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Bericht der

nationalräthlichen Kommission betreffend die Einführung neuer Exerzierreglemente für die Schweiz. Infanterie.

(Vom 10. März 1876.)

Tit.!

Mit dem Antrage des Bundesrathes auf Genehmigung ab Seite der gesetzgebenden Räthe sind uns vorgelegt: drei Exerzierreglemente für die Schweiz. Infanterie, eine Soldatenschule, die Kompagnieschule und die Bataillonsschule, bestimmt, die von der Bundesversammlung am 22. Dezember 1868 erlassenen gleichnamigen Réglemente zu ersetzen.

Es entgeht Ihrer Kommission nicht, daß Viele in und außer dem Rathe, wenn auch nicht gerade mit schwerem Herzen, doch mit einigem Kopfschütteln den öftern Wechsel von Geist und Formen unserer militärischen Ausbildungs-Anleitungen begrüßen.

Man ist leicht geneigt, sich dem Gedanken hinzugeben, es werde bei der staatlichen Konkurrenz in der Ausbildung des Heeres und bei den öftern praktischen Erprobungen, die sich in den letzten Dezennien rasch genug folgten, doch in Bälde wieder zu Aenderungen kommen, und vergißt allzuleicht, daß eben auch in dieser Richtung von einem Stillstand des Forschens und der Erprobung nicht die Rede sein darf, daß somit das derzeitige ,,Gute" durchaus nicht der Feind des zukünftigen ,,Besten" ist.

Die Frage der Revision ist übrigens eine von Ihnen selbst schon entschiedene. Während in der Botschaft zur neuen Militärorganisation vom 13. Juni 1874 der Bundesrath wesentlich zur

964 Verhütung der Reglementsänderung die Division in der Stärke von 120 Mann als taktische Einheit des Bataillons vorgeschlagen hatte, verwarfen nach gründlicher Diskussion die vorberathenden Kommissionen und die Räthe sowohl die bisherige Eintheilung, als auch diesen bundesräthlichen Vorschlag. Man fand die bisherige taktische und administrative Eintheilung des Bataillons in 6 Kompagnien zweckwidrig, weil sechs als zu viele Manövrireinheiten für die Führung und die kleinen Kompagnien für den Feldgebrauch zu schwach haltend. Dem Projekte von 3 Divisionen, welches sich an unser Reglement im Wesentlichen anschmiegte, wurde hinwiederum entgegengehalten, daß mit dem Divisionschef ein weiteres Glied in der Hierarchie oder eine weitere Stufe in der Befehlsertheilung entstünde, daß mit 3 Div^ionen keine Halbbataillone formirt werden können, ohne eine Division zu zerreißen, und daß, während damals schon, mit Ausnahme Frankreichs, alle europäischen Armeen zu 4 Kompagnien organisirten, ein Halb ins Gefecht brachten und ein Halb in Reserve beließen, wir uns zu letzterm Zweck auf einen Drittel beschränken müßten.

So kam es, daß man im vollen Bewußtsein der dadurch involvirten Reglementsänderung zur Viertheilung des Bataillons, mit Stab zu 774 Mann, die Compagnie zu 185 Mann, gelangte, einem Verhältniß, das unsern Milizen und unserm Kriegstheater entspricht und bei welcher Stärke wir alle Divisionen mit 12 Bataillonen, beziehungsweise mit den Schützen zu 13 Bataillonen formiren können.

Die hierauf in's Werk gesetzte Revision der Infanterieexerzierreglemente zog dann begreiflicher Weise auch etwelche andere Punkte, die seit 1868 eine Modifikation wünschenswerth erscheinen ließen, in den Bereich der Umänderung. Gleichwohl lehnt sich der neue Entwurf vielseitig und wo thunlich an das Bestandene an.

In den Kommandos ist möglichst wenig geändert.

Die S o l d a t e n s c h u l e enthält u. A. kleine Veränderungen, die sich auf den Frontraum in geschlossener Ordnung, etwelche Verlängerung des Schrittmaßes, Kommaudo-Aenderung für die ganze Wendung und weitere Vereinfachung der Gewehrgriffe beziehen.

