Bundesblatt 1920, II, 824, Nr. 15 des I. Berichtes vom 26. April 1920).

Im übrigen erachten wir es mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei, die hinsichtlich des Jagdberechtigungsentzuges

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lediglich Abweisung zurzeit beantragt, als zweckmässig, dase Aggeler, Christian, besonders auf die Möglichkeit hingewiesen werde, bei gutem Verhalten später neuerdings um Verkürzung der Verbotszeit nachsuchen zu können.

27 bis 32. Alois Thoma, Betlis, Alois Thoma, Mennweg, Simon Thoma und die Brüder Franz, Beat und Urban Gmür, verurteilt am 26. Juni 1923 vom Bezirksgericht Gaster in Anwendung des Art. 21, Ziffer 2, lit. 6, und Ziffer 4, lit. a, des Bundesgesetzes, der erstgenannte zu Fr. 200, die andern zu Fr. 130 Busse. Ausser diesen Bussen wegen Jagdfrevels wurden sämtliche, gestützt auf kantonales Strafrecht, wegen Tierquälerei mit besondern Bussen belegt.

. Die Vorgenannten haben an einem Dezembersonntag des Jahres 1922 im Komplott die Jagd auf Behe betrieben und in der Folge einen Eehbock und zwei Eehgeissen getötet. Des nähern ergibt sich, dass sie auf Skiern die Eehe im hohen Schnee bis zur Erschöpfung verfolgten, um sie schliesslich in tierquälerischer "Weise mit Messern und Stöcken abzuschlachten.

Für die Gebüssten wird von einem Bevollmächtigten das Gesuch gestellt, die wegen Jagdfrevels erkannten Bussen um die Hälfte zu ermässigen und die wegen Tierquälerei ergangenen Bussen zu erlassen. Nach den Gesuchsanbringen soll eine vorherige Verabredung zwischen den Beteiligten nicht stattgefunden haben; der augenblickliche Entschluss, den Eehen nachzufahren, gei mehr auf jugendlichen Übermut und Mangel an Überlegung zurückzuführen.

Franz Gmür habe am Jagdfrevel überhaupt keinen Anteil. Die getrennt ausgesprochenen Bussen widersprächen Art. 33 des Bundesstrafrechtes ; übrigens hätte einzig wegen Jagdvergehens geurteilt werden sollen, indem die vermeintliche Tierquälerei im Jagddelikt aufgehe.

In der Angelegenheit hat zwischen der Bundesanwaltschaft und der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei ein Meinungsaustausch stattgefunden. Zunächst besteht Übereinstimmung darin, dass in Nachachtung des Bundesrechtes Gesamtbussen am Platze gewesen wären. Ebenso sind beide Amtsstellen darin einig, dass das rechtskräftige Gerichtsurteil heute für das Begnadigungsverfahren massgebond ist ; danach hat sich die Bundesversammlung von vorneherein einzig mit den wegen Jagdvergehens erkannten Bussen zu befassen, wogegen die Bussen wegen Tierquälerei ausschliesslich dem kantonalen
Begnadigungsrecht unterstehen. Die Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei erachtet die Ermässigung der Bussen als unangebracht.

Das Justizdepartement dos Kantons St. Gallen gibt in seinem Mitbericht bekannt, dass die Bussen von den drei Thoma nachträglich ganz bezahlt worden seien, so dass lediglich die Bussen der Brüder Gmür nicht getilgt sind.

Unserseits bemerken wir angesichts der grausamen und unrühmlichen Abschlachtung der drei Eehe, die als Akt der Eohheit bezeichnet werden muss, dass der ganze oder teilweise Erlass der wegen des Jagdvergehens erkannten Bussen schlechthin unverständlich wäre.

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Wir beantragen deshalb ohne weiteres Abweisung. Soweit die Bussen bezahlt sind, ist auf die Gesuche überhaupt nicht mehr einzutreten, desgleichen nicht auf die kantonalrechtlichen Bussen botreffend Tierquälerei.

33. Louis Andrey, geb. 1885, Müller, Tasberg (Freiburg).

84. Leo Mattmann, geb. 1885, Erdarbeiter, Dietwi] (Aargau).

85. Oskar Schneebergei, geb. 1892, Baumeister, Herzogenbuchseo (Bern).

(Fischereipolizei.)

In Anwendung des Bundesgesetzes betreffend die Fischerei vom 21. Dezember 1888 sind verurteilt worden: 33. Louis Andrey, verurteilt am 4. September 1924 vom Gerichtspräsidenten des Sensebezirkes zu Fr, 850 Busse.

Andrey hat den Muhlebach zum Zwecke des Fischfangs mit Chlor vergiftet und den Bach hierauf trocken gelegt, ohne dem Fischereiaufseher Kenntnis gegeben zu haben. Dem Fisehpächter entstand beträchtlicher Schaden.

Andrey ersucht um Erlass der Busse. Eine Gesuchsbegründung enthält die kurze Zuschrift nicht.

Der Oberamtmann des Sensebezirkes, die Polizeidirektion des Kantons Freiburg und die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragen einhellig Abweisung.

Wir beantragen desgleichen Abweisung. Die niederträchtige, den Fischbestand sehr schädigende Art der Fischerei muss streng geahndet werden.

Begnadigungsgründe liegen nicht vor.

34. Leo Mattmann, verurteilt am 22. Dezember 1923 vom Obergerieht des Kantons Aargau zu Fr. 200 Busse.

Mattmann und drei weitere Fischfrevler haben im Jahre 1922 an einem Sonntag, teils im Kanton Aargau, teils im Kanton Luzern, mit Dynamit dem Fischfang obgelegen. Dabei sind Fische in grosser Zahl zugrunde gegangen.

Mattmann, der an die Busse ratenweise Fr. 80 entrichtet hat, ersucht um ganzen oder doch teilweisen Erlass der Bestbusse. Er räumt ein, dass die erkannte Busse dem- begangenen Fischfrevel entspreche, macht jedoch geltend, bei seiner Armut und den vorhandenen Familienlasten, namentlich der Unterhaltspflicht für sieben unmündige Kinder, werde ihm die völlige Bussentilgung zur drückenden Last.

Die von den Gemeinderäten Dietwil und Meienberg ausgestellten Leumundszeugnisse lauten günstig. Das Bezirksgericht Muri befürwortet die Begnadigung.

.

Die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragt Abweisung des Gesuches. Das Fischen mit Sprengstoff gehöre, wie das

362 Verwenden von Giften, zu den verwerflichsten Arten des Fischereifrevels und müsse streng geahndet werden.

Wir beantragen aus den vom Gesuchsteller geltend gemachten Kommiserationsgründen eine Herabsetzung der Busse auf Fr. 50.

85. Oskar Schneeberger, verurteilt am 29. September 1924 vom Gerichtspräsidenten von Wangen zu Fr. 50 Busse.

Schneeberger hat anlässlich eines vom Staate Bern übernommenen Brückenumbaues einen Fischbach trocken gelegt, ohne den Fischenzenpächter oder die zuständige Amtsstelle hiervon zu verständigen.

Schneeberger ersucht um Erlass der Busse. Er habe angenommen, dass die kantonalen Amtsstellen die Angelegenheit mit dem Fischenzenpächter geordnet hätten, auch sei der angeblich ausgesetzte Bestand an Fischen weder von ihm, noch von seinen Arbeitern beachtet worden. Da die Arbeit für den Staat ausgeführt worden sei, erachte er es als ungerecht, dass die Busse vom Unternehmer getragen werden müsse.

