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Bundesblatt 77. Jahrgang.

Bern, dea 23. September 1925.

Band III.

Erscheint wöchentlich Prêts SO Franken im Jahr, 10 Franken im Salbjahr, zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr.

Einrückungsgebühr : 60 Happen die Petitzeile oder deren Kaum. -- Inserate franko an Stämpfli * de. in Bern.

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1994

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Anwendbar machung früherer den Rechtsverkehr betreffender Vertrag zwischen der Schweiz und Österreich.

(Vom 15. September 1925.}

I.

Der Frage des Fortbestandes der mit Österreich-Ungarn und mit den im Reichsrate vertretenen Königreichen und Ländern, d. h. dem konstitutionellen Österreich, abgeschlossenen Verträge hat der Bundesrat seit der Auflösung der Doppelmonarchie alle Aufmersamkeit geschenkt. Anlässlich der Beratungen über die Anerkennung der Republik Österreich beauftragte er am 3. Oktober 1919 das Politische Departement, zuvörderst im Benehmen mit den übrigen Departementen zu untersuchen, ob die frühern mit der Doppelmonachie oder mit dem Kaiserreich Österreich abgeschlossenen Verträge im Verhältnisse zur Republik Österreich weiterbestehen, wenn nicht, welche davon erneuert werden sollten und zu welchen Bemerkungen gegenüber der österreichischen Regierung sie allenfalls Anlass :geben könnten. Ungefähr gleichzeitig mit diesen Erhebungen liess das Politische Departement bei der österreichischen Regierung sondieren, wie sie sich zur Frage des Fortbestehens der frühern Verträge stelle und wie sie insbesondere den Artikel l, Absatz 2, des österreichischen Gesetzes vom 21. Oktober 1919 über die Staatsform, worin die Republik Österreich die Nachfolge in die Rechte und Verpflichtungen der Doppelmonarchie und des Kaisertums ablehnt, auslege hinsichtlich der Verträge und Abmachungen, die zwischen der Schweiz und der Doppelmonarchie und zwischen der Schweiz und Österreich abgeschlossen worden waren. Bei dieser Gelegenheit bekannte sich die österreichische Regierung zu dem Grundsatz, an dem sie seither unverrückbar festgehalten hat, dass die frühern Verträge zwar als Bestandteil der Landesgesetzgebung intern zu Recht bestehen, solange die frühere Gesetzgebung ihre Gültigkeit behalte, dass sie aber die Republik Österreich, die nicht Rechtsnachfolgerin des alten Staates, sondern ein aus der Auflösung der Doppelmonarchie hervorgegangener neuer Staat sei, gegenüber dem Auslande nicht binden, sofern nicht der Staatsvertrag von St. Germain gegenüber den alliierten und assoziierten Mächten gegenteilige Bestimmungen enthalte.

Bundesblatt. 77. Jahrg. Bd. III.

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102 IL Die Erhebungen der Bundesbehörden waren noch nicht abgeschlossen., als die österreichische Gesandtschaft in Bern am 16. September 1921 mit festen Vorschlägen an den Bundesrat gelangte. Darin wurde zunächst der eben umschriebene Grundsatz wiederholt und sodann beigefügt, die Österreichische Regierung habe allerdings bisher die alten Verträge, soweit sie bei den durch die staatliche Auflösung veränderten Verhältnissen noch in Betracht kommen, unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit faktisch weiter angewandt. Zur Behebung der aus dieser Lage entspringenden Rechtsunsicherheit schlug die österreichische Regierung vor, auf der Grundlage eines im Entwurfe' vorgelegten Abkommens eine Vereinbarung zu treffen, wodurch die Geltung der noch anwendbaren frühern Staatsverträgeuud Übereinkommen, und zwar zunächst der auf den Rechtsverkehr be
Widerspruch stehen".

