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Schweizerisches Bundesblatt.

28. Jahrgang. HL

Nr. 34.

5. August 1876.

J a h r e s a b o n n e m e n t (portofrei in der ganzen Schweiz): 4 Franken.

E i n r ü k u n g s g e b ü h r per Zeile 15 Rp. -- Inserate sind franko an die Espedition einzusenden Druk und Expedition der Stämpflischen Buchdrukerei in Bern.

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Bericht , der

Kommission des Ständeraths über den Gesezesentwurf betreffend den Erwerb des Schweizerbürgerrechts und den Verzicht auf dasselbe.

(Vom 10 Juni

1876

Tit!

Durch Art. 44, Lemma 2 der Bundesverfassung wird dem Bunde das Recht vorbehalten, die Bedingungen sowohl für die Ertheilung des Bürgerrechts an Ausländer als für den Verzicht auf das Schweizerbürgerrecht durch die Gesezgebung zu ordnen. Die o O O Gründe zu dieser Verfassungsbestimmung, welche gleichlautend in beiden Entwürfen sich findet, sind in der vorliegenden Botschaft einläßlich nachgewiesen; sie liegen bezüglich der Naturalisation in der aus den frühern Erfahrungen geschöpften Erkenntniss, daß die Bestimmung des Art. 43 der Verfassung von 1848, wonach der Einbürgerung die Entlassungauss dem frühern Staats vorbände vorausgehen sollte, in einzelnen Fällen nicht eingehalten werden könne, und anderseits doch unzureichend sei, umVerwiklungn mit andern Staaten vorzubeugen. Die gleiche Rüksicht, daß der Bund befugt sein müsse, ein Gebiet gesezgeberisch zu ordnen, in welchem er häufig um seine Intervention angegangen werden kann, liegt auch dem andern Theil obiger Bestimmung zu Grunde, wonach der Verzicht auf die schweizerische Nationalität ebenfalls von Bundes wegen, geordnet werden soll.

Bundesblatt. 28. Jahrg. Bd. in.

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322 Der Unfug hinsichtlich der Einbürgerung von Ausländern, welcher ein Einschreiten des Bundes hervorrief, scheint in der neuern Zeit zwar im Abnehmen begriffen zu sein; allein die nahe Möglichkeit, daß durch die Naturalisation dem Bestreben von Ausländern, den Verpflichtungen gegen den bisherigen Staatsverband sich zu entziehen, Vorschub geleistet und die Schweiz dadurch in unangenehme Beziehungen zu Nachbarstaaten gebracht werde, dauert heute fort und sie erheischt deßhalb das Einschreiten des Gesezgebers. Es handelt sich hier nicht um eine Rechtsmaterie, deren Grundsäze schon gegeben sind, und deren Ausbildung bis auf weiteres der bundesrechtlichen Praxis überlassen werden könnte, sondern darum, ein neues Recht zu schaffen, durch welches die Achtung vor dem Schweizerbürgerrecht und die Stellung des Bundes in der Handhabung internationaler Verpflichtungen gehoben werden.

Die Kommißsion erachtet deßhalb die Erlassung eines Ausführungsgesezes zu Art. 44, Lemma 2 der Bundesverfassung als opportun.

Uebergehend zum Inhalte des bundesräthlichen Gesezesentwurfes, sprechen wir die Anerkennung aus, daß derselbe innerhalb der durch die Verfassung gesezten Grenzen steht und unseres Eraehtens den leitenden Gedanken des neuen Verfassungsartikels den richtigen Ausdruk gibt.

Die wichtigste Bestimmung im ersten Abschnitte, über die Ertheilung des Bürgerrechts, ist wohl diejenige des Art. 2, Ziff. 2, welche die Prüfung der Verhältnisse des Bewerbers zum bisherigen Heimathstaate und die Erwägung internationaler Konsequenzen der Einbürgerung dem Bundesrathe zuweist. Wie die Beurtheilung derartiger Verhältnisse mit internationalem Charakter selbstverständlich der politischen Behörde zufällt, so halten wir auch den weitern Inhalt des Artikels über die Anwendung dieser Kompetenz für richtig. Derselbe gewährt freien Erwägungen ausreichenden Spielraum und schließt den Acceß an politisch Verfolgte keineswegs aus, welche würdig sind, in den Adoptivverband einzutreten.

Es wurde vorgeschlagen, die Bewilligung des Bundes der Aufnahme in das Orts- und Kantonsbilrgerrecht erst nachfolgen zu lassen, oder doch dem Naturalisationsakt noch eine eidgenössische Signatur zu verleihen. Dieser Gedanke, welcher an das vielbesprochene allgemeine Schweizerbürgerrecht erinnert, ist an sich wohl berechtigt, allein nach Ansicht der
Mehrheit der Kommission nicht ausnahmsweise durchzuführen, so lange das Schweizerbürgerrecht keinen realen Gehalt hat, sondern lediglich als Ausfluß der engern Bürgerrechte sich darstellt. Die Kommission hält vielmehr

323 die Anlage des Entwurfs für richtig, wonach dem Bunde nur politische Seite der Naturalisation zugewiesen, diese aber in Vordergrund gestellt wird, während die weitern Bedingungen Einbürgerung sammt dem daherigen Verfahren, wie bis dahin, Kantonalgesezgebung überlassen bleiben.

