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Einleitender Bericht der

ständeräthlichen Geschäftsprüfungs - Kommission, über die eidgenössische Staatsrechnung von 1875.

(Vom 24. Juni 1876.)

Tit.!

Das Ergebniß der eidgenössischen Staatsrechnung vom Jahr 1875 hat die Voraussichten des entsprechenden Voranschlags und die Hoffnung der baldigen Herstellung eines normalen Budgets in manchen wichtigen Punkten nicht bestätigt. Zwar übertreffen die wirklichen Einnahmen mit 42,408,028 Fr. den Büdgetansatz von 39,516,000 um 2,892,028, allein auch die Ausgaben übersteigen den Voranschlag von 39,266,000 mit 43,235,695 um 3,969,695.

Nach diesem Verhältniß ist es nicht bei dem vorausgesehenen Ausfall von Fr. 250,000 geblieben, sondern das Defizit ist auf 827,666 Franken gestiegen.

Dieses Defizit hätte an und für sich nichts Beunruhigendes ; denn es rührt dasselbe wesentlich davon her, daß au die dem Bunde zu bezahlende Hälfte des Militärpflichtersatzes von einer Anzahl größter Kantone eine Summe von Fr. 365,326 nicht eingegangen und daß zweitens die Postverwaltung mit ihrem Ertrage um 671,000 Fr. unter dem Voranschlag geblieben ist. Der erstere Posten wird nachträglich selbstverständlich eingehen, und was die Postverwaltung betrifft, so beruht ihre geringere Einnahme wesentlich auf außerordentlichen Witterungsverhältnissen und der allge-

326 meinen ökonomischen Krisis, welche die Reiselust sehr beschränkt, Umstände, welche sich auch in diesem Jahre wiederholen zu wollen scheinen, aber doch nicht regelmäßig alle Jahre wiederholen werden. Wäre in diesen beiden Punkten die eidgenössische Staatsrechnung im normalen Verhältniß, so würde sie kein Defizit aufweisen und man darf sich der Hoffnung hingeben, daß aus Grund dieser beiden Posten ein Defizit nicht wiederkehren würde.

Allein nach Eröffnungen von bundesräthlicher Seite im Nationalrathe und nach dem Stande der Nachtragskreditbegehren ist diese angenehme Erwartung nicht aufrecht zu erhalten und steht für das Jahr 1876 ein Ausfall von circa 3 Millionen in Aussicht. Wenn der Nationalrath Ihrem Beschluß betreffend die Nachtragskredite nicht zustimmte und der gestrichene Ansatz von ll/z Millionen für die altern Jahrgänge schließlich im Budget verbleiben sollte, so wird dieses Defizit wohl zur Wirklichkeit werden, und selbst wenn diese l a /2 Millionen gestrichen werden, wird immer noch ein Ausfall von circa 2 Millionen übrig bleiben.

Das Defizit scheint sich also in der eidgenössischen Staatsrechnung einbürgern und chronisch werden zu wollen. Die eidgenössischen Rechnungs- und Vermögensverhältnisse erscheinen mit dem Eintritt dieser Thatsache erst recht sichtbar in einem merklichen Abstände gegenüber früher. In den ersten l1^ Jahrzehnten seit 1848 hatten die Verwaltungsrechnungen bei circa 13 bis 21 Millionen Einnahmen und circa 12 bis 20 Millionen Ausgaben Vorschläge bis zu l Million. Allerdings fehlte es auch schon damals an Rückschlägen nicht; allein sie hinderten nicht, daß der Bund ein reines Vermögen von 9--12 Millionen Franken ansammeln konnte. Jetzt ist dieses Vermögen bei 31,608,408 Fr. Aktiven und 31,309,486 Fr. Passiven aufgezehrt bis auf Fr. 298,922. Die Verwaltungsrechnung bilanzirt sich zwischen Einnahmen und Ausgaben von über 40 Millionen und ist bei einem Ausfall angelangt, der sich nach Millionen beziffert.

Jeder weiß, daß diese Wandlungen in den eidgenössischen Rechnungs- und Vermögensverhältnissen im Ganzen und der Hauptsache nach unvermeidliche waren, daß die größte dieser Wandlungen sowohl in Einnahmen als Ausgaben die unmittelbare und konstitutionelle Folge der neuen Bundesverfassung ist und daß es auch ohne die letztere sowohl in Folge der gesteigerten Ansprüche
an die Verwaltung, als in Folge der veränderten allgemeinen Preisverhältnisse Sache der reinsten Unmöglichkeit wäre, zu den Verhältnissen der ersten Jahre des Bundesstaates zurückzukehren.

