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1953

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurfe eines dringlichen ßundesbeschlusses über die Versorgung des Landes mit elektrischer Energie.

(Vom 23. März 1925.)

Die eidgenössischen Räte fassten am 23. Dezember 1921 den dringenden ,,Bundesbeschluss über die Versorgung des Landes mit elektrischer Energie im Palle eintretender Knappheit1*. Da sich die Wasserführung anfangs 1922. gunstiger gestaltete, als vorausgesehen werden konnte, kamen die im Bundesbeschluss vorgesehenen Massnahmen indessen nicht zur Durchführung. Am 15. Mai 1922 war der genannte Bundesbeschluss wieder ausser Kraft gesetzt.

In der darauffolgenden Zeit wurde die allgemeine Produktionsmöglichkeit des Landes durch die Inbetriebnahme neuer Kraftwerke etwas erhöht.

Auch die Wasserführung der Flüsse war eine normale, so dass die Bundesbehörden von der weitern Beantragung besonderer Massnahmen Umgang nehmen konnten.

Ende Januar und anfangs Februar dieses Winters waren die Verhältnisse hinsichtlich der Energieversorgung infolge der ausserordentlich lange anhaltenden Trockenheit bereits Besorgnis erregend. Einige Niederschläge hatten alsdann die Wasserführung der Flüsse eine Zeitlang etwas verbessert. Die allgemein erwartete Schneeschmelze blieb indessen bis heute aus.

Die Dampfturbinen wurden bereits verschiedentlich in Betrieb genommen. Die Energie ausführenden Werke haben ihre Lieferungen an das Ausland wesentlich, in einigen Fällen bedeutend unter das vertraglich festgelegte Mass eingeschränkt und die frei gewordene Energie dem Inlands zugeführt. Überdies werden besonders während der Nacht bedeutende Energiemengen aus ausländischen kalorischen Anlagen eingeführt, um dadurch-in den grössern Speicheranlagen der schweizerischen Kraftwerke Wasser für den Tagesbedarf sparen zu können. Dank dieser Massnahmen, die auf dem Wege der freiwilligen Verständigung unter den Werken und auf Grund vermittelnder Tätigkeit der Bundesbehörden erfolgten, waren

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bis heute wesentliche Einschränkungen in den inländischen Energielieferungen noch nicht notwendig, Die Wasserreserven in den grossen künstliehen Speicherbecken der Kraftwerke (Wäggital-, Klöntaler-Lungernsee) sind nun aber heute erschöpft.

Auch die Wasserstände der natürlichen Seen : Brienzer-Thuner-Neuenburger-Bieler-Vierwaldstätter- und Bodensee haben einen derartigen Tiefstand" erreicht, dass die Seen nicht mehr in der Lage sind, nennenswerte Wasserzuschüsse au die Flüsse abzugeben. Die letzten am 21. März 12 Uhr von der meteorologischen Zentralanstalt erhaltenen Angaben über die Wetterlage lauteten denkbar ungünstig.

Unter diesen Verhältnissen erachten wir es notwendig, dass für das Frühjahr 1925 durch die Räte dieselben Vorkehren wie für den Winter 1921/22 getroffen werden. Damit soll erreicht werden: 1. dass die Elektrizitätswerke sich gegenseitig mit Energielieferungen aushelfen, 2. dass die kalorischen Anlagen voll ausgenützt werden, bevor Einschränkungen in der Energieabgabe an das Inland erfolgen, 3. dass itn Falle von notwendig werdenden Einschränkungen : a. diese ia sweckmässiger und gleichmässiger Weise durchgeführt werden ; 6. diese Einschränkungen für den ausländischen Bezüger mindestens ebenso gross sind wie für den inländischen Konsumenten; c. Minimalgarantien, Pauschalbeträge oder Staffeltarife im Verhältnis von Zeit und Umfang der Einschränkungen herabgesetzt werden, Diese Massnahmen sollen nur so lange in Anwendung kommen, als die Knappheit, infolge Wassermangel anhält. Mit dem 15. Mai 1925 soll der Bundesbeschluss ohne weiteres dahinfallen.

Wir beantragen Ihnen, den hier beigefügten Entwurf eines Bundesbeschlusses zu genehmigen, der demjenigen vom 23. Dezember 1921 entspricht.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 23. März 1925.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bnndespräsident: Musy.

Der Vizekanzler: Kaeslin.

