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Schweizerisches Bundesblatt.

28. Jahrgang. L

Nr. 8.

26. Februar 1876.

J a h r e s a b o n n e m e n t (portofrei in der ganzen Schweiz): 4 Franken.

Einrükungsgebühr per Zeile 15 Bp. -- Inaerate sind franko an die Expedition einzusenden.

Druk and Expedition der Stämpflischen Buchdrukerei in Bern.

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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die Exerzir-Reglemente der schweizerischen Infanterie.

(Tom 11. Februar 1876.)

Tit.!

Infolge der neuen Militärorganisation, durch welche die Infanteriebataillone einen andern Bestand und eine neue Eintheilung, nämlich in 4 statt wie früher in 6 Kompagnien, erhalten haben, ist eine Umarbeitung der Exerzir-Reglemente der Infanterie nothwendig geworden.

Die bisherigen Exerzir-Reglemente wurden von der Bundesversammlung unterm 22 Dezember 1868 erlassen. Wenn auch schon damals die neuere Kampfweise der Infanterie gehörige Berüksichtigung fand, so hat doch der Krieg von 1870/71 neue Erfahrungen gebracht, die, da ohnehin eine Umarbeitung der Réglemente nothwendig geworden war, nicht unberüksichtigt bleiben durften.

Es wurde deßhalb eine Revision der Exerzir-Reglemente angeordnet und eine solche zunächst in der Instruktorenschule berathen, welche unter dem Kommando des Waffenchefs der Infanterie im März v. J. in Basel stattfand und ferner aus dem Oberinstruktor, den Kreisinstruktoren und den Instruktoren I. Klasse der Infanterie bestand.

Bundesblatt. 28. Jahrg. Bd. I.

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Der Reglementsentwurf, wie er aus den Berathungen dieses Kollegiums hervorgegangen war, wurde sofort gedrukt und in den 34 .Infanterierekrutenschulen des Jahres 1875, welche jeweilen ein Schulbataillon bildeten, versuchsweise eingeführt.

Da der neue Entwurf möglichst dem frühern Réglemente angepaßt war und namentlich da er nur sehr wenige Kommandos geändert hatte, so machte sich der Uebergang zum neuen Reglement außerordentlich leicht und es darf dasselbe als bereits von einem großen Theil der Cadres gekannt bezeichnet werden.

Um sich die Erfahrungen des Probejahres zu Nuzen zu ziehen, wurden die Instruktionskorps der Kreise eingeladen, ihre Bemerkungen und Abänderungsanträge schriftlich einzureichen, worauf Anfangs Januar d. J. die höhern Instruktoren, jedoch dießmal ohne die Instruktoren I. Klasse, neuerdings einberufen wurden und unter der Leitung des Waffenchefs das Reglement nochmals durchberiethen.

Diese zweite Berathung ergab nur unwesentliche, meistens die Form beschlagende Aenderungen an dem ursprünglichen Entwurf.

. Indem wir Ihnen nun die Réglemente, wie sie schließlich aus diesen Berathungen hervorgegangen sind, vorlegen, glauben wir Ihnen die d e f i n i t i v e Genehmigung der Réglemente empfehlen zu sollen. Wir sehen uns dazu veranlaßt durch die sorgfältige Vorberathung, welche der Entwurf erfahren hat, ganz besonders aber durch die umfassenden praktischen Erfahrungen, welche mit dem Reglement gemacht worden sind, und welche weitere Experimente als überflüssig, ja als schädlich erscheinen ließen.

In Nachstehendem führen wir zu besserem Verständniß der Vorlage diejenigen wichtigeren Abänderungen auf, welche die Vorlage gegenüber den Reglementen vom Jahr 1868 enthält.

I. Soldatenschule.

1. Die Vorschriften über das Turnen sind aus dem Reglement entfernt worden. Sie wurden s. Z. in dasselbe eingefügt, um das Turnen in dem durch die Kantone ertheilten Militärunterricht obligatorisch zu machen. Dieser Grund ist nun weggefallen und da der Turnunterricht nun in größerem Umfange in der Volksschule und vor Eintritt in das wehrpflichtige Alter betrieben werden soll, so ist es zwekmäßiger, die Vorschriften über das Turnen in einer eigenen Turnschule niederzulegen. Diese kann nun einestheils auf den Vorunterricht der Jugend Bedacht nehmen, andernthcils die Uebungen der Soldatenschule vorbereiten.

