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1976

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Genehmigung des am 6. April 1925 unterzeichneten obligatorischen Vergleichs- und Schiedsvertrages zwischen der Schweiz und Frankreich.

(Vom 15. Mai 1925.)

I.

Anlässlich der Unterzeichnung der Schiedsordnung bezüglich der Freizonen Hoehsavoyens und der Landschaft Gex hatten der schweizerische Gesandte in Paris und der französische Ministerpräsident, Minister des Auswärtigen, am 30. Oktober 1924 einen Notenwechsel*) vorgenommen, wonach sich die beiden Regierungen grundsätzlich bereit erklärten, einen obligatorischen Vergleichs- und Schiedsvertrag abzuschliessen, der an die Stelle des 1917 abgelaufenen schweizerisch-französischen Schiedsvertrages vom 14. Dezember 1904 zu treten hätte.

Auf Grund dieser Noten wurden im November 1924 offiziöse Verhandlungen aufgenommen zwischen Herrn Paul Logoz, Professor an der Universität Genf, und Herrn Fromageot, Rechtsberater des französischen Ministeriums des Auswärtigen, die kurz zuvor gemeinsam die Schiedsordnung über die Zonenfrage ausgearbeitet hatten. Die Herren Logoz und Fromageot konnten sich in kurzem über den Entwurf eines Vertrages verständigen, der am 6. April von Herrn Herriot, Ministerpräsident, Minister des Auswärtigen, und dem schweizerischen Gesandten, Herrn Dunant, unterzeichnet worden ist. Der Wortlaut dieses Vertrages findet sich im Anhang zu dieser Botschaft.

' II.

Unser Berieht vom 3. Dezember 1919 und die Botschaften vom 28. Oktober 1924 haben unsere Anschauungen auf dem Gebiete des Vergleichswesens und der gerichtlichen oder schiedsrichterlichen Austragung von Streitigkeiten einlässlich dargelegt, so dass wir an dieser Stelle auf diese grundsätzlichen Erörterungen nicht zurückzukommen brauchen.

*) Veröffentlicht unter den Beilagen A zur Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 25. November 1924 betreifend die Genehmigung der Schiedsordnung bezüglich der Freizonen Hochsavoyens und der Landschaft Gex.

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Ks möge genügen hervorzuheben, dass der Vertrag, den wir Ihnen zur Genehmigung empfehlen, in der langen Reihe neuerer Vereinbarungen dieser Art zu den fortschrittlichsten gehört.

Im Eingang wird ausdrücklich festgestellt, dass beide Regierungen gleicherweise von der Notwendigkeit überzeugt seien, dass die Erledigung etwaiger zwischen Staaten entstehender Streitigkeiten in allen Fällen durch friedliche Mittel sicherzustellen sei, und die Bestimmungen des Vertrages selbst verwirklichen dieses Ziel in vollem Umfange.

Nach Artikel l des Vertrages sind alle zwischen der Schweiz und Frankreich entstehenden Streitigkeiten irgendwelcher Art, die auf diplomatischem Wege nicht haben geschlichtet werden können, einer ständigen Vergleichgkommission zu unterbreiten, es sei denn, dass die Parteien übereinkommen, sie unmittelbar dem ständigen internationalen Gerichtshof im Haag oder einem Schiedsgerichte zu unterbreiten.

In Artikel 2 ist vereinbart, dass Streitigkeiten, die der Landesgeilchtsbarkeit einer der Parteien unterliegen, dem im Vertrage vorgesehenen Verfahren erst unterworfen werden können, nachdem die zuständige Laudesbehörde ein rechtskräftiges Urteil erlassen hat. Eine entsprechende Bestimmung findet sich in unsern meisten Vergleichs- und Schiedsverträgen.

Die Artikel 3 bis 13 beziehen sich auf die Bildung und die Tätigkeit der ständigen Vergleichskommission und entsprechen im ganzen den Bestimmungen unserer Verträge mit Schweden, Dänemark und Italien.

Wir können daher davon Umgang nehmen, sie aufs neue zu erläutern, und verweisen dieserhalb auf die Ausführungen unserer Botschaften vom 28. Oktober 1924.