Wir verweisen auf deren nähere Bezeichnung im Berichte des Bundesrathes. Eine empfehlenswerthe Neuerung bringt uns auch Art. XIV Ziff. 49--51 , wo für die ,,Schwenkungen" in Kolonne nur noch eine Art und ein Kommando
besteht, bei der Schwenkung im Marsche (Ziff. 51) der Führer den Schritt verkürzt und so die Hetzjagd des äußern Flügels etwas gedämpft wird.

Einen nicht geringen Werth setzen wir auf die Amélioration der Anschlags- und Zielübungen. Es wird damit in vorbereitender

965 Weise dem Schießunterricht, diesem so wesentlichen Theile der Infanterie-Instruktion, von der schließlich doch die Hauptsache im Kriege, der beste Gebrauch der Schußwaffe, abhängt, alle Rechnung getragen.

; Daß der Gebrauch des Gewehrs als ,,Stoßwaffe" auf die wenigen Bewegungen des Gewehrfällens, Stoß, Ausfall und 2 Abwehrparaden beschränkt bleibt, kann nur beifällig aufgenommen werden, da wir es in unserer Instruktionszeit doch zu keiner Fechtkunst, oder dann auf'Rechnung der Schießkunst zur Fechtkunst bringen könnten.

Der Turnunterricht ist aus der Soldatenschule weggelassen, um später selbständig zu erscheinen, da er nun in größerm Umfange als Vorbereitung auf das wehrpflichtige Alter zu betreiben ist. Es liegt unzweifelhaft in der Tendenz der damit beschäftigten Organe, sonst müßte man mit dem Zürcher Infanterie-Offkiersverein darauf abstellen, daß das Turnreglement mit den Exerzierregiemeuten in Bezug auf Instruktion und Kommandos gleicher und ähnlicher Bewegungen möglichst in Einklang gebracht werde, weil im andern Falle der im Gesetze vorgesehene Vorunterricht größern Theils illusorisch wäre.

Anbelangend die K o m p a g n i e - 'und die B a t a i l l o n s s c h u l e , deren Beurtheilung wir hier zusammenfassen, so muß schon dis logischere, den neuern taktischen Lehrbüchern mehr als früher angepaßte Eintheilung hervorgehoben werden. Ziemlich parallel laufend behandelt der I. Abschnitt eines jeden dieser Réglemente die Linienformationen, der IT. Rottenkolonne und Flankenmarsch, der III. die offene und der IV. die geschlossene Kolonne, der V. die Formation gegen die Kavallerie.

In der Kompagnieschule ist ein besonderer VI. Abschnitt dem Tirailleurdienst gewidmet, da die Kompagnie Gefechtseinheit geworden und die ,,Tirailleurschule", welche als besonderes Reglement aufgegeben ist, größern Theils auf die Kompagnie Bezug hat.

Dafür handelt der VI. Abschnitt der Bataillonsschule von den Kompagniekolonnen und der VII. bringt als kleine Anleitung die ,,Gefechtsmethode des Bataillons"'. Als unvermeidlichen Schluß weisen beide Réglemente einen letzten Abschnitt über Inspektion und Defiliren.

Der durch die neue Militärorganisation geschaffene veränderte Bestand der Kadres und noch nicht der Mannschaft und die Eintheilung des Bataillons in 4, statt der frühern 6 Kompagnien, hat die Umgestaltung dieser beiden Réglemente zur unbedingten Nothwendigkeit gemacht.