Der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes beantragt Ermässigung der Busse bis zu Fr. 10, die Forstdirektion des Kantons Bern Ermässigung um die Hälfte. Der Eichter habe Art, 81, Ziff. 2, des Bundesgesetzes mit dem Mindestansatz von Fr. 50 angewendet, während die Praxis in Fällen, wo die Trockenlegung nicht zum Zwecke des Fischfangs erfolge, üblicherweise Ziffer l mit einem Strafrahmen von Fr. 5--400 zur Anwendung bringe. Es könne in Betracht gezogen werden, dass die Bauarbeiter offenbar keine Fische erbeutet hätten und dass der Zivilanspruch gütlich erledigt worden sei.

Die kantonale Finanzdirektion beantragt demgegenüber Abweisung, wozu sie mit der Baudirektion geltend macht, das Gesuch sei aus denselben Erwägungen abzuweisen wie das gleichzeitig gestellte Gesuch um Erlass der Gerichtskosten von Fr. 25. 80; die Eegelung der Trockenlegung sei selbstverständlich Sache Schneebergers gewesen, der aber, um den Aushub billiger zu erstellen, den Bach kurzerhand von sich aus abgestellt, bzw. unigeleitet habe. Dieselbe Firma habe sich vor Jahren bei einem Kanalbau in gleicher Weise strafbar gemacht.

Die kantonale Polizeidirektion schliesslich übernimmt den Antrag der Forstdirektion, weil er den besondern Umständen besser Eechnung trage.

Unserseits b e a n t r a g e n wir mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei deshalb Abweisung, weil die Busse auch
dann mässig ausgefallen ist, wenn man den Bussenrahmen von Art. 81, Ziffer l, in Betracht zieht. Da dieselbe Firma bereits bei früherem Anlass bestraft werden nmsste, wäre eine Begnadigung, wie der Oberingenieur IV des Kantons Bern betont, in der Tat gewissermassen eine Aufmunterung, es bei ähnlichen Arbeiten in dieser Hinsicht mit den Unternehmerpflichten nicht besonders ernst zu nehmen.

Zwingende Begnadigungsgründe liegen jedenfalls nicht vor.

363

36. Samuel HUfiker, geb. 1865, Bildhauer, Hendschiken (Aargau).

87. Adolphe Bandet, geb. 1888, Zigarrenhändler, Lausanne (Waadt).

(Patenttaxengesetz.)

In Anwendung des Bundesgesetzes betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden vom 24. Juni 1892 sind verurteilt worden: 36. Samuel Hilfiker, verurteilt am 1. Dezember 1924 vom Bezirksgericht Laufenburg zu Fr. 25 Busse.

Hilfiker hat, ohne im Besitze der erforderlichen Ausweiskarte zu sein, ·wiederholt Bestellungen auf Grabsteine aufgenommen.

Hilfiker ersucht um Erlass der Busse ; er sei ein gesundheitlich geschwächter, älterer Mann und habe infolge eines Spitalaufenthaltes im letzten Jahre monatelang nichts verdient. Über die persönlichen Verhältnisse des Gesuchstellers äussert sich ausserdem das eingehende Schreiben einer Schwester.

Die Gemeindekanzlei Hendschiken bezeichnet die Gesuchsanbringen als richtig. Das Bezirksgericht Laufenburg empfiehlt die Begnadigung.

Die Handelsabteilung des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes teilt mit, dass sie dem Gesuchsteller bereits die Nachzahlung der Taxe von Fr. 100 erlassen habe. Im übrigen wird angesichts seiner misslichen Lage eine Ermässigung der Busse befürwortet ; der gänzliche Erlass sei in Würdigung der Angaben über den Leumund nicht gerechtfertigt.

Wir beantragen aus denselben Erwägungen Herabsetzung der Busse bis zu Fr. 10.

· 87. Adolphe Baudet, am 8. Dezember 1924 vom Préfet von Orbe mit Fr. 50 gebüsst.

Baudet hat bei Privaten Bestellungen auf Zigarren, Tabak und dergleichen aufgenommen, ohne im Besitze der erforderlichen Ausweiskarte zu sein.

Baudet ersucht um Erlass von Busse und Taxe', da er nicht mit Tabakartikeln gereist sei und die Bestellungen lediglich zufällig erhalten habe, weil ·die Besteller gewusst hätten, dass seine Frau einen Zigarrenladen führe. Man möge die misslichen Verhältnisse des Gesuchstellers berücksichtigen.

Der Préfet von Orbe und das Justiz- und Polizeidepartement des Kantons Waadt beantragen Abweisung.

Die Handelsabteilung des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes hat die Taxnachzahlung bereits erlassen, in Erwägung, dass Baudet, der drei Reisende beschäftigte und für diese Taxkarten gelöst hatte, befugt gewesen wäre, sich in einer der Karten als zweiten Eeisenden eintragen zu lassen. Da Baudet ohne Schädigung des Fiskus lediglich eine
Formalität unterlassen habe, wird ausserdem die Ermässigung der Busse um die Hälfte befürwortet, Wir beantragen aus den gleichen Gründen Herabsetzung der Busse auf Fr. 25.

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38. Friedrich Tuczek, geb. 1887, Beamter, Bern.

(Widerruf der bedingten Begnadigung.)

38. Friedrich Tuczek ist am 80. Juli 1928 vom Gerichtspräsidenten V von Bern zu l Tag Haft verurteilt worden, die Militärsteuer von Fr. 79. 60 für 1922 betreffend. In der Junisession 1924 hat ihn die Bundesversammlung antragsgemäss bedingt begnadigt unter Auferlegung einer Probezeit von zwei Jahren (Nr. 50 des I. Berichtes vom 13. Mai 1924, Bundesblatt II, 272). Laut Mitteilung des Zentralpolizeibureaus vom 1. Dezember 1924 ist Tuczek am 23. Juni 1924, den gleich hohen Steuerbetrag für 1923 betreffend, vom Gerichtspräsidenten von Bern neuerdings mit einem Tag Haft bestraft worden.

Unter diesen Umständen erhebt sich die Frage des Widerrufs der bedingten Begnadigung.

Wir beantragen den Widerruf in Zustimmung zu den übereinstimmenden Anträgen der Polizeidirektion der Stadt Bern, des Regierungsstatthalteramtes II des Amtsbezirkes und der Polizeidirektion des Kantons Bern. Die erneute Strafe ist während der dem bedingt Begnadigten auferlegten Probezeit erkannt worden, ferner muss festgehalten werden, dass Tuczek es trotz hängigem Begnadigungsgesuch zur Durchführung eines Strafverfahrens kommen liess und dass er schliesslich, nach Zahlungsraten von Fr. 59, am 28. Juni der Hauptverhandlung, wie schon im Vorjahr, unentschuldigt fern blieb. Im übrigen beziehen wir uns auf die Stellungnahmen der kantonalen Behörden.

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43.

Theodor Vontobel, geb. 1889, Bureauangestellter, Bern.

Hermann Sterchi, geb. 1889, Schreiner, Ostermundigen (Bern).

Ernst Gerster, geb. 1895, Uhrmacher, Gelterkinden (Baselland).

Jakob Ischi, geb. 1894, Handlanger, Eiedholz (Solothurn).

Berthold Bloch, geb. 1885, Kaufmann, Basel.

44. Albert Ehrensperger, geb. 1895, Maler, Bern.

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55.

Albert Heuberger, geb. 1888, Schneider, Bern.

Joseph Wolf, geb. 1886, Sekretär, Zürich.

Constant Rossé, geb. 1885, Landwirt, Alle (Bern).

