167

# S T #

Bericht des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung über die neue Verfassung des Kantons Zug.

(Vorn 16. Juni 1876.)

Tit.!

Unterm 17. Juni 1874 haben Sie bezüglich der damals zur Gewährleistung vorgelegenen neuen V e r f a s s u n g des K a n t o n s Z u g folgenden Beschluß gefaßt : ,,Die B u n d e s v e r s a m m l u n g d e r s c h w e i z e r i s c h e n E i d og e n o s s e n s c h a f t .i ,, nach Einsicht eines Berichtes und Antrages des Bundesrathes vom 29. Mai 1874 über die neue Verfassung des Kantons Zug vom 14./22. Dezember 1873 ; ,,in Erwägung: ,,1) daß diese Verfassung von der Mehrheit des zugerischen Volks angenommen worden ist, die Ausübung der politischen Rechte nach republikanischen Formen sichert und revidirt werden kann, wenn die absolute Mehrheit des Volkes es verlangt, in dieser Hinsicht mithin die Anforderungen des Art. 6, Litt, b und c der revidirten Bundesverfassung erfüllt sind, zumal dieser Artikel nach seinem Wortlaute den Kantonen gestattet, für Verfassungsrevisionen die absolute Mehrheit der Bürger und nicht nur die Mehrheit der in einem gegebenen Falle Stimmenden zu verlangen ;

168 ,,2) daß jedoch seit der Zeit der Annahme dieser Verfassung durch das Volk des Kantons Zug die revidirte Bundesverfassung der Eidgenossenschaft in Wirksamkeit getreten ist, welche in mehrfacher Hinsicht neue Verfassungsgrundsäze ins Leben gerufen hat, gegen welche die vorgelegte Verfassung verstößt, so daß der Ziffer a des Art. 6 der Bundesverfassung nicht Genüge geleistet ist ; 3) daß in dieser leztern Richtung nachfolgende Artikel des zur Garantie vorgelegten Grundgesezes mit der revidirten Bundesverfassung in Widerspruch treten : a. der Artikel 3 betreffend die Glaubensfreiheit, insofern derselbe zwischen verschiedeneu Glaubensbekenntnissen rüksichtlich des staatlichen Schuzes einen Unterschied zu machen scheint, weßhalb dieser Artikel durchaus nur im Sinne der Art. 49 , 50 und 53 der revidirten Bundesverfassung ausgelegt und angewendet werden darf; b. die Artikel 4, 81 und 82, von denen ersterer den kirchlichen Behörden ein verfassungsmäßiges Recht der Mitsorge für den öffentlichen Unterricht zuspricht, der zweite das Schulgut konfessionellen Gemeinden überantwortet und auch nur katholische Schulansäßen in Schulangelegenheiten stimmberechtigt erklärt, der dritte auch für die Protestanten die Neubildungkonfessioneller Schulgemeinden verlangt, -- welche Bestimmungen mithin gegen Art, 27 der Bundesverfassung verstoßen, welch' lezterer Artikel die öffentlichen Schulen unter staatliche Leitung; stellt und die Glaubensgenossen aller Beo D kenntnisse gleichberechtigt in diese Schulen aufgenommen und in ihren religiösen Ueberzeugungen geschont wissen will; c. die Artikel 66 und 70, welche die Todesstrafe als zuläßige Strafart voraussezen und somit gegen Art. 65 der Bundesverfassung verstoßen ; d. die Artikel 21 und 77 , von denen ersterer die kantonalen Leistungen an die Wehrpflichtigen nicht in dem vollen Umfange übernimmt, wie es die Artikel 18 und 20 der Bundesverfassung voraussezen, der zweite der kantonalen Kompetenz noch Befugnisse einräumt, welche Art. 20 der revidirten BundesverfassungO dem Bunde zutheilt ;t ,,beschließt: ,,1. Der Kantonsrath von Zug ist eingeladen, die neue Verfassung dieses Kantons bezüglich der beanstandeten Artikel mit der revidirten Bundesverfassung in Einklang zu bringen und die revidirten Bestimmungen dem Bunde nachträglich vorzulegen. Im Uebrigen ist die -vorgelegte Verfassung garantirt.