966 Für Details auch an diesem Orte auf die bundesrähthliche Botschaft verweisend, heben wir hervor, daß die angewachsene Sektion, als Kompagnieviertel beibehalten, zur Normalabtheilung der Kolonne geworden, daß der Contremarsch als bloße Exerzierplatzform endlich aus dem Reglement herausmarschirt ist. Entsprechend der neuern Gefechtsweise und bessern Verwendung jeder einzelnen Gruppe mit ihrem Gruppenchef, ist in der Tirailleurformation die Gruppe als einzige Form beibehalten. Das sprung- oder ruckweise Vorgehen von Deckung zu Deckung oder von einem Terrainabschnitt zum andern, mit seinen in die Augen springenden Vorzügen und die Schwarmformation, finden in dei Kompagnieschule (Abtheilung Tirailleurschule) die verdiente Betonung.

Im Reglement für die ßataillonschule findet namentlich die Kompagniekolonne, normal in zwei Treffen, Beachtung. Diesem Reglement sind einige allgemeine Regeln der Infanterietaktik, als Gefechtsmethode des Bataillons, einverleibt, welche als allgemeine Regel und bei richtiger Verwendung in den verschiedenen Ortsgefechten, für alle Offiziere oder auch Unteroffiziere, welche größere Werke nicht lesen oder nicht zu lesen bekommen, oder deren Ausbildung sich wesentlich auf das Brachfeld des Exerzierplatzes beschränkt, einen nicht zu unterschätzenden Werth haben.

Nach dem Gesagten resümiren wir : Die Umarbeitung der Infanterieexerzierreglemente, im Sinn und Geist unserer Militärorganisation und an der Hand der neuesten Kriegserfahrungen , war eine zeitgemäße. Sowohl berufene Offiziere als die höhern Instruktoren haben dieselben zur Genüge besprochen und mit allen Truppen, die im Jahre 1875 in Dienst gerufen worden sind, praktisch erprobt. Dieselben haben daher schon ringsum Wurzel gefaßt; sie dürfen als der richtige Ausdruck der derzeitigen Taktik angesehen und auch in ihrer Form zur Annahme empfohlen werden, zumal über keinen der wichtigern Inhaltspunkte Widerstreit besteht.

Soviel über die Sache. Anbetreffend die Form der Erledigung, so tauchte in Ihrer Kommission die Frage auf, ob eigentlich die gesetzgebenden Räthe die passende Instanz seien für Erlaß von Exerzierreglei^enten? Es wurde geltend gemacht, daß die Redaktion solcher Réglemente und deren Erprobung Fachleuten zukomme, an deren Befund die gesetzgebenden Räthe nicht wohl rütteln können; daß, wenn die Bundesversammlung
dem Bundesrathe das Recht des Erlasses delegirte, dieser dann auch mit mehr Leichtigkeit und weniger Inkonvenienz kleinere oder auch erheblichere Aenderungen von sich aus anbringen könnte. Es prävalirte indessen wenigstens zur Zeit die Ansicht, daß die Verfassung den Räthen nicht nur Befugnisse

967 einräume, sondern auch Pflichten auferlege; daß die vorliegende Materie unbedingt in den Rahmen der Art. 84--94 (Befugnisse der Bundesversammlung) gehöre, und zwar um so mehr, da dieselbe schon unter der Herrschaft der 48er Verfassung und seitdem wieder im Sinne des Art. 89 der dermaligen Verfassung noch stets auf dem Wege des ,,Bundesgesetzes"' oder des ,,Bundesbeschlusses" geregelt worden ist. Solche Militärreglemente haben immerhin eine nicht zu unterschätzende Tragweite; sie fußen allerdings auf Gutachten von Fachleuten, wie übrigens noch manch' anderes unserer Traktanda; es ist aber durchaus nicht gesagt, daß nicht jeweilen über sehr weittragende Punkte schon unter den Experten und ebenso in der Mitte der gesetzgebenden Behörden divergirende Ansichten obwalten und im Schöße der Versammlung ausgetragen werden, vom Standpunkte der Bedeutung und des Einflusses eines von der zuständigen höchsten gesetzgebenden Autorität erlassenen B u n d e s g e s e t z e s auf die große Masse der von demselben Betroffenen nicht zu sprechen.