325 2. In der geschlossenen Ordnung war man bisher für die Arbeit mit dem Repetirgewehr etwas beengt, weßhalb der Frontraum für den Mann auf 75 cm festgesezt wird, statt der frühem 62 cm (5 Schritte auf 6 Mann).

3. Die Größe des Schrittes ist von 75 cm auf 80 cm gebracht worden. Es entspricht dieß mehr dem natürlichen Schritt unserer Leute und wird damit in der Stunde (bei 115 Schritt in der Minute) ein um 345 m größerer Raum zurükgelegt.

4. Neu ist das Kommando ,, Rechtsum--kehrt " statt des frühern ,,Ganze Wendung--kehrt." Diese Aenderung mußte des Anschlusses an tien Turnunterricht wegen eingeführt werden, da in lezterem der körperlichen Ausbildung wegen die Drehung nicht immer auf eine Seite, sondern rechts und links eingeübt werden muß.

Zugleich ist ein neues Kommando ,,Rechtsum--kehrt--halt" eingeführt worden, um durch dasselbe das sofortige Halten nach der Wendung im Marsche ohne weiteres Kommando bewerkstelligen zu können.

5. Bei den Schwenkungen ist eine nicht unwichtige Neuerung eingetreten, indem das neue Reglement nur noch e i n e Art von Schwenkung und nur noch ein Kommando statt der bisherigen ' -zwei kennt. Bei der nun als alleinige Art angenommenen frühern Schwenkung der offenen Kolonne ist überdies die Verbesserung eingetreten, daß der Führer nicht sofort nach erfolgter Drehung den Marsch fortsezt, sondern den Schritt etwas verkürzt, was größere.Ordnung in die Schwenkungen bringt und die Anwendung der angenommenen Schwenkungen auf die geschlossene Kolonne eher ermöglicht.

6. In der Soldatenschule mit Gewehr sind eine Reihe von Verbesserungen aufgenommen worden, von welchen wir nur einige kurz andeuten wollen : Vorschrift, die Pyramide auch mit dem Puzstok formiren zu können, um das Korn zu schonen; Das Bajonnetfällen wird nicht mehr als eigentlicher Gewehrgriff behandelt, sondern in dem Abschnitt ,,Gebrauch des Gewehrs als Stoßwaffe" aufgeführt; Die Gewehrgriffe, namentlich die Anschlag- und Zielübungen und die Kommandos für das Feuern haben eine Anzahl von Abänderungen erfahren, welche das Instruiren erleichtern und die Kommandos verständlicher machen sollen.

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II. Kompagnieschule.

Wichtiger als die Aenderung der Detailbestimmimgen in der Soldatenschule sind die Aenderungen, welche im zweiten Theil der Exerzir-Reglemente, der Kompagnieschule, vorgenommen worden sind.

Hier griff die Militärorgauisation insoweit bestimmend ein, als sie einen andern Bestand der Cadres und eine andere Mannschaftszahl vorschrieb als das frühere Gesez, auf welchem das bisherige Reglement fußte.

Zwar blieb die bisherige Eintheilung der Kompagnie in 2 Plotone und 4 Sektionen beibehalten. Die Sektion erhielt aber eine solche Stärke, daß sie zur Normalabtheilung der Kolonne erhoben werden mußte, so daß wir nun normal statt der frühern zwei Abtheilungen (Plotonskolonne) eine Tiefe der Kolonne von vier Abtheilungen (Sektionskolonne) erhalten. Immerhin ist auch die Plotonskolonne nicht ausgeschlossen.

Um eine schmälere Marschkolonne als die Sektionskolonne und eine breitere als die Rottenkolonne (Viererreihe) zu erhalten, wurde die Sektion noch in Halbsektionen eingetheilt.

Sodann wurde die Kompagnie, um jederzeit zur Tirailleurformation übergehen zu können, auch in Gruppen eingetheilt. Als Regeln für die Gruppeneintheilung gelten, daß die einzelne Gruppe normal fünf Rotten zählen, die Sektion aber in nicht weniger als zwei und in nicht mehr als vier Gruppen eingetheilt werden soll.