Die Verhandlungen zur Aufstellung eines endgültigen Verzeichnisses' der anwendbarzumachenden Verträge und Übereinkommen gestalteten* sich in der Folge wider Erwarten langwierig. Am 14. August 192e legte die österreichische Gesandtschaft den Entwurf der im Gegenstande zu treffenden Vereinbarungen im Wortlaute vor. Die geringfügigen inhaltlichen und redaktionellen Abänderungsvorschläge der schweizerischen Antwortnote vom 5. Januar 1925 wurden von der österreichischen Regierung alle angenommen,
und am 26. April d. J. hat die österreichische Gesandtschaft dem Politischen Departemente den daraufhin bereinigten Wortlaut der abzuschliessenden Vereinbarungen mitgeteilt.

Diese gliedern sich in die untenstehenden drei diplomatischen Urkunden;, nämlich einen Staatsvertrag mit Schlussprotokoll, der am 25. Mai 1925 vom Vorsteher des Politischen Departements und dem österreichischen Gesandten in der Schweiz unterzeichnet worden ist und .den wir Ihnen hiermit zur Genehmigung unterbreiten, sowie zwei einfache Noten, die,,'

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Ihre Zustimmung vorausgesetzt, gleichzeitig mit den Ratifikationsurkunden zum genannten Staatsvertrag ausgetauscht werden sollen.

III.

Unter den anwendbarzumachenden Vereinbarungen finden sich die drei bereits oben genannten förmlichen Staatsverträge, und es schien daher angezeigt, diese im Verhältnisse der Schweiz zur Republik Österreich durch einen eigentlichen Staatsvertrag in Kraft zu setzen. Dies geschieht durch Artikel l des Vertrages vom 25. Mai 1925, der bestimmt, dass .die zwischen der Schweiz und der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie abgeschlossenen Staatsverträge vom 7. Dezember 1875 zur Regelung der Niederlassungsverhältnisse*), vom 10. März 1896 über die gegenseitige Auslieferung von Verbrechern**) und vom 21. August 1916 über die Beglaubigung der von öffentlichen Behörden der Schweiz oder Österreichs ausgestellten oder beglaubigten Urkunden***) von den beiden vertragschliessenden Staaten werden angewendet werden.

Ein zweiter und letzter Artikel regelt die Frage des Inkrafttretens und setzt ausserdem fest, dass der Vertrag jederzeit von jedem der beiden Kontrahenten auf sechs Monate gekündigt werden kann. Unter diesen Umständen fällt der Vertrag nicht unter die Bestimmungen des Artikels 89, Abs. 3, der Bundesverfassung betreffend die Unterstellung von Staatsverträgen unter das Referendum.

Mit dem Vertrage vom- 25. Mai 1925 wird in der Gesetzsammlung auch das abgeänderte Verzeichnis der Österreichischen Behörden veröffentlicht werden, deren Fertigung gemäss Artikel 2 des Beglaubigungsvertrages vom 21. August 1916 keiner weitern Beglaubigung bedarf.

Das Schlussprotokoll, das einen integrierenden Bestandteil des Vertrages bildet, enthält die bereits oben gestreiften Erklärungen betreffend das Verhältnis des Niederlassungsvertrages zu den in beiden Ländern geltenden fremdenpolizeilichen Vorschriften. Die beiden Regierungen erklären, dass die in der Schweiz hinsichtlich des Aufenthalts und der Niederlassung fremder Staatsangehöriger ergriffenen Massnahmen gleich wie die in Österreich geltenden Passvorschriften mit dem Vertrage nicht im Widerspruch stehen. Die schweizerische Regierung stimmt ausserdem zu, dass österreichischerseits Antritt und Betrieb eines Gewerbes durch schweizerische Staatsangehörige von einer förmlichen Zulassung durch die politischen Landesbehörden im Sinne des § 8, Abs. 2, der österreichischen Gewerbeordnung abhängig gemacht werde. Diese allgemeinen Erklärungen werden indessen
auf beiden Seiten in einer Weise ergänzt, die zur Wirkung hat, dass die seit der Zeit vor Beginn der FremdeDkontrolle im Ge*) Siehe Gesetzsammlung, Bd. II, S. 148.