,,2. Dieser Beschluß ist dem Bundesrathe zur Vollziehung mitzutheilen.tt

169 Behufs der Vollziehung dieses Beschlusses haben wir denselben unterm 20. Juni 1874 der Regierung des Kantons Zug mitgetheilt und die leztere gleichzeitig eingeladen , die beanstandeten Artikel mit den Vorschriften der neuen Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 in Uebereinstimmung bringen zu lassen und die neue Redaktion mit thunlicher Beförderung behufs nachträglicher Gewährleistung derselben einzusenden.

Diese Einladung wurde am 14. April und 16. Oktoker 1875 wiederholt.

Infolge dessen übermachte uns die Regierung mit Schreiben vom 2. Dezember 1875 die ,, R e v i d i r t e n A r t i k e l der V e r f a s s u n g des K a n t o n s Zug vom 14./22. Dezember 1S73CC, wie sie am 14. November 1875 der zugerischen Bevölkerung zur Annahme oder Verwerfung vorgelegen haben und der gegenwärtigen Botschaft beigefügt sind. In diesem Berichte vom 2. Dezember 1875 sezte uns die Regierung des Kantons Zug in Kenntniß , daß zwischen ihr und dem Kantonsrath eine Meinungsverschiedenheit darüber entstanden sei, ob die ,,Revidirten Artikel" als vom Volke angenommen oder als verworfen zu betrachten seien. Der Kantonsrath habe beschlossen, es seien dieselben nicht angenommen ; sie , die Regierung, dagegen habe eine abweichende Meinung. Sie gewärtige daher bei dieser Sachlage die Weisungen, welche wir zu ertheilen als nothwendig erachten.

Nach vorläufiger Prüfung der erwähnten Frage glaubten wir, bei der eigenthümlichen Lage der ganzen Sache, den Entscheid den eidgenössischen Räthen vorbehalten zu sollen. Zu diesem Ende zogen wir nähern Bericht ein über den Verlauf der Verhandlungen, welche der Feststellung der revidirten Artikel und der Vorschriften über die Form der Abstimmung; des Volkes vorausgegangen sind, und es ist uns hierüber derjenige vom 14. Januar 1876 datirte Bericht der Regierung von Zug eingegangen , den wir im Original der gegenwärtigen Botschaft beischließen.

Es ergibt sich aus demselben, daß die Revisionsarbeit, wie sie durch den Beschluß der Bundesversammlung vom 17. Juni 1874 erforderlich geworden war, in allseitigem Einvei'ständniß noch auf einige Artikel der Verfassung von 1873 ausgedehnt wurde, welche durch den Bundesbeschluß nicht betroffen waren; daß ferner in der ersten und zweiten Behandlung des von der Regierung vorgelegten Entwurfes der Große Rath einmütliig der Ansicht w a r , es könne
bei der Vorlage des Entwurfes an das Volk nach den gleichen Grundsäzen verfahren werden, wie es bei der Vorlage des Gesammtverfassungsentwurfs "von 1873 der Fall gewesen, d. h. es-könne auch dieses Mal an dem Saze festgehalten werden, daß zur A n O

O

O

O

170

n ä h m e des Entwurfs die Mehrheit der w i r k l i c h S t i m m e n d e n genüge, während allerdings in der neuen Verfassung von 1873 (Art. 33) für k ü n f t i g e Revisionen die Vorschrift aufgestellt ist, daß nur solche Entwürfe als angenommen ' zu erachten seien, für welche sich die Mehrheit s ä m m t l i c h er S t i m m b e r e c h t i g t e n des Kantons ausgesprochen haben.

Am 12. Juli 1875 beendigte der Große Rath seine Revisionsarbeit und das Ergebniß derselben wurde gedrukt unter das Volk ausgetheilt in einem Entwurfe, betitelt: ,,Revidirte Artikel der Verfassung, des Kantons Zug vom 14./22. Dezember 1873. Antrag des Kantonsrathes a, in welchem als Uebergangsbestimmung § 3, gemäß dem eben Angeführten, gesagt ist: ,,Die Gemeinden haben sich ohne weitere Diskussion einfach für Annahme oder Verwerfung der Kantonsverfassung auszusprechen; hierüber entscheidet die M e h r h e i t der an den diesfälligen Gemeinden Antheil nehmenden S t i r n m b e r e c h t igten."