Dieser Eintheilung gemäß werden die Cadres in's Glied gestellt. Die Zutheilung von zwei Oberlieutenants zur Kompagnie veranlaßte die Aenderung, daß der eine nur das erste Ploton, resp.

die erste Sektion, der andere das zweite Ploton, resp. die dritte Sektion kommandirt.

Die beiden Lieutenants kommandiren die zweite und vierte Sektion. Die 8 Wachtmeister werden an die Flügel der Sektionen als Chefs der Flügelgruppen gestellt. Die Zahl der Korporale ermöglichte außer der Besezung der Flügel auch noch zwei Korporale in die Mitte jeder Sektion zu stellen.

Wird die Sektion bloß in 2 Gruppen (Halbsektion) eingetheilt, so stehen sie an den Flügeln derselben; wird sie in vier eingetheilt, übernehmen sie das Kommando der innern Gruppen, und wird sie in drei eingetheilt, so übernimmt einer von ihnen das Kommando der Mittelgruppe.

Im Ploiren und Deploiren wurden diejenigen Veränderungen .angebracht, welche durch die bereits erwähnte Annahme der Sek-

327 tionskolonne zur normalen Kolonne und durch die Einführung der Halbsektionskolonne nothwendig geworden waren.

Die Abschaffung der besondren Art der Schwenkung in der geschlossenen Kolonne, deren wir bereits bei der Soldatenschule erwähnt haben, hatte auch eine entsprechende Vereinfachung der Kompagnieschule zur Folge.

Der Contre-Marsch ist als eine bloße Exerzirplazform aus dem Reglement entfernt worden.

Eine wesentliche Aenderung in der Anordnung der Réglemente ist die Aufnahme der Tirailleurschule in die Kompagnieschule, wohin sie, seit die Kompagnie Gefechtseinheit geworden ist und als solche auch das Tirailleurgefecht durchführt, auch dem größten Theil nach gehört.

In der Tirailleurformation ist die Kette abgeschafft und die Gruppe als einzige Form beibehalten, wodurch den Anforderungen der neuen Gefechtsweise und der Einfachheit entsprochen wurde.

Das frühere Tirailleurreglement sah offenbar eine zu große Frontentwiklung vor; dieselbe wurde daher auf fünf Schritte per Rotte normirt.

Selbstverständlich läßt das Reglement volle Freiheit,je nach dem Terrain und den Gefechtsverhältnissen eine dichtere oder lokerere Aufstellung zu nehmen.

Die Gruppenehefs marschiren in der Entwiklung und beim Vorrüken ihren Abtheilungen voran, während sie früher hinter denselben marschirten.

Den neuesten Kriegserfahrungen wird durch die Vorschrift des rukweisen Vorgehens von einem Terrainabschnitt zum andern, sei es der ganzen Feuerlinie, sei es einzelner Flügel, und durch etwas stärkere Betonung der Sehwarinformation Rechnung getragen.

Die frühern umständlichen Vorschriften über die Verwendung der Tirailleurs in Verbindung mit dem Bataillon, welche sich von der ehemaligen Einrichtung, nur gewisse Truppen (die Jäger) zum Tirailliren zu verwenden, herleitete, konnte ganz fallen gelassen werden.

Endlich hat die Kompagnieschule eine logischere Eintheilung erfahren, welche sie mehr in Uebereinstimmung mit den neuern taktischen Lehrbüchern bringt und sie dem Gedächtniß leichter einprägt.

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III. Bataillonsschnle.

Die Bataillonsschule mußte durch die neue Eintheilung des Bataillons in 4 statt in 6 Kompagnien, resp. 3 Divisionen wesentlich geändert werden.

Die oben unter dem Abschnitt Kompagnieschule erwähnte Erhebung der Sektion zur normalen Kölonnenunterabtheilung hatte natürlich auch einen bestimmenden Einfluß auf die Kolonnenbildung und die Kolonnentiefe beim Bataillon. Die frühere Angriffskolonne wurde dem Wesen nach als Rendez-vous - Stellung beibehalten, wird aber, da sie nicht mehr als Gefechtsform gelten kann, nun Doppelkolonne genannt. Des geschlossenen Bataillons ist überhaupt nur noch Erwähnung gethan, soweit dies für .die Bewegung grösserer Massen nothwendig ist, weßhalb auch die Bataillonsfeuer nur.

noch für ausnahmsweise Verhältnisse Plaz gefunden haben.