Johann Schwär, geb. 1894, Kommis, Unterseen (Bern).

Henri Quebatte, geb. 1893, Knecht, Saignelégier (Bern).

Camille Jacot, geb. 1897, Uhrmacher, Pontenet (Bern).

Alexander Grauang, geb. 1899, Zeichner, Bern.

Alfred Zurbrügg, geb. 1892, Angestellter, Unterseen (Bern).

Arnold Schöni, geb. 1899, Fabrikarbeiter, Trimbach (Solothurn) Georges Dubois, geb. 1892, Handlanger, Villeret (Bern).

Gustav Schwaller, geb. 1899, Handlanger, Riedholz (Solothurn).

36$ 56.

57.

58.

59.

60.

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Johann Köhler, geb. 1892, Hilfsarbeiter, Bern.

Johann Wüthrich, geb. 1891, Chauffeur, Bern.

Alois Steiger, geb. 1895, Elektriker, Bern.

Johann Stauffer, geb. 1891, Fahrknecht, Ölten (Solothurn), Rudolf Jenny, geb. 1898, Fabrikarbeiter, Courroux (Bern), Friedrich Hofmann, geb. 1886, Kaufmann, Bern.

(Militärpflichtersatz.)

Wegen schuldhafter Nichtentrichtung des Militärpflichtersatzes sind in Anwendung des Bundesgesetzes vom 29. März 1901 betreffend Ergänzung des Bundesgesetzes über den Militärpflichtersatz verurteilt worden: 39. Theodor Vontobel, verurteilt am 30. Juni 1923 vom Gerichtspräsidenten V von Bern zu l Tag Haft, die Militärsteuer von Fr. 120.10 für 1921 betreffend.

Vontobel ersucht um Erlass der Haftstrafe. Er sei im Jahre 1917, nach längerer Militärdiehstleistung, un tauglich erklärt und im Jahre 1928 vom Militärpflichtersatz befreit worden; seinem Gesuch um nachträglichen Steuererlass habe die Militärsteuerverwaltung für die Jahre 1921 und 1922 entsprochen.

Ohne das Verhalten Vontobels gegenüber den Strai'behörden zu billigen, beantragen wir mit der Polizeidirektion der Stadt Bern, dem Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes, dem Kantonskriegskommissariat und der Polizeidirektion des Kantons Bern, die Haftstrafe von l Tag zu erlassen. Die Anordnung des Strafvollzuges wäre, zwei Jahre nach ergangenem Strafurteil und nach eingetretener administrativer Kegelung der Steuerangelegenheiten, eine Härte, die dem Gesuchsteller gnadenweiso erspart werden mag.

40. Hermann Sterchi, verurteilt am 20. November 1924 vom Polizeigerichtspräsidenten des Kantons Basel-Stadt zu l Tag Haft, die Militärsteuern von Fr. 42 für 1922/23 botreffend.

Sterchi ersucht um Erlass der Haftstrafe.

Da Sterchi die in Betracht kommenden Steuerbeträge nachweislich bereits am 8. November 1924, mithin vor dem Kontumazurteil vom 20. November, entrichtet und überdies den urteilenden Eichter hiervon am 17./19. November brieflich benachrichtigt hat, beantragen wir, die Haftstrafe von l Tag gänzlich zu erlassen. Laut einer Zuschrift des Sektionschefs in Ostermundigen vom 18. Februar 1925 bemühe sich Sterchi, der mit seiner Familie in sehr schwierigen Verhältnissen lebe, nunmehr seinen Verpflichtungen nachzukommen. Immerhin soll beigefügt werden, dass die in Basel, dem frühern Wohnort, über die Eheleute Sterchi eingezogenen
Berichte nicht günstig lauten, weshalb das Polizeidepartement des Kantons Basel seinerseits bemerkt, die Begnadigimg Sterchia scheine nicht besonders empfehlenswert.

41. Ernst Gerster, verurteilt am 18. Dezember 1923 vom Polizeigericht des Kantons Basel-Landschaft zu 3 Tagen Gefängnis, die Militärsteuer von Fr. 68.40 (französische Währung) für 1923 betreffend.

366 Gerster ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe.

Da feststellt, dass Gerster, der vormals im Elsass niedergelassen war, dem schweizerischen Konsulat den Steuerbetrag am 15. Dezember 1928, mithin vor ·dem Kontumazurteil vom 18. Dezember, zugestellt hat und besondere, zuungunsten des Gesuchstellers sprechende Umstände nicht vorliegen, beantragen wir, ohne auf Einzelheiten einzutreten, die Gefängnisstrafe von 3 Tagen gänzlich zu erlassen.

42. Jakob Ischi, verurteilt am 31. Dezember 1924 vom Amtsgericht Solothurn-Lebern zu 4 Tagen Gefängnis und Wirtshausverbot auf die Dauer -eines Jahres im ganzen Kanton, die Militärsteuer von Fr. 24. 60 für 1924 betreffend.

Ischi ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe.

Ischi hat zwar die Militärsteuer am 19. Dezember 1924, mithin vor dem Kontumazurteil vom 31. Dezember, entrichtet, jedoch ergeben die Akten, dass er ein arbeitsscheuer, dem Alkohol ergebener Mensch ist.

Das Polizeidepartement des Kantons Solothurn beantragt angesichts der .zeitlich dem Urteil vorangegangenen Steuerbegleichung, dem Gesuch zu entsprechen, obschon die weitern Verumständungen, insbesondere der Leumund des Verurteilten, eine Begnadigung nicht zu rechtfertigen vermöchten.

Unserseits bemerken wir, dass das von dritter Seite verfasste Gesuch .ausdrücklich nur den Erlass der Freiheitsstrafe bezweckt, weshalb von der .allfälligen Aufhebung des Wirtshausverbotes von vorneherein abgesehen werden kann. Im übrigen gehört die vorliegende Angelegenheit zu denjenigen Fällen, die in Anwendung früherer, allgemein gehaltener Ausführungen und gemäss seitheriger Praxis lediglich die Gewährung der bedingten Begnadigung herbeizuführen vermögen (hierzu Bundesblatt 1921, III, 141/142; 1928, II, 158; 1924, II, 267/68).

Wir beantragen den bedingten Erlass der Gefängnisstrafe von 4 Tagen unter Auferlegung einer Probezeit von zwei Jahren und heben als Bedingungen besonders hervor, dass Ischi während der Probezeit kein vorsätzliches Vergehen verübe und auch nicht neuerdings die Entrichtung der Militärsteuer echuldhaft unterlasse.

43, Berthold Bloch, verurteilt am 9. Januar 1925 vom Appellationsgericht Basel-Stadt in Bestätigung des Urteils des Polizeigerichtspräsidenten vom ·8. Dezember 1924 zu l Tag Haft, den Eestbetrag der Militärsteuern für 1921/22 ·von Fr. 542 betreffend.

- Für Bloch, der den Betrag
von Fr. 542 am 25. November, d. h. nach erhobenem Einspruch gegen den Strafbefehl vom 24. November, jedoch vor ·der richterlichen Aburteilung vom 8. Dezember, entrichtet hat, wird um Erlass .der Haftstrafe ersucht. Nach den Umständen des Falles handle es sich nur um -ein leichtes Verschulden, indem die Bestzahlung lediglich infolge anderer dringender Verpflichtungen nicht früher erfolgt sei; über die vielen Zahlungen der

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Firma 8. Bloch & Oie. in den Monaten April bis November 1924 gebe die beigelegte Aufstellung Auskunft. Man möge zugunsten des Gesuchstellers berücksichtigen, dass er am 25. November nicht nur die Fr. 542, sondern insgesamt Fr. 928. 50, die Steuern von 1921/23 betreffend, entrichtet habe.