Indessen, als der Kantonsrath am 27. Oktober 1875 zu einer neuen Sizung zusammentrat, wurde, bei Anlaß der Protokollverlesung, ein Wiedererwägungsantrag gestellt, dahin gehend: es solle der angeführte § 3 der Uebergangsbestimmungen mit den Vorschriften von § 32 (33) der neuen Verfassung in Einklang gesezt und demgemäß bestimmt werden, daß die ,,revidirten Artikel" nur dannzumal als angenommen zu betrachtet) seien, wenn in der Volksabstimmung sich die Mehrheit der S t i m m b e r e c h t i g t e n im Sinne der Annahme ausgesprochen haben.

Dieser Antrag wurde mit 32 gegen 24 Stimmen zum Beschlüsse erhoben, und zur Vollziehung desselben erließ die Regierung in Nr. 45 des Amtsblattes (vom 6. November 1875) eine Bekanntmachung, welche wörtlich folgendermaßen lautet : ,,Uebergangsbestimmungen zur Verfassungsrevision vom 12. Juli 1875.

,,Der h. Kantonsrath hat in seiner Sizung vom 27. Oktober abbin den § 3 der Uebergangsbestimmungen dahin abgeändert: ,,Die Gemeinden haben sich ohne weitere Diskussion einfach für Annahme oder Verwerfung der Kantonsverfassung auszusprechen ; hierüber entscheidet die M e h r h e i t d e r S t i m m b e r e c h t i g t e n des Kantons. Die Abstimmung erfolgt geheim, mit Ja für Annahme, mit Nein für Verwerfung.

,,Die Austheilung, Einlage und Eröffnung der Stimmkarten hat unter genauer Kontrole durch ein unparteiisches Bureau vor sich zu gehen."

,

O

O

o

171

Wenige Tage nachher (14. November) erfolgte sodann die "Volksabstimmung, welche das Ergebniß lieferte, daß sich zwar eine Mehrheit der S t i m m e n d e n , nicht aber eine Mehrheit der S t i m m b e r e c h t i g t e n für die A n n a h m e erklärte: von 4830 Stimmberechtigten nahmen nur 1553 an der Abstimmung Theil und von ·diesen stimmten (abgesehen von 26 verlorenen Stimmen) 1245 für .Annahme und 282 für Verwerfung.

Nachdem der Kantonsrath von diesem Resultate Kenntniß genommen, erklärte er , wie schon oben erwähnt worden, die revidirten Artikel seien n i c h t a n g e n o m m e n . Er kam zu diesem Resultate, weil er in Uebereinstimmung mit der am 27. Oktober -abgeänderten Redaktion des § 3 der Uebergangsbestimmungen von der Ansicht ausging, es sei die M e h r h e i t der S t i m m e n d e n .nicht genügend, sondern es sei die M e h r h e i t der S t i m m b e r e c h t i g t e n nöthig.

Der Regierungsrath des Kantons Zug basirte seine Ansicht, daß die revidirten Artikel als angenommen zu betrachten seien, auf folgendes Raisonnement: Durch Art. 3 der Uebergangsbestimmungen .zu der Verfassung von ,1873 sei die Mehrheit der S t i m m e n d e n als entscheidend erklärt worden. Diese Vorschrift habe die Gewährleistung des Bundes erhalten. Die Revision der von der Bundesversammlung zurükgewiesenen Artikel sei nur eine Fortsezung ·der Revision von 1873. Die Ausdehnung der Revision auf einige weitere Artikel sei nicht anders zu behandeln. Es müsse daher -auch die gleiche Zahlungsart der Stimmberechtigten entscheidend .sein , wie für die Hauptabstimmung, zumal die zurükgewiesenen Artikel nicht mehr nothwendig dem Volke hätten vorgelegt werden müssen, da bloß eine neue Vorlage an die Bundesversammlung vorgeschrieben sei. Nun seien nach Maßgabe der Abstimmungsart von 1873 alle revidirten Artikel mit 3/* gegen 1/4 der Stimmenden angenommen. Sie müssen daher auch die Gewährleistung des Bundes erhalten , insofern materiell vom Standpunkte des Bundes -aus gegen ihren Inhalt nichts eingewendet werden könne.

Nach vorangegangener Prüfung dieser Angelegenheit überzeugten wir uns, daß zwei Fragen auseinander gehalten werden müssen: einmal welcher Zahlungsmodus de? richtigere sei, und sodann ob bei den eigenthümlichen faktischen Verhältnissen des Spezialfalles der Abstimmung vom 14. November 1875 die Bedeutung
eines annehmenden Votums beigelegt werden könne.