die den der der

In dem zweiten Abschnitt, über den Verzicht auf das Bürgerrecht, begegnen wir vor Allem der Frage, nach welcher Gesezgebung die Handlungsfähigkeit des Verzichtenden zu beurtheilen sei, ob nach dem Geseze der bisherigen, oder aber der neuen Heimath oder endlich nach dem Geseze seines Domizils. Die Fälle, in welchen die Gemeinde ein praktisches Interesse haben kann, dem Bürgerrechtsverzichte entgegenzutreten, lassen sich hauptsächlich auf vormundschaftliche Verhältnisse und daherige Vermögensherausnahme zurükführen. Wenn man nun annimmt, daß der fremde Staat die Handlungsfähigkeit seines Neubürgers nach seiner eigenen Gesezgebung beurtheilen und für dessen Ansprüche einstehen wird, so ist nicht zu verkennen, daß durch das Festhalten an unserer Gesezgebung Konflikte mit andern Staaten entstehen könnten, welche zu vermeiden ein Gebot der Klugheit ist.

Die Kommission erklärt sich für den Vorschlag des Entwurfs und zwar hauptsächlich aus dem Grunde, weil derselbe mit den Grundsäzen des neuern internationalen Privatrechts übereinstimmt, wonach die Handlungsfähigkeit der Personen durch die Gesezgebung ihres Domizils bestimmt wird. In der Regel wird hier das Domizil mit der neuen Staatsangehörigkeit zusammentreffen.

Von der Regel, daß die Ehefrau und die minderjährigen Kinder dem Bürgerrechte des Ehemanns folgen, möchten wir nicht bloß eine Ausnahme machen, wenn dieß ausdrüklich verlangt wird, sondern selbst gegen den Willen des Verzichtenden, wenn er mit denselben nicht in gemeinsamer Haushaltung lebt. Dem Ehemann, der seine Familie böslich verläßt, soll der Verzicht auf das Bürgerrecht nicht als Vorschub dienen, um den Pflichten gegen seine Familie sich zu entziehen und dieselbe in ihren vermögensrechtlichen Ansprüchen zu schädigen. Ueberhaupt soll der Verzicht so wenig als die Naturalisation ein Mittel sein, um in Umgehung der Geseze der Heimath bisherigen Vespflichtungen gegen dieselbe sich entziehen zu können.

Daß die Streitigkeiten über den Bürgerrechtsverzicht dem Bundesgerichte zugewiesen werden, bedarf keiner besondern Rechtfertigung, während hinwiederum der Entscheid über die Wiederaufnahme in das Schweizerbürgerrecht nach den in Art. 2, Ziff. 2,

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vorausgesezten politischen Erwägungen dem Bundesrathe zufallen muß.

Die Kommission empfiehlt Ihnen das Eintreten auf den vorliegenden Gesezesentwurf und schlägt im Einzelnen diejenigen Abänderungen vor, welche in einer Ihrem Rathe auszutheilenden gedrukten Beilage enthalten sind.

B e r n , den 10. Juni 1876.

Für die Kommission des Ständeraths, Der deutsche Berichterstatter :

Fr. Hofer.

Mitglieder der Kommission: Schaller, französischer Berichterstatter.

Hofer.

Cornaz.

Jenny.

Zangger.

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Einleitender Bericht der

ständeräthlichen Geschäftsprüfungs - Kommission, über die eidgenössische Staatsrechnung von 1875.

(Vom 24. Juni 1876.)

Tit.!

Das Ergebniß der eidgenössischen Staatsrechnung vom Jahr 1875 hat die Voraussichten des entsprechenden Voranschlags und die Hoffnung der baldigen Herstellung eines normalen Budgets in manchen wichtigen Punkten nicht bestätigt. Zwar übertreffen die wirklichen Einnahmen mit 42,408,028 Fr. den Büdgetansatz von 39,516,000 um 2,892,028, allein auch die Ausgaben übersteigen den Voranschlag von 39,266,000 mit 43,235,695 um 3,969,695.

Nach diesem Verhältniß ist es nicht bei dem vorausgesehenen Ausfall von Fr. 250,000 geblieben, sondern das Defizit ist auf 827,666 Franken gestiegen.

Dieses Defizit hätte an und für sich nichts Beunruhigendes ; denn es rührt dasselbe wesentlich davon her, daß au die dem Bunde zu bezahlende Hälfte des Militärpflichtersatzes von einer Anzahl größter Kantone eine Summe von Fr. 365,326 nicht eingegangen und daß zweitens die Postverwaltung mit ihrem Ertrage um 671,000 Fr. unter dem Voranschlag geblieben ist. Der erstere Posten wird nachträglich selbstverständlich eingehen, und was die Postverwaltung betrifft, so beruht ihre geringere Einnahme wesentlich auf außerordentlichen Witterungsverhältnissen und der allge-

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Bericht der Kommission des Ständeraths über den Gesezesentwurf betreffend den Erwerb des Schweizerbürgerrechts und den Verzicht auf dasselbe. (Vom 10. Juni 1876.)

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1876

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05.08.1876

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