Damit habe er, was in seinen Kräften stand, getan. Weiterhin wird in diesem Zusammenhang auf die Praxis der Gerichte des Kantons Bern Bezug genommen, ·wonach der Umstand, dass Bloch die Steuerschuld dem Endurteil vorgängig gänzlich getilgt habe, grundsätzlich zu seiner Freisprechung geführt hätte.

Die Begnadigung rechtfertige sich ferner im Anschluss an die Übung der Bundesversammlung, wie sie sich aus dem Kreisschreiben des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes vom 19. Juni 1905 ergebe.

Das Polizeidepartement des Kantons Basel-Stadt, das sich in längerer Vernehmlassung äussert, kann das Begnadigungsgesuch Blochs nicht empfehlen.

Wie im Falle Ischi verweisen wir, was die Erörterung der kantonalen Gerichtspraxis und die Ausübung der Begnadigung anbetrifft, auch hierin in ·erster Linie auf unsere frühem Ausführungen, wonach die neuere Praxis der Begnadigungsbehörde dahin geht, bei Entrichtung der Steuer vor dem Endurteil in der Eegel die Begnadigung auszusprechen, jedoch hierbei nach Lage des Einzelfalles lediglich die bedingte Begnadigung zu gewähren oder selbst Abweisung zu beschliessen. Ein zwingender Grund, von dieser Praxis abzugehen, besteht nicht. Immerhin möchten wir beute beifügen, dass der Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend den Militärpflichtersatz vom 5. Februar 1928 dem Tatbestand des schuldhaften Niehtbezahlens in Art. 34 in verschärfter Fassung den Standpunkt zugrunde legte, wie er dermalen bereits in der Praxis der 'Gerichte des Kantons Basel-Stadt zum Ausdruck kommt. Ferner soll die Verschiedenheit der kantonalen Praxis nunmehr dem Bundesgerioht unterbreitet werden.

Im Falle Bloch beantragen wir deshalb Abweisung, weil das Verhalten Blochs gegenüber den kantonalen Steuerbehörden, schlechterdings nicht gebilligt werden kann und er im übrigen, namentlich angesichts seiner beträchtlichen Vorstrafe wegen Kriegswuchers und seines damaligen, schliesslich zuTückgezogenen Begnadigungsgesuches, wie auch wegen seines Leumundes im allgemeinen ein besonderes Entgegenkommen nicht nahezulegen
vermag.

In den Einzelheiten beziehen wir uns auf die Akten und insbesondere die Vernehmlassung des Polizeidepartementes des Kantons Basel-Stadt.

44. Albert Ehrensperger, verurteilt am 3. Mai 1924 vom Gerichtspräsidenten V von Bern zu 2 Tagen Haft, die Militärsteuer von Fr. 70. 60 für 1923 betreffend.

Ehrensperger, der die Steuer nach ergangenem Urteil, aber noch am gleichen Tag, entrichtet hat, ersucht um Erlass der Haftstrafe, wozu er namentlich auf die mehr als 500 Militärdiensttage hinweist und'ausserdem betont, dass er aus Unkenntnis während drei Jahren die ganze Steuer bezahlt habe, obschon ihm die Vergünstigung der halben Taxe zukomme.

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Die Polizeidirektionen der Stadt und des Kantons Bern beantragen den gänzlichen Erlass der Haftstrafe, der Regierangsstatthalter des Amtsbezirkes die bedingte Begnadigung.

Wir beantragen den bedingten Erlass der Haftstrafe wie bei Isobi, Einerseits ist Ehrensperger der Hauptverhandlung unentschuldigt ferngeblieben, anderseits ist er vorbestraft. Nach den vorhandenen Umständen ist weder die gänzliche Begnadigung noch die gänzliche Abweisung des Gesuches am Platze.

45. Albert Heuberger, verurteilt am 3. März 1924 vom Gerichtspräsidenten von Biel zu 2 Tagen Haft und 6 Monaten Wirtshausverbot, die Militärsteuer von Er. 24.10 für 1928 betreffend.

Heuberger, der die Steuer nachträglich bezahlt hat, ersucht um Erlass der Haftstrafe. Die rechtzeitige Entrichtung der Steuer sei ihm infolge Arbeitslosigkeit schlechterdings unmöglich gewesen.

Die Polizeidirektion der Stadt Bern, die Begierungsstatthalter der Amtsbezirke Biel und Bern und die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragen den Erlass der Strafe.

Dem Gesuchsteller mag zugute gehalten werden, dass er am Urteilstag im Gerichtsgebäude erschienen sei und sich in der Folge, gezwungen durch Unwohlsein, beim Planton abgemeldet habe. Ferner kann die nachträgliche Bezahlung der Steuer berücksichtigt werden, wie auch die Ergebnisse der polizeilichen Erhebungen, wonach Heuberger nur unregelmässig verdient und sich nur kümmerlich durchbringe. Vorstrafen sind keine vorhanden.

Wir b e a n t r a g e n den bedingten Erlass der Haftstrafe wie bei Ischi.

46. Josef W o l f , verurteilt am 2. Mai 1924 vom Gerichtspräsidenten V von Bern zu l Tag Haft, die Militärsteuer von Fr. 72.10 für 1928 betreffend.

Wolf ersucht um Erlass der Haftstrafe; er hat am 6. August 1924 einen Betrag von Fr. 78 entrichtet, wovon jedoch der grösste Teil als Zahlung für 1922 verrechnet wurde, und ist seither seinen Verpflichtungen gänzlich nachgekommen. Er schreibt in glaubwürdiger Weise, der Vollzug der Haftstrafe würde ihn um seine Stellung bringen und versichert, unter Anführung näherer Umstände, ausserstande gewesen zu sein, rechtzeitig zu zahlen. Es sei ihm unmöglich gewesen, am Tage der Hauptverhandlung von Zürich her in Bern zu erscheinen.

Der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes Bern, der kantonale Kriegskommissär und die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragen
einhellig die bedingte Begnadigung.

Wir b e a n t r a g e n den bedingten Erlass. der Haftstrafe wie bei Ischi.

Ohne das Verhalten Wolfs gegenüber den Strafbehörden zu billigen, möchten wir dem Gesuchsteller, der als 1886er lediglich noch dieses und nächstes Jahr steuerpflichtig ist, zugute halten, dass er mit seiner Familie offenbar in finanzieller Bedrängnis war und heute sämtliche Steuern aufgebracht hat. Die Umstände gestatten die bedingte Begnadigungj vorab die Erwägung, dass die

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Anordnung des Strafvollzuges den GesuchstelW tatsächlich uni seine Stelle bringen könnte, was bei seinen Familienlasten eiriô besondere schwere Einbusse bedeuten müsste.

47. Constant Bossé, verurteilt am 19. Januar 1925 vont Gerichtspräsidenten von Pruntrut zu 2 Tagen Haft und Wirtshausverhot bis zü-r Steuerentrichtung, die Militärsteuer von Fr. 39.10 für 1924 betreffend.

Bossé ersucht um Erlass der Haftstrafe, unter Hinweis auf die am 25. Januar erfolgte Bezahlung und den Umstand, dass er Vater von acht unerzogenen .Kindern sei und keine Vorstrafe auf weise.