**) Siehe Gesetzsammlung. Bd. XV, S. 566.

***) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXIII, S, 368.

104 biete des andern Vertragsteils wohnhaften Staatsangehörigen von den fremdenpolizeilichen Bestimmungen möglichst wenig betroffen werden. So erklärt sich die schweizerische Regierung damit einverstanden, dass österreichische Staatsangehörige, deren Niederlassung in der Schweiz aus der Zeit vor dem Beginne der Fremdenkontrolle stammt, ohne weiteres als fremdenpolizeilich zugelassen gelten und dass sie, nachdem ihnen in der Schweiz einmal die Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung erteilt worden ist, mit Ausnahme des Apotheker- und Hausiergewerbes, im Genüsse der Handels- und Gewerbefreiheit gemäss Artikel 31 der Bundesverfassung stehen in dem Umfange, als ihnen diese Bewilligung keinerlei einschränkende Bedingungen auferlegt. Umgekehrt erhält die Schweiz österreichischerseits die Zusicherung, dass die bereits erfolgte Zulassung eines Schweizers in Österreich bzw. ein früher auf Grund des § 8, Abs. l, der österreichischen Gewerbeordnung erfolgter Antritt oder Betrieb eines Gewerbes durch schweizerische Staatsangehörige in Österreich als erworbenes Recht betrachtet werde. Der Vollständigkeit halber mag der Wortlaut von § 8 der österreichischen Gewerbeordnung hier angeführt werden: ,,Ausländer sind gegen Nachweisung der formellen Reziprozität seitens des Staates, dem sie angehören, in bezng auf den Antritt und den Betrieb eines Gewerbes den Inländern gleichgestellt.

Im Falle die Reziprozität nicht nachgewiesen wird, bedürfen sie einer förmlichen Zulassung von Seite der politischen Landesbehörde.cc

IV.

Wie bereits angedeutet, soll das eben umschriebene Abkommen durch zwei Noten ergänzt werden, die anlässlich des Austausches der Ratifikationsurkunden zum Vertrage vom 25. Mai 1925 zwischen der schweizerischen und der österreichischen Regierung auszuwechseln sind. Der Entwurf der beiden schweizerischen Noten findet sich im Anhange zu vorliegender Botschaft. Die dadurch zu treffenden Vereinbarungen worden gleichzeitig wie der Vertrag in Wirksamkeit erwachsen.

Die erste dieser Noten bezweckt, zehn weitere auf den Rechtsverkehr zwischen der Schweiz and Österreich bezügliche Übereinkommen von geringerer Bedeutung anwendbar zu macheu. Es handelt sich zunächst um die Gegenrechtserklärung, welche die Kantone Waadt*), Zürich**) und St. Gallen ***) mit Bezug auf die Vollstreckung von Zivilurteilen in den Jahren 1885/1897, 1907 und 1909 mit Österreich(-Ungarn) ausgetauscht haben. Daran schliessen sich folgende sieben schweizerischösterreichische Vereinbarungen : " *) Siehe Gesetzsammlung, Bd. VIII, S. 83 ; dazu Recueil des Lois du Canton de Taud XCV (1898).