327 Allein die Zahlen, in welchen sich jetzt die Staatsrechnung und namentlich ihr Ausfall bewegen, sind doch von solchem Gewichte, daß sie Stoff zu ernstem Nachdenken geben und es ist der Augenblick gekommen, wo ein haushälterisches Gemeinwesen, wie die Eidgenossenschaft es sein soll, darauf Bedacht nehmen muß, Abhülfe zu treffen und ihr Einnehmen und Ausgeben in ein angemessenes Gleichgewicht zu setzen.

Ein Mittel der Abhülfe wäre die Vermehrung der Einnahmen und soweit eine solche sich eröffnen könnte, wäre sie das Willkommenste. Allein erstens ist die Vermehrung der Einnahmsquellen durch die Bundesverfassung beschränkt und es ist nicht rathsam, der Verfassung irgendwelche Gewalt anzuthun, um sich neue Finanzquellen zu verschaffen. Denn die Lasten, welche in Form von direkten und indirekten Steuern, Abgaben, Leistungen vom Volke zu tragen sind, gestalten sich bereits der Art, daß sie zu verständiger Schonung herausfordern. Was an den bestehenden Bundeseinnahmen noch zu verbessern wäre, sei es, durch Revision der Zölle oder der Post-, Telegraphen- und andeïër Tarife, mag geprüft werden. Man wird jedoch auch hier auf die Erfahrung stoßen, wie man sie schon bei der Frage der Aufhebung der Portofreiheit gemacht hat, nämlich, daß es außerordentlich schwer ist, volkswirtschaftliche Vortheile, An welche das Publikum sich gewöhnt hat und die es lieb gewonnen, ihm wieder zu entziehen, und zugleich wird eine weise Verwaltung von vorneherein es verschmähen, etwa richtige volkswirthschaftliche Grundsätze, welche sich als das Volkswohl fördernd erwiesen haben, aufzugeben, nur um Geld zu machen um jeden Preis.

Der nächstliegende und natürliche, zugleich konstitutionell vorgezeichnete Weg der Aushülfe wäre die Einforderung der kantonalen Geldkontingente. Es sprechen aber nicht weniger als alle Gründe dafür, daß der Bund sich, so lange immer ein anderes Behelfen möglich, davor hüten soll, an die Finanzkraft der Kaniono zu appelliren. Denn die ohnehin nicht unbegrenzte Finanzkraft der Kantone ringt, mit wenigen Ausnahmen, schon seit der Gründung des Bundesstaates mit dem Defizit und mifc dem Gewicht unverhältnißmäßiger Lasten, und die öffentlichen Lasten sind in den meisten Kantonen derart angewachsen, daß dieselben, ihrer Großzahl nach, eher am Rande ihrer Hülfsmittel angelangt sind, als an der Befähigung,
ihrerseits dem Bunde finanziell unter die Arme zu greifen.

Ja es naht die Zeit heran, wo eine Reihe von Kantonen kaum mehr im Stande sein wird, den Aufgaben des Staates in vollem Umfange gerecht zu werden und diese Aufgaben nur noch in unvollkommener Weise und in sparsamster Ausstattung erfüllen

328 kann. Die Einforderung der Geldkontingente würde das Maß dieses Zustandes voll machen und eher denn die Herstellung des Gleichgewichts in den eidgenössischen Finanzen, eine Umwälzung sowohl im eidgenössischen als kantonlen Haushalt nach sich ziehen.