Der Gemeinderat von Alle befürwortet das Gesuch, wogegen der BegieTungsstatthalter des Amtsbezirkes sich mit dem Hinweis begnügt, die Steuer sei erst nach ergangenem Urteil beglichen worden: Der Kantonskriegskommissär bemerkt, Bossé sei im Jahre 1924 erstmals verzeigt worden ; er hätte .gewiss, wie in den Vorjahren, ordnungsgemäss bezahlen können. Die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragt Abweisung, da eine Begnadigung nicht .gerechtfertigt sei. Wir beantragen ebenfalls Abweisung, insbesondere auch mit Bücksicht auf das unentschuldigte Ausbleiben des Gesuchstellers in der Hauptverhandlung.

48. Johann Schwär, verurteilt am 15. Dezember 1924 vom Gerichtspräsidenten von Interlaken zu 2 Tagen Haft, verbunden mit l Jahr Wirtshausverbot, die Militärsteuer von Fr. 7. 60 für 1924 betreffend.

Schwär hat die Militärsteuer, zwar nach ergangenem Kontumazurteil, aber noch am Urteilstag, entrichtet. Die Haftstrafe ist verbüsst, dagegen ersucht Schwär um Aufhebung des Wirtshausverbotes.

Der Gerichtspräsident von Interlaken, der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes und die Polizoidirektion des Kantons Bern befürworten das Gesuch.

In Berücksichtigung der verbüssten Haftstrafo und in Erwägung, dass ·das Wirtshausverbot bis zur Erledigung des Gesuches wirksam bleibt, beantragen wir, den verbleibenden Teil der Nebenstrafe aufzuheben.

49. Henri Q u é b a t t e , verurteilt am 29. November 1924 vom Gerichtspräsidenten von Saignelégier zu 5 Tagen Haft und Wirtshausverbot bis zur Entrichtung der Steuer, längstens aber bis zu 2 Jahren, die Militärsteuer von .Fr. 84. 60 für 1924 betreffend.

Henri Québatte, der die Steuer nachträglich bezahlt hat, ersucht um Erlass der Haftstrafe. In der nicht selbst verfassten Eingabe wird namentlich eine vor dem
Urteilstermin entrichtete Teilzahlung hervorgehoben und im übrigen geltend gemacht, es sei blosa leidigen Zufälligkeiten zuzuschreiben, dass die Steuer nicht ordnungsgemäss beglichen worden sei.

Der Gemeindepräsident von Muriaux befürwortet das Gesuch, wogegen die Polizeidirektion des Kantons Bern, namentlich da Québatte der Hauptverhandlung unentschuldigt fern geblieben ist, lediglich Herabsetzung der ÏTaftstrafe bis zu 2 Tagen beantragt.

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Wir beantragen aus derselben Erwägung, und unter Hinweis auf dieUrteilsmotive, ebenfalls Herabsetzung der Haftstrafe bis zu 2 Tagen. Quebatte, der ledig ist, wird im Urteil als Wirtshausgänger bezeichnet.

50. Camille Ja co t; verurteilt vom Gerichtspräsidenten von Münster am 17. April 1924 zu 3 Tagen Haft und Wirtshausverbot bis zur Steuerzahlung,, bzw. während 6 Monaten, die Militärsteuer von Fr. 87. 60 für 1923 betreffend.

Jacot, der die Steuer für 1923 am 12. Juli 1924 entrichtet hat, ersucht um ErlasB der Haftstrafe. Man möge ihm entgegenkommen, da er für zwei Kinder zu sorgen habe und knapp den Lebensunterhalt verdiene.

Der Gemeinderat von Pontenet und der Kegierungsstatthalter von Münster befürworten das Gesuch; der beigegebene Polizeibericht lautet günstig. Der Kantonskriegskommissär und die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragen.

Abweisung, weil Jacot immer noch mit der Steuerbegleichung für die Jahre 1921 und 1922 im Rückstand sei.

Da Jacot der Hauptverhandlung unentschuldigt fern geblieben ist und die Rückstände von 1921/22 beachtet werden müssen, kann die gänzliche Begnadigung nicht gewährt werden, dagegen mag angesichts des günstigen Polizeiberichtes, der erfolgten Zahlung für 1923 und der bestehenden Familienlasten.

ein teilweiser Erlass gewährt werden.

Wir beantragen Herabsetzung der Haftstrafe bis zu einem Tag.

51. Alexander Grauaug, verurteilt am 8. Mai 1924 vom Gerichtspräsidenten IV von Bern zu 2 Tagen Haft, die Militärsteuer von Fr. 37. 60 für 1928 betreffend.

· Grauaug, der die Steuer für 1928 am 1. Dezember 1924 entrichtet hat, ersucht um Erlass der Haftstrafe, da er infolge längerer Arbeitslosigkeit nicht früher habe bezahlen können.

Die Polizeidirektion der Stadt Bern, der Regierungsstatthalter II de» Amtsbezirkes und die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragen einhellig Abweisung.

Wir beantragen desgleichen Abweisung, da Grauaug, der ledig ist, sich im Verlaufe des Strafverfahrens äusserst gleichgültig benommen hat, insbesondere auch der Hauptverhandlung unentschuldigt fern geblieben ist.

52. Alfred Zurbrügg, verurteilt am 17. November 1924 vom Gerichtspräsidenten von Intorlaken zu 8 Tagen Haft, die Militärsteuern von total Fr. 129.10 für 1919--1923 betreffend.

Zurbrügg ersucht um Erlass der Haftstrafe oder doch Umwandlung in Busse. Er sei Ende 1918
aus Deutschland zurückgekehrt und seit 1920 ohne nennenswerten Verdienst; trotz seiner Bedürftigkeit und wiederholter Bewerbung habe ihn eine Amtsstelle auf dem Platze Interlaken nicht angestellt, obschon die Möglichkeit bestanden hätte.

Der Gemeinderat von Unterseen unterstützt das Gesuch, wogegen der Gerichtspräsident von Interlaken und der Regierungsstatthalter des Amts-

371 bezirkes dasselbe nicht empfehlen können. Der Kantonskriegskommissär beantragt dringend Abweisung und schreibt unter anderem, Kurbrugg habe die Taxationen 1919--1928 anerkannt und seither den gesetzlichen Mahnungen, worin er auf die Folgen der Nichtbezahlung aufmerksam gemacht -wurde, keinerlei Folge gegeben. Ebensowenig habe er seine Versprechen eingehalten.

Der Straferlass Messe dem trölerhaften Verhalten Zurbrüggs gegenüber Militärund Gerichtsbehörden beipflichten. Die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragt Abweisung.

Wir beantragen ebenfalls Abweisung und stützen uns hierbei namentlich auf die Vorstrafe betreffend Nichtentrichtung der Militärsteuer vom 29. September 1917 und den Umstand, dass der ledige Zurbrügg sich trotz seiner Versprechungen nicht zur geringsten Batenzahlung veranlasst sah, 58. Arnold Schöni, verurteilt am 24. November 1924 vom Amtsgericht Ölten-Gösgen zu 4 Tagen Gefängnis, die Militärsteuer von Fr. 29.10 für 1924 betreffend.

Sohöni, dessen Steuer inzwischen beglichen wurde, ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe, da der Strafvollzug ihn um seine Stelle bringe.

Das Polizeidepartement des Kantons Solothum beantragt Abweisung, da Schöni, der ledig ist, als liederlich bekannt sei.

Im Anschluss an diesen Bericht, auf dessen Einzelheiten wir Bezug nehmen, und gestützt auf die Urteilserwägungen beantragen wir ebenfalls Abweisung.