**) Zürich, Gesetze XXVIII, S. 98.

***) Gesetzsammlung des Kantons St. Gallen X, S. 29 (1908-11).

105 1. Übereinkunft vom 29. Oktober 1885 über die gegenseitige Zu-> lassung der an der Grenze domizilierten Medizinalpersonen zur Berufsausübung (Gesetzsammlung, Bd. IX, S. 220. Diese Übereinkunft war bereits durch Notenaustausch vom 6. Februar 1924 erneuert worden; wegen eines Formfehlers, der damals unterlaufen ist, wurde sie auf österreichischen Wunsch in das vorstehende Verzeichnis aufgenommen); 2. Übereinkommen vom 21./28. Oktober 1887 wegen gegenseitiger Übernahme der ehemaligen Staatsangehörigen (Gesetzsammlung, Bd. X, S. 303) ; 3. Gegenseitigkeitserklärung vom Jahre 1898 betreffend die Auslieferung wegen Androhung gewaltsamer Handlungen gegen Personen Ogl. Bundesblatt 1899, I S. 392, Ziff. 6) ; 4. Übereinkommen vom 30. Dezember 1899 betreffend den Korrespondenzverkehr zwischen den schweizerischen Gerichtsbehörden einerseits und den österreichischen Gerichten und Staatsanwaltschaften andererseits (Gesetzsammlung, Bd. XVIII, S. 2) ; 5. Übereinkommen vom 6. Mai/17. Dezember 1910 betreffend den Korrespondenzverkehr zwischen dem eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement und den österreichischen Provinzialbehörden (vgl. Bundesblatt 1912, I S. 520, Ziff. 6); 6. Übereinkommen vom 15. März 1911 betreffend das gegenseitige Rückschubsrecht auf der Eisenbahnlinie St. Margrethen-Bregenz (Gesetzsammlung, Bd. XXVII, S. 135) ; 7. Gegenseitigkeitserklärung vom Jahre 1921 betreffend die Auslieferung exterritorialer Personen (vgl. Geschäftsbericht des Bundesrates für 1921, S. 352, Ziff. 13).

Ferner erhält die Schweiz von Österreich die Erklärung, dass das Gegenseitigkeitsverhältnis auf dem Gebiete des Urheberrcchtsschutzes vom Zeitpunkte der Auflösung der österreichisch - ungarischen Monarchie bis zum Beitritte der Republik Österreich zu der am 13. November 1908 revidierten Berner Übereinkunft, d. i. bis einschliesslich 30. September 1920, zwischen der Schweiz und der Republik Österreich bestanden hat.

Durch den Austausch der zweiten Note soll ein neues Abkommen zur Regelung des Verfahrens bei der Übergabe und Übernahme von Verbrechern getroffen werden, das an die Stelle der sich teilweise widersprechenden und überholten einschlägigen Übereinkommen vom 4. November 1898 sowie aus den Jahren 1907 und 1910 (vgl. Buudesblatt 1898, V S. 156; 1908, I S. 532, Ziff. 10; 1911, I S. 448, Ziff. 9) zu treten hätte.

V.
Aus der Auflösung der Doppelmonarchie und der Neuordnung der staatsrechtlichen Verhältnisse in unserm östlichen Nachbarlande hat sich im schweizerisch-österreichischen Rechtsverkehr eine gewisse Unsicherheit

106 ergeben, und es kann daher mit Rücksicht auf unsere eigenen Interessen sowohl wie im Hinblick auf die Gestaltung der schweizerisch-österreichischen Beziehungen nur begrüsst werden, dass dieser Verkehr wieder auf einen klaren und festen Rechtsboden zu stehen kommt. Diesem Ziele zu dienen, ist der Vertrag vom 25. Mai 1925, zusammen mit den beiden noch zu treffenden Zusatzabkommen, in weitem Masse geeignet.

Wir ersuchen Sie demnach, dem folgenden Entwurf eines Bundesbeschlusses Ihre Genehmigung zu erteilen.

B e r n , den 15. September 1925.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Musy.

Der Bundeskanzler: Kaeslin.

(Entwurf.)

Bundesbeschluss über

die Anwendbarmachung früherer den Rechtsverkehr betreffender Verträge zwischen der Schweiz und Österreich.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 15. September 1925, beschliesst: 1. Der am 25. Mai 1925 unterzeichnete Vertrag zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und der. Republik Österreich zur Anwendbarmachung früherer den Rechtsverkehr betreffender Verträge sowie das zugehörige Schlussprotokoll werden genehmigt.