804 (Entwurf)

Bimdesbeschluss über die

Versorgung des Landes mit elektrischer Energie im Falle eintretender Knappheit.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Art. 24 w % Sehlussalinea, der Bundesverfassung; nach Einsichtnahme einer Botschaft des Bundesrates vom 23. März 1925 ; beschliesst: Verpflichtung Art. 1. Bei Energieknappheit sind die Werke verpflichtet, sich der Werke zu gegenseitig mit elektrischer Energie auszuhelfen, soweit es die techgegenseitiger Aushilfe. nischen Einrichtungen gestatten und soweit dies im Interesse einer

möglichst gleichmässigen Versorgung des Landes notwendig ist.

Erzeugung Art. 2. Die Werke sind verpflichtet, ihre Energiequellen, nader Energie mentlich auch ihre kalorischen Reserven voll auszunutzen, bevor die und Einschränkungen. Stromlieferung eingeschränkt werden darf.

Reichen die auf hydraulischem und kalorischem Wege erzeugte Energie sowie die Aushilfsenergie zur Deckung des Bedarfes nioht mehr aus, so sind die Werke berechtigt, die Energielieferung nach Massgabe der folgenden Bestimmungen einzuschränken oder in einzelnen Fällen vorübergehend einzustellen.

Art der EinArt. 3. Die Einschränkungen sind so durchzuführen, dass eine schränkungen. die allgemeinen Interessen des Landes möglichst wahrende Vertei-

lung der elektrischen Energie gesichert bleibt.

In erster Linie ist der Strom da einzusparen, wo der Konsument keine erheblichen wirtschaftlichen Nachteile erleidet. Den besondern Verhältnissen der einzelnen Betriebe soll nach Möglichkeit Rechnung getragen werden, EinArt. 4. Diejenigen Werke, die Strom ins Ausland abgeben, schränkung sind verpflichtet, die Lieferung mindestens im gleichen Umfange einder Ausfuhr zuschränken wie im Inland, soweit dies nach den im Zeitpunkt des elektrischer Energie.. Inkrafttretens dieses Bundesbeschlusses bestehenden Verträgen mög-

lieh ist.

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Art, 5. Im Falle der Durchführung von Sparmaßnahmen auf Abänderung von Grund des vorliegenden Bundesbeschlusses haben die Werke Minimalgarantie, Pauschalbeträge oder Staffeltarife im Verhältnis von Verträgen.

Zeit und Umfang der Einschränkungen herabzusetzen.

Im Streitfalle entscheidet der ordentliche Richter.

Art. 6. Der Bundesrat erlässt die zur Durchführung dieses Durchlülmind der l Bundesbeschlusses erforderlichen Ausführungebestimmungen.

Er ist ermächtigt, das Generalsekretariat des Verbandes Schwei- Maasnahmen, zerischer Elektrizitätswerke mit der Durchführung der notwendigen Massnahmen zu beauftragen.

Die besonderen Anordnungen betreffend die Durchführung von Einschränkungen im Betriebe der Eisenbahnen bleiben dem Bundesrate vorbehalten.

Das Generalsekretariat hat dem eidgenössischen Departement des Innern von den getroffenen Massnahmen jeweilen Kenntnis zu geben. Das Departement kann diese Massnahmen aufheben oder abändern.

Art. 7. Macht der Bundesrat von der in Art. 6, Abs. 2, er- Beschwerde.

wähnten Befugnis Gebrauch, so kann gegen die vom General Sekretariat getroffenen Massnahmen innert zehn Tagen beim eidgenössischen Departement des Innern Beschwerde geführt werden.

Die Beschwerde hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie ihr von der Beschwerdeinstanz zuerkannt wird.

ÜberArt. 8. Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften dieses Bundesbeschlusses sowie gegen die in Anwendung dieses Beschlusses tretungen.

getroffenen Verfügungen werden mit Geldbusse bis auf 10,000 Fr.

bestraft.

Der erste Abschnitt des ßundesgesetzes vom 4. Februar 1853 über das Bundesstrafrecht findet Anwendung.

Die Beurteilung und Verfolgung der Übertretungen liegt den Kantonen ob.

Art. 9. Dieser Bundesbeschluss wird als dringlich erklärt; er Vollzug.

wird aber erst durch Verfügung des Bundesrates in Kraft gesetzt, wenn ein offenbares Bedürfnis sich einstellt und sofern die Werke nicht selbst auf dem Wege gegenseitiger Verständigung die nötigen Massnahmen treffen. Der Bundesrat wird dea Bundesbeschluss spätestens am 15. Mai 1925 ausser Kraft setzen.

Der ßundesrat wird mit dem Vollzug dieses Bundesbeschlusses beauftragt.

Bundeablatt. 77. Jahrg. Bd. J.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurfe eines dringlichen Bundesbeschlusses über die Versorgung des Landes mit elektrischer Energie. (Vom 23.

März 1925.)

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1953

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25.03.1925

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