54. Georges Dubois, verurteilt am 7. November 1924 vom Gerichtspräsidenten von Courtelary zu 3 Tagen Haft und Wirtshausverbot bis zur Steuerbegleichung, längstens aber während 6 Monaten.

Dubois ersucht um Erlass der Haftstrafe. Seine misslichen Familienverhältnisse, die ihm die rechtzeitige Begleichung der Steuerschuld verunmöglicht hätten, würden durch Anordnung des Strafvollzuges nur noch schlimmer.

Der Gemeindepräsident von St. Immer und der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes halten dafür, Dubois hätte bei gutem Willen die Steuerschuld begleichen können. Der Kantonskriegskommissär bemerkt, Dubois habe in den Jahren 1921/24 regelmässig verzeigt werden müssen; an die Steuer für 1924 schulde er noch Fr. 20. 60. Die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragt Abweisung.

Wir beantragen, im Anschluss an vorstehende Stellungnahmen, ebenfall» Abweisung.

55. Gustav Schwaller, verurteilt am 28. November vom Amtsgericht Solothurn-Lebern zu
S Tagen Gefängnis, die Militärsteuer von Fr. 24. 60 für 1924 betreffend.

Schwaller, der die Steuer nachträglich bezahlt hat, ersucht um Erlas» der Haftstrafe. In der nicht selbstverfassten Eingabe wird der unregelmässige Verdienst und die gegenüber den Eltern bestehende Unterstützungspflicht hervorgehoben. Schwaller, der seinen Verdienst gänzlich den Eltern abliefere, sei im Glauben gewesen, dass diese die Eeglung der Steuerangelegenheit besorgt hätten.

?72 Das Polizeidepartement des Kantons Solothurn beantragt Abweisung, da die Nichtentrichtung der Militärsteuer Ausfluss eines offensichtlichen Verschuldens sei.

Wir halten desgleichen dafür, dass besondere Kommiserationsgründe fehlen und beantragen unter Hinweis auf die Urteilserwägungen Abweisung.

jZuungunsten des Gesuchstellers fällt namentlich auch in Betracht, dass er der Pauptverhandlung ohne Entschuldigung fern geblieben ist.

56. Johann Kohler, verurteilt am 29. März 1924 vom Gerichtspräsidenten IV von Bern zu 2 Tagen Haft, die Militärsteuern von Fr. 22. 60 für 1921/22 betreffend.

Kohler ersucht um Erlass der Haftstrafe. Wegen Arbeitslosigkeit sei ihm die rechtzeitige Begleichung der Steuer unmöglich gewesen.

Die Polizeidirektion der Stadt Bern, der Eegierungsstatthalter des Amtsbezirkes und die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragen Abweisung.

Gestützt auf die Urteilserwägungen und die polizeilichen Erhebungen, wonach Kohler als liederlicher Mensch erscheint, b e a n t r a g e n wir ohne weiteres Abweisung.

57. Johann Wiithrich, verurteilt am 2. Mai 1924 vom Gerichtspräsidenten V von Bern, zu l Tag Haft, die Militärsteuer von Fr. 49. 60 für 1923 betreffend.

Für Wüthrich, der die Steuer nachträglich bezahlt hat, ersucht die Ehefrau um Erlass der Haftstrafe. Sie seien in schlechten Verhältnissen gestanden; die Entrichtung der Steuer sei erst nach einer Geldsendung der Mutter des Bestraften möglich geworden.

Dio Polizoidirektion der Stadt Bern, der Eegierungsstatthalter des Amtsbezirks und die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragen Abweisung.

Da die Akten und polizeiliche Erhebungen Wüthrich als gleichgültigen und liederlichen Menschen erscheinen lassen, beantragen wir ohne weiteres Abweisung.

58. Alois Steiger, verurteilt am 12. September 1924 von der ersten Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern zu l Tag Haft, die Militärßteuer von Fr. 67. 60 für 1923 betreffend.

Steiger, der die Steuer nachträglich bezahlt hat, ersucht um Erlass der Haftstrafe. Wie in der Voruntersuchung macht er geltend, infolge der Verpflichtung zu Alimentszahlungen und daheriger Lohnpfändung sei ihm die .rechtzeitige Begleichung der Steuer nicht möglich gewesen. Am oberinstanzlichen Termin sei er erschienen, habe sich jedoch nach längerem Warten vorübergehend geschäftlich entfernen müssen,
während welcher Zeit dann gegen ihn verhandelt worden sei.

Die Polizeidirektion der Stadt Bern beantragt den Erlass der Strafe und ,der Eegierungsstatthalter des Amtsbezirkes die bedingte Begnadigung, wogegen die kantonale Polizeidirektion das Gesuch nicht empfehlen kann. Zugunsten Steigers wird geltend gemacht, er habe sich seinerzeit tatsächlich in etwas bedrängten Verhältnissen befunden und habe heute sowohl die Steuer für 1923

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Tvìe für 1924 entrichtet. Der kantonale Kantonskriegskommissär verweist demgegenüber darauf, dass immerhin noch die Steuer für 1922 ausstehe und die Cantonale Polizeidirektion betont das unentschuldigte Ausbleiben vor erster und oberer Instanz, sowie eine Vorstrafe von 1915.

Wir b e a n t r a g e n Abweisung, da der ledige Gesuchsteller sich im Strafverfahren zweifellos lässig benommen hat und er bereits eine längere Freiheitsstrafe auszuweisen hat. Bei dieser Sachlage und angesichts der bereits in unserem Bericht vom 7. November 1924 (Antrag 41, Bundesblatt III, 741) betonten ^Notwendigkeit, die bedingte Begnadigung jeweils nur nach allseitiger Überprüfung des einzelnen Falles zu gewähren, geben wir der Abweisung des Gesuches den Vorzug.

59. Johann S t a u f f e r , verurteilt am 19. Dezember 1924 vom Amtsgericht Ölten-Gösgen zu 8 Tagen Gefängnis, die Militärsteuer von Fr. 13. 85 für 1924 betreffend.

.Stauffer, der die Steuer nachträglich bezahlt hat, ersucht um Erlass ·der Gefängnisstrafe, und erklärt, sich befleissen zu wollen, dass es in Steuersachen nie mehr so weit komme.

. Das Polizeidepartement des Kantons Solothurn bemerkt, unter Hinweis auf die Urteilsmotive und einen Polizeibericht, dass irgendwelche Begnadi.gungsgründe nicht vorliegen, weshalb Abweisung beantragt wird.

Wir b e a n t r a g e n aus denselben Erwägungen, das Gesuch abzuweisen.

Die blosse Tatsache der nachträglichen Bezahlung kann angesichts der offensichtlichen Nachlässigkeit den Érlass der Strafe nicht begründen.

60. Eudolf Jenny, vorurteilt am 26. August 1924 vom Gerichtspräsidenten von Dolsberg zu 2 Tagen Haft und 6 Monaten Wirtshausverbot, die Militärsteuer von Fr. 43. 60 für 1923 betreffend.

Jenny ersucht um Erlass der Haftstrafe unter Hinweis auf den Verlust eines Auges durch Unfall, eine infolge Krankheit notwendig gewordene Badekur und grössere Auslagen für den Spitalaufenthalt eines Kindes.

Der Gemeinderat von Courroux und der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes befürworten das Gesuch, wogegen die kantonale Polizeidirektion das.selbe nicht empfehlen kann, da eine Bezahlung der Steuern für die Jahre 1923 .und 1924 auch nachträglich nicht erfolgt sei.