Eine Delegation sei es für das Ganze oder auch nur für einzelne Abänderungen würde der Sache sofort wieder den Stempel des Provisoriums aufdrücken, für das Studium Lauheit und Mißmuth im Gefolge haben und höchstens den Scharfsinn abänderungssüchtiger Köpfe veranlaßen, uns vor der ersprießlichen Zeit vorzudemonstriren, wie man etwa noch auf anderer Form zum gleichen Ziele gelangen könne.

Immerhin soll damit nicht ausgeschlossen sein, daß wenn früher oder später der Bundesrath oder die gesetzgebenden Räthe dazu kommen, die richtige Norm und passende Umschreibung einer Delegation in Militärreglementen überhaupt oder von Exerzierreglementen insbesondere zu finden, die Räthe dannzumal diese in ihrer ganzen Tragweite eruirte Frage gleichwohl alles Ernstes an die Hand nehmen mögen.

Für heute haben wir das Gefühl, wir dürfen auch ohne uns von der Rede des Herzogs von Cambridge auf dem Bankett der Fischhändler beeinflussen zu lassen, in welcher der Oberbefehlshaber der englischen Armee die allgemeine politische Weltlage ziemlich düster schilderte und mit Energie die Nothwendigkeit der Armeereform im sonst friedlichsten Lande betonte -- wir sagen: wir haben, auch abgesehen von solchen und ähnlichen Erscheinungen, das patriotische Gefühl; wir dürfen einer allgemein als gut
anerkannten militärischen Reform die endliche Sanktion in bisheriger unbedingter Form nicht verweigern.

Wir .beantragen Ihnen daher in Uebereinstimmung mit dem Bundesrathe :

968 Die Bundesversammlung, nach Einsicht der bundesräthlichen Botschaft vom 11. Februar 1876 und der vorgelegten Réglemente betreffend die Soldatenschule, die Kompagnie- und die Bataillonsschule, wolle beschließen: 1. Den genannten Reglementen wird die Genehmigung ertheilt.

2. Der Bundesrath wird mit der Vollziehung beauftragt.

Dieser Beschluß wird als dringlich erklärt.

B e r n , den 10. März 1876.

Im Namen der nationalräthlichen Kommission : Arnold, Berichterstatter.

Ko mmissio nsmitglieder.

Herren: Arnold.

Lambelet.

Techtermann.

Zemp.

Zyro.

N o t e . Vergleiche Botschaft des Bundesrathes vom 11. Februar 1876und Verhandlungen der gesezgebenden Räthe: Bundesblatt 1876, I, 323; 806, 826.

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Bericht der

ständeräthlichen Kommission über den Rekurs der Regierung des Kantons Aargau in Sachen des J. Baptist Schmid, von Füll, Kantons Aargau, betreffend Verweigerung von Heimatschriften wegen Nicht-Bezahlung rückständiger Militär-Steuern.

(Vom 10. März 1876.)

Tit.!

Das Thatsächliche des vorliegenden Rekursfalles resümirt sich wie folgt: J. Baptist Schmid von Pull, Kantons Aargau, Taglöhner in Riesbach, Kantons Zürich, bewarb sich bei seinem heimathlichen Gemeinderath um die Verabfolgung eines Familien-Heimathscheines, welcher ihm jedoch von jener Behörde auf so lange verweigert wurde, bis er seine rückständigen Militärsteuern für die Jahre 1869 bis und mit 1875 im Betrag von Fr. 84 bezahlt haben werde.

Hierauf wandte sich die Gemeinderathskanzlei, Namens des Schmid, an die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Aargau und stellte, gestützt auf die Unmöglichkeit, in welcher sich Schmid befinde, den schuldigen Betrag zu reguliren, das Ansuchen, es möchte ihm gestattet werden, die fraglichen Restanzen successive abzubezahlen,

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Bericht der nationalräthlichen Kommission betreffend die Einführung neuer Exerzierreglemente für die schweiz. Infanterie. (Vom 10. März 1876.)

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1876

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1

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15

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15.04.1876

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963-969

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