Ist dergestalt die Frage der Vermehrung der Einnahmen zwar immerhin eine offene, aber annoch eine ziemlich dunkle, so muß man gern oder ungern auf einen andern, freilich weniger angenehmen Weg Bedacht nehmen, nämlich auf die Verminderung der Ausgaben. Abgesehen von der natürlichen und verhältnißmäßigen Steigerung aller Werthe und Kosten haben die eidgenössischen Ausgaben doch eine so rapide Zunahme erfahren, daß es der Mühe werth sein sollte, näher nachzusehen, wie es sich mit derselben verhält. Der Voranschlag der Einnahmen und Ausgaben, wie sich das Bundesbüdget nach der neuen Bundesverfassung gestalten sollte, lauteteim Jahre 1872aufFr.27,900,000 Ausgaben und Fr. 27,600,000 Einnahmen, und jetzt stehen wir vor 43 Millionen Ausgaben und 42 Millionen Einnahmen. Selten wird sich ein Voranschlag von so weittragenden Berechnungen, wie derjenige über die finanziellen Wirkungen einer so tiefgreifenden neuen Einrichtung, wie die Bundesverfassung es ist, ganz genau bewähren und war man auch sicherlich auf etwelche Abweichung der Wirklichkeit von der Voraussetzung gefaßt. Aber die Differenz ist doch eine so große, daß.

man sie nicht gerne einfach hinnimmt, ohne sich von ihrer ganzen und vollen Notwendigkeit überzeugt zu haben. Ohne in die Korrektheit und allgemeine Tüchtigkeit der eidgenössischen Verwaltung* Zweifel zu setzen, drängt sich angesichts solcher Zahlen die Frage auf, ob nicht vielleicht doch die Summe der Ausgaben das wirklich Nothwendige übersteige. Im Einzelnen wird schwerlich viel geändert werden können, aber es gibt eine Sparsamkeit, welche in Allem zusammen bei einer großen Verwaltung, richtig angewendet, ohne Benachtheilung des wirklichen Zwecks erkleckliche Summen zu rathsamen versteht. Angesichts der Finanzlage des Bundes, angesichts der kantonalen Besoldungen und Verwendungen, welche in merkwürdigem Abstände zu den eidgenössischen stehen, drängt sich in der That, so wenig lieblich es klingt, der Rath fast von selbst auf, es möge auch betreffend die eidgenössischen Finanzen ein wenig auf den Rappen geschaut und die Münze zweimal
umgedreht werden, bevor sie aus der Tasche wandert. Es kann freilich von dieser Maxime ein engherziger Gebrauch gemacht werden^ der den öffentlichen Interessen nur schädlich ist, und es wird in der That ein solcher Gebrauch mitunter in Verhältnissen gemacht, wo ohnehin die Verwaltung spärlich genug ist und die angebliche Sparsamkeit zur Folge hat, selbst das Nothwendige zu verkürzen.

329 So angewendet hat die Maxime einen üblen Beigeschmack. Anders ist es dagegen, wenn ihre Anwendung dazu dient, allem Nothwendigen und Wohlbegründeten sein Recht zu geben, dagegen dem Schweiße des Volkes und den wirklich gemeinnützigen öffentlichen Zwecken jeden Abbruch durch überflüssige Kosten und Ausgaben zu ersparen. Hier ist sie am Platze und zwar um so mehr, als das Vorkommen überflüssiger Ausgaben, z. B. im Druckwesen, im Militärwesen, in welchem besonders darauf zu sehen ist, daß die Opfer der Offiziere und Wehrmänner an Reise, Zeit und Geld auch wirklich stets dem Nutzen und Zweck des Dienstes, für den sie aufgeboten werden, entsprechen, keineswegs in diesen Zweigen allein schon durch manche Stimme der Kritik in den eidgenössischen Räthen, geschweige im Publikum, beregt worden ist, und als in der Verwaltung selbst von manchen Beamten, in deren Wort kein Mißtrauen zu setzen ist, kein Geheimniß daraus gemacht wird, daß durch angemessene Ersparnisse in der gesammten Administration, ohne Benachtheiligung der öffentlichen Zwecke, das Defizit wenigstens in seiner dermaligen Größe ausgeglichen werden könnte.

Wenn aber für das Nothwendige Geld genug vorhanden, so liegt im Ueberflüssigen nicht der Grund, die Aera der Defizite einzuführen.