Eine bemerkenswerte Neuerung mag indessen hervorgehoben werden.

Die schweizerisch-französische Vergleichskommission beschränkt sich nicht darauf, einen Bericht über den Streitgegenstand zu erstatten und Vorschläge für die Beilegung des Anstandes zu machen. Sie hat vielmehr ihre Bemühungen um Herbeiführung eines Ausgleichs bis zum Ende fortzusetzen und kann nötigenfalls ihre Aufgabe auf neuer Grundlage wieder aufnehmen und neue Vorschläge machen, wenn ihr erster Versuch keine Einigung zwischen den Parteien gezeitigt hat. Nach Artikel 6 wird nämlich das Vergleichsverfahren erst dann als beendet betrachtet, wenn die Kommission ein Protokoll errichtet hat, worin festgestellt wird, dass die Parteien
sich verglichen haben oder dass sie zu keinem Vergleiche geführt werden konnten. Um indessen eine ungebührliche Verschleppung des Vergleichsverfahrens zu verhindern, wurde vereinbart, dass die Arbeiten der Vorgleichskommission binnen sechs Monaten nach Anrufung der Kommission abgeschlossen sein müssen, es sei denn, dass die Parteien diese Frist im gemeinsamen Einverständnis erstrecken.

Falls das Vergleichsverfahren scheitert, ist die Streitigkeit gemäss Artikel 14 entweder dem ständigen internationalen Gerichtshof oder eiaem

428 Schiedsgerichte zu unterbreiten. Die Zuständigkeit des Gerichtshofes ist in allen jenen Fällen gegeben, die in Artikel 36, Absatz 2, seines Statuts vorgesehen sind, d. h. sooft die Streitigkeit betrifft 1. die Auslegung eines Vertrages, 2. irgendeine .Frage des internationalen Rechts, 3. das Bestehen einer Tatsache, die, wenn sie erwiesen wäre, die Verletzung einer zwischenstaatlichen Verpflichtung bedeuten würde, 4. die Art oder den Umfang der Wiedergutmachung im Falle des Bruches einer zwischenstaatlichen Verpflichtung.

Dieser Rahmen ist so weit, dass er, wie wir bereits in der Botschaft vom 28. Oktober 1924 über den schweizerisch-ungarischen Vergleichsund Schiedsvertrag betont haben, die meisten Anstände umfasst, die überhaupt zwischen Staaten entstehen können. Es darf daher füglich behauptet werden, dass, falls zwischen der Schweiz und Frankreich eine Streitigkeit entstehen sollte, die weder auf diplomatischem Wege noch durch das Vergleichsverfahren geschlichtet werden kann, sie in der Regel der Gerichtsbarkeit des ständigen internationalen Gerichtshofes unterliegen wird.

Gegebenenfalls ist der Gerichtshof berufen, gemäss Artikel 36, Absatz 4, seines Statuts über die Frage zu entscheiden, ob er zuständig ist.

Wegen der Mannigfaltigkeit der Interessen, die sich aus so engen nachbarlichen Beziehungen ergeben, muss andererseits die Möglichkeit eines Anstandes ins Auge gefasst werden, der nicht zn den vier in Artikel 36, Absatz 2, des Statuts des Gerichtshofes angegebenen Arten von Streitigkeiten gehört. Da es in diesem Falle zweckmässig sein kann, die Dienste von Schiedsrichtern mit besondern Fachkenntnissen anzurufen, so sieht der Vertrag die Zuhilfenahme des Schiedsgerichtsverfahrens vor. Das Haager Abkommen vom 18. Oktober 1907 für die friedliche Erledigung internationaler Streitfälle würde dann in Geltung treten. Artikel 15 bestimmt, dass, falls die Parteien sich über die Bildung des Schiedsgerichtes nicht verständigen könnten, dieses Gericht aus fünf Mitgliedern zu bilden wäre, wovon drei von den Parteien gemeinschaftlich oder bei Ausbleiben einer Einigung von der Königin der Niederlande zu bezeichnen wären, womit alle Gewähr für die Unparteilichkeit des Schiedsgerichtes geboten wäre. Auf etwas anderm Wege gelangt man so zu einem Ergebnisse, das der Regelung irn schweizerisch-italienischen
Vertrage vom 20. September 1924 zur Erledigung von Streitigkeiten im Vergleichs- und Gerichtsverfahren entspricht. Keine wie immer geartete Streitsache kann der gerichtlichen oder schiedsrichterlichen Erledigung entzogen werden. Selbstverständlich beeinträchtigt dieser allgemeine Vertrag in keiner Weise die Kollektivverträge und Partikularabkommen mit besondern Schiedsklauseln, und im Falle von Anständen, für deren Schlichtung andere geltende vertragliche Bestimmungen ein besonderes Schiedsverfahren vorsehen, ist dieses Verfahren anzuwenden.