In Betreff der erstem Frage stellten wir uns durchaus auf den.

Boden der von der zugerischen Regierung entwikelten Ansicht, und konnten nur bedauern, daß dieselbe nicht, dem abweichenden Beschlüsse des Kantonsrathes vom 27. Oktober gegenüber, ihre Stel-

172 lung rechtzeitig durch Anrufung der Bundesinstanz gewahrt hau.

Nachdem dies nicht geschehen, nachdem vielmehr im offiziellen Blatte des Kantons den stimmfähigen Bürgern ausdrüklich eröffnet worden ist, es werde die Annahme des Entwurfes davon abhängig, gemacht, daß die Mehrheit der Stimmberechtigten mit Ja stimmen, schien uns dagegen mit Bezug auf die zweite Frage ein Zweifel darüber nicht bestehen zu können, daß, nachdem entschieden die Mehrheit der Stimmberechtigten n i c h t für die Annahme sich ausgesprochen hatte, auch der Entwurf als für einmal a b g e l e h n t betrachtet werden müsse. Ein gegentheiliges Verfahren hätte sich geradezu als eine T ä u s c h u n g der Stimmberechtigten dargestellt.

Wir erließen daher am 23. Februar 1876 ein Schreiben an die Regierung des Kantons Zug, in welchem wir nach weiterer Ausführung dieser Gesichtspunkte uns in dem Sinne aussprachen, daß die Abstimmung vom 14. November als ergebnißlos zu betrachten, und demnach eine neue Abstimmung über die ,,revidirten Artikel"' bald thunlichst anzuordnen sei, bei welcher dann aber in Uebereinstimmung mit der von der Regierung von Zug entwikelten Ansicht, d a es sich lediglich um eine Fortsezung und Ergänzung der Abstimmung vom Dezember 1873 handle, der Grundsaz beachtet werden soll, daß die Mehrheit der w i r k l i c h S t i m m e n d e n zur Annahme genüge. Zum Schlüsse erklärten wir, gewärtigen zu wollen, ob die Regierung von Zug auf der Vorlage für die Märzsession der Bundesversammlung bestehe, oder ob sie vielleicht für angemessen erachte, den Gegenstand für einmal zurükzuziehen und denselben erst dann wieder einzubringen, wenn unsern Bemerkungen in entsprechender Weise Rechnung getragen sein werde.

Die Regierung von Zug zögerte nicht, mit Schreiben vom 2. März 1876 die Mittheilung zu machen, daß sie auf die Vorlage dieser Verfassungsfrage einstweilen Vercicht leiste, um sie später wieder anhängig zu macheu.

Der Kantonsrath von Zug beschloß hierauf am 23. März: ,,Die vom Kantonsrathe revidirten Verfassungsartikel vom 12. Juli 1875 sollen nochmals in gesonderten, vom Regierungsrathe festzustellenden Gruppen dem Volke zur Annahme oder Verwerfung vorgelegt werden. Ueber die vom Bunde zurükgewiesenen Verfassungsartikel entscheidet die M e h r h e i t der S t i m m e n d e n , und über die weiter revidirten
Artikel die M e h r h e i t d e r S t i m m b e r e c h t i g t e n.a In Vollziehung dieses Auftrages verordnete die Regierung am 28. März 1876, es sollen die abgeänderten Artikel der Verfassung von 1873 dem Volke in Gruppen zur Annahme oder Verwerfung vorgelegt werden wie folgt:

173 Erste Gruppe : vom Bunde zurükgewiesene Artikel (hier wurden aber a u ß e r den von der Bundesversammlung unterm 17. Juni 1874 n i c h t g e n e h m i g t e n A r t i k e l n noch die §§ 78, 80, 84 und 86 eingereiht).

Zweite Gruppe: umfassend die §§ 32, 33, 35, 36, 37 und 38 der Verfassung von 1873, welche die Verfassungsrevision und Volksrechte behandeln.

Dritte Gruppe: Gemeinde- und Korporationswesen, Staatswirthschaft, §§ 9, 10, 46 und 83 der Verfassung von 1873.

Vierte Gruppe : Gerichtswesen, die §§ 56, 60, 64, 65 der Revision von 1873 umfassend.