Das Hauptgewicht ist auf das Manövriren mit Kompagniekolonnen gelegt, als der eigentlichen Gefechtsformation des Bataillons. Es werden normal zwei Kompagnien in das vordere Treffen, nun Vortreffen oder Tirailleurtreffen genannt, geführt und zwei als Haupttreffen zurükbehalten. Das Reglement gewährt übrigens volle Freiheit, vorerst auch nur eine Kompagnie in's Tirailleurtreffen zu stellen.

Zur Entwiklung zum Gefecht löst jede Kompagnie des Vortreffens die Hälfte in Tirailleurs auf, das zweite Ploton folgt als Unterstüzung.

Es ist damit, wie bereits erwähnt, die sehr umständliche Vorschrift über die Verwendung der Tirailleurs beim Bataillon dahingefallen.

In dem Abschnitt über die Inspektion ist die Vereinfachung enthalten, daß die Fahne nicht bei jedem Ausrüken zum Exerziren u. s. w. und bei jeder Rükkehr vom Exerzirplaze, sondern nur am Anfange und am Ende eines Felddienstes mit den bisher üblichen Formalitäten abgeholt und zurükgebracht werden soll.

Die Fahnenübernahme erhält dadurch eine erhöhte feierliche Bedeutung.

Die Gefechtsmethode, welche den Schluß der Bataillonsschule bildet, sucht dem unerfahrenen Offizier die Norm für Angriff und Vertheidigung zu geben, nicht ohne darauf aufmerksam zu machen, dass die Gefechtslage ihn sehr bald veranlaßen werde, von der Schablone abzugehen. Die leitenden Gedanken der Gefechtsmethode sind übrigens die, daß ein großer Nachdruk auf umsichtiges Vorgehen, auf das Handeln nach einem bestimmten Plan und auf

329 energische, offensive Durchführung des einmal erfaßten Planes gelegt wird.

Schließlich hat auch die Bataillonsschule eine logischere Eintheilung erhalten.

Die drei Réglemente zählen zusammen 421 Paragraphen. Die frühern Réglemente zählten deren, wenn man diejenigen, welche vom Turnen handelten, in Abzug bringt, 562, so daß schon aus der Reduktion um 141 Paragraphen eine Vereinfachung der Exerzirvorschriften ersichtlich ist.

Nachdem wir in Kürze die wichtigern Aenderungen am bisherigen Réglemente namhaft gemacht haben, glauben wir dem neuen Entwurfe mit aller Beruhigung das Zeugniß geben zu dürfen, daß er der neuern Gefechtsweise der Infanterie und unsern präzis und schnell schießenden Handfeuerwaffen volle Rechnung trägt.

So einfach das Reglement ist, so gewährt es doch der Initiative des einzelnen Führers hinlänglichen Spielraum in der Wahl der Form, so daß es selbst dann noch einer Abänderung nicht bedürfen wird, wenn in Folge fernerer Kriegserfahrungen auf die eine oder andere 'der gegenwärtig bekannten Formen und der gegenwärtig üblichen Dispositionen ein größerer Nachdruk gelegt werden sollte.

Es wäre gewiß von großem Uebel, wenn die neu formirten Truppenkorps noch länger im Ungewissen über die elementartaktischen Formen bleiben würden, weßhalb wir Ihnen die - m ö g l i c h s t b a l d i g e Annahme des nachfolgenden Entwurfes eines Bundesbeschlusses empfehlen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung.

B e r n , den 11. Februar 1876.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Schiess.

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(Entwurf)

Bundesbeschluss betreffend

die Einführung neuer Exerzir-Reglemente für die schweizerische Infanterie.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 11. Februar 1876, und der vorgelegten Réglemente, betreffend die Soldatenschule, die Kompagnieschule und die Bataillonsschule, beschließt: 1. Den genannten Reglementen wird die Genehmigung ertheilt.

2. Der Bundesrath wird mit der Vollziehung beauftragt.

> Dieser Beschluß wird als dringlich erklärt und tritt sofort in Kraft.

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Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die ExerzirReglemente der schweizerischen Infanterie. (vom 11. Februar 1876.)

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1876

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08

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26.02.1876

Date Data Seite

323-330

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10 008 980

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