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Wir beantragen Abweisung, weil die auf Anordnung der Bundesanwalt.schaft vorgenommenen Erhebungen deutlich ergeben, dass die Gesuchsanbringen einseitig
abgefasst sind. Jenny, der dein Tranke verfallen ist und im übrigen nachweislich über mehrere tausend Franken verfügte, vermag nach dieser Akten-, ergänznng eine Begnadigung ernstlich nicht nahezulegen.

61. Friedrich H o f m a n n , verurteilt wie folgt: a. am 10. April 1922 von der ersten Strafkammer des Obergerichtes des Kantons Bern zu .2 Tagen Gefangenschaft, die Militärsteuer von Fr. 121. 50 für 1918 betreffend; Bandesblatt. 77. Jahrg. Bd. IL

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b. am 6. April 1923 vom Gerichtspräsidenten IV von Bern zu 2 Tagen Gefängnis, die Militärsteuer von Fr. 87. 10 für 1922 betreffend.

Hofmann ersucht um ganzen oder doch bedingten Erlass der beiden Freiheitsstrafen. Die Ende Dezember 1928 bei den Kantonsbehörden zuhanden der Bundesversammlung eingereichte Eingabe ist der Bundesanwartschaft von der Polizeidirektion des Kantons Bern erst am 7. November 1924 übermittelt worden. Hofmann nimmt Bezug auf die am 29. Dezember 1923 erfolgte Begleichung der Steuerschulden für 1918 und 1922 und versichert neuerdings, er sei infolge längerer Arbeitslosigkeit und wegen Unterstützung der Mutter zu rechtzeitiger Entrichtung der Steuern ausserstande gewesen, habe aber heute eine Lebensstellung inné, die ihm die pünktliche Begleichung der Steuern ermögliche.

Die Polizeidirektion der Stadt Bern und der Eegierungsstatthalter des Amtsbezirkes erachten die Begnadigung als gerechtfertigt und die kantonale Polizeidirektion beantragt, die beiden Strafen bedingt zu erlassen.

Diesen .Stellungnahmen gegenüber muss jedoch zunächst bemerkt werden, dass die unter a genannte Strafe vom 10. April 1922 bereits Gegenstand oinos Begnadigungsverfahrens gewesen ist. Nachdem sämtliche Vorinstanzen einhellig Abweisung beantragt hatten, beschloss die Bundesversammlung in der Dezembersession 1928 antragsgemäss die A b w e i s u n g des Gesuchstellers (Nr. 81 des II. Berichtes vom 16. November 1928, Bundesblatt III, 243), Wir schrieben damals u. a. folgendes: «Angesichts der unverantwortlichen Zahlungsverschleppung und der von den kantonalen Behörden dem Gesuchsteller in ausserordentlicher Laflgmut gewährten Stundungen beantragen wir ohne weiteres Abweisung, Es liegt auf der Hand, dass Hofmann mindestens Teilzahlungen hätte aufbringen können; eine Begnadigung "befürworten, hiesse hier in der Tat der Nachlässigkeit Tür und Tor öffnen.» Bei dieser Lage des Falles wäre offenbar zu erwarten gewesen, dass nunmehr die kantonale Strafvollzugsbehörde ohne weiteres zur Anordnung des Strafvollzuges schreiten würde.

Die Durchführung des Strafvollzuges war um so gegebener, als Hofmann im Jahre 1923 neuerdings verurteilt werden musste, eine Tatsache, die aus den jeweiligen Vernehmlassungen der Kantonsbehörden nicht hervorging.

Angesichts dieser Vorgeschichte müssen die heutigen Begnadigungsanträge
der kantonalen Behörden um so mehr auffallen, als Hofmann, der auch anderweitig vorbestraft ist, in den Akten zum Strafurteil vom 6. April 1928 als unzuverlässiger Mensch bezeichnet wird, der keinen guten Euf gemesse. Hinwiederum mag eingeräumt werden, dass Hofmann seit der Abweisung seines ersten Begnadigungsgesuches, sicherlich nicht zuletzt im Anschluss daran, seine Steuerangelegenheiten geordnet hat, eine Tatsache, die allenfalls ein gewisses Entgegenkommen begründen könnte, etwa dahingehend, dass vom Gesichtspunkte der teilweisen Begnadigung die eine der Freiheitsstrafen zu erlassen wäre. Zusammenfassend halten wir jedoch dafür, dass nach der ganzen Lage des Falles weder in sachlicher noch in persönlicher Beziehung Gründe bestehen, die eine Begnadigung dringend nahe legen, weshalb wir b e a n t r a g e n , Hof-

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mann gänzlich abzuweiseil. Würde die blosse Tatsache, dass ein Steuerpflichtiger, wenn auch in einem noch so späten Zeitpunkt, schliesslich bezahlt, ohne weiteres zum Begnadigungsgrund erhoben, so musate dies in Wirklichkeit dio Zahlungsverschleppung fördern und die Ernsthaftigkeit des Begnadigungswegos schwer gefährden.

62. François Ruffienx, geb. 1898, gew. Buchhalter der Zigarettenfabrik Baga 8. A., 63. SarMs Cantar, geb. 1890, gew. technischer Direktor der Eaga, 64. D. Arslanian, geb. 1883, gew. Administrator der Eaga, alle in Genf.

(Zollvergehen.)

62 bis 64. Francois E u f f i e u x , Sarkis Cantar und D. Arslanian sind am 21. August 1922 vom Eidgenössischen Zolldepartement mit drei andern in Anwendung des Zollgesetzes vom 28. Juni 1893 in Verbindung mit den Erlassen vom 24./2S. Juni 1921 betreffend die Erhöhung der Tabakzölle solidarisch mit einer gemeinsamen Busse von Fr. 32,975. 86 belegt worden. Den Hauptbeteiligten Jean P. Miller, der die Busse nicht annehmen wollte, hat das Bundesstrafgericht am 26./2T. .Januar 1923 in demselben Umfang verurteilt.

In tatbeständlicher Hinsicht ergibt sich, dass durch die Orgape der «Eaga» ini Zigarettenexport missbräuchlich eine /ollrückerstattung von Fr. 17,316 für angeblich wieder exportierten ausländischen Tabak beansprucht wurde, während die bezüglichen Belege in Wirklichkeit dem Sachverhalt nicht entsprachen.

Für die Einzelheiten der verwickelten Fiskalstrafsache beziehen wir uns auf das bundesgerichtliche Urteil.

Euffieux, Cantar und Arslanian stellen Begnadigungsgesuche; die beiden letztgenannten ersuchen um Erlass der Eestbussen, Euffieux um gänzliche Begnadigung.

Für Euffieux wird geltend gemacht, er sei am Zollvergehen vollständig unbeteiligt gewesen; selbst wenn es anders wäre, könne ihm seine Bestreitung und das Bestreben, als Angestellter nicht gegen den Dienstherrn auszusagen, weiter nicht zur Last fallen. Dem durchaus unbescholtenen Manne sei es bei einem monatlichen Einkommen von Fr. 400 unmöglich, die Busse aufzubringen.

Euffieux drohe deshalb die Umwandlungshaft, was einer unmenschlichen Härte gleichkäme, indem dadurch seine Stellung völlig vernichtet würde.

Cantar und Arslanian beziehen sich in ihren Gesuchsanbringen namentlich auf ihre heutige Notlage und das an den Tag gelegte Bestreben, die Bussen nach Möglichkeit zu bezahlen.

Die Oberzolldirektion äussert sich in eingehender Vernehmlassung, auf die wir um so mehr verweisen, als wir den Folgerungen und Anträgen der Zollverwaltung beipflichten.