2. Der Bundesrat wird ermächtigt, mit der österreichischen Regierung die beiden im Anhange wiedergegebenen Noten über einige weitere Abkommen auszutauschen, 3. Der Bundesrat wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

107 I.

^Vertrag-, Der Bundesrat der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundespräsident der Republik Österreich haben in der übereinstimmenden Absicht, die zwischen der Schweiz und der ehemaligen österreichisch - ungarischen Monarchie geschlossenen Verträge zur Regelung der Niederlassungsverhältnisse, über die gegenseitige Auslieferung von Verbrechern und über die Beglaubigung von Urkunden .zwischen der Schweiz und der Republik Österreich anwendbar zu machen, beschlossen, zu diesem Zwecke einen Vertrag abzuschliessen und haben ·zu ihren Bevollmächtigten ernannt der Bundesrat der Schweizerischen Eidgenossenschaft : Herrn Bundesrat Giuseppe M o t t a , Vorsteher des Eidgenössischen Politischen Departements, der Bundespräsident der Republik Österreich: Herrn Dr. Leo Di P au li, ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister in Bern, die nach Vorweisung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten über folgende Bestimmungen übereingekommen sind: Artikel 1.

Die zwischen der Schweiz und der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie geschlossenen Staatsverträge vom 7. Dezember 1875, zur Regelung der Niederlassungsverhältnisse, vom 10. März 1896, über die gegenseitige Auslieferung von Verbrechern, und vom 21. August 1916, aber die Beglaubigung der von öffentlichen Behörden der Schweiz oder Österreichs ausgestellten oder beglaubigten Urkunden, werden von den veriragschliessenden Teilen angewendet werden.

Artikel 2.

Der gegenwärtige Vertrag wird sobald als möglich ratifiziert, und die Ratifikationsurkunden werden in Bern ausgetauscht werden.

Der gegenwärtige Vertrag tritt am Tage nach dem Austausch der Ratifikationsurkunden in 'Wirksamkeit und bleibt solange in Geltung, als er nicht von einem der vertragschliessenden Teile gekündigt wird.

In diesem Falle tritt er nach Ablauf von 6 Monaten nach dem Tage ausser Kraft, an dem die Kündigung dem andern vertragschliessenden Teile bekannt gegeben worden ist.

108 Zu. Urkund dessen haben die Bevollmächtigten den gegenwärtige» Vertrag unterzeichnet und ihre Siegel beigefügt.

So geschehen zu Bern, in doppelter Urschrift, den fiinfundz wanzigsten» Mai 1925.

L. S. (gez.) Motta.

L. S. (gez.) Di Paulù

Schlussprotokoll zum

Staatsvertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Oesterreich vom 25. Mai 1925.

Bei der Unterzeichnung des am heutigen Tage zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Österreich abgeschlossenen Staatsvertrages haben die unterzeichneten Bevollmächtigten die folgenden Erklärungen abgegeben, die einen integrierenden Teil des Vertrages selbst bilden sollen : Die Eidgenössische Regierung erachtet die österreichischen Passvorschriften als dem Vertrage nicht widersprechend und erhebt keine Einwendung dagegen, dass österreichischerseits Antritt und Betrieb eines Gewerbes durch schweizerische Staatsangehörige von einer förmlichen Zulassung durch die politischen Landesbehörden im Sinne des § 8, Abs. 2r der österreichischen Gewerbeordnung abhängig gemacht wird. Es besteht jedoch Einverständnis, dass eine bereits erfolgte Zulassung, bezw. ein früher auf Grund des § 8, Abs. l, der österreichischen Gewerbeordnung erfolgter Antritt und Betrieb eines Gewerbes als erworbenes Recht betrachtet wird.