Die Kommission beantragt Ihnen die Aufnahme des natiorialräthlichen Postulates, welches auf die Herstellung des Gleichgewichtes in den eidgenössischen Finanzen abzielt, jedoch vervollständigt durch die Andeutung, daß man zum Zwecke derselben nicht allein an Vermehrung der Einnahmen, sondern gleichzeitig und sogar vorher daran denken soll, die Ausgaben durch Beseitigung alles Ueberflüssigen auf ihr wirklich gerechtfertigtes Maß zu beschränken. Das Postulat würde hienach so lauten: ,,Der Bundesrath wird eingeladen, bei Anlaß der Budgetvorlage für das Jahr 1877 über die finanzielle Lage des Bundes Bericht zu erstatten und im Weitern Anträge zu stellen, in welcher Weise, namentlich durch angemessene Ersparnisse in den Ausgaben der Bundesverwaltung ohne Benachtheiligung der bundesgemäßen Zwecke, die Ausgaben und Einnahmen der eidgenössischen Staatsrechnung in ein normales Verhältniß gebracht werden können.1'Ein Register, worin die Ersparnisse bestehen sollen, ist dermalen nicht die Aufgabe. Bei der kurzen Frist zur Berichterstattung hätte dazu selbst die Zeit
gemangelt. Einzelnes anzuführen ist nicht rathsam, weil damit der Krieg angeregt würde zwischen dem, was erwähnt und dem, was nicht erwähnt wird. Es ist augezeigt, nicht vereinzelt, sondern umfassend vorzugehen, und ein

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Bild der möglichen Ersparnisse im Ganzen, für alle Verwaltungen, aufzustellen. Dazu bedarf es einer Enquête zuerst des Bundesrathes, an welche sich die Prüfung der Räthe anzuschließen hätte.

Die Anregung der Verminderung der Ausgaben durch angemessene Ersparnisse beabsichtigt keine Mißtrauensbezeugung gegen die eidgenössischen Behörden, sondern in völlig sachlichem Geiste die wirksame Wiederherstellung des Gleichgewichtes in den eidgenössischen Finanzen und richtige Oekonomie mit den direkten und indirekten Lasten des Volkes, welche durch die neue Verfassung dem Bunde so ungleich näher stehen, als früher. Sie will keinen Geist der Kleinlichkeit in, die Verwaltung einführen, sie beabsichtigt keine Beschränkung der notwendigen und begründeten Ausgaben, am wenigsten derjenigen zu volkswirtschaftlichen und gemeinnützigen Zwecken, sondern nur die Vermeidung der überflüssigen. Sie will nicht das Pflichtgefühl des Volkes schwächen, daß die notwendigen öffentlichen Lasten willig zu tragen die Grundlage des Gemeinwesens und zugleich seine Ehre ist, sondern sie will das Pflichtgefühl der Behörden stärken, daß der Schweiß des Volkes zu theuer ist, um damit zu bezahlen, was seiner nicht werth ist. Sie will kein Hemmniß schaffen für die Entwicklung der Bundesinstitutionen, sondern sie will dieselben umgeben mit der Billigung des Volkes und mit dem Vertrauen desselben in einen ·exacten und sorglichen republikanischen Haushalt.

B e r n , den 24. Juni 1876.

Namens der ständeräthlichen GeschäftsprüfungsKommission, Der Berichterstatter:

F. Gengel.

Mitglieder der Kommission : ,

Bingier.

Gengel.

Vessaz.

Stehlin.

Cornaz.

Hofer.

"Wirz.

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Bericht der

nationalräthlichen Kommission über den Rekurs von Albert Pfander von Basel, gegen den Bundesrathsbeschluss vom 29. Dezember 1875, betreffend Montirungsteuer.

(Vom 17. Juni 1876.)

Aus den Akten ergibt sich: I. Rekurrent weigerte sich, eine von der Regierung des Kantons Baselstadt am 5. Dezember 1874 auf Grundlage einer Gesezesbestimmung aus dem Jahre 1817 beziehungsweise 1831 und 1836 dekretirte und im Monat Januar 1875 in Einzug gesezte sog. Montirungsteuer zu bezahlen, und stellte dießfalls mit Schreiben vom 27. März 1875 bei dem schweizerischen Bundesrathe die Einfrage: ob die Behörde von Baselstadt gegenüber dem Art. 20 der Bundesverfassung von 1874 zum Bezüge der Montirungsteuer pro 1875 noch befugt sei.

II. Am 29. März 1875 beschloß der Bundesrath auf Antrag seines Militärdepartements, dem Rekurrenten zu erwidern, er habe sich mit seiner Einfrage vorerst an die Behörden von Baselstadt zu wenden,

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Einleitender Bericht der ständeräthlichen Geschäftsprüfungs-Kommission, über die eidgenössische Staatsrechnung von 1875. (Vom 24. Juni 1876.)

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1876

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05.08.1876

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Page Pagina Ref. No

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