429 » Gemäss Artikel 16 endlich ist der Gerichshof zuständig, über etwaige Anstände betreffend die Anwendung des Vertrages zu befinden. Somit besteht völlige Sicherheit, dass das vom Vertrage vorgesehene Verfahren durch keinerlei Auslegungsschwierigkeiten gehemmt werden kann.

Der Vergleichs- und Schiedsvertrag mit Frankreich gilt für die Dauer von zehn Jahren und kann im Wege stillschweigender Verlängerung um je fünf Jahre verlängert werden,. es sei denn, dass er sechs Monate vor Ablauf einer Verlängerungsfrist gekündigt wird. Unter diesen Umständen fällt er nicht unter die Bestimmungen des Artikels 89, Absatz 3, der Bundesverfassung betreffend das freiwillige Referendum für Staatsverträge.

III.

In unserer Botschaft vom 28, Oktober 1924 über den schweizerischitalienischen Vertrag zur Erledigung von Streitigkeiten im Vergleichs- und Gerichtsverfahren haben wir auf den hohen praktischen und sittlichen Wert von internationalen Vereinbarungen hingewiesen, die auf dem Grundsätze der obligatorischen, allgemeinen und unbedingten gerichtlichen Erledigung aller Streitigkeiten beruhen. Was vom schweizerisch-italienischen Vertrage gesagt worden ist, gilt auch für den Vertrag mit Frankreich.

Wenn dieses Abkommen in vollem Umfange das Programm verwirklicht, dem Sie durch Genehmigung des Vertrages mit Italien zugestimmt haben, so bildet es gleichermassen einen offensichtlichen, unwiderleglichen Beweis für den Geist der Gerechtigkeit und des guten Einvernehmens, der die Beziehungen zwischen der Schweiz und Frankreich leitet.

Der Vertrag, abgeschlossen zwischen zwei Nachbarstaaten, die sich gerade wegen ihrer geographischen Lage und ihrer engen und mannigfachen Beziehungen der Regelung heikler Fragen gegenübersehen können, tut durch die Tragweite seiner Bindungen die Festigkeit der zwischen den Kontrahenten bestehenden Freundschaft dar.

Sie werden demnach nicht anstehen, Ihre Genehmigung einer Vereinbarung zu erteilen, die der Schweiz wie Frankreich Ehre macht, und zu diesem Zwecke den nachstehenden Entwurf eines Bundesbeschlusses gutzuheissen.

B e r n , den 15. Mai 1925.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Musy.

Der Bundeskanzler : Kaeslin.

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(Entwurf.)

Bundestoeschluss betreffend

die Genehmigung des am 6. April 1925 unterzeichneten obligatorischen Vergleichs- und Schiedsvertrages zwischen der Schweiz und Frankreich.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 15. Mai 1925, bcschliesst: 1. Der am 6. April 1925 unterzeichnete obligatorische Vergleichs- und Schiedsvertrag zwischen der Schweiz und Frankreich wird genehmigt.

2, Der Bundesrat wird mit dem Vollzuge dieses Beschlusses beauftragt.

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Obligatorischer Vergleichs- und Schiedsrertrag zwischen

der Schweiz und Frankreich.