Die Österreichische Bundesregierung erachtet die zurzeit in der Schweiz hinsichtlich des Aufenthaltes und der Niederlassung fremder Staatsangehöriger ergriffenen Maasnahmen als mit den Bestimmungen de» Vertrages nicht in Widerspruch stehend. Es besteht aber Einverständnis,, dass jene österreichischen Staatsangehörigen ohne weiteres als fremdenpolizeilich zugelassen gelten, deren Niederlassung in der Schweiz aus der Zeit vor dem Beginne der Fremdenkontrolle stammt, und dass österreichische Staatsangehörige nach erteilter Aufenthalts- und Niederlassungsbewilligung in der Schweiz mit Ausnahme des Apotheker- und Hausiergewerbes im Genüsse der Handels- und Gewerbefreiheit gemass Artikel 31 der schweizerischen Bundesverfassung stehen, sofern ihnen die Bewilligungsvorschriften und BewilliguDgsbedingungen in dieser Hinsicht keine Beschränkungen auferlegen.

Zu Urkund dessen haben die beiderseitigen Bevollmächtigten dieses Schlussprotokoll unterzeichnet und ihm ihre Siegel beigedrückt.

B e r n , den fitnfundzwanzigsten Mai 1925.

L. S. (gez.) Motta.

L. S. (gez.) Di Pauli.

109 II.

1. Entwurf einer dem österreichischen Gesandten in Bern zu übergebenden Note.

Anläaslich des Austausches der Ratifikationsurkunden zum Staatsvertrage zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Österreich vom 25, Mai 1925 beehrt sich der unterfertigte Vorsteher des Eidgenössischen Politischen Departements zu bestätigen, dass der Schweizerische Bundesrat und die Österreichische Bundesregierung über folgende Bestimmungen übereingekommen sind : 1. Die nachstehend bezeichneten internationalen Übereinkommen finden im Verhältnisse zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Österreich Anwendung, und zwar : a. Gegenseitigkeitserklärung zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Österreichisch-Ungarischen Regierung vom 16. Februar/7. März 1885 betreffend die Vollstreckung der Zivilurteile aus Österreich-Ungarn im Kanton Waadt und jener aus dem Kanton Waadt in Österreich-Ungarn, ergänzt durch die Gegenseitigkeitserklärung zwischen dem Staatsrate des Kantons Waadt und der Österreichischen Regierung vom 9, März/1 O.Dezember 1897.

b. Gegenseitigkeitserklärung zwischen dem Regierungsrate des Kantons Zürich und der Österreichischen Regierung vom 31. Jänner/14, März 1907 über die Vollstreckung von Zivilurteilen.

c. Gegenseitigkeitserklärung zwischen dem Regierungsrate des Kantons St- Gallen und der Österreichischen Regierung vom 30. Dezember 1908/19. Februar 1909 über die Vollstreckung von Zivilurteilen.

d. Übereinkunft zwischen der Schweiz und Österreich-Ungarn vom 29. Oktober 1885 über die gegenseitige Zulassung der an der Grenze domizilierten Medizinalpersonen zur Berufsausübung.

e. Übereinkommen zwischen den Regierungen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Österreichisch - Ungarischen Monarchie vom 21./28. Oktober 1887 wegen gegenseitiger Übernahme ihrer ehemaligen Staatsangehörigen.

f. Schweizerisch-österreichische Gegenseitigkeitserklärung vom Jahre 1898 betreffend die Auslieferung wegen Androhung gewaltsamer Handlungen gegen Personen.

g. Übereinkommen vom 30. Dezember 1899 betreffend den Korrespondenzverkehr zwischen den österreichischen Gerichten und Staatsanwaltschaften einerseits und den schweizerischen Gerichtsbehörden anderseits, mit der Massgabe, dass im Art. II die Anführung der Gerichtshöfe und Staatsanwaltschaften Prag, Brunn und Triest
wegzufallen hat und dass weiter dem Verzeichnisse der schweizerischen Gerichtsbehörden, denen der direkte Verkehr in Rechtshilfesachen mit den österreichischen Gerichten in Gemässheit des Übereinkommens gestattet ist, beizufügen sind : das schweizerische

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Bundesgericht in Lausanne, das schweizerische Versicherungsgericht in Luzern, die schweizerische Bundesanwaltschaft in Bern und die Polizeiabteilung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements in Bern.

li. Übereinkommen vom 6. Mai/17. Dezember 1910 betreffend den Korrespondenzverkehr zwischen dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement und den österreichischen Provinzialbehörden.