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Wir beantragen, Kuffieux zurzeit abzuweisen, dagegen Cantar und Arslanian hinsichtlich der Bestbussen zu begnadigen. Kuffieux gegenüber bemerken wir, dass es nicht Sache der Bundesversammlung sein kann, auf seine Betätigung im Fiskalstraffall zurückzukommen, nachdem er selbst davon abgesehen hat, die Angelegenheit gerichtlich austragen zu lassen. An den ihn treffenden Bussenteil von ursprünglich Fr. 5352. 24 hat er infolge von anderweitigen Eingängen und Verrechnungen noch Fr. 1801. 69 zu entrichten, ohne hieran bis Ende 1924 einen Bappen bezahlt zu haben. Die Gewährung der gänzlichen Begnadigung ist nicht begründet, die Zubilligung eines teilweisem Bussenerlasses wäre verfrüht. Cantar und Arslanian haben an ihre Bussen, die in derselben Höhe gehalten sind wie bei Euffieux, im "VVege von Darlehen je Fr. 2000 aufgebracht; die Vernehmlassung der Oberzolldirektion ergibt eindeutig, dass den in misslichen Verhältnissen lebenden beiden Armeniern ein weiteres nicht möglich ist, weshalb der Erlass der Beststrafen hier befürwortet werden kann.

65. Pierre Lièvre, geb. 1899, Uhrmacher, Coùrtemaîche (Bern).

66. Louis Krieger, geb. 1902, Fischer, La Tour-de-Peilz (Waadt).

(Einfuhrschmuggel.)

In Anwendung des Bundesgesetzes über das Zollwesen vom 28. Juni 1898 sind verurteilt worden: 65. Pierre Lièvre, verurteilt am 21. Januar 1925 vom Gerichtspräsidenten von Pruntrut zu Fr. 60. 48 Busse.

Lièvre hat ein in Delle gekauftes neues Kleid unverzollt über- die Grenze gebracht.

". Lièvre ersucht um Erlass der Busse, da er auf seinen Verdienst als Fabrikarbeiter angewiesen sei und seinen betagten Eltern beizustehen habe ; das in Betracht kommende Kleid sei übrigens nicht völlig neu gewesen, vielmehr habe er dasselbe gelegentlich bereits in Delle getragen, wo seine Eltern wohnen.

Da die Gesuchsanbringen, soweit sie die persönlichen Verhältnisse des .Gesuchstellers betreffen, mit den amtlichen Erhebungen übereinstimmen, kann eine teilweise Begnadigung stattfinden. Wir beantragen mit der Oberzolldirektion, die Busse bis zu Fr. 30 herabzusetzen.

66. Louis Krieger, am 24. Mai vom eidgenössischen Zolldepartement mit Fr. 296- 40 gebüsst.

Krieger hat in einem Boot seines Vaters mit dem Eigentümer der Ware nachts über den Genfersee hundert Stück Trikotagewaren eingeschmuggelt.

Krieger ersucht um Erlass der Busse,
da er ohne regelmässigen Verdienst sei, beim Vater arbeite und lediglich Verpflegung und Unterkunft frei habe.

Die drohende Umwandlungsstrafe des Sohnes treffe in ihren Folgen auch den Vater, dessen Stütze er sei und der für eine zahlreiche Familie sorgen müsse.

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Demgegenüber bemerken wir auf Grund der von der Zollverwaltung vorgenommenen Erhebungen, dass die Gesuchsanbringen nicht zu überzeugen vermögen. Für die Haltung des Bestraften ist bezeichnend, dass er im Laufe des Verfahrens das Begnadigungsgesuch zurückzog, um in der Folge den Eückzug durch einen Advokaten widerrufen zu lassen; hinsichtlich des Vaters des Bestraften ergibt sich unzweideutig, dass er mit der Gesuchseinreichung überhaupt nicht einverstanden ist. Im übrigen ist die Busse angesichts des nicht geringfügigen Schmuggelvergehens mässig gehalten.

Wir beantragen mit der Oberzolldirektion, das Gesuch abzuweisen.

67. Martin Rimana, geb. 1870, Landwirt, Oberrohrdorf (Aargau).

(Ausländerkontrolle.)

Martin Eimann ist am 21. Oktober 1924 vom Bezirksgericht Baden wegen Zuwiderhandlung gegen die Art. 14 und 21 der Verordnung über die Kontrolle der Ausländer mit Fr. 10 verurteilt worden, weil er ein ungarisches Pflegekind trotz Aufforderung nicht ausreisen liess und ohne Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung bei sich behielt.

Eimann ersucht um Erlass der Busse, die unangebracht sei; die Ausweisbefehle der Ungarnliga habe man jeweils allgemein nicht ernst genommen, dagegen sei er der Weisung des kantonalen Fremdenbureaus unverzüglich nachgekommen. Ferner äussert sieh Eimann über die Bedeutung des Hilfswerkes gegenüber Ungarkindern, in der Meinung, das aus gutem Herzen Geleistete solle nunmehr nicht mit dem « Polizeiknüttel» vergolten werden.

Das Bezirksgericht Baden schreibt, da der Gesuchsteller offenbar in guten Treuen gehandelt habe, dürfte sich der Erlass der Busse rechtfertigen.

Unseres Erachtens hätte angesichts der geringfügigen Busse, die in einer Polizeisache ergangen ist und dem Strafenregister nicht gemeldet wird, das Begnadigungsgesuch füglich unterbleiben können; ein fehlerhaftes Verhalten ist unzweifelhaft vorhanden, was Eimann vor Gericht auch eingeräumt hat.

Prekäre Verhaltnisse kommen beim Gesuehsteller nicht in Betracht.

Wir beantragen Abweisung.

68. Charles Osterwalder, geb. 1892, gew. Kaufmann in St. Gallen, zurzeit in Amerika.

(Kriegs wucher.)

Charles Osterwalder ist am 22. Dezember 1921 voin Gerichtspräsidenten von Bern wegen Übertretung der Noterlasse gegen die Verteuerung von Nahrungsmitteln und andern unentbehrlichen Bedarfsgegenständen zu Fr. 1500 Busse verurteilt worden.

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In Betracht kommt der Kriesgwucherfall betreffend Kaffeeschiebunge» aus dem Jahre 1918, der bereits anlässlich der Begnadigungssachen Anthonioz.

und Schaller erörtert worden ist (Nrn. 84 und 85 des II. Berichtes vom 18. November 1924, Bundesblatt III, 808 ff.). Osterwalder fallen hierbei nicht unbeträchtliche wucherische Machenschaften zur Last.

Für Osterwalder ersucht der Schwiegervater um Erlass oder doch Ermässigung der Busse bis zu Fr. 500, die er selbst aufbringen würde. Osterwalder werde zwar mit seiner Familie aus Amerika kaum mehr zurückkehren, es sei ihm aber darum zu tun, den entwürdigenden Flecken der Strafe auszulöschen..

Beigefügt wird, dass Osterwalder als Soldat den ganzen Aktivdienst mitgemacht habe und ferner, dass er seinerzeit den letzten Bappen aufgewendet, habe, um seine Gläubiger zu befriedigen.

In den Akten befindet sich ein Bericht der Kantonspolizei St. Gallen.

Wir beantragen Abweisung, da genügende Begnadigungsgründe fehlen und es dabei sein Bewenden haben kann, dass die Busse ohnehin im Laufe des.

nächsten Jahres verjähren wird.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 1. Mai 1925.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Musy.

Der Bundeskanzler: Kaeslin.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

I. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Sommersession 1925). (Vom 1. Mai 1925.)

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1925

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06.05.1925

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