Der Schweizerische Bundesrat und der Präsident der Französischen Republik, gleichennassen von der Notwendigkeit überzeugt, in allen Fällen die Erledigung etwaiger zwischen den Staaten entstehender Streitigkeiten durch friedliche Mittel sicherzustellen, in der Erwägung, dass der Schiedsvertrag zwischen der Schweiz und Frankreich vom 16. Dezember 1904 am 14. Juli 1917 abgelaufen ist, in Anbetracht der freundschaftlichen und gutnachbarlichen Beziehungen, die glücklickerweise das schweizerische und das französische Volk verbinden, sind übereingekommen, einen Vertrag zur friedlichen Erledigung aller etwaigen zwischen der Schweiz und Frankreich entstehenden Streitigkeiten im Wege des Vergleichsverfahrens und, in dessen Ermangelung, im Wege des Gerichts- oder Schiedsgerichtsverfahrens abzuschliessen, und haben zu diesem Zwecke zu ihren Bevollmächtigten ernannt der Schweizerische Bundesrat: Herrn Alphonse Dunant, ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister der Schweizerischen Eidgenossenschaft in Paris, der Präsident der Französischen Republik: Herrn Edouard Herriot, Präsidenten des Ministerrates, Minister der Auswärtigen Angelegenheiten; die nach Austausch ihrer beiderseits in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten folgende Bestimmungen vereinbart haben: Artikel 1.

Alle Streitigkeiten irgendwelcher Art zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Französischen Republik, die durch die gewöhnlichen diplomatischen Mittel nicht haben geschlichtet werden können, sind, vorgängig jedem Verfahren vor dem Ständigen Internationalen Gerichtshof oder jeglicher Anwendung der Schiedsspreehung, zur Anbahnung eines Vergleichs einer ständigen zwischenstaatlichen Kommission, der sogenannten s t ä n d i g e n V e r g l e i c h s k o m m i s s i o n , zu unterbreiten, die gemäss dem gegenwärtigen Vertrage gebildet wird.

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Indessen bleibt es den Hohen vertragschliessenden Teilen jederzeit unbenommen, zu vereinbaren, dass eine bestimmte Streitsache unmittelbar durch den Ständigen Internationalen Gerichtshof oder im Wege des Schiedsgerichtsverfahrens erledigt werde mit Übergehung des hiervor vorgesehenen Vergleichsverfahrens, Artikel 2.

Handelt es sich um eine Streitigkeit, die gemäss der innern Gesetzgebung einer der Parteien in die Zuständigkeit der Landesgerichte dieser Partei fällt, so ist die Streitigkeit dem im gegenwärtigen Vertrage vorgesehenen Verfahren erst zu unterwerfen, nachdem die zuständige Gerichtsbehörde dieses Landes ein rechtskräftiges Urteil erlassen hat.

Artikel 3.

Die in Artikel l vorgesehene ständige Vergleichskommission besteht aus fünf Mitgliedern, die in nachstehender Weise zu bezeichnen sind:.

Die Hohen vertragschliessenden Teile ernennen jeder für sich einen Kommissar aus der Mitte ihrer eigenen Staatsangehörigen und bezeichnen die drei übrigen Kommissare im gemeinsamen Einverständnis unter den Staatsangehörigen dritter Mächte ; diese drei Kommissare müssen verschiedenen Staaten angehören, und aus ihrer Mitte wählen die Hohen vertragschliessenden Teile den Vorsitzenden der Kommission.

Die Kommissare werden für drei Jahre ernannt; ihr Mandat kann erneuert werden. Sie bleiben bis zu ihrer Ersetzung und auf alle Fälle bis zum Abschmss ihrer im Zeitpunkte des Ablaufes ihres Mandats schwebenden Arbeiten im Amte.

Bei etwaigem Freiwerden eines Sitzes infolge Ablebens oder Rücktrittes eines Kommissars sind Ersatzwahlen in kürzester Frist gemäss der für die Ernennungen festgesetzten Wahlart vorzunehmen.

Artikel 4.

Die ständige Vergleichskommission ist innerhalb von drei Monaten nach Austausch der Ratifikationsurkunden zum gegenwärtigen Vertrage zu bilden.