1. Österreichisch-schweizerisches Übereinkommen vom 15. März 1911 betreffend das gegenseitige Biickschubsrecht auf der Eisenbahnlinie 8t. Margrethen-Bregenz.

2. Die österreichisch-schweizerische Gegenseitigkeitserklärung vom Jahre 1921 betreffend die Auslieferung exterritorialer Personen wird erneuert.

3. Es wird festgestellt, dass das durch die Verordnungen des ehemaligen österreichischen Justizministeriums vom. 27. Mai 1914 und vom 2. August 1918 bezw. durch die Beschlüsse des schweizerischen Bundesrates vom 10. Juli 1914 und vom 25. Oktober 1918 begründete Gegenseitigkeitsverhältnis auf dem Gebiete des Urheberrechtsschutzes von dem Zeitpunkte der Auflösung der Österreichisch-Ungarischen Monarchie bis zum Beitritt der Republik Österreich zu der am 13. November 1908 revidierten Berner Übereinkunft zum Schutze von Werkender Literatur und Kunst, d. i.

bis einschliesslich 30. September 1920, bestanden hat.

Indem der Unterzeichnete der Übersendung einer gleichartigen Gegennote entgegensieht, benützt er B e r n , den

2. Entwurf einer dem österreichischen Gesandten in Bern zu übergebenden Note.

Anlässlich des Austausches der Ratifikationsurkunden zum Staatsvertrage zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Österreich vom 25, Mai 1925 beehrt sich der unterfertigte Vorsteher des Eidgenössischen Politischen Departements zu bestätigen, dass der Schweizerische Bundesrat und die Österreichische Bundesregierung über folgende Bestimmungen, betreffend die Regelung des Verfahrens bei der Übergabe und Übernahme von Verbrechern an der schweizerisch - Österreichischen Grenze zum Zwecke einer Auslieferung, einer vorübergehenden Übergabe oder einer Durchlieferung, übereingekommen sind: !.. Der Schweizerische Bundesrat bestimmt die folgenden Orte und Behörden zur Übernahme von Verbrechern, die zur Auslieferung, zur vorübergehenden Übergabe oder zur Durchlieferung aus Österreich unmittelbar nach der -Schweiz geleitet werden:

Ili Laufende Nummer

Bezeiehnung des sehweizerischen Übernahmeortes

Bezeichnung der schweizerischen Übernahmebehörde

Bezeichnung des österreichischen Grenzortes

i

Rorschach Buchs

Bezirksamt Rorschaeh Bezirksamt Werdenberg in Buchs

Bregenz Feldkirch

2

2. Das Bundeskanzleramt der Republik Österreich bestimmt die folgenden Orte und Behörden zur Übernahme von Verbrechern, die zur Auslieferung, zur vorübergehenden Übergabe oder zur Durchlieferung aus der Schweiz unmittelbar nach Österreich geleitet werden : Bezeichnung des österreichischen Übernahmeortes

Bezeichnung der österreichischen Übernahmebehörde

Bezeichnung des schweizerischen Grenzortes

1

Feldkirch

Buchs

2

Bregenz

3

Pfunds-Stuben

Bezirkshauptmannschaft Feldkirch Bezirkshauptmannschaft Bregenz Bezirksgericht Ried in Tirol

Laufende Nummer

Rorschach Martinsbruck

3. Die Bestimmung eines der angegebenen Übernahmeorte im Einzelfalle bleibt, wenn der Verbrecher nach der Schweiz geleitet werden soll, den österreichischen Behörden, wenn er aber nach Österreich geleitet wird, den schweizerischen Behörden vorbehalten.