Gemäß Kreisschreiben des Regierungsrathes von Zug an die Einwohnergemeinderäthe vom 6. April 1876, publizirt im Amtsblatt vom 8. April, fand die Abstimmung des Volkes am 23. April statt, gleichzeitig mit der eidgenössischen Volksabstimmung über das Bundesgesez betreffend Ausgabe und Einlösung von Banknoten.

Das Ergebniß der Abstimmung wurde im Amtsblatt für den Kanton Zug vom 6. Mai publizirt wie folgt: Stimmberechtigte: 4781; davon haben an der Abstimmung Theil genommen: 1556 oder 32,55 °/o der Stimmberechtigten. Absolutes Mehr: a. der Stimmberechtigten 2391 ; b. der Stimmenden 779. Gestimmt haben mit Für Gruppe

..

_

., _

I

Ja.

998

Nein. Leer u. Verloren, 398 160

II III IV

864 786 800

421 478 422

271 292 33-1

3448

1719

1057

Der Kantonsrath nahm am 15. Mai von diesem Resultate der Abstimmung Kenntniß und erklärte, in Uebereinstimmung mit seinem Beschlüsse vom 23. März die erste Gruppe als angenommen und setzte sie mit dem gleichen 15. Mai in Wirksamkeit. Die andern drei Gruppen, für welche die M e h r h e i t der S t i m m b e r e c h t i g t e n entscheidend erklärt worden war, fielen außer Betracht, weil sie nur das Mehr der Stimmenden erhalten hatten.

Indem uns die Regierung des Kantons Zug mit Schreiben vom 24. Mai dieses Resultat mittheilte, ersuchte sie uns, bei der Bundesversammlung für die durch den Kantonsrath als angenommen erklärte Gruppe I die Gewährleistung des Bundes gemäß Art. 6 der Bundesverfassung empfehlen zu wollen.

174

Was den materiellen Inhalt dieser Gruppe I betrifft, so haben wir bereits erwähnt, daß dieselbe nicht bloß aus den von der Bundesversammlung zurükgewiesenen Paragraphen besteht, sondern auch noch einige andere, welche am 17. Juni 1874 die Gewährleistung des Bundes erhalten haben, umfaßt.

Die von der.Bundesversammlung zurükgewiesenen §§ 3, 4, 21, 66, 70, 77, 81 und 82 sind sämmtlich im Sinne des Bundesbeschlusses vom 17. Juni 1874 abgeändert worden. Im Einzelnen bemerken wir Folgendes : § 3, welcher bezüglich des staatlichen Schuzes gegenüber den verschiedenen Glaubensbekenntnissen einen Unterschied zu machen schien, wurde auf den einfachen Saz reduzirt, daß die Glaubensund Gewissensfreiheit, sowie die Ausübung gottesdienstlicher Handlungen nach Maßgabe der Art. 49 bis 53 der Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 gewährleistet sei.

§ 4, welcher in der Redaktion von 1873 den öffentlichen Unterricht der Sorge des S t a a t e s , mit Unterstüzung der k i r c h l i c h e n und Gemeindebehörden, zuwies, ist dahin abgeändert worden : Der K a n t o n , unterstüzt von den Gemeinden, sorgt unter Beobachtung des Art. 27 der Bundesverfassung für den öffentlichen Unterricht.

-- Der Saz: Die Erziehung soll in religiösem und vaterländischem Sinne geleitet werden," wurde gestrichen. -- In dem übrigen Inhalte dieses Paragraphen ist die Errichtung von Privatschulen und Privatlehranstalten gewährleistet; soweit dieselben den Primarschulunterricht betreffen, bleiben die Bestimmungen des 2. Alinea von Art. 27 der Bundesverfassung vorbehalten. -- · Wenn auch der Oberaufsicht des Staates hier nicht ausdrüklich erwähnt wird, so scheint es uns gleichwohl selbstverständlich zu sein, daß sie ihm nicht bloß über den Primarunterricht in den öffentlichen und privaten Schulen zustehe, sondern überall auch in den höhern Klassen der Schulen.

In Folge dieser Modifikation von § 4 sind, die §§ 81 und 82 fallen gelassen worden.

Ebenso sind die §§ 66 und 70 weggefallen.