Hat die Ernennung der gemeinschaftlich zu berufenden Kommissare in der genannten Frist oder im Falle einer Ersatzwahl innerhalb von drei Monaten nach Freiwerden des Sitzes nicht stattgefunden, so soll Ihre Majestät die Königin der Niederlande, in Ermangelung einer anderweitigen Verständigung, gebeten werden, die erforderlichen Ernennungen vorzunehmen.

Artikel 5.

Die Anrufung der ständigen Vergleichskommission erfolgt im Wege eines Begehrens, das von den beiden Parteien im gemeinsamen Einver-

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ständnis oder, in dessen Ermangelung, von der einen oder andern Partei an den Kominissionsvorsitzenden gerichtet wird.

Das Begehren enthält nach einer summarischen Darstellung des Streitgegenstandes die Einladung an die Kommission, alle Massnahmen zu erergreifen, die zu einem Vergleiche zu führen geeignet sind.

Geht das Begehren von einer einzigen Partei aus, so hat diese es unverzüglich der Gegenpartei zur Kenntnis zu bringen.

Artikel 6.

Der ständigen Vergleichskommission liegt ob, die streitigen Fragen aufzuhellen, zu diesem Zwecke im Wege einer Untersuchung oder auf andere Weise alle nützlichen Auskünfte einzuholen und die Herbeiführung eines Vergleichs zwischen den Parteien anzustreben. Nach Prüfung der Angelegenheit kann sie den Parteien die Bestimmungen des ihr angemessen scheinenden Ausgleichs vorschlagen und ihnen für die Bekanntgabe ihrer Stellungnahme Frist stellen.

Beim Abschluss ihrer Arbeiten errichtet die Kommission ein Protokoll, worin je nach den Umständen festgestellt wird, dass die Parteien sich gütlich geeinigt haben, gegebenenfalls unter welchen Bedingungen, oder dass sie nicht haben verglichen werden können.

Die Arbeiten der Kommission, müssen innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten, nachdem die Kommission in einer Streitigkeit angerufen worden ist, abgeschlossen sein, es sei denn, dass die Parteien darüber eine anderweitige Vereinbarung treffen.

Artikel 7.

Unter Vorbehalt entgegenstehender besonderer Vereinbarung setzt die ständige Vergleichskommission selbst ihr Verfahren fest, das in allen Fällen kontradiktorisch sein muss. Für die Untersuchungen hat sich die Kommission an die Bestimmungen des dritten Titels (internationale Untersuchungskommissionen) des Haager Abkommens vom 18. Oktober 1907 zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle zu halten, es sei denn, dass sie hierüber einstimmig anders beschliesst.

Artikel 8.

Die ständige Vergleichskommission tritt unter Vorbehalt entgegenstehender Vereinbarung zwischen den Parteien an dem von ihrem Vorsitzenden bezeichneten Orte zusammen.

Artikel 9.

Die Arbeiten der ständigen Vergleichskommission sind nur dann öffentlich, wenn die Kommission mit Zustimmung der Parteien dies beschliesst.

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Artikel 10.

Die Parteien lassen sich bei der ständigen Vergleichskommiasion durch Agenten vertreten, denen obliegt, als Mittelspersonen zwischen den Parteien und der Kommission zu wirken ; die Parteien können ausserdem von ihnen zu diesem Zwecke ernannte Berater und Sachverständige zur Mitarbeit heranziehen und die Anhörung aller Personen verlangen, deren Aussage ihnen nützlich erscheinen sollte.

Die Kommission ist ihrerseits befugt, von den Agenten, Beratern und Sachverständigen der beiden Parteien, sowie von allen Personen, die sie mit Zustimmung ihrer Regierung glaubt vorladen zu sollen, mündliche Auskünfte zu verlangen.

Artikel 11.

Unter Vorbehalt einer entgegenstehenden Bestimmung des gegenwärtigen Vertrages trifft die ständige Vergleichskommission ihre Beschlüsse mit Stimmenmehrheit.

Artikel 12.