4. Die Übergabe des Verbrechers hat im Übernahmeort an die Übernahmebehörde zu geschehen. Befindet sich die Übernahmebehörde nicht im Übernahmeort oder handelt es sich um einen Bisenbahntransport, so hat die Übergabe an das hiezu angewiesene Sicherheitsorgan (Gendarm, Finanzwache, Polizeibeamter, Polizist) zu geschehen, und zwar bei einem Eisenbahntransport in der betreffenden Bahnstation.

5. Bei Auslieferung an die Schweiz soll das Eidgenössische Justizund Polizeidepartement in Bern regelmässig von dem bevorstehenden Eintreffen des Verbrechers an dem Übernahmeort derart benachrichtigt werden, dass zwischen dem Tag, an dem diese Benachrichtigung beim Justiz- und Polizeidepartement eintrifft, und dem Tage der Ankunft des Verbrechers am Übernahmeort mindestens 3 Tage liegen.

Das Justiz- und Polizeidepartement in Bern wird die schweizerische Übernahmebehörde und die verfolgende schweizerische Behörde entsprechend verständigen.

112

Kann die bereits angekündigte Übergabe eines Verbrechers an die schweizerische Übernahmebehörde infolge plötzlicher Erkrankung des Auszuliefernden oder aus einem andern Grunde zur angesagten Zeit nicht bewerkstelligt werden, so ist hievon das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement in Bern unverzüglich unmittelbar -- nötigenfalls im telegraphischen Wege -- zu verständigen.

Bei Auslieferungen an Österreich soll die für den in Betracht kommenden Übernahmeort zuständige Übernahmebehörde regelmässig von dem bevorstehenden Eintreffen des Verbrechers derart benachrichtigt werden, dass zwischen dem Tag, an dem diese Benachrichtigung bei der Übernahmebehörde eintrifft, und dem Tage der Ankunft des Verbrechers am Übernahmeort mindestens ein voller Tag liegt.

Diese Verständigungen sind insbesondere erforderlich, wenn es sich bei Eisenbahntransporten darum handelt, die Ablösung des Geleitorganes des einen Teiles durch das Organ des anderen Teiles im betreffenden Bahnhofe sofort beim Eintreffen des Zuges derart zu siehern, dass der unmittelbare Anschluss nicht versäumt werde.

6. Wenn ein Verbrecher zum Zwecke der Auslieferung oder vorübergehenden Übergabe an die Grenze zu bringen ist, so genügt es zur Sicherung seiner Übernahme durch die betreffende Übernahmebehörde, wenn aus den Begleitpapieren die Tatsache hervorgeht, dass eine Strafjustizbehörde des übernehmenden Staates die Auslieferung oder vorübergehende Übergabe im diplomatischen Wege verlangt hat und die betreffende Strafjustizbehörde angegeben ist.

7. Soll dagegen ein Verbrecher zum -Zwecke der Durchlieferung an einen dritten Staat an die Grenze gebracht werden, so ist seine Übernahme durch die zuständige Übernahmebehörde erst zulässig, nachdem die Regierung des Staates, über dessen Gebiet der Transport erfolgen soll, nach Bewilligung des Durchtransportes die zur Sicherung der Übernahme erforderlichen Massnahmen getroffen hat.

Die Behörde, "in deren Verwahrung der Verbrecher ist, darf diesen erst an die Grenze bringen, nachdem sie davon verständigt wurde, dass die Übernahme gesichert ist.

8. Werden mit dem Verbrecher corpora delicti, auszufolgende Akten oder andere Gegenstände übergeben, so hat sie die Übernahmebehörde zu übernehmen und ihre sichere Weiterbeförderung zu besorgen.

Indem der Unterzeichnete der Übersendung einer gleichartigen Note entgegensieht, benützt er . . .

B e r n , den ~£3~

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(Vom 15. September 1925.}

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