Was endlich die §§ 21 und 77 betrifft, von denen der erstere die kantonalen Leistungen an die Wehrpflichtigen nicht in dem vollen Umfange übernommen hat, wie es die Art. 18 und 20 der Bundesverfassung voraussezen, der zweite dagegen der kantonalen Kompetenz noch Befugnisse einräumte, welche Art. 20 der revidirten Bundcsverfassung dem Bunde zutheilt, so wurden beide
in entsprechendem Sinne geändert. § 21 wurde kürzer redigirt wie folgt: Jeder Kantons- und im Kanton wohnende Schweizerbürger ist nach Maßgabe der eidgenössischen und kantonalen Militärgeseze

175 wehrpflichtig. Die Wehrmänner erhalten ihre erste Ausrüstung, Bekleidung und Bewaffnung unentgeltlich. Die Waffe bleibt unte" den durch die Bundesgesezgebung aufzustellenden Bedingungen in den Händen der Wehrmänner." Der neue § 77 lautet: ,,Das Militärgericht und die Militärgerichtsbarkeit werden, vorbehaltlich der daherigen eidgenössischen Bestimmungen, durch das Gesez geordnet."

Gegen diese Redaktion des Artikels kann nun zwar nichts mehr eingewendet werden, obwohl der praktische Nuzen desselben nicht einzusehen ist.

Diese zu gewährleistende Gruppe I enthält jedoch v i e r A r t i k e l mehr, als von der Bundesversammlung zurükgewiesen worden sind. Es sind dies die Art. 78, 80, 84 und 86 der Verfassung von 1873, welche von dem Kantonsrathe von Zug, in modifizirter Gestalt in Gruppe l eingeschlossen, abweichend von der Behandlung der drei andern Gruppen, als durch die Mehrheit der Stimmenden angenommen und in der neuen Form in Kraft erklärt worden sind.

Abgesehen von der Eigenthümlichkeit dieses Verfahrens von Seite des Kantonsrathes von Zug ist über diese vier Artikel nur Weniges zu bemerken : In § 78 sind die Kompetenzen des Einwohnerrathes etwas genauer geordnet, und in § 80 sind die Kirchgemeinden dahin definirt worden, daß sie bestehen aus den innert einem Pfarrsprengel wohnhaften Bürgern und Niedergelassenen der gleichen Konfession oder Glaubensgenossenschaft. Im Weitern wurden die Befugnisse der Kirchgemeinden näher bestimmt, ohne jedoch von der Redaktion von 1873 wesentlich abzuweichen.

Endlich ist der zweite Saz von § 84 gestrichen und in § 86 eine Ergänzung hinzugefügt worden, wonach für die Behörden und Beamten neben dem Eid auch ein Gelöbniß statthaft ist. Dieser § 86 lautet nun wie folgt : ,,Alle Behörden und Beamten sind bei ihrer ersten Amtsdauer auf die Verfassung und die Geseze in Eid o d e r i n ' s G e l ö b n i ß zu nehmen.a Durch diese Aenderung ist dem Art. 49 der Bundesverfassung genügt worden. Die jezige Redaktion des Artikels entspricht nun auch der eigenen neuern Gesezgebung des Bundes (Art. 19 des Bundesgesezes über die Organisation der Bundesrechtspflege). Die frühere Redaktion war wörtlich gleichlautend mit Saz 2 von § 96 der neuen Verfassung des Kantons Luzern, in Bezug auf welchen die Bundesversammlung bei Anlaß der Gewährleistung dieser Verfassung einen
Vorbehalt gemacht hat (off. Sammig. N. F. I, 592).

Eine weitere Abweichung der Gruppe I von der Revision von 1875 besteht darin, daß eine Bestimmung, die damals neu aufgenommen worden war, und den Zwek hatte, dem Staate die Ob-

176 sorge und Gesezgebung für die Erhaltung und rationelle Bewirtschaftung der Wälder zu übertragen, wieder gestrichen und daß § 10 weggelassen, also in der Redaktion von 1873 beibehalten wurde.