Die Hohen vertragschliessenden Teile verpflichten sich, die Arbeiten der Kommission zu fördern und ihr insbesondere soweit immer möglich alle nützlichen Dokumente und Auskünfte zukommen zu lassen, sowie alle zu ihrer Verfügung stehenden Mittel anzuwenden, um es der Kommission zu ermöglichen, auf ihrem Gebiet und entsprechend ihrer Gesetzgebung Zeugen und Sachverständige vorzuladen und zu vernehmen, sowie Augenscheine durchzuführen.

Artikel 13.

Während der Dauer der Arbeiten der ständigen Vergleichskommission erhält jeder Kommissar eine Entschädigung, deren Höhe zwischen den Hohen vertragschliessenden Teilen zu vereinbaren ist und die von diesen zu gleichen Teilen übernommen wird.

Artikel 14.

Kommt vor der ständigen Vergleichskommission kein Vergleich zustande, so ist die Streitigkeit dem Ständigen Internationalen Gerichtshof in allen jenen Fällen zu unterbreiten, wo es sich um einen der Fälle handelt, die in Artikel 36, Absatz 2, des Statuts des genannten Gerichtshofes, betreffend dessen Zuständigkeit, vorgesehen sind. Es steht gegebenenfalls dem Gerichtshofe zu, gemäss Artikel 36, Absatz 4, seines Statuts darüber zu entscheiden, ob er zuständig ist.

Alle andern Streitigkeiten -sind im Wege des Schiedsgerichtsverfahrens unter den in Artikel 15 des gegenwärtigen Vertrages vorgesehenen Bedingungen auszutragen; handelt es sich indessen um Streitigkeiten, für

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deren Schlichtung durch andere zwischen den Hohen vertragschliessenden Teilen geltende vertragliche Bestimmungen ein besonderes Schiedsverfahren vorgesehen ist, so ist dieses Verfahren anzuwenden.

Artikel 15.

Für das in Artikel 14, Absatz 2, vorgesehene Schiedsgerichtsverfahren ist das Haager Abkommen vom 18. Oktober 1907 zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle massgebend.

Können sich indessen die Parteien nicht verständigen, so ist das Schiedsgericht aus fünf Mitgliedern zu bilden, die nach der in den Artikeln 3 und 4 des gegenwärtigen Vertrages für die Bestellung der ständigen Vergleichskornmission vorgesehenen Wahlart bezeichnet werden.

Artikel 16.

Sollte bezüglich der Anwendung des gegenwärtigen Vertrages irgendein Anstand zwischen den Hohen vertragschliessenden Teilen entstehen, so wäre er unmittelbar dem Ständigen Internationalen Gerichtshof unter den in Artikel 40 des Statuts des genannten Gerichtshofes angegebenen Bedindungen zu unterbreiten.

Artikel 17.

Der gegenwärtige Vertrag soll ratifiziert werden und die Ratifikationsurkunden sollen so bald als möglich in Paris ausgetauscht werden.

Artikel 18.

Der gegenwärtige Vertrag tritt mit dem Austausche der Ratifikationsurkunden in Kraft und gilt für einen Zeitraum von zehn Jahren vom Tage seines Inkrafttretens an. Wird er nicht sechs Monate vor Ablauf dieser Frist gekündigt, so gilt er als für einen neuen Zeitraum von fünf Jahren verlängert, und so fort.

Falls im Zeitpunkte des Ablaufes des gegenwärtigen Vertrages kraft dieses Vertrages irgendein Verfahren bei der standigen Vergleichskommission, beim Ständigen Internationalen Gerichtshof oder bei einem Schiedsgerichte hängig sein sollte, so wäre dieses Verfahren bis zu seinem Abschlüsse durchzuführen.

Zu Urkund dessen haben die oben genannten Bevollmächtigten den gegenwärtigen Vertrag unterzeichnet.

So geschehen zu Paris, in doppelter Urschrift, den sechsten April eintausendneunhundertundfiinfundzwanzig.

L, S. gez. Dunant.

L. S. gez. Herriot.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Genehmigung des am 6. April 1925 unterzeichneten obligatorischen Vergleichs- und Schiedsvertrages zwischen der Schweiz und Frankreich. (Vom 15. Mai 1925.)

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