Nachdem nun über die Frage, ob die drei andern Gruppen der diesjährigen Revisionsvorlage vom Volke angenommen oder abgelehnt seien, beziehungsweise ob für den Entscheid dieser Frage die Mehrheit der Stimmberechtigten oder die Mehrheit der Stimmenden maßgebend sei, zwischen der Regierung und dem Kantonsrathe von Zug keine Meinungsdifferenz mehr zu walten scheint, vielmehr beide darüber einig sind, daß die Mehrheit der Stimmberechtigten entscheidend sei, und die drei übrigen Gruppen wirklich nur das Mehr der Stimmenden, nicht aber das Mehr der Stimmberechtigten erhalten haben, so wird von der weitern Erörterung dieser Frage Umgang genommen. Wir bedauern nur, daß die Gruppe II in Folge dessen als verworfen betrachtet werden muß, indem die Revision gegenüber der Verfassung von 1873 eine sehr erfreuliche Aenderung gebracht hätte, da sie bestimmt war, künftige Revisionen und Referendumsabstimmungen von der Mehrheit der Stimmenden abhängig zu machen, während jezt die Redaktion von 1873 bleibt, wonach die Mehrheit der Stimmberechtigten entscheidend ist -- eine Vorschrift, die, nachdem sie in neuerer Zeit auch im Kanton Schaffhausen gefallen ist, nur allein noch im Kanton Zug besteht.

Gestüzt auf diese Erörterungen schließen wir mit dem A n trage: Es sei der Partialrevision des Kantons Zug vom '23. April 1876 durch nachstehende Schlußnahme die eidg. Gewährleistung zu ertheilen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 16. Juni 1876.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Schiess.

177

(Entwurf.)

Bundesfoeschluss betreffend

die Gewährleistung einer theilweisen Abänderung der Staatsverfassung des Kantons Zug.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht eines Berichtes und Antrages des Bundesrathes vom 16. Juni 1876 über die Partialrevision der Verfassung des Kantons Zug vom 23. April 1876, wodurch die mit Bundesbeschluß vom 17. Juni 1874 zurükgewiesenen Paragraphen derselben revidirt und zugleich noch einige weitere Bestimmungen der zugerischen Verfassung abgeändert wurden ; in Betracht: daß diese revidirten Artikel der Verfassung des Kantons Zug nichts enthalten, was mit den Bestimmungen der Bundesverfassung im Widerspruch wäre; daß dieselben in der Abstimmung vom 23. April 1876 von dem Volke des Kantons Zug angenommen worden sind; daß sie, gleich wie die ganze Verfassung des Kantons Zug, jederzeit revidirt werden können , wenn die absolute Mehrheit der Bürger es verlangt; beschließt: 1. Der theilweisen Revision der Verfassung des Kantons Zug vom 23. April 1876 wird hiemit die Gewährleistung des Bundes ertheilt.

2. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

178

# S T #

B erteilt des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung über die in Lausanne zur Militärsteuer dekretirte Zuschlagstaxe.

(Vom 17. Juni 1876.)

Tit. !

Mit Schreiben vom 3. März 1876 reichte Herr Rudolph Martin,, für sich und Namens 150 Einwohnern der Gemeinde Lausanne,, einen Rekurs bei der Bundesversammlung ein gegen unsern Entscheid vom 21. Januar 1876, womit wir die vom Großen Rathe des Kantons Waadt den Gemeinden bewilligte Zuschlagstaxe zurMilitärsteuer als statthaft erklärt haben.

Dieser Rekurs wurde mit Beschluß beider eidg. Räthe vom 7. März uns zum Bericht überwiesen. Nachdem wir die betheiligten Behörden des Kantons Waadt noch angehört haben, sind wir hiemit im Falle, dem erhaltenen Auftrage ein Genüge zu leisten.

Seit längerer Zeit haben waadtländische Gemeinden, um den stets wachsenden Bedürfnissen zu genügen, sich veranlaßt gesehen,, zu besondern Steuern für Gemeindezweke ihre Zuflucht zu nehmen.

Hiefür war jedoch stets ein Dekret des Großen Rathes nothwendig, welches nur gegeben wurde gestüzt auf eine sorgfältige administrative Untersuchung durch die obern kantonalen Behörden. Gegenwärtig sollen mehr als 190 Gemeinden des Kantons Waadt in dieser Lage sich befinden. Im Jahre 1865 bewilligte der Große Rath der Gemeinde Lausanne, ihre Steuern auf dem Wege einer Zuschlagstaxe-,

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung über die neue Verfassung des Kantons Zug. (Vorn 16. Juni 1876.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1876

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

29

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

01.07.1876

Date Data Seite

167-178

Page Pagina Ref. No

10 009 185

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.